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Das ruhelose Magnetfeld der Erde.pdf - GeoForschungsZentrum ...

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T H E M E N D E R W I S S E N S C H A F TDidaktisches Material zudiesem Beitrag:www.wissenschaft-schulen.de<strong>Das</strong> <strong>ruhelose</strong> <strong>Magnetfeld</strong><strong>der</strong> <strong>Erde</strong>Was wir über den Geodynamo wissenVON VOLKER HAAK, MONIKA KORTE UND INGO WARDINSKIUnsere <strong>Erde</strong> ist von einem <strong>Magnetfeld</strong> umgeben, welches durch Vorgängeim Erdkern erzeugt wird, die wir nun im Großen und Ganzenverstehen. <strong>Das</strong> Erdmagnetfeld ist sowohl in <strong>der</strong> Stärke als auch inseiner Ausrichtung zeitlich variabel. Ziel unserer Arbeit ist es, dieVerän<strong>der</strong>ungen des <strong>Magnetfeld</strong>s zu analysieren und Prognosen fürseine zukünftige Entwicklung möglich zu machen.Je<strong>der</strong> Planet besitzt ein eigenes Schwerefeld,das nur durch seine Masse bestimmtwird. <strong>Magnetfeld</strong>er hingegensind keine typischen Eigenschaftenvon Planeten; denn zum Beispiel ist unserNachbarplanet Venus, <strong>der</strong> mit <strong>der</strong><strong>Erde</strong> chemisch und mineralogisch engverwandt ist, nicht von einem <strong>Magnetfeld</strong>umgeben. Dem Menschen fehltzwar für beide Fel<strong>der</strong> ein Sinnesorgan.Doch unterscheiden sich für ihn durchaus<strong>Magnetfeld</strong> und Schwerefeld: Fürdas Schwerefeld kann er ein Bewußtseinentwickeln, das ihm dessen Existenz erfahrbarmacht, für das <strong>Magnetfeld</strong> nicht,denn er kann es nur mit Hilfe von Messinstrumentenwahrnehmen.Solch ein Messinstrument ist <strong>der</strong> magnetischeKompass, den die Chinesenschon vor mehreren tausend Jahren nutzten.Im frühen Mittelalter wurde er auchfür die europäischen Seefahrer unentbehrlich.Ohne Kompass hätte ColumbusAmerika vielleicht nicht entdeckt. Die Ursache<strong>der</strong> Kräfte, welche die Kompassnadelausrichten, untersuchte man damalsaber nicht weiter.Woher stammtdas Erdmagnetfeld?<strong>Das</strong> än<strong>der</strong>te sich mit dem 1600 erschienenenWerk von William Gilbert über »Die<strong>Erde</strong> als Magnet«, in dem <strong>der</strong> irdische Ursprungdes Erdmagnetfelds deutlich wurde(»Die <strong>Erde</strong> ist selber ein einziger großerMagnet«). Man verfolgte aber noch bisAnfang des 20. Jahrhun<strong>der</strong>t die Idee, das<strong>Magnetfeld</strong> ebenso wie das Schwerefeldauf einen einzigen physikalischen Grundzurückzuführen. Hierzu gehörten beispielsweiseglobale thermo-elektrischeund an<strong>der</strong>e Effekte, die zwar nicht alleunsinnig waren, die aber die Stärke unddie zeitlichen Än<strong>der</strong>ungen des <strong>Magnetfeld</strong>snicht erklären konnten. Die darauffolgende mo<strong>der</strong>ne Dynamotheorie wur-22 STERNE UND WELTRAUM Juni 2006


Abb. 1: In <strong>der</strong> Nähe <strong>der</strong> magnetischenPole können die Ionendes Sonnenwinds leicht in dasErdmagnetfeld eindringen unddie Moleküle <strong>der</strong> Hochatmosphäredurch Stöße zum Leuchtenanregen. Diese Aufnahme einessüdlichen Polarlichts (Auroraaustralis) wurde während <strong>der</strong>Space-Shuttle-Mission STS-114am 6. August 2005 aufgenommen.(Bild: NASA-JSC)Abb. 2: <strong>Das</strong> <strong>Magnetfeld</strong> <strong>der</strong> <strong>Erde</strong>gleicht in guter Näherung einemDipolfeld. Man beachte, dass dieFeldlinien nicht nur an den Polenin die <strong>Erde</strong> eindringen, son<strong>der</strong>nüberall auf <strong>der</strong> Erdoberfläche. Dernach Süden gerichtete Pfeil gibteinerseits die magnetische Achsewie<strong>der</strong>, zum an<strong>der</strong>en die Richtungdes Dipols, <strong>der</strong> als stabförmigerMagnet fast genau im Mittelpunkt<strong>der</strong> <strong>Erde</strong> sitzt. An denPolen ist das <strong>Magnetfeld</strong> etwa60 000 Nanotesla (nT), am Äquatoretwa 30 000 nT stark. (Bild:GFZ Potsdam)de erst in <strong>der</strong> Mitte des 20. Jahrhun<strong>der</strong>tsentwickelt. Hierbei waren die Erkenntnisse<strong>der</strong> seismologischen Erkundung entscheidend,vor allem die Entdeckung desflüssigen Erdkerns 1926.Allerdings gab diese Entdeckung nochnicht die direkte Antwort auf die obengestellte Frage, wo das Erdmagnetfeldherrühre. Die Antwort kommt aus einerAnalyse <strong>der</strong> räumlichen Struktur und <strong>der</strong>Feldstärke des Hauptmagnetfeldes an <strong>der</strong>Erdoberfläche. Sie wurde erstmals vonPeter Mauersberger in Berlin und FrankLowes in Großbritannien durchgeführt.Diese Analyse ergab, dass die Quellen ineiner Tiefe von 2900 Kilometern, also an<strong>der</strong> Oberfläche des Erdkerns, liegen.In diesem Artikel betrachten wir nurdas so genannte Kern- o<strong>der</strong> Hauptfeld(Abb. 2). Unberücksichtigt bleiben magnetischeFel<strong>der</strong>, die ihre Quellen außerhalb<strong>der</strong> <strong>Erde</strong> haben, also in Strömen in<strong>der</strong> Ionosphäre und <strong>der</strong> Magnetosphäre.Diese entstehen durch Wechselwirkungdes Erdmagnetfelds mit dem Sonnenwindund können das <strong>Magnetfeld</strong> auch an <strong>der</strong>Erdoberfläche innerhalb von Minuten,Stunden und Tagen messbar verän<strong>der</strong>n.Auch die lokalen <strong>Magnetfeld</strong>er, die vonmagnetisierten Gesteinen <strong>der</strong> Erdkrusteerzeugt werden, lassen wir aus.Unser Planet bildete sich vor 4.5 MilliardenJahren aus dem solaren Urnebel.Wahrscheinlich entstand im Planeteninnerensehr schnell ein flüssiger Kern.Dieser besteht überwiegend aus einer Legierung<strong>der</strong> schweren Elemente Eisen undNickel, hinzu kommen auch leichtere Elementewie etwa Silizium, Magnesiumund Schwefel. Dieser flüssige und nochsehr heiße Metallbrei brodelte anfangsheftig, allerdings erzwingen die durch dieErdrotation induzierten Corioliskräfteim flüssigen Eisen wohlgeordnete Strömungsmuster.Tatsächlich sind hier die gleichen Kräfteam Werk wie in <strong>der</strong> Atmosphäre: Dorterzeugen Corioliskräfte die Hoch- undTiefdruckgebiete, und somit die Windeum sie herum. Im Erdkern entsprechendiesen Winden die Strömungen des flüssigenEisens. Damit waren schon früh diewesentlichen Elemente für die ErzeugungAls Ergänzung zu diesem Beitrag zeigenwir Ihnen unter <strong>der</strong> Internetadressewww.wissenschaft-schulen.de,dass auch mit Schulmitteln Messungendes lokalen <strong>Magnetfeld</strong>s <strong>der</strong> <strong>Erde</strong> möglichsind, wobei u. a. die altbewährteKompassnadel zum Einsatz kommt.<strong>Das</strong> induzierte Hauptfeld <strong>der</strong> <strong>Erde</strong>soll in erster Näherung als Dipolfeld veranschaulichtwerden, um danach eineschulnahe Erklärung für sein Zustandekommenzu geben. Teile <strong>der</strong> Erdkrusteeines Dynamos bekannt, nämlich gewaltigerotierende Eisenmassen wie in einemStromgenerator. Um ein <strong>Magnetfeld</strong>zu erzeugen, war ein äußeres erregendes<strong>Magnetfeld</strong> notwendig, welches die gesamte<strong>Erde</strong> und damit auch ihren Kerndurchdrang. Dieses äußere <strong>Magnetfeld</strong>stammte wohl von <strong>der</strong> frühen Sonne o<strong>der</strong>wurde in <strong>der</strong> Akkretionsscheibe, aus <strong>der</strong>sich die Planeten bildeten, erzeugt.Ein Perpetuum mobilemit hohem Energieverbrauch?In Wechselwirkung mit diesem <strong>Magnetfeld</strong>konnten die rotierenden Eisenmassenim Erdinneren wie<strong>der</strong>um <strong>Magnetfeld</strong>ererzeugen. Diese sorgten dann als neueerregende <strong>Magnetfeld</strong>er für die Generie-»Sterne und Weltraum« im Physik-Unterrichtbesitzen ein magnetisches »Gedächtnis«,dessen Inhalt unter bestimmtenBedingungen initialisiert, aber auch wie<strong>der</strong>gelöscht werden kann. Es wird auch<strong>der</strong> Frage nachgegangen, wie einzigartigdie <strong>Erde</strong> durch ihr <strong>Magnetfeld</strong> ist.Unser Projekt »Wissenschaft in dieSchulen!« führen wir in Zusammenarbeitmit <strong>der</strong> Landesakademie für Lehrerfortbildungin Donaueschingen durch.Es wird von <strong>der</strong> Klaus Tschira StiftunggGmbH großzügig geför<strong>der</strong>t.STERNE UND WELTRAUM Juni 200623


Exkurs: Einfrieren von <strong>Magnetfeld</strong>ern und das Ausfrieren des inneren ErdkernsDie Begriffe Einfrieren und Ausfrierenveranschaulichen hier drei physikalischeProzesse, die mit <strong>der</strong> Erzeugung desErdmagnetfelds zusammenhängen: Eingefrorene <strong>Magnetfeld</strong>er inschnell bewegten und elektrisch sehrgut leitenden Körpern. Bewegt sich einKörper schnell durch ein <strong>Magnetfeld</strong>, sonimmt er dieses Feld mit. Es sieht von außenso aus, als wäre es am Körper festgefroren.Voraussetzungen dafür sind einesehr gute elektrische Leitfähigkeit undeine größere Ausdehnung des Körpers.Solche eingefrorenen <strong>Magnetfeld</strong>er beobachtenwir häufig bei Sonneneruptionen,welche die bemerkenswerten Bogenstrukturen<strong>der</strong> herausgeschleu<strong>der</strong>ten Gaswolkenerzeugen.Im Erdkern treiben solche eingefrorenen<strong>Magnetfeld</strong>linien mit den Strömungenmit. Da sie zum Teil durch Erdmantelund Erdkruste hindurch über die Erdoberflächehinausragen, können wir beobachten,wie diese <strong>Magnetfeld</strong>er entlang <strong>der</strong>Erdoberfläche wan<strong>der</strong>n. Daraus könnenwir die horizontalen Strömungsgeschwindigkeitendes flüssigen Eisens im Erdkernableiten.Bewegt sich ein Körper dagegenlangsam durch ein <strong>Magnetfeld</strong>, so werdendurch Induktion elektrische Strömeund damit auch <strong>Magnetfeld</strong>er erregt, dieselbst ihrer Ursache entgegenwirken. Eingefrorene <strong>Magnetfeld</strong>er in altenmagnetischen Gesteinen. Bei paläomagnetischenUntersuchungen wird das<strong>Magnetfeld</strong> weit zurückliegen<strong>der</strong> Zeitenanalysiert, welches in magnetischen Gesteinengespeichert ist.Ein typischer Vorgang, bei dem solchesGestein entsteht, ist die Eruptionheißer Lava aus einem Vulkan. Diese Lavakühlt über Tage und Wochen ab und erstarrtschließlich um 1000°C. Sie wird zuBasalt. Unterschreitet die Temperatur desBasalts die Curie-Temperatur von Magnetitbei knapp 600 °C, so wird <strong>der</strong> Basaltmagnetisch. Magnetit (Fe 3 O 4 ) ist in Basaltein recht häufiges Mineral. Es speichertdas <strong>Magnetfeld</strong> seiner unmittelbaren Umgebung.Auch diesen Prozess nennt mananschaulich das »Einfrieren« von <strong>Magnetfeld</strong>ern.Die eingefrorenen <strong>Magnetfeld</strong>erin Basalten bleiben über geologisch sehrlange Zeiten – bis zu mehreren MilliardenJahren – erhalten. Diese magnetischenAufzeichnungen lassen sich als Archivfür die Vergangenheit des Erdmagnetfeldsauswerten und stellen die Grundlage <strong>der</strong>Paläomagnetik dar. <strong>Das</strong> Ausfrieren des inneren Erdkerns.Der feste innere Erdkern bestehtaus einer Legierung von Eisen mit etwasNickel. Es liegt nahe, diesen inneren Kernals Erstarrungsprodukt des flüssigen Gemischsdes äußeren Kerns zu verstehen.Tatsächlich scheint diese Erklärung paradoxzu sein und physikalischen Gesetzenzu wi<strong>der</strong>sprechen, da Flüssigkeiten jadann erstarren, wenn sie kälter werden,während die Temperatur zum Erdmittelpunkthin zunimmt. Entscheidend ist <strong>der</strong>Schmelzpunkt für Eisen unter den thermodynamischenBedingungen des innerenKerns: Der extrem hohe Druck erhöhtden Schmelzpunkt <strong>der</strong> Legierung über diedort herrschende Temperatur hinaus undsomit erstarrt das Eisen. Da die Temperaturmit zunehmendem Alter <strong>der</strong> <strong>Erde</strong>durch Wärmeverlust an ihre Umgebungabnimmt, fällt mehr und mehr erstarrtesEisen im flüssigen äußeren Kern ausund sinkt auf den inneren Kern ab, währenddas zurückbleibende leichtere Materialnach oben steigt. Diese kontinuierlicheAnlagerung von festem Eisen an denwachsenden inneren Erdkern heißt »Ausfrierendes inneren Kerns«. Der erstarrteinnere Kern wächst auf Kosten des äußerenKerns, weil die ganze <strong>Erde</strong> abkühlt.24 STERNE UND WELTRAUM Juni 2006


Abb. 3: Der innere Aufbau <strong>der</strong><strong>Erde</strong>, wie er aus seismischen Datenund <strong>der</strong> chemischen Gesamtzusammensetzungermittelt wurde.Der Erdmantel mit 67 Prozent<strong>der</strong> Erdmasse reicht bis ineine Tiefe von 2900 km. Er bestehtaus Silikatmineralen. DieSchichtdicken des oberen und unterenErdmantels sowie <strong>der</strong> Übergangszonesind nicht maßstabsgerechtdargestellt. Der Erdkernbesitzt einen Durchmesser von6850 km und macht ein Drittel<strong>der</strong> Erdmasse aus.Abb. 4: Hier sind die Massenbewegungenim Erdinneren zu sehen,sowohl <strong>der</strong> Erdmantel alsauch <strong>der</strong> äußere Erdkern zeigenKonvektionströmungen. Im festen,aber plastischen Erdmantelbewegen sich die Massenströmenur wenige Zentimeter pro Jahr,im flüssigen äußeren Erdkern dagegenzehn bis dreißig Kilometerpro Jahr, also eine Million malschneller als im Erdmantel! DieMassenströme im äußeren Erdkernerzeugen das <strong>Magnetfeld</strong>.(Beide Graphiken: SuW)ze und steigen auf. Damit setzen sie eineMassenbewegung in Gang, die einen hohenWirkungsgrad in <strong>der</strong> Umsetzung vonAbkühlung zu Bewegung erreicht.Der innere Kern bildete sich erst späternach Abkühlen <strong>der</strong> <strong>Erde</strong>, wahrscheinlichvor etwa 3.5 Milliarden Jahren. DieserÜbergang von einem flüssigen zu einemfest-flüssigen Kern sollte also miteiner Zunahme <strong>der</strong> verfügbaren Energiefür den Geodynamo und deshalb auchmit einer Verstärkung des <strong>Magnetfeld</strong>sverbunden sein. Paläomagnetische Messungenan entsprechend alten Gesteinenergeben tatsächlich einige Hinweise aufeine erhöhte Feldstärke, doch die Messdatenhierzu sind zwar genau, aber wi<strong>der</strong>sprüchlich.Gibt es Argumente, die klar gegen dieDynamotheorie sprechen? UnverzichtbareElemente des Geodynamos sind:ein flüssiges, elektrisch sehr gut leitendesMaterial, eine Konvektion <strong>der</strong> Flüssigkeit,eine Eigenrotation des Körpers unddamit Corioliskräfte. Würde eines dieserElemente fehlen, so könnte kein <strong>Magnetfeld</strong>entstehen. Würden wir aber einenPlaneten entdecken, <strong>der</strong> eines dieser Elementenicht hat, und <strong>der</strong> trotzdem ein<strong>Magnetfeld</strong> aufweist, so wäre die Dynamotheoriefür das Erdmagnetfeld zumindestzweifelhaft, jedenfalls nicht mehr dieeinzig denkbare Erklärung. Umgekehrtlässt sich allerdings aus dem Fehlen ei-Subduktionszone6000Kontinentale KrusteObererErdmantelMittelozeanischer RückenOzeanische Kruste4000UntererErdmantelRadius [km]Äußerer(flüssiger)ErdkernInnerer(fester)Erdkern2000 0rung wie<strong>der</strong> neuer <strong>Magnetfeld</strong>er. <strong>Das</strong> äußerekosmische Feld war nun nicht mehrnotwendig, um den Prozess in Gang zuhalten. So war <strong>der</strong> sich selbst erhaltendeGeodynamo geboren, <strong>der</strong> bis heute funktioniert.Dieser Vorgang erinnert sehr anein Perpetuum mobile, das es aber nachden Regeln <strong>der</strong> Thermodynamik nicht gebendarf.Tatsächlich ist aber <strong>der</strong> Geodynamokein Perpetuum mobile: Um die schwerenund trägen Eisenmassen zu bewegen,wird fortwährend viel Leistung benötigt,schätzungsweise etwa 10 13 Watt. <strong>Das</strong> ist30 Millionen Mal <strong>der</strong> Energiebedarf desgesamten Menschheit.Woher stammt diese Energie und wielange reicht sie noch? Zu Anfang wurdesie mit großer Wahrscheinlichkeit ausden Temperatur- und damit Dichtedifferenzen,die das flüssige Eisen in Wallungbrachten, erzeugt. Hierbei wurde thermischein mechanische Bewegungsenergieumgesetzt.Der innere Erdkernals sicherer EnergielieferantAllerdings ist <strong>der</strong> thermodynamischeWirkungsgrad dieser Umsetzung gering:Deshalb dürfte das <strong>Magnetfeld</strong> in<strong>der</strong> ersten Milliarde Jahre nach <strong>der</strong> Eentstehung<strong>der</strong> <strong>Erde</strong> nicht so stark gewesensein wie heute. Auch die Zerfallswärmeradioaktiver Elemente im Erdkern ähnlichwie im Erdmantel vermutete man alsZusatzheizung. Dabei kommt allerdingsdas häufigste radioaktive Element, Uran,nicht in Frage, da es sich mit seinem großenAtomradius nicht in die Nickel-Eisen-Legierungdes Erdkerns einordnetund deshalb bevorzugt im Erdmantel undvor allem in <strong>der</strong> Erdkruste vorkommt. Eindenkbares Element ist das radioaktive Isotop40 Kalium.Die durch den radioaktiven Zerfall imErdkern freigesetzte Wärme reicht abernicht aus, um den Geodynamo in <strong>der</strong>beobachteten Stärke anzutreiben. Deshalbsuchte man nach weiteren Erklärungenaus <strong>der</strong> Struktur des Erdinneren(siehe auch SuW 11/2005, S. 36ff.). Untersuchungenvon seismischen Wellenzeigen, dass <strong>der</strong> in 2900 Kilometer Tiefebeginnende Erdkern sich in zwei Teileglie<strong>der</strong>t: Eine flüssige Hülle aus einer Nickel-Eisen-Legierungbildet den äußerenErdkern, sie ist 2200 Kilometer mächtigund umschließt den inneren Erdkern, <strong>der</strong>aus einer festen Nickel-Eisen-Legierungbesteht (siehe hierzu Abb. 3 und 4). DieseKonfiguration ermöglicht eine beson<strong>der</strong>eForm <strong>der</strong> Energieerzeugung für denGeodynamo: <strong>Das</strong> Ausfrieren des innerenErdkerns (s. hierzu die Erklärung im Kastenlinks): Schweres und reines Eisen undNickel lagert sich am inneren Kern an,leichtere Elemente wie Schwefel, Sauerstoffund Silizium bleiben in <strong>der</strong> Schmel-STERNE UND WELTRAUM Juni 200625


Abb. 5. Mit dem Satelliten MAGSATwurde 1980 und mit dem SatellitenCHAMP seit 2000 lückenlosdas Erdmagnetfeld vermessen.Damit war es erstmalig möglich,zwei vollständige <strong>Magnetfeld</strong>kartenim Abstand von 20 Jahren direktmiteinan<strong>der</strong> zu vergleichen.Dargestellt ist ihre Differenz, siezeigt, wo das <strong>Magnetfeld</strong> stärkerund schwächer wurde. Insgesamtnahm die Stärke des <strong>Magnetfeld</strong>sab. (Bild: GFZ-Potsdam) Abb. 6: <strong>Das</strong> Diagramm zeigt dieglobale Stärke des magnetischenHauptfelds <strong>der</strong> vergangenen7000 Jahre, abgeleitet auspaläomagnetischen und aktuellenMessdaten. Die blaue Kurvein <strong>der</strong> Vergrößerung beruht aufdirekten Beobachtungen. Demnachwar vor 2000 Jahren dasErdmagnetfeld beson<strong>der</strong>s stark.Seitdem nimmt es ständig ab,hat aber noch lange nicht die relativkleinen Werte von vor etwa4000 Jahren erreicht. (Bild: GFZ-Potsdam)nes <strong>Magnetfeld</strong>s eines Planeten, <strong>der</strong> dieseElemente besitzt, die Geodynamotheorienicht entkräften.Im Geodynamo greifen tatsächlichmehrere physikalische Prozesse ineinan<strong>der</strong>.Je<strong>der</strong> dieser physikalischen Prozessespringt, wie ein starten<strong>der</strong> Motor, erstan, wenn eine bestimmte Maßzahl überschrittenwird. Dies gilt für die Bedingungdes »Einfrierens« von <strong>Magnetfeld</strong>ern nachMaßgabe <strong>der</strong> magnetischen Reynoldszahl,das Einsetzen von Konvektionsströmungen,und für eine Reihe weitererProzesse und <strong>der</strong> sie charakterisierendenMaßstabszahlen.In fast je<strong>der</strong> dieser Maßstabszahlenstecken mehrere physikalische Eigenschaftenund oft eine typische Längendimensiondes Prozesses. Diese Längendimensionentscheidet oft, ob die Maßstabszahlengroß genug sind, um denDynamoprozess zu starten. Man kannalso solch einen Geodynamo nicht beliebigklein machen, um ihn in einem Gebäudeunterzubringen und ihn dort zustarten.In den Laborexperimenten in denletzten Jahren in Karlsruhe und in Riga/Rossendorf (siehe auch SuW 4/2000, S.230) wurden einzelne Prozesse des Dynamosuntersucht, die nur eine o<strong>der</strong> wenigeMaßstabszahlen zu berücksichtigenhatten. Sie konnten aber schon damitüberzeugend demonstrieren, dass einzelnewichtige Prozesse eines homogenen,selbsterregenden Dynamos praktischfunktionieren.Vielleicht ist bei manchen Planeten dieGröße und Beschaffenheit ihres Kerns <strong>der</strong>Grund für das Fehlen eines <strong>Magnetfeld</strong>s.In diesem Zusammenhang ist es sicheraufschlußreich, dass die JupitermondeIo und Ganymed einen eigenen Dynamobesitzen, <strong>der</strong> sich durch ein ausgeprägtesDipolfeld zu erkennen gibt. Auch unserMond besaß in seiner Jugend sehr wahrscheinlicheinen eigenen Dynamo, vondem noch heute die recht stark magnetisiertenMondgesteine <strong>der</strong> Mondkrustezeugen.Irdische und außerirdischeObservatorienUm die Zukunft des Erdmagnetfelds vorhersagenzu können, müssen wir die Verän<strong>der</strong>ungendes <strong>Magnetfeld</strong>s in <strong>der</strong> Vergangenheitkennenlernen und ihre Ursachenverstehen. Dabei können wir fürverschiedene Zeiträume unterschiedlicheDatenquellen nutzen. Der Anfang <strong>der</strong>systematischen Messungen des Erdmagnetfeldsgeht auf Alexan<strong>der</strong> von Humboldt(1769 – 1859) zurück. Er maß aufseinen Forschungsreisen immer auch das<strong>Magnetfeld</strong> und richtete ab dem frühen19. Jahrhun<strong>der</strong>t in mehreren Län<strong>der</strong>n geomagnetischeObservatorien ein. Heutewird weltweit an mehr als 200 <strong>der</strong>artigenInstitutionen kontinuierlich das Erdmagnetfeldaufgezeichnet.Seit einigen Jahren wird das <strong>Magnetfeld</strong>im erdnahen Raum auch mit Satellitenbeobachtet. 1980 maß eine ersteSatellitenmission (MAGSAT) für sechsMonate sowohl seine Stärke als auch seineRichtung. Seit 1999 beobachten sogardrei Satelliten das Erdmagnetfeld. DerVorteil <strong>der</strong> Satellitenmessungen ist dielückenlose Überdeckung auch jener Bereiche<strong>der</strong> <strong>Erde</strong>, in denen keine Observatorienexistieren, insbeson<strong>der</strong>e <strong>der</strong> Ozeane.Der Nachteil <strong>der</strong> Satellitenmessungenist die zeitliche Begrenzung auf dievergleichsweise kurze Missionszeit, wasaber durch die kontinuierlichen Messungen<strong>der</strong> erdgebundenen Observatorienkompensiert wird.Der Vergleich <strong>der</strong> Resultate <strong>der</strong> MAG-SAT-Mission mit denjenigen <strong>der</strong> heutigenSatelliten zeigt, dass sich die Feldstärke in20 Jahren gebietsweise um bis zu acht Prozentverringerte (Abb. 5). Die weltweiten<strong>Magnetfeld</strong>messungen zeigen außerdem,dass die Stärke des Dipols, welcher an <strong>der</strong>Erdoberfläche 90 Prozent des beobachteten<strong>Magnetfeld</strong>s erzeugt, in den letzten26 STERNE UND WELTRAUM Juni 2006


200 Jahren kontinuierlich um zehn Prozentabnahm.Welcher Prozess im Geodynamo istfür diese Abnahme verantwortlich? Ist esein Prozess, <strong>der</strong> das Erdmagnetfeld umpolenwird, also einen radikalen geomagnetischenKlimawechsel einleitet, o<strong>der</strong> istes nur eine geomagnetische Wetterän<strong>der</strong>ung?Auf <strong>der</strong> Suchenach alten <strong>Magnetfeld</strong>ernViele Gesteine <strong>der</strong> Erdkruste speicherndas <strong>Magnetfeld</strong> <strong>der</strong> unmittelbaren Umgebung,sobald ihre Temperatur dieCurie-Temperatur von 600° C unterschreitet(siehe Kasten auf Seite 24). Mitgeochemischen Methoden kann das Abkühlalterbestimmt werden. So ermitteltman Stärke und Richtung des <strong>Magnetfeld</strong>szu einer bestimmten Zeit. Die ältestenbisher gefundenen magnetischenGesteine wurden vor 3.5 Milliarden Jahrenmagnetisiert [1]. Weil die meistenGesteine durch Erosion zerstört werdeno<strong>der</strong> durch Subduktion ins Erdinnereabtauchen, sind aus <strong>der</strong> Zeit <strong>der</strong> <strong>Erde</strong>ntstehungvor 4.5 Milliarden Jahren keineKrustengesteine mehr vorhanden. Vonden alten Gesteinen ist nur ein kleinerTeil magnetisch, aber das Alter von 3.5Milliarden Jahren reicht schon sehr weitin die Erdgeschichte zurück.Drückt man die Stärke des <strong>Magnetfeld</strong>sdurch die Polstärke eines im Mittelpunkt<strong>der</strong> <strong>Erde</strong> gedachten Dipols aus, solag und liegt diese Polstärke fast immerin <strong>der</strong> Größenordnung von 2 bis 8 10 22Am 2 , wobei die ältesten Werte eventuellkleinere Dipolstärken mit Werten um 2 10 22 Am 2 anzeigen [1].Mit etwas Mut kann man behaupten,dass die <strong>Erde</strong> von Anfang an und bis heuteein selbsterzeugtes <strong>Magnetfeld</strong> vonetwa konstanter Stärke besaß. Betrachtetman es genauer, so än<strong>der</strong>t sich das<strong>Magnetfeld</strong> ständig in gewissen Grenzen.Man fragt sich, ob sich das <strong>Magnetfeld</strong> einesTages dramatisch verän<strong>der</strong>n könnte.Analog zur Klima- und Wetterforschungsucht man Antworten darauf in <strong>der</strong> Erdgeschichte.Mit direkten Aufzeichnungenkönnen wir nur wenige Jahrhun<strong>der</strong>te zurückschauen.Bei größeren ZeiträumenAbb. 7: Die Än<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> DeklinationD in Grad sowie <strong>der</strong> Feldstärken<strong>der</strong> HorizontalkomponenteH und <strong>der</strong> VertikalkomponenteZ des Erdmagnetfelds in Nanotesla,direkt gemessen in Potsdamund Berlin seit 1836. Alexan<strong>der</strong>von Humboldt errichtete1836 in Berlin eines <strong>der</strong> erstenerdmagnetischen Observatorien<strong>der</strong> Welt.sind archäologische und geologische Hilfennotwendig.Die Methode mit <strong>der</strong> Curie-Temperaturfunktioniert nicht nur bei vulkanischenGesteinen, son<strong>der</strong>n auch bei antikenKeramikgefäßen, wenn sie beimBrennen über diese Temperatur erhitztwurden. Auch die weit verbreiteten Sedimentgesteinespeichern Informationenüber das Erdmagnetfeld: Bei ihrer Ablagerungrichten sich kleine magnetische Partikelim Erdmagnetfeld aus, und werdendann bei <strong>der</strong> Verfestigung des Sedimentsdauerhaft in dieser Richtung fixiert. Dadie Menge magnetischer Partikel in einemSediment jedoch von vielen Faktoren abhängt,enthalten solche Gesteine keineunmittelbare Information über die Stärkedes früheren Erdmagnetfelds. Aber eslassen sich daraus relative zeitliche Än<strong>der</strong>ungen<strong>der</strong> Feldstärke rekonstruieren.Die Methoden zur Altersbestimmung<strong>der</strong> permanenten Magnetisierung sindrecht unterschiedlich und än<strong>der</strong>n sichmit dem Alter <strong>der</strong> Magnetisierung. Ambesten datiert sind einige historisch belegteVulkanausbrüche. Archäologenkönnen geeignete Fundstücke manchmalauf wenige Jahre, in <strong>der</strong> Regel jedoch eherauf Jahrzehnte o<strong>der</strong> Jahrhun<strong>der</strong>te genaudatieren. Bei älterem vulkanischen Materialund bei Sedimenten werden radiometrischeDatierungsmethoden wie die 14 C-Methode o<strong>der</strong> die Kalium-Argon-Methodebenötigt.Berg- und Talfahrtendes ErdmagnetfeldsFür die letzten knapp 10 000 Jahre existierenbereits recht große Datenmengenvon allen Kontinenten, aus denen sich dieÄn<strong>der</strong>ungen des Dipolmoments rekonstruierenlassen. Seit Beginn <strong>der</strong> direktenMessungen vor gut 150 Jahren nimmt dasmagnetische Dipolmoment um etwa achtProzent pro Jahrhun<strong>der</strong>t ab. Die Rekonstruktiondes <strong>Magnetfeld</strong>s noch weiterzurück zeigt, dass diese Abnahme einemviel längeren Trend <strong>der</strong> letzten 2000 Jahrefolgt (Abb. 6). [2, 3] STERNE UND WELTRAUM Juni 200627


Abb. 8: Diese Weltkarten mit Liniengleicher Deklination zu verschiedenenZeiten verdeutlichendie Verän<strong>der</strong>ungen des Erdmagnetfeldes.Vor 2000 Jahren wardas <strong>Magnetfeld</strong> <strong>der</strong> <strong>Erde</strong> (sieheAbb. 6) beson<strong>der</strong>s stark und besaßweitgehend Dipolstruktur,und damit war die Deklinationüberall auf <strong>der</strong> <strong>Erde</strong> ziemlichklein. Von 1900 bis 2005 iststellenweise eine Westdrift <strong>der</strong>Linien gleicher Deklination zubeobachten. Über längere Zeiträumetreten noch deutlich stärkereÄn<strong>der</strong>ungen auf. (Bild: GFZ-Potsdam)Abb. 9: Die Positionen <strong>der</strong> magnetischen(schwarz) und geomagnetischen(rot) Pole auf<strong>der</strong> Nord- und Südhalbkugelvon 1590 bis 2005 sind hier inSchritten von zehn Jahren aufgetragen.Geradezu spektakulärwan<strong>der</strong>t gegenwärtig <strong>der</strong> magnetischeNordpol, <strong>der</strong> fünf Jahrhun<strong>der</strong>teim Norden von Nordamerikafast still stand, jetzt mit großerGeschwindigkeit in RichtungSibirien. (Bild: GFZ-Potsdam)<strong>Das</strong> Erdmagnetfeld war in <strong>der</strong> jüngerengeologischen Vergangenheit wahrscheinlichdeutlich schwächer als heute. Es erreichtewährend <strong>der</strong> letzten 50000 Jahrebis etwa 1500 v. Chr. nur etwa 60 Prozent<strong>der</strong> heutigen Stärke. PaläomagnetischeErgebnisse für noch ältere Zeiten deutendarauf hin, dass die Dipolfeldstärke überlange Abschnitte <strong>der</strong> Erdgeschichte imMittel deutlich niedriger war als heute.Heute leben wir in einem abnehmendenFeld, das aber in den letzten 10 000 Jahrennoch nie so stark war wie heute.Die magnetische MissweisungNeben <strong>der</strong> Stärke des <strong>Magnetfeld</strong>s kannsich auch seine Richtung än<strong>der</strong>n. Amdeutlichsten wird dies an <strong>der</strong> »Deklination«,dem Winkel, <strong>der</strong> die Abweichungzwischen <strong>der</strong> lokalen Feldrichtung und<strong>der</strong> Richtung zum geographischen Nordpol,also <strong>der</strong> Rotationsachse <strong>der</strong> <strong>Erde</strong>,misst. Die Deklination wird auch dieMissweisung eines Kompasses genannt.Bei Potsdam än<strong>der</strong>te sie sich zwischen1810 und 2005 um mehr als 20 Grad,von knapp 19 Grad West auf fast zweiGrad Ost (Abb. 7). Die Deklination ist einMaß für die Abweichung des gemessenenFelds von einem Dipolfeld, dessen Achsemit <strong>der</strong> Rotationsachse <strong>der</strong> <strong>Erde</strong> übereinstimmt.Wäre also das Erdmagnetfeld einreines Dipolfeld, so betrüge die Deklinationüberall auf <strong>der</strong> <strong>Erde</strong> Null.Eine Weltkarte <strong>der</strong> Deklinationen isteine anschauliche Wie<strong>der</strong>gabe <strong>der</strong> Anomaliendes erdmagnetischen Kernfelds.Solche Karten werden schon seit mehrerenJahrhun<strong>der</strong>ten aus vielen Messungen,insbeson<strong>der</strong>e für die Ozeane, erstellt, dasie für die Seefahrt sehr wichtig zur Orientierungwaren. (In <strong>der</strong> heutigen Zeitspielt <strong>der</strong> magnetische Kompass in <strong>der</strong>Seefahrt keine große Rolle mehr, da jetztzur Navigation die Signale des Global PositioningSystem (GPS) und bald auchvom europäischen GALILEO-System genutztwerden.) Vergleicht man Deklinationskartenaus verschiedenen Jahren, soerkennt man eine Westdrift <strong>der</strong> Anomaliengleicher Deklination. Diese Anomalientreten nicht nur in <strong>der</strong> Deklination,son<strong>der</strong>n auch in <strong>der</strong> Feldstärke auf.Ein Blick auf Karten <strong>der</strong> globalen Verteilung<strong>der</strong> Deklination zu verschiedenenEpochen zeigt jedoch, dass auch an<strong>der</strong>eBewegungen als eine eintönige Westdrifteine Rolle spielen. (Abb. 8). Die beidenBeispiele für den Beginn unserer Zeitrechnungund 4000 Jahre zuvor zeigen,dass bei einem starken Dipolmoment dieDeklination weltweit sehr klein ausfällt,200519002005190015902005200015902005190019001590159028 STERNE UND WELTRAUM Juni 2006


während bei einem schwachen Dipolmomentdie Deklinationsanomalien deutlichstärker sind und recht vielfältige Verteilungenannehmen können.Die Magnetpole wan<strong>der</strong>n!Mit <strong>der</strong> kontinuierlichen Än<strong>der</strong>ung <strong>der</strong>Deklination än<strong>der</strong>t sich die Position <strong>der</strong>Magnetpole. Dabei muss man zwischenverschiedenen Polen unterscheiden. Diemagnetischen Pole sind die Orte, an welchendie Feldlinien senkrecht auf <strong>der</strong> Erdoberflächestehen. Als geomagnetische Polehingegen bezeichnet man die Pole des Dipolfelds,also die Orte, wo die (gedachte)Achse des Dipols die Erdoberflächeschneidet. Diese Achse ist heute etwa 11.4Grad gegen die Rotationsachse geneigt,ihr nördlicher Durchstoßpunkt liegt imnördlichen Grönland.Etwas verwirrend ist die Tatsache, dassdie Physiker, im Gegensatz zu den Geophysikern,jenen Pol, auf den das <strong>Magnetfeld</strong>gerichtet ist, den magnetischenSüdpol nennen. Damit würde also <strong>der</strong>Südpol des Erdmagnetfelds am geographischenNordpol liegen. GeomagnetischerNord- und Südpol liegen diametralentgegengesetzt, während dies fürdie magnetischen Pole aufgrund <strong>der</strong> regionalenAbweichungen <strong>der</strong> Feldstrukturvon <strong>der</strong> Dipolgeometrie nicht <strong>der</strong> Fallist. Trotzdem ist es erstaunlich, wie unterschiedlichdie Bewegungen von nördlichemund südlichem magnetischen Polin den letzten Jahrhun<strong>der</strong>ten abliefen. Interessantist, dass <strong>der</strong> nördliche magnetischePol in diesen Jahren deutlich schnellerwan<strong>der</strong>t: Er hielt sich über fünfhun<strong>der</strong>tJahre lang am nördlichen Rand desnordamerikanischen Kontinents auf undzieht nun mit 50 Kilometern pro Jahr inRichtung des geographischen Pols undSibiriens über die Polkappe (Abb. 9). Esbleibt abzuwarten, wie weit er auf seinerWan<strong>der</strong>ung kommt.Nordpol und Südpoltauschen sich ausWährend <strong>der</strong> letzten Jahrtausende führtendie Magnetpole ständig solche mehro<strong>der</strong> weniger von <strong>der</strong> geographischenAchse abweichende Bewegungen aus. In<strong>der</strong> ferneren Vergangenheit kam es jedochmehrfach zu kompletten Umpolungendes Erdmagnetfelds. Zuletzt gabes ein solches Ereignis vor 780000 Jahren,und im Durchschnitt <strong>der</strong> letzten 80 MillionenJahre etwa alle 500000 Jahre. Darauszu schließen, dass die nächste Umkeh-STERNE UND WELTRAUM Juni 200629


Abb. 10: Hier sind die Ströme desflüssigen Eisens im äußeren Erdkernan <strong>der</strong> Grenze zum Erdmantelin vier verschiedenen Epochenzu sehen. Die Umrisse <strong>der</strong> Kontinentewurden zur Orientierungauf die Kernoberfläche projiziert.Rot sind die Orte markiert, andenen das flüssige Metall nachoben steigt, blau die Orte, andenen es nach unten sinkt. DieIntensität <strong>der</strong> Färbung gibt dieStärke des Flusses an. Die Strömungsgeschwindigkeitenbetragenbis zu dreißig Kilometer proJahr. (Bild: GFZ-Potsdam)rung schon überfällig ist, wäre jedoch zueinfach. Die Dauer einzelner Polaritätsintervalleist sehr unterschiedlich, und währenddie kürzesten nur einige ZehntausendJahre anhielten, dauerte das längsteüber fünf Millionen Jahre. Während <strong>der</strong>Kreidezeit, vor etwa 120 bis 80 MillionenJahren, war das Feld nach heutigem Wissensstandsogar dauerhaft in <strong>der</strong> <strong>der</strong>zeitigenPolaritätsrichtung stabil, dieser Zeitraumwird als »Cretaceous Normal Superchron«bezeichnet. Es ist die Frage, ob diejetzt beschleunigte Wan<strong>der</strong>ung des nördlichenMagnetpols mit <strong>der</strong> Umpolung des<strong>Magnetfeld</strong>s etwas zu tun hat.Wie eine Umpolung genau abläuft, istnoch nicht geklärt. Die Zeitdauer, in <strong>der</strong>sich eine Umkehrung vollzieht, scheint in<strong>der</strong> Größenordnung von wenigen Jahrtausendenzu liegen. Die Stärke des globalenFelds nimmt dabei stark ab, undvermutlich geht sein überwiegen<strong>der</strong> Dipolcharaktervorübergehend verloren. Eskehrt sich also nicht <strong>der</strong> Dipol um, son<strong>der</strong>ndas Feld gewinnt an Komplexitätund weist vorübergehend mehr als zweiPole auf. Dann baut es sich mit zunehmen<strong>der</strong>Stärke in umgekehrter Richtungals Dipol wie<strong>der</strong> auf.Bewegungen im ErdkernWas können wir nun aus all diesen Feldän<strong>der</strong>ungenüber den tief im Erdinnerenablaufenden Dynamoprozess lernen? Folgenwir diesen Fel<strong>der</strong>n ins Erdinnere biszum äußeren Erdkern. Dort sind die Feldlinienim flüssigen Eisen wie festgefrorenund bewegen sich mit <strong>der</strong> Strömung mit.Aus den globalen Kartierungen des Feldesan <strong>der</strong> Erdoberfläche zu verschiedenenZeiten lassen sich deshalb die Strömungendes flüssigen Erdkerns an <strong>der</strong> Grenzezum Mantel ableiten (Abb.10 und [6]).<strong>Das</strong> könnte ein Schlüssel zu einer Vorhersage<strong>der</strong> <strong>Magnetfeld</strong>än<strong>der</strong>ungen für einigehun<strong>der</strong>t Jahre sein.Um die Kernströmungen abzuleiten,wird eine große Anzahl an <strong>Magnetfeld</strong>messungenbenötigt, von allen Konti- 30 STERNE UND WELTRAUM Juni 2006


nenten und auch von den Ozeanen. Dieswar bisher nur mit den direkten Messdaten<strong>der</strong> letzten beiden Jahrhun<strong>der</strong>te möglich.Die neuen Versuche, die Methodeauf die letzten Jahrtausende auszuweiten,liefern bereits erste Ergebnisse. Für nochlängere Zeiträume im Bereich von MillionenJahren existieren zu wenige Informationenüber Stärke und Richtung des<strong>Magnetfeld</strong>s. Ähnliches gilt auch für eineUmpolung des <strong>Magnetfeld</strong>s innerhalbweniger tausend Jahre, für die weltweit<strong>Magnetfeld</strong>daten in sehr enger zeitlicherFolge von wenigen hun<strong>der</strong>t Jahren erstelltwerden müssten, was aber noch nicht realisierbarist.GlossarLiteraturhinweise[1] C. J Hale: The intensity of the geomagneticfield at 3.5 Ga; paleointensityresults from the Komati Formation,Barberton Mountain Land,South Africa, Earth Plan. Sci. Lett.86, 354–364 [1987][2] M. Korte and C. Constable: The geomagneticdipole moment over thelast 7000 years – new results from aglobal model. Earth Planet. Sci. Let.,236, 348–358 [2005][3] M. Korte and C. Constable: Continuousgeomagnetic field modelsfor the past 7 millennia II: CALS7K.Geochem. Geophys. Geosys, 6(2),Q02H15 DOI 10.1029/2004GC000801[2005]Der Geodynamo im ComputerUm die langfristigen Än<strong>der</strong>ungen desErdmagnetfelds zu verstehen, werden numerischeModelle des Geodynamos entwickelt,die auf <strong>der</strong> Physik <strong>der</strong> wirkendenKräfte und <strong>der</strong> resultierenden Bewegungenberuhen. Hier stehen wir vor demgleichen Problem wie in <strong>der</strong> Meteorologieund <strong>der</strong> Klimamodellierung: Es sind enormeRechenkapazitäten nötig, um die magnetischen,elektrischen und eine Reihean<strong>der</strong>er Eigenschaften des Kernmaterialsauf den passenden zeitlichen und räumlichenSkalen zu berücksichtigen. Dies istheute noch nicht befriedigend möglich,und die vorhandenen numerischen Modellevereinfachen die Berechnungen inunterschiedlicher Form. <strong>Das</strong> führt dazu,dass sich jeweils nur einige <strong>der</strong> tatsächlichbeobachteten Eigenschaften des <strong>Magnetfeld</strong>sin den Modellen wie<strong>der</strong>finden.In Deutschland laufen an den UniversitätenGöttingen und Münster und amMax-Planck-Institut für Sonnensystemforschungin Katlenburg-Lindau sehr intensiveSimulationen des Geodynamos inComputern.Die permanente Verbesserung dieserModelle in Verbindung mit <strong>der</strong> wachsendenAnzahl geo- und paläomagnetischerDaten dürfte eine solide und wahrscheinlichdie einzige Grundlage sein,um Vorhersagen von <strong>Magnetfeld</strong>än<strong>der</strong>ungenfür einen Zeitraum von mehrerenhun<strong>der</strong>t Jahren zu ermöglichen. □Die Deutsche Forschungsgemeinschaft richtetevor sechs Jahren einen Schwerpunkt in<strong>der</strong> Erforschung dieser erdmagnetischen Variationenein, an dem alle deutsche Universitätenund Forschungseinrichtungen, die sich mitdem Erdmagnetfeld beschäftigen, teilnehmen.Physikalische Einheiten: <strong>Das</strong> <strong>Magnetfeld</strong>wird in Nanotesla nT = 10 –9 T (T =Tesla) angegeben, <strong>der</strong> Einheit <strong>der</strong> magnetischenFlussdichte (1 Tesla = 1Vs/m 2 ). Benannt wurde sie nach Nikola Tesla(1856 – 1943), einem amerikanischenPhysiker kroatischer Herkunft, <strong>der</strong> sichintensiv mit <strong>Magnetfeld</strong>ern befasste.Dipolmoment: Momentum heißt im Lateinischen»die bewegende Kraft«. <strong>Das</strong>magnetische Dipolmoment ist die in einemPunkt konzentrierte Kraft, die dasganze umgebende <strong>Magnetfeld</strong> erzeugt,genau so wie eine Masse ihr umgebendesSchwerefeld bestimmt. Im Prinzipstammt das Wort »Dipol« aus einer Anordnungzweier entgegengesetzter magnetischerLadungen (Hantelmodell). Daes keine magnetischen Monopolladungengibt, ist das Hantelmodell physikalischnicht realisierbar. Man kann genaudieses Feld eines Dipols aber durcheinen elektrischen Kreisstrom um denMittelpunkt <strong>der</strong> gedachten Hantel erzeugen.<strong>Das</strong> Dipolmoment ist dann dasProdukt aus dem Strom und <strong>der</strong> von ihmumflossenen Fläche und hat die DimensionAm 2 . Diese Dimension gilt nicht nurfür Dipolmomente, son<strong>der</strong>n für jedesmagnetische Moment. <strong>Das</strong> Dipolmomentdes Erdmagnetfelds beträgt zurzeit etwa8 10 22 Am 2 .Horizontal- und Vertikalkomponente:<strong>Das</strong> <strong>Magnetfeld</strong> besitzt an jedem Orteine an<strong>der</strong>e Richtung und eine an<strong>der</strong>eStärke, es ist ein Vektorfeld. Man teiltdieses auf in Vektoren, die parallel undsenkrecht zur Erdoberfläche gerichtetsind: ersterer ist die Horizontalkomponente,letzterer die Vertikalkomponente.[4] International Association ofGeomagnetism and Aeronomy(IAGA), Division V, Working GroupVMOD: Geomagnetic Field Modeling:The 10th-Generation InternationalGeomagnetic Reference Field. Geophys.J. Int., 161, 561–565 [2005][5] A. Jackson, A.R.T. Jonkers andM.R. Walker: Four centuries of geomagneticsecular variation from historicalrecords, Phil. Trans. R. Soc.Lond. A, 358, 957– 990 [2005][6] I. Wardinski: Core Surface Flow Modelsfrom Decadal and SubdecadalSecular Variation of the Main GeomagneticField. Dissertation Freie UniversitätBerlin, www.diss.fu-berlin.de/2005/70/index.html [2005]Volker Haak studiertean <strong>der</strong> LMU MünchenGeophysik und promoviertedort 1970. Erwurde 1984 zum Professorfür Geophysikan <strong>der</strong> Freien UniversitätBerlin und 1986 an<strong>der</strong> Johann WolfgangGoethe Universität inFrankfurt am Main berufen. Von 1992 bis 2004leitete er als Professor an <strong>der</strong> Freien UniversitätBerlin den Projektbereich ElektromagnetischeTiefensondierung und Geomagnetische Fel<strong>der</strong>am <strong>GeoForschungsZentrum</strong> Potsdam.Monika Korte studiertean <strong>der</strong> LMU Münchenund promovierte 1999an <strong>der</strong> FU Berlin. Seit2003 ist sie als wissenschaftlicheLeiterin <strong>der</strong>erdmagnetischen ObservatorienNiemegk und Wingst am GFZ Potsdamtätig. Ihr Hauptarbeitsgebiet ist die Säkularvariationdes Erdmagnetfelds.Ingo Wardinski studiertePhysik an denUniversitäten Greifswaldund Potsdam un<strong>der</strong>hielt dort 1999 dasDiplom. Seit 2001 ister wissenschaftlicherMitarbeiter am GFZPotsdam. Er promovierte2005 an <strong>der</strong> FreienUniversität Berlin mit einem Thema zur zeitlichenVariation des Erdmagnetfeldes und <strong>der</strong>en ursächlichenProzesse an <strong>der</strong> Kern-Mantel-Grenze.STERNE UND WELTRAUM Juni 200631

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