18.08.2012 Aufrufe

DEN CHARAKTER EINES VOLKES ERKENNT MAN DARAN, WIE ...

DEN CHARAKTER EINES VOLKES ERKENNT MAN DARAN, WIE ...

DEN CHARAKTER EINES VOLKES ERKENNT MAN DARAN, WIE ...

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

S E I T E 16<br />

Liebe Leser<br />

Nimmt man das Zitat des<br />

französischen Siegers<br />

und späteren Staatspräsidenten<br />

Charles de Gaulle als<br />

Maßstab, wonach man den<br />

Charakter eines Volkes daran<br />

erkenne, wie es nach einem<br />

verlorenen Krieg mit seinen<br />

Soldaten umgeht, so dürfte<br />

sich dieses Bild bei den Deutschen<br />

nicht zum besten entwickelt<br />

haben. Denn die Vielzahl<br />

der in dieser Ausgabe<br />

dokumentierten Beispiele legt<br />

Zeugnis davon ab, daß in allen<br />

Regionen Deutschlands<br />

dem Gedenken an die Opfer<br />

des Krieges Widerstände erwachsen,<br />

die einerseits mit<br />

Geschichtsvergessenheit,<br />

mangelndem Engagement<br />

aber andererseits auch mit politischem<br />

Kalkül zu begründen<br />

sind.<br />

Bereits vor drei Jahren erreichte<br />

die Redaktion ein Zeitungsausschnitt<br />

von einem<br />

Leser, der über die Verlagerung<br />

einer Gedenkstele für das<br />

ehemalige Kampfgeschwader<br />

26 aus dem Stadtbild der Garnisonsstadt<br />

Lüneburg auf den<br />

abgelegenen Teil eines Kasernengeländes<br />

Auskunft gab.<br />

„Die Verlegung war der einzige<br />

Weg, um das Ehrenmal vor<br />

weiterer Zerstörung zu schützen“,<br />

begründete Oberbürgermeister<br />

Ulrich Mädge damals<br />

diesen Schritt (JF 51/01).<br />

Seitdem erreichten uns immer<br />

wieder Nachrichten über<br />

Abriß, Umwidmung, Schändung<br />

oder einfach nur Verwahrlosung<br />

von Kriegerdenkmälern.<br />

Im Zuge des Streites<br />

um das letztlich beseitigte<br />

Gedenkmal für die Gefallenen<br />

des 1. Panzerkorps der<br />

Waffen-SS in Marienfels (JF<br />

berichtete mehrfach) riefen wir<br />

unsere Leser dazu auf, uns gezielt<br />

mit Informationen über<br />

Mißstände in der Gedenkkultur<br />

zu versorgen. Damit wollten<br />

wir erstmals in einer überregionalen<br />

Zeitung die sonst<br />

allenfalls im Lokalteil versteckten<br />

Vorkommnisse präsentieren.<br />

Die große Resonanz erregte<br />

bei uns ein zwiespältiges<br />

Gefühl. Einerseits freuten wir<br />

uns über die rege Beteiligung<br />

unserer Leser, andererseits<br />

waren wir entsetzt über die<br />

schändlichen Beispiele, wie<br />

mit dem Gedenken an Gefallene,<br />

Ermordete, Bombenund<br />

Vertreibungsopfern umgegangen<br />

wird.<br />

Obwohl die Vielzahl der in<br />

dieser Beilage anläßlich des<br />

Volkstrauertages 2004 aufgeführten<br />

Fälle traurig stimmt,<br />

möchten wir nicht die Resignation<br />

befördern. Beispiele<br />

wie das 76er-Denkmal am<br />

Hamburger Dammtorbahnhof,<br />

welches als vernachlässigter<br />

und beschmierter Schandfleck<br />

mit privater Initiative saniert<br />

und gepflegt werden<br />

konnte, geben Mut, sich zu<br />

wehren und dem Verfall nicht<br />

tatenlos zuzusehen.<br />

Wir möchten auch weiterhin<br />

mit der JUNGEN FREIHEIT<br />

ein Ansprechpartner bleiben,<br />

der die lokalen Fälle sammelt,<br />

Widerstände formiert und in<br />

gewissen Abständen darüber<br />

informiert. Die Aufforderung,<br />

uns hierin zu unterstützen,<br />

sollten Sie als Motivation zum<br />

Widerstand verstehen.<br />

V O L K S T R A U E R T A G<br />

Unversehrtes Gefallenen-Ehrenmal von Hermann Bleeker in der Nähe der Münchner Staatskanzlei:<br />

„Auch die leiseste Spur einer Rechtfertigung des Handelns in der Vergangenheit nehmen“<br />

Amtsschimmel grotesk<br />

Hamburg Groß-Borstel: Platzverweis für Reparateure des geschändeten Denkmals<br />

In Hamburg Groß-Borstel steht ein<br />

Denkmal für die Gefallenen der<br />

beiden Weltkriege. Einer Anwohnerinitiative<br />

ist es zu verdanken, daß das<br />

Denkmal nicht schon vor Jahren abgeräumt<br />

wurde. Das Bezirksamt Hamburg<br />

Nord sah von der „Beräumung“<br />

ab, und engagierte Bürger übernahmen<br />

auf eigene Kosten und in Eigenarbeit<br />

die Instandsetzung des regelmäßig<br />

von Graffitti verunzierten Denkmals.<br />

In diesem Jahr blieben die Be-<br />

schädigungen nicht mehr nur oberflächlich.<br />

Unbekannte Vandalen rissen<br />

Dutzende Backsteine aus Fundament<br />

und Seitenmauern.<br />

Als im Sommer einige Bürger mit<br />

Steinen und Zement den ursprünglichen<br />

Zustand wiederherstellen wollten,<br />

staunten sie nicht schlecht über das<br />

Erscheinen von vier Polizeibeamten, die<br />

die weitere Arbeit untersagten und Platzverweise<br />

erteilten. Für die Reparatur, so<br />

die Beamten, sei eine behördliche Ge-<br />

nehmigung erforderlich. Es scheint, als<br />

werde von interessierter Seite der Amtsschimmel<br />

vorgeschoben, um den Zerfall<br />

des Denkmals zu beschleunigen.<br />

Das Bezirksamt räumte auf Nachfrage<br />

ein, daß das Denkmal „seit Jahren ein<br />

Politikum“ sei, das Verhalten der Polizei<br />

wollte man nicht bestätigen. Der<br />

Zustand des Denkmals war bekannt.<br />

Über Pläne, dem Zustand abzuhelfen,<br />

konnte die Behörde keine Angaben<br />

machen. (JF)<br />

Öffentlicher<br />

Schandfleck<br />

Im Jahre 1926 wurde das vom Architekten<br />

Hugo Eberhardt entworfene<br />

Denkmal für die Gefallenen des<br />

Ersten Weltkrieges im damaligen<br />

Waldpark von Offenbach eingeweiht.<br />

Es handelt sich um ein kreisförmig<br />

gestaltetes Podest mit acht<br />

Pfeilern, die oben kreisförmig abschließen.<br />

Im Zentrum steht der<br />

Gedenkstein mit der Widmung „In<br />

Dankbarkeit und Verehrung von den<br />

Kameraden“. Die drei Regimenter,<br />

denen das Denkmal zugedacht ist,<br />

kämpften in Frankreich, Belgien,<br />

Rußland, Serbien und Rumänien.<br />

Seit etwa zwanzig Jahren ist das<br />

Denkmal im nun umbenannten Leonhard-Eißnert-Park<br />

Objekt für Besudelungen.<br />

Die halbherzige oder<br />

später sogar unterlassene Beseitigung<br />

der Schmierereien durch städtische<br />

J U N G E F R E I H E I T<br />

Nr. 47/04 · 12. November 2004<br />

Offenbach am Main: Ein Denkmal verkommt<br />

Kräfte machte das Denkmal zum<br />

Anziehungspunkt für Graffiti-<br />

Sprayer.<br />

Im Laufe der Jahre wurden auch<br />

die Steine beschädigt. Beispielsweise<br />

wurden Teile aus dem Stahlhelm geschlagen,<br />

der oberhalb der Eingangsstufen<br />

angebracht ist. Neben belanglosen<br />

Graffiti wurden Losungen wie<br />

„Soldaten Mörder“ an die Stelen geschmiert.<br />

Insgesamt ist die komplette<br />

Anlage sehr ungepflegt und bildet<br />

einen Schandfleck für den gesamten<br />

Park.<br />

Die zuständige Stelle der Stadtverwaltung<br />

Offenbach konnte auf<br />

Anfrage der JF weder Auskunft darüber<br />

geben, ob der Zustand mittlerweile<br />

abgestellt wurde, noch ob zum<br />

Volkstrauertag Veranstaltungen an<br />

dem Ehrenmal geplant seien. (JF)<br />

Ehrenmmal in Offenbach, Herbst 2004: Schandfleck<br />

Inschriften sind kaum noch zu entziffern: Graffitiexzesse<br />

Eine Schmuddelecke ist entstanden: Wann kommt der Abriß?<br />

Gefallenendenkmal in Hamburg Groß-Borstel: Nach permanenten Beschmierungen wurden nun mit<br />

Matthias Bäkermann massiver Gewalt Steine aus dem Sockel herausgebrochen<br />

Urinspuren am Gedenkstein: Die Stadt kümmert sich nicht

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!