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Anmerkungen zur Rolle des Lehrers

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Veröffentlichungen der Jahrestagung 2005lent sich in der Stille, sich ein Charakter in demStrom der Welt.“Zur Bildung <strong>des</strong> Charakters brauche ich denStrom der Welt. Große Gemeinschaften bietenJugendlichen den ersten Schritt in die Welt.Der Herzog von Wellington hat daher nach derSchlacht von Waterloo den berühmten Satzgeäußert: „Die Schlacht von Waterloo wurdeauf den Sportfeldern von Eton und Harrowgewonnen.“Im Verhältnis von Bildung und Erziehung istErziehung heute ein Stiefkind. Eltern und Lehrerverzichten zum Teil auf Erziehung, zumTeil resignieren sie, zum Teil fürchten sie denKonflikt, die mühselige tägliche Auseinandersetzung.Diese Auseinandersetzung ist anstrengendergeworden, weil die Anerkennungvon Autorität in Deutschland leidet, bedingtdurch unsere Geschichte, es leidet aber auchdie Autorität von Eltern und Lehrern, weil sieohne Selbstbewusststein und nicht selbstverständlichausgeübt wird.Eltern und Lehrern fällt es besonders schwer,Kinder und Jugendliche an Disziplin zu gewöhnen.Disziplin ist das ungeliebte Kind der Pädagogikund doch ist sie das Fundament allerPädagogik. Disziplin heißt Unterordnung, Konsequenz,Zwang; sie legitimiert sich durchLiebe zu Kindern und Jugendlichen. Konsequenzund Fürsorge sind die siamesischenZwillinge der Erziehung, Konsequenz ohneLiebe und Fürsorge wird unmenschlich, Liebeund Fürsorge ohne Disziplin führt zu Verwöhnungund Egoismus.„Erziehung ist Liebe und Vorbild, sonst nichts“,so hat sie Friedrich Fröbel, der Erfinder derKindergärten, beschrieben. Liebe ohne Disziplinwird herrisch oder pervertiert zu Eifersucht,die Mutter muss ihre Liebe zügeln, weil siesonst ihr Kind verwöhnt und zu Egoismus verführt,Erotische Liebe muss im Korsett derEhe gebändigt werden, weil sie sonst die Menschenüberfordert und ihre Bindungen gefährdet.Vorbild ist wiederum geläuterte, personifizierteErfahrung, menschgewordene Ethik, es ist dienach vielen Stadien der Selbstüberwindungerworbene Freiheit, die im Denken und Handelneines Menschen sichtbar wird. FröbelsSatz klingt so harmlos-freundlich und enthältdoch die harte Forderung nach Unterordnungund Selbstüberwindung.Man wird keinen großen Menschen in Geschichteund Gegenwart finden, der nicht einestrenge Erziehung genossen hat. Ό µὴ δαρεὶςά̉νθρωπος ου̉ παιδεύεθαιDer nicht geschundene Mensch wird nicht erzogen;diesen Satz Menandros hat Goethe alsMotto seiner Autobiographie „Dichtung undWahrheit“ vorangestellt.Dieses eigene Wirkungsfeld war die Gemeinschaft,das Internat.Wer das Aufwachsen von Jugendlichen begleitet,als Eltern, Lehrer oder Beobachter,erlebt die Macht der Gleichaltrigen. Der Einflussder Erwachsenen auf 15-jährige tendiertgegen Null.Wenn wir den Charakter von Jugendlichenbilden wollen, müssen wir eine Umgebungschaffen, die den Faktor „Gleichaltrige“ <strong>zur</strong>Stärkung ihrer Persönlichkeit nutzt.Dieser Weg ist zu allen Zeiten gegangen worden,seitdem es Jugend gibt, also in der Neuzeit.Kirchen, Jugendverbände, Jugendbewegung,Pfadfinder, aber auch die pervertiertenFormen der Erziehung im Nationalsozialismusund Kommunismus zählen darunter.Heute fehlen den Jugendlichen Gemeinschaften,in denen sie sich aktiv erproben, indem sieihre Ich-Stärke entwickeln können. Außerdemfehlen ihnen Erwachsene, die sie beim Aufwachsenbegleiten, sie führen, ihnen Grenzensetzen, aber sie auch ermutigen, ihren Weg zusuchen und zu finden. Diese Aufgabe müssenin höherem Maß die Lehrer übernehmen.Denn der Ausweg der Jugendlichen ist dieSpaßgesellschaft. Spaß wird passiv erlebtdurch Animation von außen, in zufällig entstehenden,beliebigen „Gemeinschaften“, die diesenNamen nicht verdienen, weil sie oft ohneZiel, Struktur, innere Kommunikation und Dauerexistieren. Spaß ist nicht das Glücksgefühl,das den aktiven Menschen erfüllt.4/8

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