brigitte fassbaender - Naxos Music Library
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Es versteht sich von selbst, dass bei dieser Verfahrensweise der Text vollkommen in den melodischen<br />
Ablauf integriert wird. Deshalb ist hier die literarische Qualität eines Gedichts nicht von der<br />
Bedeutung wie etwa bei Hugo Wolf, wo sie geradezu eine Konstituente für den Wert des ganzen<br />
Gebildes ausmacht. Brahms bezieht auch den Text in den Gesamtzusammenhang ein: er ist sozusagen<br />
e i n Parameter. Freilich ist er der auslösende; Wortdeutlichkeit beim Vortrag ist deshalb unerlässlich,<br />
denn der Komponist respondiert mit seinen Mitteln genau auf die Vorlage. Ein paar Beispiele<br />
mögen dies verdeutlichen. – ‚Über die Heide’: In diesem Musterbeispiel von knapper, dichter<br />
Gestaltung ereignen sich nur kleinste, jedoch bedeutsame Änderungen; die wichtigste: die Dehnung<br />
des Sechsachtel-Taktes zum Neunachtel-Takt in der letzten Zeile, die eigentlich nur das Wort „Liebe“<br />
betrifft, scheint ein Festhalten zu versuchen, das angesichts des unmittelbar darauf folgenden<br />
gleichgültigen Fortschreitens umso vergeblicher anmutet. – ‚Im Garten am Seegestade’: Die Verswiederholungen<br />
(ein Kunstmittel, das Brahms oft anwendet) am Ende der ersten und dritten Strophe<br />
sind von den Noten her identisch; durch Veränderung des Rhythmus erscheinen sie völlig verschieden:<br />
hier das bange Stocken „... sind kaum die Vögel zu sehn“ – dort das Ausschwingen „... und<br />
ewiger Sehnsucht sang“. – ‚Die Mainacht’: Interessant, wie Brahms, der sich ansonsten gern an den<br />
Rhythmus der Gedichte hält, hier das starre asklepiadeische Odenmaß Höltys, dem er in der ersten<br />
Strophe noch folgt, im Sinne der sich steigernden Dichtung verlässt, und, vor allem in den Strophenschlüssen,<br />
melodisch immer weiter ausholt. – ‚ln stiller Nacht’: Die Verstörung, die den Text prägt,<br />
wird durch die jeweils um eine Achtelnote vor- oder nachklappende Begleitung sinnfällig gemacht;<br />
erst das Nachspiel bringt den letzten Vers in eine rhythmisch feste Form: Glaubensgewissheit siegt<br />
über die Verstörung. – ‚Ständchen’: Eines der wenigen Lieder von Brahms, wo das Klavier sich<br />
selbstständig macht, allerdings durch den Text gerechtfertigt: das „Singen und Spielen“ der Studenten<br />
wird dargestellt; so ist schon Mozart im „Veilchen“ vorgegangen. – Zwei besondere Fälle sind<br />
‚An eine Äolsharfe’ und ‚Geistliches Wiegenlied’; in diesen beiden Liedern geht Brahms über die<br />
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