Aus <strong>dem</strong> GemeindeblattApril 1930Ihr Konfirmanden!… Heute dürft Ihr einmal hineinsehen,wie es Eurem Pfarrer zu Muteist, wenn er euch konfirmieren … darf.Schon manchen Jahrgang hat er ebensodahingehen sehen, und hat gesehen,wie sie genauso ankamen, wie Ihr –so richtig aufgeputzt für den Tag, alsob es auf nichts anderes ankäme. DieBuben mit ihren mehr oder minderlangen Hosen, <strong>dem</strong> steifen Kragen umden Hals und <strong>dem</strong> möglichst großenHut auf <strong>dem</strong> Kopf. Die Mädchen mitihren feinen Kleidern, den neuen undeleganten Schuhen und den entsprechendenStrümpfen, dazu trotz allerMahnung des Pfarrers die Haare bisdorthinaus gebrannt, dass er Euchschier nicht wiedererkennt, wie es einemPfarrer einmal ergangen ist. Sohat er das alles schon oft gesehen undhofft bei je<strong>dem</strong> Jahrgang, daß die eswenigstens anders machen und dochkommen sie wieder genauso an. Ihraber nehmt gerade das so unendlichwichtig, laßt Euch so gerne bewundernund fühlt Euch in Eurer neuen Würde.Es wäre ja auch nicht so schlimm,wenn nicht das „Andere“, das, woraufes ankommt, darunter ganz und garverschwände.Euer Pfarrer sieht aber noch mehr, ersieht, ob ihr ihn einladet oder nicht, wieIhr zu Hause feiert. Da klingt so oftvon <strong>dem</strong>, was am Morgen in der Kirchelebendig war, gar nichts mehr nach.Wir wissen auch, daß es andere Häusergibt, aber die sind zu zählen. Meistensist die Hauptsache, daß ordentlichgegessen und getrunken wird, als obdavon die Konfirmation abhinge... dabeisollte doch auch das „Andere“ inder Familie zu seinem Recht kommen.… Wenn ich Euch aber sagen sollte,was dieses „Andere“ eigentlich ist, soist das sehr schwer. Eigentlich sollte esgarnicht schwer sein; Jesus hat gesagt,daß schon ein Kind dieses „Andere“haben könne und daß wir es wie dieKinder erfassen sollen… Doch ich willversuchen, es Euch klar zu machen. –Von wem reden wir Menschen dennam meisten? – doch von uns selbst,und das kommt daher, daß wir unsselbst so wichtig nehmen. Daherkommt es auch, dass Ihr so auf EureAnzüge und Kleider aus seid und daßIhr mit Essen und Trinken feiernmüsst. Das kommt nur, weil wir unsMenschen so wichtig nehmen. Nun istaber Gott und Christus so viel größerals wir alle und darum sind sie vielwichtiger als unser ganzes Leben. Darummüssen sie aber auch im Mittelpunktstehen überall in der Welt....Allezeit an sie denken und uns inallem nach ihnen richten, das solltenwir tun, dann wäre manches anders indieser Welt. Das ist das "Andere",das ja nicht mit der Konfirmation aufhörensoll, sondern mit Euch gehen sollEuer ganzes Leben und Euch Kraftschenken. Ist das in Euch lebendig,dann habt Ihr Segen von Eurer Konfirmation,das wünschen wir Euch vonHerzen.Pfarrer Wibbeling, Hellstein34
FREUD UND LEID35