29.11.2012 Aufrufe

Die chirurgische Therapie der chronischen Pankreatitis aus Sicht ...

Die chirurgische Therapie der chronischen Pankreatitis aus Sicht ...

Die chirurgische Therapie der chronischen Pankreatitis aus Sicht ...

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Rezidivierende Oberbauchschmerzen sowie<br />

exokrine und endokrine Funktionseinbußen<br />

sind die drei Leitsymptome<br />

<strong>der</strong> <strong>chronischen</strong> <strong>Pankreatitis</strong> und stellen<br />

trotz aller therapeutischen Fortschritte eine echte<br />

Her<strong>aus</strong>for<strong>der</strong>ung für den behandelnden Arzt dar.<br />

Der natürliche Verlauf <strong>der</strong> <strong>chronischen</strong> <strong>Pankreatitis</strong><br />

ist nicht vorhersehbar. Das sogenannte „Ausbrennenlassen“<br />

<strong>der</strong> Bauchspeicheldrüse, das<br />

heißt abzuwarten, bis mit dem progredienten Parenchymverlust<br />

auch die Schmerzsymptomatik im<br />

Verlauf <strong>der</strong> Erkrankung abnimmt, ist lange Zeit<br />

diskutiert worden (2, 3, 8, 9). Untersuchungen <strong>aus</strong><br />

Japan und unserer eigenen Arbeitsgruppe haben<br />

übereinstimmend gezeigt, daß die Schmerzsymptomatik<br />

bei mehr als 50 Prozent <strong>der</strong> Patienten<br />

auch nach fünf (12) beziehungsweise zehn Jahren<br />

(10) Verlaufsbeobachtung weiter fortbesteht. Da<br />

die rezidivierende Schmerzsymptomatik Patienten<br />

im mittleren Lebensalter, in dem die Erkrankung<br />

meist manifest wird, zu Krankenh<strong>aus</strong>aufenthalten<br />

o<strong>der</strong> zumindest zur zeitweisen Arbeitsunfähigkeit<br />

zwingt, muß dringend nach einer geeigneten<br />

Schmerztherapie gesucht werden.<br />

Was hat die internistische, das heißt<br />

die konservative, Seite zu bieten?<br />

Alkoholabstinenz, Enzymsubstitution zur<br />

Drucksenkung im Pankreasgang (sogenannter<br />

Feedback-Mechanismus) o<strong>der</strong> endoskopische<br />

<strong>Therapie</strong> von Pankreaspseudozysten, -gangsteinen<br />

und -gangstenosen, den möglicherweise zu<br />

Schmerzen führenden Komplikationen <strong>der</strong> Erkrankung,<br />

werden empfohlen. So sicher es ist, daß<br />

Alkoholabusus bei drei von vier Patienten mit<br />

chronischer <strong>Pankreatitis</strong> zu <strong>der</strong> Erkrankung geführt<br />

hat, so unsicher ist, ob spätere Alkoholabstinenz<br />

zur Schmerzfreiheit führt. Nur bei jedem<br />

M E D I Z I N<br />

EDITORIAL<br />

<strong>Die</strong> <strong>chirurgische</strong> <strong>Therapie</strong><br />

<strong>der</strong> <strong>chronischen</strong> <strong>Pankreatitis</strong><br />

<strong>aus</strong> <strong>Sicht</strong> des Internisten<br />

Paul Georg Lankisch<br />

dritten Alkoholiker gelang es uns, ihn zur Alkoholabstinenz<br />

zu motivieren; 52 Prozent dieser Patienten<br />

wurden schmerzfrei gegenüber 37 Prozent<br />

<strong>der</strong> Patienten, die weiterhin Alkohol tranken<br />

(10). Ähnlich sah es in Japan <strong>aus</strong>: 60 Prozent<br />

<strong>der</strong> abstinent gewordenen Alkoholiker wurden<br />

schmerzfrei, aber 26 Prozent erreichten dieses<br />

Stadium auch, obwohl sie weiterhin Alkohol tranken<br />

(12). Wahrscheinlich führt Alkoholabstinenz<br />

bei jedem zweiten Patienten zu einer Schmerzlin<strong>der</strong>ung,<br />

aber es bleibt unklar, warum sie bei einem<br />

Patienten eintritt und bei dem an<strong>der</strong>en nicht und,<br />

wenn sie eintritt, warum dann erst geraume Zeit<br />

nach dem Alkoholstop. Tierexperimentelle Untersuchungen<br />

ließen vermuten, daß Pankreasenzyme<br />

den Druck im Pankreasgangsystem senken<br />

und damit zur Schmerzfreiheit führen könnten<br />

(5). Zahlreiche Untersuchungen haben dies beim<br />

Menschen trotz erster erfolgreicher Studien nicht<br />

bestätigen können (4, 11, 13).<br />

Endoskopische versus<br />

<strong>chirurgische</strong> <strong>Therapie</strong><br />

Kontrollierte Studien zur endoskopischen<br />

versus <strong>chirurgische</strong>n <strong>Therapie</strong> bei chronischer<br />

<strong>Pankreatitis</strong> sind zur Zeit nicht vorhanden und sicherlich<br />

dringend erfor<strong>der</strong>lich. Zahlreiche Untersuchungen<br />

zeigen, daß die Stentanlage in den<br />

Pankreasgang zur Schmerzlin<strong>der</strong>ung bei chronischer<br />

<strong>Pankreatitis</strong> führt. Es ist jedoch unklar, ob<br />

diese Stents selbst Pankreasgangverän<strong>der</strong>ungen<br />

herbeiführen, wie sie bei chronischer <strong>Pankreatitis</strong><br />

nachweisbar sind (1, 15). Transkutane, transgastrische<br />

und transduodenale Zystendrainagen haben<br />

häufig zur Lin<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Schmerzsymptomatik<br />

geführt, wenn diese Zysten keinen Anschluß<br />

zum Pankreasgangsystem hatten. Auch hier fehlen<br />

kontrollierte Studien zur endoskopisch-inter-<br />

Deutsches Ärzteblatt 96, Heft 10, 12. März 1999 (47)<br />

A-623


A-624<br />

ventionellen versus <strong>chirurgische</strong>n <strong>Therapie</strong>. Etwa<br />

je<strong>der</strong> zweite bis vierte Patient muß aufgrund seiner<br />

Schmerzen mit o<strong>der</strong> ohne Organkomplikationen,<br />

wie zum Beispiel Pankreaspseudozysten,<br />

operiert werden, weil an<strong>der</strong>e Alternativen<br />

(noch?) fehlen (10).<br />

Insgesamt 22 Studien, die bis 1997 veröffentlicht<br />

wurden, zeigten, daß Schmerzfreiheit unabhängig<br />

von dem Operationsverfahren (Drainage/Resektion)<br />

in bis zu 90 Prozent <strong>der</strong> Fälle für<br />

mehrere Jahre zu erreichen ist (6). <strong>Die</strong> Ergebnisse<br />

sind jedoch schwierig zu beurteilen, weil die<br />

Definition von Schmerzfreiheit in den einzelnen<br />

Untersuchungen oft vage ist und die Schmerzsymptomatik<br />

zum Beispiel nicht auf einer Analogskala<br />

gemessen wurde (7). Auch die Indikation<br />

zur operativen <strong>Therapie</strong> ist in den einzelnen<br />

Untersuchungen unterschiedlich, weil viele Chirurgen<br />

Resektionsoperationen bei Alkoholikern<br />

nicht durchführen, da <strong>der</strong> postoperative Diabetes<br />

mellitus als Folge <strong>der</strong> Resektion bei Alkoholikern<br />

schwierig und nicht selten gar nicht zu behandeln<br />

ist.<br />

Geringere Probleme bei exokriner und<br />

endokriner Pankreasinsuffizienz<br />

<strong>Die</strong> Behandlung <strong>der</strong> exokrinen und endokrinen<br />

Pankreasinsuffizienz stellt jedoch im Vergleich<br />

zur Schmerzsymptomatik für den Internisten<br />

das geringere Problem dar. Mit Pankreasenzymen<br />

und Insulin stehen geeignete konservative<br />

Maßnahmen zur Verfügung, aber eine internistische<br />

<strong>Therapie</strong>, die einen progredienten<br />

Funktionsverlust vermeidet, ist nicht bekannt.<br />

Nicht zuletzt deswegen ist die Übersicht von<br />

Schoenberg und Mitarbeitern (14) über neue<br />

organsparende Resektionsoperationen am Pankreas<br />

von beson<strong>der</strong>em Interesse, da die endokrine<br />

Funktion nach diesen Verfahren häufig erhalten<br />

werden kann. Nach Resektionseingriffen<br />

am Pankreas herkömmlicher Art (Whipplesche<br />

Operation, 80- bis 95prozentige Linksresektion)<br />

kommt es bei 50 Prozent aller Patienten zu einer<br />

Verschlechterung <strong>der</strong> endokrinen Funktion.<br />

Nach duodenumerhalten<strong>der</strong> Pankreaskopfresektion<br />

wurde sie nur bei zwei Prozent, nach milzerhalten<strong>der</strong><br />

Linksresektion zunächst nur bei 25,5<br />

Prozent <strong>der</strong> Patienten beobachtet. <strong>Die</strong>s ist möglicherweise<br />

für die weitere Prognose <strong>der</strong> Patienten<br />

von wesentlicher Bedeutung.<br />

Alles in allem ist die <strong>Therapie</strong> <strong>der</strong> exokrinen<br />

und endokrinen Pankreasinsuffizienz die Domäne<br />

<strong>der</strong> Internisten, die <strong>Therapie</strong> <strong>der</strong> Schmerzsym-<br />

(48) Deutsches Ärzteblatt 96, Heft 10, 12. März 1999<br />

M E D I Z I N<br />

EDITORIAL<br />

ptomatik aber ein interdisziplinäres Problem, das<br />

von Internisten und Chirurgen gemeinsam zu lösen<br />

ist. Organsparende Resektionen sind von beson<strong>der</strong>em<br />

Interesse; die Entwicklung weiterer<br />

endoskopischer Methoden zur Schmerztherapie<br />

und die Evaluierung neuer und alter endoskopischer<br />

Maßnahmen in kontrollierten Studien bleiben<br />

abzuwarten.<br />

Zitierweise dieses Beitrags:<br />

Dt Ärztebl 1999; 96: A-623–624<br />

[Heft 10]<br />

Literatur<br />

1. Alvarez C, Robert M, Sherman S, Reber HA: Histologic<br />

changes after stenting of the pancreatic duct. Arch Surg 1994;<br />

129: 765–768.<br />

2. Ammann R: Klinik, Spontanverlauf und <strong>Therapie</strong> <strong>der</strong> <strong>chronischen</strong><br />

<strong>Pankreatitis</strong>. Unter spezieller Berücksichtigung <strong>der</strong> Nomenklaturprobleme.<br />

Schweiz Med Wochenschr 1989; 119:<br />

696–706.<br />

3. Ammann RW, Largiadèr F, Akovbiantz A: Pain relief by surgery<br />

in chronic pancreatitis? Relationship between pain relief,<br />

pancreatic dysfunction, and alcohol withdrawal. Scand J Gastroenterol<br />

1979; 14: 209–215.<br />

4. Halgreen H, Thorsgaard Pe<strong>der</strong>sen N, Worning H: Symptomatic<br />

effect of pancreatic enzyme therapy in patients with<br />

chronic pancreatitis. Scand J Gastroenterol 1986; 21: 104–108.<br />

5. Isaksson G, Ihse I: Pain reduction by an oral pancreatic enzyme<br />

preparation in chronic pancreatitis. Dig Dis Sci 1983; 28:<br />

97–102.<br />

6. Lankisch PG: Chronische <strong>Pankreatitis</strong> – noch ein <strong>chirurgische</strong>s<br />

Krankheitsbild? Chirurg 1997; 68: 851–854.<br />

7. Lankisch PG, Andrén-Sandberg Å: Standards for the diagnosis<br />

of chronic pancreatitis and for the evaluation of treatment.<br />

Int J Pancreatol 1993; 14: 205–212.<br />

8. Lankisch PG, Fuchs K, Schmidt H, Peiper H-J, Creutzfeldt W:<br />

Ergebnisse <strong>der</strong> operativen Behandlung <strong>der</strong> <strong>chronischen</strong><br />

<strong>Pankreatitis</strong> mit beson<strong>der</strong>er Berücksichtigung <strong>der</strong> exokrinen<br />

und endokrinen Funktion. Dt Med Wochenschr 1975; 100:<br />

1048–1060.<br />

9. Lankisch PG, Fuchs K, Peiper H-J, Creutzfeldt W: Pancreatic<br />

function after drainage or resection for chronic pancreatitis.<br />

In: Mitchell CJ, Kelleher J (eds): Pancreatic disease in clinical<br />

practice. London: Pitman Books 1981; 362–369.<br />

10. Lankisch PG, Löhr-Happe A, Otto J, Creutzfeldt W: Natural<br />

course in chronic pancreatitis. Pain, exocrine and endocrine<br />

pancreatic insufficiency, and prognosis of the disease. Digestion<br />

1993; 54: 148–155.<br />

11. Malesci A, Gaia E, Fioretta A et al.: No effect of long-term<br />

treatment with pancreatic extract on recurrent abdominal<br />

pain in patients with chronic pancreatitis. Scand J Gastroenterol<br />

1995; 30: 392–398.<br />

12. Miyake H, Harada H, Kunichika K, Ochi K, Kimura I: Clinical<br />

course and prognosis of chronic pancreatitis. Pancreas 1987;<br />

2: 378–385.<br />

13. Mössner J, Wresky HP, Kestel W, Zeeh J, Regner U,<br />

Fischbach W: Influence of treatment with pancreatic extracts<br />

on pancreatic enzyme secretion. Gut 1989; 30: 1143–1149.<br />

14. Schoenberg MH, Schlosser W, Beger HG: <strong>Die</strong> <strong>chirurgische</strong><br />

<strong>Therapie</strong> <strong>der</strong> <strong>chronischen</strong> <strong>Pankreatitis</strong>. Dt Ärztebl 1999; 96:<br />

A-625–631 [Heft 10].<br />

15. Smits ME, Rauws EAJ, van Gulik TM, Gouma DJ, Tytgat<br />

GNJ, Huibregtse K: Long-term results of endoscopic stenting<br />

and surgical drainage for biliary stricture due to chronic pancreatitis.<br />

Br J Surg 1996; 83: 764–768.<br />

Anschrift des Verfassers<br />

Prof. Dr. med. Paul Georg Lankisch<br />

Medizinische Klinik<br />

Städtisches Krankenh<strong>aus</strong><br />

Bögelstraße 1<br />

21339 Lüneburg

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!