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Erhard Geißler ANTHRAX und das Versagen der Geheimdienste

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<strong>Erhard</strong> <strong>Geißler</strong><br />

<strong>ANTHRAX</strong><br />

<strong>und</strong> <strong>das</strong> <strong>Versagen</strong> <strong>der</strong> <strong>Geheimdienste</strong>


KAI HOMILIUS VERLAG 2003


„Wovor ich Todesangst habe, wahrscheinlich sogar mehr als<br />

vor taktischen Nuklearwaffen, <strong>und</strong> wovor wir uns nur ungenügend<br />

schützen können, sind biologische Waffen“. 1<br />

Colin Powell, 1994<br />

„Mehltau, um die Ernte zu vernichten; Milzbrand, um Pferde<br />

<strong>und</strong> <strong>das</strong> Vieh zu töten; Pest, um nicht nur Armeen, son<strong>der</strong>n<br />

auch ganze Landstriche zu verseuchen“. 2<br />

Winston Churchill, 1925<br />

„Bioterrorismus ist eine wirkliche Bedrohung für unser Land.<br />

Er ist eine Bedrohung für jede Nation, die die Freiheit liebt.<br />

Terroristische Gruppen bemühen sich um den Besitz biologischer<br />

Waffen; wir wissen, <strong>das</strong>s einige Schurkenstaaten bereits<br />

über sie verfügen. [...] Biologische Waffen sind die potenziell<br />

gefährlichsten Waffen auf <strong>der</strong> Welt“. 3<br />

George W. Bush, 2002


Im Gedenken an Robert Stevens<br />

<strong>und</strong> die an<strong>der</strong>en Opfer von Milzbrandbriefen<br />

<strong>und</strong> weiterer Biowaffen, <strong>der</strong>en<br />

Tod hätte verhin<strong>der</strong>t werden können.


Für Ihre fleißige Mitarbeit <strong>und</strong> Hilfe bei <strong>der</strong> technischen<br />

Herstellung des Buches sowie dessen Korrektur danke ich<br />

ganz beson<strong>der</strong>s Sabine Großmann, Christian Hartenstein <strong>und</strong><br />

Jan von Flocken.<br />

Kai Homilius<br />

IMPRESSUM<br />

© Kai Homilius Verlag 2003<br />

Alle Rechte vorbehalten. Ohne ausdrückliche Genehmigung des<br />

Verlages ist es nicht gestattet, dieses Werk o<strong>der</strong> Teile<br />

daraus auf fotomechanischem Wege (Fotokopie, Mikrokopie) zu<br />

vervielfältigen o<strong>der</strong> in Datenbanken aufzunehmen.<br />

Titelgestaltung: Thomas K. Müller / KM Design, Berlin<br />

Satz & Layout: KM Design, Berlin<br />

Lektorat: Jan von Flocken<br />

Druck: Wiener Verlag<br />

ISBN: 3-89706-889-3<br />

Preis: € 22<br />

Redaktionsschluss: 11.2.2003<br />

www.kai-berlin.de<br />

Email: home@Kai-Berlin.de<br />

Christburger Strasse 4, 10405 Berlin<br />

Tel.: 030 - 443 423 55 / Fax: 030 - 443 425 97<br />

Die Deutsche Bibliothek-CIP-Einheitsaufnahme<br />

<strong>Erhard</strong> <strong>Geißler</strong><br />

Anthrax <strong>und</strong> <strong>das</strong> <strong>Versagen</strong> <strong>der</strong> <strong>Geheimdienste</strong><br />

/ <strong>Geißler</strong>, <strong>Erhard</strong> - Berlin:<br />

Kai Homilius Verlag, 2003<br />

ISBN 3-89706-889-3<br />

Ne: GT


INHALTSVERZEICHNIS<br />

Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15<br />

Bio- <strong>und</strong> Toxinwaffen-Kalen<strong>der</strong> . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21<br />

I. Eine Rüstungsspirale kommt in Gang<br />

„Ausschütten in Trinkeimer genügt“ . . . . . . . . . . . . . . . . 27<br />

Das „dreckige Dutzend“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39<br />

Frankreich startet die biologische Rüstungsspirale . . . . 46<br />

Die Reichswehr verzichtet auf Biowaffen . . . . . . . . . . . 50<br />

Biologische Kriegsführung wird verboten . . . . . . . . . . . 56<br />

Fulminanter Start in <strong>der</strong> Sowjetunion . . . . . . . . . . . . . . 62<br />

II. Falschmeldungen beschleunigen die Rüstungsspirale<br />

Beunruhigende Behauptungen von Emigranten . . . . . . 69<br />

Frankreich nimmt wie<strong>der</strong> Aktivitäten auf . . . . . . . . . . . 79<br />

Stalin stört erneut <strong>das</strong> sowjetische Biowaffenprogramm 88<br />

Mehr Angst vor Kriegsseuchen in Großbritannien . . . . 96<br />

Auch die Nordamerikaner sind eher zurückhaltend . . 100<br />

Keine Ahnung vom deutschen Desinteresse . . . . . . . . 105<br />

III. In Europa schweigen die Biowaffen<br />

Entdeckungen in Frankreich lösen deutsche<br />

Aktivitäten aus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119<br />

Aber Japan schreckt nicht vor biologischer<br />

Kriegsführung zurück . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126<br />

Falschmeldung bewegt Hitler zu weitreichen<strong>der</strong><br />

Entscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131<br />

„Man muss sich einmal selbst angreifen“ . . . . . . . . . . 143<br />

Die Anthrax-Kekse bleiben im Karton . . . . . . . . . . . . . 149<br />

Das sowjetische Programm wird wie<strong>der</strong> gestört . . . . . 158<br />

Hjalmar Schacht überlebt den Anschlag . . . . . . . . . . . 162<br />

Falschaussage, Fehlurteil, Zensur <strong>und</strong> Diskreditierung 168<br />

Ein Deal mit „Medizinern ohne Menschlichkeit“ . . . . 176<br />

Halt! Amikäfer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187<br />

11


IV. Die Spirale dreht sich weiter<br />

Diesmal tatsächlich Versuche in <strong>der</strong> U-Bahn . . . . . . . . 197<br />

Auch die Sowjets steigen bald wie<strong>der</strong> ein . . . . . . . . . . . 203<br />

Kalter Biokrieg in Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208<br />

Die Entwicklung von Biowaffen wird verboten . . . . . . 223<br />

Die Janusköpfigkeit <strong>der</strong> Impfstoffe . . . . . . . . . . . . . . . . 230<br />

Gentechnik erlaubt Schärfung o<strong>der</strong> Abstumpfung von<br />

Biowaffen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 237<br />

AIDS <strong>und</strong> die <strong>Geheimdienste</strong> . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 246<br />

Tausend Tote durch Milzbrandzwischenfall? . . . . . . . . 253<br />

Die Hühnerfarm von Husseins Schwiegersohn . . . . . . 260<br />

Vor <strong>der</strong> Wahl: Salmonellen zum Salat . . . . . . . . . . . . . . 272<br />

Die Milzbrandbriefe:<br />

Versagt <strong>das</strong> FBI – o<strong>der</strong> vertuscht es? . . . . . . . . . . . . . . 279<br />

Was war <strong>das</strong> Ziel: Mord <strong>und</strong> Totschlag – o<strong>der</strong> Panik? . 288<br />

Sieg über die Pocken – ein Pyrrhussieg? . . . . . . . . . . . 298<br />

V. Ist die Rotation <strong>der</strong> Spirale noch zu stoppen?<br />

„Eine Än<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Konvention muss konsequent vermieden<br />

werden“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 305<br />

„Vertrauensbildende Maßnahmen“ erwecken<br />

Misstrauen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 311<br />

„Das Protokoll ist tot, tot, tot“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 315<br />

Keine biologische Sicherheit ohne völlige<br />

Transparenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 322<br />

Danksagung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 339<br />

Glossar, Abkürzungen, Akronyme . . . . . . . . . . . . . . . . . . 341<br />

Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 357<br />

Internet-Adressen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 360<br />

Anmerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 361<br />

Erreger-Index . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 391<br />

Ortsregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 394<br />

Sachregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 397<br />

Personenregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 408<br />

Verlagsinformationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 411<br />

12


Einführung<br />

Vor zwei Jahrzehnten lag <strong>das</strong> Reich des Bösen im<br />

Osten. Das befand jedenfalls Präsident Ronald<br />

Reagan. Die Sowjetunion betrieb sogar ein gewaltiges<br />

Programm zur Entwicklung biologischer Waffen, <strong>und</strong> eine<br />

Panne hatte in Swerdlowsk eine große Milzbrandepidemie<br />

verursacht.Aber <strong>das</strong>s die Anthrax-Fälle vom Militär verursacht<br />

worden waren, konnten die CIA <strong>und</strong> die an<strong>der</strong>en <strong>Geheimdienste</strong><br />

nicht beweisen. Eine öffentliche Anklage vor dem<br />

Sicherheitsrat unterblieb mangels harter Fakten. Und ein präventiver<br />

Militärschlag unterblieb auch, weil dies den nuklearen<br />

Weltuntergang zur Folge gehabt hätte.<br />

Zwanzig Jahre später macht Präsident George W. Bush eine<br />

ganze Achse des Bösen aus. Ein Staat davon, Nordkorea, gibt<br />

sogar zu, vertragsbrüchig ein Nuklearprogramm zu betreiben,<br />

wirft die Inspektoren <strong>der</strong> Internationalen Atomenergie-<br />

Behörde aus dem Land <strong>und</strong> verschifft in aller Öffentlichkeit<br />

Raketen in den Nahen Osten. Und die <strong>Geheimdienste</strong><br />

behaupten, Nordkorea betreibe auch ein Biowaffenprogramm.<br />

Trotzdem wird ein Militärschlag nicht einmal angedroht,<br />

geschweige denn <strong>der</strong> Sicherheitsrat angerufen. In Nordkorea<br />

gibt’s bekanntlich kein Öl.<br />

Ein an<strong>der</strong>er „Schurkenstaat“ ist <strong>der</strong> Irak. Bis zu seiner<br />

Nie<strong>der</strong>lage im Golfkrieg produzierte auch er Massenvernichtungswaffen.<br />

Die Voraussetzungen dafür verschaffte er sich<br />

zum Teil in den USA <strong>und</strong> in Westeuropa. Nach dem Krieg<br />

wurde er abgerüstet. Nun soll er wie<strong>der</strong> biologische Waffen<br />

<strong>und</strong> an<strong>der</strong>e Massenvernichtungsmittel herstellen. Das be-<br />

15


haupten zumindest die Nachrichtendienste <strong>der</strong> USA, Großbritanniens<br />

<strong>und</strong> Russlands. Für George W. Bush ist dies<br />

Gr<strong>und</strong> genug, dem Irak — <strong>der</strong>, nebenbei bemerkt, über riesige<br />

Ölvorräte verfügt — einen präventiven Militärschlag mehr<br />

als anzudrohen, möglichst mit, notfalls aber auch ohne<br />

Billigung durch den Sicherheitsrat.<br />

Biologische Waffen (Biowaffen) sind Krankheitserreger — Bakterien,<br />

Viren <strong>und</strong> Pilze — sowie Schädlinge, die als Kampf-, Terroro<strong>der</strong><br />

Sabotagemittel eingesetzt werden, um bei Mensch, Tier o<strong>der</strong><br />

Pflanze Krankheit o<strong>der</strong> Tod zu verursachen.<br />

Toxin-Waffen sind von Lebewesen gebildete Giftstoffe („Toxine“),<br />

die als Kampf-, Terror- o<strong>der</strong> Sabotagemittel verwendet werden.<br />

Biologische Kriegsführung ist <strong>der</strong> Einsatz von Bio- o<strong>der</strong> Toxin-<br />

Waffen.<br />

Als Biowaffenaktivitäten werden in diesem Buch alle Aktivitäten<br />

bezeichnet, die <strong>der</strong> Vorbereitung des Einsatzes von Bio- o<strong>der</strong> Toxin-<br />

Waffen dienen o<strong>der</strong> entsprechenden Schutzmaßnahmen („B-<br />

Schutz“).<br />

Aber nicht nur Irak <strong>und</strong> Nordkorea, son<strong>der</strong>n auch etwa zehn<br />

weitere Staaten sollen über biologische Waffen verfügen o<strong>der</strong><br />

nach <strong>der</strong>en Besitz streben. Auch <strong>das</strong> wollen die <strong>Geheimdienste</strong><br />

Washingtons, Londons <strong>und</strong> Moskaus herausgef<strong>und</strong>en<br />

haben.<br />

Allerdings sind die Agenturen zumindest auf diesem Gebiet<br />

nicht sehr zuverlässig. Beispielsweise meldete <strong>der</strong> britische<br />

Geheimdienst 1937, in Deutschland würden Milzbrand-<br />

Bakterien <strong>und</strong> die Erreger von Maul- <strong>und</strong> Klauenseuche<br />

nicht nur produziert, son<strong>der</strong>n auch munitioniert <strong>und</strong> in Feldversuchen<br />

erprobt. In <strong>der</strong> Hauptstadt Berlin konnte ein<br />

geheimes bakteriologisches Institut <strong>der</strong> Wehrmacht ausgek<strong>und</strong>schaftet<br />

werden. Dort seien nicht nur „große Mengen<br />

16


von Milzbrandbakterien produziert“, son<strong>der</strong>n auch darauf<br />

hin untersucht worden, wie sie am besten verbreitet werden<br />

könnten: Abgefüllt beispielsweise in Glaskölbchen, die vom<br />

Flugzeug aus abgeworfen werden können, o<strong>der</strong> von Sprühflugzeugen<br />

abgeblasen. Darüber hinaus sei erprobt worden,<br />

die Erreger in „nicht detonierende Bomben“ zu füllen, die an<br />

Fallschirmen hinabgleiten <strong>und</strong> sich erst 25 m über dem Boden<br />

öffnen <strong>und</strong> die unter leichtem Druck stehende tödliche<br />

Fracht freisetzen. 4<br />

Weiteren Agentenberichten zufolge sei auch die Eignung <strong>der</strong><br />

Erreger <strong>der</strong> Maul- <strong>und</strong> Klauenseuche (MKS) in <strong>der</strong><br />

Lüneburger Heide getestet worden. MKS-Viren wurden aus<br />

Höhen zwischen 50 <strong>und</strong> 2000 m <strong>und</strong> bei unterschiedlichen<br />

Witterungsbedingungen versprüht. Rin<strong>der</strong>, die anschließend<br />

auf die verseuchten Weiden getrieben wurden, seien <strong>der</strong> tödlichen<br />

Krankheit erlegen. Die Experimente hätten ergeben,<br />

<strong>das</strong>s diese Form <strong>der</strong> Kriegsführung sehr ökonomisch ist: Die<br />

von nur zwei erkrankten Tieren gewonnenen Erreger reichen<br />

aus, so <strong>der</strong> Bericht, „um mehrere Quadratkilometer zu infizieren.<br />

Zehn Flugzeuge könnten in einer Nacht ein sehr großes<br />

Gebiet erfolgreich besprühen“. 5<br />

Diese Erkenntnisse waren wirklich alarmierend, zumal sie<br />

von einigen einflußreichen Emigranten bestätigt wurden.<br />

Hätte man damals zusehen sollen, ob die Milzbrandbakterien<br />

<strong>und</strong> MKS-Viren als Kampfmittel auch eingesetzt o<strong>der</strong> gar<br />

terroristischen Vereinigungen zur Verfügung gestellt werden?<br />

Hätte man abwarten sollen, bis die Deutschen in England<br />

o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>swo eine verheerende Maul-<strong>und</strong>-Klauenseuche-<br />

Epidemie verursachen? Wenn Tony Blair <strong>und</strong> George W.<br />

Bush zu dieser Zeit schon an <strong>der</strong> Macht gewesen wären:<br />

Hätten sie sich angesichts dieser Meldungen — die weit über<br />

<strong>das</strong> hinausgehen, was heute über <strong>das</strong> Biowaffenprogramm<br />

des Iraks berichtet wird — für Präventivschläge gegen Berlin<br />

entschieden <strong>und</strong> Spezialtruppen über <strong>der</strong> Lüneburger Heide<br />

abgesetzt? Das wäre zwar vom Völkerrecht nicht gedeckt<br />

gewesen — aber wäre in solchen Fällen nicht eine Ausnahme<br />

17


legitim, des Schutzes unschuldiger Menschen willen, <strong>und</strong> um<br />

ihre Nahrungsmittelversorgung zu sichern?<br />

Es ist müßig darüber zu fantasieren, wie die Welt heute<br />

aussähe, wenn Hitler noch vor 1937 auf Gr<strong>und</strong> falscher<br />

Geheimdienstberichte in den Arm gefallen worden wäre. Die<br />

Briten haben damals lediglich mit <strong>der</strong> Aufnahme eines<br />

eigenen Biowaffenprogrammes reagiert. Milzbrand-Erreger<br />

wurden von ihnen nun tatsächlich produziert, erprobt <strong>und</strong> für<br />

etwa notwendige Vergeltungsschläge gegen Deutschland<br />

munitioniert — mit hohem Aufwand, aber völlig umsonst.<br />

Denn die diesbezüglichen Berichte <strong>der</strong> britischen Agenten<br />

waren von vorn bis hinten falsch. Die deutsche Wehrmacht<br />

hatte we<strong>der</strong> 1936/37 noch vorher o<strong>der</strong> später in Berlin o<strong>der</strong><br />

an<strong>der</strong>swo Milzbrand-Erreger munitioniert <strong>und</strong> ihre Verbreitung<br />

erprobt. Auch Feldversuche mit MKS-Viren wurden von<br />

deutscher Seite vor dem Zweiten Weltkrieg nicht durchgeführt.<br />

Tatsächlich ergibt eine Analyse <strong>der</strong> Geschichte <strong>der</strong><br />

Biowaffen im zwanzigsten Jahrh<strong>und</strong>ert, <strong>das</strong>s die biologische<br />

Aufrüstung im wesentlichen von <strong>Geheimdienste</strong>n eingeleitet<br />

<strong>und</strong> dann mehr <strong>und</strong> mehr forciert wurde. Angeschoben<br />

wurde sie bereits im Frühsommer 1915 vom deutschen militärischen<br />

Nachrichtendienst, <strong>der</strong> Milzbrandbakterien <strong>und</strong><br />

an<strong>der</strong>e Krankheitserreger in Biosabotageaktionen einsetzte.<br />

Und dann brachte eine verhängnisvolle Mischung von strategischen<br />

Fehleinschätzungen, Falschinformationen, fehlenden<br />

korrekten Erkenntnissen, unbegründeten Befürchtungen <strong>und</strong><br />

Verdächtigungen sowie von Falschaussagen aller Art eine<br />

biologische Rüstungsspirale immer mehr in Fahrt — bis zur<br />

Entwicklung <strong>und</strong> Munitionierung von Milzbrand-Erregern in<br />

den Biowaffenlabors <strong>der</strong> Sowjetunion, des Irak <strong>und</strong> auch <strong>der</strong><br />

USA. Mit Erregern aus solchen Programmen haben dann 85<br />

Jahre nach den Aktionen des deutschen <strong>Geheimdienste</strong>s<br />

Briefbomben-Attentäter fünf Menschen umgebracht, sehr<br />

viel Hysterie erzeugt <strong>und</strong> einen weltweiten Feldzug gegen<br />

18


den Bioterrorismus ausgelöst, in dem wie<strong>der</strong> die Nachrichtendienste<br />

eine dominierende Rolle spielen.<br />

Gelegentlich haben die <strong>Geheimdienste</strong> auch Sand ins<br />

Getriebe dieser Spirale geschüttet — in <strong>der</strong> Sowjetunion beispielsweise,<br />

als Falschinformationen des NKWD Stalin zuerst<br />

1930 <strong>und</strong> dann erneut 1937–39 veranlassten, die führenden<br />

Köpfe des sowjetischen Biowaffenprogramms mindestens ins<br />

Lager sperren <strong>und</strong> zum Teil sogar umbringen zu lassen, <strong>und</strong> in<br />

Deutschland, wo eine Falschmeldung <strong>der</strong> „Abwehr“ Hitler<br />

1942 dazu brachte, alle Vorbereitungen zur biologischen<br />

Kriegsführung zu verbieten. Dies sind bizarre Nuancen in <strong>der</strong><br />

Geschichte <strong>der</strong> Wechselverhältnisse von Geheimdienstaktivitäten<br />

<strong>und</strong> biologischer Aufrüstung. Sie klingen wie schwarzer<br />

Humor, dürften aber wesentlich dazu beigetragen haben,<br />

<strong>das</strong>s es im Zweiten Weltkrieg in Europa nur höchst marginal<br />

— bei einigen wenigen Attentaten <strong>und</strong> Sabotageaktionen —<br />

zum Einsatz biologischer Kampfmittel kam.<br />

Mit <strong>der</strong> biologischen Aufrüstung im zwanzigsten Jahrh<strong>und</strong>ert<br />

<strong>und</strong> <strong>der</strong> Rolle, die Nachrichtendienste, Emigranten <strong>und</strong><br />

Dissidenten dabei spielten, beschäftigt sich dieses Buch. Es<br />

beruht auf fast zwei jahrzehntelangen Erfahrungen des<br />

Autors auf dem Gebiet <strong>der</strong> biologischen Rüstungskontrolle<br />

sowie auf mehrjährigen historischen Studien, die er gemeinsam<br />

mit dem amerikanischen Historiker John Ellis van<br />

Courtland Moon <strong>und</strong> einem internationalen Expertenteam<br />

betrieben hat. Deshalb beziehen sich viele <strong>der</strong> im Folgenden<br />

beschriebenen Details — vor allem aus <strong>der</strong> Zeit vor 1945 —<br />

auf Originaldokumente, die im In- <strong>und</strong> Ausland archiviert<br />

sind. * Die jeweiligen Quellen sind in früheren Veröffent-<br />

* Die überwiegende Mehrzahl <strong>der</strong> ausgewerteten Dokumente befindet sich im<br />

B<strong>und</strong>esarchiv Berlin, im B<strong>und</strong>esarchiv Militärarchiv, Freiburg i.Brsg., im Institut für<br />

Zeitgeschichte München, im Politischen Archiv des Auswärtigen Amtes Berlin, im<br />

Staatsarchiv Nürnberg, in den US National Archives, in Washington, DC., sowie in<br />

College Park, Md., im Public Record Office in Kew, London, im Staatlichen Russischen<br />

Militärarchiv sowie im Zentralarchiv des Russischen Ministeriums für Verteidigung.<br />

19


lichungen des Autors angegeben. Angaben über Personen,<br />

Einrichtungen <strong>und</strong> Vorgänge jüngeren Datums fußen zum<br />

Teil auf eigenem Erleben, häufiger aber auf Sek<strong>und</strong>ärliteratur,<br />

auf die jeweils geson<strong>der</strong>t verwiesen wird.<br />

Fremdsprachige Zitate sind im folgenden Text in <strong>der</strong> Regel<br />

vom Verfasser übersetzt worden, ohne <strong>das</strong>s die Übersetzungen<br />

autorisiert worden sind. Wenn die Übersetzungen aus an<strong>der</strong>en<br />

Quellen stammen, dann ist dies jeweils in Fußnoten<br />

vermerkt. Auslassungen o<strong>der</strong> Einschübe in Zitate sind durch<br />

eckige Klammern gekennzeichnet. Hervorhebungen in<br />

Zitaten sind — wenn dies nicht an<strong>der</strong>s erwähnt wird — aus<br />

dem Original übernommen.<br />

Ein Wort zur Terminologie. Lei<strong>der</strong> gibt es immer noch keine<br />

allgemein verbindliche Definition solcher Begriffe wie<br />

„biologische Waffe“, „biologisches Kampfmittel“, „biologische<br />

Kriegsführung“. Obwohl es sich bei biologischen <strong>und</strong> Toxin-<br />

Waffen um verschiedenartige Kampfmittel handelt, da<br />

Toxin-Waffen wegen ihrer Leblosigkeit zu den chemischen<br />

Waffen gehören, wird häufig unter „biologischer Kriegsführung“<br />

auch <strong>der</strong> Einsatz von Toxin-Kampfmitteln verstanden,<br />

beispielsweise auch in den offiziellen Dokumenten <strong>der</strong><br />

B<strong>und</strong>esregierung. Der Autor folgt hier zögernd dieser Praxis,<br />

wenn er <strong>der</strong> Einfachheit halber <strong>und</strong> aus Platzgründen von<br />

„Biowaffen-Aktivitäten“ spricht, selbst wenn es sich dabei<br />

auch um Arbeiten mit Toxin-Kampfmitteln handelt.<br />

Berlin, im Februar 2003<br />

20


DER BIO- UND TOXINWAFFEN-KALENDER<br />

1346 „Schwarzer Tod“ – europaweiter<br />

Seuchenzug <strong>der</strong> Pest, möglicherweise<br />

durch biologische Kriegsführung verursacht<br />

1763 Erster dokumentierter Akt biologischer<br />

Kriegsführung: aufständische<br />

Indianer erhalten mit Pockenviren<br />

verseuchte Wäschestücke<br />

1876 Robert Koch weist an Hand von<br />

Milzbran<strong>der</strong>regern nach, <strong>das</strong>s<br />

Infektionskrankheiten durch Bakterien<br />

verursacht werden können<br />

1899 Die „Haager Landkriegsordnung“ verbietet<br />

Waffen, die „unnötig Leiden<br />

verursachen“<br />

1902 Der deutsche Generalstab untersagt<br />

den Einsatz anstecken<strong>der</strong> Krankheiten<br />

als Kampfmittel<br />

1915-17 Der deutsche militärische<br />

Nachrichtendienst setzt mit wenig<br />

Erfolg Milzbrand- <strong>und</strong> Rotzerreger zur<br />

Auslösung von Tierseuchen ein<br />

1919-40 We<strong>der</strong> Reichswehr noch Wehrmacht zeigen<br />

Interesse an biologischer<br />

Kriegsführung<br />

1922 Frankreich nimmt Biowaffen-<br />

Aktivitäten auf<br />

21


22<br />

1925 Das „Genfer Protokoll“ verbietet den<br />

Einsatz chemischer <strong>und</strong> biologischer<br />

Waffen im Kriege<br />

1926 Die Sowjetunion nimmt Biowaffen-<br />

Aktivitäten auf<br />

1930 Stalin läßt Biowaffen-Experten verhaften<br />

1932 Japan nimmt Biowaffen-Aktivitäten auf<br />

1934 Deutsche Emigranten behaupten, Hitler<br />

bereite den Biokrieg vor<br />

1934 Italien nimmt Biowaffen-Aktivitäten<br />

auf<br />

1936 Großbritannien nimmt Biowaffen-<br />

Aktivitäten auf<br />

1936 Ungarn nimmt Biowaffen-Aktivitäten<br />

auf<br />

1936 Stalin läßt Biowaffenexperten erneut<br />

verhaften <strong>und</strong> z.T. umbringen<br />

1938 Kanada nimmt Biowaffen-Aktivitäten<br />

auf<br />

1940 Deutsche entdecken eine französische<br />

Biowaffen-Einrichtung <strong>und</strong> nehmen<br />

Biowaffen-Aktivitäten auf<br />

1941 Die USA nehmen Biowaffen-Aktivitäten<br />

auf


1942-44 Japan setzt Biowaffen gegen China ein<br />

1942 Hitler verbietet offensive<br />

Biokriegsvorbereitungen<br />

1942-43 Großbritannien produziert Milzbrandverseuchtes<br />

Rin<strong>der</strong>trockenfutter<br />

1943 Deutsche versuchen Hitlers Verbot zu<br />

umgehen <strong>und</strong> führen Versuche mit<br />

Kartoffelkäfern <strong>und</strong> Maul-<strong>und</strong>-<br />

Klauenseucheviren durch<br />

um 1943 US-Geheimdienst verübt Anschlag gegen<br />

Hjalmar Schacht mit Toxin<br />

1944 Großbritannien untersucht Möglichkeiten,<br />

Hitler <strong>und</strong> an<strong>der</strong>e mit Anthrax<br />

o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Biowaffen umzubringen<br />

1945 Hitler erwägt im Februar Kündigung<br />

des Genfer Protokolls<br />

1946-47 Auf dem Nürnberger Ärzteprozeß kommen<br />

auch Biowaffen-Angelegenheiten zur<br />

Sprache. Im gedruckten Protokoll werden<br />

sie weggelassen<br />

1947 USA machen Deal mit japanischen<br />

„Medizinern ohne Menschlichkeit“<br />

1948 Sowjets stellen japanische BW-<br />

Experten in Chabarowsk vor Gericht<br />

1950 DDR-Führung beschuldigt USA fälschlich,<br />

„Amikäfer“ eingesetzt zu haben<br />

23


1950-53 Die USA werden – vermutlich fälschlich<br />

– beschuldigt, Biowaffen im<br />

Koreakrieg eingesetzt zu haben<br />

24<br />

1968 Dr. Petras beschuldigt die B<strong>und</strong>esrepublik<br />

<strong>der</strong> Biokriegsvorbereitung<br />

1972 Die Bio- <strong>und</strong> Toxinwaffen-Konvention<br />

wird vereinbart<br />

1973 Die Gentechnik wird eingeführt <strong>und</strong><br />

ermöglicht den Ausbau <strong>der</strong> molekularen<br />

Biotechnologien, die zur Schärfung,<br />

aber auch Bekämpfung von Bio- <strong>und</strong><br />

Toxinwaffen genutzt werden können<br />

1975 Die Biowaffenkonvention tritt in<br />

Kraft. Bis zum Jahre 2002 treten ihr<br />

146 Staaten bei<br />

1975-91 Der Irak führt Biowaffenaktivitäten<br />

durch<br />

1975-92 Die Sowjetunion nimmt verstärkt<br />

Biowaffenaktivitäten auf<br />

1979 Eine Milzbrandepidemie in Swerdlowsk<br />

gibt erste Hinweise auf sowjetische<br />

Verletzungen <strong>der</strong> Biowaffenkonvention<br />

1984 Mitglie<strong>der</strong> <strong>der</strong> Rajneeshee-Sekte<br />

verüben in Oregon Bioterror<br />

1986 Schwachstellen <strong>der</strong> Biowaffenkonvention<br />

lösen erste Maßnahmen zu<br />

ihrer Stärkung aus<br />

1991-98 Nach Abschluss des Golfkriegs wird<br />

<strong>das</strong> Ausmaß des irakischen<br />

Biowaffenprogramms deutlich


1992 Präsident Jelzin räumt Existenz des<br />

sowjetischen Biowaffenprogramms ein<br />

<strong>und</strong> verkündet dessen Einstellung<br />

1995 Die AUM-Shinrikyo-Sekte verübt einen<br />

Giftgasanschlag in Tokio. Zuvor hatten<br />

sie vergeblich Bioterror versucht<br />

1996 Die Partnerstaaten <strong>der</strong> Biowaffenkonvention<br />

setzen eine Expertengruppe<br />

zur Ausarbeitung eines Zusatzprotokolls<br />

ein<br />

1998 Aus dem Irak wegen angloamerikanischer<br />

Militäraktionen abgezogene Inspektoren<br />

dürfen nicht wie<strong>der</strong> einreisen<br />

1998-2002 Der Irak wird beschuldigt, insgeheim<br />

wie<strong>der</strong> Massenvernichtungsmittel zu<br />

produzieren <strong>und</strong> mit Terroristen zu<br />

kooperieren<br />

2001 Das nahezu unterschriftsreife Zusatzprotokoll<br />

zur Biowaffenkonvention<br />

wird von den USA abgelehnt<br />

2001 Die New York Times enthüllt geheime<br />

B-Schutz-Aktivitäten <strong>der</strong> USA<br />

2001 In den USA werden Briefe mit<br />

Milzbrand-Sporen an Politiker <strong>und</strong><br />

Mitarbeiter von Massenmedien versandt<br />

2002 US-Pläne für Präventivschläge gegen<br />

den Irak stoßen auf weltweiten<br />

Wi<strong>der</strong>stand. Der Sicherheitsrat zwingt<br />

den Irak, wie<strong>der</strong> Waffeninspekteure<br />

einreisen zu lassen <strong>und</strong> ihnen ungehin<strong>der</strong>ten<br />

Zutritt zu ermöglichen<br />

25


Eine Rüstungsspirale kommt in Gang<br />

„Ausschütten in Trinkeimer genügt“ 6<br />

Im November 1918 brannte es im Keller des<br />

Generalstabsgebäudes in <strong>der</strong> Berliner Moltkestrasse 8.<br />

Major Hans Marguerre, letzter Chef <strong>der</strong> Sektion Politik Berlin<br />

des Generalstabs war dabei, „unter Hinzuziehung einiger<br />

zuverlässiger Offiziere die Akten durch Feuer“ zu vernichten.<br />

Das Material war brisant <strong>und</strong> sollte unter keinen Umständen<br />

in die Hände <strong>der</strong> Revolutionäre o<strong>der</strong> gar von Deutschlands<br />

Kriegsgegnern fallen, denn die Sektion Politik war die<br />

Abteilung des militärischen Nachrichtendienstes, die für<br />

Biosabotageaktionen <strong>und</strong> an<strong>der</strong>e „Unternehmungen <strong>und</strong><br />

Aufwiegelungen gegen unsere Feinde“ verantwortlich<br />

zeichnete. Ihr erster Leiter, Hauptmann d.R. Rudolf Nadolny,<br />

bezeichnete sich später als „Chef <strong>der</strong> irregulären Kriegsführung“<br />

7 .<br />

Dass zur irregulären Kriegsführung auch Biosabotageaktionen<br />

gehörten, konnte acht Jahrzehnte lang geleugnet werden — so<br />

nachhaltig wirkte die Aktenverbrennung. In einer Geschichte<br />

des deutschen <strong>Geheimdienste</strong>s wird lediglich vermerkt,<br />

dieser habe im Ersten Weltkrieg auch Sabotage verübt8 , aber<br />

Einzelheiten werden verschwiegen. We<strong>der</strong> die Beteiligten<br />

werden auch nur erwähnt, geschweige denn ihre Aktionen.<br />

Und vom Ausland wie<strong>der</strong>holt erhobene Behauptungen, <strong>der</strong><br />

deutsche Geheimdienst hätte damals unter an<strong>der</strong>em auch<br />

Bakterien für Sabotageakte eingesetzt, wurden von dessen<br />

damaligem Chef Oberst Walter Nicolai mehrfach explizit<br />

bestritten. 9<br />

27


Sabotageanweisungen <strong>und</strong> an<strong>der</strong>e geheime Mitteilungen <strong>der</strong> Sektion Politik<br />

wurden während des Ersten Weltkriegs in <strong>der</strong> Chiffrierabteilung des Auswärtigen<br />

Amtes verschlüsselt — wie dieses Telegramm an einen Agenten in Sofia.<br />

Quelle: Politisches Archiv des Auswärtigen Amtes, Berlin (PAAA),<br />

R 21206, Blatt 97.<br />

28


Die auf die Vertilgung ihrer Spuren erpichten Geheimdienstler<br />

hatten aber nicht bedacht, <strong>das</strong>s an an<strong>der</strong>er Stelle Duplikate<br />

ihrer Akten lagern könnten, <strong>und</strong> zwar im Politischen Archiv<br />

des Auswärtigen Amtes. Über dessen Chiffrierabteilung<br />

wurde unter an<strong>der</strong>em die geheime Kommunikation <strong>der</strong><br />

Sektion Politik mit ihren Partnern im Ausland abgewickelt.<br />

Die Unterlagen dieser Abteilung haben die Wirren zweier<br />

Weltkriege überstanden <strong>und</strong> wurden erst vor einigen Jahren<br />

ausgewertet 10 . Sie belegen, <strong>das</strong>s <strong>der</strong> deutsche militärische<br />

Geheimdienst entgegen den mehrfach wie<strong>der</strong>holten Behauptungen<br />

seines damaligen Chefs Nicolai im Ersten Weltkrieg<br />

tatsächlich Biosabotageakte organisiert hat.<br />

Solche Unternehmungen wurden erstmals eingeleitet, als<br />

abzusehen war, <strong>das</strong>s <strong>das</strong> bis dahin neutrale Rumänien in den<br />

Krieg gegen Deutschland eintreten würde. Am 17. Mai 1915<br />

schrieb Nadolny, <strong>der</strong> Chef <strong>der</strong> Sektion Politik, an den<br />

Militärattaché bei <strong>der</strong> Kaiserlichen Gesandtschaft in Bukarest,<br />

„für den Fall Eingreifens von Rumänien gegen uns ist<br />

Vorbereitung von Anschlägen gegen Eisenbahnen, militärische<br />

Anlagen, beson<strong>der</strong>s Munitionsfabriken, ferner Verseuchung<br />

von Militärpferden u.s.w. erwünscht. Sprengstoffe <strong>und</strong><br />

Rotzkulturen können von hier gesandt werden. Bitte<br />

drahten, was für Anschläge zweckmäßig, ob Vorbereitung<br />

dort möglich <strong>und</strong> ob, wann <strong>und</strong> wohin Sendung erfolgen soll.“<br />

Rotz: Infektionskrankheit von Pferden <strong>und</strong> Maultieren, verursacht<br />

durch <strong>das</strong> Bakterium Burkhol<strong>der</strong>ia (früher: Pseudomonas) mallei.<br />

Rotz ist auf den Menschen übertragbar <strong>und</strong> zählt auch heute noch zu<br />

den wichtigsten biologischen Kampfmitteln. Die Erreger können —<br />

bei Verbreitung als Aerosol — eingeatmet o<strong>der</strong> mit <strong>der</strong> Nahrung<br />

aufgenommen werden o<strong>der</strong> durch W<strong>und</strong>en in den Körper eindringen.<br />

Die Inkubationszeit beträgt 3 – 5 Tage, die Mortalität 50 – 70%.<br />

Streptomycin <strong>und</strong> an<strong>der</strong>e Antibiotika sind begrenzt wirksam. Ein<br />

Impfstoff steht nicht zur Verfügung.<br />

29


In diesem ganz geheimen Telegramm kündigte ein Mitarbeiter <strong>der</strong> Materialien-<br />

Verwaltung <strong>der</strong> Sektion Politik am 6. September 1915 an, <strong>das</strong>s ein in Rumänien<br />

aktiver Agent durch einen Feldjäger demnächst mit Rotzbakterien versorgt wird.<br />

Quelle: PAAA R 21201, Blatt 163.<br />

30


Der deutsche Gesandte in Bukarest antwortete bereits vier<br />

Tage nach Erhalt dieser Botschaft, <strong>das</strong>s man mit <strong>der</strong><br />

Verseuchung von Pferden sofort beginnen könne: „Nur<br />

bitte ich um genaue Anweisung für Verwendung <strong>der</strong><br />

Rotzkulturen.“ Die bekam er umgehend von einem<br />

Mitarbeiter <strong>der</strong> Sektion Politik: „Sendung von Rotz-Kulturen<br />

geht morgen mit Dienstags Feldjäger ab. Da diesmal<br />

Aufschwemmung, genügt Ausschütten eines Röhrchens in<br />

Trinkeimer“.<br />

Rotzbakterien dienten — unter <strong>der</strong> Tarnbezeichnung<br />

„Pferdemittel“ — auch für vergleichbare Anschläge in<br />

Spanien: „Weitere Sendungen Pferdemittel dringend<br />

erwünscht“ kabelte <strong>der</strong> deutsche Botschafter am 16. Oktober<br />

1915 aus Madrid. Das stieß aber auf Transportschwierigkeiten,<br />

da, wie Nadolny neun Tage später antwortete, die<br />

„Sendung von Pferdemitteln wegen Grenzsperre Schweiz—<br />

Frankreich unterb<strong>und</strong>en“ sei. Aber dann ließ man sich in<br />

Berlin eine an<strong>der</strong>e Verpackungsart einfallen <strong>und</strong> schickte die<br />

„Mittel in Seifestückchen verkleidet, <strong>und</strong> zwar 8 Kartons mit<br />

je 3 Stückchen“.<br />

Zum Versand kamen aber nicht nur „Pferdemittel“, son<strong>der</strong>n<br />

auch Milzbrandbakterien zur Infektion von Rin<strong>der</strong>n. Um<br />

Verwechslungen zu vermeiden waren die Kartons auf <strong>der</strong><br />

Rückseite mit den Buchstaben „E“ <strong>und</strong> „B“ markiert. Mit<br />

„E“ für equus, dem lateinischen Wort für „Pferd“, waren die<br />

Rotzbakterien bezeichnet. Bei den „B“-Mitteln, benannt<br />

nach <strong>der</strong> lateinischen Bezeichnung bos für „Rind“, handelte<br />

es sich um Erreger von Milzbrand.<br />

Der Transport <strong>der</strong> Milzbrand- <strong>und</strong> Rotz-Erreger erfolgte<br />

mit Kurier o<strong>der</strong> auch mit U-Booten vom damaligen<br />

österreichischen Mittelmeerhafen Pola aus nach Cartagena.<br />

Das bereitete aber immer wie<strong>der</strong> Probleme. Deshalb wurde<br />

beschlossen, die Sabotage-Bakterien vor Ort zu vermehren.<br />

31


Milzbrand (Anthrax) 11 : Durch <strong>das</strong> Bakterium Bacillus anthracis, bzw.<br />

seine Dauerform, die Anthrax-Sporen, verursachte Infektionskrankheit<br />

von Rin<strong>der</strong>n, Schafen <strong>und</strong> Ziegen <strong>und</strong> an<strong>der</strong>en<br />

Pflanzenfressern, die auf den Menschen übertragbar ist. Wenn man<br />

mit infizierten Tieren o<strong>der</strong> <strong>der</strong>en Produkten in äußerlichen Kontakt<br />

kommt, kann <strong>der</strong> relativ häufige Hautmilzbrand entstehen.<br />

Darmmilzbrand kann die Folge des Verzehrs von rohem o<strong>der</strong> nicht<br />

ausreichend gegartem infiziertem Fleisch sein. Lungenmilzbrand<br />

kann nach Einatmen von (mindestens einigen tausend) Anthrax-<br />

Sporen entstehen. Eine Übertragung von Mensch zu Mensch ist in<br />

<strong>der</strong> Regel ausgeschlossen. Die Inkubationszeit beträgt 1 – 5 Tage, die<br />

Mortalität von Lungenmilzbrand kann bis zu 90 % betragen, sofern<br />

nicht rechtzeitig mit Ciprofloxacin o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Antibiotika behandelt<br />

wird. Einige Impfstoffe stehen zur Verfügung, müssen jedoch<br />

mehrfach appliziert werden.<br />

Da Milzbrandsporen leicht verbreitet werden können, sehr wi<strong>der</strong>standsfähig<br />

<strong>und</strong> über viele Jahrzehnte haltbar sind, zählt Bacillus<br />

anthracis zu den am meisten gefürchteten biologischen Kampf- <strong>und</strong><br />

Sabotagemitteln.<br />

Im Mai 1916 kündigte Hauptmann Nadolny an, <strong>das</strong>s ein<br />

„Arnold“ bald in Madrid eintreffen werde. „In Benehmen<br />

mit Euer Hochwohlgeboren“ habe dieser den Auftrag:<br />

„Herstellung von Mittel E <strong>und</strong> B“. Das scheint erfolgreich<br />

gewesen zu sein, denn schon am 23. Juni meldete <strong>der</strong><br />

Botschafter nach Berlin: „Kulturen sind geglückt“. „Arnold“,<br />

ein auch den gegnerischen <strong>Geheimdienste</strong>n gut bekannter,<br />

von ihnen aber nie gefasster Topagent, reiste anschließend<br />

nach Argentinien weiter, um dort ähnliche Anschläge zu<br />

organisieren.<br />

Auch in an<strong>der</strong>en Staaten gab es deutsche Biosabotage-<br />

Aktionen. In den USA wurden unter Mitwirkung von Kapitän<br />

Friedrich Hinsch Rotz-Erreger <strong>und</strong> Milzbrandbakterien gegen<br />

Pferde, Maultiere <strong>und</strong> Rin<strong>der</strong> eingesetzt. Im Januar 1917<br />

wurde in Nord-Norwegen ein Baron Otto Karl von Rosen<br />

32


verhaftet, bei dem neben Sprengmaterialien, Giftstoffen<br />

<strong>und</strong> „explosiven Bleistiften“ verdächtige Zuckerstückchen<br />

gef<strong>und</strong>en wurden. Mit ihnen sollten offenbar Rentiere<br />

infiziert werden, die den von Großbritannien zur Verfügung<br />

gestellten Nachschub an Munition zur russischen Nordfront<br />

transportierten.<br />

Zwei dieser Zuckerstückchen blieben im Polizeimuseum in<br />

Trondheim <strong>der</strong> Nachwelt erhalten. Dort wurden sie erst im Jahre<br />

1997 zufällig wie<strong>der</strong>entdeckt. In einem <strong>der</strong> Zuckerstückchen<br />

fand man eine feine Kapillare mit einer bräunlichen Flüssigkeit.<br />

In dieser konnten noch lebensfähige Milzbrandsporen nachgewiesen<br />

werden: Sie hatten siebzig Jahre überlebt, obwohl<br />

sie nicht in einem Gefrierschrank fachmännisch konserviert,<br />

son<strong>der</strong>n in einem verstaubten Museumsschrank bei Zimmertemperatur<br />

aufbewahrt worden waren.<br />

Ob auch Kapitän Hinsch <strong>und</strong> Baron von Rosen im Auftrag<br />

<strong>der</strong> Sektion Politik des Generalstabs handelten, ist unklar.<br />

Im Polizeimuseum Trondheim 1997 entdeckte Zuckerstückchen, in denen<br />

Milzbrandbakterien verpackt waren. Der mutmaßliche deutsche Agent Baron<br />

Otto Karl von Rosen führte sie bei seiner Verhaftung im Januar 1917 mit sich.<br />

Foto: Prof. P.B. Berdal, Institut für Mikrobiologie <strong>der</strong> Norwegischen<br />

Armee, Oslo.<br />

33


Möglicherweise standen sie im Dienst des Admiralstabs, <strong>der</strong><br />

einen eigenen Nachrichtendienst unterhielt <strong>und</strong> ebenfalls<br />

Agenten mit Sabotageaktionen im Ausland beauftragte.<br />

Gelegentlich wurde <strong>und</strong> wird behauptet, entsprechende<br />

Aktionen seien auch in weiteren Län<strong>der</strong>n, beispielsweise in<br />

Polen, 12 durchgeführt worden. Dokumentarische Belege für<br />

diese Angaben werden in <strong>der</strong> Regel nicht angegeben.Auch in<br />

den deutschen Archiven finden sich dafür keine Beweise.<br />

Allerdings stand hinter den Aktionen nicht nur <strong>der</strong> militärische<br />

Geheimdienst, sie geschahen auch mit Wissen <strong>und</strong> Billigung<br />

<strong>der</strong> höchsten deutschen Diplomaten: Zahlreiche <strong>der</strong> im<br />

Politischen Archiv des Auswärtigen Amtes aufbewahrten<br />

Dokumente <strong>der</strong> Geheimdienstabteilung tragen <strong>das</strong> Kürzel von<br />

Arthur Zimmermann, dem zunächst stellvertretenden, dann<br />

amtierenden Außenminister (<strong>der</strong> damals als Staatssekretär<br />

bezeichnet wurde). Und auch die Leiter <strong>der</strong> entsprechenden<br />

diplomatischen Vertretungen im Ausland waren nicht nur im<br />

Bilde, son<strong>der</strong>n aktiv Beteiligte.<br />

Wie aber <strong>der</strong> Karriere-Diplomat Nadolny auf die verruchte<br />

Idee kam, Krankheitserreger als Sabotagemittel einzusetzen,<br />

ist nicht bekannt, zumal er diese Aktionen in seinen Memoiren<br />

unterschlägt. Vielleicht war es sein eigener Einfall —<br />

immerhin stammt er aus einer Gutsbesitzerfamilie <strong>und</strong> Pferde<br />

waren die „große Leidenschaft“ des „echten Landjungen“ 13 .<br />

Sicher wusste deshalb Nadolny auch über Rotz <strong>und</strong><br />

Milzbrand <strong>und</strong> ihre Folgen Bescheid. Denkbar wäre aber<br />

auch, <strong>das</strong>s ihm ein befre<strong>und</strong>eter Bakteriologe o<strong>der</strong> Tierarzt<br />

den Tipp gab, aber <strong>das</strong> ist reine Spekulation. Woher die<br />

Sektion Politik die Bakterienkulturen bezog, ist ebenfalls<br />

nicht mehr zu ermitteln. Indizien sprechen dafür, <strong>das</strong>s <strong>das</strong><br />

bakteriologische Laboratorium <strong>der</strong> Militär-Veterinärakademie<br />

in Berlin die Quelle war.<br />

Aus den in den Akten <strong>der</strong> Chiffrierabteilung aufgef<strong>und</strong>enen<br />

Dokumenten geht nicht eindeutig hervor, in welchem Umfang<br />

<strong>und</strong> mit welchem Erfolg die Bakterien in Argentinien,<br />

Rumänien <strong>und</strong> Spanien eingesetzt wurden. Sowohl aus<br />

34


Madrid als auch aus Bukarest erfolgten zwar Anfor<strong>der</strong>ungen<br />

für weitere Lieferungen, aber daraus kann man nicht schließen,<br />

ob die zuvor übersandten Bakterien verwendet wurden o<strong>der</strong><br />

aber nicht einsatzfähig waren. „Erfolgsmeldungen“ liegen<br />

jedenfalls den Akten nicht bei.<br />

Allerdings gab es entsprechende Berichte in <strong>der</strong> ausländischen<br />

Presse. So berichtete zum Beispiel die „Daily Mail“ am 16.<br />

März 1918, „Agenten des deutschen <strong>Geheimdienste</strong>s haben<br />

heimlich Rotz, eine Krankheit, die Menschen befällt aber<br />

beson<strong>der</strong>s für Pferde, Maultiere <strong>und</strong> Rindvieh tödlich ist,<br />

in Argentinien eingeschleppt. Die Alliierten entdeckten<br />

kürzlich, <strong>das</strong>s aus diesem Land eingeführte Maultiere daran<br />

erkrankt waren. Da Rotz in Argentinien unbekannt ist, wurde<br />

eine sorgfältige Untersuchung eingeleitet. Nunmehr kann<br />

zwingend bewiesen werden, <strong>das</strong>s die Krankheit künstlich<br />

durch Inokulation erzeugt worden war“. In an<strong>der</strong>en Pressemeldungen<br />

hieß es, „Rotz-Erreger seien in Rumänien <strong>und</strong><br />

Amerika mit gutem Erfolg verwendet worden. Z.B. mussten<br />

alle Pferde eines Transports, <strong>der</strong> von Amerika nach England<br />

ging, über Bord geworfen werden, weil die Tiere an Rotz<br />

erkrankt waren“. Der Wahrheitsgehalt solcher Meldungen<br />

lässt sich heute nicht mehr ermitteln. Vermutlich waren die<br />

Aktionen aber schon deshalb nicht sehr erfolgreich, weil aus<br />

technischen <strong>und</strong> logistischen Gründen keine größeren<br />

Mengen von Milzbrand- <strong>und</strong> Rotz-Erregern eingesetzt <strong>und</strong><br />

jeweils nur einzelne Tiere über <strong>das</strong> Trinkwasser o<strong>der</strong> durch<br />

Fütterung infiziert werden konnten.<br />

Hinzu kam, <strong>das</strong>s sich die deutschen Aktionen nicht lange<br />

geheim halten ließen, da einige <strong>der</strong> beteiligten Agenten<br />

im Ausland verhaftet wurden <strong>und</strong> im Verhör Ziel <strong>und</strong><br />

Zweck ihrer Aufträge enthüllten. Deshalb wurden die<br />

Unternehmungen offenbar bereits 1916/17 im Wesentlichen<br />

wie<strong>der</strong> eingestellt; jedenfalls finden sich in den Akten <strong>der</strong><br />

Chiffrierabteilung keine Unterlagen mehr über nach Mitte<br />

1916 organisierte Biosabotageakte.<br />

35


Nicht gegen Menschen ...<br />

Interessanterweise präzisierte Nadolny in einer seiner ersten<br />

Anweisungen für die Biosabotage-Aktionen am 6. Juni 1915,<br />

die Krankheitserreger sollten nicht gegen Menschen eingesetzt<br />

werden: „Anwendung von Seuchenmitteln gegen<br />

Menschen nicht erwünscht, nur gegen Pferde <strong>und</strong> Vieh für<br />

Armee“. Die Anordnung entsprach den Richtlinien, die <strong>der</strong><br />

Große Generalstab 1902 für den „Kriegsbrauch im Landkriege“<br />

erlassen hatte. Darin heißt es, im Kriege sei zwar die<br />

Anwendung „alle[r] Mittel, welche die mo<strong>der</strong>ne Technik<br />

erf<strong>und</strong>en“, gestattet. Trotzdem seien aber „gewisse, unnötig<br />

Leiden herbeiführende Kampfmittel von jeglicher<br />

Anwendung auszuschließen“. Ausdrücklich wird in diesem<br />

Zusammenhang „<strong>der</strong> Gebrauch von Gift dem einzelnen<br />

Feinde sowohl als auch den Massen gegenüber (Vergiftung<br />

von Brunnen <strong>und</strong> Lebensmitteln, […] Verbreitung von ansteckenden<br />

Krankheiten etc.)“ abgelehnt.<br />

Danach wurde im Ersten Weltkrieg auch verfahren, wenn<br />

gelegentlich <strong>der</strong> Einsatz von Krankheitserregern gegen die<br />

Kriegsgegner empfohlen wurde. Der Vorschlag eines<br />

Stabsarztes, Pestbakterien durch Luftschiffe über London <strong>und</strong><br />

den britischen Seehäfen zu verbreiten, wurde beispielsweise<br />

zwar zunächst so ernst genommen, <strong>das</strong>s er dem Chef des<br />

Generalstabs, General Erich Ludendorff übermittelt wurde.<br />

Ludendorff erbat daraufhin „eine Äußerung über seine praktische<br />

Ausführbarkeit <strong>und</strong> die von unseren Gegnern möglichen<br />

Gegenmaßnahmen“ vom Chef des Feldsanitätswesens.<br />

Aber <strong>der</strong> lehnte die Idee ab, <strong>und</strong> zwar sowohl aus humanitären<br />

Gründen, als auch aus wissenschaftlich-technischen.<br />

Die Oberste Heeresleitung folgte dieser Empfehlung, zumal<br />

es Hinweise darauf gibt, <strong>das</strong>s sich Kaiser Wilhelm II. höchstpersönlich<br />

gegen den Einsatz von Zeppelinen für bakteriologische<br />

Angriffe auf England ausgesprochen hatte.<br />

Ähnliche Vorschläge wurden mit <strong>der</strong> Begründung verworfen,<br />

Biowaffeneinsätze seien völkerrechtswidrig. Außerdem<br />

36


In diesem geheimen Telegramm wies <strong>der</strong> Leiter <strong>der</strong> Sektion Politik am 6. Juni<br />

1915 an, <strong>das</strong>s die als Sabotagemittel eingesetzten Bakterien nicht gegen<br />

Menschen eingesetzt werden sollten.<br />

Quelle: PAAA R 21200, Blatt 108.<br />

37


wurde argumentiert, <strong>das</strong>s bakteriologische Kampfmittel „für<br />

die eigenen Truppen eine außerordentliche Gefahr bedeuten<br />

würden“. Professor Friedrich Konrich vom Reichsges<strong>und</strong>heitsamt<br />

erinnerte sich, während des Ersten Weltkrieges sei<br />

„die Verwendung von Krankheitserregern zu Kampfzwecken<br />

völlig abgelehnt worden“, <strong>und</strong> zwar sowohl aus moralischen<br />

Erwägungen heraus, als auch deshalb, weil „diese Waffen viel<br />

zu langsam <strong>und</strong> unsicher wirken“ <strong>und</strong> „die eigenen Reihen<br />

kaum weniger gefährden [würden] als die des Feindes“.<br />

Damit waren bereits im Ersten Weltkrieg Bewertungen<br />

erfolgt, die biologische Waffen als unmoralisch sowie als militärisch<br />

höchst fragwürdig einstuften.<br />

38


Das „dreckige Dutzend“<br />

Jedenfalls war es <strong>der</strong> deutsche Geheimdienst, <strong>der</strong><br />

Milzbrand-Erreger als Kampfmittel einführte <strong>und</strong> damit<br />

eine höchst gefährliche Rüstungsspirale in Gang setzte.<br />

Milzbrandbakterien stehen noch heute ganz oben auf <strong>der</strong><br />

Liste <strong>der</strong> potentiellen biologischen Kampf- <strong>und</strong> Terrormittel<br />

<strong>und</strong> gehören zum sogenannten „dreckigen Dutzend“ <strong>der</strong> am<br />

meisten gefürchteten biologischen Kampfmittel. Dabei handelt<br />

es sich aber um mehr als ein Dutzend Erreger <strong>und</strong> Toxine,<br />

denn <strong>das</strong> durch starke innere <strong>und</strong> äußere Blutungen charakterisierte<br />

„hämorrhagische Fieber“ wird nicht nur durch<br />

Ebola-Viren hervorgerufen, son<strong>der</strong>n durch mehr als zehn<br />

an<strong>der</strong>e Erreger.<br />

Ein herausragendes Charakteristikum aller biologischen <strong>und</strong><br />

Toxin-Kampfmittel ist, <strong>das</strong>s es sich dabei um keine eigens für<br />

militärische (o<strong>der</strong> terroristische) Zwecke entwickelte<br />

Waffensysteme handelt, son<strong>der</strong>n um missbrauchte natürliche<br />

Feinde von Mensch <strong>und</strong>/o<strong>der</strong> Tier bzw. Pflanze bzw. von<br />

Lebewesen gebildete Giftstoffe. Es sind zweifach bedrohliche<br />

Agenzien, „dual-threat agents“ (DTAs) — eine Tatsache, die<br />

einerseits die Kontrolle biologischer <strong>und</strong> Toxin-Waffen<br />

außerordentlich erschwert, an<strong>der</strong>erseits den großen Vorteil<br />

DAS „DRECKIGE DUTZEND“<br />

Von den am meisten gefürchteten Bio- <strong>und</strong><br />

Toxinkampfmitteln hervorgerufene Erkrankungen<br />

•BAKTERIEN<br />

•Bruzellose<br />

•Milzbrand<br />

•Hasenpest<br />

(Tularämie)<br />

•Pest<br />

•Q-Fieber<br />

•Rotz<br />

•VIREN<br />

•TOXINE<br />

•Enzephalitis •Botulismus<br />

(z.B. Venezola- •Rizin-Vergiftung<br />

nische Pferde- •Vergiftung durch<br />

Enzephalitis) Staphylokokken-<br />

•hämorrhagische<br />

Fieber (z.B. Ebola)<br />

•Pocken<br />

Enterotoxin B<br />

39


ietet, Schutzvorkehrungen gegen Biowaffen auch im zivilen<br />

Ges<strong>und</strong>heitsschutz ergreifen zu können, <strong>und</strong> noch dazu<br />

verhältnismäßig preiswert: Unsummen von Gel<strong>der</strong>n, die<br />

beispielsweise für den Aufbau eines Raketenabwehrsystems<br />

ausgegeben werden, sind in den Sand gebaut, sobald die<br />

Systeme veralten <strong>und</strong> verschrottet werden müssen. Das geht<br />

aber nicht zum Nulltarif, son<strong>der</strong>n ist mitunter noch<br />

teurer. Antibiotika, Chemotherapeutika, Diagnostika <strong>und</strong><br />

Impfstoffe dagegen, die zum Schutz gegen biologische <strong>und</strong><br />

Toxin-Waffen entwickelt <strong>und</strong> produziert werden, könnten<br />

auch zum Schutz <strong>der</strong> Bevölkerung vor natürlichen Epidemien<br />

zur Verfügung gestellt werden.<br />

Alle biologischen <strong>und</strong> Toxin-Kampfmittel sind dual-threat-Agenzien,<br />

sie sind zwiefach bedrohlich — sowohl als natürliche Krankheitserreger<br />

<strong>und</strong> Schädlinge, als auch als Waffen.<br />

Ihre Bearbeitung erfolgt in dual-use-Aktivitäten <strong>und</strong> mit dual-use-<br />

Einrichtungen <strong>und</strong> -Kenntnissen. Sie kann sowohl friedlich (zur<br />

Wissensvermehrung, zum Schutz vor Krankheiten o<strong>der</strong> Schädlingen<br />

o<strong>der</strong> auch vor Kampfmitteln) als auch für offensive militärische o<strong>der</strong><br />

terroristische Zwecke erfolgen.<br />

Der „schwarze Tod“<br />

Zum „dreckigen Dutzend“ gehören auch die Erreger von<br />

Pest <strong>und</strong> Pocken. Erstere sollen schon im Mittelalter, 1346, als<br />

Biowaffen gegen Kaffa eingesetzt worden sein 14 . Die 1266<br />

von Genua auf <strong>der</strong> Krim gegründete Hafenstadt, <strong>das</strong> heutige<br />

Feodossija, war damals <strong>der</strong> Hauptumschlagsplatz zwischen<br />

den Handelswegen des Mittelmeeres, <strong>der</strong> Schifffahrtswege<br />

von Don <strong>und</strong> Wolga sowie <strong>der</strong> Karawanenstraßen des Fernen<br />

Ostens. Drei Jahre lang war sie vergeblich von den Mongolen<br />

belagert worden. Während dieser Zeit brach unter den<br />

Belagerern die Pest aus, die vermutlich von Händlern <strong>und</strong><br />

Soldaten aus Asien in die Schwarzmeerregion eingeschleppt<br />

40


worden war. Der Anführer <strong>der</strong> Mongolen, Khan Janibeg, soll<br />

dann befohlen haben, die Pestleichen über die Befestigungsanlagen<br />

von Kaffa zu katapultieren. Daraufhin sei in <strong>der</strong><br />

Stadt die Pest ausgebrochen. Die <strong>der</strong> Pest noch nicht zum<br />

Opfer gefallenen Einwohner sollen daraufhin zu Schiff über<br />

Konstantinopel in die italienische Heimat geflohen sein,<br />

mit den Erregern an Bord. Weniger als ein Prozent <strong>der</strong><br />

Flüchtlinge überlebten die Fahrt <strong>und</strong> brachten die Pest in die<br />

italienischen Hafenstädte. So beschreibt es jedenfalls Gabriel<br />

de Mussi, ein Notar aus dem italienischen Piacenza, in seinem<br />

„Bericht über die Krankheit o<strong>der</strong> Seuche, die im Jahre des<br />

Herrn 1348 auftrat“.<br />

De Mussi war allerdings bei den Ereignissen in Kaffa nicht<br />

dabei <strong>und</strong> stützte sich bestenfalls auf Aussagen von Augenzeugen,<br />

die aus <strong>der</strong> angegriffenen Stadt fliehen konnten. Da<br />

es keine weitere, unabhängige Quelle gibt, die vom angeblichen<br />

Biowaffen-Einsatz durch die Mongolen berichtet, ist<br />

dieser Bericht mit Zurückhaltung zu bewerten. Sicher ist,<br />

<strong>das</strong>s <strong>der</strong> große Seuchenzug des Schwarzen Todes, <strong>der</strong> etwa<br />

ein Drittel <strong>der</strong> europäischen Bevölkerung hinwegraffte,<br />

damals, 1347/48, von Konstantinopel <strong>und</strong> Italien seinen<br />

Ausgang nahm. Sicher ist außerdem, <strong>das</strong>s es damals schon<br />

Steinschleu<strong>der</strong>n gab, die mächtig genug waren, menschliche<br />

Körper über einige Entfernung zu katapultieren.<br />

Ganz abgesehen davon, <strong>das</strong>s offen bleiben muss, was in Kaffa<br />

geschah <strong>und</strong> welche Folgen dieses hatte, sollte hier aber noch<br />

angemerkt werden, <strong>das</strong>s neuerdings verschiedene Autoren<br />

bezweifelt haben, <strong>das</strong>s <strong>der</strong> Schwarze Tod tatsächlich durch<br />

Yersinia pestis verursacht worden war. Statt dessen wird<br />

vermutet, <strong>das</strong>s <strong>der</strong> Seuchenzug durch ein hämorrhagisches<br />

Fieber-Virus bewirkt worden sein könnte 16 . Das ist jedoch<br />

reine Spekulation.<br />

Aber selbst wenn keine Pestleichen über die Mauern von<br />

Kaffa katapultiert worden sein sollten: Lebewesen sind<br />

41


Pest5 ist eine durch <strong>das</strong> Bakterium Yersinia pestis hervorgerufene, häufig<br />

tödlich verlaufende Infektionskrankheit verschiedener Verlaufsformen.<br />

Normalerweise am häufigsten ist die Beulenpest (Bubonenpest),<br />

die meist durch einen Flohstich verursacht wird <strong>und</strong> die durch<br />

schmerzhafte blaurote Schwellungen <strong>der</strong> nächsten Lymphknoten<br />

charakterisiert ist. In vielen Fällen, vor allem wenn nicht sofort eine<br />

Antibiotika-Therapie einsetzt, verbreiten sich die Pestbakterien<br />

anschließend über den ganzen Körper <strong>und</strong> lösen eine Bakteriämie<br />

aus, die auch zur Lungenpest führen kann. Lungenpest wird auch verursacht<br />

durch Tröpfcheninfektionen sowie wenn Yersinia pestis als<br />

Aerosol in militärischen o<strong>der</strong> terroristischen Aktionen verbreitet<br />

wird. Zur Prophylaxe stehen Impfstoffe zur Verfügung, die aber wohl<br />

noch nicht ausreichend gegen Aerosolinfektionen schützen.<br />

Pest-Erreger wurden von Japan vor <strong>und</strong> während des Zweiten<br />

Weltkrieges intensiv auf ihre Eignung als Kampfmittel untersucht,<br />

vor allem auch in Menschenexperimenten, <strong>und</strong> wurden mehrfach<br />

gegen China eingesetzt. Während des Kalten Krieges wurde sowohl<br />

in <strong>der</strong> Sowjetunion als auch in den USA an <strong>der</strong> Entwicklung von<br />

Y.pestis als auf dem Aerosolweg verbreitetes Kampfmittel gearbeitet.<br />

offenbar schon seit Menschengedenken als Kampfmittel<br />

verwendet worden. So berichtet Herodian, <strong>das</strong>s sich die<br />

Verteidiger <strong>der</strong> mesopotamischen Stadt Hatra 201 n. Chr.<br />

erfolgreich dadurch gegen die römischen Legionäre zur<br />

Wehr setzten, indem sie Gefäße mit Ungeziefer, Spinnen <strong>und</strong><br />

giftigen Tieren von den Befestigungsmauern herab schütteten.<br />

Das Getier sei dann überall zwischen den Angreifern herumgekrochen<br />

<strong>und</strong> hätte sie <strong>der</strong>art belästigt, daß Kaiser<br />

Septimius Severus die Belagerung <strong>der</strong> Stadt aufhob <strong>und</strong> den<br />

Rückzug befahl.<br />

Das makabre Gastgeschenk 17<br />

Am 24. Juni 1763 erschienen zwei Indianer, Schildkröten-<br />

Herz <strong>und</strong> Mamaltee, bei dem in <strong>der</strong> Nähe des heutigen<br />

Pittsburgh, Pennsylvania, gelegenen britischen Fort Pitt.<br />

42


Die beiden waren Häuptlinge <strong>der</strong> Delawaren, die sich mit<br />

an<strong>der</strong>en Indianer-Stämmen gegen die britischen Invasionstruppen<br />

<strong>und</strong> die in ihrem Gefolge eingerückten Siedler<br />

verbündet hatten. Den Indianern war es schon gelungen,<br />

acht britische Forts zu erobern <strong>und</strong> <strong>der</strong>en Besatzungen zu<br />

töten o<strong>der</strong> gefangen zu nehmen.<br />

Die Häuptlinge verlangten nach Alexan<strong>der</strong> McKee, dem<br />

amtierenden Vertreter <strong>der</strong> britischen Krone für Indianer-<br />

Angelegenheiten <strong>und</strong> nach dem Kommandanten des Forts,<br />

Hauptmann Ecuyer, <strong>und</strong> informierten beide darüber, <strong>das</strong>s die<br />

am Aufstand beteiligten Indianer-Stämme vereinbart hätten,<br />

die eingeschlossenen Soldaten <strong>und</strong> Siedler nicht anzugreifen,<br />

wenn diese unverzüglich abziehen würden. Der Kommandant<br />

bedankte sich für dieses Angebot <strong>und</strong> überreichte den<br />

Häuptlingen Gastgeschenke: zwei Decken <strong>und</strong> zwei Taschentücher.<br />

Es waren aber höchst makabre Präsente. Im völlig<br />

überfüllten Fort Pitt waren nämlich die Pocken ausgebrochen,<br />

so<strong>das</strong>s auf dem Gelände ein Pocken-Hospital als Behandlungs<strong>und</strong><br />

Isolierstation eingerichtet werden musste. Und aus dem<br />

stammten die Gastgeschenke.<br />

Dass den beiden Indianern Wäschestücke gerade aus einem<br />

Pocken-Hospital übereignet wurden, war kein Zufall <strong>und</strong><br />

nicht unachtsam. Hauptmann Ecuyer notierte im Hauptbuch<br />

des Forts, zwei Decken, ein seidenes Taschentuch <strong>und</strong> eines<br />

aus Leinen, seien aus dem Hospital entnommen worden, „um<br />

die Pocken auf die Indianer zu übertragen“. Und ein Händler,<br />

<strong>der</strong> <strong>das</strong> Fort mit Waren aller Art versorgte, verzeichnete den<br />

Vorgang in seinem Tagebuch — nicht ohne hinzuzufügen:<br />

„Ich hoffe, es wird den gewünschten Effekt haben.“<br />

Auch <strong>der</strong> britische Oberbefehlshaber, Sir Jeffrey Amherst,<br />

war auf die Idee gekommen, die Indianer auf diese Weise zu<br />

bekämpfen. Sir Jeffrey schrieb Anfang Juli 1763 an einen<br />

Hauptmann, <strong>der</strong> mit Verstärkungen auf dem Weg nach Fort<br />

Pitt war, man sollte erwägen, unter den aufständischen<br />

43


Als Pocken18 bezeichnet man eine von dem Virus Variola major<br />

hervorgerufene, höchst ansteckende, entstellende <strong>und</strong> schmerzhafte<br />

Infektionskrankheit, die üblicherweise durch Tröpfcheninfektionen<br />

übertragen wird. Nach dem Einatmen einiger weniger Viren bilden<br />

sich innerhalb weniger Tage aus einem Hautausschlag zahlreiche<br />

Bläschen, die dann in Pusteln, die Pocken, übergehen. Blutungen in<br />

den <strong>und</strong> um die Pusteln führen zu den „schwarzen Pocken“. Unter<br />

Fiebersteigerung erfolgt dann eine Vereiterung <strong>der</strong> Pusteln. Die<br />

Letalität betrug vor Einführung <strong>der</strong> Pocken-Schutzimpfungen 30%<br />

<strong>und</strong> mehr. Eine Therapie ist noch nicht möglich; ein unmittelbarer<br />

Einsatz des Impfstoffs nach Exposition mit den Erregern kann dem<br />

Auftreten <strong>der</strong> Symptome noch weitgehend vorbeugen, vor allem<br />

wenn noch eine Restimmunität besteht.<br />

Durch eine globale Impfaktion konnten die Pocken ab Mitte des<br />

vergangenen Jahrh<strong>und</strong>erts weltweit ausgerottet werden. Deshalb,<br />

<strong>und</strong> weil die Impfung gelegentlich nicht ohne Nebenwirkungen verlief,<br />

wird seit Beginn <strong>der</strong> 1980er Jahre auf Empfehlung <strong>der</strong> WHO<br />

nicht mehr gegen Pocken geimpft. Seitdem steigt <strong>das</strong> Risiko, <strong>das</strong>s ein<br />

militärischer o<strong>der</strong> terroristischer Einsatz von Pockenviren gegen die<br />

zunehmend un- o<strong>der</strong> nicht ausreichend geschützte Bevölkerung katastrophale<br />

Bedeutung haben könnte. In <strong>der</strong> Sowjetunion sollen in den<br />

1980er Jahren Pockenviren als Kampfmittel entwickelt <strong>und</strong> produziert<br />

worden sein.<br />

Offiziell werden diese Erreger heute nur noch in zwei Einrichtungen<br />

gelagert; schwer nachprüfbaren Behauptungen zufolge soll es aber<br />

auch noch an<strong>der</strong>norts Pockenviren geben.<br />

Indianer-Stämmen die Pocken zu verbreiten. Denn: „Wir<br />

müssen in dieser Situation jede uns zur Verfügung stehende<br />

Strategie nutzen, um sie zu unterwerfen.“ Der Offizier<br />

antwortete umgehend, er werde versuchen, die Indianer mit<br />

einigen Decken zu infizieren, <strong>und</strong> er werde aufpassen, <strong>das</strong>s er<br />

sich nicht selbst anstecke. Amherst bestätigte drei Tage<br />

später: „Es ist richtig, wenn Sie versuchen, die Indianer mit<br />

Hilfe von Decken zu infizieren <strong>und</strong> auch jede an<strong>der</strong>e Methode<br />

44


anwenden, um diese abscheuliche Rasse auszurotten.“<br />

Die Pocken grassierten in den folgenden zwei Jahrh<strong>und</strong>erten<br />

unter den Indianern. Mehr als die Hälfte von ihnen erlag <strong>der</strong><br />

hochansteckenden Krankheit. Allein <strong>der</strong> Stamm <strong>der</strong> Mandan<br />

schmolz von 15.000 im Jahre 1738 auf 138 Angehörige im<br />

Jahre 1837 zusammen 19 .Welche Rolle dabei die Aktion von<br />

Fort Pitt spielte, lässt sich heute nicht mehr ermitteln, zumal<br />

es in den folgenden Jahrzehnten offenbar weitere ähnliche<br />

Vorfälle gab <strong>und</strong> Krankheitserreger auch bei friedlichen<br />

Kontakten zwischen Europäern <strong>und</strong> Indianern unbeabsichtigt<br />

übertragen wurden. In unserem Zusammenhang ist aber<br />

entscheidend, <strong>das</strong>s es sich bei dem Vorfall in Fort Pitt um den<br />

ersten dokumentarisch belegten <strong>und</strong> in Einklang mit <strong>der</strong><br />

Strategie <strong>der</strong> britischen Invasionstruppen stehenden Akt des<br />

mutwilligen Einsatzes von Krankheitserregern als Kampfmittel<br />

handelte — um den ersten, eindeutig nachgewiesenen<br />

Fall biologischer Kriegsführung.<br />

45


Frankreich startet die biologische<br />

Rüstungsspirale20 Die deutschen Biosabotageeinsätze im Ersten<br />

Weltkrieg blieben Deutschlands Kriegsgegnern <strong>und</strong><br />

Nachbarstaaten nicht verborgen. Beispielsweise erinnerte<br />

Professor André Trillat, Direktor des chemischen Forschungsinstitutes<br />

<strong>der</strong> französischen Marine, 1922 in einem<br />

Memorandum „Über die Verwendung bakteriologischer<br />

Kampfmittel im Kriege“ daran, <strong>das</strong>s „die Deutschen als erste<br />

die Idee hatten, Kulturen von Mikroorganismen zur<br />

Verbreitung von Rotz <strong>und</strong> Milzbrand in Feindesland“<br />

einzusetzen. Trillat erwähnte in diesem Zusammenhang auch,<br />

<strong>das</strong>s 1917 ein deutscher Agent verhaftet worden war, <strong>der</strong><br />

französische Kavallerie-Pferde mit Rotz infizieren wollte.<br />

Daher vermute er, <strong>das</strong>s Deutschland auch in Zukunft die<br />

Methoden zur bakteriologischen Kriegsführung perfektionieren<br />

würde. Diese Annahme war nicht zuletzt auch deshalb naheliegend,<br />

weil Deutschland zu dieser Zeit immer noch führend<br />

auf dem Gebiet <strong>der</strong> Bakteriologie war <strong>und</strong> über eine hoch<br />

entwickelte chemisch-pharmazeutische Industrie verfügte.<br />

Deshalb reagierte Frankreich als erstes Land auf die deutschen<br />

Biosabotageaktionen. Im Juni 1922 beschloss die französische<br />

Regierung die Einrichtung eines Komitees, <strong>das</strong> sich mit Fragen<br />

<strong>der</strong> biologischen Kriegsführung beschäftigen sollte. André<br />

Trillat, <strong>der</strong> seit Jahren im Rahmen des zivilen Ges<strong>und</strong>heitsschutzes<br />

die Übertragung von Krankheitserregern auf dem<br />

Luftweg untersuchte, wurde um Unterstützung gebeten, da sich<br />

die Ergebnisse seiner Forschungen nun als von größter<br />

militärischer Bedeutung erwiesen. In seinem bereits erwähnten<br />

Memorandum legte Trillat dar, <strong>das</strong>s die Erreger von Pest,<br />

Cholera, Grippe, Typhus, Ruhr, Rotz, Bruzellose sowie Maul<strong>und</strong><br />

Klauenseuche für den militärischen Einsatz in Frage<br />

kämen. Auf Gr<strong>und</strong> seiner eigenen Arbeiten hielt er <strong>der</strong>en<br />

Verbreitung auf dem Luftweg in Form von „Wolken ähnlich<br />

natürlichen Wolken“ — d.h. als Aerosol — für beson<strong>der</strong>s<br />

46


aussichtsreich. Jedenfalls seien bakteriologische Waffen<br />

preiswert <strong>und</strong> „ideale Kampfmittel für einen in die Enge<br />

getriebenen skrupellosen Gegner“. Seine Experimente mit<br />

Versuchstieren ließen jedoch noch keine abschließende<br />

Bewertung <strong>der</strong> Einsatzfähigkeit solcher Waffen zu. Vielmehr<br />

sei ein ambitioniertes Forschungsprogramm zu solchen<br />

Fragen notwendig. Trillat gab gleichzeitig zu bedenken, <strong>das</strong>s<br />

solche Kampfmittel wegen ihrer Unkontrollierbarkeit als<br />

Gefechtsfeldwaffen ungeeignet seien. Sie könnten aber<br />

wirksam gegen die Zivilbevölkerung, städtische Zentren,<br />

Truppenansammlungen, Kasernen, Bahnhöfe o<strong>der</strong> Industriestandorte<br />

eingesetzt werden.<br />

Aerosol: Kolloides System, bei dem feste Stoffe o<strong>der</strong> Flüssigkeiten<br />

<strong>der</strong> Teilchengröße 0,1 bis 20 µm in Luft o<strong>der</strong> einem an<strong>der</strong>en gasförmigen<br />

Dispersionsmittel fein verteilt sind. Seit den 1920er Jahren ist<br />

bekannt, <strong>das</strong>s zahlreiche Pathogene <strong>und</strong> Toxine als Aerosol verbreitet<br />

werden können („Tröpfcheninfektion“). Heute wird die<br />

Verbreitung durch Aerosole als wirksamste Methode zur<br />

Ausbringung <strong>der</strong> meisten Bio- <strong>und</strong> Toxinwaffen angesehen.<br />

Damit solche Kampfmittel, die als Aerosol verbreitet werden sollen,<br />

nicht zu schnell sedimentieren, son<strong>der</strong>n sich genügend lange in <strong>der</strong><br />

Luft halten, um eingeatmet werden zu können, <strong>und</strong> damit sie nicht in<br />

<strong>der</strong> Nase <strong>und</strong> den oberen Atemwegen zurückgehalten werden, son<strong>der</strong>n<br />

schließlich die Lungenalveolen erreichen, muss sich ihre Größe<br />

zwischen 1 <strong>und</strong> 5 µm bewegen.<br />

Aufgr<strong>und</strong> des Trillat-Berichts beschloss <strong>das</strong> Kriegsministerium<br />

am 5. Dezember 1922 die Gründung <strong>der</strong> „Kommission<br />

für Bakteriologie“. In dem Gremium waren führende<br />

französische Experten vertreten, darunter <strong>der</strong> Direktor des<br />

Pasteur-Instituts, Professor Emile Roux, <strong>und</strong> sein Stellvertreter,<br />

Albert Calmette. Trillat gehörte <strong>der</strong> Kommission nicht an,<br />

erhielt aber Finanzmittel, um die Eignung von Sprengstoff<br />

47


zur großflächigen Verbreitung von Bakterien untersuchen zu<br />

können. Auch über die Finanzierung an<strong>der</strong>er Einrichtungen<br />

<strong>und</strong> Forschungsgruppen hatte die Kommission zu entscheiden.<br />

Zu den beteiligten militärischen Institutionen gehörten<br />

neben Trillats Institut <strong>das</strong> bakteriologische Labor <strong>der</strong><br />

Kommission für Chemische Studien <strong>und</strong> Experimente, <strong>das</strong><br />

Militärveterinär-Forschungslaboratorium in Paris <strong>und</strong><br />

Abteilungen <strong>der</strong> Nationalen Sprengstoff-Fabrik Bouchet.<br />

Zivile, von <strong>der</strong> Kommission unterstützte Kooperationspartner<br />

waren <strong>das</strong> Pasteur-Institut, <strong>das</strong> Museum für Naturgeschichte<br />

sowie <strong>das</strong> Nationale Zentrum für angewandte Forschung.<br />

Schon auf <strong>der</strong> ersten Sitzung <strong>der</strong> Kommission wurde nicht<br />

nur über militärtechnische Fragen, son<strong>der</strong>n auch über die<br />

Ziele <strong>der</strong> vorgesehenen Biowaffenaktivitäten gesprochen.<br />

„Französische Wissenschaftler bereiten keinen Angriff vor“,<br />

meinte beispielsweise Emile Roux, „son<strong>der</strong>n untersuchen<br />

Methoden <strong>der</strong> Selbstverteidigung“. Unter „Selbstverteidigung“<br />

verstand man jedoch auch die Vorbereitung darauf, bakteriologische<br />

Angriffe mit biologischen Gegenschlägen beantworten<br />

zu können. In diesem Zusammenhang wies Roux auf ein ganz<br />

entscheidendes Problem hin, <strong>das</strong> die biologische Rüstungskontrolle<br />

noch heute sehr erschwert: Bei Forschungs- <strong>und</strong><br />

Entwicklungsarbeiten mit „dual-threat“-Agenzien kann<br />

man offensive Aktivitäten kaum von defensiv motivierten<br />

unterscheiden.<br />

Zunächst wurde intensiv gearbeitet, am aktivsten von Trillats<br />

Gruppe. Dazu gehörte in erster Linie die Entwicklung<br />

geeigneter Granaten <strong>und</strong> Bomben sowie <strong>der</strong>en Erprobung<br />

mit Versuchstieren im Felde. Beispielsweise erfolgte eine<br />

ganze Testserie mit Bomben <strong>und</strong> Granaten, die mit Bakterien<br />

gefüllt waren, auf dem Flugplatz Le Bourget in <strong>der</strong> Nähe von<br />

Paris. Dabei wurde die Wirkung von Aerosolen untersucht,<br />

die entwe<strong>der</strong> Modellbakterien (Serratia marcescens) o<strong>der</strong><br />

aber die Erreger von Paratyphus beziehungsweise Cholera<br />

enthielten. Als Versuchstiere dienten in <strong>der</strong> Nähe <strong>der</strong><br />

Explosionsorte gehaltene Mäuse.<br />

48


Serratia marcescens, früher Bacillus prodigiosus bzw. Micrococcus<br />

prodigiosus genannt, ist ein Bakterium, <strong>das</strong> seit Jahrzehnten weltweit<br />

als normalerweise apathogener Modellkeim für Biowaffenexperimente<br />

verwendet wird, speziell für Ausbringungsversuche.<br />

Die meisten Stämme von S. marcescens produzieren den Farbstoff<br />

Prodigiosin <strong>und</strong> bilden deshalb rote, Blutstropfen ähnelnde<br />

Kolonien. Dadurch wurde <strong>das</strong> Phänomen <strong>der</strong> „blutenden Hostien“<br />

verursacht, <strong>das</strong> im Mittelalter ein Anlass für Judenverfolgungen war.<br />

Im Herbst 1926 wurden die französischen Forschungsaktivitäten<br />

in Sachen biologische Kampfmittel aber wie<strong>der</strong><br />

stark reduziert, weil inzwischen ein internationales Verbot<br />

chemischer <strong>und</strong> biologischer Kriegsführung vereinbart <strong>und</strong><br />

außerdem Deutschland dem Völkerb<strong>und</strong> beigetreten war. So<br />

betrieb Frankreich seine Arbeiten zur biologischen Aufrüstung<br />

nur auf kleiner Flamme weiter, bis die Rüstungsspirale<br />

Mitte <strong>der</strong> dreißiger Jahre wie<strong>der</strong> auf Touren kam, weil sich<br />

Berichte über intensive deutsche Biowaffenaktivitäten zu<br />

erhärten schienen.<br />

49


Die Reichswehr verzichtet auf Biowaffen 21<br />

1925 übermittelte <strong>der</strong> deutsche militärische Nachrichtendienst<br />

den zuständigen Stellen <strong>der</strong> Reichswehr eine Meldung<br />

aus <strong>der</strong> polnischen Zeitung „Rezesspospolita“ vom 9. Januar,<br />

wonach in Moskau wegen <strong>der</strong> Erfindung eines Wissenschaftlers<br />

große Freude herrsche. „Dieser Gelehrte stellte nämlich eine<br />

Bombe mit Bakterien her, die jetzt durchaus in <strong>der</strong> Roten<br />

Armee aufgenommen werden soll <strong>und</strong> die die Bolschewisten<br />

für die erfolgreichste <strong>und</strong> am meisten tödlich wirkende Waffe<br />

halten, <strong>der</strong>en man sich jemals im Kriege bedient hat. Die<br />

Bomben haben die Form von Minen, die von Flugzeugen<br />

abgeworfen werden, <strong>und</strong> die Versuche mit ihnen in Petersburg<br />

fielen zur gänzlichen Zufriedenheit aus.“ Dass es sich dabei<br />

wahrscheinlich um eine Falschmeldung handelte — da es zu<br />

dieser Zeit noch kein sowjetisches Biowaffenprogramm gab<br />

— wussten die deutschen Militärs nicht. Trotzdem zeigten sie<br />

sich davon nicht beeindruckt, denn sie hatten entgegen <strong>der</strong><br />

Befürchtungen ihrer ehemaligen Kriegsgegner für mehr als<br />

zwei Jahrzehnte weitestgehend <strong>das</strong> Interesse am Einsatz von<br />

biologischen <strong>und</strong> Toxin-Kampfmitteln verloren.<br />

Das lag unter an<strong>der</strong>em daran, <strong>das</strong>s die Biosabotageaktionen<br />

des Ersten Weltkrieges augenscheinlich nicht sehr erfolgreich<br />

gewesen sind. Zudem waren führende deutsche Militärs<br />

bereits im Ersten Weltkrieg zu <strong>der</strong> Einschätzung gekommen,<br />

Biowaffen seien militärisch wenig zuverlässig, ja, man<br />

könne sich mit ihnen sogar ins eigene Fleisch schneiden.<br />

Beispielsweise urteilte die Sanitätsinspektion <strong>der</strong> Reichswehr<br />

im Jahre 1932: „Gefahr eines bakt. Krieges besteht nicht, weil<br />

die Waffe praktisch wirkungslos <strong>und</strong> im höchsten Grade<br />

zweischneidig ist.“ Und <strong>der</strong> einflussreiche Oberstabsveterinär<br />

Professor C. Eduard Richters schrieb 1934 in einer<br />

Monographie über „Die Tiere im chemischen Kriege“, die<br />

wenigen deutschen Bearbeiter hielten die Bakterienwaffe für<br />

eine Utopie, während „im französischen <strong>und</strong> italienischen<br />

50


Schrifttum die Frage ausführlich <strong>und</strong> durchaus ernst<br />

behandelt“ werde.<br />

Tatsächlich hielt man im Ausland biologische Kriegsführung<br />

nicht nur für möglich, son<strong>der</strong>n für militärisch aussichtsreich.<br />

Winston Churchill sah 1925 „methodisch vorbereitete <strong>und</strong><br />

vorsätzlich auf Mensch <strong>und</strong> Tier losgelassene Seuchen<br />

voraus“ <strong>und</strong> erwähnte dabei „Mehltau, um die Ernte zu<br />

vernichten; Milzbrand, um Pferde <strong>und</strong> <strong>das</strong> Vieh zu töten; Pest,<br />

um nicht nur Armeen, son<strong>der</strong>n auch ganze Landstriche zu<br />

verseuchen.“ Und Jacow Fischman, Direktor des sowjetischen<br />

Biowaffenprogramms, berichtete drei Jahre später, seine Versuche<br />

insbeson<strong>der</strong>e mit Milzbrandbakterien hätten zu dem<br />

Ergebnis geführt, „<strong>das</strong>s <strong>der</strong> Einsatz von Bakterien eine aussichtsreiche<br />

Option im Krieg ist“.<br />

Eine weiter zu verfolgende Frage?<br />

Die Führung <strong>der</strong> Reichswehr begann jedenfalls 1923 damit,<br />

Fragen <strong>der</strong> biologischen Kriegsführung wenigstens zu thematisieren.<br />

Bei einer Beratung in <strong>der</strong> Heeresleitung am 9.<br />

November ging es um „die Hauptprobleme des Gaskampfes“.<br />

Daran war die Reichswehr so interessiert, <strong>das</strong>s sie keine<br />

Bedenken hatte, bei <strong>der</strong> Entwicklung <strong>und</strong> Erprobung<br />

chemischer Kampfmittel einschließlich ihrer Erprobung im<br />

Gelände mit <strong>der</strong> Roten Armee eng zu kooperieren, bis ihr <strong>das</strong><br />

nach Hitlers Machtergreifung untersagt wurde. In diesem<br />

Zusammenhang wurde unter an<strong>der</strong>em auch „die Verseuchung<br />

des feindlichen Heimatlandes durch Bakterienabwurf aus<br />

Flugzeugen“ angesprochen, die Weiterverfolgung dieser<br />

Frage aber von <strong>der</strong> Haltung <strong>der</strong> obersten Führung abhängig<br />

gemacht. Noch im November 1923 entschied dazu <strong>der</strong> Chef<br />

<strong>der</strong> Heeresleitung, Hans von Seeckt: „Diese Frage ist weiter zu<br />

verfolgen. Macht <strong>der</strong> Feind von diesem Mittel Gebrauch, so<br />

müssen wir im Stande sein, es auch unsererseits anzuwenden.“<br />

Einen Monat später veröffentlichte Konteradmiral L. Glatzel<br />

in <strong>der</strong> Militärischen Wochenbeilage <strong>der</strong> „Deutschen Zeitung“<br />

51


einen Aufsatz über den „Bazillenkrieg“. In diesem<br />

vielbeachteten Artikel — <strong>der</strong> im Ausland als Zeichen für ein<br />

ungebremstes deutsches Interesse an solchen Fragen<br />

gedeutet wurde — meinte Glatzel, <strong>das</strong>s bakteriologische<br />

Kriegsführung künftig durchaus eine Rolle spielen werde.<br />

Allerdings könne <strong>der</strong> Bakterienkrieg seiner Natur nach nie<br />

„eine Hilfswaffe des ‚Großen Krieges’, wie die Luft- <strong>und</strong><br />

Gaskriegsmittel“ werden. „Im eigentlichen Kriegsgebiet<br />

angewandt, würde er Fre<strong>und</strong> wie Feind gleichermaßen<br />

bedrohen; er wäre also nur in friedlichen Gebietsteilen, die<br />

als Schauplatz des ‚Großen Krieges’ nicht in Betracht<br />

kommen, möglich.“ Abgesehen davon würde ein Bazillenkrieg<br />

wohl nie zwischen den Kulturstaaten geführt. Aber, <strong>und</strong> hier<br />

berührte Glatzel ein inzwischen lei<strong>der</strong> ganz aktuelles<br />

Problem, es gäbe verschiedene Anzeichen dafür, <strong>das</strong>s <strong>das</strong><br />

Führen von Kriegen nicht mehr Privileg <strong>der</strong> Regierungen sei,<br />

son<strong>der</strong>n „<strong>das</strong>s vielmehr zu <strong>der</strong> Form des — rein<br />

innerstaatlichen — Rebellenkrieges auch gewaltsame<br />

Auseinan<strong>der</strong>setzungen zwischen Staaten <strong>und</strong> nichtstaatlichen<br />

Organisationen“ hinzutreten werden. In solchen Kämpfen<br />

könnten auch völkerrechtlich unerlaubte Mittel eine oft<br />

ausschlaggebende Rolle spielen. Als Zukunfts-Kampfform<br />

solcher Art sei deshalb auch <strong>der</strong> „Bazillenkrieg“ denkbar <strong>und</strong><br />

aussichtsreich wie auch entsprechende Agententätigkeiten<br />

im Feindesland.<br />

Major Auer, <strong>der</strong> Chef <strong>der</strong> für chemische Kriegsführung<br />

zuständigen Inspektion <strong>der</strong> Artillerie, schrieb dem Stabschef<br />

<strong>der</strong> Sanitätsinspektion daraufhin, <strong>das</strong>s die in Glatzels Artikel<br />

<strong>und</strong> auch im Ausland des öfteren angeschnittene Frage <strong>der</strong><br />

biologischen Kriegsführung die Aufmerksamkeit vom<br />

Standpunkt <strong>der</strong> Abwehr beanspruche. Dabei erwähnte Auer<br />

ein Problem, <strong>das</strong> immer noch höchst aktuell ist <strong>und</strong> die<br />

biologische Rüstungskontrolle außerordentlich erschwert:<br />

„Die Behandlung <strong>der</strong> Abwehrmöglichkeiten setzt allerdings<br />

auch die Kenntnis <strong>und</strong> Erforschung <strong>der</strong> Wege voraus, die ein<br />

vom Bazillenkrieg aktiv Gebrauch machen<strong>der</strong> Feind mit<br />

52


Bereits am 24. Januar 1924 wies Major Auer darauf hin, <strong>das</strong>s <strong>der</strong> Schutz vor<br />

biologischen Waffen Kenntnisse über <strong>der</strong>en Wirkung voraussetzt.<br />

Quelle: B<strong>und</strong>esarchiv Militärarchiv, Freiburg i.Brg. (BAMA) RH12-<br />

9/v.27.<br />

53


Erfolg einschlagen kann <strong>und</strong> wird.“ Auer fragte deshalb den<br />

Stabschef, ob diese Fragen von <strong>der</strong> Sanitätsinspektion<br />

verfolgt werden <strong>und</strong> welche Ergebnisse dabei bisher erzielt<br />

worden sind.<br />

Eine nicht sehr wichtig genommene Konferenz<br />

Damit wurde die Sanitätsinspektion in Überlegungen zur<br />

biologischen Kriegsführung einbezogen. Dies dürfte ein<br />

auslösendes Moment dafür gewesen sein, auf einer Sitzung<br />

des Wissenschaftlichen Senats für <strong>das</strong> Heeressanitätswesen<br />

„die Verwendung von Krankheitskeimen als Kampfmittel im<br />

Kriege“ diskutieren zu lassen.Wie wenig wichtig dieses Thema<br />

genommen wurde, zeigt sich daran, <strong>das</strong>s die höchst geheime<br />

Beratung nur an einem Abend stattfand, am 19. Februar 1925<br />

um „7 Uhr abends“.<br />

Zur Diskussion standen eine zweiseitige „Denkschrift“ <strong>der</strong><br />

Sanitätsinspektion sowie zwei sehr ausführliche Stellungnahmen<br />

des Geheimen Medizinalrates Prof. Dr. Richard<br />

Otto, Vorstand <strong>der</strong> bakteriologischen Abteilung des Berliner<br />

Robert Koch-Instituts, <strong>und</strong> des Generalarztes Prof. Dr.<br />

Riemer. Aufgabe <strong>der</strong> Gutachter war es, „zu gehäuften<br />

Erkrankungen führende Seuchen nach dem gegenwärtigen<br />

Stande unseres Wissens darauf zu prüfen, ob mit ihnen in<br />

einer Bevölkerung (Unterfrage Armee) Massenerkrankungen<br />

auslösbar sind, in welchem Umfange <strong>und</strong> für welche<br />

Zeitdauer.“<br />

Ausdrücklich wurde in diesem Zusammenhang in <strong>der</strong><br />

Denkschrift zwar hervorgehoben, <strong>das</strong>s ethische <strong>und</strong> rechtliche<br />

Gründe gegen solche Überlegungen stehen. Diese stünden<br />

jedoch „nicht zur Erörterung. Eine rein sachliche Beurteilung<br />

des Gedankens mit allem Für <strong>und</strong> Wi<strong>der</strong> erscheint im heutigen<br />

Zeitpunkt auch auf deutscher Seite geboten“. Mit an<strong>der</strong>en<br />

Worten: die 25 Jahre zuvor vom Generalstab für den<br />

„Kriegsbrauch im Landkrieg“ ausgegebene Weisung, die<br />

„Verbreitung von ansteckenden Krankheiten“ führe „unnötig<br />

Leiden herbei“ <strong>und</strong> sei deshalb „von jeglicher Anwendung<br />

54


anzuschließen“, spielte offensichtlich keine Rolle mehr.<br />

Dementsprechend erstellten die beiden Experten rein<br />

sachliche, wissenschaftlich-technische Gutachten, in denen<br />

beide zwar auf die Grenzen <strong>der</strong> biologischen Kriegsführung<br />

hinwiesen, aber „Seuchenangriffe“ als unter bestimmten<br />

Bedingungen durchaus erfolgversprechend charakterisierten.<br />

Trotzdem sahen sich die Verantwortlichen <strong>der</strong> Reichswehr<br />

nicht dazu veranlasst, zusätzlich zur Entwicklung <strong>und</strong><br />

Erprobung chemischer Waffen Vorbereitungen zur biologischen<br />

Kriegsführung aufzunehmen. Von Seeckts Entscheidung,<br />

eine biologische Vergeltungskapazität vorzusehen, hatte also<br />

keinerlei praktische Konsequenzen.<br />

Ausländische <strong>Geheimdienste</strong> bekamen von alldem nichts<br />

mit. We<strong>der</strong> nahmen sie Notiz von <strong>der</strong> Beratung des<br />

Wissenschaftlichen Senats für <strong>das</strong> Sanitätswesen — <strong>der</strong>en<br />

Verlauf ihre Befürchtungen vor deutschen Biowaffeninteressen<br />

ja durchaus hätte sehr bestärken können — noch registrierten<br />

sie <strong>das</strong> von <strong>der</strong> Konferenz unberührte ausgeprägte deutsche<br />

Desinteresse an <strong>der</strong> praktischen Verfolgung solcher Fragen.<br />

55


Biologische Kriegsführung wird verboten 22<br />

Am 15. März 1923 erhielt <strong>der</strong> Breslauer Bakteriologie-<br />

Professor Richard Pfeiffer ungewöhnliche Post.<br />

Nicht um die 1892 von ihm entdeckten „Influenza-Bazillen“<br />

ging es diesmal (die sich später nicht als die eigentlichen<br />

Grippe-Erreger, wohl aber als Verstärker <strong>der</strong> Influenza-<br />

Symptomatik erwiesen), son<strong>der</strong>n um eher politische Dinge:<br />

Beim Völkerb<strong>und</strong> hatte man Anfang <strong>der</strong> 1920er Jahre damit<br />

begonnen, sich mit <strong>der</strong> Kontrolle chemischer <strong>und</strong> biologischer<br />

Kriegsführung zu beschäftigen. In diesem Zusammenhang<br />

wurden Pfeiffer <strong>und</strong> sieben an<strong>der</strong>e Wissenschaftler aus<br />

verschiedenen Staaten um Gutachten über die möglichen<br />

Auswirkungen des Einsatzes bakteriologischer Kampfmittel<br />

gebeten.<br />

Pfeiffer meinte, eine Verwendung von Krankheitserregern als<br />

Kriegsmittel sei zwar im Stande, „unter bestimmten, zum Glück<br />

recht beschränkten Bedingungen erhebliche Verheerungen im<br />

feindlichen Lande anzurichten“. Dies sei aber „als eine grobe<br />

Verletzung des Völkerrechtes zu brandmarken“ <strong>und</strong> „ein<br />

Verbrechen an <strong>der</strong> Menschlichkeit <strong>und</strong> an allem menschlichen<br />

Empfinden“.<br />

Die Gutachten <strong>der</strong> Wissenschaftler trugen maßgeblich dazu<br />

bei, <strong>das</strong>s zwei Jahre später ein internationales Verbot chemischer<br />

<strong>und</strong> biologischer Kriegsführung vereinbart werden<br />

konnte. Nachdem schon an einem <strong>der</strong> ersten Tage <strong>der</strong><br />

Waffenhandelskonferenz, die <strong>der</strong> Völkerb<strong>und</strong> im Frühsommer<br />

1925 in Genf veranstaltete, <strong>der</strong> Delegierte <strong>der</strong> USA,<br />

Senator Theodore H. Burton, ein Exportverbot chemischer<br />

Kampfmittel angeregt hatte, schlug <strong>der</strong> polnische Delegierte,<br />

General Casimir Sosnkowski vor, ein solches Verbot auch auf<br />

bakteriologische Kampfmittel auszudehnen. Das fand breite<br />

Zustimmung <strong>und</strong> führte schließlich sogar zu einem Anwendungsverbot<br />

solcher Waffen, dem „Protokoll über <strong>das</strong> Verbot<br />

<strong>der</strong> Verwendung von erstickenden, giftigen o<strong>der</strong> ähnlichen<br />

Gasen sowie von bakteriologischen Mitteln im Kriege“.<br />

56


Deutschland signierte den Vertrag sofort <strong>und</strong> ratifizierte ihn<br />

am 21. März 1929, <strong>und</strong> zwar ohne jede Einschränkung.<br />

Protokoll über <strong>das</strong> Verbot <strong>der</strong> Verwendung von erstickenden, giftigen<br />

o<strong>der</strong> ähnlichen Gasen sowie von bakteriologischen Mitteln im<br />

Kriege * (Auszug)<br />

„In <strong>der</strong> Erwägung, <strong>das</strong>s die Verwendung von erstickenden,<br />

giftigen o<strong>der</strong> gleichartigen Gasen sowie allen ähnlichen Flüssigkeiten,<br />

Stoffen o<strong>der</strong> Verfahrensarten im Kriege mit Recht in <strong>der</strong> allgemeinen<br />

Meinung <strong>der</strong> zivilisierten Welt verurteilt worden ist [...] erklären die<br />

unterzeichneten Bevollmächtigen im Namen ihrer Regierungen:<br />

Die Hohen Vertragschließenden Parteien erkennen, soweit sie nicht<br />

schon Verträge geschlossen haben, die diese Verwendung untersagen,<br />

dieses Verbot an. Sie sind damit einverstanden, <strong>das</strong>s dieses Verbot<br />

auch auf die bakteriologischen Kriegsmittel ausgedehnt wird, <strong>und</strong><br />

kommen überein, sich untereinan<strong>der</strong> an die Bestimmungen dieser<br />

Erklärung geb<strong>und</strong>en zu betrachten. [...]“<br />

Der auch als „Genfer Protokoll“ bezeichnete Vertrag, dem<br />

bis zum Ende des Jahres 2002 133 Staaten beitraten, enthält<br />

allerdings eine Reihe mehr o<strong>der</strong> weniger gravieren<strong>der</strong><br />

Schwachstellen. Erstens verbietet er nur die Verwendung<br />

bakteriologischer <strong>und</strong> chemischer Kampfmittel im Krieg,<br />

nicht aber <strong>der</strong>en Entwicklung, Herstellung, Weitergabe <strong>und</strong><br />

Lagerung. Die geheimen deutschen Arbeiten zur chemischen<br />

Kriegsführung, die bis 1933 in Kooperation mit <strong>der</strong> Roten<br />

Armee betrieben wurden, verstießen demzufolge ebenso<br />

wenig wie die französischen Biowaffenaktivitäten gegen den<br />

Geist des Protokolls, geschweige denn gegen seinen Wortlaut.<br />

Zweitens gilt <strong>der</strong> Vertrag nur für seine Partner <strong>und</strong> verbietet<br />

diesen nicht, biologische o<strong>der</strong> chemische Kampfmittel gegen<br />

solche Län<strong>der</strong> einzusetzen, die dem Abkommen nicht<br />

* Amtliche deutsche Übersetzung<br />

57


eigetreten sind. Auch deshalb haben die Vertragsstaaten<br />

formal <strong>das</strong> Recht, Vorbereitungen zum Einsatz solcher<br />

Waffen zu treffen.<br />

Drittens wurde <strong>der</strong> Vertrag von Frankreich, Großbritannien,<br />

<strong>der</strong> Sowjetunion, den USA <strong>und</strong> etwa 30 weiteren Staaten nur<br />

mit Einschränkung ratifiziert. Frankreich zum Beispiel<br />

erklärte anlässlich <strong>der</strong> Ratifikation, „<strong>das</strong>s dieses Protokoll für<br />

die Regierung <strong>der</strong> Französischen Republik ohne weiteres<br />

gegenüber jedem feindlichen Staat nicht mehr verbindlich ist,<br />

dessen Streitkräfte o<strong>der</strong> Verbündete die im Protokoll vorgesehenen<br />

Verbote nicht beachten sollten“. Dadurch wurde <strong>der</strong><br />

Vertrag von einem generellen Anwendungsverbot zu einem<br />

Verbot <strong>der</strong> Erstanwendung solcher Waffen entwertet.<br />

Heute sind solche Einschränkungen eigentlich völkerrechtswidrig,<br />

weil es inzwischen zwei weiterführende Abkommen<br />

gibt, die auch Entwicklung, Beschaffung <strong>und</strong> Lagerung<br />

biologischer <strong>und</strong> chemischer Waffen verbieten. Deshalb<br />

wurden die Einschränkungen in den letzten Jahren von einer<br />

ganzen Reihe von Staaten aufgehoben, u.a. von Australien,<br />

Frankreich, Großbritannien, Kanada <strong>und</strong> Russland, bisher<br />

jedoch nicht von China, Irak, Israel, den USA <strong>und</strong> mehr als<br />

zehn an<strong>der</strong>en Län<strong>der</strong>n. 23<br />

Viertens verbietet <strong>das</strong> Abkommen nur den kriegerischen<br />

Einsatz bakteriologischer Mittel — Viren werden formal durch<br />

<strong>das</strong> Verbot nicht erfasst. Auch pathogene Pilze <strong>und</strong> Schadinsekten<br />

würden formal nicht unter <strong>das</strong> Anwendungsverbot<br />

als Kampfmittel fallen, obwohl es beispielsweise in<br />

Frankreich <strong>und</strong> Großbritannien schon im Ersten Weltkrieg<br />

Überlegungen gegeben hatte, beispielsweise Kartoffelkäfer<br />

gegen Deutschland einzusetzen.<br />

Natürlich gebietet <strong>der</strong> Geist des Genfer Protokolls ein Verbot<br />

des Einsatzes belebter Wesen aller Art als Kampfmittel. Da<br />

sich Diplomaten <strong>und</strong> Völkerrechtler aber davor scheuen,<br />

einen einmal abgeschlossenen internationalen Vertrag im<br />

Nachhinein wie<strong>der</strong> zu verän<strong>der</strong>n, behilft man sich heute in<br />

offiziellen Dokumenten damit, <strong>das</strong>s man von „bakterio-<br />

58


logischen (biologischen) Agenzien“, Mitteln o<strong>der</strong> Waffen<br />

spricht. Wenigstens diese Schwachstelle ist also beseitigt.<br />

Fünftens enthält <strong>das</strong> Protokoll we<strong>der</strong> Kontrollbestimmungen<br />

noch Festlegungen für den Fall von Vertragsverletzungen.<br />

Der Einsatz chemischer Kampfmittel durch Italien 1935<br />

gegen Äthiopien löste zwar Aktionen des Völkerb<strong>und</strong>s <strong>und</strong><br />

die Verhängung von Embargos durch eine Reihe von Staaten<br />

aus, die aber halbherzig blieben <strong>und</strong> keinen Einfluss auf die<br />

italienischen Militäroperationen hatten. Und auch die<br />

Anwendung solcher Waffen durch den Irak gegen den Iran<br />

im ersten Golfkrieg (1980-1988) hatte zwar formale Proteste<br />

zur Folge, aber keinerlei Bestrafung.<br />

Der gravierende Mangel des Genfer Protokolls besteht aber<br />

darin, <strong>das</strong>s es Aktivitäten zur Vorbereitung biologischer o<strong>der</strong><br />

chemischer Kriegsführung völlig ausklammert <strong>und</strong> deshalb<br />

keinerlei hemmenden Einfluß auf die biologische Rüstungsspirale<br />

hatte. Schon in <strong>der</strong> zweiten Hälfte <strong>der</strong> 1920er Jahre<br />

wurde deshalb versucht, <strong>das</strong> Genfer Protokoll zu stärken bzw.<br />

zu erweitern. Deutschland, <strong>das</strong> 1926 dem Völkerb<strong>und</strong> beigetreten<br />

war, beteiligte sich intensiv an den Abrüstungskonferenzen,<br />

in <strong>der</strong>en Rahmen die entsprechenden Verhandlungen<br />

geführt wurden. So betonten die deutschen Unterhändler im<br />

April 1929 zum wie<strong>der</strong>holten Male „die Bereitschaft <strong>der</strong><br />

Reichsregierung, in <strong>der</strong> Frage des Verbots von chemischen<br />

<strong>und</strong> bakteriologischen Kampfmitteln so weit als nur möglich<br />

zu gehen.Vor allem sollte in dem entsprechenden Abkommen<br />

nicht nur die Anwendung son<strong>der</strong>n auch die Vorbereitung<br />

solcher Kampfmittel formell untersagt werden.“ Vorrangiges<br />

Ziel <strong>der</strong> Reichsregierung war es dabei, auf allen Gebieten <strong>der</strong><br />

Rüstung ein gewisses Gleichgewicht zu erreichen <strong>und</strong> den<br />

internationalen Stand auf <strong>das</strong> niedrige Niveau herabzusenken,<br />

<strong>das</strong> Deutschland durch den Vertrag auf Versailles auferlegt<br />

war. Leiter <strong>der</strong> deutschen Delegation bei <strong>der</strong> Abrüstungskonferenz<br />

war ab 1932 übrigens Rudolf Nadolny, <strong>der</strong> sich knapp<br />

zwei Jahrzehnte zuvor <strong>das</strong> traurige Verdienst erworben hatte,<br />

59


mit den von ihm organisierten Sabotageaktionen den<br />

mo<strong>der</strong>nen Biokrieg eingeführt zu haben.<br />

Die Verhandlungen mündeten schließlich am 16. März 1933<br />

in einem von Großbritannien vorgelegten Entwurf für eine<br />

Abrüstungskonvention, dem nach dem britischen Premierminister<br />

benannten „MacDonald-Plan“. Der ging weit über<br />

<strong>das</strong> Anliegen des Genfer Protokolls hinaus. Er untersagte<br />

explizit „die Vorbereitung <strong>der</strong> chemischen, bakteriologischen<br />

<strong>und</strong> Brandkriegsführung.“<br />

Doch es kam nur zu einer ersten Lesung des MacDonald-<br />

Plans.Adolf Hitler hatte am 30. Januar 1933 die Macht an sich<br />

gerissen, Deutschland <strong>und</strong> auch Japan verließen noch im<br />

selben Jahr den Völkerb<strong>und</strong>, <strong>und</strong> die biologische Rüstungsspirale<br />

bekam wie<strong>der</strong> mehr Schwung — zumal <strong>das</strong> Genfer<br />

Protokoll auf Japan nicht rüstungsbegrenzend, son<strong>der</strong>n<br />

geradezu rüstungsför<strong>der</strong>nd wirkte.<br />

Auf Japan hat <strong>das</strong> Verbot eine gegenteilige Wirkung<br />

Japan hatte <strong>das</strong> Genfer Protokoll zwar signiert, trat dem<br />

Vertrag aber vorerst nicht bei (son<strong>der</strong>n erst 1970). Im<br />

Gegenteil: Ausgerechnet dieser Vertrag war ein Auslöser für<br />

ein intensives Biowaffenprogramm Japans. Nachdem <strong>der</strong><br />

Sanitätsoffizier <strong>und</strong> spätere Generalleutnant Shiro Ishii einen<br />

Artikel über <strong>das</strong> Genfer Protokoll gelesen hatte, meinte er<br />

nämlich zu seinen Vorgesetzten: Wenn eine <strong>der</strong>artige Form<br />

<strong>der</strong> Kriegsführung auf eine Verbotsliste gesetzt werde, dann<br />

sollte sich Japan gerade solche Kampfmittel zugänglich<br />

machen, um in künftigen Kriegen den Gegnern überlegen<br />

sein zu können. Außerdem seien Biowaffen viel billiger <strong>und</strong><br />

benötigten einen geringeren Materialaufwand als konventionelle<br />

Kampfmittel. „Wenn wir biologische Waffen entwickeln“,<br />

versprach Ishii 1930 <strong>der</strong> militärischen Führung, „sparen wir<br />

nicht nur Geld <strong>und</strong> Rohstoffe, son<strong>der</strong>n schaffen auch ein<br />

unschätzbares Tötungspotential.“ 24<br />

Ishii fand mit seinen Vorschlägen Gehör, zumal die japanische<br />

Führung Angst vor chinesischen <strong>und</strong> sowjetischen Biowaffen-<br />

60


angriffen bzw. Biosabotageakten hatte <strong>und</strong> behauptete,<br />

sowohl Chinesen als auch Sowjets hätten in <strong>der</strong> japanisch<br />

besetzten Mandschurei (ihrem 1932 errichteten Marionettenstaat<br />

Mandschukuo) Cholera-, Milzbrand- <strong>und</strong> Ruhrerreger<br />

verbreitet. 25 In <strong>der</strong> Folge konnte Ishii sowohl in Tokio als<br />

auch in Mandschukuo Forschungs- <strong>und</strong> Produktionsstätten<br />

gewaltigen Ausmaßes für Biowaffen errichten.<br />

61


Fulminanter Start in <strong>der</strong> Sowjetunion 26<br />

AUCH DIE SOWJETUNION trat 1928 dem Genfer Protokoll<br />

bei. Das hin<strong>der</strong>te die russischen Militärs nicht daran,<br />

sich weiterhin mit <strong>der</strong> Entwicklung chemischer Kampfstoffe<br />

zu beschäftigen, was sie seit 1921 in geheimer Kooperation<br />

mit <strong>der</strong> Reichswehr betrieben. Das Protokoll verbietet ja nur<br />

den Einsatz solcher Waffen, nicht aber die Vorbereitung <strong>der</strong><br />

chemischen Kriegsführung. Außerdem hatte die Sowjetunion<br />

den Vertrag nur unter dem gleichen Vorbehalt ratifiziert wie<br />

Frankreich <strong>und</strong> an<strong>der</strong>e Staaten. Trotzdem ist es schon bemerkenswert,<br />

<strong>das</strong>s am 15. August 1925 — wenige Wochen nach<br />

<strong>der</strong> Vereinbarung des Protokolls — eine spezielle Dienststelle<br />

für Fragen <strong>der</strong> chemischen <strong>und</strong> biologischen Kriegsführung<br />

gegründet wurde, <strong>das</strong> „Militärchemische Amt“.<br />

Zum Leiter dieses Amtes wurde Jacow Moiseevich Fischman<br />

berufen, <strong>der</strong> bereits die Kooperation mit den Deutschen auf<br />

dem Gebiet <strong>der</strong> chemischen Kriegsführung koordinierte.<br />

Ohne <strong>das</strong>s die deutschen Experten davon etwas ahnten,<br />

wurde Fischman auch zum Vater des sowjetischen Biowaffenprogramms.<br />

Das beachtliche Ausmaß dieses Programms geht<br />

aus einem Bericht hervor, den er im Februar 1928 Kliment<br />

Woroschilow erstattete, dem Volkskommissar für Verteidigung<br />

<strong>und</strong> Vorsitzenden des Revolutionären Militärrates. Eingangs<br />

informierte er, <strong>das</strong>s man sich im bakteriologischen Labor des<br />

Militärchemischen Amts unter Leitung des Mikrobiologen<br />

A.N. Ginsburg auf Arbeiten mit Milzbrandbakterien <strong>und</strong><br />

Clostridium botulinum — dem Produzenten des hochgiftigen<br />

Botulinum-Toxins — konzentriert habe. Des weiteren seien<br />

die Erreger von Cholera, Pest, Rotz, Tetanus, Tularämie <strong>und</strong><br />

Typhus untersucht worden, auch mittels Tierversuchen. Bei<br />

Milzbrandbakterien sei es vor allem um die Erhöhung von<br />

Virulenz <strong>und</strong> Stabilität gegangen.<br />

Insgesamt hätten die Untersuchungen ergeben, <strong>das</strong>s „gute<br />

Chancen bestehen, Milzbrand im Kriege einzusetzen, da<br />

62


Botulinum-Toxine27 (Botuline) sind von dem Bakterium Clostridium<br />

botulinum gebildete, höchst wirksame Nervengifte, die als giftigste bekannte<br />

Substanzen gelten. Immunologisch können sieben verschiedene<br />

Typen (Botulin A-G) unterschieden werden, die aber alle identisch wirken.<br />

Ein einziges Gramm könnte mehr als eine Million Menschen töten<br />

(wofür allerdings die praktischen Voraussetzungen fehlen). Das Toxin<br />

ist ein Enzym, <strong>das</strong> solche Proteine spaltet, die den Neurotransmitter<br />

Azetylcholin freisetzen. Das führt unter an<strong>der</strong>em zum <strong>Versagen</strong> <strong>der</strong><br />

Atemmuskulatur. Unter natürlichen Bedingungen verursacht Botulin<br />

Lebensmittelbotulismus. Dies ist die klassische Lebensmittelvergiftung,<br />

verursacht durch vergiftete Konserven. Botulismus kann durch Schutzimpfung<br />

mit einem Antitoxin (Toxoid) verhin<strong>der</strong>t werden, <strong>das</strong> aus entgiftetem<br />

Botulin hergestellt wird. Das Antitoxin kann auch zur<br />

Therapie eingesetzt werden, sofern dies unmittelbar nach <strong>der</strong><br />

Intoxination erfolgt.<br />

Botulin ist nicht nur ein dual-threat-, son<strong>der</strong>n auch ein dual-use-Agens:<br />

Wegen seiner neurotoxischen Wirkung kann dieses Toxin erfolgreich<br />

zur Behebung spastischer Muskelstörungen eingesetzt werden.<br />

Botulin wurde bereits in den 1930er Jahren von Japanern als Kampfmittel<br />

entwickelt <strong>und</strong> getestet. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde<br />

Botulin mindestens im Irak, in <strong>der</strong> Sowjetunion <strong>und</strong> in den USA als<br />

Kampfmittel produziert <strong>und</strong> munitioniert, wobei in erster Linie die Verbreitung<br />

des Toxins durch Aerosole vorgesehen wurde.Auf diese Weise<br />

kann überaus wirksam Inhalationsbotulismus verursacht werden.<br />

seine Sporen sehr lebensfähig sind <strong>und</strong> die Erkrankung<br />

üblicherweise tödlich verläuft“. Botulinum-Toxin sei hingegen<br />

„für Sabotage-Zwecke“ geeignet. Fischman kritisierte aber,<br />

<strong>das</strong>s Untersuchungen über die Verbreitung biologischer<br />

Kampfmittel kaum möglich seien, da die notwendige Ausrüstung<br />

fehle. Außerdem müssten für solche Zwecke endlich<br />

Testgelände zur Verfügung gestellt werden.<br />

Im zweiten Teil seines Berichtes erörterte Fischman Möglichkeiten<br />

zum Einsatz von Krankheitserregern als Kampfmittel:<br />

Gegen die gegnerischen Frontlinien könnten etwa mit<br />

63


Milzbrand-Erregern munitionierte Artilleriegranaten o<strong>der</strong><br />

Bomben eingesetzt werden. Zum Abwurf über dem feindlichen<br />

Hinterland eigneten sich mit Pestbakterien beladene Bomben.<br />

Anschließend unterbreitete Fischman Vorschläge zur<br />

Organisation <strong>der</strong> Biowaffenaktivitäten. Drei verschiedene<br />

Einrichtungen sollten dafür zuständig sein: Für offensive Vorbereitungen<br />

<strong>das</strong> Militärchemische Amt; für Prophylaxe <strong>und</strong><br />

Desinfektion <strong>das</strong> bakteriologische Labor des Instituts für<br />

chemischen Schutz sowie <strong>das</strong> Volkskommissariat für Ges<strong>und</strong>heitswesen.<br />

Zum Schutz vor Angriffen mit Biowaffen sollten<br />

Gasmasken <strong>und</strong> Schutzbekleidung bereitgestellt <strong>und</strong> Methoden<br />

zur Dekontamination <strong>und</strong> Immunisierung ausgearbeitet<br />

werden.<br />

Abschließend schlug Fischman vor, mit dem Ges<strong>und</strong>heitsministerium<br />

zu vereinbaren, <strong>das</strong>s dessen bakteriologische<br />

Institute in <strong>das</strong> Programm einbezogen werden. Immerhin<br />

gehörten zum Verantwortungsbereich dieses Volkskommissariats<br />

35 Institute, die sich mit den verschiedensten<br />

Aspekten <strong>der</strong> medizinischen Mikrobiologie beschäftigten.<br />

Außerdem empfahl er „verlässliche, qualifizierte Parteimitglie<strong>der</strong>“<br />

in ein Expertengremium zur Leitung <strong>und</strong> Koordination<br />

<strong>der</strong> weiteren Biowaffenaktivitäten zu berufen. Das<br />

war allerdings eine kontraproduktive Idee, die zu deutlichen<br />

Abstrichen <strong>der</strong> Kompetenz dieses Koordinierungsrates führte:<br />

Von den führenden sowjetischen Bakteriologen beteiligte<br />

sich zunächst nur ein einziger, Professor Semen I. Slatogorow,<br />

an den Biowaffenaktivitäten. Der aber starb 1931.<br />

Fischmans bemerkenswertes Engagement für <strong>das</strong> sowjetische<br />

Biowaffenprogramm blieb dem deutschen Nachrichtendienst,<br />

<strong>der</strong> „Abwehr“, offenbar völlig verborgen. Sein Name wird<br />

in diesem Zusammenhang in keinem <strong>der</strong> im Militärarchiv<br />

des B<strong>und</strong>esarchivs aufbewahrten einschlägigen deutschen<br />

Dokumente genannt, die sich mit ausländischen Biowaffenaktivitäten<br />

beschäftigen. Das ist erstaunlich, denn Fischman<br />

war in verantwortlicher Position in die deutsch-sowjetische<br />

Militärkooperation während <strong>der</strong> zwanziger Jahre einbezogen<br />

64


<strong>und</strong> war den deutschen Experten als Spezialist für chemische<br />

Waffen gut, sogar persönlich bekannt. Die Unkenntnis von<br />

Fischmans Biowaffenaktivitäten ist ein weiterer Beleg für die<br />

Ineffizienz <strong>der</strong> <strong>Geheimdienste</strong> auf diesem Gebiet.<br />

Überaus überraschend ist, <strong>das</strong>s <strong>der</strong> seit einigen Jahren immer<br />

wie<strong>der</strong> zitierte Kronzeuge für <strong>das</strong> sowjetische Biowaffenprogramm,<br />

dessen 1992 in die USA übergelaufener ehemaliger<br />

Vizedirektor Ken Alibek in seinem Bericht über <strong>das</strong><br />

Programm <strong>und</strong> dessen Geschichte Fischmans Namen nicht<br />

ein einziges Mal erwähnt. 28 Das gleiche gilt für die frühen<br />

sowjetischen Milzbrandexperimente. Auch die Namen von<br />

Ginsberg <strong>und</strong> Slatogorow sucht man bei Alibek vergeblich.<br />

Wenn er diese Experten <strong>und</strong> Aktivitäten in seiner Geschichte<br />

des sowjetischen Biowaffenprogramms auslässt:Wie verläßlich<br />

sind dann seine an<strong>der</strong>en Angaben?<br />

Auch für <strong>das</strong> sowjetische Programm waren falsche Geheimdienst-Informationen<br />

über angebliche ausländische Biowaffenaktivitäten<br />

wesentliche Triebkräfte. 1930 wurde Kliment<br />

Woroschilow darüber informiert, <strong>das</strong>s Deutschland angeblich<br />

intensive Untersuchungen zur Vorbereitung des Bakterienkriegs<br />

durchführe. In dem Bericht hieß es unter an<strong>der</strong>em, die<br />

Deutschen hätten eine automatische Vorrichtung zur<br />

Freisetzung von Ratten im gegnerischen Hinterland aus<br />

unbemannten Ballons entwickelt <strong>und</strong> damit in Feldversuchen<br />

gute Ergebnisse erzielt. Der Apparat sei als „grüne Flasche“<br />

bezeichnet worden. Eine Mannschaft von 23 Mitarbeitern<br />

könne innerhalb von vier St<strong>und</strong>en 35 Ballons ausrüsten. Ein<br />

weiteres Mittel zum Einsatz von Bakterien seien Granaten.<br />

Das Hauptproblem dabei wäre, die Bakterien in <strong>der</strong> Granate<br />

genügend lange lebensfähig zu erhalten. Das Problem sei<br />

dadurch gelöst worden, <strong>das</strong>s eine beson<strong>der</strong>e Substanz zugefügt<br />

wurde. Mit diesen Granaten seien dann sogar Feldversuche<br />

zur Verbreitung von Milzbrandsporen <strong>und</strong> Rotzerregern<br />

durchgeführt worden.<br />

Dieser — wie wir heute wissen völlig aus <strong>der</strong> Luft gegriffene<br />

— Bericht alarmierte die sowjetische Führung. Zur gleichen<br />

65


Zeit wurde sie aber auch durch — vermutlich ebenso falsche<br />

— Erkenntnisse des Inlandgeheimdienstes über angebliche<br />

Sabotageaktionen von inneren Feinden des Sowjetsystems<br />

aufgeschreckt. Wie aus einem von <strong>der</strong> „Abwehr“ nach dem<br />

deutschen Überfall auf die Sowjetunion aufgef<strong>und</strong>enen<br />

R<strong>und</strong>schreiben des Volkskommissars für Staatssicherheit,<br />

Wsewolod Merkulow hervorgeht, <strong>das</strong> dieser 1941 unter an<strong>der</strong>em<br />

an die Volkskommissare <strong>der</strong> Staatssicherheit <strong>der</strong> einzelnen<br />

Sowjetrepubliken gerichtet hatte, habe <strong>der</strong> Geheimdienst<br />

1930 „eine Spionage- <strong>und</strong> Kampforganisation <strong>der</strong> Mikrobiologen<br />

<strong>und</strong> Bakteriologen ausgehoben, welche auf dem<br />

Territorium <strong>der</strong> UdSSR ihr Unwesen trieb. Diese Organisation<br />

wurde vom deutschen Nachrichtendienst geschaffen, <strong>und</strong><br />

zwar mit Hilfe von Dr. Zeiss.“<br />

Weiter behauptete Merkulow: „Die mit Zeiss in Verbindung<br />

stehende konterrevolutionäre Organisation hat ihre Kampfgruppen<br />

in mehreren bakteriologischen <strong>und</strong> epidemiologischen<br />

Instituten des Landes gegründet. Die Teilnehmer<br />

dieser Organisation hatten Pläne eines bakteriologischen<br />

Krieges [im Inneren <strong>der</strong> Sowjetunion] für die Kriegsdauer<br />

ausgearbeitet, <strong>und</strong> zwar Infektion von Trinkwasserquellen<br />

<strong>und</strong> Nahrungsmitteln, Verbreitung von Typhus-, Cholera-<br />

<strong>und</strong> Paratyphusbakterien sowie die Anlage von Pestherden.<br />

Nach den Plänen <strong>der</strong> Kampforganisationen sollten während<br />

des Krieges gleichzeitig in mehreren Städten Pestausbrüche<br />

stattfinden. [...] In dieser Angelegenheit wurden 48 aktive<br />

Teilnehmer <strong>der</strong> Organisation verurteilt; <strong>der</strong> Nachrichtenagent<br />

Zeiss ist aus <strong>der</strong> UdSSR nach Deutschland ausgewiesen<br />

worden.“ *<br />

Der Epidemiologe Professor Heinrich Zeiss hatte nach dem<br />

Ersten Weltkrieg mehr als zehn Jahre lang in Moskau<br />

gearbeitet, um vor allem Vorkommen <strong>und</strong> Bekämpfung <strong>der</strong><br />

Pest in Russland zu untersuchen. Dabei stand er naturgemäß<br />

* Übersetzt von <strong>der</strong> deutschen Abwehr<br />

66


auch in Kontakt mit den Mikrobiologen, die mehr o<strong>der</strong> weniger<br />

direkt ins sowjetische Biowaffenprogramm involviert waren.<br />

Vermutlich wusste er aber von diesen Aktivitäten seiner<br />

Kollegen nichts. Aus den einschlägigen deutschen Unterlagen<br />

ergeben sich keinerlei Hinweise für eine Agententätigkeit<br />

von Zeiss. Auch kann geschlossen werden, <strong>das</strong>s <strong>der</strong><br />

Wissenschaftler nach seiner 1931 erfolgten Ausweisung aus<br />

<strong>der</strong> Sowjetunion gegenüber den zuständigen deutschen<br />

Dienststellen keine Angaben über sowjetische Biowaffenaktivitäten<br />

gemacht hat. Trotzdem wurde Zeiss am 14.<br />

September 1945 von den Sowjets in Deutschland verhaftet<br />

<strong>und</strong> u.a. wegen Spionage <strong>und</strong> Mitgliedschaft in einer antisowjetischen<br />

Organisation zu 25 Jahren Haft verurteilt. 29 Zeiss<br />

starb am 31. März 1949 im „Spezial-Gefängnis No. 2“ des<br />

NKWD in Wladimir bei Moskau.<br />

Ob Fischman auch Opfer dieser ersten Verfolgungswelle<br />

wurde, ist umstritten. Jedenfalls führte die Säuberungsaktion<br />

dazu, <strong>das</strong>s die Umsetzung des sowjetischen Biowaffenprogramms<br />

zunächst einen schweren Rückschlag erlitt. Aber <strong>der</strong><br />

Gang <strong>der</strong> Rüstungsspirale wurde dadurch nicht verlangsamt...<br />

67


Falschmeldungen<br />

beschleunigen die Rüstungsspirale<br />

Beunruhigende Behauptungen von Emigranten 30<br />

Reichswehrgeneral bestätigt Bazillen-Krieg“ —<br />

mit dieser Schlagzeile auf <strong>der</strong> Titelseite erregte am<br />

7. Juli 1934 die in Prag herausgegebene Emigrantenzeitschrift<br />

„die Wahrheit“ Aufsehen. Hier publizierte Dr. Helmut Klotz<br />

in 28 Folgen Auszüge aus einem vermeintlichen Tagebuch<br />

eines Reichswehrgenerals. Klotz, ein ehemaliges aktives<br />

Mitglied <strong>der</strong> NSDAP, hatte sich Anfang <strong>der</strong> dreißiger Jahre<br />

von den Nationalsozialisten abgewandt <strong>und</strong> war 1933 nach<br />

Paris emigriert. 31<br />

In dem Tagebuch, von dem etwa zeitgleich Übersetzungen in<br />

London <strong>und</strong> New York erschienen, soll <strong>der</strong> General am<br />

10. Januar 1933 eingetragen haben: „Herr Hitler schickt an<br />

Hindenburg eine Denkschrift, in <strong>der</strong> er sich mit <strong>der</strong> Anlage<br />

<strong>und</strong> den Chancen eines ‘Bazillen-Krieges’ gegen Frankreich<br />

<strong>und</strong> Polen auseinan<strong>der</strong>setzt. [...] Er kommt zu dem Ergebnis,<br />

<strong>das</strong>s Deutschland, wenn es die Feinde im eigenen Lande<br />

geschlagen hat, zu diesem Mittel greifen muss, um die ‘äußere<br />

Freiheit’ zu [erkämpfen]. Die technische Vervollkommnung<br />

<strong>der</strong> bakteriologischen Waffen sei erreicht, <strong>und</strong> es bestehe<br />

kein Zweifel, <strong>das</strong>s Deutschland einen absoluten Sieg nach<br />

beiden Seiten innerhalb kürzester Frist erringen wird, wenn<br />

es überraschend <strong>und</strong> ohne Kriegserklärung angreift, <strong>und</strong><br />

seine Waffen ‘bis zur letzten Konsequenz’ ausnutzt“. Der<br />

General schließt diese Tagebucheintragung mit <strong>der</strong> Bemerkung:<br />

„Aber wir hatten uns diese Möglichkeiten auch schon<br />

69


überlegt <strong>und</strong> sind zu ähnlichen Resultaten gekommen. Und<br />

zwar zu einer Zeit, als Hitler sich noch darauf beschränkte,<br />

seine kriegerischen Komplexe in Volksversammlungen abzureagieren.“<br />

Außerdem habe <strong>der</strong> General in seinem Tagebuch notiert, bei<br />

<strong>der</strong> IG-Farben-Industrie gäbe es eine Abteilung für bakteriologische<br />

Kriegsführung, <strong>und</strong> Heinrich Himmler, <strong>der</strong> damals<br />

Polizeipräsident in München war, habe in einem Memorandum<br />

einen Apparat zum Versprühen von Bakterien beschrieben.<br />

Der General muß ein ausgeprägter Phantast gewesen sein.<br />

We<strong>der</strong> für den angeblichen Brief Hitlers an Reichspräsident<br />

Hindenburg in Sachen Biowaffen noch für die angeblich von<br />

Himmler konstruierte Apparatur zur Verbreitung biologischer<br />

Kampfmittel sind irgendwelche Hinweise bekannt, geschweige<br />

denn Belege. Bei den IG-Farben gab es keine Abteilung für<br />

biologische Kriegsführung. Auch die Bemerkung, die Reichswehr<br />

habe sich bereits selbst Gewissheit hinsichtlich <strong>der</strong> Überlegenheit<br />

biologischer Kampfmittel verschafft, muss <strong>der</strong><br />

General sich aus den Fingern gesogen haben, denn die Reichswehr<br />

war ja an solchen Waffen überhaupt nicht interessiert.<br />

Tatsächlich ist <strong>der</strong> Text, sorgfältigen Recherchen des früheren<br />

Archivars des Instituts für Zeitgeschichte München, Thilo<br />

Vogelsang, zufolge, jedoch „eine geschickte Kompilation<br />

Klotz’ von Gerüchten <strong>der</strong> Zeit, realen Informationen <strong>und</strong><br />

eigenen Stellungnahmen. Er ist also konstruiert <strong>und</strong> rührt in<br />

keiner Weise von einem General <strong>der</strong> Reichswehr her“.<br />

Gleichwohl geisterte die „Himmler-Bombe“ zehn Jahre<br />

später immer noch durch einen amerikanischen Geheimdienstbericht<br />

über die Biowaffenaktivitäten <strong>der</strong> Achsenmächte.<br />

Sehr ernst wurde sie allerdings nicht genommen: die<br />

„Milzbrand-beladene Himmler-Bombe“ fand nur im Abschnitt<br />

„Gerüchte <strong>und</strong> Informationen aus weniger zuverlässigen<br />

Quellen“ des Berichtes Erwähnung...<br />

Parallel zu dem gefälschten Tagebuch veröffentlichte Klotz<br />

1934 in London ein Buch über die allgemeine deutsche<br />

Aufrüstung, „Germany’s Secret Armaments“. Ein Kapitel<br />

70


war angeblichen „Vorbereitungen für den chemischen <strong>und</strong><br />

bakteriologischen Krieg“ gewidmet. Klotz schreckte die<br />

Weltöffentlichkeit mit Behauptungen wie: „Und wenn <strong>der</strong><br />

Krieg von morgen eine unsichtbare Armee von Millionen von<br />

Erregern <strong>der</strong> Schweinepest, <strong>der</strong> Maul- <strong>und</strong> Klauenseuche<br />

<strong>und</strong> von Rotz über dem Gegner nie<strong>der</strong>gehen lässt, werden<br />

die [deutschen] Angreifer vor allem darauf bedacht gewesen<br />

sein, die eigenen Viehbestände zu schützen <strong>und</strong> sie durch<br />

Schutzimpfung immun zu machen. Das gleiche gilt für die<br />

Verbreitung von Getrei<strong>der</strong>ost, dessen Erreger jetzt (in einer<br />

Dauerform) in großem Maße kultiviert werden <strong>und</strong> die die<br />

feindlichen Kornfel<strong>der</strong> in kürzester Zeit vernichten werden,<br />

während die Wissenschaft gleichzeitig die Mittel bereithält,<br />

die eigenen Fel<strong>der</strong> mit völliger Sicherheit zu schützen“.<br />

Außerdem meinte Klotz, „schließlich sollte man die<br />

Kultivierung von Cholera-, Fleckfieber-, Ruhr-, Geschwür-,<br />

Milzbrand- <strong>und</strong> Tetanus-Kulturen — um nur die wichtigsten<br />

davon zu nennen — im Großmaßstab erwähnen. Wenn die<br />

geheimen Archive <strong>der</strong> zuständigen Abteilung des ,wissenschaftlichen’<br />

Koch-Instituts in überschaubarer Zeit geöffnet<br />

werden sollten, wird die Welt entsetzt erfahren, welche<br />

schrecklichen Waffen Deutschland im kommenden Krieg<br />

gegen die Menschheit <strong>und</strong> gegen die Natur einzusetzen<br />

beabsichtigt. Die Absicht zu <strong>der</strong>en Einsatz, sage ich, durch die<br />

braunen Machthaber bedeutet, <strong>das</strong>s <strong>der</strong> Krieg ein Krieg <strong>der</strong><br />

Zerstörung <strong>und</strong> Ausrottung wird“.<br />

Heute würde man Klotz vermutlich als einen Whistleblower<br />

bezeichnen, also als eine Person, die zum Nutzen <strong>der</strong><br />

Gemeinschaft <strong>und</strong> nicht zum eigenen Vorteil an<strong>der</strong>e frühzeitig<br />

<strong>und</strong> deutlich auf einen Mißstand, drohende Gefahren o<strong>der</strong><br />

Rechtsverletzungen aufmerksam macht. 32<br />

Tatsächlich verdient Klotz diesen Ehrentitel nicht. Seine<br />

Behauptungen über angebliche deutsche Biowaffenaktivitäten<br />

waren völlig aus <strong>der</strong> Luft gegriffen. Aber sie lösten im<br />

Ausland zusätzliche Besorgnis aus.<br />

71


Entzückte deutsche Agenten in <strong>der</strong> Pariser Metro?<br />

Ende Juni 1934 veröffentlichte <strong>der</strong> sehr angesehene <strong>und</strong><br />

einflussreiche britische Publizist Wickham Steed, vormaliger<br />

Herausgeber <strong>der</strong> Londoner „Times“, in <strong>der</strong> Zeitschrift „The<br />

Nineteenth Century and After“ einen längeren Artikel über<br />

„Luftkrieg: Geheime deutsche Pläne“. Steed behauptete,<br />

Abschriften einiger Dokumente erhalten zu haben, die<br />

angeblich aus zwei geheimen Abteilungen des Reichswehrministeriums<br />

stammten. Die eine trüge die Bezeichnung<br />

„’L.G.A’ — eine Abkürzung für ‘Luft-Gas-Angriff’“. Die<br />

an<strong>der</strong>e werde „‘L.G.V.’ genannt — <strong>das</strong> heißt: ‘Luft-Gas-<br />

Verteidigung’“.<br />

Eines <strong>der</strong> Dokumente beziehe sich auf eine von L.G.A. <strong>und</strong><br />

L.G.V. gewünschte Untersuchung <strong>der</strong> Bedingungen des<br />

Versprühens von Flüssigkeiten, die Chemikalien o<strong>der</strong><br />

Bakterien enthalten. Es sei einleuchtend, <strong>das</strong>s diese Fragen<br />

mit Hinsicht auf einen wirksam konzentrierten bakteriologischen<br />

o<strong>der</strong> chemischen Luftangriff geklärt werden müssen.<br />

Wenn Serratia marcescens-Bakterien „genügend konzentriert,<br />

aus verschiedenen Höhen <strong>und</strong> unter wechselnden Wind- <strong>und</strong><br />

Wetter-Verhältnissen usw. aus einem Flugzeug hinuntergeregnet<br />

werden könnten, <strong>und</strong> wenn man sie [...] auf <strong>der</strong><br />

Erdoberfläche mittels Kulturplatten auffangen könnte, so<br />

könnte man mit einem Schlage aero-dynamisch <strong>und</strong><br />

meteorologisch nicht nur bakteriologisches, son<strong>der</strong>n auch<br />

chemisches Zerstäuben erforschen“.* Derartige Versuche<br />

seien, so Steed weiter, von Hitler höchst persönlich geför<strong>der</strong>t<br />

worden.<br />

Ein an<strong>der</strong>es Dokument beschäftige sich mit den „im Falle<br />

eines feindlichen Angriffs beson<strong>der</strong>en <strong>und</strong> für uns entschieden<br />

vorteilhafteren Luftströmungsverhältnissen bei den Berliner<br />

<strong>und</strong> Hamburger Untergr<strong>und</strong>bahnen. [...] Genau so wichtig,<br />

* Sämtliche Zitate aus Steeds Veröffentlichung stammen aus <strong>der</strong> vom Reichsministerium<br />

für Volksaufklärung <strong>und</strong> Propaganda angefertigten <strong>und</strong> am 9. 7. 1934 dem<br />

Reichswehrministerium übermittelten Übersetzung.<br />

72


nein, viel wichtiger würde es sein, die Luftströmungsverhältnisse<br />

bei <strong>der</strong> Pariser Metro <strong>und</strong> den verschiedenen<br />

Londoner Untergr<strong>und</strong>bahn-Systemen“ zu untersuchen. Dazu<br />

lägen bisher nur von Geheimagenten übermittelte, aber<br />

unzureichende Angaben vor. Immerhin sei bereits aus diesen<br />

ersichtlich, „<strong>das</strong>s <strong>der</strong> L.G.A.-Plan zur Infizierung großer<br />

Städte wie Paris o<strong>der</strong> London durch die Verteilung getrennter<br />

Lager von Gelbkreuz (Senfgas) o<strong>der</strong> Bazillen in den<br />

Untergr<strong>und</strong>bahnsystemen dieser Städte in <strong>der</strong> Hauptsache<br />

durchführbar sein sollte.“<br />

Tatsächlich ginge aus den Dokumenten hervor, <strong>das</strong>s Agenten<br />

von L.G.A. unter an<strong>der</strong>em in verschiedenen Stationen <strong>der</strong><br />

Pariser Metro Bakterien versprüht hätten. Der Erfolg dieser<br />

Aktionen sei dann sechs St<strong>und</strong>en später an Hand zuvor<br />

aufgestellter nährbodenhaltigen Kulturschalen ausgewertet<br />

worden. „Das Besprühen selbst fand am 18. August 1933 um<br />

2.47 Uhr nachmittags statt.“ Erstaunliche Ergebnisse sollen<br />

dabei erzielt worden sein: Über einen Versuch an <strong>der</strong> Station<br />

Porte de Versailles heißt es: „Sehr gutes Resultat!!! 6738<br />

Kolonien erhalten.“ Erfolgreicher war die siebente Messung<br />

mit <strong>der</strong> Station ‚Pasteur’ als Koordinationspunkt: „95.778<br />

Kolonien wurden gezählt!!! [...] Noch besser waren die<br />

Resultate des Versuchs No. 8 in <strong>der</strong> Station ‚Deputiertenkammer’,<br />

500 m vom Obelisken auf dem Place de la Concorde<br />

entfernt. Die Eintragung lautet: [...] Vier Serien Platten von je<br />

drei Stück. [...] es wuchsen 1.124.781 Kolonien...“<br />

Wer schon einmal Bakterienkolonien gezählt hat, kann<br />

angesichts dieser Angaben nur staunen: Normalerweise ist es<br />

kaum möglich, mehr als tausend eindeutig auseinan<strong>der</strong>zuhalten.<br />

Aber die im Auftrag von <strong>der</strong> L.G.A. arbeitenden<br />

Geheimagenten wollen in kürzester Zeit gleich H<strong>und</strong>erttausende,<br />

ja Millionen Bakterienkolonien gezählt haben, <strong>und</strong><br />

zwar gleich an Ort <strong>und</strong> Stelle — ohne von irgend jemanden<br />

bemerkt zu werden!<br />

Abschließend meinte Steed, aus den Tatsachen, die diese<br />

73


Die ersten beiden Seiten <strong>der</strong> vom Reichsministerium für Volksaufklärung <strong>und</strong><br />

Propaganda besorgten Übersetzung des Artikels von Wickham Steed<br />

Quelle: BAMA RW 5 /v.345<br />

74


deutschen Dokumente aufdecken, dürfe mit Berechtigung<br />

gefolgert werden, „<strong>das</strong>s die Luft-Gas-Angriff-Abteilung des<br />

deutschen Reichswehrministeriums seit 1931 Versuche <strong>und</strong><br />

Messungen in Paris <strong>und</strong> London zu dem Zwecke vorgenommen<br />

hat, um festzustellen, wie die Untergr<strong>und</strong>bahnstationen<br />

am besten durch tödliche Keime o<strong>der</strong> Giftgase, o<strong>der</strong> durch<br />

beides, infiziert werden können, wann immer man einen<br />

Angriff für ratsam hält“.<br />

In Deutschland wurden die zuständigen Stellen, Auswärtiges<br />

Amt <strong>und</strong> Wehrmachtsamt, von Steeds Behauptungen völlig<br />

überrascht. Die Londoner Botschaft informierte sofort nach<br />

Erscheinen des Artikels telegraphisch <strong>das</strong> Auswärtige Amt<br />

<strong>und</strong> übersandte eine Kopie des Aufsatzes. Die wurde von<br />

einer Abteilung des Propagandaministeriums ins Deutsche<br />

übersetzt <strong>und</strong> an die — damals für solche Angelegenheiten<br />

zuständigen — Inspektionen des Sanitätswesens <strong>und</strong> <strong>der</strong><br />

Artillerie mit <strong>der</strong> Bitte um Stellungnahmen weitergeleitet.<br />

Oberst Bergmann, <strong>der</strong> Stabschef <strong>der</strong> Inspektion <strong>der</strong> Artillerie,<br />

meinte, die Ausführungen über die in Paris durchgeführten<br />

Experimente seien geradezu phantastisch. „Wie soll es<br />

möglich sein, in französischen Städten verkehrsreiche Plätze<br />

mehrfach zu umfahren, dabei H<strong>und</strong>erte von Einheiten mit<br />

Bazillenkeimen aufzustellen <strong>und</strong> sie genau nach 6 St<strong>und</strong>en<br />

wie<strong>der</strong> abzuholen. Der Verfasser erwähnt selbst, <strong>das</strong>s hierzu<br />

zahlreiche Hilfsarbeiter notwendig sind. Selbst wenn die<br />

hierfür erfor<strong>der</strong>lichen Fahrzeuge französische Zulassungsnummern<br />

hätten, selbst wenn <strong>das</strong> arbeitende Personal aus<br />

gekauften französischen Bürgern bestünde, die durch ihre<br />

Aussprache nicht auffallen würden, selbst dann wäre es<br />

unwahrscheinlich, <strong>das</strong>s ihre Tätigkeit nicht aufgefallen <strong>und</strong><br />

von <strong>der</strong> französischen Polizei verhin<strong>der</strong>t worden wäre.“ Zu<br />

ganz ähnlichen Einschätzungen kam auch Generalarzt Dr.<br />

Walther Kittel von <strong>der</strong> Heeres-Sanitätsinspektion.<br />

Außerdem wies Bergmann in seinem Kommentar darauf hin,<br />

<strong>das</strong>s es keine Abteilungen mit <strong>der</strong> Bezeichnung „L.G.A.“ <strong>und</strong><br />

„L.G.V.“ gäbe. Das ist in <strong>der</strong> Tat ein ganz entscheidendes<br />

76


Argument bei <strong>der</strong> Bewertung <strong>der</strong> von Steed zitierten<br />

Dokumente. Zwar gab es im Reichswehrministerium seit<br />

1924 Abteilungen, die für Aktivitäten zur chemischen<br />

Kriegsführung (<strong>und</strong> theoretisch auch für Fragen <strong>der</strong> biologischen<br />

Kriegsführung) verantwortlich waren. Die wurden<br />

aber ganz an<strong>der</strong>s bezeichnet (<strong>und</strong> entsprechend abgekürzt),<br />

nämlich: Inspektion <strong>der</strong> Artillerie In 4, Heeres-Sanitätsinspektion<br />

S In, Heeres-Veterinärinspektion V In <strong>und</strong> Heeres-<br />

Ausbildungsabteilung T4. Außerdem gab es eine Dienststelle,<br />

die speziell für Luftfahrtangelegenheiten zuständig war, die<br />

Unterabteilung T2 III l <strong>der</strong> Heeres-Organisationsabteilung<br />

T2. Wenn es also die von Steed beschriebenen geheimen<br />

Versuche zur Verbreitung von Modell-Bakterien in Paris,<br />

London <strong>und</strong> Berlin tatsächlich gegeben hätte, dann wären<br />

diese Abteilungen dafür verantwortlich gewesen. Aus den<br />

zahlreichen vorhandenen deutschen Unterlagen kann aber<br />

mit sehr großer Wahrscheinlichkeit geschlossen werden, <strong>das</strong>s<br />

diese Dienststellen nie solche Versuche durchgeführt haben.<br />

„L.G.A.“ klingt allerdings ähnlich wie „GeLa“. Das war <strong>das</strong><br />

Akronym einer 1926 unter <strong>der</strong> Tarnbezeichnung „Gesellschaft<br />

für landwirtschaftliche Artikel GmbH“ gegründeten<br />

Geheimorganisation <strong>der</strong> Reichswehr, die in Zusammenarbeit<br />

mit <strong>der</strong> Roten Armee Untersuchungen über die Verbreitung<br />

chemischer Kampfstoffe durchführte. Diese Arbeiten waren<br />

zwar streng geheim; aber <strong>der</strong> Leiter einer „Kampfstoffe-<br />

Erprobungsgruppe“, die für die GeLa in <strong>der</strong> Sowjetunion<br />

tätig war, beklagte in einem Bericht, trotz aller Vorsichtsmaßregeln<br />

sei in Russland „die Geheimhaltung nicht in<br />

<strong>der</strong> Weise durchgeführt [worden], wie es die politische Lage<br />

<strong>und</strong> die Art <strong>der</strong> Versuche erfor<strong>der</strong>t“. Beispielsweise seien<br />

Bücher über den chemischen Krieg, die durch Kurier nach<br />

Moskau übersandt worden waren, verlorengegangen <strong>und</strong> erst<br />

nach langer Zeit zufällig im Klei<strong>der</strong>schrank eines deutschen<br />

Angestellten gef<strong>und</strong>en worden. Man habe „sogar in<br />

Anwesenheit von Damen“ über die gemeinsamen deutsch-<br />

77


sowjetischen Aktivitäten gesprochen. 33 Also: Vielleicht hat<br />

eine <strong>der</strong> Damen o<strong>der</strong> jemand an<strong>der</strong>es geplau<strong>der</strong>t <strong>und</strong> die<br />

Existenz von GeLa <strong>und</strong> ihr Engagement bei <strong>der</strong> Entwicklung<br />

chemischer Waffen ist dem Verfasser <strong>der</strong> von Steed<br />

behandelten Dokumente bekannt <strong>und</strong> mit „L.G.A.“ verwechselt<br />

worden. Aber in diesen Papieren ist ja von Versuchen mit<br />

Bakterien die Rede, <strong>und</strong> die waren mit Sicherheit kein<br />

Gegenstand <strong>der</strong> deutsch-russischen Kooperation o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>er<br />

geheimer Reichswehraktivitäten.<br />

Jedenfalls kann man sich nur <strong>der</strong> zusammenfassenden<br />

Antwort <strong>der</strong> Experten an <strong>das</strong> Auswärtige Amt anschließen,<br />

<strong>das</strong>s „die angeführten Dokumente von keiner Stelle des<br />

Reichswehrministeriums stammen <strong>und</strong> <strong>das</strong>s sie gefälscht sein<br />

müssen“.<br />

Wer die Dokumente gefälscht <strong>und</strong> Steed zugespielt haben<br />

könnte, lässt sich nicht mehr zweifelsfrei klären — zumal sie<br />

schon bald nach Steeds Veröffentlichung „verschw<strong>und</strong>en“<br />

sind, was auch nicht gerade für ihre Echtheit spricht. Nicht<br />

einmal britische Experten bekamen sie zu sehen. Wenn die<br />

„Dokumente“ überhaupt jemals existiert haben sollten, dann<br />

handelte es sich vermutlich um Fälschungen, möglicherweise<br />

produziert von Emigranten um die Welt vor Hitler <strong>und</strong><br />

seinen Helfern zu warnen. Diese im Gr<strong>und</strong>e genommen löbliche<br />

Absicht hätte aber leicht <strong>das</strong> Gegenteil bewirken <strong>und</strong><br />

Europa in einen biologischen Krieg stürzen können. Denn<br />

Steeds Artikel hatte bedrohliche Folgen: Er verstärkte im<br />

Ausland die Furcht vor deutschen Biowaffenaktivitäten <strong>und</strong><br />

löste eine deutliche Beschleunigung <strong>der</strong> biologischen<br />

Rüstungsspirale aus, zunächst vor allem in Frankreich.<br />

78


Frankreich nimmt wie<strong>der</strong><br />

Biowaffen-Aktivitäten auf 34<br />

In Frankreich schlug Steeds Veröffentlichung wie<br />

eine Bombe ein, zumal ja die von Steed beschriebenen<br />

angeblichen Versuche <strong>der</strong> Reichswehr hauptsächlich in Paris<br />

durchgeführt worden sein sollen. Die meisten französischen<br />

Blätter reagierten umgehend, zum Teil in großer Aufmachung.<br />

Wie <strong>das</strong> Deutsche Nachrichtenbüro DNB aus Paris meldete,<br />

ließ sich die Agentur Havas „von ihrem Londoner Korrespondenten<br />

nicht weniger als zehn Schreibmaschinenseiten<br />

melden. Das ‚Echo de Paris’ <strong>und</strong> <strong>der</strong> ‚Petit Parisien’ füllen<br />

mit den Meldungen ihrer Londoner Korrespondenten<br />

mehrere Spalten. Beson<strong>der</strong>e Kommentare fehlen vorläufig;<br />

doch werden in den Überschriften diese ‚Enthüllungen’ [als]<br />

sensationell hingestellt.“ 35<br />

Man setzte sogar noch eins drauf. Die Wochenzeitschrift<br />

„Vendémiaire“ stellte die ebenfalls völlig aus <strong>der</strong> Luft<br />

gegriffene Behauptung auf, „<strong>das</strong>s man wohl nach den sensationellen<br />

Enthüllungen des englischen Journalisten Steed mit<br />

Sicherheit annehmen könne, <strong>das</strong>s die Typhusepidemie, die in<br />

Frankreich zwischen dem 5. Dezember 1933 <strong>und</strong> dem 20.<br />

Januar 1934 gewütet hat, wohl deutschen Versuchen des<br />

bakteriologischen Kriegsverfahrens zu verdanken sei. Damals<br />

sei <strong>der</strong> Prozentsatz <strong>der</strong> Typhussterbefälle von dem normalen<br />

Stand von 2,2 % plötzlich ohne jeden Gr<strong>und</strong> auf 14,69%<br />

gestiegen, um dann ganz plötzlich am 20. Januar wie<strong>der</strong> auf<br />

den normalen Stand zurückzugehen.“<br />

Angesichts <strong>der</strong> von Steed, Klotz — <strong>der</strong> inzwischen für <strong>das</strong><br />

französische Kriegsministerium als Berater tätig war — <strong>und</strong><br />

an<strong>der</strong>en verbreiteten alarmierenden Meldungen ist es<br />

verständlich, <strong>das</strong>s <strong>das</strong> 1926 weitgehend stillgelegte französische<br />

Biowaffenprogramm nicht nur wie<strong>der</strong>belebt, son<strong>der</strong>n<br />

beträchtlich intensiviert wurde. Am 5. Dezember 1935 wurde<br />

die Kommission für Bakteriologie erstmals wie<strong>der</strong> zusammengerufen,<br />

aber „aus Geheimhaltungsgründen“ in „Kommission<br />

79


für Prophylaxe“ umbenannt. Zunächst beschäftigte sich <strong>das</strong><br />

Gremium mit Steeds Behauptungen <strong>und</strong> beschloss, die<br />

Versuche, die angeblich von deutschen Agenten in <strong>der</strong> Pariser<br />

Metro durchgeführt worden waren, mit den gleichen<br />

Bakterien, also mit Serratia marcescens, zu wie<strong>der</strong>holen.<br />

Das geschah dann durch <strong>das</strong> bakteriologische Institut <strong>der</strong><br />

französischen Armee in zwei verschiedenen Metro-Linien.<br />

Zur gleichen Zeit hielt <strong>der</strong> spätere Chef des französischen<br />

Biowaffen-Instituts, H. Velu, in Paris einen Vortrag über<br />

biologische Kriegsführung, weil dieses Thema „seit einiger<br />

Zeit, insbeson<strong>der</strong>e seit den aufsehenerregenden Enthüllungen<br />

von Wickham Steed“ an <strong>der</strong> Tagesordnung sei.* Velu, zu dieser<br />

Zeit noch Oberstabsveterinär <strong>der</strong> marokkanischen<br />

Kolonialtruppen, ging bei dieser Gelegenheit auch auf die<br />

Rechtmäßigkeit des Bakterienkriegs ein <strong>und</strong> meinte: „Pascal<br />

hat uns hierauf die eindeutige Antwort gegeben: ‘Da man <strong>das</strong><br />

Gerechte nicht stark machen kann, macht man <strong>das</strong> Starke<br />

gerecht’. Die Bakterienwaffe ist zulässig, sobald sie ihre<br />

Wirksamkeit erwiesen hat. Das ist die allgemeine Ansicht<br />

trotz aller Pakte, trotz aller Abmachungen <strong>und</strong> ungeachtet aller<br />

Streitfragen <strong>und</strong> Behauptungen <strong>der</strong> größten Gelehrten.“<br />

Nach ausführlicher Diskussion dieses Problems schloss er:<br />

„Der Mikrobenkrieg wird ein rechtmäßiger Krieg sein, wenn<br />

er den Erfolg sichern kann“. Nichts auf <strong>der</strong> Welt, we<strong>der</strong> <strong>das</strong><br />

internationale Recht noch Verträge o<strong>der</strong> die Moral werde die<br />

Anwendung dieser neuen Kampfesweise verhin<strong>der</strong>n.<br />

Allerdings, so Velu weiter, verhielten sich künstlich hervorgerufene<br />

Seuchen wie spontane Infektionen. Sie erlöschen<br />

wie<strong>der</strong> <strong>und</strong> man könne nur mit einer geringen Zahl von<br />

Opfern rechnen. Vielmehr liege die Gefahr des Mikroben-<br />

* Das Manuskript von Velus Vortrag fiel 1940 den Deutschen in die Hände. Das<br />

Heeresamt ließ <strong>das</strong> „Beutestück“ unverzüglich übersetzen <strong>und</strong> verteilte es an die einschlägig<br />

interessierten Dienststellen <strong>der</strong> Wehrmacht. Zwei Kopien dieser Übersetzung<br />

wurden dann bei Kriegsende von <strong>der</strong> angloamerikanischen „Alsos-Mission“ entdeckt<br />

<strong>und</strong> als „geheim“ eingestuft.<br />

80


Die ersten drei Seiten <strong>der</strong> Übersetzung von Velus 1935 gehaltenen Vortrags<br />

Quelle: National Archives, College Park, Md., (NACP), Record Group<br />

319 Box 2, Fol<strong>der</strong> BW 12, Blatt 250–278.<br />

81


krieges „in seinem hinterhältigen, dunklen <strong>und</strong> heimtückischen<br />

Charakter. Er wird zwar an<strong>der</strong>e Waffen nicht ersetzen, kann<br />

aber zur Verringerung <strong>der</strong> Truppenstärke <strong>und</strong> zur Desorganisation<br />

<strong>der</strong> Transporte beitragen <strong>und</strong> beson<strong>der</strong>s die Zerrüttung<br />

<strong>der</strong> Moral <strong>der</strong> Truppe <strong>und</strong> des Hinterlandes herbeiführen“.<br />

Als dann die Spannungen zwischen Deutschland <strong>und</strong><br />

Frankreich zunahmen <strong>und</strong> angesichts <strong>der</strong> verstärkten<br />

deutschen Aufrüstung die Gefahr einer militärischen<br />

Konfrontation größer wurde, fasste <strong>das</strong> Kriegsministerium<br />

am 27. Januar 1938 den Beschluss, in Vert-le-Petit unter<br />

Leitung von Velu ein Biowaffen-Institut einzurichten, <strong>das</strong><br />

„Laboratoire de Prophylaxie“. Nun ging es nicht mehr nur<br />

um B-Schutz. Hauptaufgabe des neuen Instituts waren<br />

„Untersuchungen mit offensiver Zielrichtung“, um sich für<br />

gleichartige Gegenschläge zu wappnen. Am gleichen Tag trat<br />

die Kommission für Bakteriologie erneut zusammen. Von da<br />

ab tagte sie regelmäßig zweimal im Jahr, <strong>und</strong> zwischen<br />

September 1939 <strong>und</strong> Juni 1940 sogar aller drei Monate.<br />

Im Rahmen <strong>der</strong> von <strong>der</strong> Kommission beschlossenen Arbeiten<br />

wurden nunmehr nicht nur Untersuchungen mit Bakterien<br />

durchgeführt, son<strong>der</strong>n auch Versuche mit Toxinen aufgenommen,<br />

vor allem mit Botulinum-Toxin <strong>und</strong> Rizin. Im Vor<strong>der</strong>gr<strong>und</strong><br />

standen Fragen nach den wirksamsten biologischen Kampfmitteln<br />

<strong>und</strong> nach Möglichkeiten zu ihrer Verbreitung. Trillat<br />

setzte dabei vor allem seine Arbeiten mit Aerosolen fort —<br />

sowohl, um auf diese Weise Pathogene <strong>und</strong> Toxine effektiv<br />

verbreiten, als auch um antiseptische Aerosole zum Schutz<br />

vor feindlichen Biowaffeneinsätzen nutzen zu können.<br />

Velu gelang es, Versuchskaninchen durch Beschuss mit<br />

Projektilen zu infizieren, die mit Sporen von Milzbrand-,<br />

Tetanus- o<strong>der</strong> Gasbran<strong>der</strong>regern gefüllt waren. Diese Versuche<br />

verliefen so vielversprechend, <strong>das</strong>s man beschloss, sie zu<br />

intensivieren <strong>und</strong> dabei auch Rin<strong>der</strong>pestviren einzubeziehen.<br />

Die Kommission für Prophylaxe billigte am 26. Mai 1939<br />

84


Rizin36 ist ein überaus starkes Gift, <strong>das</strong> relativ einfach in großen<br />

Mengen aus den Samen des W<strong>und</strong>erbaums Ricinus communis bzw.<br />

aus Rizinusöl gewonnen werden kann. Es wirkt über eine Hemmung<br />

<strong>der</strong> intrazellulären Eiweißsynthese. Bisher gibt es we<strong>der</strong> einen Impfstoff<br />

gegen Rizin, noch Möglichkeiten zur spezifischen Therapie.<br />

Wie Botulin ist Rizin nicht nur ein dual-threat-, son<strong>der</strong>n auch ein<br />

dual-use Agens: gekoppelt an entsprechende geeignete Antikörper<br />

wird es als Therapeutikum zur Behandlung bösartiger Geschwülste<br />

<strong>und</strong> bestimmter Autoimmunerkrankungen erprobt.<br />

Vor <strong>und</strong> während des Zweiten Weltkrieges wurde in Frankreich <strong>und</strong><br />

USA die Eignung von Rizin als Toxin-Kampfmittel untersucht. Der<br />

Irak hatte Ende <strong>der</strong> 1980er Jahre mindestens zehn Liter Rizin produziert<br />

<strong>und</strong> in Feldversuchen getestet, obwohl amerikanische Studien<br />

ergeben hatten, <strong>das</strong>s es als Gefechtsfeldwaffe wenig geeignet ist.<br />

Dagegen ist es für Attentate geeignet. Rizin wurde u.a. beim sog.<br />

„Regenschirm-Mord“ eingesetzt.<br />

auch einen Vorschlag, Kartoffelkäfer vom Flugzeug aus über<br />

deutschen Kartoffelfel<strong>der</strong>n abzuwerfen (was bereits im Ersten<br />

Weltkrieg angeregt, damals aber abgelehnt worden war). Der<br />

Auftrag für ein entsprechendes Forschungsprogramm wurde<br />

erteilt. Das schloss Untersuchungen über die Massenvermehrung<br />

<strong>der</strong> Käfer, über Möglichkeiten, sie vom Flugzeug<br />

freizusetzen <strong>und</strong> über ihr Verhalten in großen Höhen ein.<br />

In Südwestfrankreich wurden dazu sogar Feldversuche<br />

durchgeführt.<br />

Am 14. September 1939 wurden in <strong>der</strong> Kommission erneut<br />

Berichte über angebliche deutsche Biowaffenaktivitäten<br />

behandelt. Vom französischen Geheimdienst war eine<br />

Meldung über die Munitionierung von Granaten mit<br />

Milzbrandsporen in Deutschland vorgelegt worden —<br />

vermutlich handelte es sich dabei um die schon einleitend<br />

zitierte Meldung aus <strong>der</strong> selben trüben Quelle, aus <strong>der</strong> auch<br />

<strong>der</strong> britische Geheimdienst desinformiert worden war. Und<br />

am 24. September 1939 wurde ein Bericht über die „Deutsche<br />

85


Organisation des Bakterienkrieges“ entgegengenommen.<br />

Darin hieß es unter an<strong>der</strong>em — wie<strong>der</strong> völlig wahrheitswidrig<br />

—, Ende 1936 seien in Jüterbog Versuche mit Bakterien-<br />

Granaten durchgeführt worden, <strong>der</strong> Leicht Kreuzer „Königsberg“<br />

habe 1937 solche Geschosse gegen spanische Inseln<br />

eingesetzt, <strong>und</strong> im Juni 1938 lagerten einige 100.000<br />

Bakterien-Granaten in Spandau, Troisdorf <strong>und</strong> Königsberg.<br />

Selbst Himmlers angebliche „bakteriologische Bombe“ fand<br />

wie<strong>der</strong> Erwähnung. 37<br />

Am 15. Dezember erfolgte erneut eine Auswertung von<br />

Geheimdienstinformationen. In denen hieß es, Deutschland<br />

beabsichtige, durch Verseuchung von Trinkwasser, Milch<br />

o<strong>der</strong> Konserven mit biologischen <strong>und</strong> Toxin-Kampfmitteln<br />

sowohl gegen die französischen Streitkräfte als auch gegen<br />

die Zivilbevölkerung vorzugehen. Diese — wie<strong>der</strong> völlig<br />

unbegründeten — Behauptungen lösten ein entsprechendes<br />

Schreiben des Premiers an den Landwirtschaftsminister aus,<br />

in dem dieser beauftragt wurde, „die Probenentnahme zu<br />

intensivieren <strong>und</strong> Inspektionsmethoden einzusetzen, mit<br />

denen nicht nur lebende Krankheitserreger, son<strong>der</strong>n auch<br />

Toxine nachgewiesen werden können“. Für diese Aufgaben<br />

sollte im Innenministerium sogar ein spezielles Kommissariat<br />

geschaffen werden.<br />

Am 27. Januar 1940 befasste sich die Kommission dann<br />

ausschließlich mit <strong>der</strong> Erörterung von Möglichkeiten, <strong>das</strong><br />

höchst gefährliche Rin<strong>der</strong>pestvirus als Kampfmittel einzusetzen.<br />

Da von den Veterinäroffizieren berichtet wurde, <strong>das</strong>s es<br />

sehr einfach sei,Vieh mit Rin<strong>der</strong>pestvirus-haltigen Aerosolen<br />

zu infizieren, gab <strong>der</strong> Vertreter des Hauptquartiers allerdings<br />

zu bedenken, eine Entscheidung, ein <strong>der</strong>art aggressives Mittel<br />

einzusetzen, sei so schwerwiegend, <strong>das</strong>s sie nur vom<br />

Regierungschef selbst getroffen werden könne. Einen Monat<br />

später tagte dann eine interministerielle Konferenz, um alle<br />

Biowaffenaktivitäten künftig besser als bisher zu koordinieren.<br />

In <strong>der</strong>en Ergebnis erließ <strong>der</strong> Präsident <strong>der</strong> Republik, Albert<br />

Lebrun, am 10. April ein Geheimdekret zur Koordination<br />

86


aller Maßnahmen zum Schutz vor einem befürchteten deutschen<br />

biologischen Angriff. Die Ausführungsbestimmungen<br />

dazu wurden am 11. Mai 1940 erlassen, einen Tag nach<br />

Beginn <strong>der</strong> deutschen Westoffensive.<br />

Getrieben von falschen Geheimdienstberichten über bevorstehende<br />

deutsche Biowaffeneinsätze setzten Velu <strong>und</strong> seine<br />

Mitarbeiter in Vert-le-Petit ihre Arbeiten bis in den Juni 1940<br />

hinein fort. Sie galten einerseits dem Schutz vor biologischen<br />

Angriffen sowohl durch Entwicklung von Impfstoffen <strong>und</strong><br />

Seren wie auch durch physikalisch-technische Maßnahmen.<br />

An<strong>der</strong>erseits bereitete man sich darauf vor, gegnerische<br />

Angriffe mit gleichartigen Vergeltungsschlägen beantworten<br />

zu können. Im Vor<strong>der</strong>gr<strong>und</strong> standen nun Untersuchungen<br />

über die Verbesserung infektiöser Projektile sowie über<br />

synergistische Effekte bakteriologischer <strong>und</strong> chemischer<br />

Kampfmittel, speziell von Milzbrandsporen <strong>und</strong> Senfgas. Ziel<br />

<strong>der</strong> Kombinationsversuche war es, mittels einer nicht<br />

notwendigerweise tödlichen Senfgasvergiftung eine erhöhte<br />

Anfälligkeit für eine Milzbrandinfektion zu provozieren.<br />

Neben den Instituten von Velu <strong>und</strong> von Trillat waren in diese<br />

Untersuchungen unter an<strong>der</strong>em auch <strong>das</strong> Pasteur-Institut in<br />

Paris sowie <strong>das</strong> Militärische Institut für Veterinärmedizinische<br />

Forschung in Maisons-Alford einbezogen.<br />

Natürlich konnten sich die von ihren <strong>Geheimdienste</strong>n völlig<br />

fehlinformierten französischen Biowaffenforscher <strong>und</strong> ihre<br />

Vorgesetzten nicht im Entferntesten vorstellen, <strong>das</strong>s es erst<br />

ihre Arbeiten sein würden, welche die Deutschen auf die Idee<br />

brachten, auch ihrerseits Biowaffenaktivitäten aufzunehmen.<br />

87


Stalin stört erneut <strong>das</strong> sowjetische<br />

Biowaffenprogramm 38<br />

Auch in <strong>der</strong> Sowjetunion löste Steeds Veröffentlichung<br />

große Besorgnis aus. So schrieben die beiden russischen<br />

Autoren P. Sam <strong>und</strong> G. Linkin 1936: „Nach den Enthüllungen<br />

des Sikchem Sito [Sic!] über die Vorbereitungen des<br />

deutschen Generalstabes für die Anwendung <strong>der</strong> Mittel des<br />

Bazillenkrieges unterliegt es für uns keinem Zweifel, <strong>das</strong>s<br />

wir vor einer neuen Bedrohung <strong>der</strong> ganzen Welt von Seiten<br />

des imperialistischen Angreifers stehen.“*<br />

Beson<strong>der</strong>s ausführlich wurde Steeds Artikel von den beiden<br />

französischen Wissenschaftlern A. <strong>und</strong> R. Sartori in einer<br />

Schrift über „Der bakteriologische Krieg“ referiert. Der<br />

Aufsatz hat eine abenteuerliche Geschichte: 1935 zunächst als<br />

„Militärausgabe“ in Paris veröffentlicht, wurde die Arbeit<br />

dann ins Russische übersetzt <strong>und</strong> 1936 vom Staatlichen<br />

Militärverlag in Moskau herausgegeben. Nach dem Überfall<br />

auf die Sowjetunion fiel sie den Deutschen in die Hände <strong>und</strong><br />

wurde durch die Wehrmachtzeitschriftenabteilung übersetzt.<br />

Diese Übersetzung wurde dann von <strong>der</strong> angloamerikanischen<br />

Alsos-Mission erbeutet. Diese stufte sie sofort — wie fast alle<br />

an<strong>der</strong>en deutschen Biowaffen-Dokumente — als „geheim“<br />

ein — genau zehn Jahre nach <strong>der</strong> Veröffentlichung des<br />

französischen Originals. Ihre Geheimhaltung wurde erst im<br />

Juli 1996 aufgehoben.<br />

Die Alsos-Mission war eine gegen Ende des Zweiten Weltkrieges<br />

gebildete interdisziplinäre angloamerikanische Expertengruppe,<br />

<strong>der</strong>en Auftrag es war, Informationen über die deutschen <strong>und</strong> italienischen<br />

militärwissenschaftlichen <strong>und</strong> waffentechnischen Aktivitäten<br />

zu sammeln.<br />

* Übersetzt durch Zeitschriftenabteilung des Reichskriegsministeriums.<br />

88


Das Vorwort zur Schrift <strong>der</strong> Sartoris schrieb <strong>der</strong> russische<br />

Biowaffen-Experte Dr. Iwan Welikanow. Unter dem<br />

Pseudonym 39 „Professor Ivan Eifel“ meinte er, die Enthüllungen<br />

Steeds ließen „keinen Zweifel darüber aufkommen, <strong>das</strong>s<br />

dem faschistischen Deutschland die führende Rolle in <strong>der</strong><br />

Erforschung immer neuer <strong>und</strong> neuer, vollkommen unmenschlicher<br />

Mittel <strong>und</strong> Methoden des Überfallens gehört“.<br />

Zudem fühlten sich die Sowjets nicht nur von Hitler-<br />

Deutschland bedroht: In <strong>der</strong> „Sowjetischen Militär-<br />

Enzyklopädie“ wurde biologische Kriegsführung 1933 als<br />

„eine neue, in bürgerlichen Län<strong>der</strong>n vorbereitete Kriegsform,<br />

<strong>der</strong>en Waffen Mikroben (Bakterien) sind“, bezeichnet. Die<br />

Bourgeoisie mobilisiere alle wissenschaftlichen Errungenschaften<br />

<strong>und</strong> suche „die wirksamsten Mittel für einen Überfall. Zu<br />

letzteren gehören Bakterien, <strong>der</strong>en Erforschung als Waffe<br />

verstärkt in den Instituten <strong>und</strong> Laboratorien aller bürgerlichen<br />

Län<strong>der</strong> erfolgt“.*<br />

Solche Einschätzungen waren es, die ab 1933 zu einer<br />

Intensivierung des Biowaffenprogramms führten, an dem sich<br />

auch die 1930 vom sowjetischen Geheimdienst verhafteten<br />

Bakteriologen nach Verbüßung ihrer Strafe wie<strong>der</strong> beteiligen<br />

konnten. Dafür wurden sogar neue Institute <strong>und</strong> Abteilungen<br />

eingerichtet, so <strong>das</strong> Forschungsinstitut für Mikrobiologie <strong>der</strong><br />

Roten Armee, <strong>das</strong> 1933 unter Leitung von Welikanow in<br />

Perkuschkowo bei Moskau gegründet wurde, sowie Fachabteilungen<br />

in <strong>der</strong> Leningra<strong>der</strong> Militärmedizinischen Akademie.<br />

Weiter beteiligt waren <strong>das</strong> Slatogorow-Maslokowitsch-<br />

Laboratorium, eine Abteilung des Leningra<strong>der</strong> Technischen<br />

Instituts für Zoologie <strong>und</strong> Veterinärwesen, <strong>das</strong> Leningra<strong>der</strong><br />

Institut für Bakteriologie, eine Einrichtung <strong>der</strong> Marine in<br />

Kronstadt, eine Forschungsstelle in Schlüsselburg am<br />

Ladogasee, <strong>das</strong> Institut für Ges<strong>und</strong>heitsforschung in Moskau,<br />

<strong>das</strong> Moskauer Chemisch-pharmazeutische Institut sowie <strong>das</strong><br />

* Übersetzt von Harald Kießlich-Köcher<br />

89


Institut für Mikrobiologie <strong>und</strong> Epidemiologie in Saratow.<br />

Darüber hinaus wurde Fischmans For<strong>der</strong>ung aus den 1920er<br />

Jahren nach Versuchsgelände für Biowaffenexperimente<br />

erfüllt <strong>und</strong> dafür die Insel Gorodomlia im Seligersee, eine <strong>der</strong><br />

Solowezki-Inseln im Weißen Meer <strong>und</strong> die Insel Wosroschdenije<br />

im Aralsee zur Verfügung gestellt.<br />

Deutschen Geheimdienstberichten zufolge — die allerdings,<br />

wie mehrfach erwähnt, nicht sehr zuverlässig sind — wurden<br />

in diesen Einrichtungen unter an<strong>der</strong>em die Erreger von Pest,<br />

Tuberkulose, Milzbrand, Cholera,Tularämie sowie Botulinum-<br />

Toxin auf ihre Eignung als Kampfmittel untersucht <strong>und</strong> zum<br />

Teil auch munitioniert. Wie erfolgreich die wie<strong>der</strong><br />

aufgenommenen Arbeiten <strong>und</strong> wieviel Mitarbeiter daran<br />

beteiligt waren läßt sich immer noch nicht ermitteln, da die<br />

entsprechenden Dokumente noch nicht zugänglich sind.<br />

Wohl erklärte Marschall Kliment Woroschilow 1938 unter<br />

Bezug auf <strong>das</strong> Genfer Protokoll, die Sowjetunion fühle sich<br />

zwar an diesen Vertrag geb<strong>und</strong>en. Aber „wenn unsere<br />

Gegner solche Mittel gegen uns einsetzen, dann sind wir darauf<br />

vorbereitet, umfassend darauf vorbereitet, diese ebenfalls zu<br />

nutzen <strong>und</strong> sie gegen die Aggressoren auf ihrem eigenen<br />

Boden einzusetzen“. Möglicherweise war dies durch Fakten<br />

nicht gedecktes Imponiergehabe, denn zur Zeit dieser<br />

Erklärung wurde <strong>das</strong> sowjetische Biowaffenprogramm ein<br />

zweites Mal entscheidend geschwächt; diesmal viel nachhaltiger<br />

als 1930.<br />

Die Begründung dafür findet sich in dem bereits zitierten<br />

R<strong>und</strong>schreiben des Volkskommissars für Staatssicherheit<br />

Wsewolod Merkulow aus dem Jahre 1941. Darin heißt es, die<br />

nach <strong>der</strong> ersten Verhaftungswelle wie<strong>der</strong> entlassenen<br />

„Führer konterrevolutionärer Organisationen” hätten nach<br />

ihrer Rückkehr in ihre Institute ihre Sabotagearbeit weiter<br />

betrieben. In <strong>der</strong> Zeit 1931–1937 seien in einzelnen Gebieten<br />

<strong>der</strong> Sowjetunion mehrere Ausbrüche von Infektionskrankheiten,<br />

Vergiftungen von Nahrungsmitteln, Massenviehseuchen<br />

usw. aufgetreten, die auf den Einsatz biologischer<br />

90


Kampfmittel hindeuteten. In keinem dieser Fälle hätten die<br />

Organe des <strong>Geheimdienste</strong>s NKGB Hinweise auf gegnerische<br />

Aktivitäten entdeckt. Verantwortlich seien vielmehr „die<br />

konterrevolutionären Elemente, die nach Aufträgen ausländischer<br />

Nachrichtendienste handeln” <strong>und</strong> die bestrebt sind,<br />

„an sämtlichen verw<strong>und</strong>baren Stellen <strong>der</strong> Volkswirtschaft<br />

ihre Sabotagearbeit durchzuführen”.*<br />

Es war absurd. Führende Wissenschaftler wurden nicht nur<br />

erneut beschuldigt, den deutschen Epidemiologen Zeiss bei<br />

seinen „Machenschaften“ unterstützt, son<strong>der</strong>n sogar gegen<br />

die eigene Bevölkerung einen Bakterienkrieg geführt zu<br />

haben: „Laut Angaben verurteilter Mitglie<strong>der</strong> <strong>der</strong> Kampforganisationen<br />

war ihre beson<strong>der</strong>e Aufmerksamkeit auf<br />

Tularämie gerichtet, da sich diese Infektion infolge ihrer<br />

spezifischen Eigenschaften für die Kampfarbeit beson<strong>der</strong>s<br />

gut eignet“.<br />

Diesem konterrevolutionären Treiben sei 1937/38 <strong>das</strong><br />

Handwerk gelegt worden, „<strong>und</strong> zwar mit <strong>der</strong> Liquidierung<br />

<strong>der</strong> Spionage- <strong>und</strong> Kampforganisation, an <strong>der</strong>en Spitze die<br />

Agenten des deutschen Nachrichtendienstes” standen.<br />

Namentlich aufgeführt wurden in diesem Zusammenhang<br />

<strong>der</strong> stellvertretende Direktor des Zentralen Kontrollinstituts<br />

für Seren <strong>und</strong> Vakzinen Wladimir A. Ljubarski, Professor<br />

Ilja L. Kritschewski vom Zweiten Moskauer medizinischen<br />

Institut sowie <strong>der</strong> Leiter des Zentralinstituts für Epidemiologie<br />

<strong>und</strong> Mikrobiologie des Kommissariats für Volksges<strong>und</strong>heit<br />

Wladimir A. Barykin. Sie wurden 1939 hingerichtet. Das gleiche<br />

Schicksal traf bereits 1938 Iwan M.Welikanow <strong>und</strong> Landwirtschaftskommissar<br />

Michail Tschernow — <strong>der</strong> „gestanden”<br />

habe, im Auftrag des deutschen <strong>Geheimdienste</strong>s die<br />

Verseuchung von Pferden, Rin<strong>der</strong>n <strong>und</strong> Schweinen angeordnet<br />

* Übersetzt von <strong>der</strong> deutschen Abwehr. Merkulow wurde — gemeinsam mit seinem<br />

Vorgänger im Amt, Lawrenti Berija — 1953 hingerichtet.<br />

91


Die ersten zwei Seiten aus dem von <strong>der</strong> deutschen Abwehr übersetzten<br />

R<strong>und</strong>schreiben des Volkskommissars für Staatssicherheit Wsewolod Merkulow<br />

über die angebliche volksfreindliche Tätigkeit sowjetischer Biowaffenexperten.<br />

Quelle: Zentralarchiv des Russischen Verteidigungsministeriums,<br />

Fonds 500, Opis 21452, Delo 1, Blatt 47–53.<br />

92


zu haben. 40 Selbst Jakov Fischman wurde inhaftiert, nicht<br />

zuletzt mit Hinweis auf seine damalige aktive Beteiligung<br />

an <strong>der</strong> militärischen Zusammenarbeit mit <strong>der</strong> Reichswehr.<br />

Sogar während des „Grossen Vaterländischen Krieges“ verzichtete<br />

man auf seine wertvollen Dienste. Fischman überlebte<br />

aber die Gefangenschaft, wurde aber erst 1954 entlassen <strong>und</strong><br />

ein Jahr später vollständig rehabilitiert. Er starb 1962 im Alter<br />

von 75 Jahren als Generalmajor eines natürlichen Todes.<br />

Tularämie (Hasenpest) 41 wird von Francisella tularensis hervorgerufen,<br />

einem <strong>der</strong> am meisten infektiösen Bakterien. Nicht mehr als<br />

zehn Erreger genügen zur Auslösung <strong>der</strong> Krankheitssymptome.<br />

Tularämie ist jedoch nicht von Mensch zu Mensch übertragbar. Nager<br />

<strong>und</strong> an<strong>der</strong>e Tiere sind natürliche Reservoire. Menschen infizieren<br />

sich durch Insektenbisse, Umgang mit verseuchten Tieren,<br />

Materialien <strong>und</strong> Flüssigkeiten, Verzehr verunreinigter Nahrung o<strong>der</strong><br />

Einatmung infektiöser Aerosole. In den USA wurden 1990–2000 insgesamt<br />

1368 Fälle von Hasenpest gemeldet. Die Erkrankung kann<br />

erfolgreich mit Streptomycin u.a. Antibiotika behandelt werden.<br />

Unbehandelt kann sie in etwa 1% <strong>der</strong> Fälle zum Tode führen. Ein<br />

Lebend-Impfstoff ist verfügbar. Dessen Einsatz wird aber nur für<br />

entsprechend exponiertes Laborpersonal empfohlen.<br />

F. tularensis wurde in den Biowaffenprogrammen Japans, <strong>der</strong> Sowjetunion,<br />

<strong>und</strong> <strong>der</strong> USA produziert <strong>und</strong> munitioniert. Dabei sollen auch<br />

Antibiotika-resistente Stämme entwickelt worden sein. Nach WHO-<br />

Berechnungen könnte seine Verbreitung über einer 5-Millionen-<br />

Stadt 250.000 Personen erkranken <strong>und</strong> 19.000 sterben lassen. Trotzdem<br />

gilt <strong>der</strong> Erreger nicht als tödliches, son<strong>der</strong>n als handlungsunfähig<br />

machendes Kampfmittel.<br />

Natürlich bedeutete die Verhaftung Fischmans <strong>und</strong> vieler seiner<br />

Mitarbeiter einen zweiten, noch tieferen Einschnitt in die<br />

Fortführung des sowjetischen Biowaffenprogramms <strong>und</strong> war<br />

vermutlich <strong>der</strong> Hauptgr<strong>und</strong> dafür, <strong>das</strong>s seitens <strong>der</strong> Roten<br />

94


Armee im Zweiten Weltkrieg keine Bio- <strong>und</strong> Toxinwaffen<br />

gegen die deutschen Invasoren eingesetzt wurden.<br />

Aber die biologische Rüstungsspirale drehte sich weiter —<br />

auch ohne nennenswerte sowjetische Beteiligung.<br />

95


Mehr Angst vor Kriegsseuchen<br />

in Großbritannien 42<br />

Auch in Italien <strong>und</strong> Ungarn war man von Steeds<br />

Veröffentlichung so beeindruckt , <strong>das</strong>s 1934 in Rom<br />

<strong>und</strong> zwei Jahre später in Budapest Biowaffen-Institute<br />

gegründet wurden. In Großbritannien dagegen nahmen die<br />

Behörden die „Enthüllungen“ zunächst nicht übermäßig<br />

ernst. Zwar hatte <strong>der</strong> zuständige Unterausschuss <strong>der</strong> Stabschefs<br />

im Februar 1934 Probleme <strong>der</strong> biologischen Kriegsführung<br />

beraten, Steeds Aufsatz spielte dabei aber keine Rolle,<br />

obwohl Steed behauptet hatte, er hätte die von ihm<br />

ausgewerteten Dokumente vor <strong>der</strong> Veröffentlichung dem<br />

Sekretär des Britischen Verteidigungskomitees vorgelegt.<br />

Immerhin nahm <strong>der</strong> Unterausschuss <strong>das</strong> Thema wichtig genug,<br />

<strong>das</strong>s er zwei fachwissenschaftliche Gutachten dazu erbat.<br />

In ihren Expertisen bezweifelten drei führende Bakteriologen*<br />

1934 <strong>und</strong> 1935, <strong>das</strong>s man mit bakteriellen Kampfmitteln<br />

Epidemien auslösen könne. Bestenfalls würde man<br />

„in Kriegszeiten wirksam die psychische <strong>und</strong> physische Moral<br />

beeinträchtigen“. Eine viel größere Bedeutung maßen die<br />

Experten statt dessen den „Kriegsseuchen“ bei, denn: „Ein<br />

desorganisiertes Ges<strong>und</strong>heitssystem kann dann dem Feind in<br />

die Hand spielen.“ Deshalb gehöre zusätzlich zum Schutz vor<br />

erwarteten biologischen Attacken insbeson<strong>der</strong>e auch ein<br />

Ausbau des allgemeinen Ges<strong>und</strong>heitsschutzes.<br />

Allerdings vertraten die Experten auch höchst überraschende<br />

Ansichten. Sie meinten nämlich, als Offensivwaffen sei „<strong>der</strong><br />

ethische Status“ biologischer Kampfmittel „nicht geringer<br />

o<strong>der</strong> höher als <strong>der</strong> eines Bajonetts, einer Granate o<strong>der</strong> eines<br />

* Bei den drei Gutachtern handelte es sich um Hauptmann Stewart Ranken Douglas,<br />

den stellvertretenden Direktor des Nationalen Instituts für Medizinische Forschung,<br />

Professor John Ledingham, den Direktor des Lister-Instituts, <strong>und</strong> Professor William<br />

Whiteman Carlton Topley von <strong>der</strong> London School of Hygiene and Tropical Medicine<br />

96


Kriegsseuchen sind (Infektions-)Krankheiten, die infolge von kriegsbedingten<br />

Störungen <strong>der</strong> Nahrungsmittelversorgung, <strong>der</strong> hygienischen<br />

Bedingungen, etc. sowohl unter den Streitkräften als auch<br />

unter <strong>der</strong> Zivilbevölkerung gehäuft auftreten <strong>und</strong> sich auch zu<br />

Epidemien entwickeln können. Zumindest bis zum Zweiten<br />

Golfkrieg von 1991 haben Kriegsseuchen stets mehr Verluste unter<br />

den bewaffneten Kräften verursacht als gegnerische — o<strong>der</strong> auch<br />

eigene, fehlgeleitete — Waffen.<br />

chemischen Kampfstoffs. In <strong>der</strong> Tat, wenn <strong>der</strong> ‚ethische’<br />

Status einer bestimmten Waffe damit verglichen wird, wie sie<br />

die Kampffähigkeit seines Opfers beeinträchtigt, wäre sie<br />

[die biologische Waffe] unseres Erachtens höher einzuordnen<br />

als eines <strong>der</strong> eben erwähnten drei an<strong>der</strong>en Mittel“. Dass<br />

Biowaffen „unnötig Leiden schaffen“ könnten, spielte keine<br />

Rolle mehr, ein totaler Tabuwandel war eingetreten, übrigens<br />

nicht nur in England...<br />

Da die Experten Steeds Artikel mit keinem Wort erwähnt<br />

hatten, sah sich die britische Regierung nicht zu Sofortmaßnahmen<br />

veranlasst: Als <strong>der</strong> Premierminister am 4. Juli<br />

1934 im Unterhaus gefragt wurde, ob er über die von Steed<br />

beschriebenen Fakten informiert sei <strong>und</strong> wie darauf reagiert<br />

werden solle, antwortete er, er habe die entsprechende<br />

Veröffentlichung gelesen <strong>und</strong> fügte hinzu, „die Verw<strong>und</strong>barkeit<br />

<strong>der</strong> Londoner Untergr<strong>und</strong>bahnen ist unter ständiger<br />

Kontrolle als Teil <strong>der</strong> allgemeinen Sicherung <strong>der</strong> Schienenwege,<br />

aber ich halte es im öffentlichen Interesse nicht für notwendig,<br />

darüber hinausgehende Erklärungen abzugeben“. Auf<br />

den Einwand, <strong>das</strong>s sich die Behauptungen Steeds auf präzise<br />

<strong>und</strong> überzeugende Hinweise stützten <strong>und</strong> <strong>das</strong>s sich Seiner<br />

Majestät Regierung deshalb unverzüglich mit <strong>der</strong> Angelegenheit<br />

beschäftigen sollte, antwortete <strong>der</strong> Premier, er habe<br />

seiner bereits gegebenen Antwort nichts mehr hinzuzufügen.<br />

Immerhin erhielten die drei Experten nun ausdrücklich den<br />

Auftrag, zu Steeds Artikel Stellung zu nehmen. In einem<br />

97


diesbezüglichen Gutachten meinten sie im Juli 1934, <strong>das</strong>s<br />

Serratia marcescens <strong>das</strong> Bakterium <strong>der</strong> Wahl für entsprechende<br />

Modellversuche sei. Sie hätten aber „allen Gr<strong>und</strong> zu vermuten,<br />

<strong>das</strong>s die eigentliche Absicht <strong>der</strong> Bearbeiter die Verteilung<br />

chemischer Kampfstoffe unter verschiedenen Windverhältnissen<br />

war <strong>und</strong> nicht die von Bakterien.“ Außerdem wiesen<br />

auch sie darauf hin, <strong>das</strong>s man auf Kulturschalen nur eine<br />

begrenzte Anzahl von Bakterienkolonien ermitteln könne,<br />

<strong>und</strong> <strong>das</strong>s einige <strong>der</strong> angegebenen Zahlen sicherlich zu hoch<br />

seien. Bemerkenswert sei auch, <strong>das</strong>s Agenten in einer fremden<br />

Hauptstadt nicht nur Windbestimmungen vornehmen, son<strong>der</strong>n<br />

auch Bakterien versprühen <strong>und</strong> in Kulturgefäßen auffangen<br />

konnten, ohne dabei entdeckt zu werden.<br />

Die Experten sahen durch die von Steed erwähnten<br />

Dokumente ihre Meinung bestätigt, „<strong>das</strong>s bezüglich <strong>der</strong><br />

Verbreitung pathogener Bakterien in erster Linie <strong>der</strong><br />

feindliche Agent gefürchtet werden muss. Man kann sicher zu<br />

Recht schließen, <strong>das</strong>s die Einbringung von Bakterien in den<br />

Eingang o<strong>der</strong> in Klimaanlage einer Metro-Station eine<br />

vergleichsweise wirksame Methode wäre.“ Allerdings hatten<br />

die Gutachter keine Gelegenheit, die Dokumente zu prüfen,<br />

auf denen Steed seinen sensationellen Artikel begründet<br />

hatte. Die Unterlagen waren nämlich wie<strong>der</strong> „verschw<strong>und</strong>en“<br />

— ein bemerkenswerter Fakt.<br />

Jedenfalls haben we<strong>der</strong> Steeds Aufsatz <strong>und</strong> die Publikationen<br />

von Klotz noch <strong>das</strong> Expertengutachten die britische<br />

Regierung zu Sofortmaßnahmen gegen die angebliche<br />

deutsche biologische Bedrohung veranlasst. Vor diesem<br />

Hintergr<strong>und</strong> ist es schon bemerkenswert, <strong>das</strong>s Steeds<br />

Behauptungen in einer neuen Darstellung <strong>der</strong> britischen<br />

Biowaffenaktivitäten von Brian Balmer weitgehend unrelativiert<br />

wie<strong>der</strong>gegeben werden. 43 Laut Untertitel geht es in<br />

Balmers Buch vor allem auch um den „Expertenrat“. Die<br />

starken Indizien für die offensichtliche Fälschung <strong>der</strong> Steed<br />

vorgelegten Dokumente werden aber völlig ignoriert.<br />

98


Die britische Regierung reagierte erst mehr als zwei Jahre<br />

nach <strong>der</strong> Veröffentlichung von Steeds Aufsatz, nachdem die<br />

bereits einleitend erwähnten beunruhigenden Geheimdienstberichte<br />

über deutsche Biowaffenaktivitäten in London<br />

eingegangen waren. 44 Die Falschmeldungen verfehlten bei<br />

den ohnehin von den Vorgängen in Hitlerdeutschland<br />

beunruhigten Entscheidungsträgern Großbritanniens ihre<br />

Wirkung nicht. Am 2. November 1936 berief <strong>das</strong> britische<br />

Verteidigungskomitee einen „Unterausschuss für bakteriologische<br />

Kriegsführung“. Er sollte über die Führbarkeit<br />

solcher Kriege berichten <strong>und</strong> Vorschläge erarbeiten, welche<br />

Gegenmaßnahmen zu ergreifen wären. Neben militärischen<br />

Experten gehörten hochrangige britische Bakteriologen dem<br />

Gremium an, unter ihnen Sir (später Lord) Maurice Hankey<br />

als Vorsitzen<strong>der</strong>, Sir Edward Mellanby sowie die Professoren<br />

Ledingham <strong>und</strong> Topley.<br />

Der Ausschuss erörterte die Vor- <strong>und</strong> Nachteile biologischer<br />

Kriegsführung, die mutmaßlichen Aktivitäten an<strong>der</strong>er<br />

Staaten auf diesem Gebiet <strong>und</strong> die Frage, wie man sich vor<br />

biologischen Angriffen schützen kann, etwa durch Bereitstellung<br />

ausreichen<strong>der</strong> Mengen von Impfstoffen. Ganz sicher<br />

als Reaktion auf <strong>das</strong> oben erwähnte Expertengutachten<br />

wurde <strong>der</strong> Biowaffenausschuss keine zwei Jahre später schon<br />

wie<strong>der</strong> umbenannt. Als „Unterausschuss für notfallmedizinische<br />

Laboratoriumsdienste“ sollte er vornehmlich ein Netz<br />

von entsprechend ausgerüsteten Laboratorien für den zivilen<br />

Ges<strong>und</strong>heitsschutz planen <strong>und</strong> einrichten. Gleichzeitig wurde<br />

explizit festgestellt, <strong>das</strong>s es nicht notwendig sei, für etwaige<br />

gegnerische biologische Angriffe Kapazitäten für gleichartige<br />

Vergeltungsschläge zu schaffen.<br />

99


Auch die Nordamerikaner sind<br />

eher zurückhaltend 45<br />

In Nordamerika spielten die Behauptungen Steeds eine<br />

ähnlich geringe Rolle wie in England. Paradoxerweise<br />

begann man sich in den USA ebenso wie in Deutschland erst<br />

nach Ausbruch des Zweiten Weltkrieges ernsthaft mit den<br />

Problemen <strong>der</strong> biologischen Kriegsführung zu beschäftigen.<br />

In <strong>der</strong> Presse tauchten zwar gelegentlich mehr o<strong>der</strong> weniger<br />

beängstigende Meldungen über deutsche Biowaffenaktivitäten<br />

auf. 46 Irritationen löste vor allem ein Artikel „Betrachtungen<br />

über den Krieg mittels Kleinlebewesen“ aus, den ein<br />

nur mit den Initialen H.W. zeichnen<strong>der</strong> Autor im August 1937<br />

in <strong>der</strong> „Deutschen Wehr“ veröffentlicht hatte. Dieser<br />

behauptete, im spanischen Bürgerkrieg seien kürzlich einige<br />

Agenten unschädlich gemacht worden, „die von roter Seite<br />

beauftragt worden waren, mit Hilfe irgendwelcher Bazillen<br />

im nationalspanischen Gebiet Epidemien zu entfesseln“.<br />

Davon ausgehend diskutierte H. W. detailliert <strong>und</strong> kenntnisreich<br />

die Möglichkeiten bakteriologischer Kriegsführung.<br />

Wie <strong>der</strong> deutsche Militärattaché nach Berlin meldete sei <strong>der</strong><br />

Aufsatz von H.W. mit „übelster publizistischer Giftmischerei“<br />

dazu verwendet worden, um Stimmung gegen<br />

Deutschland zu machen. Tatsächlich hatte die „New York<br />

Times“ den Artikel zum Anlass genommen, um unter beunruhigenden<br />

Schlagzeilen — etwa wie „Verbreitung tödlicher<br />

Mikroben unter <strong>der</strong> Zivilbevölkerung“ — über angebliche<br />

deutsche Biowaffenaktivitäten zu berichten. Bei dem<br />

Besorgnis auslösenden Artikel in <strong>der</strong> „Deutschen Wehr“ handelte<br />

es sich allerdings nicht um einen Originalbeitrag, son<strong>der</strong>n<br />

nur um die Besprechung eines Artikels, den Professor<br />

Hugo Reitano — <strong>der</strong> Chef des italienischen Biowaffeninstituts<br />

— in einer italienischen Zeitschrift veröffentlicht hatte.<br />

Ansonsten aber hatte die US-Administration <strong>und</strong> ihr Militär an<br />

solchen Fragen so gut wie kein Interesse. Bezeichnend dafür<br />

ist <strong>der</strong> Artikel des amerikanischen Majors Leon A. Fox „Der<br />

100


Bakterienkrieg. Verwendung von biologischen Kampfmitteln<br />

im Krieg“, <strong>der</strong> im Juli 1942 im „Scientific Monthly“ erschien.<br />

„Das Thema sei zeitgemäß <strong>und</strong> von großem wissenschaftlichen<br />

Interesse“ hieß es dazu in einem redaktionellen Beitrag.<br />

Deshalb habe man hier einen Aufsatz nachgedruckt, <strong>der</strong> in<br />

<strong>der</strong> Zeitschrift „The Military Surgeon“ erschienen war — <strong>und</strong><br />

zwar bereits im Jahre 1933! Ob man künftig biologische Kriege<br />

führen würde hing nach Fox „mehr von den praktischen <strong>und</strong><br />

wirksamen Anwendungsmöglichkeiten ab als von den sentimentalen<br />

Gegenbestrebungen <strong>der</strong> Pazifisten“.Allerdings seien,<br />

so Fox weiter, „die technischen Schwierigkeiten noch nicht so<br />

weit behoben, <strong>das</strong>s mit einem erfolgreichen Einsatz <strong>der</strong><br />

neuen biologischen Kampfstoffe gerechnet werden kann“.*<br />

Es ist wirklich bemerkenswert (<strong>und</strong> kaum an<strong>der</strong>s als in<br />

Deutschland): Ein Aufsatz aus dem Jahre 1933 galt auch noch<br />

1942 als „zeitgemäß“. Dies beweist, <strong>das</strong>s auch in den USA bis<br />

in den Zweiten Weltkrieg hinein für biologische Kriegsführung<br />

kaum Interesse bestand. Erst zwei Jahre später lief dann auch<br />

in den USA ein Biowaffenprogramm, an dem etwa viertausend<br />

Personen beteiligt waren — ausgelöst vor allem durch<br />

Falschmeldungen über entsprechende deutsche Aktivitäten.<br />

Aber zunächst än<strong>der</strong>ten selbst gelegentliche Berichte über<br />

den angeblichen Einsatz von Bakterien durch die Japaner in<br />

<strong>der</strong> Mandschurei <strong>und</strong> in China wenig in <strong>der</strong> Analyse des<br />

Bedrohungspotentials biologischer Kampfmittel. So kam ein<br />

Experte vom Chemical Warfare Service am 28. August 1939,<br />

vier Tage vor Kriegsausbruch, zu dem Schluss, <strong>das</strong>s die USA<br />

nur dann mit Biowaffen angegriffen werden könnten, wenn<br />

ein Feind Flugzeuge besäße, die den Atlantik o<strong>der</strong> den Pazifik<br />

hin <strong>und</strong> zurück überqueren könnten.An eine Verbreitung auf<br />

dem Postwege war ebenso wenig zu denken wie an<br />

Kamikaze-Flieger o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>e Selbstmord-Attentäter.<br />

* Vermutlich von <strong>der</strong> Sanitätsinspektion in Auftrag gegebene deutsche Übersetzung <strong>der</strong><br />

1940 in Frankreich entdeckten französischen Übersetzung des Artikels<br />

101


Nicht viel an<strong>der</strong>s sah es bei dem nördlichen Nachbarn <strong>der</strong><br />

USA aus. In Kanada machte man sich auch nicht mehr<br />

Sorgen — trotz <strong>der</strong> Hartnäckigkeit eines <strong>der</strong> führenden<br />

kanadischen Wissenschaftler. Sir Fre<strong>der</strong>ick Grant Banting,<br />

1923 für seine maßgebliche Beteiligung bei <strong>der</strong> Entdeckung<br />

des Insulins mit dem Nobelpreis ausgezeichnet, versuchte ab<br />

1937, seine Regierung auf die Biowaffenproblematik aufmerksam<br />

zu machen. Banting war überzeugt davon, <strong>das</strong>s<br />

Deutschland insgeheim biologisch aufrüste. Das hatten nicht<br />

nur Steed <strong>und</strong> Klotz behauptet, son<strong>der</strong>n auch ein weiterer<br />

Emigrant, den <strong>der</strong> „Toronto Star“ im März 1935 interviewte.<br />

Der meinte, er könne beweisen, <strong>das</strong>s sich die Staaten in einem<br />

kommenden Krieg „gegenseitig mit Krankheitserregern<br />

überschütten werden“.Auch dieser anonyme Informant hatte<br />

unter an<strong>der</strong>em die verheerende Wirkung <strong>der</strong> Milzbrandbakterien<br />

vor Augen. „Nehmen sie nur an“, meinte er zum<br />

Reporter des „Toronto Star“, „ein gegnerisches Bombergeschwa<strong>der</strong><br />

wirft eine Million Glaskugeln über London ab, die<br />

mit Anthrax gefüllt sind“.<br />

Banting informierte den Vorsitzenden des Amtes für<br />

Nationale Verteidigung über seine Befürchtungen. Der bat<br />

Banting, seine Sorgen <strong>und</strong> Vorschläge zu Papier zu bringen.<br />

Banting verfasste daraufhin ein Memorandum, in dem er<br />

betonte, vom Gegner ausgelösten Epidemien würden sowohl<br />

auf <strong>das</strong> Militär als auch auf die Zivilbevölkerung eine<br />

paralysierende Auswirkung haben. „Durch die Erfindung<br />

luftgekühlter Granaten könnten Bakterien, wie die Erreger<br />

von Gasbrand,Tetanus <strong>und</strong> Tollwut, in die W<strong>und</strong>en eindringen,<br />

so<strong>das</strong>s selbst eine Schramme tödliche Folgen haben könnte“.<br />

Die gleichen Auswirkungen würde <strong>der</strong> Einsatz von Botulin<br />

haben. Darüber hinaus meinte Banting, <strong>das</strong> Genfer Protokoll<br />

werde we<strong>der</strong> Deutschland noch Italien vom Einsatz solcher<br />

Kampfmittel abhalten. „da die Wissenschaftler dieser Län<strong>der</strong><br />

daran forschten, wie diese tödlichen Waffen praktisch genutzt<br />

werden können“. In <strong>der</strong> Tat hatte ja Italien chemische Kampfmittel<br />

1936 gegen Abessinien eingesetzt, <strong>und</strong> zwar erfolgreich.<br />

102


Gasbrand (Gasödem) ist eine durch Clostridium perfingens <strong>und</strong><br />

an<strong>der</strong>e Bakterien verursachte Infektionskrankheit <strong>und</strong><br />

Kriegsseuche: Im Ersten Weltkrieg war Gasbrand die schlimmste<br />

W<strong>und</strong>infektion; 0,6% <strong>der</strong> Verw<strong>und</strong>eten erkrankten <strong>und</strong> mehr als ein<br />

Drittel starben daran. Gasbrand entsteht, wenn die im Boden<br />

vorkommenden Sporen von C. perfringens <strong>und</strong> an<strong>der</strong>e Erreger in<br />

tiefe Verletzungen geraten. Ein Impfstoff steht nicht zur Verfügung;<br />

die Krankheit kann aber mit Penizillin <strong>und</strong> an<strong>der</strong>en Antibiotika therapiert<br />

werden.<br />

Clostridium perfringens wurde vor bzw. während des Zweiten<br />

Weltkrieges in Frankreich <strong>und</strong> Japan als Kampfmittel untersucht. In<br />

<strong>der</strong> zweiten Hälfte <strong>der</strong> 1980er Jahre wurden die Erreger auch im<br />

Biowaffenprogramm des Irak produziert <strong>und</strong> bearbeitet. Dabei wurden<br />

340 Liter einer C. perfringens-haltigen Suspension hergestellt.<br />

Aber Bantings Appelle verhallten zunächst wirkungslos, vor<br />

allem weil einige einflussreiche kanadische Persönlichkeiten<br />

die biologische Kriegsführung als praktisch <strong>und</strong>urchführbar<br />

hielten. Daran än<strong>der</strong>te sich auch nichts, als aus London<br />

Dokumente mit Informationen über — angebliche — deutsche<br />

Biowaffenaktivitäten eingingen. Nicht einmal nach Kriegsausbruch<br />

gaben die kanadischen Regierungskreise ihre<br />

Zurückhaltung auf. Banting schrieb deshalb Anfang 1940 ein<br />

weiteres „Memorandum über die gegenwärtige Situation hinsichtlich<br />

<strong>der</strong> bakteriologischen Kriegsführung“ — aber wie<strong>der</strong><br />

ohne nennenswerten Erfolg.<br />

Nach <strong>der</strong> Nie<strong>der</strong>lage Frankreichs im Juni 1940 glaubte<br />

Banting, Deutschland habe seine Siege nicht zuletzt durch die<br />

Anwendung biologischer Kampfmittel erzielt <strong>und</strong> würde<br />

diese auch bei einem Angriff gegen England einsetzen.<br />

Deshalb wandte er sich diesmal direkt an den Generalstabschef<br />

<strong>und</strong> beschwor ihn, Untersuchungen über defensive <strong>und</strong><br />

offensive Fragen <strong>der</strong> biologischen Kriegsführung in größerem<br />

Maßstab zu veranlassen. Der äußerte zwar Verständnis,<br />

for<strong>der</strong>te aber, <strong>das</strong>s Banting zunächst den Verteidigungsmi-<br />

103


nister überzeugen müsse, <strong>das</strong>s Biowaffenaktivitäten — mit<br />

o<strong>der</strong> ohne britische Unterstützung — eingeleitet werden<br />

sollten. So weit wollte <strong>der</strong> Minister nicht gehen. Aber er<br />

autorisierte Banting wenigstens, in seinem Institut mit<br />

entsprechenden Untersuchungen zu beginnen, allerdings in<br />

weitaus bescheidenerem Ausmaß als es sich Banting<br />

vorgestellt hatte. Die führten aber nicht sehr weit: Banting<br />

kam am 21. Februar 1941 bei einem Flugzeugabsturz ums<br />

Leben, als er auf dem Weg nach England war, um dort über<br />

die Intensivierung <strong>der</strong> Biowaffenforschung zu beraten. So<br />

konnte er die bald darauf aufgenommene intensive Zusammenarbeit<br />

<strong>der</strong> Briten mit den US-Amerikanern <strong>und</strong><br />

Kanadiern in Sachen Biowaffen nicht mehr erleben.<br />

104


Keine Ahnung vom deutschen Desinteresse 47<br />

Entgegen den Behauptungen, die einige Emigranten<br />

im Ausland verbreiteten, entgegen <strong>der</strong> Beschuldigungen,<br />

die <strong>der</strong> einflussreiche britische Journalist Wickham Steed<br />

auf Gr<strong>und</strong> gefälschter Dokumente erhob, <strong>und</strong> entgegen den<br />

falschen Informationen, die die <strong>Geheimdienste</strong> zahlreicher<br />

Län<strong>der</strong> sammelten, hatte auch nach Hitlers Machtergreifung<br />

we<strong>der</strong> die politische noch die militärische Führung in<br />

Deutschland Interesse an Fragen des biologischen Krieges.<br />

Tatsächlich war die deutsche Wehrmacht bis in den Zweiten<br />

Weltkrieg hinein auf diesem Gebiet völlig unvorbereitet. Die<br />

von Hitler nach seiner Machtergreifung in Gang gesetzte <strong>und</strong><br />

auf Hochtouren betriebene Aufrüstung klammerte Vorbereitungen<br />

zur biologischen Kriegsführung völlig aus.<br />

Noch kurz vor Ausbruch des Zweiten Weltkrieges vertrat<br />

Oberstabsveterinär Professor C. Eduard Richters die Meinung,<br />

es sei „nicht möglich, die bestimmten Gesetzen unterworfenen<br />

Seuchen an beliebigen Orten <strong>und</strong> zu befohlenen Zeiten<br />

hervorzurufen“. Wenn sich aber doch eine künstlich herbeigeführte<br />

Einzelerkrankung zu einer Epidemie auswachsen<br />

würde, so wäre <strong>der</strong> Urheber ebenso gefährdet wie <strong>der</strong> Gegner.<br />

„Die Bakterienwaffe wäre demnach, abgesehen davon, <strong>das</strong>s<br />

ihre Wirkung immer zu langsam in Erscheinung treten würde,<br />

stets sehr zweischneidig.“ An<strong>der</strong>erseits könnten Seuchengefahren<br />

durch Schutzimpfungen <strong>und</strong> ähnliche Maßnahmen<br />

sehr stark herabgemin<strong>der</strong>t werden. Deshalb werde „<strong>der</strong><br />

bakteriologischen Waffe, die schon aus sittlichen Gründen<br />

abzulehnen ist, we<strong>der</strong> ein Erfolg beschieden sein, noch kann<br />

sie gar eine umwälzende Bedeutung in <strong>der</strong> Kriegsführung<br />

gewinnen“. Selbst <strong>der</strong> Direktor des Hygiene-Instituts <strong>der</strong><br />

Waffen-SS Professor Joachim Mrugowsky* vertrat die<br />

* Mrugowsky war <strong>der</strong> wegen seiner Menschenexperimente berüchtigte <strong>und</strong> im<br />

Nürnberger Ärzteprozess 1947 zum Tode verurteilte Direktor des Hygiene-Instituts <strong>der</strong><br />

Waffen-SS.<br />

105


Meinung, „daß ein solcher Krieg aktiv geführt keinen Erfolg<br />

bringen würde, weil wir die [Natur-]Gesetze nicht in <strong>der</strong><br />

Hand haben. Ich gefährde die eigene Truppe. Die Bazillenträger,<br />

die zurückbleiben würden, sind eine große Gefahr.<br />

Das wäre ein Bumerang“.* Er stehe deshalb auf dem<br />

Standpunkt, daß man einen solchen Krieg im großen nicht<br />

durchführen könne.<br />

Solche Meinungen waren repräsentativ für die Bewertung<br />

<strong>der</strong> biologischen Kriegsführung durch die maßgeblichen<br />

deutschen Experten vor dem Zweiten Weltkrieg. Sie<br />

bestimmten wesentlich die Einstellung <strong>der</strong> politischen <strong>und</strong><br />

militärischen Führung zum Einsatz biologischer Kampfmittel<br />

— von wenigen Ausnahmen abgesehen, die aber ohne<br />

Wirkung blieben.<br />

Als Generalleutnant Hermann Ochsner 1936 zum „General<br />

<strong>der</strong> Nebeltruppe“ ernannt wurde, bemühte er sich, nicht nur<br />

den chemischen Krieg weiter vorzubereiten — was die<br />

eigentliche Aufgabe <strong>der</strong> „Nebeltruppe“ war —, son<strong>der</strong>n<br />

zumindest auch die Möglichkeiten biologischer Kriegsführung<br />

zu erk<strong>und</strong>en. Gleich nach seiner Kommandoübernahme wollte<br />

er von <strong>der</strong> Heeres-Sanitätsinspektion wissen, ob in dieser<br />

Hinsicht planmäßige Versuche durchgeführt würden, „<strong>und</strong><br />

zwar nicht nur auf dem Gebiet <strong>der</strong> Abwehr“. Zur Begründung<br />

führte Ochsner an, <strong>das</strong>s er zunehmend Geheimdienstberichte<br />

erhalten habe, wonach man im Ausland versuche,<br />

„die Bakteriologie <strong>der</strong> Kriegsführung dienstbar zu machen“.<br />

Der Stabschef <strong>der</strong> Heeres-Sanitätsinspektion antwortete,<br />

man habe entsprechende Experten-Meinungen eingeholt.<br />

„Bisher wurde die Frage dahin beantwortet, <strong>das</strong>s <strong>der</strong><br />

Bakterienkrieg theoretisch möglich sei, die praktische<br />

Anwendung aber darunter leide, <strong>das</strong>s zu viele Faktoren zu<br />

* Den Bumerang-Effekt erlebten dann Deutschlands japanische Verbündete auf dramatische<br />

Weise: Während <strong>der</strong> Chekiang-Offensive im Sommer 1942 gegen die Städte<br />

Futsing, Kinhwa <strong>und</strong> Yüshan sollen mehr als 10.000 Soldaten von den eigenen biologischen<br />

Waffen infiziert worden <strong>und</strong> mindestens 1700 anschließend gestorben sein.<br />

106


einem Erfolg zusammenwirken müssen, <strong>das</strong>s ein Übergreifen<br />

<strong>der</strong> Epidemien auf den Angreifer nicht mit Sicherheit verhütet<br />

werden könne <strong>und</strong> <strong>das</strong>s <strong>der</strong> Bakterienkrieg als zu unsicher in<br />

seiner Wirkung besser zu unterlassen sei.“<br />

Ochsner war mit dieser Antwort nicht zufrieden <strong>und</strong> wandte<br />

sich erneut an die Sanitätsinspektion: Auch wenn es nicht<br />

möglich sei, Epidemien willkürlich auszulösen, liege die<br />

Bedeutung des bakteriologischen Krieges doch in seiner<br />

großen psychologischen Wirkung. Deshalb sei es notwendig,<br />

nicht nur die Abwehr <strong>der</strong>artiger feindlicher Maßnahmen<br />

eingehend erforschen <strong>und</strong> vorbereiten zu lassen, „son<strong>der</strong>n<br />

darüber hinaus alle Vorbereitungen zu treffen, um gegebenenfalls<br />

<strong>der</strong>artige Angriffe entsprechend erwi<strong>der</strong>n zu können.<br />

Dazu erscheinen vor allem Maßnahmen nötig, die es ermöglichen,<br />

notfalls rasch die erfor<strong>der</strong>lichen großen Mengen an<br />

geeigneten Bakterienkulturen verfügbar zu haben, die<br />

Möglichkeiten ihrer Anwendung <strong>und</strong> des Schutzes <strong>der</strong><br />

eigenen Bevölkerung zu erforschen <strong>und</strong> vorzubereiten. Da<br />

diese Möglichkeiten nach den Ausführungen <strong>der</strong> Fachleute<br />

zurzeit noch wenig geklärt sind, so müssten praktische<br />

Versuche, vielleicht mit Tieren gemacht werden.“<br />

Als die Sanitätsinspektion nicht gleich reagierte, meldete sich<br />

Ochsner erneut <strong>und</strong> schlug vor, wenigstens bei <strong>der</strong> Bekämpfung<br />

von Bunkeranlagen die Verwendung von Krankheitserregern<br />

beson<strong>der</strong>s im Auge zu behalten. Vielleicht böte sich<br />

die Möglichkeit, „durch Aussetzen infizierter Ratten o<strong>der</strong><br />

sonstiger Bakterienträger in den Werken Krankheiten<br />

auszulösen, die die Besatzung erschüttern <strong>und</strong> ihre Wi<strong>der</strong>standskraft<br />

brechen“. Die Mediziner ließen sich jedoch nicht<br />

aus <strong>der</strong> Ruhe bringen. Erst ein halbes Jahr später antwortete<br />

<strong>der</strong> Stabschef <strong>der</strong> Heeres-Sanitätsinspektion, „die Frage <strong>der</strong><br />

Abwehr feindlicher Maßnahmen wird hier laufend bearbeitet.<br />

Ebenso sind bereits Versuche in die Wege geleitet worden<br />

über die Möglichkeit,Tiere durch Bakterien mit Abblas- o<strong>der</strong><br />

Versprühverfahren zu infizieren“. Das war aber eine mehr<br />

zur Beruhigung von General Ochsner gedachte Information,<br />

107


denn aus allen diesbezüglichen Unterlagen lässt sich schließen,<br />

<strong>das</strong>s keine entsprechenden Untersuchungen durchgeführt<br />

worden sind. Weiter heißt es dementsprechend: „Experimentelle<br />

Prüfungen <strong>der</strong> Verwendung von Bakterien beim<br />

Kampf um Festungen durch Aussetzen infizierter Ratten sind<br />

bisher aus Raummangel unterblieben. Mit <strong>der</strong> Erweiterung<br />

<strong>der</strong> wissenschaftlichen Abteilungen <strong>der</strong> Militärärztlichen<br />

Akademie werden auch solche Versuche eingeleitet werden<br />

können.“ Diese Erweiterung erfolgte dann aber erst nach<br />

Ausbruch des Zweiten Weltkrieges, nachdem die Entdeckung<br />

des französischen Biowaffenprogramms erstmals seit 1915/17<br />

wie<strong>der</strong> entsprechende deutsche Aktivitäten auslöste.<br />

Grobes <strong>Versagen</strong> des britischen <strong>Geheimdienste</strong>s<br />

Ausländische Nachrichtendienste hatten von <strong>der</strong> mehr als<br />

zögerlichen Haltung <strong>der</strong> überwiegenden Mehrzahl <strong>der</strong><br />

verantwortlichen Dienststellen <strong>der</strong> Wehrmacht gegenüber<br />

biologischer Kriegsführung keine Ahnung. Im Gegenteil: Sie<br />

vermuteten eine intensive deutsche biologische Aufrüstung.<br />

Beispielsweise berichtete ein britischer Agent 1936, zu<br />

Beginn des Jahres seien in <strong>der</strong> Lüneburger Heide Experimente<br />

über die Eignung <strong>der</strong> Maul- <strong>und</strong> Klauenseuche (MKS)<br />

als Biowaffe durchgeführt worden. Zehn Hektar Weideland<br />

habe man eingezäunt <strong>und</strong> vom Flugzeug aus Höhen zwischen<br />

50 <strong>und</strong> 2000 m mit MKS-Erregern besprüht. Dann seien<br />

Rin<strong>der</strong> auf die Weide getrieben worden, worauf sich diese mit<br />

MKS infiziert hätten. Die Erreger seien sehr ansteckend.<br />

Material von zwei infizierten Kühen reiche aus, um mehrere<br />

Quadratkilometer zu infizieren. „Zehn Flugzeuge könnten in<br />

einer Nacht ein sehr großes Gebiet erfolgreich besprühen“.<br />

Dieser Bericht entbehrt je<strong>der</strong> Realität. In den zahlreichen<br />

erhalten gebliebenen deutschen Dokumenten kann nicht <strong>der</strong><br />

geringste Hinweis auf solche Versuche gef<strong>und</strong>en werden.<br />

Davon abgesehen hätten <strong>der</strong>artige Versuche gegen die strengen<br />

deutschen tierseuchenhygienischen Vorschriften verstoßen,<br />

die auch für die Dienststellen <strong>der</strong> Wehrmacht galten. „Niemand<br />

108


hätte solche Experimente erlaubt“, versicherte mir Professor<br />

Alfred Heinig, <strong>der</strong> damals in dem einzigen deutschen Institut<br />

tätig war, <strong>das</strong> die Erlaubnis hatte, mit MKS-Viren zu experimentieren,<br />

Immunseren <strong>und</strong> Impfstoffe zu entwickeln <strong>und</strong> zu<br />

produzieren: <strong>der</strong> „Staatlichen Forschungsanstalt Insel Riems“.<br />

Um die Landwirtschaft vor etwaigen Seuchenausbrüchen zu<br />

schützen, war <strong>das</strong> Institut extra auf einer Insel errichtet<br />

worden. Dass entsprechende Feldversuche auf dem Festland<br />

durchgeführt worden wären ist völlig ausgeschlossen.<br />

Maul- <strong>und</strong> Klauenseuche (MKS) 48 ist eine von Viren verursachte<br />

meist akut verlaufende fieberhafte Infektionskrankheit <strong>der</strong><br />

Klauentiere, in <strong>der</strong>en Verlauf sich an den Schleimhäuten des<br />

Verdauungstraktes, am Klauenspalt <strong>und</strong> -saum sowie an an<strong>der</strong>en<br />

unbehaarten Stellen <strong>der</strong> Haut charakteristische Blasen entwickeln.<br />

Die MKS ist die volkswirtschaftlich bedeutsamste akute Tierseuche.<br />

Die im Jahre 2001 in England grassierende MKS-Seuche soll Verluste<br />

in Höhe von 48 Milliarden Dollar verursacht haben. 48a<br />

MKS-Viren sind in <strong>der</strong> Sowjetunion <strong>und</strong> während des Zweiten<br />

Weltkrieges in Deutschland als Kampfmittel getestet worden.<br />

Als später, während des Krieges, doch ein, zwei Experimente<br />

mit MKS-Viren durchgeführt wurden, geschah dies auf<br />

gegnerischem Territorium, nämlich in <strong>der</strong> Sowjetunion, <strong>und</strong><br />

dort zudem auf einer Insel <strong>und</strong> nicht in freiem Gelände.<br />

Worauf sich die britischen 1936er Berichte über die<br />

angeblichen Feldversuche mit MKS-Erregern gründeten, ist<br />

nicht mehr zu rekonstruieren. In <strong>der</strong> Lüneburger Heide lag<br />

zwar <strong>der</strong> Truppenübungsplatz Munster-Lager mit <strong>der</strong> Heeresversuchsstelle<br />

„Raubkammer“, die den Angloamerikanern<br />

wegen <strong>der</strong> dort schon seit dem Ersten Weltkrieg betriebenen<br />

Aktivitäten mit chemischen Kampfstoffen vermutlich<br />

bekannt war, mit biologischen Waffen zur Zeit des Berichtes<br />

aber noch nichts zu tun hatte. Erst ein paar Jahre später, im<br />

109


Juli 1942, führte Professor Heinrich Kliewe tatsächlich einige<br />

wenige Feldversuche im Rahmen eines Biowaffenprogramms<br />

in <strong>der</strong> „Raubkammer“ durch. Die erfolgten aber mit Modellbakterien<br />

<strong>und</strong> -substanzen <strong>und</strong> nicht mit Krankheitserregern.<br />

Vielleicht waren die britischen Geheimdienstinformationen<br />

aber auch dadurch ausgelöst worden, <strong>das</strong>s zu dieser Zeit im<br />

Umfeld <strong>der</strong> Lüneburger Heide tatsächlich Fälle von Maul<strong>und</strong><br />

Klauenseuche auftraten. Diese hatten aber nichts mit<br />

Biowaffenexperimenten zu tun, son<strong>der</strong>n waren Vorboten des<br />

großen mitteleuropäischen Seuchenzugs <strong>der</strong> MKS.<br />

Auch Falschmeldungen über geheime deutsche<br />

Anthrax-Produktion<br />

In <strong>der</strong> Zwischenzeit gingen weitere, sehr detailliierte<br />

Geheimdienstberichte über angebliche Biowaffenaktivitäten<br />

Hitlerdeutschlands ein. Im Oktober 1937 gab <strong>der</strong> Sekretär<br />

des britischen Komitees für biologische Kriegsführung ein<br />

Dokument vom Juni des Jahres in Umlauf, in dem über<br />

angebliche deutsche Arbeiten mit Milzbrandbakterien<br />

berichtet wurde. In dem Bericht hieß es, in Berlin gebe es<br />

ein von Dr. Hugo Stoltzenberg geleitetes Militärisches<br />

Bakteriologisches Institut. Dort würden „große Mengen von<br />

sporenbildenden Bakterien (Milzbrandbakterien) produziert<br />

<strong>und</strong> in Trockenform aufbewahrt“. Außerdem würden<br />

Möglichkeiten zur Verbreitung <strong>der</strong> Sporen untersucht, <strong>und</strong><br />

zwar die Abfüllung von Sporenaufschwemmungen in 5-,<br />

20- <strong>und</strong> 30-Gramm Glaskölbchen, die vom Flugzeug über<br />

mittleren o<strong>der</strong> großen Städten abgeworfen werden könnten,<br />

<strong>und</strong> eine Versprühung <strong>der</strong> Sporenaufschwemmung aus einem<br />

entsprechenden Behälter unter Druck. Entsprechende<br />

Sprühflugzeuge seien von den Deutschen bereits im Mai 1936<br />

konstruiert worden. Schließlich seien „nicht-detonierende<br />

Bomben“ erprobt worden, mit Bakteriensporen gefüllte<br />

Behälter an einem Fallschirm, die sich 25 Meter über dem<br />

Boden öffnen <strong>und</strong> den unter leichtem Druck stehenden<br />

Inhalt freisetzen, so <strong>das</strong>s eine dichte Sporen-Wolke entsteht.<br />

110


Zwei Jahre später erhielt man weitere Informationen aus<br />

Quellen, die „zuverlässiger als üblich“ seien <strong>und</strong> die angeblich<br />

die zuvor eingegangenen Bef<strong>und</strong>e über deutsche Anthrax-<br />

Aktivitäten bestätigten. Diese neuen Informationen besagten:<br />

„1) Die Deutschen machen Versuche mit Granaten, die mit<br />

Mikrobenkulturen infiziert wurden. Diese weisen eine große<br />

Hitzeresistenz auf (200 ˚C <strong>und</strong> mehr sind angegeben).<br />

2) Einmal in eine — noch so kleine — W<strong>und</strong>e eingedrungen,<br />

werden die Keime virulent <strong>und</strong> wi<strong>der</strong>stehen allen Desinfektionsmitteln,<br />

so<strong>das</strong>s sogar bei den am wenigsten<br />

Verw<strong>und</strong>eten eine Todesrate von 95% erzielt wird. Der Tod<br />

tritt innerhalb von 10 bis 12 Tagen ein. 3) In fast allen Fällen<br />

wird ein nachhaltiges Ödem ausgebildet, <strong>das</strong> sich von <strong>der</strong><br />

W<strong>und</strong>e aus verbreitet <strong>und</strong> schließlich den Tod verursacht“.<br />

Die Bemerkungen über die Wirkung <strong>der</strong> Bacillus anthracis-Sporen<br />

<strong>und</strong> über ihre ungewöhnliche Wi<strong>der</strong>standsfähigkeit<br />

sind durchaus korrekt <strong>und</strong> beweisen, <strong>das</strong>s die Informanten<br />

des britischen <strong>Geheimdienste</strong>s wussten, worüber sie berichteten.<br />

Aber alles an<strong>der</strong>e war falsch.<br />

Erstens gab es zwar tatsächlich einen Dr. Hugo Stoltzenberg.<br />

Aber <strong>der</strong> war Chemiker <strong>und</strong> während des Ersten Weltkrieges<br />

<strong>und</strong> auch danach an <strong>der</strong> Entwicklung <strong>und</strong> Erprobung chemischer<br />

Kampfstoffe beteiligt. Über biologische Kampfmittel<br />

hat er dagegen nicht gearbeitet. Und er war kein Institutsdirektor<br />

in Berlin, son<strong>der</strong>n Besitzer einer chemischen Fabrik<br />

in Hamburg. Ab 1934 galt er als politisch unzuverlässig <strong>und</strong><br />

erhielt keine staatlichen Aufträge mehr. Vermutlich war<br />

Stoltzenberg ins Visier <strong>der</strong> Agenten geraten, weil er einmal in<br />

einer Broschüre seiner Firma einen „Beitrag zum ‚bakteriellen<br />

Krieg’“ veröffentlicht hatte. In dem wollte er aber „gegen<br />

diese gefährliche Waffe mobil“ machen.<br />

Zweitens sind nach dem Ersten Weltkrieg bis in den Zweiten<br />

Weltkrieg hinein von Einrichtungen <strong>der</strong> Reichswehr bzw. <strong>der</strong><br />

Wehrmacht o<strong>der</strong> von etwaigen Vertragspartnern keine<br />

Untersuchungen über die Eignung von Milzbrand-Erregern<br />

als Biowaffen durchgeführt worden. Drittens gab es zu jener<br />

111


Zeit kein bakteriologisches Institut <strong>der</strong> Wehrmacht, we<strong>der</strong> in<br />

Berlin noch an<strong>der</strong>swo.<br />

Auch in diesen Fällen ist unbekannt, aus welchen dunklen<br />

Quellen dieses Geflecht wahrheitswidriger Behauptungen<br />

stammte. Möglicherweise gehen sie auf Helmut Klotz zurück,<br />

<strong>der</strong> exakt zu dieser Zeit, nämlich 1937, in Paris ein Buch unter<br />

dem Titel „Der neue deutsche Krieg“ im Selbstverlag<br />

veröffentlicht hatte. Darin behauptete er, in Deutschland<br />

würde vor allem <strong>der</strong> Einsatz von Milzbrandsporen als Kampfmittel<br />

vorbereitet. Angeblich sollten sie von Flugzeugen<br />

verbreitet werden, <strong>und</strong> zwar abgeregnet o<strong>der</strong> in Glaskapseln<br />

eingeschmolzen <strong>und</strong> dann abgeworfen. Auch sei erwogen<br />

worden, sie in „detonationslose Bomben“ einzubringen, die<br />

mit Fallschirmen abgesetzt werden <strong>und</strong> sich in festgelegter<br />

Höhe automatisch öffnen. Diese Angaben ähneln verblüffend<br />

den Geheimdienst-Informationen: Hat <strong>der</strong> britische Agent<br />

einfach bei Klotz abgeschrieben, o<strong>der</strong> war Klotz vielleicht<br />

selbst <strong>der</strong> Informant des britischen Dienstes?<br />

Ein 82seitiges geheimes Memorandum über „Die Eignung<br />

bakteriologischer Kampfmittel im Krieg von morgen“, <strong>das</strong> in<br />

nummerierten Kopien unter den Mitglie<strong>der</strong>n des britischen<br />

„Committee of Imperial Defence“ verteilt wurde, enthielt<br />

sogar einen direkten Verweis auf einen Artikel von Klotz in<br />

den Pariser „Les Annales“. Darin hatte er behauptet,<br />

Augenzeuge umfangreicher Tierversuche gewesen zu sein,<br />

die im Berliner Robert Koch-Institut durchgeführt wurden:<br />

„Durch ununterbrochenes ‚Bombardieren’ <strong>der</strong> Tiere mit bestimmten<br />

Bakterien wurde innerhalb weniger Tage ein Maximum<br />

von Infektionen erzielt. Etwa ein Drittel <strong>der</strong> Tiere<br />

starb.“ Diese Angabe stimme, so <strong>der</strong> „höchst geheime“<br />

Verfasser des Memorandums, mit Informationen eines<br />

anonymen Berliner Bakteriologen überein, wonach am<br />

Robert Koch-Institut eine „organisierte Bazillenproduktion“<br />

für militärische Zwecke erfolge. Daraus könne man, wie es im<br />

Memorandum heißt, nur „den stärksten Verdacht erheben,<br />

<strong>das</strong>s die wissenschaftlichen Aktivitäten <strong>der</strong> deutschen<br />

112


Forscher auf dem Gebiet <strong>der</strong> ‚Kriegs-Bakteriologie’ sehr weit<br />

fortgeschritten sein müssen“.<br />

Es ist aber auch möglich, <strong>das</strong>s die Falschinformationen auf<br />

<strong>das</strong> 1937 erschienene Buch „Death from the Skies“ („Tod aus<br />

den Wolken“) des antifaschistischen Emigranten Heinz<br />

Liepmann zurückgehen. Liepmann behauptete, „ein wichtiges<br />

in <strong>der</strong> Nähe von Berlin gelegenes staatliches Institut arbeitet<br />

über <strong>das</strong> Problem <strong>der</strong> Verbreitung von Bakterienkulturen<br />

beim Feind. Es stellt kleine Fallschirme her, an denen Glasflaschen<br />

befestigt werden können, die mit Bakterien gefüllt<br />

sind. Diese Glasbomben enthalten von fünfzig Gramm bis zu<br />

fünf Kilogramm <strong>der</strong> Kulturen.“<br />

Jedenfalls stimmten die <strong>der</strong> britischen Regierung zugeleiteten<br />

Informationen hinten <strong>und</strong> vorne nicht — im Gegenteil.<br />

Anthrax-Arbeiten werden erwogen — aber verworfen<br />

Im April 1938 fiel <strong>der</strong> „Abwehr“ ein interner Arbeitsbericht<br />

französischer Biowaffenexperten in die Hände.* Daraus ging<br />

hervor, <strong>das</strong>s man sich auf die Bearbeitung von Bacillus<br />

anthracis konzentriert habe. Milzbrand „garantiere schwere,<br />

irreparable Schädigungen <strong>der</strong> gegnerischen Versorgung“.<br />

Weiter hieß es, <strong>das</strong>s Anthrax-Kulturen mit hoher <strong>und</strong> stabiler<br />

Virulenz gezüchtet werden konnten. „Innerhalb von fünf<br />

Jahren ist keine Verän<strong>der</strong>ung [<strong>der</strong> Virulenz] eingetreten.“ So<br />

lange liefen die Versuche also schon.<br />

In dem Bericht wurden die Bedingungen zur Massenproduktion<br />

sowie zu Verbreitung <strong>der</strong> Erreger beschrieben. Dazu<br />

wurde ein „absolut originelles Verfahren“ entwickelt, <strong>das</strong> auf<br />

<strong>der</strong> Verwendung nicht näher charakterisierter pflanzlicher<br />

Trägerstoffe beruhte, die von einer mit Namen <strong>und</strong> Adresse<br />

genannten Firma in Indochina bezogen werden könnten.<br />

Und dann wurden die Vorteile des Verfahrens aufgeführt:<br />

„1. Perfekte Fixierung durch die Häkchen. Selbst Regen kann<br />

* Übersetzt von O. Lepick<br />

113


Interner französischer Arbeitsbericht über Biowaffenaktivitäten mit Bacillus<br />

anthracis, <strong>der</strong> 1938 <strong>der</strong> Abwehr in die Hände fiel.<br />

Quelle : BAMA RH 12–9/v.62, Blatt 252.<br />

114


die Sporen nicht auswaschen. 2. Schwere Schädigungen <strong>der</strong><br />

Schleimhäute von Magen <strong>und</strong> Darm. Verbreitung: mit<br />

Flugzeugen. Menge: 1 kg pro 10 m 2 “.<br />

Die „Abwehr“ übermittelte den Bericht <strong>der</strong> Inspektion <strong>der</strong><br />

Nebeltruppen. Ochsner schickte <strong>das</strong> Dokument an die<br />

Heeres-Sanitätsinspektion, von <strong>der</strong> er wissen wollte, welcher<br />

Wert diesen Versuchen beizumessen sei. Generalarzt Hans<br />

Wagner kommentierte, es sei verhältnismäßig leicht, mit den<br />

beson<strong>der</strong>s wi<strong>der</strong>standsfähigen Sporen des Milzbrand-<br />

Erregers Gelände so zu verseuchen, <strong>das</strong>s dort weidende Tiere<br />

erkranken. Diese Weiden könne man dann für lange Zeit<br />

nicht nutzen. Um aber einer schwere Schädigung <strong>der</strong><br />

Versorgungslage des Gegners herbeizuführen, brauchte man<br />

„ungeheure Mengen“ von Milzbrandsporen <strong>und</strong> müsste sie<br />

systematisch weit über große Teile des Landes verteilen. Das<br />

sei technisch kaum durchführbar. „Vom Flugzeug aus ist <strong>das</strong><br />

sicher nicht möglich, durch Agenten wäre es theoretisch möglich,<br />

dazu wäre aber ein Heer von Leuten notwendig.“ Im<br />

Nachhinein ist es schon erstaunlich festzustellen, <strong>das</strong>s verantwortliche<br />

deutsche Experten nicht an die Möglichkeit dachten,<br />

diese o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>e Erreger mit Granaten zu verschießen<br />

o<strong>der</strong> aus <strong>der</strong> Luft zu versprühen <strong>und</strong> <strong>das</strong>s sie dabei auch die<br />

im abgefangenen Bericht erwähnten diesbezüglichen<br />

Erfahrungen <strong>der</strong> Franzosen total ignorierten.<br />

Wagner regte an, man solle auch die Meinung <strong>der</strong> Heeres-<br />

Veterinärinspektion einholen. Generaloberstabsveterinär<br />

Professor Curt Schulze antwortete, natürlich seien alle<br />

Heerestiere für Milzbrand empfänglich, aber dazu brauche<br />

man große Mengen Sporen. Die könne man jedoch massenhaft<br />

in bakteriologischen Instituten herstellen. Da die Wi<strong>der</strong>standsfähigkeit<br />

<strong>und</strong> Haltbarkeit <strong>der</strong> Sporen außerordentlich<br />

groß sei, urteilte Schulze: „Milzbrandsporen gehören von<br />

allen bekannten Erregern zu den am besten für einen<br />

bakteriologischen Krieg geeigneten“. Allerdings würden sich<br />

die Anwen<strong>der</strong> selbst gefährden, so <strong>das</strong>s die Anwendung <strong>der</strong><br />

115


Erste Seite <strong>der</strong> Stellungnahme von Generaloberstabsveterinär Professor Curt<br />

Schulze vom 12. Juli 1938 zur Eignung von Milzbrandsporen als biologisches<br />

Kampfmittel<br />

Quelle: BAMA RH 12–9/v. 62.<br />

116


Milzbrandsporen als Kampfmittel im Operationsgebiet wenig<br />

wahrscheinlich sei. Es gebe aber die Möglichkeit, Räumungsgebiete<br />

mit Milzbrand weit dauerhafter als durch chemische<br />

Kampfstoffe zu verseuchen. Dabei bestünde „bei solchen<br />

Sperren durch Milzbrandverseuchung die größere Gefahr für<br />

den Menschen“. Sehr schwerwiegende Folgen könnte aber<br />

die Anwendung <strong>der</strong> Milzbrandsporen im gegnerischen<br />

Hinterland haben, „so weit von <strong>der</strong> Front abgesetzt, <strong>das</strong>s <strong>der</strong><br />

Urheber <strong>der</strong> Verseuchung für sein Heer <strong>und</strong> Land keine<br />

Gefahrenquellen schafft“. Da auch <strong>das</strong> Abwerfen großer<br />

Massen von Milzbrandsporen auf Weidegebiete, Wiesen,<br />

Wasserläufe usw. ohne Schwierigkeiten möglich sei, regte<br />

Schulze an, diese Angelegenheit weiter zu verfolgen. In<br />

entsprechenden Versuchen sollte beispielsweise ermittelt<br />

werden, welche Sporenmengen zur Verseuchung von Weideflächen<br />

notwendig seien.<br />

Gleichzeitig erbat die Heeres-Veterinärinspektion Gutachten<br />

ziviler Sachverständiger. Einer <strong>der</strong> befragten Experten war<br />

<strong>der</strong> Ministerialdirektor a.D. Geheimrat Prof. Dr. Dr. h.c.<br />

Robert von Ostertag. Er kam im großen <strong>und</strong> ganzen ebenfalls<br />

zu einer negativen Bewertung, welche eine Fehleinschätzung<br />

war, weil er bezweifelte, <strong>das</strong>s eine künstliche Verseuchung<br />

von Wiesen <strong>und</strong> Weiden möglich sei. Trotzdem hielt er „die<br />

Anstellung von Versuchen auf einigen Wiesen <strong>und</strong> Weiden<br />

bescheidenen Umfanges, die mit Milzbrandsporen aus<br />

Kulturen zu verunreinigen wären, zweckmäßig“.<br />

Oberstabsveterinär Professor C. Eduard Richters, Chef des<br />

Heeres-Veterinäruntersuchungsamtes, schloss sich Ostertags<br />

falscher Einschätzung an. Außerdem meinte er, <strong>das</strong>s die<br />

vorgeschlagenen Versuche nicht zuletzt wegen <strong>der</strong> Gefahr<br />

einer unkontrollierten Ausbreitung <strong>der</strong> Milzbrand-Erreger<br />

schwierig durchzuführen seien. Man solle deshalb besser<br />

darauf verzichten. Schulze stützte diese Meinung <strong>und</strong> reichte<br />

Richters Gutachten am 26. September 1938 an die Inspektion<br />

<strong>der</strong> Nebeltruppen weiter, mit dem Vorschlag, „von Versuchen<br />

117


zunächst Abstand zu nehmen“. Trotz Ochsners Faible für<br />

biologische Kriegsführung zögerte man dort nicht lange <strong>und</strong><br />

antwortete einen Tag später, man sei mit diesem Vorschlag<br />

einverstanden.<br />

Mit an<strong>der</strong>en Worten: Obwohl Milzbran<strong>der</strong>reger nach <strong>der</strong><br />

oben zitierten Meinung des führenden Militärveterinärs von<br />

allen bekannten Erregern zu den geeignetsten biologischen<br />

Kampfmitteln gehören <strong>und</strong> obwohl — in diesem Fall sogar<br />

korrekte — Informationen über französische Aktivitäten mit<br />

Bacillus anthracis vorlagen, verzichtete die dafür zuständige<br />

Inspektion ein Jahr vor Auslösung des Zweiten Weltkrieges<br />

durch Deutschland darauf, Arbeiten an solchen Biowaffen<br />

aufzunehmen.<br />

118


In Europa schweigen die Biowaffen<br />

Entdeckungen in Frankreich lösen deutsche<br />

Aktivitäten aus 49<br />

Tatsächlich betrieb die Wehrmacht bis in den Zweiten<br />

Weltkrieg hinein keine Biowaffenaktivitäten. Noch<br />

Ende Dezember 1939 schrieben zwei <strong>der</strong> führenden<br />

Experten auf diesem Gebiet, die Oberstärzte Professor Fritz<br />

Wirth <strong>und</strong> Professor Otto Muntsch in ihrem Buch über die<br />

„Gefahren <strong>der</strong> Luft <strong>und</strong> ihrer Bekämpfung“, die Biowaffe sei<br />

gr<strong>und</strong>sätzlich kein geeignetes Kampfmittel, „weil sie zu langsam<br />

<strong>und</strong> zu unsicher wirken würde <strong>und</strong> weil sie die eigenen<br />

Reihen kaum weniger gefährden würde als die des Gegners“.<br />

Außerdem könnte die Gefahr durch prophylaktische<br />

Maßnahmen stark reduziert werden. „Die Gefahr eines<br />

bakteriologischen Krieges besteht also nicht, <strong>und</strong> zwar weil<br />

die Waffe praktisch wirkungslos <strong>und</strong> im höchsten Grade<br />

zweischneidig ist.“ Damit übernahmen die beiden Fachleute<br />

völlig unverän<strong>der</strong>t eine Einschätzung, die sie vier Jahre zuvor<br />

in <strong>der</strong> 2. Auflage ihres Buches vertreten hatten. Die<br />

Parallelen zur Kontinuität <strong>der</strong> amerikanischen Bewertung<br />

sind verblüffend.<br />

Dieses Urteil über den biologischen Krieg än<strong>der</strong>te jedoch<br />

sofort, als die deutschen Truppen im Verlauf <strong>der</strong> Besetzung<br />

Frankreichs <strong>das</strong> „Laboratoire de Prophylaxie“ entdeckten.<br />

Das war nach Meinung von Generalarzt Dr. Wagner „<strong>das</strong><br />

erste Mal, <strong>das</strong>s auswärtigen (feindlichen) Mächten die<br />

Beschäftigung auf diesem Arbeitsgebiet nachgewiesen<br />

werden konnte“. Die zuvor von <strong>der</strong> „Abwehr“ gesammelten<br />

119


Eine Seite aus Heinrich Kliewes „Bericht über die Erhebungen in dem<br />

‘Laboratoire de Prophylaxie, Poudrerie nationale du Bouchet’“ vom 17.<br />

September 1940 mit Etiketten von im Institut entdeckten Bakterienkulturen.<br />

Quelle: NACP, RG 319, Box 1, Fol<strong>der</strong> BW 2, Blatt 30–50.<br />

120


Geheimdienstberichte waren also nicht sehr ernst genommen<br />

worden.<br />

Der Bakteriologe Kriegsarzt Professor Heinrich Kliewe, <strong>der</strong><br />

zur näheren Untersuchung dieser Einrichtung abkommandiert<br />

war, fand heraus, <strong>das</strong>s sich die französischen Forscher<br />

mit folgenden Themen beschäftigt hatten: „1. Infizierung von<br />

Geschossen mit Bakterien, welche die Geschosswirkung bei<br />

Verletzungen bösartiger gestalten sollen; 2. Ausbildung von<br />

Geschossen, welche Bakterien verstreuen sollen, die dann auf<br />

natürlichem Wege (M<strong>und</strong> <strong>und</strong> Nase) vom Menschen aufgenommen<br />

werden sollen; 3. Ausbreitung von Erregern<br />

menschlicher Krankheiten durch Agenten; 4. Ausbreitung<br />

tierischer Krankheiten o<strong>der</strong> durch Tiere auf den Menschen<br />

übertragbarer Krankheiten; 5. Ausbreitung von Pflanzenkrankheiten.“<br />

Da nach Kliewes Erkenntnissen vor allem mit<br />

tierischen Krankheitserregern gearbeitet worden war, nahm er<br />

an, „<strong>das</strong>s die bakteriologische Waffe <strong>der</strong> Franzosen zur Unterstützung<br />

des von den Englän<strong>der</strong>n gedachten Wirtschaftskrieges<br />

<strong>und</strong> <strong>der</strong> Aushungerung Deutschlands gedacht war“.<br />

Nachdem er sich bei <strong>der</strong> Evaluierung des französischen<br />

Instituts bewährt hatte, wurde Kliewe Mitte Januar 1941 „zur<br />

Bearbeitung aller Fragen des B.-Krieges“ an die Militärärztliche<br />

Akademie nach Berlin versetzt. Da es entgegen den<br />

„Erkenntnissen“ des britischen <strong>Geheimdienste</strong>s zu diesem<br />

Zeitpunkt noch kein für die Durchführung von Biowaffen-<br />

Experimenten geeignetes Institut <strong>der</strong> Wehrmacht gab, wurde<br />

Kliewe im Hygienisch-bakteriologischen Institut <strong>der</strong> Akademie<br />

eine eigene Abteilung eingerichtet. Die blieb aber verhältnismäßig<br />

klein <strong>und</strong> war auch nicht son<strong>der</strong>lich ausgerüstet,<br />

geschweige denn für Arbeiten mit dual-threat-Agenzien<br />

geeignet.<br />

Aufgr<strong>und</strong> seiner Erfahrungen in Frankreich war Kliewe für<br />

Biowaffenaktivitäten äußerst motiviert, zumal er meinte, „die<br />

Gefahr, <strong>das</strong>s England in seiner Verzweiflung den Bakterien-<br />

121


Eine Seite aus Kliewes Auswertung <strong>der</strong> im „Laboratoire de Prophylaxie“<br />

erbeuteten Akten<br />

Quelle: NACP, RG 319, Box 1, Fol<strong>der</strong> BW 2. Blatt :21–26.<br />

122


krieg anwendet, ist recht groß. Es wurden deshalb, fußend auf<br />

französische[n] Untersuchungen, entsprechende Vorbereitungen<br />

getroffen, um je<strong>der</strong>zeit in <strong>der</strong> Lage zu sein, die<br />

Bakterienwaffe als Gegenmaßnahme anzuwenden“.<br />

Ein Schwerpunkt von Kliewes Arbeiten waren Untersuchungen<br />

über die synergistische Wirkung von chemischen<br />

Kampfmitteln <strong>und</strong> Milzbrandbakterien. Solche Versuche<br />

waren ja nach Kliewes Erkenntnissen auch in Frankreich<br />

durchgeführt worden. Außerdem hatte Kliewe von einem<br />

französischen Kollaborateur erfahren, „<strong>das</strong>s die Englän<strong>der</strong><br />

den Einsatz einer Kombination von Senfgas <strong>und</strong> Bakterien<br />

beabsichtigten“ — was wie<strong>der</strong> eine Falschmeldung war.<br />

Darüber hinaus versuchte Kliewe auch an<strong>der</strong>e französische<br />

Arbeiten zu wie<strong>der</strong>holen bzw. weiterzuführen, etwa Versuche,<br />

Anthrax-Sporen mittels Metallsplittern zu verbreiten o<strong>der</strong> in<br />

Ampullen verschiedener Form <strong>und</strong> Größe gefüllt, mit denen<br />

Bomben o<strong>der</strong> Granaten beschickt werden sollten. Weitere<br />

Arbeiten schlossen auch Versuche zur Erhöhung <strong>der</strong><br />

Überlebensfähigkeit verschiedener Bakterienarten ein, sowie<br />

Experimente zur Vergrößerung <strong>der</strong> Hitzeresistenz von<br />

Bacillus anthracis. Nicht zuletzt durch Personal- <strong>und</strong> Raummangel<br />

bedingt, konnten diese experimentellen Arbeiten<br />

aber nur in recht bescheidenem Ausmaß durchgeführt werden.<br />

Vor allem entwarf Kliewe mehrere Konzepte für die<br />

Anwendung biologischer Kampfmittel. So diskutierte er<br />

erstens den Einsatz <strong>der</strong> Erreger von Anthrax, Typhus, Ruhr,<br />

Cholera, Tularämie, Pest <strong>und</strong> Rotz. Deren Ausbringung, etwa<br />

zur Verseuchung zentraler Wasserreservoirs, sei je<strong>der</strong>zeit<br />

durch Agenten möglich; an<strong>der</strong>e Einsatzmöglichkeiten würden<br />

die Durchführung entsprechen<strong>der</strong> Feldversuche voraussetzen.<br />

Daneben könne zweitens innerhalb weniger Wochen<br />

eine Verwendung von Läusen erfolgen, die mit Fleckfieber-<br />

Erregern infiziert sind. Drittens sei in kürzester Zeit <strong>der</strong><br />

Einsatz von Gemischen aus Anthrax-Sporen <strong>und</strong> chemischen<br />

Kampfstoffen möglich. Im gleichen Zeitraum könnten auch<br />

die Erreger von Hühnercholera, Maul- <strong>und</strong> Klauenseuche<br />

123


<strong>und</strong> an<strong>der</strong>er Tierkrankheiten eingesetzt werden, Rin<strong>der</strong>pestviren<br />

jedoch nur dann, wenn die deutschen Viehbestände<br />

dadurch nicht gefährdet würden.<br />

Milzbrandsporen könnten direkt von Flugzeugen aus versprüht<br />

werden. Alternativ könnten sie in h<strong>und</strong>erte von Glasröhrchen<br />

gefüllt <strong>und</strong> diese in Fliegerbomben eingebracht werden.<br />

Pest-Erreger könnten dadurch verbreitet werden, <strong>das</strong>s man<br />

von Flugzeugen infizierte Kadaver von Ratten, Meerschweinchen<br />

o<strong>der</strong> Mäusen abwirft, die dann von Ratten <strong>und</strong><br />

möglicherweise auch Katzen gefressen werden. Eine an<strong>der</strong>e<br />

Möglichkeit sei <strong>der</strong> „Abwurf von Ratten von Flugzeugen, die<br />

mit Pestbazillen infiziert sind, in sich selbst öffnenden, an<br />

Fallschirmen befestigten Behältern“. Denkbar sei auch<br />

Abwurf von pestinfizierten Ratten in Glasbehältern. „Die Tiere<br />

werden getötet, wenn die Gefäße auf den Boden aufschlagen.<br />

Daraufhin verlassen die infizierten Flöhe die Rattenkadaver<br />

<strong>und</strong> suchen sich tierische o<strong>der</strong> menschliche Wirte“.<br />

Weil sich Kliewe vor allem für Verfahren zur Ausbringung<br />

von Biokampfstoffen interessierte, nahm er auch mit größtem<br />

Interesse ein 37seitiges Manuskript „Über den Bakterien-<br />

Krieg“ zur Kenntnis, <strong>das</strong> <strong>der</strong> japanische Oberfeldarzt Dr.<br />

Enryo Hojo im Jahre 1941 <strong>der</strong> Sanitätsinspektion übergeben<br />

hatte. Hojo, <strong>der</strong> seit Februar dieses Jahres als Medizinischer<br />

Attaché an <strong>der</strong> japanischen Botschaft in Berlin tätig war,<br />

machte unter an<strong>der</strong>em Angaben über den enormen<br />

Aufwand, <strong>der</strong> erfor<strong>der</strong>lich sei, um beispielsweise eine Tonne<br />

getrockneter Typhuserreger herzustellen. Das veranlasste<br />

Kliewe zu <strong>der</strong> Schlussfolgerung, wenn man offensiv bakteriologische<br />

Kriegsführung betreiben wolle, müsse man zur Produktion<br />

<strong>der</strong> verwendeten Bakterien eine ganze Fabrik bauen.<br />

Zu Hojos Ausführungen hinsichtlich <strong>der</strong> Möglichkeiten zur<br />

Ausbringung <strong>der</strong> biologischen Kampfmittel, formulierte<br />

Kliewe eine Reihe von Detailfragen. Unter an<strong>der</strong>em wollte<br />

er von Hojo wissen, ob „die Keime, die mit Bomben o<strong>der</strong><br />

Kanonenkugeln ausgestoßen werden, nicht durch die<br />

Explosionshitze abgetötet“ werden, wie „man mit dem<br />

124


Gewehr Keimerreger (Tetanus, Gasbrand, Melitensis, Tularämie,<br />

Pest usw.) verschießen“ kann <strong>und</strong> ob „Pestbazillen vorteilhafter<br />

durch infizierte Flöhe allein o<strong>der</strong> durch ausgesetzte<br />

infizierte Ratten verbreitet“ werden. Außerdem wollte<br />

Kliewe wissen, woran man erkenne, „<strong>das</strong>s <strong>der</strong> Feind Keime<br />

versprüht o<strong>der</strong> verregnet hat? Wie erfolgt <strong>der</strong> Nachweis <strong>der</strong><br />

Keime in <strong>der</strong> Luft?“ — zwei Fragen, die auch heute noch<br />

nicht zur Zufriedenheit <strong>der</strong> Militärs beantwortet werden<br />

können.<br />

Hojo beantwortete Kliewes Fragen aber nicht <strong>und</strong> gab in seinem<br />

Manuskript auch keinerlei Hinweise zu dem japanischen<br />

Biowaffenprogramm, obwohl er vor seiner Abkommandierung<br />

nach Berlin mit General Ishii, dem Chef <strong>der</strong> japanischen<br />

Biowaffenaktivitäten, zusammengearbeitet hatte. Aber solche<br />

Angaben hätten vermutlich auch nicht viel genützt. Denn<br />

in <strong>der</strong> Zwischenzeit, Ende Mai o<strong>der</strong> Anfang Juni 1942, erfuhr<br />

Kliewe, „<strong>das</strong>s <strong>der</strong> Führer neuerdings entschieden habe, <strong>der</strong><br />

Einsatz von Bakterien sei nicht beabsichtigt“.<br />

125


Aber Japan schreckt nicht vor biologischer<br />

Kriegsführung zurück 50<br />

Das von Shiro Ishii unter dem Eindruck des Genfer<br />

Protokolls gestartete japanische Biowaffenprogramm<br />

lief zu dieser Zeit bereits auf vollen Touren. Ishii konnte in<br />

Tokio, vor allem aber fernab vom Mutterland in Japans<br />

Marionettenstaat Mandschukuo zunächst in Harbin, dann in<br />

<strong>der</strong> weniger belebten Gegend von Beijinge <strong>und</strong> schließlich ab<br />

1936 in Pingfan Forschungs- <strong>und</strong> Produktionsstätten gewaltigen<br />

Ausmaßes für Biowaffen errichten. In Pingfan, etwa 20 km<br />

südlich von Harbin, etablierte er die „Unit 731“; die zur<br />

Tarnung „Amt für Wasserreinigung <strong>der</strong> Kwangtung-Armee“<br />

genannt wurde. H<strong>und</strong>erte, vielleicht sogar Tausende japanischer<br />

<strong>und</strong> koreanischer Wissenschaftler <strong>und</strong> Techniker führten<br />

in dem aus mehr als 150 Gebäuden bestehenden Komplex an<br />

mehr als 10.000 Kriegsgefangenen Versuche durch, in denen<br />

die Eignung verschiedenster Krankheitserreger sowie von<br />

Botulinum-Toxin <strong>und</strong> Tedrodotoxin, dem Gift des Kugelfisches,<br />

als Kampfmittel untersucht wurde.<br />

Als beson<strong>der</strong>s geeignet wurden die Erreger von Pest, Ruhr,<br />

Typhus <strong>und</strong> Milzbrand eingeschätzt. Mindestens 3000<br />

Häftlinge fielen den grausamen Versuchen zum Opfer.<br />

Bruzellose<br />

Cholera<br />

Fleckfieber<br />

Gasbrand<br />

Influenza<br />

Koreanisches<br />

hämorrhagisches<br />

Fieber<br />

Melloidose<br />

126<br />

SHIRO ISHII UND MITARBEITER<br />

UNTERSUCHTEN DIE ERREGER VON:<br />

Milzbrand<br />

Paratyphus<br />

Pest<br />

Pocken<br />

Rin<strong>der</strong>pest<br />

Rotz<br />

Ruhr<br />

Russische<br />

Frühjahrs-<br />

Sommer-<br />

Enzephalitis<br />

Tetanus<br />

Tsutsugamushi<br />

-Fieber<br />

Tuberkulose<br />

Tularämie<br />

Typhus


Vom US-amerikanischen Nachrichtendienst nach dem Zweiten Weltkrieg<br />

angefertigter Lageplan <strong>der</strong> Einrichtung in Pingfan<br />

Quelle: Tsuneishi 1985, S. 189<br />

127


Die „Unit 731“ war zwar die bekannteste, aber nicht die einzige<br />

japanische Biowaffeneinrichtung. Seit 1935 existierte in<br />

<strong>der</strong> Nähe von Changchun die „Unit 100“, die offiziell die<br />

Aufgabe hatte, Militärpferde vor Infektionen zu schützen.<br />

Auf einer Fläche von etwa zwanzig Quadratkilometern<br />

wurden von mehr als 1000 Mitarbeitern die Erreger von<br />

Tierseuchen sowie Pflanzenkrankheiten als potenzielle<br />

Biowaffen bearbeitet. In <strong>der</strong> „Unit 100“ wurden beträchtliche<br />

Mengen von Krankheitserregern produziert, darunter<br />

jährlich allein 1000 kg Milzbrandbakterien. Für damalige<br />

Verhältnisse war <strong>das</strong> sehr viel.<br />

Weitere größere Einrichtungen, die sich mit biologischer<br />

Kriegsführung beschäftigten, gab es unter an<strong>der</strong>em in<br />

Nanjing (Nanking, „Unit 1644“), Guanzhou (Kanton, „Unit<br />

8604“) <strong>und</strong> Beijing (Peking, „Unit 1855“), sowie in Rangun,<br />

Singapur <strong>und</strong> möglicherweise auch in Shanghai.<br />

Zur Verbreitung <strong>der</strong> Erreger wurden mindestens acht<br />

verschiedene Bomben-Typen entwickelt <strong>und</strong> erprobt, zum<br />

Teil in geschlossenen Räumen, zum Teil aber auch auf<br />

verschiedenen ausgedehnten Testgeländen. Darüber hinaus<br />

wurden für Biosabotageakte geeignete Instrumente entwickelt<br />

<strong>und</strong> produziert, beispielsweise Spazierstöcke, die Pestflöhe<br />

enthielten <strong>und</strong> als Füllfe<strong>der</strong>halter getarnte Spritzpistolen für<br />

Bakteriensuspensionen. Die Japaner erwogen außerdem den<br />

Einsatz „leben<strong>der</strong> Bomben“: Kriegsgefangene <strong>und</strong> internierte<br />

ausländische Zivilisten sollten mit geeigneten Pathogenen<br />

infiziert <strong>und</strong> hernach in die Heimatlän<strong>der</strong> entlassen werden.<br />

Ob <strong>das</strong> dann auch in die Tat umgesetzt wurde, ist nicht<br />

bekannt.<br />

Die Deutschen waren über die intensiven Biowaffenaktivitäten<br />

ihrer Verbündeten ebenso wenig informiert wie die<br />

Kriegsgegner. Die spärlichen Informationen, die ins Ausland<br />

drangen o<strong>der</strong> die <strong>der</strong> „Abwehr“ von einem sowjetischen<br />

Überläufer übermittelt wurden, nahmen sie anscheinend<br />

nicht ernst. Als im April 1942 unter Bezug auf eine Presse-<br />

128


Vom amerikanischen Geheimdienst entworfene schematische Darstellung <strong>der</strong><br />

Uji-Porzellanbombe, die für den Einsatz biologischer Kampfmittel konstruiert<br />

worden war.<br />

Quelle: NACP, RG 319, 9 8 E 13.<br />

129


konferenz des chinesischen Informationsministers nach<br />

Berlin gemeldet wurde, „Die Japaner sind zum Bazillenkrieg<br />

übergegangen“ <strong>und</strong> hätten Pestbakterien über Changtzeh<br />

verbreitet, fragten die Deutschen lediglich bei <strong>der</strong> japanischen<br />

Botschaft nach. Die teilte ihnen mit, dies sei eine Lüge.<br />

Damit gab man sich zufrieden.<br />

Nach dem Zweiten Weltkrieg sagte <strong>der</strong> zivile Koordinator<br />

<strong>der</strong> deutschen B-(Schutz-) Aktivitäten Professor Kurt Blome<br />

im Verhör aus, er habe sich bei Himmler nach etwaigen<br />

japanischen Biowaffenforschungen erk<strong>und</strong>igt. Der Reichsführer<br />

SS habe daraufhin den Sicherheitsdienst auf <strong>das</strong><br />

Thema angesetzt, aber <strong>das</strong> sei erfolglos geblieben.Tatsächlich<br />

meinte Shiro Ishii in einem Verhör, er „glaube nicht, <strong>das</strong>s die<br />

Deutschen viele Informationen aus Japan erhalten haben.<br />

Die Deutschen waren an solchen Angaben sehr interessiert,<br />

sie wurden aber immer hingehalten.“<br />

130


Falschmeldung bewegt Hitler zu<br />

weitreichen<strong>der</strong> Entscheidung 51<br />

Nachdem man von den Franzosen gelernt hatte, <strong>das</strong>s<br />

biologische Kampfmittel aussichtsreiche Waffensysteme<br />

sind, an denen vermutlich auch die an<strong>der</strong>en Kriegsgegner<br />

arbeiten würden, startete man in Deutschland nicht nur<br />

eigene Arbeiten auf diesem Gebiet, son<strong>der</strong>n versuchte gezielt<br />

<strong>und</strong> verstärkt Informationen über entsprechende gegnerische<br />

Aktivitäten zu sammeln.<br />

Der Inhalt dieser Informationen bestand aus viel Dichtung<br />

<strong>und</strong> wenig Wahrheit. Von „vertrauenswürdiger ungarischer<br />

Seite“ wurde beispielsweise Ende 1940 mitgeteilt, <strong>das</strong>s<br />

„England demnächst in Deutschland, Ungarn <strong>und</strong> Rumänien<br />

Cholera- u.Typhus-Epidemien hervorrufen“ werde. Im August<br />

1941 meldete ein V-Mann, in den Londoner Krankenhäusern<br />

„St. Bartholomew-the-Great sowie St. Thomas sind ausgedehnte<br />

Züchtungen vorgenommen worden von: 1. ‚Glan<strong>der</strong>s’<br />

-Kulturen (Rotzkulturen gegen Pferde), 2. ‚Spenitis’-<br />

Kulturen (Milzbrandsporen), es handelt sich hierbei nur um<br />

Sporen, 3. Pestbazillen, 4. Ruhrbazillen“. Milzbrandsporen<br />

seien <strong>das</strong> beste Kampfmittel. „Als nächstbestes Bakterienmittel<br />

wurde <strong>der</strong> Pestbazillus erkannt, danach kommen die<br />

Rotzkulturen gegen die Pferde <strong>und</strong> zuletzt <strong>der</strong> Ruhrbazillus.“<br />

Im Januar 1942 ging ein weiterer ausführlicher Bericht über<br />

angebliche britische Biowaffenexperimente ein, in dem es<br />

unter an<strong>der</strong>em heißt: „Seit August 1941 sind auf Verlangen<br />

<strong>der</strong> Londoner Stäbe Bazillenversuche in Kanada im Gange.“<br />

Die Behauptungen waren völlig aus <strong>der</strong> Luft gegriffen,<br />

wurden in Deutschland aber für bare Münze genommen. Das<br />

galt auch für einen Bericht, den die „Abwehr“ im April 1942<br />

erhielt. Demzufolge seien in den USA Versuche mit Texas-<br />

Zecken <strong>und</strong> Kartoffelkäfern durchgeführt worden, die von<br />

Flugzeugen aus verstreut wurden. Die US-Experten seien zu<br />

131


Falschmeldung <strong>der</strong> Abwehr vom 30. April 1942, die Hitlers Entscheidung<br />

gegen den Biokrieg auslöste<br />

Quelle: NACP, RG 319, Box 2, Fol<strong>der</strong> BW 8, Blatt 1834014–15.<br />

132


Erstmalige offizielle Mitteilung von Hitlers Verbot <strong>der</strong> Vorbereitung aktiver<br />

biologischer Kriegsführung<br />

Quelle: NACP, RG 319, Box 3, Fol<strong>der</strong> BW 14, Blatt 61.<br />

133


<strong>der</strong> Einschätzung gekommen, <strong>das</strong>s die deutsche Nahrungsmittelproduktion<br />

wirksamer mit Insekten als mit Bakterien<br />

gestört werden könne. „Durch den Insektenkrieg verspricht<br />

man sich in kurzer Zeit viel mehr durch Schädigung <strong>der</strong><br />

Nahrungsversorgung als durch Bakterienübertragung. Einsatz<br />

daher bei Insekten bald wahrscheinlich, bei Bakterien<br />

dagegen nicht.“ Dem Bericht zufolge seien drei Experten in<br />

den letzten Märztagen mit einem B-24 Bomber nach England<br />

geflogen. „Sie nahmen mit: a) in einigen Kisten insgesamt ca<br />

15.000 St. Kartoffelkäfer (Coloradokäfer) <strong>und</strong> b.) eine Kiste<br />

mit Texas-Zecken. In <strong>der</strong> zweiten Aprilwoche fliegt eine<br />

weitere Sendung ab“. In ausgedehnten Versuchen seien nur<br />

mit diesen beiden Insekten wirklich befriedigende Resultate<br />

erzielt worden. Ihre Übertragung auf weite Flächen gelingt in<br />

einem hohen Prozentsatz durch Abwurf aus dem Flugzeug in<br />

bestimmten Monaten leicht. Nunmehr stehe <strong>der</strong> Abwurf<br />

sowohl großer Mengen Kartoffelkäfer, als auch <strong>der</strong> Texas-<br />

Zecke unmittelbar bevor.<br />

Das war eine Falschmeldung, was die Deutschen aber nicht<br />

wissen konnten. Speziell die Erwähnung <strong>der</strong> Kartoffelkäfer<br />

klang glaubhaft, denn man wusste ja inzwischen, <strong>das</strong>s die<br />

Franzosen Kartoffelkäfer als Kampfmittel in Aussicht<br />

genommen hatten.* Die Meldung wurde deshalb bis zum<br />

Chef des Oberkommandos <strong>der</strong> Wehrmacht, Generalfeldmarschall<br />

Wilhelm Keitel, hochgereicht, <strong>und</strong> <strong>der</strong> legte sie<br />

Hitler vor. Hitler fasste daraufhin, nach Vorlage dieser<br />

Falschmeldung, den historisch bedeutsamen Beschluss, „<strong>das</strong>s<br />

unsererseits Vorbereitungen für einen Bakterienkrieg nicht<br />

zu treffen sind“. Dass es ausgerechnet eine Falschinformation<br />

<strong>der</strong> „Abwehr“ war, die Hitler zu dieser schwerwiegenden<br />

Entscheidung veranlasste, ist ein echter Treppenwitz <strong>der</strong><br />

Weltgeschichte.<br />

* Wie <strong>der</strong> Informant aber auf „Texas-Zecken“ kam ist völlig unklar. Sie werden nirgendwo<br />

in <strong>der</strong> einschlägigen Literatur als potentielle Kampfmittel o<strong>der</strong> als Überträger<br />

für solche erwähnt.<br />

134


Das Verbot wurde später mehrfach wie<strong>der</strong>holt <strong>und</strong> präzisiert.<br />

Auch nachdem Überläufer „sensationelle Informationen“<br />

über angebliche sowjetische Biowaffenaktivitäten übermittelt<br />

hatten, entschied Hitler laut einer Eintragung im Tagebuch<br />

des Wehrmachtführungsstabs (WFSt) erneut, „<strong>das</strong>s bei uns<br />

nichts <strong>der</strong>gleichen unternommen werden soll“. An dieser<br />

Festlegung än<strong>der</strong>te sich auch nichts, nachdem vom WFSt<br />

Anfang 1943 eingeschätzt worden war, <strong>das</strong>s sich inzwischen<br />

die Lage geän<strong>der</strong>t habe, „da Russland, England <strong>und</strong> Amerika<br />

einen Angriff mit B-Mitteln zu planen scheinen <strong>und</strong><br />

Frankreich ihn vorbereitet hatte“.<br />

Selbst gegen den Einsatz von Agenten hatte sich Hitler<br />

entschieden. Als <strong>der</strong> WFSt am 23. Februar 1943 vorschlug,<br />

„unbeschadet <strong>der</strong> Absicht, den B-Krieg nicht zu führen,<br />

Vorbereitungen zu treffen, die nach kurzem Anlauf einen<br />

wirksamen Gegenschlag mit B-Mitteln erlauben“ <strong>und</strong> die<br />

Frage aufwarf, „ob durch Agenten B-Mittel schon jetzt im<br />

Hinterlande eingesetzt werden sollen“, wurde im Tagebuch<br />

des WFSt notiert: „Der Führer lehnt den Einsatz von Agenten<br />

scharf ab“. Auch <strong>das</strong> ist sehr erstaunlich, denn erst ein Jahr<br />

zuvor hatte Hitler von <strong>der</strong> „Abwehr“ gefor<strong>der</strong>t, zumindest in<br />

den USA eine umfassende Agententätigkeit aufzunehmen.<br />

Zudem waren inzwischen auch wie<strong>der</strong> zwei alte Biosabotage-<br />

Praktiker für die „Abwehr“ tätig, die beiden früheren Chefs<br />

<strong>der</strong> Sektion Politik, Hans Marguerre <strong>und</strong> Rudolf Nadolny.<br />

Kliewe sprach dieses Thema in einem Gespräch mit Marguerre<br />

sogar explizit an, denn <strong>der</strong> war wie<strong>der</strong> in einer für „Sabotage<br />

<strong>und</strong> Zersetzung“ zuständigen Dienststelle tätig, <strong>der</strong> „Abteilung<br />

I“ <strong>der</strong> „Abwehr“. Anschließend notierte Kliewe: „Ob unsererseits<br />

noch eine an<strong>der</strong>e Stelle besteht, die mit B.-Mitteln<br />

arbeitende Agenten einsetzt, ist Oberst M. unbekannt. Der<br />

Führer habe jede Agententätigkeit verboten, deshalb glaube<br />

er es nicht“.<br />

Warum Hitler aktive Biokriegsvorbereitungen untersagt <strong>und</strong><br />

dieses Verbot nicht aufgehoben hatte, bleibt bis heute im<br />

Dunklen. 52 Möglicherweise wurde er von drei gänzlich unter-<br />

135


schiedlichen Beweggründen bestimmt: Von seiner ausgesprochenen<br />

Furcht vor Bakterien, von einer — durchaus<br />

begründeten — Angst vor gleichartigen Vergeltungsschlägen<br />

<strong>der</strong> Kriegsgegner <strong>und</strong> von einer — für ihn völlig untypischen<br />

— Vertragstreue zum Genfer Protokoll von 1925. Die<br />

mutmaßliche Vertragstreue bezog sich allerdings nur auf <strong>das</strong><br />

in diesem Abkommen vereinbarte Verbot <strong>der</strong> biologischen<br />

Kriegsführung. An Vorbereitungen zum chemischen Krieg<br />

war Hitler dagegen sehr interessiert, obgleich er chemische<br />

Kampfstoffe schließlich auch nicht einsetzen ließ.<br />

Vielleicht hat Hitler aber auch geahnt, <strong>das</strong>s mit <strong>der</strong> Meldung<br />

über den bevorstehenden Einsatz von Kartoffelkäfern etwas<br />

nicht stimmte: Wie André Brissaud in seiner Biographie von<br />

Geheimdienstchef Wilhelm Canaris erwähnt, habe Hitler im<br />

Oktober 1942 Keitel gegenüber geäußert: „Dieser Canaris ist<br />

ein Dummkopf. Er fällt auf alles herein, was die Amerikaner<br />

ihm auch vorsetzen... Verschonen Sie mich mit den Berichten<br />

<strong>der</strong> Abwehr, <strong>das</strong> sind alles Defätisten, ihre Informationen<br />

sind stets irreführend.“ 53<br />

Hitler hatte aber im Zusammenhang mit dem Verbot offensiver<br />

Biokriegsvorbereitungen „äußerste Bemühungen um<br />

Abwehrmittel <strong>und</strong> Abwehrmaßnahmen gegen etwaige Feindangriffe<br />

mit Bakterien“ gefor<strong>der</strong>t. Daraufhin wurde nun auch<br />

in Deutschland erstmals eine militärische Organisation<br />

gegründet, die sich mit dem Schutz vor biologischen <strong>und</strong><br />

Toxin-Kampfmitteln beschäftigen sollte, die „Arbeitsgemeinschaft<br />

Blitzableiter“. Ihr gehörte auch Heinrich Kliewe an.<br />

Dies erwies sich nachträglich als großer Glücksumstand für<br />

die Historiker: Der inzwischen zum Oberkriegsarzt beför<strong>der</strong>te<br />

Bakteriologe führte ausführlich Protokoll, sowohl über die<br />

Sitzungen <strong>der</strong> Arbeitsgemeinschaft als auch über sonstige<br />

Besprechungen zu Fragen <strong>der</strong> biologischen Kriegsführung.<br />

Darüber hinaus legte er eine umfangreiche Sammlung von<br />

Geheimdienstberichten an. Bei Kriegsende versteckte er die<br />

Dokumente im Keller eines bayerischen Klosters, wo sie aber<br />

von Experten <strong>der</strong> angloamerikanischen „Alsos-Mission“<br />

136


Erste Seite von Kliewes Inhaltsverzeichnis seines Ordners mit Geheimdienstberichten<br />

aus Frankreich<br />

Quelle: NACP, RG 319, Box 1, Fol<strong>der</strong> BW 2.<br />

137


entdeckt wurden. Diese stuften <strong>das</strong> Material als „geheim“ ein<br />

<strong>und</strong> brachten es in die USA, wo es heute im Nationalarchiv<br />

frei zugänglich ist. So haben wir dank Kliewes Sammeleifer<br />

die Möglichkeit, ein weitgehend lückenloses Bild über die<br />

deutschen Biowaffenaktivitäten zeichnen zu können.<br />

Die „Arbeitsgemeinschaft Blitzableiter“ war aber nur für<br />

den militärischen B-Schutz verantwortlich. Parallel zu ihrer<br />

Gründung wurde <strong>der</strong> stellvertretende Reichsärzteführer<br />

Professor Kurt Blome als ziviler Koordinator von Biowaffenaktivitäten<br />

berufen. Blome baute ein personelles <strong>und</strong> institutionelles<br />

Netzwerk auf, aus dem man verlässlich schließen<br />

kann, welche deutschen Institute mehr o<strong>der</strong> weniger intensiv<br />

in Biowaffenaktivitäten einbezogen waren, erklärtermaßen<br />

zu Fragen des B-Schutzes (Tabelle).<br />

Voraussetzung für die von Hitler befohlene Verstärkung <strong>der</strong><br />

Schutzmaßnahmen war natürlich eine bessere Kenntnis <strong>der</strong><br />

gegnerischen Biowaffenaktivitäten. Deshalb versuchte man,<br />

beson<strong>der</strong>s wichtige Informationen gezielt zu beschaffen.<br />

Kliewe stellte für die „Abwehr“ entsprechende Fragen<br />

zusammen.<br />

Heinrich Kliewes Fragen an die „Abwehr“<br />

1. Gibt es in England o<strong>der</strong> Amerika Institute o<strong>der</strong> Einrichtungen, die<br />

sich mit dem B.-Krieg befassen, wo <strong>und</strong> welche?<br />

2. Sind Namen von Professoren o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Personen bekannt, die<br />

sich mit dem B.-Krieg beschäftigen o<strong>der</strong> in den letzten Jahren beschäftigt<br />

haben?<br />

3. Welche Arten von Bakterien kommen in Frage <strong>und</strong> welche werden<br />

für beson<strong>der</strong>s geeignet gehalten?<br />

4. Ist Masseneinsatz o<strong>der</strong> Anwendung von Agenten vorgesehen?<br />

5. Sind beson<strong>der</strong>e Methoden <strong>und</strong> Geräte für die Ausbringung von B.-<br />

Material vorhanden <strong>und</strong> welche?<br />

6. Glaubt man bei den Feindmächten, <strong>das</strong>s die Achsenmächte den B.-<br />

Krieg vorbereitet haben <strong>und</strong> sind Schutzmaßnahmen vorgesehen?<br />

7. Ist <strong>der</strong> Einsatz von Tierseuchenerregern o<strong>der</strong> Pflanzenschädlingen,<br />

insbeson<strong>der</strong>e von Kartoffelkäfern geplant <strong>und</strong> vorbereitet?“<br />

138


Präzise Antworten auf diese Fragen vermochte die<br />

„Abwehr“ nicht zu geben. Die Deutschen hatten — bis auf<br />

ganz wenige Ausnahmen — keine Ahnung, in welchen<br />

Einrichtungen durch welche Experten im Ausland<br />

Biowaffenaktivitäten betrieben wurden. Nicht eine <strong>der</strong> acht<br />

Biowaffeneinrichtungen Großbritanniens, Kana<strong>das</strong> <strong>und</strong> <strong>der</strong><br />

USA konnte identifiziert werden. Dagegen entdeckte die<br />

„Abwehr“ eine ganze Reihe angeblicher Biowaffeninstitute<br />

<strong>der</strong> Kriegsgegner. Das waren aber Einrichtungen, die sich<br />

entwe<strong>der</strong> nicht mit biologischen Kampfmitteln, son<strong>der</strong>n mit<br />

chemischen Waffen beschäftigten o<strong>der</strong> die überhaupt nicht<br />

existierten. Die deutschen Agenten fanden zwar heraus,<br />

<strong>das</strong>s Bacillus anthracis als Kampfmittel untersucht würde,<br />

aber <strong>das</strong> war ja nach den in Frankreich gemachten Erfahrungen<br />

naheliegend. Die intensiven Arbeiten zur Produktion <strong>und</strong> Munitionierung<br />

von Botulinum-Toxin entgingen ihnen dagegen.<br />

Ein im Gr<strong>und</strong>e ähnlicher Fragebogen wurde 1944 vom britischen<br />

Geheimdienst ausgearbeitet. Aber <strong>der</strong> nützte ebenfalls<br />

nicht viel. Die Kriegsgegner hatten keine Ahnung von Deutschlands<br />

Zurückhaltung auf diesem Gebiet. Von Hitlers Verbot<br />

wussten sie ebenso wenig wie von Ausmaß <strong>und</strong> Inhalt <strong>der</strong><br />

Einbeziehung militärischer <strong>und</strong> ziviler wissenschaftlicher Einrichtungen<br />

in B-Schutz-Aktivitäten. Dagegen orteten sie eine<br />

Reihe angeblicher deutscher Biowaffeninstitute, die es überhaupt<br />

nicht gab, <strong>und</strong> waren fälschlicherweise überzeugt davon,<br />

<strong>das</strong>s in Deutschland Anthrax-Sporen <strong>und</strong> Botulin als Kampfmittel<br />

hergestellt <strong>und</strong> für den Einsatz vorbereitet würden.<br />

Wenn es den <strong>Geheimdienste</strong>n bei<strong>der</strong> Seiten gelungen wäre,<br />

auch nur halbwegs präzise Antworten auf die ihnen gestellten<br />

Fragen zu beschaffen, dann hätte dies zu überraschenden<br />

Wendungen führen können. Die Westalliierten hätten vielleicht<br />

ihre Biowaffenaktivitäten drastisch reduziert; die<br />

Deutschen dagegen hätten es vielleicht geschafft, Hitler<br />

umzustimmen <strong>und</strong> doch biologisch aufzurüsten.<br />

139


Dem deutschen Nachrichtendienst im März 1944 in die Hände gefallene<br />

Zusammenstellung von Fragen des britischen <strong>Geheimdienste</strong>s<br />

Quelle: NACP, RG 319, Box 2, Fol<strong>der</strong> BW 8, Blatt 1834049<br />

140


Aber noch nach Kriegsende waren die USA davon überzeugt,<br />

<strong>das</strong>s die Deutschen ein offensives, von ihnen nur noch<br />

nicht entdecktes Programm betrieben hatten — vielleicht<br />

hinter <strong>der</strong> Elbe, also in den von <strong>der</strong> Roten Armee besetzten<br />

Gebieten. In einer gemeinsam vom Chef des Biowaffenkomitees,<br />

George W. Merck, <strong>und</strong> führenden Geheimdienstoffizieren<br />

vorgenommenen Analyse hieß es: „Deutschland ließ bei <strong>der</strong><br />

Suche nach <strong>und</strong> Entwicklung von neuen Offensivwaffen wie<br />

Tanks, Schnellfeuerwaffen, weitreichenden Kanonen, V-Waffen<br />

<strong>und</strong> an<strong>der</strong>en nichts unversucht. Deshalb müssen wir damit<br />

rechnen, <strong>das</strong>s sie auch die Möglichkeiten so neuartiger<br />

Kampfmittel wie biologische Waffen gründlich erk<strong>und</strong>et<br />

haben“. 54 Erst Jahre später hieß es dann selbstkritisch in einem<br />

offiziellen Bericht <strong>der</strong> US-Armee über die Erfahrungen im<br />

Zweiten Weltkrieg, die Erkenntnisse <strong>der</strong> Alsos-Mission hätten<br />

ergeben, „<strong>das</strong>s die Wahrheit hinsichtlich <strong>der</strong> deutschen<br />

Biowaffenaktivitäten erheblich von früheren Geheimdienstberichten<br />

abwich.“ 55<br />

Insofern ist nicht verw<strong>und</strong>erlich, <strong>das</strong>s die Westalliierten auch<br />

nichts genaues darüber wussten, ob <strong>und</strong> was ihre sowjetischen<br />

Verbündeten auf diesem Gebiet trieben. Aus einem<br />

ausführlichen, erst nach dem Krieg zusammengestellten<br />

Bericht des Nachrichtendienstes <strong>der</strong> US-Marine geht hervor,<br />

<strong>das</strong>s sie sich im wesentlichen auf die — nicht sehr zuverlässigen<br />

— Informationen stützten, die die Alsos-Mission<br />

Kliewes Akten <strong>und</strong> Zeugenaussagen entnahmen, sowie auf<br />

die Aussagen von drei amerikanischen Offizieren, die ab 1943<br />

in <strong>der</strong> Sowjetunion Dienst taten <strong>und</strong> „die glauben, <strong>das</strong>s die<br />

Russen an Biowaffenaktivitäten beteiligt sind“. 56 Eine<br />

Kooperation <strong>der</strong> westlichen <strong>und</strong> östlichen Alliierten gab es<br />

auf diesem Gebiet jedenfalls nicht — obwohl die „Abwehr“<br />

beispielsweise fälschlicherweise meldete, im September 1943<br />

hätten sich amerikanische <strong>und</strong> russische Wissenschaftler in<br />

Kairo getroffen, um den B.-Krieg weiter vorzubereiten.<br />

141


Während des 2. Weltkrieges an Biowaffen-Aktivitäten beteiligte<br />

deutsche Institute <strong>und</strong> Wissenschaftler.<br />

142<br />

BW-ARBEITEN AN<br />

WISSENSCHAFTLER<br />

ZUORDNUNG<br />

GRÜNDUNG<br />

ORT<br />

INSTITUT<br />

MKS-Viren (o/d)<br />

Rin<strong>der</strong>pest-Viren ? (d)<br />

O. Waldmann, H.C. Nagel,<br />

E. Traub, W. Schäfer<br />

Reich<br />

1910<br />

Insel Riems<br />

Reichsforschungsanstalt<br />

Insel Riems<br />

Milzbrand-Erregern(o)<br />

Modellbakterien u.a.<br />

H. Kliewe, G. Riedel<br />

Wehrmacht<br />

1940<br />

Berlin<br />

Abteilung Kliewe,<br />

Militärärztliche Akademie<br />

Kartoffelkäfern (d / o?)<br />

M. Schwartz,E.von Winning,<br />

K. Sellke<br />

Biologische Reichsanstalt für<br />

Land- <strong>und</strong> Forstwirtschaft<br />

1940<br />

Kruft<br />

bei Koblenz<br />

Kartoffelkäfer-Forschungsstation<br />

Kartoffelkäfern (o)<br />

Bayer<br />

???<br />

???<br />

???<br />

???<br />

bei Kriegsende noch<br />

unvollendet<br />

K. Blome, K.J. Gross, H. Seel<br />

Reich<br />

1942<br />

Posen-<br />

Nesselstedt<br />

Zentralinstitut für Krebsforschung<br />

Mücken (o/d)<br />

Pestflöhen (o) ?<br />

E. May, Ochs, Wichmann<br />

Institut für wehrwissenschaftliche<br />

Zweckforschung <strong>der</strong> Waffen-SS<br />

1942<br />

Dachau<br />

Institut für Entomologie<br />

Pest-Erregern (d)<br />

H. Gildemeister, H. Bauer,<br />

Popov, W. Reimer<br />

Wehrmacht<br />

1943<br />

Sachsenburg<br />

bei Frankenberg<br />

Institut für Mikrobiologie<br />

Unkrautsamen (o)<br />

H. Stubbe, V. Denckmann, Hj.<br />

Eichler, W. Rothmaler, O. Schwarz<br />

Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft<br />

1943<br />

Tuttenhof<br />

bei Wien<br />

Institut für Kulturpflanzenforschung<br />

bei Kriegsende erst Ausschachtungsarbeiten<br />

K. Blome, K.J. Gross<br />

Reich<br />

1944<br />

Geraberg<br />

bei Ilmenau<br />

Reichsinstitut für Grenzgebiete<br />

<strong>der</strong> Medizin


Man muss sich einmal selbst angreifen ... 57<br />

Verstärkte B-Schutz-Anstrengungen hatte Hitler<br />

also gefor<strong>der</strong>t, als er Vorbereitungen zur biologischen<br />

Kriegsführung untersagte. Aber B-Schutz-Aktivitäten sind<br />

eine heikle Angelegenheit, denn sie liefern offensives Knowhow<br />

— selbst wenn sie wirklich reinen Gewissens zum Schutz<br />

von Militärs o<strong>der</strong> gar <strong>der</strong> Zivilbevölkerung betrieben werden.<br />

Das wussten die Deutschen schon lange. Bereits 1924<br />

erkannte <strong>der</strong> Chef <strong>der</strong> Inspektion <strong>der</strong> Artillerie Major Auer,<br />

die Vorbereitung von Abwehrmöglichkeiten setze „auch die<br />

Kenntnis <strong>und</strong> Erforschung <strong>der</strong> Wege voraus, die ein vom<br />

Bazillenkrieg aktiv Gebrauch machen<strong>der</strong> Feind mit Erfolg<br />

einschlagen kann <strong>und</strong> wird“.<br />

Diese Erkenntnis zieht sich durch die gesamte neuzeitliche<br />

Geschichte <strong>der</strong> biologischen Kampfmittel. Beispielsweise<br />

wurde am 9. März 1943 in einer Besprechung über die von<br />

Hitler gefor<strong>der</strong>ten verstärkten Schutzmaßnahmen beim Wehrmachtführungsstab<br />

festgestellt: „Da erfolgversprechende<br />

Schutzmaßnahmen nicht angegeben werden können, ohne<br />

<strong>das</strong>s bekannt ist, mit welchen Ausbringungsverfahren die<br />

Bakterien im Masseneinsatz eingesetzt werden können, ist es<br />

notwendig, <strong>das</strong>s unsererseits Versuche durchgeführt werden.<br />

‚Man muss sich einmal selbst angreifen, um die Schutzmaßnahmen<br />

richtig beurteilen zu können’.“<br />

Aber <strong>das</strong> waren nicht nur deutsche Einschätzungen: Das<br />

Komitee für biologische Kriegsführung <strong>der</strong> USA meinte am<br />

16. Juni 1942, „die Vorbereitung von Verteidigungsmaßnahmen<br />

erfor<strong>der</strong>t eine Kenntnis <strong>der</strong> offensiven Möglichkeiten,<br />

<strong>und</strong> wenn solches Wissen nicht aus Erfahrung abgeleitet werden<br />

kann, muss es in sorgfältigen Untersuchungen gewonnen<br />

werden“. Und Sicherheitsberater Henry A. Kissinger stellte am<br />

25. November 1969 klar, <strong>das</strong>s die kurz vorher von Präsident<br />

Nixon erlassene Beschränkung <strong>der</strong> USA auf rein defensive<br />

Biowaffenaktivitäten „die Erforschung solcher offensiven<br />

Möglichkeiten bakteriologischer/biologischer Agenzien nicht<br />

143


aus[schließt], die notwendig sind, um die Anfor<strong>der</strong>ungen an<br />

defensive Maßnahmen ermitteln zu können.“ Mit ähnlichen<br />

Zitaten könnte man fast ein ganzes Buch füllen.<br />

Feldversuche hinter Hitlers Rücken<br />

Entsprechend nutzten auch deutsche Biowaffen-Experten<br />

<strong>das</strong> Argument, für den B-Schutz die offensiven Potenziale<br />

dieser Kampfmittel erforschen zu müssen, um trotz des<br />

Führerbefehls zu erproben, wie man dual-threat-Agenzien<br />

am besten verbreiten könnte.<br />

Wenige Wochen nachdem Kliewe über Hitlers Entscheidung<br />

informiert worden war, führte er mit Unterstützung durch die<br />

Luftwaffe Anfang Juli 1942 einige Feldversuche auf dem<br />

Versuchsgelände Munster-Lager durch. Genehmigen ließ er<br />

sich diese Experimente mit dem Argument, er „könne keine<br />

Schutzmaßnahmen angeben, wenn [er] nicht wüsste, ob ein<br />

Verfahren Sinn <strong>und</strong> Zweck habe“. In einem ersten Versuch<br />

wurden von einem Flugzeug aus 300 Liter Bouillon abgeregnet,<br />

die Serratia marcescens enthielt. Auf dem Boden hatte<br />

man zuvor Schalen mit Nährmedien aufgestellt, mit denen<br />

die versprühten Bakterien aufgefangen werden sollten. Der<br />

Versuch schlug allerdings fehl: in den Schalen konnten keine<br />

Bakterienkolonien nachgewiesen werden. Kliewe vermutete,<br />

<strong>das</strong>s die Bakterienwolke vom Wind abgetrieben worden war.<br />

In zwei weiteren Experimenten wurden Behälter aus 550<br />

bzw. 150 m Höhe abgeworfen, die mit Hobelspänen, Häcksel<br />

<strong>und</strong> an<strong>der</strong>en Materialien gefüllt waren <strong>und</strong> die sich in 500<br />

bzw. 100 m Höhe selbständig öffneten. Über die Versuche mit<br />

den Hobelspänen ist kein Ergebnisprotokoll mehr vorhanden.<br />

Nach Verbreitung des Häcksels beobachtete Kliewe,<br />

<strong>das</strong>s die Halme über eine Fläche von 1 bis 1½ km ganz<br />

unregelmäßig verteilt lagen. Kliewe schloss daraus, <strong>das</strong>s aus<br />

größerer Höhe versprühte Bakterienwolken schwer lenkbar<br />

sein dürften. Die Versuche durften wegen eines Einspruchs<br />

<strong>der</strong> Gasschutzabteilung nicht wie<strong>der</strong>holt werden, <strong>und</strong> zwar<br />

aus Kompetenzgründen.<br />

144


Offensichtlich erfuhr <strong>der</strong> britische Geheimdienst von Kliewes<br />

Feldversuchen, <strong>und</strong> die Deutschen wie<strong>der</strong>um bekamen mit,<br />

<strong>das</strong>s die Briten über diese Information verfügten. Dies ist eines<br />

<strong>der</strong> ganz wenigen Beispiele aus <strong>der</strong> Biowaffengeschichte, wo<br />

die <strong>Geheimdienste</strong> tatsächlich einmal korrekte Informationen<br />

beschafft hatten. Pech war, <strong>das</strong>s gerade diese Informationen<br />

verhältnismäßig wertlos waren. Immerhin dürften sie die<br />

Briten in ihrer Annahme bestätigt haben, <strong>das</strong>s die Deutschen<br />

nach wie vor den Biokrieg vorbereiteten.<br />

Kliewe beschäftigte sich darüber hinaus mit weiteren<br />

Möglichkeiten des Einsatzes biologischer Kampfmittel. Im<br />

Oktober 1942 beschrieb er Verfahren zur Verseuchung von<br />

Wasserreservoiren. Hierfür geeignete Bakterien sollten in<br />

kleine Behälter gefüllt werden, die sich im Wasser auflösen<br />

<strong>und</strong> dann die Erreger freisetzen. Dies wurde mit Gelatine<br />

versucht, was sich aber als ungeeignet erwies. Erfolgversprechen<strong>der</strong><br />

war die Verwendung von einem Material, <strong>das</strong><br />

üblicherweise zur Herstellung von Zäpfchen verwendet wurde.<br />

Mit B-Schutz hatten solche Aktivitäten natürlich nichts zu<br />

tun. Das gleiche gilt für einige Feldversuche, die von Mitglie<strong>der</strong>n<br />

<strong>der</strong> Arbeitsgemeinschaft „Blitzableiter“ mit Kartoffelkäfern<br />

<strong>und</strong> Maul- <strong>und</strong> Klauenseucheviren durchgeführt wurden.<br />

„Gegen Engeland“ — auch mit Kartoffelkäfern?<br />

Schon auf <strong>der</strong> ersten Sitzung <strong>der</strong> Arbeitsgemeinschaft am 30.<br />

März 1943 meinte <strong>der</strong> für Pflanzenschädlinge zuständige<br />

Regierungsrat Dr. Bayer, für Einsätze gegen England käme<br />

hauptsächlich <strong>der</strong> Kartoffelkäfer in Frage. Dort sei <strong>der</strong><br />

Abwehrdienst noch nicht organisiert. Es müsste aber noch<br />

genauer erk<strong>und</strong>et werden, wie viel Käfer je Hektar ausgebracht<br />

werden müssten. Wahrscheinlich habe England<br />

400.000 ha Kartoffelanbaufläche, <strong>und</strong> zu <strong>der</strong>en Verseuchung<br />

seien etwa 20–40 Millionen Käfer notwendig. Zurzeit sei die<br />

Züchtung solch großer Mengen unmöglich. Deshalb wolle man<br />

im besetzten Frankreich zwei Versuchsanstalten errichten,<br />

weil dort <strong>der</strong> Käfer ja schon heimisch sei.Weiter führte Bayer<br />

145


aus, <strong>das</strong>s beim Einsatz von Pflanzenschädlingen eine große<br />

Streuung erfolgen müsste. Die massive Ausbringung an einer<br />

Stelle sei wenig erfolgreich. Am besten wären Tuben geeignet,<br />

die noch konstruiert werden müssten. Versuche über die<br />

Lebensfähigkeit <strong>der</strong> Kartoffelkäfer bei den durch Abwurf<br />

entstehenden Unterdrucken, hohen Windstärken usw. seien<br />

im Gange.<br />

Ein Jahr später teilte Bayer dann mit, <strong>das</strong>s die Abteilung<br />

Wissenschaft des Allgemeinen Wehrmachtamtes die Massenzüchtung<br />

von Kartoffelkäfern aufgenommen habe. Er ließ<br />

allerdings unerwähnt, wo <strong>und</strong> durch wen, <strong>und</strong> bis heute ist<br />

auch unbekannt, in welcher Einrichtung Bayer damals selbst<br />

tätig war. Jedenfalls informierte er <strong>das</strong> Komitee, <strong>das</strong>s <strong>der</strong><br />

Einsatz <strong>der</strong> Käfer in etwa einem Jahr, also 1944, möglich sei.<br />

Als Abwurfgebiet käme die Ostküste Englands in Frage.<br />

Zuvor wurden im Oktober 1943 entsprechende Feldversuche<br />

durchgeführt. Wie Kliewe notierte, seien insgesamt 14.000<br />

Käfer von einem Flugzeug in 8000 m Höhe freigesetzt worden.<br />

Bei <strong>der</strong> anschließenden Suchaktion habe man allerdings<br />

nur 57 Käfer wie<strong>der</strong>gef<strong>und</strong>en. Erfolgreicher verliefen<br />

Versuche mit Holzmodellen von Kartoffelkäfern, die aus<br />

3000 m Höhe verstreut wurden. Warum diesmal Holzmodelle<br />

verwendet wurden, bleibt unklar: Waren die leichter zu<br />

beschaffen? O<strong>der</strong> auf dem Boden besser wie<strong>der</strong>zufinden?<br />

O<strong>der</strong> erinnerte man sich an Hitlers Verbot <strong>und</strong> war nun<br />

bereit, es zu befolgen? Jedenfalls sind sie — entgegen an<strong>der</strong>slautenden<br />

Behauptungen 58 — we<strong>der</strong> gegen England noch<br />

gegen an<strong>der</strong>e Gegner eingesetzt worden.<br />

Ganz sicher auch offensiv motiviert waren geheime Versuche<br />

mit den Erregern <strong>der</strong> Maul-<strong>und</strong>-Klauenseuche (MKS), die<br />

ebenfalls trotz Hitlers Verbot in <strong>der</strong> Zeit zwischen Oktober<br />

1942 <strong>und</strong> August 1943 durchgeführt wurden. Die dabei<br />

eingesetzten Viren waren von <strong>der</strong> Reichsforschungsanstalt<br />

Insel Riems bereitgestellt worden. Sie wurden zu einem<br />

Flugplatz an <strong>der</strong> Ostgrenze Estlands gebracht, dort verdünnt<br />

146


<strong>und</strong> in den Sprühtank eines dafür umgerüsteten Flugzeugs<br />

verfüllt. Anschließend wurde die virushaltige Flüssigkeit in<br />

einer Höhe von etwa 20 Metern über einer Insel im Peipussee<br />

versprüht, auf die danach Rin<strong>der</strong> <strong>und</strong>/o<strong>der</strong> Rentiere — hier<br />

sind die Berichte etwas wi<strong>der</strong>sprüchlich — zum Weiden<br />

gebracht wurden. Etwa 80 Prozent <strong>der</strong> Tiere konnten dadurch<br />

mit Maul- <strong>und</strong> Klauenseuche infiziert werden. Im Anschluss<br />

an diese Experimente sollten im Jahre 1944 weitere Feldversuche<br />

mit MKS-Viren vorgenommen werden. Dazu kam<br />

es aber nicht mehr, weil die Rote Armee vorrückte <strong>und</strong> ein<br />

an<strong>der</strong>es Testgelände nicht zur Verfügung stand.<br />

Mit Pestratten gegen die USA?<br />

Auch Reichsführer-SS Heinrich Himmler ließ sich vom<br />

Hitler-Verbot wenig beeindrucken. Er hielt engen Kontakt<br />

zum zivilen Bevollmächtigten für die Biowaffenaktivitäten<br />

Kurt Blome, <strong>der</strong> nicht nur die Arbeiten an<strong>der</strong>er Einrichtungen<br />

koordinierte, son<strong>der</strong>n auch dabei war, in Posen ein Zentralinstitut<br />

für Krebsforschung aufzubauen. Die Einrichtung sollte<br />

ein „dual-use“-Institut werden, wo sowohl Krebsforschung<br />

als auch Biowaffenaktivitäten betrieben werden sollten. Das<br />

Institut wurde jedoch nicht mehr rechtzeitig vor Kriegsende<br />

fertig. Einige <strong>der</strong> Abteilungen zur Erforschung <strong>und</strong> Bekämpfung<br />

bösartiger Tumoren arbeiteten zwar bereits, als Posen im<br />

Februar 1945 von <strong>der</strong> Roten Armee erorbert wurde, aber die<br />

Labore zur Arbeit mit Bakterien <strong>und</strong> an<strong>der</strong>en dual-threat-<br />

Agenzien waren noch nicht eingerichtet — zum Glück:<br />

Professor Blome war einer <strong>der</strong> wenigen deutschen Befürworter<br />

des Bakterienkrieges <strong>und</strong> hätte vermutlich keine Hemmungen<br />

gehabt, offensive Biowaffenaktivitäten zu betreiben, in<br />

erster Linie wohl mit Pest-Erregern. In diesem Zusammenhang<br />

wurde unter an<strong>der</strong>em erwogen, infizierte Ratten an Bord von<br />

U-Booten zu nehmen <strong>und</strong> sie in <strong>der</strong> Nähe feindlicher Strände<br />

freizusetzen, so <strong>das</strong>s sie an Land schwimmen konnten. Blome<br />

führte dazu einen Versuch auf einem Berliner See durch, wo<br />

er etwa 30 Ratten von einem Polizeiboot ins Wasser aussetzen<br />

147


ließ. Die Ergebnisse waren aber nicht sehr ermutigend. Im<br />

Verhör gab er nach dem Krieg an: „Nach dem Aussetzen ins<br />

Wasser hatten die Ratten keine Ahnung, wo <strong>der</strong> Strand war,<br />

<strong>und</strong> schwammen in unterschiedlichen Richtungen herum“.<br />

Von denen, die 100 Meter weit vom Strand abgesetzt wurden,<br />

habe nur ein Drittel <strong>das</strong> Ufer erreicht.<br />

Himmler selbst hatte eine an<strong>der</strong>e Idee: Er ließ bei Blome<br />

anfragen, ob man die von den beson<strong>der</strong>s robusten Panjepferden<br />

über die Berge des Urals gezogenen sowjetischen<br />

Munitionstransporte nicht dadurch empfindlich stören könne,<br />

<strong>das</strong>s man Fallschirmjäger hinter den feindlichen Linien absetzt,<br />

die die Tiere mit den Erregern von Rotz o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>en<br />

Tierkrankheiten infizieren. Die Idee wurde aber ebenso wenig<br />

in die Tat umgesetzt wie <strong>der</strong> Vorschlag mit den Pestratten.<br />

148


Die Anthrax-Kekse bleiben im Karton 59<br />

Trotz <strong>der</strong> sich immer schneller drehenden biologischen<br />

Rüstungsspirale kam es auf dem europäischen<br />

Kriegsschauplatz während des Zweiten Weltkrieges nicht<br />

zum Einsatz biologischer o<strong>der</strong> Toxin-Kampfmittel — abgesehen<br />

von vereinzelten Sabotageakten <strong>und</strong> Attentaten. Zunächst<br />

versicherten sich alle Seiten bei Kriegsausbruch wechselseitig,<br />

sie fühlten sich weiter an <strong>das</strong> Genfer Protokoll geb<strong>und</strong>en.<br />

Den deutschen Erklärungen wurde aber nicht geglaubt, da<br />

die von den falschen Geheimdienstberichten ausgelöste<br />

Furcht vor entsprechenden deutschen Vorbereitungen anhielt.<br />

Der kanadische Nobelpreisträger Sir Fre<strong>der</strong>ick Banting<br />

beschwor die Briten: „Wenn die Deutschen Bakterien einsetzen,<br />

müssen die Allierten in <strong>der</strong> Lage sein, sofort mit dem<br />

H<strong>und</strong>ertfachen zurückzuschlagen.“<br />

Später teilte <strong>der</strong> amtierende Direktor des Office of Strategic<br />

Services den Vereinten Stabschefs mit, er habe aus <strong>der</strong><br />

Schweiz einen Bericht erhalten, wonach die Deutschen<br />

Flugzeuge <strong>und</strong> Raketen „mit ihrer Geheimwaffe, dem Toxin<br />

von Bacillus botulinum beladen“ . Das war wie<strong>der</strong> völlig aus<br />

<strong>der</strong> Luft gegriffen. Nach dem Krieg erinnerte sich <strong>der</strong> kanadische<br />

General Brock Chisholm: „Als im Juni 1944 <strong>der</strong> V1-<br />

Angriff gestartet wurde <strong>und</strong> die erste Flugbombe mit lautem<br />

Getöse explodierte, womit sie offenbarte, <strong>das</strong>s sie nur normalen<br />

Sprengstoff enthielt, stießen die Generalstäbler alle einen<br />

ungeheuren Seufzer <strong>der</strong> Erleichterung aus.“ Doch zunächst<br />

verfehlte die Falschmeldung über die mit Biowaffen munitionierten<br />

Raketen ihre Wirkung nicht <strong>und</strong> veranlasste die<br />

westlichen Alliierten zu einer Intensivierung <strong>der</strong> Biowaffenaktivitäten,<br />

vor allem mit Milzbrandbakterien <strong>und</strong> Botulin.<br />

Bereits am 11. September 1939 war in London <strong>der</strong> Vorschlag<br />

eines Wissenschaftlers aus Newcastle eingegangen, er wolle<br />

Milzbrandsporen als Kampfmittel produzieren. Dieses Angebot<br />

wurde unverzüglich von britischen Experten erwogen,<br />

aber abgelehnt: Wenn man Anthrax-Sporen einatme, könne<br />

149


dies zwar gelegentlich eine Infekion auslösen, aber an<strong>der</strong>e<br />

könnten dadurch nicht infiziert werden. Bacillus anthracis sei<br />

deshalb keine geeignete biologische Waffe.<br />

Aber <strong>der</strong> Sekretär des Medizinischen Forschungsrates<br />

Edward Mellanby sah sich durch <strong>das</strong> Expertengutachten<br />

veranlasst, Versuche anzuregen, in denen die Eignung von<br />

Krankheitserregern geprüft werden sollte, auf dem Luftwege<br />

Infektionen auslösen zu können. Da dies aber im Wi<strong>der</strong>spruch<br />

zum Genfer Protokoll zu stehen schien — was gar<br />

nicht <strong>der</strong> Fall war —, genehmigte <strong>der</strong> britische Premierminister<br />

zunächst nur Untersuchungen darüber, wie man sich<br />

vor solchen Infektionen schützen könnte. Entsprechende<br />

Versuche wurden am Nationalen Institut für Medizinische<br />

Forschung in London aufgenommen. Gleichzeitig wurde<br />

Ende November wie<strong>der</strong> ein „Komitee zur biologischen<br />

Kriegsführung“ ins Leben gerufen, dem bald auch Bantings<br />

For<strong>der</strong>ung nach offensiven Biowaffenaktivitäten vorgelegt<br />

wurde. Aber die Briten teilten Bantings Besorgnisse nicht,<br />

zumal sie wie ihre deutschen Gegenspieler meinten, durch<br />

Verbreitung von Bakterien könne man nicht willkürlich<br />

Epidemien auslösen. Viel größer sei — abgesehen von<br />

Kriegsseuchen — die Gefahr durch Biosabotageakte.<br />

Tatsächlich stellte Kliewe zumindest entsprechende Überlegungen<br />

an <strong>und</strong> notierte, man könne „in Konserven, Würste,<br />

Rauchfleisch, Speck, Käse, Marmelade usw. Botulinumtoxin<br />

spritzen“ <strong>und</strong> „Bier im Fass o<strong>der</strong> in Flaschen mit Typhuso<strong>der</strong><br />

Paratyphusbazillen infizieren“ — allerdings nicht ohne<br />

gleichzeitig auf <strong>das</strong> Führerverbot hinzuweisen. Das war den<br />

Kriegsgegnern aber ja unbekannt. Die mussten also entsprechende<br />

deutsche Pläne in Erwägung ziehen.<br />

Jedenfalls meinten die britischen Experten, hinsichtlich einer<br />

eventuellen biologischen Bedrohung durch Nazi-Deutschland<br />

benötige man genauere Informationen. Da in London keine<br />

für solche Zwecke geeignete Einrichtungen zu Verfügung<br />

standen, sollten die Untersuchungen in Porton Down in <strong>der</strong><br />

Grafschaft Wiltshire durchgeführt werden. Dort gab es seit<br />

150


Von Kliewe im Juli 1943 vorgeschlagene Möglichkeiten zum Einsatz von<br />

Biowaffen für Sabotagezwecke — falls Hitler sein Verbot aufhebe.<br />

Quelle: NACP, RG 319, Box 3, Fol<strong>der</strong> BW 14, Blatt 119.<br />

151


1916 eine Forschungsstelle für den Schutz vor chemischen<br />

Waffen, die Chemical Defence Experimental Station. In<br />

diesem Institut wurde im September 1940 eine biologische<br />

Abteilung gegründet, die sich unter ihrem Leiter, dem<br />

Bakteriologen Dr. Paul Fildes, zum Zentrum <strong>der</strong> britischen<br />

Biowaffenaktivitäten entwickelte. Sie hatte etwa 45 Mitarbeiter,<br />

darunter r<strong>und</strong> zwölf Wissenschaftler.<br />

Als erfolgversprechendste Kampfmittel für möglicherweise<br />

notwendige Vergeltungsaktionen galten Bacillus anthracis,<br />

Yersinia pestis <strong>und</strong> einige an<strong>der</strong>e Pathogene sowie Botulinum-<br />

Toxin. Im Mittelpunkt <strong>der</strong> Untersuchungen stand Bacillus<br />

anthracis. Der Milzbrand-Erreger würde zwar keine Epidemien<br />

unter <strong>der</strong> Bevölkerung verursachen, sei aber für eine Art<br />

„ökonomischer Kriegsführung“ geeignet, weil er die Rin<strong>der</strong>bestände<br />

gefährde. Wie zwei Jahre zuvor die deutschen<br />

Experten hielt es Fildes allerdings für aussichtslos, die<br />

Milzbrand-Erreger einfach über Viehweiden zu versprühen.<br />

Statt dessen erfand er eine „Spezialdiät für Rin<strong>der</strong>“: Anthraxverseuchtes<br />

Trockenfutter, <strong>das</strong> von Flugzeugen aus abgeworfen<br />

werden sollte. Ende 1942 startete die „Operation Vegetarier“<br />

— bald darauf umbenannt in „Operation Aladin“. Am 22.<br />

April 1943 lagen fünf Millionen Stück „cattle cakes“ abwurfbereit<br />

verpackt. Je<strong>der</strong> einzelne Keks enthielt fünfh<strong>und</strong>ert<br />

Millionen Milzbrandsporen, die für Rin<strong>der</strong> tödliche Menge.<br />

Die Milzbrand-Insel<br />

Parallel dazu führten Fildes <strong>und</strong> seine Mitarbeiter 1942/43 auf<br />

<strong>der</strong> kleinen Insel Gruinard an <strong>der</strong> Westküste Schottlands<br />

Feldversuche mit Milzbrand-Erregern durch. Ziel war es<br />

herauszufinden, mit welcher Verlässlichkeit Anthraxsporen<br />

auf Schafe tödlich wirken. Mit Bacillus anthracis gefüllte<br />

Bomben wurden an Gestellen aufgehängt <strong>und</strong> zur Explosion<br />

gebracht. Die dadurch freigesetzten Bakterienwolken verursachten<br />

den Tod <strong>der</strong> meisten, im Umkreis von 450 Metern<br />

angepflockten Schafe. Ähnlich erfolgreich verlief ein Versuch<br />

152


Abwurfbereit verpacktes Rin<strong>der</strong>trockenfutter, <strong>das</strong> mit Milzbran<strong>der</strong>regern<br />

verseucht worden war. Damit wollten die Angloamerikaner im Zweiten<br />

Weltkrieg Vergeltungsangriffe durchführen, falls die Deutschen mit Biowaffen<br />

angreifen würden.<br />

Quelle: Gradon Carter, Defense Evaluation and Research Agency,<br />

Porton Down, Salisbury.<br />

153


mit einer Anthraxbombe, die auf einem Testgelände an <strong>der</strong><br />

Küste von Süd-Wales von einem Flugzeug abgeworfen<br />

wurde. Damit erwiesen sich Milzbrand-Erreger wirksamer als<br />

jede chemische Waffe vergleichbarer Größe.<br />

Obwohl die Versuche unter Beachtung strenger Sicherheitsvorkehrungen<br />

durchgeführt wurden, kam es im April<br />

1943 auf dem nahegelegenen Festland zu einer kleinen<br />

Epidemie: 30–50 Schafe, sieben Rin<strong>der</strong>, zwei Pferde, <strong>und</strong> drei<br />

Katzen starben an Milzbrand. Ausgelöst wurde diese<br />

Epidemie vermutlich von <strong>der</strong> Leiche eines Versuchstieres, <strong>das</strong><br />

an die Küste angeschwemmt worden war. Um die Geheimhaltung<br />

<strong>der</strong> Experimente nicht zu gefährden wurde vom<br />

britischen Geheimdienst <strong>das</strong> Gerücht verbreitet, die Seuche<br />

sei auf einen Tierkadaver zurückzuführen, <strong>der</strong> von einem<br />

griechischen Schiff ins Meer gefallen sei. Die geschädigten<br />

Farmer wurden sogar für ihre Verluste entschädigt — „im<br />

Namen <strong>der</strong> Regierung Griechenlands“. Der Zwischenfall<br />

veranlasste Fildes aber vorzuschlagen, <strong>das</strong>s <strong>der</strong>artige Versuche<br />

nicht mehr auf Gruinard, son<strong>der</strong>n möglichst bei den nordamerikanischen<br />

Verbündeten durchgeführt werden sollten.<br />

Ein völlig unerwarteter Nebeneffekt <strong>der</strong> Versuche auf<br />

Gruinard war, <strong>das</strong>s zumindest Teile <strong>der</strong> Insel bis in die achtziger<br />

Jahre hinein mit lebensfähigen <strong>und</strong> folglich infektiösen<br />

Anthrax-Sporen verseucht blieben. Erst 1986/87 betrieb die<br />

britische Regierung ein aufwendiges Dekontaminierungsprogramm<br />

<strong>der</strong> immer noch verseuchten Regionen <strong>der</strong> Insel<br />

mit einer fünfprozentigen Lösung von Formaldehyd in Meerwasser.<br />

Nach <strong>der</strong> erfolgreichen Entseuchung wurde <strong>das</strong><br />

Eiland dann im Mai 1990 seinen ursprünglichen Besitzern als<br />

nunmehr ungefährlich zurückgegeben.<br />

Ab Ende 1941, nachdem auch in den USA <strong>und</strong> Kanada<br />

geheime Biowaffenkomitees gegründet worden waren,<br />

begann allmählich eine Zusammenarbeit <strong>der</strong> Briten mit ihren<br />

nordamerikanischen Verbündeten (eine Kooperation mit den<br />

Sowjets gab es auf diesem Gebiet offensichtlich nicht). Auf<br />

154


<strong>der</strong> Gr<strong>und</strong>lage <strong>der</strong> britischen Erfahrungen ging es dabei<br />

einerseits speziell um Weiterentwicklung <strong>und</strong> Bau von<br />

Milzbrand-Bomben sowie von Bomben, die mit Botulinum-<br />

Toxin munitioniert waren, wie auch um die Nutzung von in<br />

Nordamerika gelegenen Testgeländen. Außerdem wurden —<br />

wenige Wochen nach dem japanischen Luftangriff auf Pearl<br />

Harbor — verstärkte Bemühungen zum Schutz vor<br />

befürchteten deutschen <strong>und</strong> japanischen Biowaffenangriffen<br />

eingeleitet. In diesem Zusammenhang wurde beispielsweise<br />

damit begonnen, auf Grosse Isle, einer etwa 50 km vor Quebec<br />

gelegenen, unbewohnten Insel eine Einrichtung zur Entwicklung<br />

<strong>und</strong> Produktion von Impfstoffen gegen die sehr<br />

gefürchtete, in Nordamerika bis dato nicht vorkommende<br />

Rin<strong>der</strong>pest zu entwickeln.<br />

Im Sommer 1944 genehmigte Premierminister Winston<br />

Churchill, <strong>das</strong>s in den USA sofort 500.000 „N“-Bomben<br />

bestellt wurden. Dabei handelte es sich um 4-po<strong>und</strong> — (etwa<br />

1,8 kg) — Bomben, die mit Milzbrandsporen munitioniert<br />

waren. Churchill sprach sich dafür aus, die „N-Bomben“ —<br />

„N“ war die Code-Bezeichnung für Anthrax-Sporen — über<br />

Deutschland abzuwerfen, falls England mit Biowaffen angegriffen<br />

werden sollte. Darüber hinaus wurden die Untersuchungen<br />

mit Botulinum-Toxin — mit <strong>der</strong> Code-Bezeichnung „X“<br />

— intensiviert, unter an<strong>der</strong>em in Kanada an <strong>der</strong> Queens<br />

University sowie in Suffield, Alberta, wo auch ein großes<br />

Testgelände zur Verfügung stand. Um für Gegenschläge<br />

gerüstet zu sein wurden sogenannte „X-Waffen“ hergestellt.<br />

Das war mit Botulin gefüllte Munition verschiedener Kaliber,<br />

einschließlich entsprechend präparierter Splitterbomben.<br />

Außerdem erfolgte in Camp Detrick <strong>und</strong> Suffield eine<br />

Vermehrung <strong>der</strong> Erreger von Bruzellose <strong>und</strong> Tularämie <strong>und</strong><br />

ihre Abfüllung in Bomben. Diese wurden zwar mit gutem<br />

Erfolg getestet, aber dann doch nicht weiter produziert,<br />

weil noch keine Möglichkeit bestand, die eigenen Truppen<br />

davor zu schützen. Entsprechende Bedenken gab es auch<br />

gegen eine Intensivierung <strong>der</strong> Arbeiten mit den Erregern<br />

155


von Maltafieber, Papageienkrankheit, Pest <strong>und</strong> Rotz. Im<br />

Vor<strong>der</strong>gr<strong>und</strong> stand <strong>und</strong> blieb Anthrax.<br />

Ferner wurden Impfstoffe entwickelt <strong>und</strong> produziert. Der<br />

Anlass dafür waren wie<strong>der</strong> falsche Geheimdienstberichte,<br />

wonach sich Deutschland vorbereite, erwartete Invasionstruppen<br />

mit Botulin zu bekämpfen. Camp Detrick wurde<br />

beauftragt, mehr als eine Million Portionen eines Impfstoffs<br />

zu produzieren <strong>und</strong> zu verschiffen, mit dem 300.000 Soldaten<br />

geimpft werden könnten. Darüber hinaus wurde an <strong>der</strong><br />

Queens University in Kanada Impfstoff zur Behandlung von<br />

25.000 Soldaten hergestellt.Weitere 150.000 Portionen sollten<br />

bis zum Mai 1944 fertig sein. Der Impfstoff wurde jedoch<br />

nicht verwendet, da <strong>der</strong> britische Geheimdienst inzwischen<br />

korrekterweise herausgef<strong>und</strong>en hatte, <strong>das</strong>s die Deutschen gar<br />

nicht nicht in <strong>der</strong> Lage waren, Botulin gegen die Invasionstruppen<br />

einzusetzen.<br />

Am Biowaffen-Programm <strong>der</strong> USA waren bei Kriegsende<br />

schließlich 396 Armee-Offiziere, 2466 an<strong>der</strong>e Angehörige <strong>der</strong><br />

Armee, 124 Marine-Offiziere, weitere 844 Angehörige <strong>der</strong><br />

Marine <strong>und</strong> 206 Zivilisten beteiligt. Die Arbeiten wurden vor<br />

allem in vier Einrichtungen durchgeführt, in Camp Detrick,<br />

im Produktionsbetrieb Vigo Plant, <strong>und</strong> auf den Testgeländen<br />

Horn Island <strong>und</strong> Granite Peak Installation. Das in <strong>der</strong> Nähe<br />

von Fre<strong>der</strong>ick, Maryland, errichtete Camp Detrick wurde auf<br />

mehr als 200 Hektar zur größten Biowaffeneinrichtung <strong>der</strong><br />

Verbündeten ausgebaut <strong>und</strong> umfasste bei Kriegsende etwa 250<br />

Gebäude. In Detrick gab es Pilotanlagen zur Produktion von<br />

Milzbrandsporen <strong>und</strong> Botulin, Einrichtungen zur Überführung<br />

<strong>der</strong> Kampfmittel in einen einsatzfähigen Zustand, sowie<br />

Anlagen zur Herstellung von an<strong>der</strong>en dual-threat-Agenzien.<br />

Darüber hinaus wurden in Detrick <strong>und</strong> an<strong>der</strong>en Einrichtungen<br />

die Erreger von Kokzidioido-Mykose,* Enzephalitis,<br />

* Die Kokzidioido-Mykose (San-Joaquin-Tal-Fieber) wird durch den Pilz Coccidioides<br />

immitis verursacht. Bei 5–10% <strong>der</strong> Infizierten treten schwere, <strong>der</strong> Grippe ähnliche<br />

Symptome auf, die bei 1% <strong>der</strong> Infizierten zum Tode führen kann.<br />

156


Geflügelpest, Maltafieber, Papageienkrankheit, Pest <strong>und</strong><br />

Rotz, sowie verschiedene Pflanzenschädlinge untersucht,<br />

aber aus verschiedenen Gründen nicht in größeren Mengen<br />

produziert o<strong>der</strong> gar munitioniert.<br />

Auf Horn Island, einer Insel in <strong>der</strong> Mississippi-Mündung,<br />

wurden wegen ihrer meteorologisch ungünstigen Lage keine<br />

Krankheitserreger, son<strong>der</strong>n nur Botulin <strong>und</strong> Rizin getestet.<br />

Als Versuchsgelände für biologische Kampfmittel diente statt<br />

dessen vorwiegend die Granite Peak Installation (Utah) in<br />

<strong>der</strong> Nähe von Dugway.<br />

1944 wurde Vigo Plant, eine ehemalige Waffenfabrik in Indiana,<br />

als Hauptproduktionsstätte biologischer Kampfmittel <strong>und</strong><br />

<strong>der</strong>en Munitionierung gebaut. Mit den dort installierten zwölf<br />

20.000-Gallonen*-Fermentern hätten ab Sommer 1945 pro<br />

Monat unter an<strong>der</strong>em 500.000 mit Milzbrandsporen gefüllte<br />

4-po<strong>und</strong>-Bomben hergestellt werden können. Damit sei es<br />

nach Angaben des früheren Direktors <strong>der</strong> britischen Biowaffeneinrichtung<br />

Porton Down möglich gewesen, die Bevölkerung<br />

von Aachen, Berlin, Frankfurt am Main, Hamburg,<br />

Stuttgart <strong>und</strong> Wilhelmshaven weitgehend auszurotten. Ganz<br />

unrealistisch waren die Schätzungen <strong>der</strong> Wirksamkeit dieses<br />

Massenvernichtungsmittels nicht: Experten berechneten später<br />

im Auftrag des US-Kongresses, <strong>das</strong>s 100 kg Anthrax-Sporen,<br />

über einer so dicht besiedelten Stadt wie Washington, DC.,<br />

vom Flugzeug aus versprüht, je nach meteorologischen Bedingungen<br />

<strong>und</strong> Tageszeit zwischen 130.000 <strong>und</strong> drei Millionen<br />

Todesopfer for<strong>der</strong>n könnten. Eine Fülle von technischen<br />

Schwierigkeiten <strong>und</strong> biologischen Sicherheitsproblemen bedingte<br />

aber, <strong>das</strong>s in Vigo Plant bis zum Kriegsende nicht mit<br />

<strong>der</strong> eigentlichen Produktion begonnen werden konnte. Auch<br />

die Herstellung von Botulin — <strong>das</strong> sich in Versuchen auf dem<br />

kanadischen Testgelände Suffield als geeignet zur Beladung<br />

von 500-po<strong>und</strong>- (etwa 227 kg-)Bomben erwies — kam über<br />

eine Produktion im Pilotmaßstab nicht hinaus.<br />

* Eine Gallone entspricht in den USA 3,7853 Liter.<br />

157


Das sowjetische Programm wird wie<strong>der</strong> gestört 60<br />

Durch die letztlich von Stalin veranlasste Verfolgung<br />

<strong>der</strong> Experten war <strong>das</strong> sowjetische Biowaffenprogramm<br />

offensichtlich so geschwächt, <strong>das</strong>s keine biologischen<br />

<strong>und</strong> Toxinkampfmittel gegen die deutschen Aggressoren<br />

eingesetzt werden konnten. Das wussten die Deutschen aber<br />

nicht. Tatsächlich zeigte sich Hitler schon während <strong>der</strong><br />

Planung des Überfalls auf die Sowjetunion besorgt, <strong>das</strong>s die<br />

Rote Armee „in weitgehendem Maße die Mittel <strong>der</strong> heimtückischen<br />

Kriegsführung anwenden“ könnte, nämlich den<br />

Einsatz chemischer <strong>und</strong> biologischer Waffen. Er veranlasste<br />

deshalb den Druck entsprechen<strong>der</strong> Merkblätter, die auch vor<br />

dem Bakterienkrieg warnen sollten. Darin heißt es unter<br />

an<strong>der</strong>em: „Mit <strong>der</strong> Möglichkeit, <strong>das</strong>s <strong>der</strong> Feind Lebensmittel,<br />

Viehbestände, Saatgetreide, Brunnen usw. mit Bakterien<br />

verseucht, ist zu rechnen. Epidemien von Pest, Cholera <strong>und</strong><br />

Typhus können hierdurch hervorgerufen werden. Größte<br />

Vorsicht ist daher geboten. In Feindesland gef<strong>und</strong>ene<br />

Lebensmittel sind erst zu gebrauchen, nachdem sie auf ihre<br />

Unschädlichkeit durch die San.-Offz. untersucht <strong>und</strong> freigegeben<br />

sind. Wasser ist stets nur gekocht zu genießen.“<br />

Vor einem Einsatz biologischer Waffen durch Fliegerbomben,<br />

Geschosse o<strong>der</strong> durch Versprühen wird in dem<br />

Merkblatt interessanterweise nicht gewarnt, obwohl zu diesem<br />

Zeitpunkt aus dem französischen Programm bekannt war,<br />

<strong>das</strong>s man biologische Kampfstoffe auf solche Weise effektiv<br />

verbreiten könne. Verstärkt wurden die deutschen Befürchtungen,<br />

als ein aus <strong>der</strong> Sowjetunion geflohener Luftwaffenoffizier,<br />

von Apen, <strong>und</strong> ein gefangener Kompaniechef<br />

„sensationelle Informationen“ über angebliche sowjetische<br />

Biowaffenaktivitäten übermittelten. Daraufhin wurde im<br />

Oktober 1942 im Tagebuch des Wehrmachtführungstabs<br />

vermerkt, <strong>der</strong> Russe beschäftige sich „eingehend mit dem<br />

bakteriologischen Krieg, in erster Linie mit <strong>der</strong> Verbreitung<br />

von Pest-, Milzbrand- <strong>und</strong> Typhusbazillen“.<br />

158


Allerdings notierte Kliewe im Januar 1943, „v. Apen kennt<br />

nur zwei Institute, welche Vorbereitungen für den B-Krieg<br />

getroffen haben“. Dabei dürfte es sich um <strong>das</strong> Leningra<strong>der</strong><br />

Institut für Veterinär-Mikrobiologie <strong>der</strong> Roten Armee<br />

(„Slatogorow-Maslokowitsch Laboratorium“) gehandelt haben,<br />

wo nach Kliewe unter an<strong>der</strong>em Bacillus anthracis, Mycobacterium<br />

tuberculosis <strong>und</strong> Yersinia pestis bearbeitet <strong>und</strong><br />

entsprechende Methoden zur Munitionierung von Bomben<br />

<strong>und</strong> Granaten entwickelt wurden, sowie <strong>das</strong> in Perkuschkowo<br />

(Wlasia) bei Moskau gelegene Forschungsinstitut für<br />

Mikrobiologie <strong>der</strong> Roten Armee.<br />

Zumindest diese beiden Institute wurden nach dem Einmarsch<br />

<strong>der</strong> deutschen Truppen verlagert: <strong>das</strong> Institut für<br />

Mikrobiologie nach Kirow <strong>und</strong> <strong>das</strong> Leningra<strong>der</strong> Institut in<br />

die Nähe von Sagorsk. Dies bedeutete einen weiteren, tiefen<br />

Einschnitt in <strong>das</strong> sowjetische Biowaffenprogramm. Die Folge<br />

war, <strong>das</strong>s es auch an <strong>der</strong> Ostfront nicht zum Einsatz biologischer<br />

Kampfmittel kam — abgesehen von vereinzelten<br />

Sabotageakten, die einige lokale Typhus-Epidemien auslösten.<br />

Allerdings gingen im Jahre 1942 bei <strong>der</strong> „Abwehr“ Berichte<br />

ein, wonach alle russischen Soldaten an <strong>der</strong> Front von<br />

Stalingrad gegen die Pest geimpft worden seien. Kliewe<br />

schloss aus dieser Information: „Wenn Russland seine<br />

Soldaten im Gebiet Stalingrad gegen die Pest impft, dann<br />

muss es einen Gr<strong>und</strong> dafür haben. Entwe<strong>der</strong> will es<br />

Pestbazillen einsetzen o<strong>der</strong> es fürchtet Pesterkrankungen bei<br />

seiner Truppe. In beiden Fällen muss auch unsere Truppe<br />

durch Bereitstellung von Serum <strong>und</strong> Impfstoff geschützt<br />

werden.“ Die wurden zu dieser Zeit in Deutschland nur von<br />

den Marburger Behringwerken hergestellt. Tatsächlich geht<br />

aus den Unterlagen dieses Betriebes hervor, <strong>das</strong>s im<br />

Zeitraum November 1942 bis Januar 1943 etwa 950 Liter<br />

Pestvakzine abgefüllt wurden, ausreichend für die Immunisierung<br />

von etwa 950.000 Mann. Da die Kapazität <strong>der</strong><br />

Behringwerke aber als nicht ausreichend eingeschätzt wurde,<br />

159


Ausschnitt aus dem Tagebuch <strong>der</strong> Abfüllstation <strong>der</strong> Marburger Behringwerke<br />

mit Notizen über die Abfüllung von Pestimpfstoff im November 1942.<br />

Quelle: Dr. J. Staerk, Archiv <strong>der</strong> Behringwerke AG, Marburg.<br />

entschloss man sich außerdem, in Schloss Sachsenburg bei<br />

Frankenberg ein geheimes Wehrmachtinstitut einzurichten,<br />

in dem vor allem Pestimpfstoffe hergestellt werden sollten.<br />

Die Meldungen über die Impfungen <strong>der</strong> Rotarmisten gegen<br />

die Pest stimmten offenbar. Das soll damals erfolgt sein, weil<br />

auf Gr<strong>und</strong> von falschen Erkenntnissen des sowjetischen <strong>Geheimdienste</strong>s<br />

vermutet wurde, <strong>das</strong>s die Deutschen Biowaffen<br />

einsetzen würden. 61 In einem 1998 veröffentlichten Bericht<br />

darüber wird auch erwähnt, <strong>das</strong>s <strong>der</strong> Leiter <strong>der</strong> Anti-Epidemie-<br />

Behörde des Volkskommissariates für Ges<strong>und</strong>heit I. I. Rogosin<br />

im Sommer 1942 nach Astrachan gereist war, um die<br />

Bekämpfung einer in dieser Region grassierenden Tularämie-<br />

Epidemie zu organisieren. Die kriegsbedingten Schwierigkeiten<br />

bei <strong>der</strong> Getreideernte führten damals zur intensiven<br />

Vermehrung mäuseartiger Nager, was <strong>der</strong>en Durchseuchung<br />

mit Francisella tularensis begünstigte. Die infizierten Tiere<br />

160


verbreiteten die Bakterien mit ihren Exkrementen in den<br />

Gebieten von Rostow, Stalingrad <strong>und</strong> Woroschilowgrad. Das<br />

rief unter <strong>der</strong> Zivilbevölkerung <strong>und</strong> den sowjetischen<br />

Truppen Tularämie-Epidemien hervor, die auch auf deutsche<br />

Soldaten übergriffen. Auf ähnliche Weise dürften auch unter<br />

den deutschen Truppen ausgebrochene Fälle von Q-Fieber<br />

verursacht worden sein.<br />

Dagegen behauptete Kenneth Alibek im Mai 1988 vor einem<br />

Komitee des US-Kongresses, die Sowjets hätten während des<br />

Zweiten Weltkrieges doch B-Kampfmittel gegen deutsche<br />

Truppen eingesetzt <strong>und</strong> eine 1942 unter deutschen Truppen in<br />

Südrussland aufgetretene Tularämie-Epidemie sei „sehr<br />

wahrscheinlich durch die Verwendung biologischer Waffen<br />

durch die UdSSR verursacht worden“. 62 Ähnliche Angaben<br />

machte er bezüglich einer Q-Fieber-Epidemie, die 1943 bei<br />

den deutschen Truppen auf <strong>der</strong> Krim aufgetreten sei.<br />

Diese — nicht kritiklos aufgenommenen 63 — Behauptungen<br />

werden durch deutsche Quellen nicht gestützt, obwohl<br />

ungewöhnliche Krankheitsausbrüche während des Krieges<br />

sehr genau daraufhin untersucht wurden, ob sie gegebenenfalls<br />

durch gegnerische Aktivitäten verursacht worden<br />

waren. Kliewe — <strong>der</strong> es als Zeit- <strong>und</strong> Augenzeuge besser wissen<br />

musste als <strong>der</strong> erst 1950 geborene Alibek — erklärte<br />

jedenfalls nach dem Krieg, es gebe keinerlei Beweise für die<br />

auch von <strong>der</strong> „Abwehr“ immer mal wie<strong>der</strong> vermuteten<br />

sowjetischen Biowaffen-Einsätze. Auch <strong>der</strong> Chef <strong>der</strong><br />

„Arbeitsgemeinschaft Blitzableiter”, Oberst Walter Hirsch,<br />

kam zu dem Schluss, <strong>das</strong>s lediglich <strong>der</strong> Einsatz von Krankheitserregern<br />

durch Agenten in den besetzten Gebieten —<br />

speziell in Warschau sowie in Kiew <strong>und</strong> Minsk — nachgewiesen<br />

werden konnte.<br />

161


Hjalmar Schacht überlebt den Anschlag 64<br />

Eines schönen Tages Anfang <strong>der</strong> 1940er Jahre — <strong>das</strong><br />

genaue Datum ist nicht mehr zu ermitteln — sollte<br />

Hjalmar Schacht „an einer wichtigen ökonomischen<br />

Konferenz“ teilnehmen. Der ehemalige Reichsbankpräsident<br />

musste passen: Er litt an heftigen Verdauungsstörungen. Das<br />

lag aber nicht daran, <strong>das</strong>s ihm seine Köchin verdorbenes<br />

Essen serviert hätte. Die scheinbare Lebensmittelvergiftung,<br />

die ihn plötzlich befallen hatte, ging auf <strong>das</strong> Konto des Office<br />

of Strategic Services (OSS), <strong>der</strong> Vorläuferorganisation <strong>der</strong><br />

CIA. Einem lange geheimgehaltenen Bericht <strong>der</strong> CIA zufolge<br />

war Schacht vom OSS mit Staphylokokken-Enterotoxin<br />

vergiftet worden, um seine Teilnahme an <strong>der</strong> erwähnten<br />

Konferenz zu verhin<strong>der</strong>n.<br />

Staphylokokken-Enterotoxin B (SEB) 65 ist ein von Staphylococcus<br />

aureus produziertes hochwirksames Gift. SEB verursacht wie an<strong>der</strong>e<br />

von Staphylokokken gebildeten Toxine normalerweise die<br />

Symptome einer Lebensmittelvergiftung. Es ist eines <strong>der</strong> wenigen<br />

Toxin-Kampfmittel, die bereits im Zweiten Weltkrieg verfügbar<br />

waren. Wenn SEB mit <strong>der</strong> Nahrung zugeführt wird — wie dies vermutlich<br />

im Falle des Schacht-Attentates erfolgte — macht es in <strong>der</strong><br />

Regel nur vorübergehend handlungsunfähig.<br />

Das sehr stabile Toxin kann inzwischen aber auch als Aerosol verbreitet<br />

werden <strong>und</strong> dann tödlich wirken. Deshalb sind Experten auch<br />

heute noch sehr besorgt über eventuelle feindliche o<strong>der</strong> terroristische<br />

Einsätze von SEB, zumal bisher we<strong>der</strong> ein Impfstoff gegen eine<br />

SEB-Intoxination noch Methoden zur spezifischen Therapie zur<br />

Verfügung stehen.<br />

Schacht überlebte den Anschlag. Das liegt daran, <strong>das</strong>s die<br />

Attentäter ihm ein Bakteriengift verabreicht hatten, <strong>das</strong> bei<br />

oraler Aufnahme in <strong>der</strong> Regel nicht tödlich wirkt son<strong>der</strong>n nur<br />

162


vorübergehend handlungsunfähig macht. Bemerkenswert an<br />

diesem Fall ist, <strong>das</strong>s es den Geheimdienstlern — die bei solchen<br />

Unternehmen mit <strong>der</strong> Abteilung für beson<strong>der</strong>e Aktionen des<br />

Biowaffen-Instituts <strong>der</strong> US-Armee in Camp Detrick<br />

zusammenarbeiteten — überhaupt gelungen war, in die<br />

unmittelbare Umgebung des Wirtschaftsführers zu gelangen.<br />

Bemerkenswert ist auch, <strong>das</strong>s ein Bakterienkrieg in Europa<br />

zwar nicht stattfand, wohl aber den gelegentliche Einsatz<br />

biologischer <strong>und</strong> Toxin-Kampfmittel in Attentaten.<br />

Selbst gegen H<strong>und</strong>e sind entsprechende Anschläge verübt<br />

worden, beispielsweise in einer Operation, in <strong>der</strong> während<br />

des Kalten Kriegs in einer nicht näher spezifizierten südostasiatischen<br />

Hauptstadt Abhöranlagen in <strong>der</strong> Botschaft<br />

Nordvietnams installiert werden sollten. Aber <strong>das</strong> Objekt<br />

wurde von Wachh<strong>und</strong>en gesichert, die <strong>das</strong> Eindringen sehr<br />

schwierig machten. Deshalb wurde geplant, die Tiere mit<br />

Pfeilen zu beschießen, die mit einem Toxin vergiftet waren,<br />

<strong>das</strong> H<strong>und</strong>e handlungsunfähig macht. Welches Toxin dabei<br />

verwendet wurde wird in dem Bericht <strong>der</strong> CIA nicht erwähnt<br />

— vielleicht handelte es sich wie<strong>der</strong> um SEB.Aber die Agenten<br />

brauchten nicht auf die H<strong>und</strong>e zu schießen: „Die Wachh<strong>und</strong>e<br />

fraßen — dabei grob gegen die normalen Verhaltensregeln<br />

von Wachh<strong>und</strong>en verstoßend — Fleisch, <strong>das</strong> mit diesem Toxin<br />

behandelt <strong>und</strong> ihnen von dem Operationsteam angeboten<br />

worden war“.<br />

Hitler kam noch einmal davon<br />

Die spektakulärste Aktion sollte die „Operation Foxley“<br />

werden, die eine Abteilung des britischen <strong>Geheimdienste</strong>s,<br />

die Special Operation Executive (SOE), ab Sommer 1944 zu<br />

planen begann. Ihr Ziel war Adolf Hitler. Darüber hinaus<br />

wurde geprüft, ob man auch Goebbels <strong>und</strong> Himmler umbringen<br />

könne. Als mögliche Orte des Anschlags hatte man in<br />

erster Linie Hitlers bevorzugten Aufenthaltsort auf dem<br />

Obersalzberg bei Berchtesgaden ins Visier genommen, sowie<br />

den Salonwagen, mit dem er zu reisen pflegte.<br />

163


Unter an<strong>der</strong>em wurde in <strong>der</strong> „Operation Foxley“ an eine<br />

Infektion Hitlers mit Milzbrandbakterien gedacht. Beispielsweise<br />

wollte man ihn mit einer Spritze infizieren, die als<br />

Füllfe<strong>der</strong>halter getarnt war — solche heimtückischen Geräte<br />

waren zur gleichen Zeit ja auch von den Japanern entwickelt<br />

<strong>und</strong> produziert worden. Erwogen wurde auch eine bakterielle<br />

Verunreinigung <strong>der</strong> Wasserversorgung seines Son<strong>der</strong>zuges<br />

o<strong>der</strong> eine Kontaminierung seines Tees. Spione <strong>der</strong> SOE<br />

hatten herausgef<strong>und</strong>en, <strong>das</strong>s Hitler immer ein wenig Milch in<br />

seine Tasse goss, ehe er den Tee einschenkte. Auch eine<br />

Vergiftung <strong>der</strong> Trinkmilch selbst war ins Auge gefasst, dann<br />

aber wie<strong>der</strong> verworfen worden, weil die Gefahr bestanden<br />

hätte, <strong>das</strong>s ein an<strong>der</strong>er zuerst davon trinken könnte.<br />

Der Attentatsplan sei jedoch aus den verschiedensten<br />

Gründen umstritten gewesen. Ein Gegenargument war, <strong>das</strong>s<br />

man aus Hitler keinen Märtyrer machen solle. An<strong>der</strong>e<br />

argumentierten, Hitler sei ein so schlechter Stratege, <strong>das</strong>s es<br />

unklug wäre, ihn zu beseitigen <strong>und</strong> durch einen besseren <strong>und</strong><br />

damit gefährlicheren Kriegsherrn ersetzen zu lassen. Aus<br />

welchem Gr<strong>und</strong> auch immer — „Operation Foxley“ wurde<br />

im April 1945 abgebrochen <strong>und</strong> Hitler entleibte sich selbst.<br />

Die außerordentlich sorgfältig <strong>und</strong> umfassend vorbereitete<br />

Aktion war so geheim, <strong>das</strong>s die Attentatspläne erst im Juli<br />

1998 vom britischen Staatsarchiv freigegeben wurden.<br />

Möglicherweise plante auch <strong>der</strong> sowjetische Geheimdienst<br />

einen Anschlag gegen Hitler — <strong>das</strong> sagte zumindest <strong>der</strong><br />

ehemalige NKWD-Chef Lawrenti Berija 1953 nach seiner<br />

Verhaftung aus. Für den Einsatz sei unter an<strong>der</strong>em Rizin<br />

vorgesehen gewesen. 66<br />

Auch Hitler-Gegner Strasser sollte vergiftet werden<br />

Ebenfalls nicht vollzogen wurde ein Attentat, mit dem Hitler<br />

einen Dissidenten aus dem Weg räumen wollte. Glaubt man<br />

dem ehemaligen deutschen Geheimdienstchef Walter<br />

Schellenberg, dann ist er im April 1941 von Hitler beauftragt<br />

worden, Dr. Otto Strasser zu ermorden. Otto Strasser — ein<br />

164


ehemaliger Kampfgefährte Hitlers, <strong>der</strong> 1930 aus <strong>der</strong> NSDAP<br />

ausgetreten war <strong>und</strong> eine Oppositionsgruppe gegründet hatte<br />

— wurde verdächtigt, an dem Attentat beteiligt gewesen zu<br />

sein, <strong>das</strong> am 8. November 1939 im Münchener Bürgerbräukeller<br />

gegen Hitler versucht worden war.<br />

Strasser habe sich zu dieser Zeit in Portugal aufgehalten,<br />

<strong>und</strong> dort sollte ihm Schellenberg auflauern <strong>und</strong> ihm ein<br />

tödlich wirkendes „Bakterienserum“ verabfolgen. Das Gift<br />

sei ihm in Gegenwart von Himmler <strong>und</strong> Heydrich von einem<br />

Bakteriologen zur Verfügung gestellt worden. Da ein Tropfen<br />

davon genüge, „um einen Menschen mit einem Sicherheitskoeffizienten<br />

von tausend zu eins vom Leben zum Tode zu<br />

beför<strong>der</strong>n“ ist anzunehmen, <strong>das</strong>s es sich bei dem bereitgestellten<br />

„Bakterienserum“ um ein Toxin gehandelt haben<br />

könne, vielleicht um Botulinum-Toxin. „Das Mittel wirke“, so<br />

wurde Schellenberg informiert, „je nach <strong>der</strong> Konstitution des<br />

Betreffenden, innerhalb von zwölf St<strong>und</strong>en durch Auftreten<br />

typhusähnlicher Erscheinungen. Auch bei Eintrocknung<br />

verliere <strong>das</strong> Mittel seine Wirkung nicht. Ein Tropfen, in ein<br />

M<strong>und</strong>spülglas gebracht, genüge, um bei späterem Gebrauch des<br />

Glases die vertrocknete Masse wie<strong>der</strong> aktiv werden zu lassen“.<br />

Schellenberg sei dann nach Portugal gereist, habe dort Strasser<br />

aber nicht angetroffen. Daraufhin habe er dem Leiter seiner<br />

Dienststelle in Lissabon die Anweisung gegeben, noch drei<br />

Wochen zu warten <strong>und</strong> dann, wenn Strasser in <strong>der</strong><br />

Zwischenzeit nicht wie<strong>der</strong> aufgetaucht sei, ein Motorboot zu<br />

chartern <strong>und</strong> die Behälter mit dem Toxin möglichst weit von<br />

<strong>der</strong> Küste entfernt ins Meer werfen zu lassen. Otto Strasser<br />

kam nicht mehr rechtzeitig nach Portugal <strong>und</strong> starb erst 1974<br />

eines natürlichen Todes.<br />

Allerdings muss zu bedenken gegeben werden, <strong>das</strong>s<br />

Schellenbergs Geschichte auch eine Erfindung gewesen sein<br />

kann. Unabhängige Belege dafür gibt es jedenfalls nicht. Dass<br />

Hitler <strong>der</strong> Plan zu diesem Anschlag zuzutrauen gewesen<br />

wäre, ist einleuchtend. Das steht auch nicht im Wi<strong>der</strong>spruch<br />

gegen sein Verbot je<strong>der</strong> Form von offensivem Einsatz<br />

165


iologischer Kampfmittel. Toxine, Botulin, Rizin <strong>und</strong> an<strong>der</strong>e,<br />

werden zwar von Lebewesen gebildet, stellen aber eigentlich<br />

chemische Kampfmittel dar. Und an <strong>der</strong> Produktion chemischer<br />

Kampfmittel <strong>und</strong> <strong>der</strong> Vorbereitung ihres eventuellen<br />

Einsatzes war Hitler tatsächlich sehr interessiert. Dass sie<br />

aber auch nicht zum Einsatz kamen, ist eine an<strong>der</strong>e, ebenfalls<br />

nur unvollständig aufgeklärte Geschichte.<br />

Castro wählte einen an<strong>der</strong>en Anzug<br />

Offenbar hatte <strong>der</strong> amerikanische Geheimdienst CIA auch<br />

entsprechende Anschläge gegen Fidel Castro <strong>und</strong> Patrice<br />

Lumumba geplant. 67 Zur Ermordung des 1950 zum Premierminister<br />

des Kongo gewählten Patrice Lumumba habe die<br />

CIA zunächst erwogen, Pockenerreger o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>e Viren<br />

einzusetzen, sich dann aber für Botulin entschieden. Der Plan<br />

sei aber nicht ausgeführt worden.<br />

Für den Anschlag gegen den kubanischen Staatschef Fidel<br />

Castro sei geplant gewesen, den leidenschaftlichen Taucher<br />

mittels einer verseuchten Taucherausrüstung umzubringen.<br />

Der Anzug sollte mit einem giftigen Pilz infiziert werden <strong>und</strong><br />

<strong>das</strong> Atmungsgerät mit Tuberkelbakterien. Auch dieser Plan<br />

sei aber misslungen, weil sich Castro nicht <strong>der</strong> von <strong>der</strong> CIA<br />

präparierten Ausrüstung bedient habe.<br />

Erfolgreich exekutiert wurde nach dem Krieg dagegen ein<br />

Anschlag mit einem an<strong>der</strong>en Toxin, mit Rizin. Das Attentat<br />

wurde 1978 auf Anweisung von Präsident Todor Schiwkow<br />

vom bulgarische Geheimdienst gemeinsam mit dem sowjetischen<br />

KGB vorbereitet <strong>und</strong> durchgeführt. Er galt dem<br />

bulgarischen Dissidenten Georgi Markow, <strong>der</strong> als Journalist<br />

beim BBC <strong>und</strong> bei Radio Free Europe in London arbeitete.<br />

Am 7. September 1978 wurde Markow auf <strong>der</strong> Londoner<br />

Waterloo Bridge von <strong>der</strong> Schirmspitze eines Passanten<br />

scheinbar versehentlich leicht am Bein verletzt. Der Passant<br />

entschuldigte sich <strong>und</strong> fuhr mit einem Taxi davon. Es war<br />

aber kein Versehen, son<strong>der</strong>n ein Mordanschlag auf den einflussreichen<br />

Regimekritiker. Markow erkrankte <strong>und</strong> verstarb<br />

166


vier Tage später. Bei <strong>der</strong> Obduktion fand man in seiner<br />

W<strong>und</strong>e ein winziges Kügelchen von 1,52 mm Durchmesser.<br />

Es bestand hauptsächlich aus Platin <strong>und</strong> war von zwei feinen<br />

Kanälen durchzogen. In diesen befand sich <strong>das</strong> tödliche<br />

Toxin. Boris Korczak, ein offenbar für CIA <strong>und</strong> KGB tätiger<br />

Doppelagent, wurde 1980 auf die gleiche Weise umgebracht.<br />

Ein an<strong>der</strong>er bulgarischer Dissident, Wladimir Kostow, sollte<br />

ebenso ermordet werden, überlebte aber den Anschlag. 68<br />

Auch <strong>das</strong> Rizin, <strong>das</strong> Anfang Januar 2003 nach monatelanger<br />

Beobachtung einer mutmaßlichen Gruppe von Al-Qaida-<br />

Mitglie<strong>der</strong>n in einer Londoner Wohnung entdeckt wurde,<br />

sollte vermutlich terroristischen Zwecken dienen. 68a<br />

Im Falle des „Regenschirm-Attentats“ war <strong>das</strong> KGB<br />

erfolgreich. In <strong>der</strong> Planung stecken blieb dagegen ein<br />

Versuch, einen weitaus prominenteren Dissidenten des<br />

Sowjet-Imperiums aus dem Weg zu räumen: 1993 berichtete<br />

<strong>der</strong> russische Historiker Dimitri Wolkogonow in <strong>der</strong><br />

„Iswestija“, beim Studium <strong>der</strong> Akten des sowjetischen Staatssicherheitsdienstes<br />

habe er einen Plan Stalins zur Ermordung<br />

Titos aus dem Jahre 1952 entdeckt. Für <strong>das</strong> Attentat waren<br />

drei Varianten ausgearbeitet worden. Eine davon sah vor,<br />

Tito mit Pestbakterien zu infizieren, die bei einer Audienz<br />

unbemerkt versprüht werden sollten. Um sich nicht selbst<br />

anzustecken, sollte <strong>der</strong> Attentäter — ein hochrangiger<br />

Diplomat, <strong>der</strong> schon an <strong>der</strong> Ermordung Trotzkis beteiligt<br />

gewesen sein soll — zuvor gegen Pest geimpft werden. Stalins<br />

Tod verhin<strong>der</strong>te den Mordanschlag.<br />

167


Falschaussage, Fehlurteil, Zensur <strong>und</strong><br />

Diskreditierung 69<br />

Nach dem Zweiten Weltkrieg fanden vier große<br />

Kriegsverbrecherprozesse statt, zwei in Nürnberg,<br />

einer im sibirischen Chabarowsk, <strong>und</strong> einer in Tokio. Bei<br />

Vorbereitung <strong>und</strong> Durchführung von drei dieser Tribunale<br />

versagten wie<strong>der</strong> die <strong>Geheimdienste</strong> — teils wissenschaftlichtechnisch,<br />

teils moralisch.<br />

Das erste Verfahren war <strong>der</strong> große Hauptkriegsverbrecherprozess,<br />

<strong>der</strong> vom 14. November 1945 bis zum 1. Oktober 1946<br />

in Nürnberg stattfand. Das Thema „biologische Kriegsführung“<br />

kam auf diesem Prozess zunächst monatelang<br />

überhaupt nicht zur Sprache. Die einzigen, die biologische<br />

Kriegsführung in Nürnberg thematisierten, waren die<br />

sowjetischen Anklagevertreter. Neben einigen marginalen<br />

Erwähnungen dieses Themas riefen sie am 26. August 1946<br />

Generalarzt Professor Walter Schreiber in den Zeugenstand.<br />

Schreiber war in den letzten Kriegstagen von <strong>der</strong> Roten<br />

Armee in Berlin gefangen genommen worden. Als Chef <strong>der</strong><br />

Abteilung für Wissenschaft <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heitsführung <strong>der</strong><br />

Heeres-Sanitätsinspektion <strong>und</strong> zugleich als Chef aller wissenschaftlichen<br />

Institute <strong>der</strong> Militärärztlichen Akademie war er<br />

ein überaus kompetenter Zeuge. Aber in Nürnberg log er.<br />

Schreiber sagte aus, auf Anordnung Hitlers <strong>und</strong> Keitels sei 1943<br />

ein offensives deutschen B-Waffenprogramm beschlossen<br />

worden, speziell die „Vorbereitung des bakteriologischen<br />

Krieges mit Erregung <strong>der</strong> Pest“ einschließlich <strong>der</strong> Durchführung<br />

von Versuchen am Menschen. Er habe im Juli 1943<br />

an einer geheimen Besprechung teilgenommen, die „im<br />

Namen des Generalfeldmarschalls Keitel <strong>und</strong> des Chefs des<br />

Allgemeinen Wehrmachtsamtes“ durchgeführt wurde. Dabei<br />

sei mitgeteilt worden, <strong>das</strong>s „Hitler den Reichsmarschall<br />

Hermann Göring mit <strong>der</strong> Leitung <strong>der</strong> Durchführung aller<br />

168


Vorbereitungen des bakteriologischen Krieges beauftragt<br />

<strong>und</strong> ihm die dazu notwendigen Vollmachten erteilt“ habe.<br />

Dazu machte Schreiber dann eine ganze Reihe detaillierter<br />

Ausführungen. Es waren allesamt Falschaussagen. Schreiber<br />

— <strong>der</strong> bald darauf aus <strong>der</strong> Gefangenschaft entlassen wurde <strong>und</strong><br />

sich über Ostberlin nach dem Westen <strong>und</strong> in die USA absetzte<br />

— musste sie offenbar auf sowjetischen Druck machen.<br />

Tatsächlich hatte Schreiber einmal, ein einziges Mal, an einer<br />

Sitzung des deutschen Biowaffen-Komitees, <strong>der</strong> „Arbeitsgemeinschaft<br />

Blitzableiter“, teilgenommen, <strong>und</strong> zwar am 21.<br />

Juli 1943, also genau in dem Monat, auf den sich Schreiber in<br />

seiner Aussage bezieht. Aber gerade auf dieser Sitzung war<br />

vom Vertreter des Wehrmachtführungstabs laut Protokoll<br />

erneut ausdrücklich darauf hingewiesen worden, „<strong>das</strong>s <strong>der</strong><br />

Führer alle Arbeiten, die sich mit dem aktiven Einsatz von B.-<br />

Mitteln befassen, verboten“ habe.<br />

Alle diesbezügliche Angaben Schreibers standen im Wi<strong>der</strong>spruch<br />

zu den Erkenntnissen, die die Angloamerikaner dank<br />

<strong>der</strong> intensiven Recherchen <strong>der</strong> Alsos-Mission gesammelt<br />

hatten. Trotzdem ließen ihre Prozessvertreter die Schreiberschen<br />

Lügen unkommentiert <strong>und</strong> unwi<strong>der</strong>sprochen im Raume<br />

stehen. Lediglich <strong>der</strong> Verteidiger des OKW versuchte, die<br />

Glaubwürdigkeit von Schreibers Aussagen zu erschüttern.<br />

Aber die Sowjets hatten kein Interesse daran, dies zuzulassen:<br />

Als nur einen Tag nach <strong>der</strong> Vernehmung Schreibers eine<br />

Gegenüberstellung mit einem Entlastungszeugen beantragt<br />

wurde, erklärte <strong>der</strong> sowjetische Anklagevertreter, dies sei lei<strong>der</strong><br />

„nicht mehr möglich, da <strong>der</strong> Zeuge Schreiber schon wie<strong>der</strong><br />

in <strong>das</strong> Kriegsgefangenenlager zurückgeschickt worden<br />

ist“. Sicher hatten es die sowjetischen Behörden mit seinem<br />

Rücktransport so überaus eilig, weil sie ahnten, <strong>das</strong>s die<br />

Lügen Schreibers im Kreuzverhör offenbar würden.<br />

Auch die Ausführungen von Entlastungszeugen <strong>der</strong> Verteidigung<br />

wurden von den Anklagevertretern <strong>und</strong> Richtern<br />

nicht zur Kenntnis genommen. Im Gegenteil, Schreibers<br />

falsche Behauptungen wurden nicht nur nicht kritisch hinter-<br />

169


fragt, son<strong>der</strong>n sogar für die abschließende Urteilsbegründung<br />

herangezogen: Im Nürnberger Urteil heißt es wahrheitswidrig:<br />

„Im Juli 1943 wurden Versuche zur Vorbereitung eines<br />

bakteriologischen Feldzugs begonnen; Sowjetgefangene wurden<br />

zu diesen medizinischen Versuchen verwendet; in <strong>der</strong><br />

Mehrzahl <strong>der</strong> Fälle hatten diese den Tod zur Folge“.<br />

Hier hatten nicht die <strong>Geheimdienste</strong> versagt, son<strong>der</strong>n<br />

Juristen. Das heißt, versagt haben sie wohl nur moralisch, weil<br />

sie im höheren Auftrag wi<strong>der</strong> besseres Wissen falsch Zeugnis<br />

akzeptierten <strong>und</strong> — wenn auch nur partiell — ein Fehlurteil<br />

verkündeten, <strong>das</strong> lei<strong>der</strong> von manchen Autoren noch heute für<br />

bare Münze genommen wird.<br />

Angaben über biologische Kriegsführung fielen <strong>der</strong> Zensur<br />

zum Opfer<br />

Aber es blieb nicht bei <strong>der</strong> Nürnberger Falschaussage <strong>und</strong><br />

dem Fehlurteil. Das nächste Falsifikat hat seinen Ursprung<br />

auch in Nürnberg, wurde aber in Washington, D.C., produziert.<br />

Es war <strong>das</strong> regierungsamtliche Protokoll des sogenannten<br />

Ärzteprozesses, <strong>der</strong> vom Oktober 1946 bis zum<br />

August 1947 ausschließlich von den Amerikanern geführt<br />

wurde. Hier spielten Biowaffenaktivitäten ebenfalls nur eine<br />

untergeordnete Rolle. Offenbar wurde <strong>das</strong> Thema biologische<br />

Kriegsführung trotz <strong>der</strong> von Schreiber auf dem<br />

Hauptprozess gemachten Behauptungen ganz bewusst weitgehend<br />

ausgeklammert, weil die Angloamerikaner ihre inzwischen<br />

gewonnenen vielfältigen Erkenntnisse dazu nicht auf<br />

dem offenen Markt ausbreiten wollten. Der am besten qualifizierte<br />

<strong>und</strong> informierte Biowaffenexperte, <strong>der</strong> Bakteriologe<br />

Heinrich Kliewe, — dessen herausragende Rolle den<br />

Amerikanern bekannt war, wegen <strong>der</strong> Ineffizienz ihrer<br />

<strong>Geheimdienste</strong> allerdings erst seit Kriegsende — wurde nur<br />

als Zeuge außerhalb des Gerichtssaals gehört, <strong>und</strong> dies nicht<br />

einmal zum Thema „biologische Waffen“.<br />

Trotzdem vermittelte die Befragung einiger Angeklagter <strong>und</strong><br />

Zeugen eine gute Übersicht darüber, was tatsächlich in<br />

170


Blick auf die Anklagebank vom Ärzteprozess (Ausschnitt) In <strong>der</strong> vor<strong>der</strong>en<br />

Reihe von links nach rechts: Kurt Blome, Joachim Mrugowsky, Rudolf Brandt,<br />

Helmut Poppendick <strong>und</strong> Wolfram Sievers.<br />

Foto: Ray d’Addario. Quelle: Internationale Ärzte für die Verhütung<br />

des Atomkrieges, Regionalgruppe Nürnberg, Dr.med.Helmut Sörgel.<br />

Deutschland an Biowaffenaktivitäten gelaufen o<strong>der</strong>, besser<br />

gesagt, nicht gelaufen war. Diese Aussagen finden sich aber<br />

nur im maschinegeschriebenen offiziellen Protokoll des<br />

Prozesses, von denen eine Kopie im Nürnberger Staatsarchiv<br />

aufbewahrt wird. Die während des Prozesses zu BW-<br />

Aktivitäten abgegebenen Erklärungen sind jedoch nicht in<br />

<strong>der</strong> von <strong>der</strong> US-amerikanischen Regierungsdruckerei hergestellten<br />

gedruckten Ausgabe des Prozessberichtes enthalten:<br />

Der veröffentlichte Prozessbericht ist ausgiebig <strong>und</strong> gezielt<br />

zensiert worden. Das Thema „biologische Kriegsführung“<br />

wird nur ein einziges Mal marginal erwähnt, <strong>und</strong> zwar in <strong>der</strong><br />

Begründung für den Freispruch Blomes. Um so mehr ist es zu<br />

begrüßen, <strong>das</strong>s kürzlich eine Gesamtausgabe <strong>der</strong> Materialien<br />

des Ärzteprozesses herausgegeben wurde. 70<br />

171


Chabarowsk — ein Haufen Quatsch?<br />

Im Gegensatz zu den beiden Nürnberger Prozessen wurden<br />

Biowaffenaktivitäten in dem Verfahren, <strong>das</strong> vom 25. bis zum<br />

30. Dezember 1949 im sibirischen Chabarowsk stattfand,<br />

offen <strong>und</strong> breit diskutiert 71 (wenngleich vermutet werden<br />

kann, <strong>das</strong>s die Sowjets dabei auch nicht alle Karten auf den<br />

Tisch legten). Den sowjetischen Truppen war es gelungen,<br />

nicht nur den ehemaligen Kommandeur <strong>der</strong> Kwantung-<br />

Armee, son<strong>der</strong>n auch elf Mitarbeiter Shiro Ishiis dingfest zu<br />

machen, die sich — im Gegensatz zur Mehrzahl ihrer Kollegen<br />

— nicht rechtzeitig von Pingfan absetzen <strong>und</strong> in amerikanische<br />

Gefangenschaft begeben konnten. Die Angeklagten<br />

wurden vor Gericht gestellt <strong>und</strong> beschuldigt, sich an<br />

„kriminellen, unmenschlichen Experimenten“ beteiligt zu<br />

haben, weil sie den Einfluss biologischer Kampfmittel auf<br />

den lebenden Menschen untersucht hatten. Tausende seien<br />

den Versuchen zum Opfer gefallen, nachdem sie mit den<br />

Erregern von Pest, Cholera,Typhus, Milzbrand <strong>und</strong> Gasbrand<br />

infiziert worden waren.<br />

Seitens <strong>der</strong> Angloamerikaner wurde <strong>der</strong> Verlauf des Prozesses<br />

von Chabarowsk als reine Propaganda diskreditiert. Dr.<br />

Mortimer A. Rothenberg, <strong>der</strong> wissenschaftliche Direktor des<br />

in Dugway, Utah, gelegenen Testgeländes für biologische <strong>und</strong><br />

chemische Kampfstoffe bezeichnete die sowjetischen<br />

Behauptungen dem amerikanischen Journalisten John W.<br />

Powell gegenüber als „reine Propaganda“ <strong>und</strong> als einen<br />

„Haufen Quatsch“. Auch <strong>das</strong> war wie<strong>der</strong> gelogen: Als einer<br />

<strong>der</strong> führenden US-Experten für chemische <strong>und</strong> biologische<br />

Kriegsführung kannte Rothenberg Umfang <strong>und</strong> Inhalt des<br />

japanischen Biowaffenprogramms. Zudem musste er wissen,<br />

<strong>das</strong>s erst die sowjetischen Ermittlungen in Vorbereitung des<br />

Chabarowsker Prozesses auch die USA zu Erkenntnissen<br />

über <strong>das</strong> Ausmaß <strong>der</strong> japanischen Aktivitäten verholfen hatten.<br />

Jedoch muss angemerkt werden, <strong>das</strong>s offenbar die Hauptmasse<br />

<strong>der</strong> von <strong>der</strong> Roten Armee erbeuteten japanischen<br />

Dokumente bis heute geheim gehalten wird. Wenn man Ken<br />

172


Alibek in dieser Hinsicht glauben darf, dann liegt <strong>das</strong> daran,<br />

<strong>das</strong>s die Sowjets ebenso wie ihre (ehemaligen) Verbündeten<br />

erkannten, <strong>das</strong>s die japanischen Erfahrungen auf diesem<br />

Gebiet für <strong>das</strong> eigene Biowaffenprogramm von größter<br />

Bedeutung sein dürften.<br />

Zunächst aber hatten die Sowjets keine Hemmungen, den<br />

Amerikanern weitgehend offen zu legen, was sie in den<br />

Vorermittlungen für den Chabarowsker Prozess herausgef<strong>und</strong>en<br />

hatten, 72 zumal sie hofften, auch einige <strong>der</strong> von den<br />

Amerikanern gefangen genommenen Experten als Zeugen<br />

vernehmen zu können. Allerdings verrieten die sowjetischen<br />

Vertreter dabei nicht, <strong>das</strong>s sich ihr Wissen um die<br />

japaischen Aktivitäten nicht nur auf die Aussagen ihrer zwölf<br />

Gefangenen stützte, son<strong>der</strong>n <strong>das</strong>s sie auch noch Beweismaterialien<br />

in Pingfan selbst gef<strong>und</strong>en hatten.<br />

Für die USA war vieles von den sowjetischen Erkenntnissen<br />

völlig neu — vor allem die Tatsache, <strong>das</strong>s die Japaner in<br />

großem Umfang auch Menschenexperimente durchgeführt<br />

hatten.Außerdem gingen die Amerikaner davon aus, <strong>das</strong>s <strong>das</strong><br />

Institut in Pingfan zerstört gewesen sei, als es in die Hände<br />

<strong>der</strong> Roten Armee fiel. Sie wussten, <strong>das</strong>s ein strikter Befehl<br />

bestanden hatte, die Anlage beim Nahen eines Feindes vollständig<br />

zu zerstören. In einem vorläufigen Bericht über die<br />

japanischen Arbeiten meldete Oberstleutnant Murray San<strong>der</strong>s<br />

vom Hauptquartier für die Pazifik-Truppen, „dieser Befehl<br />

wurde vermutlich buchstabengetreu befolgt, als die Russen in<br />

die Mandschurei eindrangen. Es besteht keinerlei Gr<strong>und</strong>,<br />

daran zu zweifeln, da die Japaner ausreichend Zeit hatten, die<br />

Dokumente zu vernichten <strong>und</strong> alle Gebäude <strong>und</strong> ihre Einrichtungen<br />

zu zerstören“. Aber <strong>das</strong> war ein Irrtum von San<strong>der</strong>s.<br />

In einer Beratung über die von den Sowjets erbetene<br />

Möglichkeit, von den Amerikanern festgenommene japanische<br />

Experten befragen zu können, erwähnte <strong>der</strong> sowjetische<br />

Delegationsleiter Oberst Leon N. Smirnov am 17. Januar 1947<br />

eher beiläufig, <strong>das</strong>s ihre Experten „die Ruinen von Pingfan“<br />

173


Teile des Instituts in Pingfan, die den Zweiten Weltkrieg überstanden haben.<br />

Foto: Dr. T. Bärnighausen<br />

174


untersucht hätten. Oberstleutnant Robert P. McQuail, <strong>der</strong><br />

amerikanische Delegationsleiter, war entsetzt: Hatten die<br />

Japaner Pingfan womöglich nicht vollständig zerstört?<br />

Gespannt fragte er Smirnov: „Der Oberst sprach von ‚Ruinen<br />

von Pingfan’. Wurde es bombardiert o<strong>der</strong> als Ergebnis <strong>der</strong><br />

Kämpfe zerstört?“ Mit gespielter Unschuld antwortete<br />

Smirnov: „Pingfan wurde vollständig von den Japanern<br />

zerstört, die versuchten, alle Spuren auszulöschen. Auch alle<br />

Dokumente wurden vernichtet, <strong>und</strong> unsere Experten machten<br />

nicht einmal Fotos von den Ruinen, so vollständig war <strong>das</strong><br />

Zerstörungswerk“. Diese Angaben beruhigten McQuail <strong>und</strong><br />

wurden noch jahrzehntelang weltweit geglaubt.<br />

Vierzig Jahre später besuchte <strong>der</strong> deutsche Mediziner Till<br />

Bärnighausen die Stätte, als er seine Doktorarbeit über die<br />

japanischen Biowaffenaktivitäten schrieb. 73 Er fand, <strong>das</strong>s es<br />

sich durchaus noch lohnte, in Pingfan Fotos zu machen: Die<br />

Sowjets hatten ihre ehemaligen Verbündeten belogen.<br />

Inzwischen sind charakteristische Teile <strong>der</strong> Einrichtung<br />

rekonstruiert <strong>und</strong> zur Besichtigung freigegeben worden; es ist<br />

sogar beabsichtigt, bei <strong>der</strong> UNESCO seine Anerkennung als<br />

Bestandteil des Weltkulturerbes zu beantragen. 74<br />

Der vierte große Kriegsverbrecherprozess fand dann vom<br />

3. Mai 1946 bis zum 4. November 1948 in Tokio statt, wo<br />

Ishiis Kriegsverbrecherkarriere einst begonnen hatte. Die<br />

umfangreichen Biowaffenaktivitäten <strong>der</strong> Japaner kamen<br />

praktisch überhaupt nicht zur Sprache. Erst mehr als ein<br />

halbes Jahrh<strong>und</strong>ert später, Ende August 2002, bestätigte ein<br />

japanisches Gericht erstmalig, <strong>das</strong>s Japan im Zweiten<br />

Weltkrieg Biowaffen benutzt hatte <strong>und</strong> <strong>das</strong>s dabei viele<br />

Menschen umgekommen waren. Trotzdem sprach <strong>das</strong><br />

Tokioter Bezirksgericht — vor dem 180 chinesische Opfer<br />

beziehungsweise Hinterbliebene Entschädigungsansprüche<br />

<strong>und</strong> eine offizielle Entschuldigung eingeklagt hatten — die<br />

japanische Regierung von rechtlichen Verpflichtungen frei. 75<br />

175


Ein Deal mit<br />

„Medizinern ohne Menschlichkeit“ 76<br />

Am meisten waren die Japaner in ihrem 1932 gestarteten<br />

Biowaffen-Programm an den Erregern <strong>der</strong> Pest<br />

interessiert. In Versuchen mit Kriegsgefangenen ergab sich:<br />

Wenn man Yersinia pestis direkt versprüht, dann kann man<br />

mehr als dreißig Prozent, maximal alle Versuchspersonen<br />

infizieren. Mindestens sechzig Prozent von ihnen verstarben<br />

nach dem brutalen Experiment. Erfolgreich verliefen auch<br />

Versuche, die Bakterien vermittels von Flöhen zu verbreiten.<br />

Wie Dr. Norbert H. Fell nach dem Zweiten Weltkrieg<br />

protokollierte, hatten die Japaner in ihren Experimenten<br />

herausgef<strong>und</strong>en, „<strong>das</strong>s normalerweise ein Flohbiss ausreicht,<br />

um eine Infektion zu bewirken. Wenn sich zehn Subjekte frei<br />

in einem Raum bewegten, in dem sich pro Quadratmeter 20<br />

Flöhe befanden, wurden sechs von 10 Subjekten infiziert, <strong>und</strong><br />

vier davon starben“. Mit großem Aufwand wurden Methoden<br />

entwickelt, wie man Flöhe kilogrammweise produzieren<br />

konnte. Ein Gramm — <strong>das</strong> waren 3000 Flöhe. Und die konnten<br />

sich dann auf Ratten mit den Pestbakterien infizieren,<br />

wie<strong>der</strong> „auf Produktionsbasis“.Anschließend wurden mit <strong>der</strong><br />

‚Uji’-Porzellanbombe <strong>und</strong> Primacord-Sprengstoff Versuche<br />

zur massenhaften Verbreitung <strong>der</strong> Pestflöhe durchgeführt.<br />

„Bevor sie in die Bombe gefüllt wurden, wurden die Flöhe<br />

mit Sand vermischt. Etwa 80 Prozent <strong>der</strong> Flöhe überlebten<br />

die Explosion, die in einer zehn Quadratmeter großen<br />

Kammer ausgelöst wurde, in <strong>der</strong> sich 10 Subjekte befanden.<br />

Acht <strong>der</strong> 10 Subjekte wurden von Flöhen gebissen <strong>und</strong><br />

infiziert <strong>und</strong> sechs <strong>der</strong> acht starben.“<br />

Diese Informationen hatte Fell, Abteilungsleiter in Camp<br />

Detrick, aber nicht von den angloamerikanischen Nachrichtendiensten<br />

erhalten, denn auch die tappten hinsichtlich<br />

<strong>der</strong> japanischen Biowaffenaktivitäten weitgehend im<br />

Dunklen. Noch nach <strong>der</strong> Kapitulation Japans glaubte <strong>der</strong><br />

militärische Abwehrdienst <strong>der</strong> USA, Japan habe „nur in<br />

176


einem verhältnismäßig geringen Ausmaß biologisch kriegführen“<br />

können. Das habe sich „wahrscheinlich auf<br />

Sabotageaktivitäten beschränkt“. Hinweise auf eine Massenproduktion<br />

biologischer Kampfmittel durch die Japaner gebe<br />

es nicht. Ab 1940 seien zwar zahlreiche Berichte — größtenteils<br />

chinesischen Ursprungs — über eine angebliche o<strong>der</strong> vermutete<br />

biologische Kriegsführung <strong>der</strong> Japaner gegen<br />

Chinesen eingegangen, „aber nicht ein Fall wurde bestätigt“.<br />

Selbst Ende 1945 wussten die Amerikaner nicht viel mehr.<br />

Oberstleutnant Murray San<strong>der</strong>s vom Hauptquartier für die<br />

Pazifik-Truppen berichtete, „zu keiner Zeit waren die<br />

Japaner in <strong>der</strong> Lage, biologische Kampfmittel als Waffen<br />

einzusetzen“. Dass sie tatsächlich in großem Umfang die<br />

Erreger von Cholera, Milzbrand, Pest, Rotz <strong>und</strong> Ruhr<br />

verbreitet hatten, blieb den amerikanischen Aufklärern<br />

zunächst weitgehend verborgen, obwohl diesen Aktionen,<br />

jüngsten chinesischen Angaben zufolge, 77 in den Jahren 1932-<br />

45 etwa 370.000 Menschen zum Opfer gefallen sein sollen.*<br />

Auch von den grausamen Menschenexperimenten, <strong>der</strong>en<br />

Ergebnisse Fell in dem einleitend zitierten Bericht zusammenfasste,<br />

wussten die Amerikaner zunächst nichts. Seine<br />

detaillierten Informationen hatte Fell von den japanischen<br />

Biowaffenexperten selbst erhalten. 19 von ihnen hatten unter<br />

an<strong>der</strong>em einen 60 Seiten langen Bericht für die amerikanischen<br />

Sieger erstellt. Das verdankten die Amerikaner<br />

aber letztlich ihren ehemaligen Verbündeten, den Sowjets.<br />

Die Sowjets hatten noch Fragen <strong>und</strong> wollten kooperieren<br />

Am 9. Januar 1947 schrieb <strong>der</strong> Stellvertretende Staatsanwalt<br />

<strong>der</strong> UdSSR beim Internationalen Militärgerichtshof für den<br />

* Allerdings ist nicht bekannt, wie viele dieser Opfer direkt durch bakteriologische<br />

Kriegsführung verursacht wurden. Am 10. August 1945, kurz vor <strong>der</strong> Nie<strong>der</strong>lage Japans,<br />

wurde damit begonnen, die Biowaffeneinrichtungen zu zerstören. Dabei gelangten<br />

offenbar auch zahlreiche infizierte Versuchstiere ins Freie, die ausgedehnte<br />

Krankheitsausbrüche verursacht haben dürften.<br />

177


Deckblatt des amerikanischen Geheimdienstdokuments über die sowjetische<br />

Bitte um Amtshilfe vom 27. März 1947.<br />

Quelle: Tsuneishi 1985, 265.<br />

178


Fernen Osten dem amerikanischen Hauptquartier, man sei<br />

im Besitz von Unterlagen über die japanische Vorbereitungen<br />

zur biologischen Kriegsführung. Ehe diese Dokumente dem<br />

Tribunal als Beweismittel vorgelegt werden könnten, müssten<br />

einige zusätzliche Zeugen vernommen werden, <strong>und</strong> zwar<br />

Generalmajor Shiro Ishii <strong>und</strong> zwei an<strong>der</strong>e Experten. Diese<br />

sollten über ihre Untersuchungen aussagen <strong>und</strong> über die im<br />

Verlauf dieser Experimente verübten Massenmorde. Die<br />

USA möchten doch bitte ermöglichen, <strong>das</strong>s die drei Zeugen<br />

von sowjetischen Vertretern verhört werden könnten.<br />

Massenmord als Folge von Biowaffenaktivitäten — <strong>das</strong> waren<br />

alarmierende Neuigkeiten für die Amerikaner. Sie erbaten<br />

deshalb nähere Auskünfte. Ein Vertreter <strong>der</strong> sowjetischen<br />

Anklagevertretung berichtete den Amerikanern daraufhin,<br />

„kurz nach <strong>der</strong> Beendigung <strong>der</strong> Feindseligkeiten seien General<br />

Kawashiuma, von Einheit 731, <strong>und</strong> sein Stellvertreter, Major<br />

Kurasaba, verhört worden. Sie hätten über Menschenexperimente<br />

mit Fleckfieber <strong>und</strong> Cholera informiert, an<br />

denen Ishii <strong>und</strong> an<strong>der</strong>e beteiligt waren <strong>und</strong> in <strong>der</strong>en Verlauf<br />

2000 Chinesen <strong>und</strong> Mandschuren gestorben seien“.<br />

Nun wurde vom Fernost-Oberkommando in Washington<br />

angefragt, ob man die Verhöre gestatten solle. Dort reagierte<br />

man positiv. Der Verlauf <strong>der</strong> Befragung könnte, wenn die<br />

Verhöre „unter kontrollierten Bedingungen“ stattfinden, „als<br />

Schlüssel zu den sowjetischen Kenntnissen <strong>und</strong> Aktivitäten<br />

auf dem Biowaffengebiet dienen“. Ishii habe man selbst<br />

bereits verhört, die beiden an<strong>der</strong>en noch nicht. Die sollten<br />

vor <strong>der</strong> Überstellung an die Sowjets von den kompetentesten<br />

eigenen Experten befragt werden. Sollte sich dabei herausstellen,<br />

<strong>das</strong>s sie über Informationen verfügen, die die Sowjets<br />

besser nicht erhalten, dann sollten „die Japaner instruiert<br />

werden, diese Informationen nicht den Sowjets preiszugeben“.<br />

Daraufhin wurde von den Vereinigten Stabschefs Dr. Norbert<br />

H. Fell, Abteilungsleiter in Camp Detrick für die Verhöre<br />

nominiert <strong>und</strong> nach Tokio abkommandiert.<br />

179


Entscheidung <strong>der</strong> Vereinten Stabschefs über die Bedingungen, unter denen die<br />

japanischen Biowaffenexperten von den sowjetischen Anklagevertretern verhört<br />

werden dürfen.<br />

Quelle: Tsuneishi 1985, 281.<br />

180


Einschätzung <strong>der</strong> Bedeutung <strong>der</strong> Angaben <strong>der</strong> japanischen Biowaffenexperten<br />

durch <strong>das</strong> Außenministerium <strong>der</strong> USA vom 8. September 1947.<br />

Quelle: Tsuneishi 1985, 332.<br />

181


Da man nun von den Sowjets erfahren hatte, <strong>das</strong>s Ishiis<br />

Einheit offenbar auch Menschenversuche durchgeführt hatte,<br />

war in den Augen <strong>der</strong> US-Militärs eine völlig neue Situation<br />

entstanden: Auf die Ergebnisse eigener Experimente am<br />

Menschen konnte man — noch — nicht zurückgreifen, <strong>und</strong><br />

deutsche Ergebnisse dazu gab es auch nicht. Deshalb wies <strong>das</strong><br />

Kriegsministerium die Fernost-Abteilung des militärischen<br />

Nachrichtendienstes unverzüglich an, die Protokolle <strong>der</strong> bisher<br />

durchgeführten Verhöre noch einmal auf entsprechende<br />

Hinweise zu durchforsten, die vielleicht bisher als unglaubwürdig<br />

abgetan worden waren. Die Recherche war erfolgreich:<br />

Ein Zeuge hatte bereits am 15. Dezember 1945 ausgesagt,<br />

<strong>das</strong>s Ishii in seinem Institut „anstelle von Versuchstieren<br />

Menschen für seine Experimente mit Bakterien genutzt hat.<br />

Obwohl die Mehrzahl <strong>der</strong> Opfer verurteilte Kriminelle waren,<br />

sollen auch unschuldige Bauern, Offiziere <strong>der</strong> kommunistischen<br />

Armee, Frauen <strong>und</strong> Kin<strong>der</strong> darunter gewesen sein,<br />

<strong>und</strong> die Versuche mit Rotzbakterien, Pest-Erregern <strong>und</strong> an<strong>der</strong>en<br />

starken Giften hätten über Tausend Opfer gefor<strong>der</strong>t“.<br />

Diese Beschuldigung sei in den folgenden Monaten von<br />

weiteren Zeugen bestätigt <strong>und</strong> erweitert worden.<br />

Die unmittelbare Reaktion auf diesen Bericht war <strong>der</strong><br />

Befehl: Sofort abschotten! Der Nachrichtendienst wurde<br />

unverzüglich aus Washington auf eine bereits am 24. Juli 1946<br />

erlassene geheime Weisung des Kriegsministeriums hingewiesen,<br />

in <strong>der</strong> es heißt, „unter den gegenwärtigen Umständen<br />

dürfen Geheimdienstinformationen über Forschungs- <strong>und</strong><br />

Entwicklungsaktivitäten auf den Gebieten von Wissenschaft<br />

<strong>und</strong> Kriegsführung keiner an<strong>der</strong>en Nation außer dem<br />

Britischen Commonwealth (mit Ausnahme von Irland) ohne<br />

Bezug auf <strong>und</strong> Genehmigung durch die Vereinigten<br />

Stabschefs weitergegeben werden“. Alle weiteren Untersuchungen<br />

würden sofort <strong>der</strong> Kontrolle durch die Vereinten<br />

Stabschefs unterstellt <strong>und</strong> seien unter äußerster Geheimhaltung<br />

zu führen.Auch eine strafrechtliche Verfolgung dürfe<br />

in dieser Sache nicht ohne Zustimmung erfolgen.<br />

182


Ein paar Wochen darauf übergaben die von den hektischen<br />

Aktionen <strong>der</strong> amerikanischen Dienste nichts ahnenden Sowjets<br />

Kopien ihrer Verhörprotokolle. In einer Aktennotiz wurde<br />

dazu am 6. Mai 1947 von einem amerikanischen Auswerter<br />

vermerkt, <strong>das</strong>s es in diesen Materialien unter an<strong>der</strong>em um<br />

„Menschenversuche“ ging <strong>und</strong> <strong>das</strong>s alle Angaben „von größtem<br />

Informationswert für die USA“ seien. Dr. Fell habe<br />

festgestellt, „<strong>das</strong>s die neuen Fakten den USA bisher nicht<br />

bekannt waren“. Und deshalb werden in dieser Aktennotiz<br />

die Weichen für einen ungeheuerlichen Deal gestellt:<br />

„Zusätzliche Informationen einschließlich von Material über<br />

den theoretischen, strategischen <strong>und</strong> taktischen Einsatz<br />

können vielleicht dadurch erhalten werden, <strong>das</strong>s die einbezogenen<br />

Japaner darüber unterrichtet werden, <strong>das</strong>s diese<br />

Informationen in Geheimdienstkanälen verbleiben <strong>und</strong> nicht<br />

als Beweise für ‚Kriegsverbrechen’ herangezogen werden.<br />

Wird höheren Dienstgraden schriftlich Immunität vor<br />

‚Kriegsverbrechen’ zugesichert, so wird dies die Auswertung<br />

<strong>der</strong> zwanzigjährigen Erfahrung des Direktors, des ehemaligen<br />

Generals Ishii ermöglichen. Dieser kann die vollständige<br />

Kooperation seiner früheren Mitarbeiter zusichern, die<br />

Verbindungen zum japanischen Generalstab erläutern <strong>und</strong><br />

taktische <strong>und</strong> strategische Informationen geben“.<br />

Am 20. Juni 1947 legte Fell den ersten, ausführlichen Report<br />

über die japanischen Aktivitäten vor, <strong>der</strong> auf <strong>der</strong> eingangs<br />

erwähnten Zusammenstellung beruhte. Fell vermerkte darin<br />

auch, <strong>das</strong>s die Japaner nicht nur mit Pest-Erregern experimentiert,<br />

son<strong>der</strong>n auch umfangreiche Versuche mit an<strong>der</strong>en<br />

Pathogenen, darunter Milzbrandbakterien durchgeführt hatten,<br />

beispielsweise mit <strong>der</strong> „Uji“-Porzellanbombe.<br />

Nach Vorlage von Fells Bericht befand <strong>das</strong> Koordinierungskomitee<br />

von Armee, Marine <strong>und</strong> Außenministerium, die<br />

Informationen über die japanischen Biowaffen-Experimente<br />

seien von so großer Bedeutung für die nationale Sicherheit,<br />

<strong>das</strong>s die japanischen Experten nicht wegen Kriegsverbrechen<br />

angeklagt werden sollten, zumal im Falle einer solchen<br />

183


Von den japanischen Biowaffenforschern nach dem Zweiten Weltkrieg für die<br />

US-Experten beschriebene Bef<strong>und</strong>e nach Obduktion einer Versuchsperson, an<br />

<strong>der</strong> Experimente mit Milzbran<strong>der</strong>regern durchgeführt worden waren.<br />

Quelle: Bärnighausen 1996.<br />

184


Anklage die Informationen auch an<strong>der</strong>en Staaten zugänglich<br />

würden. „Die japanischen Informationen sind die einzigen<br />

bekannten Ergebnisse aus wissenschaftlich kontrollierten<br />

Untersuchungen, die die direkte Wirkung von biologischen<br />

Kampfmitteln auf den Menschen zeigen. Bisher war es notwendig,<br />

die Wirkung von solchen Waffen auf den Menschen<br />

von den Ergebnissen abzuleiten, die in Tierversuchen<br />

ermittelt wurden. Ein solches Vorgehen ist nicht schlüssig <strong>und</strong><br />

weitaus unvollständiger als Ergebnisse, die direkt in bestimmten<br />

Experimenten am Menschen gewonnen wurden“.<br />

Allerdings stellte <strong>das</strong> Komitee auch fest, zur gleichen Zeit<br />

klage „diese Regierung führende deutsche Wissenschaftler<br />

<strong>und</strong> Ärzte in Nürnberg wegen Verbrechen an, die Experimente<br />

am Menschen einschlossen <strong>und</strong> im Leiden <strong>und</strong> Tod <strong>der</strong> meisten<br />

von jenen endeten, mit denen experimentiert wurde“. Es<br />

müsse auch damit gerechnet werden, <strong>das</strong>s die sowjetischen<br />

Anklagevertreter im Verlauf des Tokioter Kriegsverbrecherprozesses<br />

„Beweismittel über von <strong>der</strong> Ishii-BW-Gruppe<br />

durchgeführte Experimente am Menschen vorlegen, die sich<br />

nicht beson<strong>der</strong>s von denen unterscheiden, wegen <strong>der</strong> diese<br />

Regierung zur Zeit deutsche Wissenschaftler <strong>und</strong> Ärzte in<br />

Nürnberg anklagt“. Aber diese Bedenken schlugen nicht zu<br />

Buche.<br />

In Kenntnis <strong>der</strong> ihnen zugesicherten Straffreiheit packten<br />

die japanischen Biowaffen-Experten aus <strong>und</strong> nicht einer von<br />

ihnen wurde unter Anklage gestellt. Im Gegensatz zu ihren<br />

weit mehr als zehntausend Opfern <strong>und</strong> auch im Gegensatz zu<br />

sieben von einem amerikanischen Militärgericht in Nürnberg<br />

zum Tode verurteilten deutschen „Medizinern ohne Menschlichkeit“<br />

starben alle einen natürlichen Tod. Manche von<br />

ihnen erklommen sogar die Höhen des japanischen medizinischen<br />

Establishments.<br />

Und auf dem Tokioter Kriegsverbrecherprozess wurden die<br />

Biowaffenexperimente nur ein einziges Mal erwähnt, aus<br />

„Mangel an Beweisen“ aber nicht weiter verfolgt. Die Sowjets<br />

185


aber, die mit ihrer — fast möchte man formulieren „unschuldigen“<br />

— Anfrage nach den Zeugen die Intensivierung <strong>der</strong><br />

amerikanische Nachforschungen erst ausgelöst hatten, wurden<br />

über die überaus reiche Ausbeute <strong>der</strong> neuerlichen<br />

Befragungen <strong>der</strong> japanischen Experten nicht informiert.<br />

Aber ihre Bitte wurde wenigstens erfüllt <strong>und</strong> sie durften Ishii<br />

im Sommer 1947 verhören, allerdings nur im Beisein amerikanischer<br />

Spezialisten. Und als sie dann 1949 in Chabarowsk<br />

„ihren“ Prozess durchführten, wurde <strong>der</strong> von den<br />

Amerikanern überaus erfolgreich als Schauprozess diffamiert.<br />

186


Halt! Amikäfer 78<br />

Mit <strong>der</strong> Erfindung <strong>der</strong> sogenannten „Amikäfer“<br />

hatten die <strong>Geheimdienste</strong>, etwa <strong>das</strong> ostdeutsche<br />

Ministerium für Staatssicherheit, nichts zu tun. Die<br />

„Amikäfer“ wurden am 15. Juni 1950 in Ostberlin eingeführt,<br />

ihr Namensgeber war Politbüromitglied Paul Merker. Und<br />

<strong>das</strong> kam so:<br />

In <strong>der</strong> Sowjetischen Besatzungszone <strong>und</strong> <strong>der</strong> späteren DDR<br />

gab es nach dem Zweiten Weltkrieg einen zunehmend<br />

bedrohlichen Befall mit Kartoffelkäfern. 1950 war nahezu ein<br />

Fünftel <strong>der</strong> Kartoffelanbaufläche von dem gefräßigen<br />

Schädling überschwemmt. Die 1824 in den USA entdeckten<br />

Käfer kamen in Europa zunächst kaum vor, da vielfach<br />

Einfuhrverbote für amerikanische Kartoffeln erlassen wurden.<br />

Im Jahre 1922 fand man aber bei Bordeaux Kartoffelkäfer,<br />

die bereits ein großes Gebiet befallen hatten <strong>und</strong> nicht<br />

mehr ausgerottet werden konnten. Von da aus breiteten sie<br />

sich mit einer Geschwindigkeit von bis zu 175 km im Jahr<br />

ostwärts aus <strong>und</strong> erreichten 1936 die deutsche Westgrenze.<br />

Die sofort eingeleiteten Bekämpfungsmaßnahmen konnten<br />

nicht verhin<strong>der</strong>n, <strong>das</strong>s die Schädlinge allmählich immer<br />

größere Gebiete Deutschland eroberten.<br />

Nach Kriegsende wurden auch die östlichen Landesteile<br />

immer stärker befallen, zumal die Witterungsbedingungen<br />

<strong>der</strong> Jahre 1948–50 für Vermehrung <strong>und</strong> weitere Ausbreitung<br />

<strong>der</strong> Schädlinge beson<strong>der</strong>s günstig waren. Hinzu kam, <strong>das</strong>s<br />

durch milde Winter die Käferzahl nicht verringert wurde <strong>und</strong><br />

im folgenden Jahr nicht nur junge, son<strong>der</strong>n auch viele<br />

Altkäfer auftraten. Bei <strong>der</strong> Bekämpfung <strong>der</strong> Schädlinge gab<br />

es Mängel aller Art. Und die sollten mit einer großen Propaganda-Aktion<br />

vertuscht werden, in <strong>der</strong> man <strong>das</strong> Vorkommen<br />

<strong>der</strong> Käfer einfach dem Gegner in die Schuhe schob <strong>und</strong> ihn<br />

mit einem durchaus massenwirksamen Argument verunglimpfen<br />

konnte.<br />

187


„Halt Amikäfer“. Titelblatt <strong>der</strong> 1950 veröffentlichten Propaganda-Broschüre,<br />

in welcher <strong>der</strong> Bericht <strong>der</strong> Regierungskommission abgedruckt ist.<br />

Quelle: Amt für Information <strong>der</strong> Regierung <strong>der</strong> DDR, 1950.<br />

188


Am 16. Juni 1950, erschien <strong>das</strong> „Neue Deutschland“, <strong>das</strong><br />

Zentralorgan <strong>der</strong> Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands,<br />

mit <strong>der</strong> Schlagzeile auf <strong>der</strong> Titelseite „Gemeinsame<br />

Abwehrmaßnahmen gegen Kartoffelkäfer. Außerordentliche<br />

Kommission stellt fest: USA-Flugzeuge warfen große<br />

Mengen Kartoffelkäfer ab“. Im Inneren des Blattes wurde<br />

<strong>der</strong> Bericht einer Kommission veröffentlicht, den Paul<br />

Merker, Staatssekretär im Ministerium für Land- <strong>und</strong> Forstwirtschaft,<br />

am Vortage im Ministerrat gegeben hatte. Darin<br />

heißt es unter an<strong>der</strong>em, die Früchte <strong>der</strong> Leistungen <strong>der</strong><br />

DDR-Landwirtschaft seien „durch einen verbrecherischen<br />

Anschlag [...] <strong>der</strong> amerikanischen imperialistischen Kriegstreiber“<br />

in Gefahr gebracht worden. „Seit dem 22. Mai 1950<br />

haben Flugzeuge, aus dem Westen kommend, über dem<br />

Gebiet <strong>der</strong> Republik Koloradokäfer in großen Massen<br />

abgeworfen. [...] Die ersten außergewöhnlichen Kartoffelkäferf<strong>und</strong>e<br />

wurden am 22., 23. <strong>und</strong> 24. Mai in Sachsen [...]<br />

festgestellt. Aus den Kreisen <strong>der</strong> Bevölkerung wurde [...]<br />

Mitteilung gemacht, <strong>das</strong>s in <strong>der</strong> Zeit vom 22. bis 24. Mai<br />

Flugzeuge bemerkt worden sind, die teilweise auf einer<br />

außergewöhnlichen Flugstrecke aus <strong>der</strong> amerikanischen<br />

Zone in <strong>das</strong> Gebiet <strong>der</strong> Republik einflogen“.Weitere Einflüge<br />

seien in <strong>der</strong> Zeit bis 10. Juni in Mecklenburg, Sachsen-Anhalt<br />

<strong>und</strong> Thüringen bemerkt worden, <strong>und</strong> „die Untersuchung<br />

ergab, <strong>das</strong>s die außerordentlichen F<strong>und</strong>e an Koloradokäfern<br />

generell mit den festgelegten Flugstrecken übereinstimmten“.<br />

Schon einen Tag später wurde im „Neuen Deutschland“<br />

versucht, eine Sprachregelung unter’s Volk <strong>der</strong> Arbeiter <strong>und</strong><br />

Bauern zu bringen: „Viele Hände greifen zu <strong>und</strong> nehmen<br />

aktiv am Kampf gegen den Amikäfer teil, wie ihn die<br />

Bevölkerung zu nennen beginnt“. Allerdings hatten diesen<br />

Begriff nicht die DDR-Bürger eingeführt, son<strong>der</strong>n <strong>der</strong><br />

Vorsitzende <strong>der</strong> Untersuchungskommission Paul Merker, <strong>der</strong><br />

in einem Brief ans Politbüro <strong>der</strong> SED vorgeschlagen hatte,<br />

<strong>das</strong>s die Käfer „nur noch ‚Amikäfer’ genannt werden sollten“.<br />

189


„Ami-Käfer sollen unsere Ernte vernichten. Sie bedrohen damit auch Deine<br />

Lebensgr<strong>und</strong>lage“.Vom Amt für Information <strong>der</strong> Landesregierung Thüringen<br />

1950 herausgegebens Plakat.<br />

Quelle: Dr. Benjamin Garrett, Edgewood, Md.<br />

190


Geheimes Gutachten des Präsidenten <strong>der</strong> Biologischen Reichsanstalt über die<br />

Schäden, die als Kampfmittel eingesetzte Kartoffelkäfer verursachen können.<br />

Das Gutachten wurde 1942 nach Eingang des Abwehrberichtes angefor<strong>der</strong>t,<br />

<strong>der</strong> Hitlers Ablehnung <strong>der</strong> Biokriegsführung ausgelöst hatte.<br />

Quelle: NACP, RG 319, Box 2, Fol<strong>der</strong> BW 8:1834016–17.<br />

191


Da Merker — damals noch* — nicht nur Staatssekretär, son<strong>der</strong>n<br />

auch Mitglied des Politbüros war, gehörte er zu den einflussreichsten<br />

Partei- <strong>und</strong> Staatsfunktionären. Deshalb ist es<br />

kein W<strong>und</strong>er, <strong>das</strong>s seine pfiffige Anregung breit aufgegriffen<br />

wurde <strong>und</strong> sogar in <strong>der</strong> schönen Literatur einen Nachhall<br />

fand. Bertolt Brecht, <strong>der</strong> gerade dabei war, eine Reihe von<br />

Kin<strong>der</strong>lie<strong>der</strong>n zu schreiben, fiel <strong>der</strong> Vierzeiler ein:<br />

192<br />

„die amiflieger fliegen<br />

silbrig im Himmelszelt,<br />

Kartoffelkäfer liegen<br />

in deutschem feld“.<br />

Daraus entstand über mindestens zwei Fassungen ein<br />

Gedicht über die „Ammiflieger“, in <strong>das</strong> unverän<strong>der</strong>t die<br />

ursprüngliche Assoziation „Amiflieger (aber mit Doppel-m<br />

geschrieben) — „Kartoffelkäfer“ aufgenommen wurde. Später<br />

erwähnte auch Uwe Johnson „diese sechsbeinigen Botschafter<br />

<strong>der</strong> U.-S.-amerikanischen Invasion“ in seinen „Jahrestagen“, 79<br />

<strong>und</strong> an an<strong>der</strong>er Stelle spottet er über die „Unternehmen,<br />

denen sich an die dreih<strong>und</strong>ert Schüler gemeinsam unterziehen,<br />

als da sein kann die Suche nach den Kartoffelkäfern, die<br />

Flugzeuge <strong>der</strong> U.S.A. auf Beschluss <strong>der</strong> Regierung <strong>der</strong> D.D.R.<br />

seit dem Frühjahr 1950 auch über Mecklenburg abgeworfen<br />

haben“. 80 Zuvor hatten Johnson <strong>und</strong> seine Güstrower<br />

Mitschüler die Propagandaaktion zum Anlass genommen, um<br />

mit Schwarzen Humor leichtsinnig gegen die Prozesse zu<br />

protestieren, die damals in <strong>der</strong> DDR auch gegen Schüler aus<br />

nichtigen, konstruierten Anlässen geführt wurden, 81 wobei in<br />

den 1950er Jahren etwa 1200 Oberschüler verurteilt worden<br />

sein sollen. 82<br />

* Bald darauf wurde Merker allerdings verhaftet. 1956, nach seiner Entlassung aus <strong>der</strong><br />

Haft, wurde von den Dissidenten Walter Janka <strong>und</strong> Wolfgang Harich geplant, Walter<br />

Ulbricht als Chef <strong>der</strong> SED zu stürzen <strong>und</strong> durch Paul Merker zu ersetzen (W. Harich,<br />

Ahnenpass. Schwarzkopf & Schwarzkopf, Berlin 1999. S. 226).


Jedenfalls fielen die Angaben über die „verbrecherischen<br />

Aktivitäten <strong>der</strong> US-Imperialisten“ bei breiten Teilen <strong>der</strong><br />

ostdeutschen Bevölkerung auf fruchtbaren Boden. Die<br />

Terrorangriffe auf Dresden waren noch in guter Erinnerung,<br />

<strong>und</strong> Kartoffelschädlinge stellten eine große Bedrohung <strong>der</strong><br />

Versorgung dar: 30 Weibchen können mit ihren Nachkommen<br />

einen Hektar kahl fressen. War den Amis nicht auch zuzutrauen,<br />

<strong>das</strong>s sie den immer noch hungernden Menschen in <strong>der</strong><br />

DDR <strong>das</strong> Hauptnahrungsmittel entziehen wollten?<br />

Die Behauptungen über die Amikäfer wurden auch deshalb<br />

geglaubt, weil sie mit ziemlicher Brachialgewalt verbreitet<br />

wurden. So erinnert sich <strong>der</strong> Rostocker Professor Hans-<br />

Alfred Kirchner, seinerzeit Beauftragter für die Kartoffelkäfer-Bekämpfung<br />

im Land Mecklenburg, anlässlich einer<br />

im Sommer 1952 erfolgten massenhaften Anschwemmung<br />

von Kartoffelkäfern am Ostseestrand von Vertretern <strong>der</strong><br />

Staatsmacht aufgefor<strong>der</strong>t worden zu sein, dieses Phänomen<br />

öffentlich als Beweis für einen vorausgegangenen feindlichen<br />

Einsatz <strong>der</strong> Schädlinge zu werten. Als er <strong>das</strong> ablehnte wurde<br />

er zum Verhör nach Ostberlin verbracht. Allein sein Hinweis<br />

darauf, <strong>das</strong>s ähnliche Erscheinungen schon früher in <strong>der</strong><br />

wissenschaftlichen Literatur beschrieben worden waren <strong>und</strong><br />

auf entsprechende klimatische <strong>und</strong> meteorologische Bedingungen<br />

zurückgeführt werden konnten, half ihm aus <strong>der</strong><br />

unangenehmen Situation. Darüber hinaus erwähnte <strong>der</strong><br />

seinerzeit in Greiz tätige Schädlingsbekämpfer Werner Herbig<br />

in einem Interview, <strong>das</strong>s auch er 1952 aufgefor<strong>der</strong>t worden<br />

sei, die USA für den massiven Schädlingsbefall verantwortlich<br />

zu machen. Als er sich weigerte, habe er seine Stelle verloren.<br />

Nicht einmal die Staatssicherheit wusste Bescheid<br />

An<strong>der</strong>erseits fehlen selbst in einer streng geheimen umfangreichen<br />

Habilitationsschrift, in <strong>der</strong> drei Mediziner 1981 im<br />

Auftrag des Ministeriums für Staatssicherheit die Gefährdung<br />

<strong>der</strong> DDR durch biologische <strong>und</strong> Toxin-Waffen sehr detailliert<br />

193


analysiert haben, konkrete Informationen über etwaige gegnerische<br />

Einsätze von Kartoffelkäfern. Die Experten erwähnen<br />

die angebliche US-Aktion, stützen sich dabei aber nicht<br />

auf Untersuchungsprotokolle <strong>und</strong> ähnliche Dokumente, son<strong>der</strong>n<br />

auf Zeitungsartikel <strong>und</strong> an<strong>der</strong>e Propagan<strong>das</strong>chriften.<br />

Da die Stasi-Experten offenbar allen Spuren für Krankheitsausbrüche<br />

<strong>und</strong> entsprechende Vorkommnisse in Lebensmittelbetrieben<br />

<strong>und</strong> bei <strong>der</strong> Trinkwasserversorgung <strong>der</strong> DDR<br />

nachgegangen waren, die auf biologische Sabotageakte<br />

hindeuteten, kann davon ausgegangen werden, <strong>das</strong>s selbst<br />

die zuständigen Ermittlungsorgane <strong>der</strong> DDR über keine<br />

entsprechenden konkreten Hinweise verfügten.<br />

Der Bericht über die Amikäfer war nämlich eine „Ente“. Das<br />

zeigte sich auch an <strong>der</strong> Tatsache, <strong>das</strong>s die Außerordentliche<br />

Regierungskommission recht merkwürdig zusammengesetzt<br />

war. Dass ein hoher SED-Funktionär mit ihrer Leitung<br />

beauftragt wurde, ist in einem Staat mit „führen<strong>der</strong> Rolle <strong>der</strong><br />

Partei“ einleuchtend. Aber wie die „Spezialisten auf dem<br />

Gebiete <strong>der</strong> Schädlingsbekämpfung“ für die Kommission<br />

ausgewählt wurden ist höchst verdächtig: Nicht einer von ihnen<br />

hatte auch nur auf einer <strong>der</strong> Konferenzen teilgenommen, die<br />

in den Nachkriegsjahren zur Kartoffelkäferbekämpfung<br />

durchgeführt worden waren.An<strong>der</strong>erseits war nicht einer <strong>der</strong><br />

ausgewiesenen Kartoffelkäferexperten <strong>der</strong> DDR Mitglied<br />

<strong>der</strong> Spezialistengruppe.<br />

Die Hintergründe <strong>der</strong> Amikäfer-Aktion sind immer noch<br />

unklar. Wo saßen die Urheber <strong>der</strong> Aktion <strong>und</strong> wer hat sie<br />

gesteuert? Angesichts <strong>der</strong> Aktenlage darf vermutet werden,<br />

<strong>das</strong>s die Verantwortlichen nicht in <strong>der</strong> Abteilung Pflanzenschutz<br />

des Landwirtschaftsministeriums zu suchen sein<br />

dürften. Wo aber dann — im Parteiapparat? O<strong>der</strong> waren es<br />

die Sowjets? Was wurde damit bezweckt? Wollte man <strong>das</strong><br />

eigene <strong>Versagen</strong> bei <strong>der</strong> Bekämpfung <strong>der</strong> Käfer bemänteln?<br />

O<strong>der</strong> sollte lediglich „<strong>der</strong> Gegner“ durch ein Mittel <strong>der</strong> psychologischen<br />

Kriegsführung verunglimpft werden? In Merkers<br />

Brief an <strong>das</strong> Politbüro wurde jedenfalls vorgeschlagen, <strong>der</strong><br />

194


Partei müsse „eine kurze Instruktion“ gegeben werden,<br />

ausgehend „von <strong>der</strong> Feststellung, <strong>das</strong>s <strong>der</strong> Kampf gegen die<br />

Amikäfer ein Teil des Kampfes gegen die anglo-amerikanischen<br />

Kriegstreiber ist“.<br />

Interessant ist schließlich, <strong>das</strong>s <strong>der</strong> für den russischen B-<br />

Schutz verantwortliche Generalleutnant Walentin Jewstignew<br />

noch 1999 behauptete, <strong>das</strong> massenhafte Auftreten von Kartoffelkäfern<br />

in Russland sei auf gegnerische Einsätze<br />

zurückzuführen. Tatsächlich waren die Schädlinge ja vor <strong>und</strong><br />

während des Zweiten Weltkrieges zunächst in Frankreich <strong>und</strong><br />

dann auch in Deutschland als potenzielle Kampfmittel erprobt,<br />

aber dann nie eingesetzt worden. Die Behauptungen <strong>der</strong><br />

DDR-Oberen hatten also einen gewissen rationalen Kern.<br />

195


Die Spirale dreht sich weiter<br />

Diesmal tatsächlich Versuche in <strong>der</strong> U-Bahn 83<br />

Nach dem Zweiten Weltkrieg kam die biologische<br />

Rüstungsspirale wie<strong>der</strong> in Gang, obwohl schon in <strong>der</strong><br />

ersten Resolution <strong>der</strong> Generalversammlung <strong>der</strong> Vereinten<br />

Nationen am 24. Januar 1946 eine Ächtung <strong>der</strong> biologischen<br />

<strong>und</strong> chemischen Waffen gefor<strong>der</strong>t worden war. Aber im gleichen<br />

Jahr diagnostizierte Winston Churchill in seiner Rede<br />

im Westminster College in Fulton, Missouri, den Ausbruch<br />

des Kalten Krieges, <strong>der</strong> wenige Jahre später, am 25. Juni 1950,<br />

mit <strong>der</strong> Invasion Nordkoreas im Süden des Landes in einen<br />

Heißen überging. Zehn Tage zuvor hatte die DDR die USA<br />

bezichtigt, Kartoffelkäfer als Kampfmittel gegen Ostdeutschland<br />

eingesetzt zu haben <strong>und</strong> ein knappes Jahr später, am<br />

8. Mai 1951, beschuldigte <strong>der</strong> nordkoreanische Außenminister<br />

die USA, sein Land mit biologischen Kampfmitteln<br />

angegriffen zu haben.<br />

Tatsächlich waren die USA zu dieser Zeit dabei, vor allem<br />

aufbauend auf den Erfahrungen <strong>der</strong> Japaner ein intensives<br />

Biowaffen-Programm zu betreiben. Aber im Koreakrieg<br />

haben die USA ganz offenbar keine Biowaffen eingesetzt.<br />

Das war <strong>der</strong> sowjetischen Führung spätestens ab 1953 klar.<br />

Zwei Monate nach Stalins Tod, am 2. Mai 1953, verabschiedete<br />

<strong>das</strong> Präsidium des Ministerrates <strong>der</strong> Sowjetunion folgende<br />

inhaltsschwere, streng geheime Botschaft an Mao<br />

Zedong, den Führer <strong>der</strong> Volksrepublik China: „Die Sowjet-<br />

Regierung <strong>und</strong> <strong>das</strong> Zentralkomitee <strong>der</strong> KPdSU sind<br />

getäuscht worden. In <strong>der</strong> Presse veröffentlichte Informa-<br />

197


tionen über die Verwendung bakteriologischer Waffen durch<br />

die Amerikaner beruhten auf Falschmeldungen. Die Anklagen<br />

gegen die Amerikaner sind frei erf<strong>und</strong>en“. Diese Botschaft<br />

<strong>und</strong> an<strong>der</strong>e einschlägige Dokumente wurden aber fast ein<br />

halbes Jahrh<strong>und</strong>ert lang streng geheim gehalten <strong>und</strong> erst<br />

Anfang Januar 1998 von einem japanischen Reporter<br />

entdeckt. 84 Dennoch: Ein Schlussstrich wurde damit immer<br />

noch nicht unter die jahrzehntelang anhaltende, vor allem<br />

während des Kalten Krieges <strong>das</strong> politische Weltklima schwer<br />

belastende Diskussion um die angeblichen Biowaffeneinsätze<br />

<strong>der</strong> Amerikaner gezogen. 85<br />

Nach Ausbruch des Korea-Krieges wurde <strong>das</strong> Biowaffenprogramm<br />

<strong>der</strong> USA weiter intensiviert <strong>und</strong> auf die Schaffung<br />

von Fähigkeiten zur gleichartigen Vergeltung orientiert. 86 Die<br />

Arbeiten wurden vor allem in Camp Detrick durchgeführt,<br />

dem heutigen US Army Medical Research Institute of<br />

Infectious Diseases, Fort Detrick, Maryland. Darüber hinaus<br />

waren etwa zehn weitere Einrichtungen beteiligt.<br />

Zunächst wurden die bereits während des Krieges begonnenen<br />

Arbeiten mit den Erregern von Milzbrand, Bruzellose<br />

<strong>und</strong> Tularämie sowie mit Botulin fortgesetzt. Später kamen<br />

noch die Erreger von Q-Fieber, Papageienkrankheit, Pest <strong>und</strong><br />

Maltafieber hinzu. Um zu erproben, wie diese Kampfmittel<br />

als Aerosole verbreitet werden können, wurde 1949 in Camp<br />

Detrick eine geschlossene, kugelförmige Eine-Million-Liter<br />

Testkammer konstruiert. Im Pine Bluff Arsenal wurde<br />

zwischen 1951 <strong>und</strong> 1954 eine Biowaffenfabrik zur Produktion<br />

von Brucella suis <strong>und</strong> Pasteurella tularensis errichtet.<br />

Nachdem dann 1956 <strong>der</strong> sowjetische Verteidigungsminister<br />

Marschall Schukow <strong>und</strong> <strong>der</strong> Oberkommandierende <strong>der</strong> sowjetischen<br />

Marine öffentlich erklärt hatten, <strong>das</strong>s zukünftige<br />

Kriege durch den Einsatz von Massenvernichtungsmitteln<br />

charakterisiert sein würden, erfolgte eine weitere Intensivierung<br />

<strong>und</strong> Ausdehnung des Biowaffen-Programms, in <strong>das</strong> nun<br />

erstmals auch Freiwillige in Versuche mit Krankheitserregern<br />

einbezogen wurden. Zu den bereits in Bearbeitung befind-<br />

198


lichen Erregern <strong>und</strong> Toxinen kamen weitere hinzu, unter<br />

an<strong>der</strong>em auch <strong>der</strong> sehr leicht über seine Sporen als Aerosol<br />

übertragbare Pilz Coccidioides immitis, <strong>der</strong> Erreger <strong>der</strong><br />

Kokzidioido-Mykose <strong>und</strong> <strong>das</strong> Venezolanische Pferde-<br />

Enzephalitis-Virus. Außerdem wurde die Eignung von<br />

Moskitos — speziell Aedes aegypti — zur Übertragung von<br />

Pathogenen erprobt <strong>und</strong> eine Anlage zur Massenproduktion<br />

dieser Insekten errichtet. Auch wurden Pflanzenschädlinge<br />

produziert <strong>und</strong> Methoden zu <strong>der</strong>en Verbreitung, beispielsweise<br />

mit Vogelfe<strong>der</strong>n, entwickelt <strong>und</strong> erprobt.<br />

Venezolanische Pferde-Enzephalitis (VEE) 87 wird — wie einige<br />

ähnliche Erkrankungen (Östliche <strong>und</strong> Westliche Pferde-Enzephalitis,<br />

EEE bzw. WEE) — durch Alphaviren verursacht, die zur Familie <strong>der</strong><br />

Togaviren gehören. Unter natürlichen Bedingungen werden die<br />

hochinfektiösen Viren durch Moskitos übertragen, sie können aber<br />

auch hoch effektiv durch Aerosole verbreitet werden.VEE, EEE <strong>und</strong><br />

WEE befallen nicht nur Pferde, son<strong>der</strong>n u.a. Menschen. Die Krankheit,<br />

zu <strong>der</strong>en Ausbruch <strong>das</strong> Einatmen von 10–100 Erregern ausreicht,<br />

äußert sich in starken Kopfschmerzen, hohem Fieber, Übelkeit<br />

<strong>und</strong> Durchfall, gelegentlich in Enzephalitis, die dann häufig tödlich<br />

verläuft, vor allem bei Kin<strong>der</strong>n. Die Inkubationsperioden betragen<br />

zwei bis sieben Tage (VEE) bzw. ein bis zwei Wochen (EEE, WEE).<br />

Mehr o<strong>der</strong> weniger gut wirksame, noch nicht zugelassene<br />

Impfstoffe stehen zur Verfügung; eine spezifische Therapie ist jedoch<br />

nicht möglich.<br />

Da diese Viren relativ leicht in großen Mengen produziert werden<br />

können, hoch infektiös <strong>und</strong> gleichzeitig ziemlich stabil sind <strong>und</strong> als<br />

Aerosol verbreitet werden können, bieten sie sich als effektive<br />

biologische Kampfmittel an. VEE wurde mindestens in den<br />

Biowaffenprogrammen <strong>der</strong> Sowjetunion <strong>und</strong> <strong>der</strong> USA bearbeitet.<br />

Das Programm war durchaus auch offensiv motiviert. 88 Im<br />

Jahre 1959 war es beispielsweise dazu gedacht, Kuba unter<br />

199


<strong>der</strong> perversen Codebezeichnung „Marshall Plan“ mit einem<br />

tödlichen „Cocktail“ aus Staphylokokken-Enterotoxin B <strong>und</strong><br />

den Erregern von Q-Fieber <strong>und</strong> Venezolanischer Pferde-<br />

Enzephalitis anzugreifen. (Vergeltungs-)Schläge gegen die<br />

Sowjetunion waren zumindest vor 1963 allerdings noch nicht<br />

eingeplant, denn zu diesem Zeitpunkt gab es — wie Matthew<br />

Meselson damals von <strong>der</strong> CIA informiert wurde — zwar<br />

bestimmte Verdachtsmomente hinsichtlich eines sowjetischen<br />

BW-Programms, aber keine harten Fakten. Da versagten die<br />

<strong>Geheimdienste</strong> schon wie<strong>der</strong>, denn in <strong>der</strong> Tat waren die Sowjets<br />

ab 1946 wie<strong>der</strong> in ein Biowaffen-Programm eingestiegen,<br />

offenbar ebenfalls unter weitgehen<strong>der</strong> Auswertung japanischer<br />

Erfahrungen.<br />

Q-Fieber (Balkangrippe) 89 wird durch <strong>das</strong> — zur Gruppe <strong>der</strong> Rickettsien<br />

gehörende — Bakterium Coxiella burnetti verursacht. Zur Auslösung<br />

<strong>der</strong> grippeartigen, fiebrigen, aber kaum tödlichen Erkrankung<br />

genügen einige wenige, vielleicht nur ein einzelner Erreger. Die<br />

Inkubationszeit beträgt zwei bis drei Wochen. Natürlicherweise wird<br />

man durch Kontakt mit infizierten Tieren o<strong>der</strong> <strong>der</strong>en Ausscheidungsprodukten<br />

angesteckt, insbeson<strong>der</strong>e durch Einatmen von<br />

erregerhaltigem Staub, seltener durch den Genuss infizierter roher<br />

Milch. Gefährdete Berufsgruppen können durch Impfung geschützt<br />

werden. Eine Therapie mit Doxycyclin <strong>und</strong> an<strong>der</strong>en Antibiotika ist<br />

möglich.<br />

Coxiella burnetti bildet sporenähnliche infektiöse Dauerformen aus,<br />

die sehr wi<strong>der</strong>standsfähig sind. Deshalb, <strong>und</strong> wegen ihrer hohen<br />

Infektiosität gelten die Q-Fieber-Erreger als wirksame kampfunfähig<br />

machende Waffe. C.burnetti wurde mindestens in den Biowaffenprogrammen<br />

<strong>der</strong> Sowjetunion <strong>und</strong> <strong>der</strong> USA bearbeitet, speziell auch<br />

hinsichtlich seiner Verbreitbarkeit durch Aerosole.<br />

Im Rahmen des amerikanischen Programms wurden zu<br />

Lande <strong>und</strong> zu Wasser auch mehr als 200 Feldversuche mit<br />

200


Modellbakterien durchgeführt. Beispielsweise wurden im Juni<br />

1966 während <strong>der</strong> Hauptverkehrszeit mehr als eine Million<br />

New Yorker mit harmlosen Testbakterien infiziert, mit einer<br />

Variante des Heubazillus Bacillus subtilis. Ziel <strong>der</strong> Versuche<br />

war es, einem offiziellen Bericht zufolge, Informationen über<br />

die Möglichkeiten zu erlangen, wie Agenzien in einem U-<br />

Bahn-System verbreitet werden können. Dazu wurden beispielsweise<br />

Glühbirnen wie zufällig fallen gelassen, die mit<br />

Bakterien <strong>und</strong> pulverisierter Holzkohle gefüllt waren. Jede<br />

Glühbirne enthielt 175 Gramm Bakterien — <strong>das</strong> entsprach<br />

einer Anzahl von mehr als 87 Billionen — <strong>und</strong> 30 g<br />

Aktivkohle, die dazu diente, <strong>der</strong> Bakterienmasse eine dunkle<br />

Farbe zu verleihen <strong>und</strong> sie dadurch unauffälliger zu machen.<br />

Entwe<strong>der</strong> wurden die Glühbirnen auf dem Bürgersteig auf<br />

die Gitterroste <strong>der</strong> Ventilationsschächte des Systems geworfen<br />

o<strong>der</strong> auf die Schienen, wenn Züge in einen Bahnhof einfuhren<br />

o<strong>der</strong> diesen verließen. Anschließend wurde ermittelt, wie<br />

wirksam die Verbreitung <strong>der</strong> Bakterien erfolgt war. In einem<br />

Versuch, <strong>der</strong> am 8. Juni in <strong>der</strong> Station <strong>der</strong> 7.-Avenue-Linie in<br />

<strong>der</strong> 23. Straße durchgeführt wurde, atmete je<strong>der</strong> Passant<br />

zwischen <strong>der</strong> fünften <strong>und</strong> zehnten Minute nach Freisetzung<br />

<strong>der</strong> Keime fast eine Million Bakterien pro Minute ein.<br />

In einer an<strong>der</strong>en Versuchsreihe wurden im September 1950<br />

sechs Scheinangriffe im Gebiet <strong>der</strong> Bay von San Francisco<br />

durchgeführt. Dabei wurden von einem Schiff in unterschiedlichen<br />

Abständen von <strong>der</strong> Küste Aerosole abgeblasen, die<br />

Bacillus subtilis o<strong>der</strong> Serratia marcescens enthielten. Nahezu<br />

je<strong>der</strong> Einwohner von San Francisco atmete etwa 5000 o<strong>der</strong><br />

mehr Bakterien ein.<br />

Entsprechende Versuche liefen auch in <strong>der</strong> Arktis <strong>und</strong> in <strong>der</strong><br />

„Operation Large Area Coverage“ sogar über dem gesamten<br />

Territorium <strong>der</strong> USA, von den Rocky Mountains bis zum<br />

Atlantik, von Kanada bis zum Golf von Mexiko. Unter an<strong>der</strong>em<br />

ergaben die Versuche, <strong>das</strong>s biologische Waffen echte<br />

Massenvernichtungsmittel sind: Mit einem einzigen Flugzeug<br />

201


könnten durch die Verbreitung von Aerosolen Tausende von<br />

Quadratkilometern verseucht werden.<br />

Aber die USA führten nicht nur Versuche mit Modellbakterien<br />

durch. Gemeinsam mit Großbritannien gab es in<br />

<strong>der</strong> Karibik Feldversuche mit den Erregern von Tularämie<br />

<strong>und</strong> Bruzellose, <strong>und</strong> erst im Jahre 2002 wurde zugegeben, daß<br />

in Florida Feldversuche mit Weizenschädlingen <strong>und</strong> im Pazifik<br />

mit Staphylokokken-Enterotoxin B stattgef<strong>und</strong>en hatten. 90<br />

Auch bei den an<strong>der</strong>en Westalliierten wurden entsprechende<br />

Aktivitäten zunächst noch weiter betrieben, seitens <strong>der</strong><br />

Briten <strong>und</strong> Kanadier in enger Kooperation mit den USA. 91<br />

Die britischen Arbeiten liefen im Microbiological Research<br />

Department, <strong>das</strong> aus dem Biology Department Porton hervorgegangen<br />

war, <strong>und</strong> die kanadischen im Defence Research<br />

Establishment Suffield in Medicine Hat, Alberta. Die<br />

Arbeiten in Großbritannien <strong>und</strong> Kanada wurden aber<br />

1956–57 weitgehend gestoppt.<br />

Die Franzosen führten ihre Biowaffenaktivitäten vor allem<br />

wie<strong>der</strong> im bakteriologischen Labor des Centre d’etuds du<br />

Bouchet durch, <strong>das</strong> bereits vor 1940 <strong>das</strong> Zentrum dieser Arbeiten<br />

war. Im Jahre 1973 wurden diese Arbeiten eingestellt,<br />

weil ein entsprechendes nationales Gesetz verabschiedet<br />

worden war. 92<br />

Nicht zuletzt unter dem zunehmenden Druck amerikanischer<br />

Wissenschaftler wies Präsident Nixon im Mai 1969 den<br />

Nationalen Sicherheitsrat an, die bisherigen Richtlinien <strong>der</strong><br />

chemischen <strong>und</strong> biologischen Kriegsführung zu überprüfen.<br />

Auf <strong>der</strong> Gr<strong>und</strong>lage einer Empfehlung des Rates verkündete<br />

<strong>der</strong> Präsident 1969 bzw. 1970 den Verzicht <strong>der</strong> USA auf<br />

Vorbereitungen zur offensiven biologischen <strong>und</strong> Toxin-<br />

Kriegsführung. Damit machte er den Weg frei zur biologischen<br />

Rüstungskontrolle.<br />

202


Auch die Sowjets steigen bald wie<strong>der</strong> ein<br />

Im Gegensatz zu ihren angloamerikanischen Noch-<br />

Verbündeten schienen die Sowjets nach dem Ende des<br />

Zweiten Weltkrieges an biologischer Kriegsführung zunächst<br />

nicht interessiert gewesen zu sein. 93<br />

Erstens wurde von ihnen nicht einer <strong>der</strong> im Gebiet <strong>der</strong> sowjetischen<br />

Besatzungszone (SBZ) befindlichen deutschen<br />

Biowaffen-Experten intensiver befragt, geschweige denn —<br />

im Gegensatz zu Raketenbauern, Flugzeugingenieuren,<br />

Kernphysikern, Chemikern <strong>und</strong> an<strong>der</strong>en „Spezialisten“ — zur<br />

Arbeit in <strong>der</strong> Sowjetunion verpflichtet.<br />

Professor Otto Waldmann, <strong>der</strong> Präsident <strong>der</strong> Reichsforschungsanstalt<br />

Insel Riems — von wo Maul- <strong>und</strong> Klauenseuche-Viren<br />

für Biowaffen-Versuche zur Verfügung gestellt worden waren<br />

— blieb in Amt <strong>und</strong> Würden. Professor Hermann Gildemeister,<br />

<strong>der</strong> Chef des Instituts für Mikrobiologie <strong>der</strong> Wehrmacht in<br />

Schloss Sachsenburg, in dem Pestimpfstoffe produziert wurden,<br />

konnte zunächst weiterarbeiten <strong>und</strong> Impfstoffe für die<br />

Rote Armee herstellen.* Dr. Martin Schwartz, als führen<strong>der</strong><br />

Kartoffelkäfer-Experte in Blomes Netzwerk engagiert, wurde<br />

„Generalbevollmächtigter“ für die Kartoffelkäferbekämpfung<br />

in <strong>der</strong> SBZ. Professor Hans Stubbe bekam in <strong>der</strong> Nähe von<br />

Quedlinburg ein großes Stück Land, um sein Institut für<br />

Kulturpflanzenforschung wie<strong>der</strong> aufzubauen, in dem er in<br />

den letzten Kriegsjahren bei Wien Untersuchungen über die<br />

Eignung von Unkrautsamen als Kampfmittel durchgeführt<br />

hatte. Seine daran beteiligten Mitarbeiter Werner Rothmaler<br />

<strong>und</strong> Otto Schwarz wurden namhafte Hochschullehrer <strong>und</strong><br />

Institutsdirektoren in Greifswald <strong>und</strong> Jena. Professor Eugen<br />

* Erst im Herbst 1945 wurde Hermann Gildemeister – wegen einer Verwechslung mit<br />

seinem Namensvetter Eugen Gildemeister, dem in Buchenwal<strong>der</strong> Menschenexperimente<br />

verstrickten Präsidenten des Berliner Robert Koch-Instituts – jahrelang<br />

vom sowjetischen Geheimdienst <strong>und</strong> später von den DDR-Behörden inhaftiert.<br />

203


Haagen, im Westen wegen seiner Beteiligung an Menschenexperimenten<br />

als Kriegsverbrecher gesucht, bekam eine<br />

Institutsleiterstelle am im Aufbau befindlichen Institut für<br />

Medizin <strong>und</strong> Biologie im Ostberliner Ortsteil Buch. Dr. Hans<br />

Seel, Mitarbeiter Blomes an dessen im Aufbau befindlichen<br />

dual-use-Institut für Krebs- <strong>und</strong> Biowaffen-Forschung, wurde<br />

Leiter <strong>der</strong> [Ost-]Deutschen Arzneibuchkommission <strong>und</strong><br />

Professor an <strong>der</strong> Berliner Humboldt-Universität.<br />

Zweitens hatten die Sowjets keine Hemmungen, <strong>das</strong> Thema<br />

„biologische Kriegsführung“ auf dem Nürnberger Hauptkriegsverbrecherprozess<br />

<strong>und</strong> auch noch einige Jahre später in<br />

Chabarowsk zu thematisieren, ja ihr Verfahren gegen die<br />

japanischen Biokriegsverbrecher nicht nur nicht im geheimen<br />

durchzuführen, son<strong>der</strong>n sogar einen ausführlichen Prozessbericht<br />

zu veröffentlichen. Mehr noch: Sie informierten ihre<br />

ehemaligen Verbündeten trotz zunehmen<strong>der</strong> Abkühlung des<br />

politischen Klimas schon Jahre vor dem eigentlichen Beginn<br />

des Chabarowsker Prozesses mündlich <strong>und</strong> schriftlich über<br />

<strong>das</strong>, was sie in Verhören erfahren hatten.<br />

Allerdings verschwiegen sie, <strong>das</strong>s sie zusätzlich auch noch<br />

Beweismaterial im japanischen Biowaffenzentrum Pingfan<br />

selbst gef<strong>und</strong>en hatten — vermutlich deshalb, weil sie ab 1946<br />

auch wie<strong>der</strong> Biowaffenaktivitäten aufzunehmen begannen.<br />

Vielleicht haben dabei nicht nur die zunehmenden internationalen<br />

Spannungen eine Rolle gespielt, son<strong>der</strong>n auch die<br />

offensichtlichen Bemühungen <strong>der</strong> Amerikaner, die ausführlichen<br />

Analysen <strong>der</strong> japanischen Aktivitäten möglichst<br />

für sich zu behalten <strong>und</strong> auch die Überstellung wichtiger<br />

Zeugen über Monate hinauszuzögern. Vielleicht kam den<br />

Sowjets auch verdächtig vor, <strong>das</strong>s die USA versuchten, den<br />

Chabarowsker Prozess <strong>und</strong> seine Ergebnisse zu diskreditieren.<br />

Aber ganz offenbar veranlasste vor allem die Auswertung <strong>der</strong><br />

japanischen Dokumente <strong>und</strong> Aussagen die sowjetische<br />

Führung, sich wie<strong>der</strong> für diese Form <strong>der</strong> Kriegsführung zu<br />

interessieren. In diesem Zusammenhang ist bemerkenswert,<br />

204


<strong>das</strong>s die Sowjets zwar recht schnell in englischer Sprache ein<br />

Protokoll des Chabarowsker Prozesses veröffentlichten,<br />

an<strong>der</strong>erseits aber die Hauptmasse <strong>der</strong> erbeuteten japanischen<br />

Dokumente bis heute geheim halten.<br />

Der Gr<strong>und</strong> für diese Geheimniskrämerei ist einleuchtend:<br />

Wenn man Ken Alibek in dieser Hinsicht glauben darf, dann<br />

wurden die erbeuteten japanischen Dokumente nach<br />

Moskau geschickt <strong>und</strong> dort intensiv ausgewertet. 94 Diese hätten<br />

unter an<strong>der</strong>em Pläne zum Bau von Biowaffen-<br />

Einrichtungen enthalten, die sehr viel größer <strong>und</strong> komplexer<br />

gewesen seien als die sowjetischen Anlagen. Deshalb habe<br />

Stalin dem KGB-Chef Lawrenti Berija befohlen, „es den<br />

Japanern gleichzutun <strong>und</strong> sie wenn möglich zu übertreffen.<br />

1946, ein Jahr nach Kriegsende, wurde in Swerdlowsk ein<br />

neues biologisches Forschungszentrum <strong>der</strong> Armee errichtet.<br />

Die Bauingenieure hielten sich dabei an die von den<br />

Japanern erbeuteten Pläne“.<br />

Das ist eine bemerkenswerte Analogie zu dem, was 1940 in<br />

Frankreich passiert war: Dort stießen die Deutschen auf ein<br />

Biowaffen-Institut <strong>und</strong> auf entsprechende Dokumente <strong>und</strong><br />

begannen daraufhin eigene Biowaffenaktivitäten. Und fünf<br />

Jahre später entdeckten die Sowjets die bedeutendste japanische<br />

Biowaffeneinrichtung in Pingfan <strong>und</strong> beschlossen,<br />

erneut ein Biowaffen-Programm zu starten <strong>und</strong> sich für den<br />

Kalten Krieg auch mit biologischen <strong>und</strong> Toxin-Kampfmitteln<br />

zu rüsten.<br />

Anfang <strong>der</strong> fünfziger Jahre wurde dann, einem offiziellen<br />

Bericht <strong>der</strong> Regierung <strong>der</strong> russischen Fö<strong>der</strong>ation* zufolge,<br />

„in Swerdlowsk, Kirow <strong>und</strong> Sagorsk eine wissenschaftliche<br />

Versuchsbasis zur Durchführung von Arbeiten“ mit verschiedenen<br />

dual-threat-Agenzien geschaffen. 95 „In <strong>der</strong> Mitte <strong>der</strong><br />

sechziger Jahre wurden zur Prüfung <strong>der</strong> Möglichkeit <strong>der</strong><br />

Organisation industrieller Herstellung von Bioagenzien in<br />

* Übersetzt vom B<strong>und</strong>essprachenamt<br />

205


Objekten in Swerdlowsk <strong>und</strong> Sagorsk Versuchsbetriebe mit<br />

den entsprechenden Sektionen gebaut. [...] Zur Beurteilung <strong>der</strong><br />

Wirksamkeit <strong>der</strong> experimentellen Rezepturen <strong>und</strong> Mittel zum<br />

Schutz vor ihnen wurden spezielle Aerosolkammern gebaut.<br />

Die einzelnen Muster wurden auf <strong>der</strong> Insel ‚Wosroschdenije’<br />

im Aralsee getestet, auf <strong>der</strong> eine Versuchsbasis eingerichtet<br />

worden war“.<br />

Auf dieser Insel hatte ja schon seit 1936 ein Testgelände<br />

bestanden, <strong>das</strong> aber bereits 1937 nach <strong>der</strong> Verhaftung von<br />

dessen Leiter Iwan M. Welikanow stillgelegt worden war. Ab<br />

1952 wurde es wie<strong>der</strong> zur Erprobung sowohl von Verbreitungsmöglichkeiten<br />

als auch von Nachweismethoden genutzt;<br />

geprüft wurden dabei die Erreger von Bruzellose, Fleckfieber,<br />

Milzbrand, Pest, Pocken, Q-Fieber, Tularämie <strong>und</strong> Venezolanischer<br />

Pferde-Enzephalitis sowie Botulinum-Toxin. Es gibt<br />

Hinweise darauf, <strong>das</strong>s die Versuche einen ungewöhnlichen<br />

Ausbruch von Pocken ausgelöst haben könnten, <strong>der</strong> 1971 in<br />

<strong>der</strong> am Ufer des Aralsees gelegenen kasachischen Stadt<br />

Aralsk registriert, aber von den sowjetischen Behörden verschwiegen<br />

<strong>und</strong> regelwidrig nicht einmal <strong>der</strong> Weltges<strong>und</strong>heitsorganisation<br />

gemeldet wurde. 96<br />

Weiter heißt es in dem offiziellen Bericht <strong>der</strong> russischen<br />

Regierung, Ende <strong>der</strong> sechziger Jahre sei mit dem Bau von<br />

„Industrieobjekten mit Lagern“ begonnen worden, „die zu<br />

einer beson<strong>der</strong>en Periode auch zur Produktion biologischer<br />

Agenzien verwendet werden könnten“. Das war offenbar die<br />

Reaktion auf eine — immer noch geheim gehaltene —<br />

Analyse von Zentralkomitee <strong>der</strong> Kommunistischen Partei <strong>und</strong><br />

Ministerrat <strong>der</strong> Sowjetunion, auf <strong>der</strong>en Existenz ein amerikanischer<br />

Autor kürzlich stieß. 97 In dieser Analyse sollen die<br />

intensiven US-Aktivitäten auf dem Gebiet biologischer <strong>und</strong><br />

chemischer Waffen registriert <strong>und</strong> For<strong>der</strong>ungen nach entsprechenden<br />

sowjetischen Reaktionen gestellt worden sein. Zu<br />

dieser Zeit liefen die amerikanischen Programme ja tatsächlich<br />

noch auf vollen Touren. In einer geheimen sowjetischen<br />

Artikelsammlung aus dem Jahre 1968 wurde von zwei Ober-<br />

206


sten des medizinischen Dienstes informiert, in den USA<br />

werde „gegenwärtig <strong>der</strong> Erforschung von Erregern solch<br />

schwerer Krankheiten wie <strong>der</strong> Pest, <strong>der</strong> Hasenpest, des<br />

Milzbrandes, <strong>der</strong> Pocken, des Gelbfiebers, <strong>der</strong> japanischen<br />

Enzephalitis, des Q-Fiebers, des Tsutsugamuschi-Fiebers, des<br />

Fleckfiebers, des Botulismus <strong>und</strong> verschiedener Pilzerkrankungen<br />

größte Aufmerksamkeit gewidmet“. 98 Haupteinsatzmethode<br />

sei „ihre Zerstäubung in <strong>der</strong> Luft, d.h. die Schaffung<br />

eines biologischen Aerosols“.*<br />

In dem Zusammenhang ist bemerkenswert, <strong>das</strong>s die Sowjets<br />

ihre diesbezüglichen Informationen möglicherweise nicht nur<br />

durch Agenten <strong>und</strong> Auswertung <strong>der</strong> Literatur bekamen, son<strong>der</strong>n<br />

offenbar ganz gezielt vom FBI getäuscht worden sind.<br />

Damals soll <strong>das</strong> FBI nämlich versucht haben, die sowjetischen<br />

Nachrichtenorgane mit Hilfe von Doppelagenten<br />

davon zu überzeugen, <strong>das</strong>s in den USA entsprechende<br />

Aktivitäten mit biologischen <strong>und</strong> chemischen Kampfstoffen<br />

betrieben würden. 99 Ziel dieser Aktion war, die Sowjets in die<br />

Irre zu führen <strong>und</strong> ihr Interesse auf die Entwicklung von<br />

Kampfmitteln zu lenken, die von amerikanischen Militärs als<br />

entwe<strong>der</strong> technisch nicht machbar o<strong>der</strong> als militärisch wenig<br />

versprechend eingeschätzt wurden. Auf diese Weise sollten<br />

die sowjetischen Rüstungsaktivitäten paralysiert werden.<br />

Wenn man den Berichten über diese Täuschungsaktion glauben<br />

kann, dann haben die US-<strong>Geheimdienste</strong> wie<strong>der</strong> einmal<br />

gröblich versagt, denn dann hat dieses Unternehmen zweifellos<br />

mit dazu beigetragen, <strong>das</strong>s die auf Einhaltung eines biologischen<br />

„Gleichgewichts des Schreckens“ bedachte Sowjetunion<br />

in den folgenden Jahren ein gewaltiges Biowaffenprogramm<br />

aufnahm <strong>und</strong> bis über <strong>das</strong> Ende des Imperiums<br />

hinaus immer weiter ausbaute <strong>und</strong> komplettierte.<br />

* Übersetzt von Harald Kießlich-Köcher<br />

207


Kalter Biokrieg in Deutschland<br />

In beiden deutschen Staaten gab es auch nach dem<br />

Zweiten Weltkrieg keine offensiven Biokriegsvorbereitungen.<br />

Ob von den Besatzungs- <strong>und</strong> späteren Schutzmächten<br />

auf deutschem Boden Bio- <strong>und</strong> Toxinkampfstoffe<br />

<strong>und</strong> entsprechende Träger- <strong>und</strong> Verbreitungssysteme gelagert<br />

wurden ist unbekannt. Trotzdem wurden immer mal wie<strong>der</strong><br />

Vorwürfe erhoben, es gäbe deutsche Biowaffenaktivitäten.<br />

Ganz unwahrscheinlich klang <strong>das</strong> nicht, da die meisten deutschen<br />

Biowaffenexperten im Lande geblieben waren <strong>und</strong><br />

nicht weiter verfolgt wurden. Heinrich Kliewe, beispielsweise,<br />

stellte seine Expertise in den Dienst <strong>der</strong> westdeutschen<br />

Luftschutzausbildung <strong>und</strong> publizierte über den biologischen<br />

Krieg (ohne sein früheres Engagement auf diesem Gebiet zu<br />

erwähnen).<br />

Aber wie<strong>der</strong> lieferten die <strong>Geheimdienste</strong> Fehlleistungen.<br />

Zeitungsmeldungen zufolge wurden im Februar 1947 vom<br />

britischen Geheimdienst „h<strong>und</strong>erte” Aktivisten einer<br />

Untergr<strong>und</strong>-Nazi-Organisation verhaftet, unter ihnen ein Hans<br />

Georg Eisman, angeblich „ehemaliger Offizier <strong>der</strong> Abteilung<br />

für biologische Kriegsführung des deutschen Oberkommandos”.<br />

100 Die Inhaftierten hätten geplant, an die USA <strong>und</strong><br />

Großbritannien ein „Ultimatum“ zu richten, verb<strong>und</strong>en mit<br />

<strong>der</strong> Drohung, biologische Waffen einzusetzen. Bei <strong>der</strong><br />

Untergr<strong>und</strong>bewegung habe man Dokumente gef<strong>und</strong>en, in<br />

denen Milzbrand <strong>und</strong> Pest „erwähnt” worden seien.<br />

Denkbar ist schon, <strong>das</strong>s sich Unverbesserliche nach <strong>der</strong><br />

Nie<strong>der</strong>lage wie<strong>der</strong> zu organisieren <strong>und</strong> zu engagieren suchten<br />

— so gut wie völlig ausgeschlossen ist jedoch, <strong>das</strong>s es dabei<br />

um die Vorbereitung biologischer Anschläge ging. Auch<br />

taucht <strong>der</strong> Name Eisman in keinem <strong>der</strong> einschlägigen<br />

Dokumente aus dem Zweiten Weltkrieg auf. Vermutlich<br />

basierten diese Stories auf <strong>der</strong> Falschaussage von Schreiber<br />

auf dem Nürnberger Tribunal; lange hielten sie sich nicht in<br />

<strong>der</strong> Medienlandschaft.<br />

208


Zwei Jahrzehnte später war <strong>das</strong> ganz an<strong>der</strong>s. Nicht alte Nazis<br />

wurden nun verdächtigt, son<strong>der</strong>n die B<strong>und</strong>esregierung selbst.<br />

Das war möglicherweise letztlich auf den ostdeutschen<br />

Geheimdienst zurückzuführen...<br />

Bereitet Bonn den „Giftkrieg“ vor? 101<br />

Als <strong>der</strong> Genosse Schabowski noch nicht als „Maueröffner“ in<br />

den Talkshows herumgereicht <strong>und</strong> hofiert wurde, son<strong>der</strong>n<br />

stellvertreten<strong>der</strong> Chefredakteur des „Neuen Deutschland“<br />

war, schrieb er an einem Wintertag die ergreifende Geschichte<br />

eines aufrechten West-Wissenschaftlers. 102 Diesem, dem<br />

Mikrobiologen Dr. Ehrenfried Petras, sei klar geworden, <strong>das</strong>s<br />

er bis zum November 1968 in einem Institut tätig war, „<strong>das</strong><br />

einzig <strong>und</strong> allein <strong>der</strong> ABC-Kriegsführung dient“. Das habe er<br />

nicht länger mit seinem Gewissen vereinbaren können, <strong>und</strong><br />

deshalb habe er alles aufgegeben <strong>und</strong> sei mit Kind <strong>und</strong> Kegel<br />

in die DDR übergesiedelt.<br />

Zuvor hatte Petras in einem Interview mit dem [Ost-]<br />

Deutschen Fernsehfunk am 23. November sowie auf einer<br />

Internationalen Pressekonferenz am 6. Dezember vor mehr<br />

als 200 Journalisten die Gründe für seinen Übertritt in die<br />

DDR näher erläutert:Als Laborleiter habe er im „Institut für<br />

Aerobiologie“ <strong>der</strong> Fraunhofer-Gesellschaft in Grafschaft im<br />

Sauerland „jahrelang Untersuchungen zu Problemen <strong>der</strong><br />

biologischen <strong>und</strong> chemischen Kriegsführung durchgeführt“.<br />

Dadurch sei ihm auch „eine große Zahl von Wissenschaftlern“<br />

bekannt geworden, die sich in <strong>der</strong> westdeutschen<br />

B<strong>und</strong>esrepublik mit Fragen <strong>der</strong> ABC-Kriegsführung beschäftigen.<br />

Die Vorbereitung des Einsatzes biologischer <strong>und</strong><br />

chemischer Kampfmittel sei immer intensiver geworden:<br />

„Das B<strong>und</strong>esverteidigungsministerium hat vor allem im<br />

letzten Jahr eine weitere Forcierung <strong>der</strong> Entwicklung <strong>und</strong><br />

Erprobung von biologischen <strong>und</strong> chemischen Kampfstoffen<br />

sowohl in quantitativer als auch in qualitativer Hinsicht durch<br />

<strong>das</strong> Grafschafter Institut gefor<strong>der</strong>t <strong>und</strong> durchgesetzt“. 103<br />

209


Die „Enthüllungen“ des Dr. Ehrenfried Petras fanden in <strong>der</strong> Presse breites<br />

Echo.<br />

Quelle: Neues Deutschland, 7. Dezember 1968.<br />

210


Damit entsprach Petras scheinbar den Kriterien eines echten<br />

Whistleblowers. Mit Petras’ Enthüllungen wurde nämlich, so<br />

<strong>der</strong> 1. Stellvertreter des Ministers für Auswärtige Angelegenheiten<br />

<strong>der</strong> DDR, „unwi<strong>der</strong>legbar [...] <strong>der</strong> Nachweis erbracht,<br />

<strong>das</strong>s in <strong>der</strong> westdeutschen B<strong>und</strong>esrepublik systematisch <strong>und</strong><br />

nach langfristigen Plänen biologische <strong>und</strong> chemische Waffen<br />

entwickelt werden“. 104<br />

Tatsächlich gab es aber bald nach dem sensationellen Übertritt<br />

des Mikrobiologen, <strong>der</strong> im Gegensatz zu den meisten<br />

an<strong>der</strong>en nicht von Ost nach West, son<strong>der</strong>n den umgekehrten<br />

Weg gegangen war, Gerüchte, er sei garnicht aus Gewissensgründen<br />

in die DDR übergesiedelt.Vielmehr sei er ein Agent<br />

<strong>der</strong> Staatssicherheit gewesen, <strong>der</strong> kurz vor <strong>der</strong> Enttarnung<br />

gestanden hätte <strong>und</strong> deshalb zurückgerufen worden sei.<br />

Immerhin erinnert sich ein ehemaliger Kollege von Petras,<br />

<strong>das</strong>s seinerzeit alle Mitarbeiter des Instituts vom Militärischen<br />

Abschirmdienst überprüft worden waren, <strong>und</strong> allein<br />

Petras keine Berechtigung zum Umgang mit Verschlusssachen<br />

erhalten hatte. 105 Allerdings ließen sich diese Gerüchte<br />

bisher nicht bestätigen. Vielleicht war diesmal tatsächlich<br />

kein Geheimdienst involviert <strong>und</strong> Petras’ Flucht hatte ganz<br />

triviale Gründe.<br />

Als Petras nämlich auf <strong>der</strong> erwähnten Pressekonferenz<br />

gefragt wurde, wann bei ihm die Entscheidung zur Übersiedlung<br />

in die DDR gefallen sei, antwortete er, „Ende März<br />

dieses Jahres habe eine Umorganisierung <strong>der</strong> Struktur des<br />

Instituts auf Anweisung des Bonner Kriegsministeriums<br />

begonnen mit dem Ziel, die Forschung für militärische B- <strong>und</strong><br />

C-Stoffe außerordentlich zu steigern“. 106 Tatsächlich gab es in<br />

Grafschaft im Frühjahr 1968 einschneidende Verän<strong>der</strong>ungen<br />

— aber in ganz an<strong>der</strong>er Hinsicht, <strong>und</strong> mit nachteiligen beruflichen<br />

Folgen für Petras.<br />

Das Institut für Aerobiologie geht zurück auf eine kleine<br />

private Forschungsstelle, die Dr. med. Karl Bisa 1955 für<br />

Untersuchungen über die Inhalationstherapie staublungenkranker<br />

Bergleute gegründet hatte. Vier Jahre später wurde<br />

211


sie von <strong>der</strong> „Fraunhofer-Gesellschaft zur För<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> angewandten<br />

Forschung e.V.“ (FhG) als Institut für Aerobiologie<br />

(IAe) übernommen <strong>und</strong> gehörte zu den vier Einrichtungen<br />

dieser Gesellschaft, die bis Anfang <strong>der</strong> 1970er Jahre fast vollständig<br />

vom B<strong>und</strong>esministerium <strong>der</strong> Verteidigung (BMVg)<br />

finanziert wurden. 1968 stellte <strong>das</strong> Ministerium 1,8 Millionen<br />

DM für die Erforschung von Schutz- <strong>und</strong> Abwehrmethoden<br />

gegen atomare <strong>und</strong> chemische Kampfstoffe zur Verfügung.<br />

Im Einzelnen führten die 92 Mitarbeiter des Instituts Untersuchungen<br />

über „die Wirkung von chemischen Kampfstoffen<br />

auf den Organismus mit physikalischen, chemischen <strong>und</strong> biologischen<br />

Methoden auf interdisziplinärer Ebene [durch. ...]<br />

Die Forschungsergebnisse, die im Wesentlichen molekularbiologischen<br />

Charakter haben, dienen als Gr<strong>und</strong>lage für die<br />

Abwehr von chemischen Kampfmitteln. Daneben stehen strahlenbiologische<br />

Untersuchungen im Rahmen <strong>der</strong> A-Abwehr“. 107<br />

Und wenn mich meine Referenten dafür steinigen ...<br />

Zumindest 1968 waren im Institut für Aerobiologie keine<br />

Arbeiten als Verschlusssachen deklariert. In den an<strong>der</strong>en<br />

vom BMVg finanzierten Instituten war <strong>das</strong> aber an<strong>der</strong>s. Die<br />

deutschen Wissenschaftsverbände wehrten sich deshalb<br />

gegen eine mit Geheimhaltungsauflagen verb<strong>und</strong>ene Finanzierung<br />

durch die B<strong>und</strong>eswehr. Wissenschaftsminister Hans<br />

Leussink schloss sich dem an. In einem Gespräch mit dem<br />

Verteidigungsminister Helmut Schmidt hatte er „in dieser<br />

Hinsicht eine sehr dezidierte Auffassung vertreten, nach <strong>der</strong><br />

dieser Umfang ‚absolut Null’ sein müsse; dieser For<strong>der</strong>ung<br />

hat dann Herr Minister Schmidt entsprochen. (Er fragte vorher<br />

Herrn [Ministerialdirigent Albert] Wahl, ob <strong>das</strong> möglich<br />

sei; dieser erklärte nach einigen qualvollen Überlegungen:<br />

‚Und wenn mich meine Referenten dafür steinigen, es muss<br />

dann eben möglich sein’). Im Hause des BMVg ist diese<br />

Entscheidung nie voll akzeptiert worden <strong>und</strong> es hat nicht an<br />

Versuchen gefehlt, sie zu unterlaufen“. 108 Jedenfalls einigten<br />

sich Schmidt <strong>und</strong> Leussink, <strong>das</strong>s in <strong>der</strong> Fraunhofer-Gesell-<br />

212


schaft keine geheimen Forschungsaufträge mehr für die<br />

B<strong>und</strong>eswehr durchgeführt werden.<br />

Auch die Arbeiten von Petras waren entgegen seinen Behauptungen<br />

nicht sekretiert. Wie er gemeinsam mit dem<br />

Institutsdirektor in einem Abschlußbericht informierte, hatte<br />

er in Laborversuchen sowie in Raketen- <strong>und</strong> Ballonexperimenten<br />

im Rahmen <strong>der</strong> „För<strong>der</strong>ung gr<strong>und</strong>lagenwissenschaftlicher<br />

Forschungsvorhaben <strong>der</strong> Weltraumk<strong>und</strong>e“ mit den nicht<br />

krankmachenden Bakterien Bacillus globigii, Micrococcus<br />

radiodurans, Escherichia coli K12 (lambda), Serratia marcescens<br />

<strong>und</strong> Hydrogenomonas H16 Untersuchungen über <strong>der</strong>en<br />

Überlebensbedingungen im Weltraum durchgeführt. (Die<br />

Hydrogenomonas-Knallgasbakterien waren deshalb einbezogen<br />

worden, weil sie eventuell „für die Entwicklung<br />

geschlossener ökologischer Systeme zur Ermöglichung langfristiger<br />

bemannter Weltraumflüge geeignet“ sein könnten).<br />

Das waren natürlich Arbeiten, die wie viele an<strong>der</strong>e auch<br />

militärisch genutzt werden könnten. Aber entgegen Petras’<br />

späteren Behauptungen hatten sie mit bakteriologischer<br />

Kriegsführung nichts zu tun, <strong>und</strong> sie waren auch nicht<br />

geheim. Tatsächlich wurden die Ergebnisse 1967 mehrfach<br />

vorgetragen <strong>und</strong> veröffentlicht, unter an<strong>der</strong>em auf einer<br />

COSPAR-Tagung in London sowie auf <strong>der</strong> Internationalen<br />

Jahrestagung <strong>der</strong> Deutschen Gesellschaft für Luft- <strong>und</strong><br />

Raumfahrtmedizin in Meran. 109<br />

Im Jahre 1968 sollten von Petras weitere Ballonexperimente<br />

„zur unmittelbaren Suche nach lebenden Organismen“ in <strong>der</strong><br />

Stratosphäre durchgeführt werden. 110 Allerdings gab es bei<br />

<strong>der</strong> Begutachtung des Antrags zur Fortführung des Projektes<br />

fachliche Kritik an Petras’ Arbeit. So urteilte <strong>der</strong> Leiter <strong>der</strong><br />

AG Biophysikalische Raumforschung im Februar 1968, sie<br />

weise „ganz erhebliche Mängel auf <strong>und</strong> zwar in Bezug auf die<br />

angenommenen Voraussetzungen, die Planung, die Darstellung<br />

<strong>und</strong> die Auswertung <strong>der</strong> Versuche“. Deshalb sei es<br />

„unbedingt notwendig, <strong>das</strong>s erst die Laboratoriumsexperimente<br />

wissenschaftlich einwandfrei durchgeführt werden,<br />

213


evor kostspielige Ballon- <strong>und</strong> Raketenversuche in Angriff<br />

genommen werden“. 111<br />

Arbeitsloser Lügenbold o<strong>der</strong> zurückbeor<strong>der</strong>ter<br />

DDR-Agent?<br />

Abgesehen von dieser fachlichen Kritik wollte sich <strong>das</strong><br />

Verteidigungsministerium auch noch aus ganz an<strong>der</strong>en<br />

Gründen von <strong>der</strong> Finanzierung <strong>der</strong> Petras’schen Aktivitäten<br />

zurückziehen: Am 3. April 1968 wurde <strong>der</strong> für Grafschaft<br />

zuständige Mitarbeiter des B<strong>und</strong>esministeriums für wissenschaftliche<br />

Forschung vom Verteidigungsministerium zunächst<br />

inoffiziell informiert, „es wünsche nicht, <strong>das</strong>s am Institut für<br />

Aerobiologie, Grafschaft, Forschungsvorhaben betrieben<br />

werden, durch die Bakterien <strong>und</strong> Raketen in Zusammenhang<br />

mit dem Namen des Instituts gebracht werden können“. Eine<br />

Woche später wurde dies vom Forschungsbeauftragten des<br />

Verteidigungsministeriums schriftlich bestätigt, <strong>und</strong> zwar mit<br />

einer in unserem Zusammenhang bemerkenswerten Begründung:<br />

Die bisher von Petras durchgeführten Raketenversuche<br />

sollten deshalb eingestellt werden, weil bekannt sei,<br />

<strong>das</strong>s <strong>das</strong> Grafschafter Institut überwiegend im Rahmen <strong>der</strong><br />

Wehrforschung finanziert werde. „Die Verknüpfung Ihres o.g.<br />

Forschungsvorhabens mit dem Institut für Aerobiologie<br />

könnte daher als eine Vorbereitung zur bakteriologischen<br />

Kriegsführung ausgelegt werden. Diese Fehlinterpretation<br />

muss aber aus politischen Gründen auf jeden Fall ausgeschlossen<br />

werden“. 112<br />

Mit dieser Ablehnung des Projektes verlor aber Dr. Petras<br />

seine Finanzierungsquelle. Daraufhin fand am 30. April im<br />

B<strong>und</strong>esministerium für wissenschaftliche Forschung (BMWF)<br />

eine Beratung statt, auf <strong>der</strong> mehrere „Alternativen für<br />

Unterbringung Dr. Petras“ erörtert wurden. Anschließend<br />

beantragte die Fraunhofer-Gesellschaft beim BMWF, Petras’<br />

Arbeiten zur Exobiologie in ihrem Münchener „Institut für<br />

hygienisch-bakteriologische Arbeitsverfahren“ fortführen zu<br />

214


Schreiben des Forschungsbeauftragen des B<strong>und</strong>esministeriums <strong>der</strong><br />

Verteidigung Dr. Strathmann vom 11. April 1968 wegen <strong>der</strong> Einstellung <strong>der</strong><br />

Arbeiten von Dr. Petras am Institut für Aerobiologie.<br />

Quelle: B<strong>und</strong>esarchiv Koblenz 196/13609.<br />

215


lassen. Der Antrag scheiterte im Juli am Einspruch des<br />

zuständigen Sachbearbeiters beim BMWF, <strong>der</strong> stattdessen<br />

darum ersuchte, „den Abschluß <strong>der</strong> laufenden Arbeiten <strong>der</strong><br />

Arbeitsgruppe Dr. Petras zum nächstmöglichen Termin sowie<br />

die Vorlage eines Abschlussberichtes zu veranlassen“.<br />

Weitere Bemühungen <strong>der</strong> FhG beim BMWF, doch eine<br />

Fortsetzung <strong>der</strong> Arbeiten zu ermöglichen, blieben erfolglos,<br />

<strong>das</strong> Ministerium könne die Kosten einer Weiterbeschäftigung<br />

von Petras höchstens bis zum Jahresende übernehmen.<br />

Daraufhin versuchte die FhG, „die Weiterbeschäftigung des<br />

Herrn Dr. Petras im Rahmen <strong>der</strong> Forschungsaufgaben des<br />

BMVg in unserem Institut für Aerobiologie zu ermöglichen“.<br />

Das war aber ebenso wenig möglich wie Bemühungen von<br />

Petras selbst, „noch in diesem Jahr an<strong>der</strong>weitig einen neuen<br />

Tätigkeitsbereich zu finden“. So informierte die Fraunhofer-<br />

Gesellschaft am 4. November 1968. 113<br />

Wenige Tage später war Petras weg <strong>und</strong> gerierte sich im<br />

„Arbeiter- <strong>und</strong> Bauernstaat“ nicht als arbeitsloser Wissenschaftler,<br />

son<strong>der</strong>n als verantwortungsbewusster Friedenskämpfer.<br />

Nicht weil in Grafschaft „die Forschung für militärische<br />

B- <strong>und</strong> C-Stoffe außerordentlich“ gesteigert wurde, <strong>und</strong><br />

weil ihm sein Gewissen verbot, „weiterhin Handlanger zur<br />

Vorbereitung skrupelloser Verbrechen zu sein“ wandte<br />

Petras <strong>der</strong> B<strong>und</strong>esrepublik den Rücken, son<strong>der</strong>n weil die<br />

Bonner Militärs nicht den Verdacht erwecken wollten,<br />

Biowaffenaktivitäten zu betreiben. Petras war kein Whistleblower,<br />

denn die treten „zum Nutzen <strong>der</strong> Gemeinschaft <strong>und</strong><br />

nicht zum eigenen Vorteil“ auf, 114 son<strong>der</strong>n war ein stellenloser<br />

Lügenbold.<br />

Bonn dementierte natürlich sofort, zumal — Berichten des<br />

„Neuen Deutschland“ zufolge — <strong>das</strong> „Ausland über Bonner<br />

B- <strong>und</strong> C-Programm erregt <strong>und</strong> empört“ war. 115 Ein Sprecher<br />

des Verteidigungsministeriums erklärte, die B<strong>und</strong>esrepublik<br />

habe ja auf die Herstellung von A-, B- <strong>und</strong> C-Waffen verzichtet<br />

<strong>und</strong> sich zur Überprüfung wirksamen internationalen<br />

Kontrollen unterworfen. 116 Tatsächlich statteten bald darauf<br />

216


Vertreter des Rüstungskontrollamtes <strong>der</strong> Westeuropäischen<br />

Union dem Institut für Aerobiologie einen Besuch ab. „Sie<br />

überzeugten sich von <strong>der</strong> Unhaltbarkeit <strong>der</strong> Behauptungen,<br />

die in Ost-Berlin <strong>der</strong> ehemalige Institutsangehörige Dr.<br />

Petras über eine vertragswidrige Produktion biologischer<br />

Waffen aufgestellt hatte“. 117 Ein ehemaliger Grafschafter Abteilungsleiter<br />

erinnert sich daran, <strong>das</strong>s damals viele von den<br />

Vorwürfen aufgeschreckte Besucher durchs Institut geführt<br />

wurden, wobei „kein Kellerloch <strong>und</strong> keine Abstellkammer“<br />

ausgespart worden sei. Die meisten Gäste hätten die Überzeugung<br />

mit nach Hause genommen, „<strong>das</strong>s in Grafschaft eine<br />

Beschäftigung mit pathogenen Keimen schon aus sicherheitstechnischen<br />

Gründen überhaupt nicht möglich war“. 118 Zur<br />

gleichen Ansicht kam Ernst-Ulrich von Weizsäcker, <strong>der</strong><br />

damals eine Studiengruppe über B- <strong>und</strong> C-Waffen <strong>der</strong><br />

Vereinigung Deutscher Wissenschaftler leitete. Da sich die<br />

B<strong>und</strong>esrepublik bereits 1954 verpflichtet hatte, keine biologischen<br />

Waffen <strong>und</strong> an<strong>der</strong>e Massenvernichtungsmittel herzustellen,<br />

119 habe seine Gruppe <strong>das</strong> in die Schlagzeilen gebrachte<br />

Institut besichtigt <strong>und</strong> sei zu <strong>der</strong> Ansicht gekommen, <strong>das</strong>s<br />

die dortigen Laboratorien gar nicht zur Arbeit mit potenziellen<br />

biologischen Kampfstoffen ausgerüstet waren.<br />

Das hielt Weizsäcker Petras entgegen, als dieser 1970 auf<br />

einem Kühlungsborner Kolloquium erneut seine Behauptungen<br />

vortrug. 120 Da Petras’ Vorwürfe auch von an<strong>der</strong>en<br />

Kolloquiumsteilnehmern laut <strong>und</strong> deutlich bezweifelt<br />

wurden, beschwerte sich dieser anschließend mit dem<br />

Argument, ich hätte ihn in Kühlungsborn ins offene Messer<br />

laufen lassen, beim Zentralkomitee <strong>der</strong> SED. Das leitete<br />

daraufhin eine entsprechende Untersuchung ein. Mehrere<br />

Genossen, die am Kolloquium teilgenommen hatten, mußten<br />

den Verlauf <strong>der</strong> Tagung, insbeson<strong>der</strong>e aber Petras’ Ausführungen<br />

<strong>und</strong> die dadurch ausgelöste Diskussion einschätzen.<br />

Überdies wurden wir Veranstalter aufgefor<strong>der</strong>t, ein Wortprotokoll<br />

<strong>der</strong> Tagung abzuliefern. In <strong>der</strong> Folge kam man in<br />

<strong>der</strong> Parteizentrale aber offenbar zu <strong>der</strong> Ansicht, <strong>das</strong>s man<br />

217


sich einen Bärendienst leiste, wenn man Petras weiterhin so<br />

plump agitieren ließe, <strong>und</strong> <strong>das</strong>s Petras’ Blamage wohl nicht<br />

darauf zurückzuführen war, <strong>das</strong>s ihn jemand ins offene<br />

Messer laufen lassen wollte. Petras hatte fortan keinen<br />

öffentlichen Auftritt mehr, <strong>und</strong> die B<strong>und</strong>esrepublik wurde<br />

nicht mehr so massiv <strong>und</strong> offiziell beschuldigt, den Biokrieg<br />

vorzubereiten.<br />

Die Staatssicherheit zeigte an diesen Vorgängen offenbar<br />

kein nennenswertes Interesse — obwohl dies eigentlich zu<br />

erwarten gewesen wäre, wenn es ihr Mann in Grafschaft<br />

gewesen wäre. In meinen Stasi-Unterlagen findet sich jedenfalls<br />

nur ein einziger, nicht einmal richtig datierter Bezug: In<br />

einer Einschätzung wird unter an<strong>der</strong>em vermerkt: „Im Jahre<br />

1971* trat er [d.h. E.G.] in Kühlungsborn auf einem Kolloquium<br />

über philosophische Aspekte <strong>der</strong> mo<strong>der</strong>nen Genetik zusammen<br />

mit Weizsäcker gegen ** auf“.<br />

Das Geheimnis, warum Petras nach seiner Übersiedlung in<br />

die DDR die Tatsachen auf den Kopf stellte <strong>und</strong> seine bisherigen<br />

Arbeitgeber <strong>der</strong> Kriegsvorbereitung beschuldigte, hat<br />

Petras wenige Jahre darauf mit ins Grab genommen. Hat er<br />

sich so über die Bonner Ministerien geärgert, die seine<br />

Untersuchungen nicht mehr finanzieren wollten, <strong>das</strong>s er sich<br />

mit seinen Anschuldigungen an diesen rächen wollte? O<strong>der</strong><br />

gewährten ihm die Sicherheitsorgane <strong>der</strong> DDR nur unter <strong>der</strong><br />

Bedingung Asyl, <strong>das</strong>s er die B<strong>und</strong>esrepublik verleumdete?<br />

O<strong>der</strong> war die bevorstehende Enttarnung als Agent <strong>der</strong><br />

Hauptgr<strong>und</strong> für ihn, in die DDR zurückzukehren? Schon in<br />

seinem ersten Dementi hatte ein Sprecher des Verteidigungsministeriums<br />

süffisant darauf hingewiesen, <strong>das</strong>s Petras ja „aus<br />

<strong>der</strong> Zone“ stammte. 121<br />

* Tatsächlich war es 1970.<br />

** Geschwärzt in <strong>der</strong> Kopie <strong>der</strong> Gauck-Behörde, gemeint ist Petras.<br />

218


Auch <strong>das</strong> SIPRI war im Visier <strong>der</strong> Stasi<br />

Während also offen bleibt, ob die Stasi einen Agenten im<br />

Institut für Aerobiologie platziert hatte, ist sicher, <strong>das</strong>s ein<br />

„K<strong>und</strong>schafter“ im Stockholmer Internationalen Friedensforschungsinstitut<br />

SIPRI spionierte, <strong>und</strong> zwar ganz offenbar<br />

in <strong>der</strong> Führungsetage <strong>der</strong> Einrichtung. Ich fand <strong>das</strong> heraus, als<br />

ich in meinen Stasi-Unterlagen nachforschte, warum 1985 ein<br />

— von Instituts- <strong>und</strong> Akademieleitung bereits genehmigter —<br />

zweijähriger Arbeitsaufenthalt am SIPRI zur Erarbeitung<br />

eines Buches über Biowaffen kurzfristig <strong>und</strong> ohne überzeugende<br />

Begründung abgelehnt worden war. Den Akten war<br />

zu entnehmen, daß mein geplanter Aufenthalt an einem<br />

Einspruch <strong>der</strong> Hauptverwaltung Aufklärung (HVA) des<br />

Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) scheiterte. In einem<br />

Protokoll wird am 12. Dezember 1984 notiert, die Abteilung<br />

XIII habe mitgeteilt, „<strong>das</strong>s ihre op. Arbeit am SIPRI durch<br />

Aktivitäten von G. gestört wird“. Da „im MfS kein op.<br />

Interesse am Einsatz von G. im SIPRI“ vorliege, wurde auf<br />

Bitte <strong>der</strong> HVA XIII in zwei Gesprächen mit dem<br />

Generalsekretär <strong>und</strong> zwei weiteren leitenden Genossen <strong>der</strong><br />

Akademie vereinbart, daß diese in <strong>der</strong> Akademie „gegen<br />

einen langfristigen Aufenthalt von G. im NSW* auftreten mit<br />

dem Argument, <strong>das</strong>s die AdW auf dem Gebiet Biotechnologie<br />

in Kritik steht u. sich nicht leisten kann, statt ihre<br />

paar profilierten Leute arbeiten zu lassen diese längere Zeit<br />

ins NSW zu schicken. Konsequenz wäre die Rückziehung des<br />

Auslands-Ka<strong>der</strong>-Antrages durch die AdW so <strong>das</strong>s MfS einer<br />

Stellungnahme enthoben”. Auch in einem am 2. Juli 1986 von<br />

einem Mitarbeiter <strong>der</strong> HA XVIII/5 nie<strong>der</strong>geschriebenen<br />

„Kontakierungsvorschlag“ wurde vermerkt, die Ablehnung<br />

meines längerfristigen Aufenthaltes in Stockholm sei erfolgt,<br />

weil „ein Hinweis <strong>der</strong> HVA XIII vorlag, <strong>das</strong>s G. ihre operative<br />

Arbeit bei SIPRI stört”.<br />

* „Nicht-sozialistisches Währungsgebiet“, wie „KA“ in <strong>der</strong> DDR eine gängige<br />

Bezeichnung für „kapitalistisches Ausland“.<br />

219


Erste Seite eines Protokolles des Ministeriums für Staatssicherheit <strong>der</strong> DDR<br />

über eine Beratung mit leitenden Genossen <strong>der</strong> Akademie <strong>der</strong> Wissenschaften<br />

vom 12. Dezember 1984. Aus ihm geht hervor, <strong>das</strong>s die Stasi am Stockholmer<br />

Friedensforschungsinstitut operativ tätig war.<br />

Quelle: Die B<strong>und</strong>esbeauftragte für die Unterlagen <strong>der</strong> Staatssicherheitsdienstes<br />

<strong>der</strong> ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik,<br />

<strong>Geißler</strong>-Akten 3, AP 45.920/92, S. 348–349.<br />

220


Tatsächlich fand ich in den Akten auch mehrere Beweise<br />

dafür, <strong>das</strong>s es in <strong>der</strong> SIPRI-Leitung einen gut unterrichteten<br />

Informanten mit Decknamen „IM <strong>der</strong> DE“* gab. Dieser<br />

berichtete beispielsweise am 18. August 1986, <strong>der</strong> einflussreiche<br />

leitende Mitarbeiter des SIPRI hätte<br />

„über die Genfer Quäker-Vertretung indirekt versucht, eine<br />

Pressekonferenz von <strong>Geißler</strong> zu verhin<strong>der</strong>n, vermutlich, weil<br />

er sich selbst für den für dieses Gebiet ‚zuständigen’ SIPRI-<br />

Vertreter hält. Jedenfalls hat seit etwa ½ Jahr<br />

eine distanzierte Position zu G. bezogen.“<br />

In <strong>der</strong> Tat wusste ich schon seit Jahren von verschiedenen<br />

Quellen, auch ohne Akteneinsicht, <strong>das</strong>s die vom Agenten<br />

erwähnte Person damals erfolgreich verhin<strong>der</strong>t hatte, <strong>das</strong>s<br />

mein Biowaffen-Buch — wie sonst bei in Genf präsentierten<br />

SIPRI-Publikationen üblich — in <strong>der</strong> Genfer Vertretung <strong>der</strong><br />

Quäker vorgestellt wurde. Er hatte mir damit unbeabsichtigt<br />

aber einen großen Dienst erwiesen, denn die Pressekonferenz<br />

fand dann an einem viel zentraleren Ort statt, nämlich<br />

im Palais <strong>der</strong> Nationen, veranstaltet vom Abrüstungsinstitut<br />

<strong>der</strong> Vereinten Nationen. Dass <strong>der</strong> Agent aber überhaupt von<br />

<strong>der</strong> Intrige zu berichten wusste beweist, <strong>das</strong>s er Zugang zu<br />

sehr internen Vorgängen am SIPRI hatte.<br />

Bezeichnend ist in diesem Zusammenhang auch eine<br />

„Information über Aktivitäten eines DDR-Wissenschaftlers<br />

zur Realisierung eines mehrjährigen Auslandsaufenthaltes im<br />

KA“, für die ausdrücklich „um Quellenschutz“ ersucht wurde.<br />

Darin heißt es unter an<strong>der</strong>em: „Es bestehen begründete<br />

Vermutungen, <strong>das</strong>s <strong>der</strong> Personenkreis im SIPRI, die den<br />

Aufenthalt von <strong>Geißler</strong> befürworten, verstärkt rechtskonservativen<br />

Tendenzen ausgesetzt ist <strong>und</strong> eine entsprechende<br />

Politik im Institut durchzusetzen versucht. Es existieren<br />

weiterhin Hinweise, die auf geheimdienstliche Kontakte <strong>der</strong><br />

oben genannten Personengruppe schließen lassen.”<br />

* inoffizieller Mitarbeiter <strong>der</strong> Diensteinheit<br />

221


Letztlich konnte die Stasi aber we<strong>der</strong> erfolgreich die<br />

B<strong>und</strong>esrepublik <strong>der</strong> biologischen Aufrüstung beschuldigen<br />

noch die Zusammenarbeit von DDR-Wissenschaftlern mit<br />

dem renommierten Stockholmer Institut behin<strong>der</strong>n. Das<br />

geplante Biowaffenbuch wurde trotzdem noch rechtzeitig<br />

fertig <strong>und</strong> die Stasi konnte nicht verhin<strong>der</strong>n, <strong>das</strong>s in ihm<br />

Positionen vertreten wurden, die im eklatanten Wi<strong>der</strong>spruch<br />

zur Haltung des Warschauer Paktes standen. Doch dazu später<br />

mehr.<br />

222


Die Entwicklung von<br />

Biowaffen wird verboten 122<br />

Der 25. November 1969 markierte einen Meilenstein in<br />

<strong>der</strong> Geschichte <strong>der</strong> Biowaffen. An diesem Tage griff<br />

Präsident Richard Nixon in die biologische Rüstungsspirale<br />

ein. Während einer Besichtigung des Biowaffeninstituts Fort<br />

Detrick erklärte er, <strong>das</strong>s die USA einseitig auf die Entwicklung<br />

<strong>und</strong> Produktion biologischer Waffen verzichten, alle<br />

Vorräte dieser Mittel vernichten <strong>und</strong> sich nur noch auf<br />

Schutzmaßnahmen auf diesem Gebiet beschränken würden.<br />

Drei Monate später schloss er auch Toxin-Kampfmittel in<br />

dieses Verbot ein. Zu diesem Zeitpunkt besaßen die USA ein<br />

großes Potenzial an biologischen Kampfmitteln, darunter je<br />

etwa 19.000 Liter Erreger von Q-Fieber <strong>und</strong> Venezolanischer<br />

Pferde-Enzephalitis in Suspension, 365 kg pulverisierte<br />

Tularämie-Bakterien, 100 kg pulverisierte Milzbrand-Erreger<br />

sowie 72.200 kg beziehungsweise 846 kg Sporen von<br />

Getrei<strong>der</strong>ost- <strong>und</strong> Reisbrand-Pilzen.* Darüber hinaus waren<br />

37.554 Bomben <strong>und</strong> Granaten verschiedener Kaliber vorhanden,<br />

die mit biologischen o<strong>der</strong> Toxin-Kampfmitteln o<strong>der</strong> mit<br />

Simulantien gefüllt waren. 123<br />

Dass Nixon mitten im Kalten Krieg einseitig auf die<br />

Verfügbarkeit eines in beträchtlichen Mengen vorhandenen<br />

Massenvernichtungsmittels <strong>und</strong> seine Weiterentwicklung<br />

verzichtete <strong>und</strong> damit den Weg für ein allgemeines Verbot<br />

dieser Waffen öffnete hatte mehrere Gründe. Nicht zuletzt<br />

ausgelöst durch den Einsatz chemischer Mittel im Vietnamkrieg<br />

gab es eine zunehmend breiter <strong>und</strong> intensiver werdende<br />

weltweite Allianz von Wissenschaftlern, die einen Stop von<br />

Produktion <strong>und</strong> Einsatz biologischer <strong>und</strong> chemischer Kampfstoffe<br />

for<strong>der</strong>ten. Diese Bewegung erhielt Gewicht durch <strong>das</strong><br />

Engagement führen<strong>der</strong> Gelehrter, unter ihnen solche<br />

* Puccinia spec. bzw. Piricularia oryzae (heute: Magna porthe grisea).<br />

223


Pioniere <strong>der</strong> Molekularbiologie wie Nobelpreisträger Joshua<br />

Le<strong>der</strong>berg <strong>und</strong> Harvard-Professor Matthew Meselson.<br />

Nicht zuletzt unter dem zunehmenden Druck amerikanischer<br />

Wissenschaftler wies Präsident Nixon im Mai 1969 den Nationalen<br />

Sicherheitsrat an, die bisherigen Richtlinien <strong>der</strong> chemischen<br />

<strong>und</strong> biologischen Kriegsführung zu überprüfen. Dessen<br />

Chef war damals Henry Kissinger. Der war seit gemeinsamen<br />

Studienzeiten bei Harvard gut mit Meselson bekannt <strong>und</strong> erbat<br />

nun dessen Rat. Meselson meinte, die atomar hochgerüsteten<br />

USA brauchten keine Biowaffen <strong>und</strong> sollten auf sie verzichten<br />

— nicht zuletzt deshalb, um an<strong>der</strong>e Staaten davon abzuhalten,<br />

sich die verhältnismäßig billigen „Atomwaffen des<br />

armen Mannes” zu beschaffen. Le<strong>der</strong>berg hatte einen direkten<br />

Draht zu an<strong>der</strong>en hohen Beamten <strong>der</strong> Administration<br />

<strong>und</strong> konnte diese im gleichen Sinne überzeugen.<br />

Was im Einzelnen in <strong>der</strong> Stellungnahme des US-Sicherheitsrates<br />

stand ist bis heute geheim. Oft wird behauptet, wie<br />

seinerzeit bei <strong>der</strong> Wehrmacht habe <strong>der</strong> geringe militärische<br />

Wert <strong>der</strong> Biowaffen, ihre Unkontrollierbarkeit, die lange<br />

Latenz bis zum Auftreten von Symptomen, ihre Empfindlichkeit<br />

gegenüber Umwelteinflüssen für die Ratsentscheidung<br />

eine ausschlaggebende Rolle gespielt. Aber inzwischen<br />

verfügte man über die umfangreichen Erkenntnisse <strong>der</strong><br />

Japaner auf diesem Gebiet, inzwischen gab es die in den<br />

fünfziger Jahren eingeführten Methoden <strong>der</strong> Mikrobengenetik,<br />

die schon zwei Jahrzehnte vor <strong>der</strong> Entwicklung <strong>der</strong> Gentechnik<br />

eine genetische Manipulation von Bakterien <strong>und</strong> Pilzen, <strong>und</strong><br />

damit auch von „dual-threat“- Agenzien erlaubten. Und vor<br />

allem hatte man inzwischen in ausgedehnten Feldversuchen<br />

herausgef<strong>und</strong>en, <strong>das</strong>s bestimmte biologische Kampfmittel in<br />

ihrer Wirkung atomaren Waffen durchaus vergleichbar, aber<br />

wesentlich preiswerter waren: „Poor men’s atomic bombs” in<br />

den Händen von Entwicklungslän<strong>der</strong>n — von „Schurkenstaaten“<br />

war damals noch keine Rede — <strong>das</strong> musste auf alle<br />

Fälle verhin<strong>der</strong>t werden. Und solche Überlegungen dürften<br />

beim Urteil des Rates <strong>und</strong> bei <strong>der</strong> anschließenden Entschei-<br />

224


dung des Präsidenten eine gewichtige Rolle gespielt haben.<br />

Nixons Entscheidung wirkte wie ein Signal, zumal inzwischen<br />

Großbritannien, Kanada <strong>und</strong> Schweden erklärt hatten, keine<br />

Biowaffen zu besitzen. Mitten im Kalten Krieg begannen sich<br />

die Großmächte über ein Verbot <strong>der</strong> Entwicklung <strong>und</strong> Produktion<br />

von Bio- <strong>und</strong> Toxinwaffen zu verständigen. Da waren<br />

nun vor allem die Diplomaten auf den Plan gerufen. Zwar<br />

hatte die Generalversammlung <strong>der</strong> Vereinten Nationen bereits<br />

in ihrer ersten Resolution am 24. Januar 1946 eine Ächtung<br />

<strong>der</strong> biologischen <strong>und</strong> chemischen Waffen gefor<strong>der</strong>t. Aber ein<br />

ganzes Vierteljahrh<strong>und</strong>ert lang war in dieser Hinsicht nicht<br />

nur nichts passiert, son<strong>der</strong>n die biologische Rüstungsspirale<br />

noch mehr auf Touren gekommen als vor dem Zweiten<br />

Weltkrieg. Nunmehr legten die Großmächte weitgehend<br />

übereinstimmende Vertragsentwürfe vor, die sich zunächst<br />

nur darin unterschieden, ob chemische <strong>und</strong> biologische<br />

Kampfmittel gemeinsam o<strong>der</strong> getrennt voneinan<strong>der</strong> erfasst<br />

werden sollten. Glücklicherweise erzielte man aber bald<br />

Übereinstimmung, zunächst nur Entwicklung <strong>und</strong> Besitz von<br />

Biowaffen zu verbieten — eine weise Entscheidung, denn<br />

über <strong>das</strong> Verbot chemischer Kampfmittel musste dann fast<br />

ein ganzes Vierteljahrh<strong>und</strong>ert weiter verhandelt werden.<br />

Am 28. September 1971 einigten sich die Großmächte <strong>und</strong> eine<br />

Reihe weiterer Staaten auf eine Konvention, die Entwicklung,<br />

Herstellung, Beschaffung, Weitergabe <strong>und</strong> Lagerhaltung <strong>der</strong><br />

Bio- <strong>und</strong> Toxinwaffen verbietet <strong>und</strong> <strong>der</strong>en Vernichtung<br />

anordnet. Anschließend wurde <strong>der</strong> Vertrag auch von <strong>der</strong> UN-<br />

Vollversammlung akzeptiert <strong>und</strong> am 10. April 1972 zum<br />

Unterzeichnen ausgelegt. Nachdem 22 Staaten — unter ihnen<br />

bereits 1972 die DDR 124 — die Konvention signiert <strong>und</strong><br />

ratifiziert hatten, trat sie am 26. März 1975 in Kraft.* Erstmals<br />

war damit ein komplettes Waffensystem verboten worden,<br />

<strong>und</strong> <strong>das</strong> mitten im Kalten Krieg.<br />

* Die B<strong>und</strong>esrepublik ratifizierte die Konvention, in <strong>der</strong> westdeutschen Übersetzung<br />

„Übereinkommen“ gennant, erst 1983.<br />

225


Übereinkommen über <strong>das</strong> Verbot <strong>der</strong> Entwicklung, Herstellung <strong>und</strong><br />

Lagerung bakteriologischer (biologischer) Waffen <strong>und</strong> von Toxin-<br />

Waffen sowie über die Vernichtung solcher Waffen 125 (Auszug)<br />

Artikel I<br />

Je<strong>der</strong> Vertragsstaat dieses Übereinkommens verpflichtet sich,<br />

1. mikrobiologische o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>e biologische Agenzien o<strong>der</strong> — ungeachtet<br />

ihres Ursprungs o<strong>der</strong> ihrer Herstellungsmethode — Toxine<br />

von Arten <strong>und</strong> in Mengen, die nicht durch Vorbeugungs-, Schutzo<strong>der</strong><br />

sonstige friedliche Zwecke gerechtfertigt sind, sowie<br />

2. Waffen, Ausrüstungen o<strong>der</strong> Einsatzmittel, die für die Verwendung<br />

solcher Agenzien o<strong>der</strong> Toxine für feindselige Zwecke o<strong>der</strong> in<br />

einem bewaffneten Konflikt bestimmt sind, niemals <strong>und</strong> unter keinen<br />

Umständen zu entwickeln, herzustellen, zu lagern o<strong>der</strong> in<br />

an<strong>der</strong>er Weise zu erwerben o<strong>der</strong> zurückzubehalten.<br />

Artikel II<br />

Je<strong>der</strong> Vertragsstaat dieses Übereinkommens verpflichtet sich, alle in<br />

seinem Besitz befindlichen o<strong>der</strong> seiner Hoheitsgewalt o<strong>der</strong> Kontrolle<br />

unterliegenden Agenzien,Toxine,Waffen,Ausrüstungen <strong>und</strong> Einsatzmittel<br />

im Sinne des Artikels I so bald wie möglich, spätestens jedoch<br />

neun Monate nach dem Inkrafttreten des Übereinkommens, zu<br />

vernichten o<strong>der</strong> friedlichen Zwecken zuzuführen. [...]<br />

Artikel III<br />

Je<strong>der</strong> Vertragsstaat dieses Übereinkommens verpflichtet sich, die in<br />

Artikel I bezeichneten Agenzien, Toxine, Waffen, Ausrüstungen o<strong>der</strong><br />

Einsatzmittel an niemanden unmittelbar o<strong>der</strong> mittelbar weiterzugeben<br />

<strong>und</strong> einen Staat, eine Gruppe von Staaten o<strong>der</strong> internationale<br />

Organisationen we<strong>der</strong> zu unterstützen noch zu ermutigen, noch zu<br />

veranlassen, sie herzustellen o<strong>der</strong> in an<strong>der</strong>er Weise zu erwerben.<br />

226


Allerdings enthält die Konvention eine Reihe von Schwachstellen,<br />

die vor allem nach Einführung von Gentechnik <strong>und</strong> an<strong>der</strong>er<br />

molekularer Biotechnologien immer deutlicher hervortraten.<br />

Diese Schwachstellen erlangten aber auch deshalb immer<br />

größere Bedeutung, weil die Großmächte als Folge <strong>der</strong> internationalen<br />

Entspannung immer mehr die Kontrolle über die<br />

kleineren Staaten ihres früheren Einflussbereiches verloren.<br />

Eine dieser Schwachstellen besteht darin, <strong>das</strong>s <strong>das</strong> Abkommen<br />

nicht universell akzeptiert ist. Nach dem Stand vom 31.<br />

Dezember 2002 traten 146 Staaten <strong>der</strong> Biowaffenkonvention<br />

bei. Das heißt aber auch, <strong>das</strong>s etwa ein Viertel aller Mitgliedsstaaten<br />

<strong>der</strong> Vereinten Nationen dem Abkommen noch nicht<br />

beigetreten ist. Dazu gehören fatalerweise nahezu alle Staaten<br />

des Nahen Ostens.<br />

Eine zweite Schwachstelle ist, <strong>das</strong>s im Vertrag nur ziemlich<br />

unverbindlich vereinbart wird, <strong>das</strong>s die Partnerstaaten „alle<br />

notwendigen Maßnahmen“ ergreifen, die Bestimmungen <strong>der</strong><br />

Konvention in nationales Recht umzusetzen <strong>und</strong> so beispielsweise<br />

Terroristen den Zugang zu dual-threat-Agenzien<br />

unmöglich zu machen. Tatsächlich hat bisher nur eine<br />

begrenzte Anzahl von Staaten Gesetze über den Umgang mit<br />

potenziellen biologischen Kampfstoffen erlassen.<br />

Nur beiläufig sei in diesem Zusammenhang angemerkt, <strong>das</strong>s<br />

auch in den USA Nixons Verbot zunächst nicht vollständig<br />

befolgt wurde. Wie<strong>der</strong> einmal versagte ein Geheimdienst —<br />

diesmal in seiner Treuepflicht dem Präsidenten gegenüber:<br />

Im September 1975 wurde entdeckt, <strong>das</strong>s die CIA nach wie<br />

vor relativ große Mengen biologischer <strong>und</strong> Toxin-Kampfmittel<br />

hortete, unter an<strong>der</strong>em die Erreger von Bruzellose,<br />

Maltafieber, Milzbrand, Pocken, Tularämie <strong>und</strong> Venezolanischer<br />

Pferde-Enzephalitis, sowie Botulin <strong>und</strong> Staphylokokken-Enterotoxin<br />

B. 126<br />

Eine dritte, beson<strong>der</strong>s schwerwiegende Schwachstelle resultiert<br />

daraus, <strong>das</strong>s die Konvention keine Bestimmungen<br />

enthält, wie ihre Einhaltung kontrolliert („verifiziert“) werden<br />

227


kann, <strong>und</strong> keine Angaben darüber, ob <strong>und</strong> wie entsprechende<br />

Verstöße geahndet werden sollen. Das wurde beim Vertragsabschluß<br />

nicht etwa „vergessen“. Kontrollbestimmungen <strong>und</strong><br />

Sanktionsandrohungen wurden vielmehr bewusst nicht in <strong>das</strong><br />

Übereinkommen aufgenommen, weil die Sowjetunion <strong>und</strong><br />

ihre Verbündeten seinerzeit gr<strong>und</strong>sätzlich nicht bereit waren,<br />

Verifikationsmaßnahmen zu akzeptieren. Der Gr<strong>und</strong> dafür<br />

ist inzwischen bekannt: Selbst halbwegs tiefschürfende<br />

Kontrollen hätten vermutlich die geheimen sowjetischen<br />

Rüstungsaktivitäten enthüllen können. Aber davon hatten<br />

die Westmächte damals noch keine Ahnung.<br />

Fred C. Ikle, <strong>der</strong> Direktor <strong>der</strong> Rüstungskontroll- <strong>und</strong><br />

Abrüstungsbehörde, wies in einer Anhörung vor dem Komitee<br />

für auswärtige Beziehungen des US-Senats am 10.<br />

Dezember 1974 auf diesen Mangel <strong>der</strong> Konvention hin.<br />

Trotzdem liege es nach Meinung Ikles sehr im Interesse <strong>der</strong><br />

USA, diesem Vertrag beizutreten, <strong>und</strong> zwar vor allem aus<br />

drei Gründen: „Erstens ist die militärische Brauchbarkeit solcher<br />

Waffen im besten Fall zweifelhaft: ihre Wirkung ist unvorhersehbar<br />

<strong>und</strong> potenziell unkontrollierbar, <strong>und</strong> es gibt<br />

keine militärischen Erfahrungen darüber. Folglich berauben<br />

uns die Verbotsbestimmungen dieser Konvention keiner militärisch<br />

interessanten Option <strong>und</strong> die Verifizierbarkeit ist deshalb<br />

weniger wichtig. Zweitens sind biologische Kampfmittel<br />

aus moralischen Gründen abzulehnen. Drittens kann eine weitverbreitete<br />

Einhaltung <strong>der</strong> Konvention dazu beitragen, <strong>das</strong>s<br />

es nicht zu einem biologischen Wettrüsten kommt“. 127<br />

In <strong>der</strong> selben Anhörung wurde ein Schreiben von<br />

Luftwaffengeneral George S. Brown vorgelegt, wonach<br />

biologische Kampfmittel nach Meinung <strong>der</strong> Vereinigten<br />

Stabschefs für die amerikanische Abschreckungsfähigkeit<br />

nicht notwendig sind. „Wegen <strong>der</strong> unilateralen Entscheidung<br />

<strong>der</strong> USA auf biologische Waffen je<strong>der</strong> Art zu verzichten <strong>und</strong><br />

wegen <strong>der</strong> unbewiesenen Nützlichkeit solcher Kampfmittel<br />

für einen potenziellen Aggressor ist Verifikation für diesen<br />

Vertrag keine wesentliche Angelegenheit“. 128<br />

228


Auf die Vereinbarung von Verifikationsmaßnahmen wurde<br />

also von beiden Machtblöcken aus ganz unterschiedlichen<br />

Gründen bewusst verzichtet.<br />

Weitere, beson<strong>der</strong>s einschneidende Schwachstellen <strong>der</strong><br />

Konvention resultieren daraus, <strong>das</strong>s sowohl Forschungsarbeiten<br />

an dual-threat-Agenzien im allgemeinen als auch B-<br />

Schutz-Aktivitäten im speziellen uneingeschränkt erlaubt<br />

sind, also beispielsweise auch Entwicklung, Produktion <strong>und</strong><br />

Einsatz von Impfstoffen gegen DTAs.<br />

Man kann deshalb dem Geheimdienstkomitee des amerikanischen<br />

Repräsentantenhauses nur zustimmen, „<strong>das</strong>s es<br />

schwierig sein dürfte, ein biologisches Agens zu benennen,<br />

<strong>das</strong> nicht ‚für prophylaktische, schützende o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>e friedliche<br />

Zwecke’ vermehrt werden könnte. Selbst die Produktion<br />

größerer Mengen von Milzbrandbakterien müsste nicht notwendigerweise<br />

eine Verletzung <strong>der</strong> Konvention bedeuten“. 129<br />

In diesem Zusammenhang wies auch <strong>der</strong> führende amerikanische<br />

Experte Victor Sidel auf die Schwierigkeit hin,<br />

Schutzforschung von offensiv motivierten Aktivitäten zu<br />

unterscheiden, was natürlich Verdacht erregen könnte: „Die<br />

Einführung eines Programms spezifisch für den medizinischen<br />

‚Schutz’ gegen <strong>der</strong>artige Agenzien könnte für an<strong>der</strong>e<br />

in <strong>der</strong> Welt schlicht als Forsetzung des Rüstungswettlaufs auf<br />

diesem Gebiet erscheinen.“ Und <strong>der</strong> Abgeordnete W. Owens<br />

meinte, „<strong>das</strong>s steigende Ausgaben für den biologischen<br />

Schutz weiterhin international Verdacht auslösen <strong>und</strong> in <strong>der</strong><br />

Folge zur Proliferation auf dem biologischen Waffensektor<br />

führen werden“. 130<br />

229


Die Janusköpfigkeit <strong>der</strong> Impfstoffe 131<br />

In allen Kriegen bis zum Zweiten Golfkrieg sind mehr<br />

Soldaten durch Infektionskrankheiten <strong>und</strong> Intoxinationen<br />

umgekommen als durch Waffen. Seuchen waren oft<br />

kriegsentscheidend. 17.000 spanische Soldaten starben 1490<br />

vor Granada an Fleckfieber. König Ferdinand von Aragon<br />

musste daraufhin die Belagerung <strong>der</strong> Stadt aufgeben.<br />

Napoleons Armee erlag vor Moskau <strong>der</strong> gleichen Krankheit<br />

— nach ihrem Rückzug verseuchte sie halb Europa: allein in<br />

Mainz starben mehr als 21.000 Soldaten <strong>und</strong> über 2400<br />

Bürger. Mit biologischer Kriegsführung hatte <strong>das</strong> allerdings<br />

nichts zu tun, selbst wenn <strong>der</strong> eine o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>e Erreger einer<br />

Kriegsseuche auch als potenzielles Kampfmittel eingeschätzt<br />

werden muss. Auch Entwicklung <strong>und</strong> Anwendung von<br />

Impfstoffen gegen Kriegsseuchen — wie sie in Hitlerdeutschland<br />

in barbarischen Experimenten an Kriegsgefangenen <strong>und</strong><br />

KZ-Häftlingen betrieben wurde — hat nichts mit biologischer<br />

Kriegsführung zu tun.<br />

Aber Impfstoffe schützen nicht nur vor (einigen) Kriegsseuchen,<br />

son<strong>der</strong>n auch vor Krankheiten, die durch an<strong>der</strong>e<br />

dual-threat-Agenzien verursacht werden. Entwicklung <strong>und</strong><br />

Einsatz von Impfstoffen ist deshalb eine <strong>der</strong> wichtigsten<br />

Aufgaben des sog. „B-Schutzes“. Das ist völlig legitim. „Entwicklung,<br />

Herstellung, Lagerung, Erwerb <strong>und</strong> Bevorratung<br />

potenzieller Kampfmittel für prophylaktische, schützende<br />

<strong>und</strong> an<strong>der</strong>e friedliche Zwecke” werden von <strong>der</strong> Biowaffenkonvention<br />

ausdrücklich erlaubt.<br />

Diese Erlaubnis ist aber auch eine <strong>der</strong> größten Schwachstellen<br />

des Übereinkommens, denn wirksame B-Schutzmaßnahmen<br />

setzen genaue Kenntnis des offensiven Potenzials<br />

gegnerischer Kampfmittel voraus. Tatsächlich dürfte es nach<br />

Ansicht eines Komitees des US-Repräsentantenhauses<br />

schwer fallen, „ein biologisches Agens zu benennen, <strong>das</strong>s<br />

nicht mit <strong>der</strong> Begründung ‚prophylaktische, protektive<br />

o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>e friedliche Zwecke’ produziert werden könnte.<br />

230


Selbst die Herstellung bestimmter Mengen von Milzbrand-<br />

Erregern muss nicht zwangsläufig eine Verletzung <strong>der</strong><br />

Konvention darstellen”.<br />

Vier verschiedene Gründe, Impfstoffe zu entwickeln<br />

<strong>und</strong> anzuwenden<br />

Beson<strong>der</strong>s problematisch ist es, wenn Entwicklung <strong>und</strong><br />

Anwendung von Impfstoffen gegen dual-threat-Agenzien in<br />

militärischen Einrichtungen erfolgt, womöglich im geheimen.<br />

Für solche Aktivitäten kann es ganz unterschiedliche Motive<br />

geben. Eines besteht darin, die Soldaten in Friedenszeiten vor<br />

natürlichen Infektionen <strong>und</strong> Intoxinationen zu schützen. Das<br />

gilt vor allem auch dann, wenn sie im Ausland Dienst tun<br />

müssen <strong>und</strong> dort „exotischen“ Krankheitserregern ausgesetzt<br />

sein könnten, beispielsweise im Kosovo, in Afghanistan o<strong>der</strong><br />

am Horn von Afrika. (An uns Zivilisten wird in den militärischen<br />

Impfprogrammen in <strong>der</strong> Regel nicht gedacht, nicht<br />

zuletzt wegen <strong>der</strong> Unterschiedlichkeit <strong>der</strong> notwendigen<br />

Finanzquellen — aber <strong>das</strong> ist ein an<strong>der</strong>es Thema, <strong>das</strong> sich<br />

mittlerweile angesichts <strong>der</strong> bioterroristischen Bedrohung<br />

möglicherweise zu än<strong>der</strong>n beginnt.)<br />

Ein zweites Motiv besteht darin, <strong>das</strong>s Soldaten (<strong>und</strong><br />

Zivilisten) auch in konventionellen <strong>und</strong> an<strong>der</strong>en nicht-biologischen<br />

Kriegen vor natürlichen Infektionen <strong>und</strong> Intoxinationen<br />

geschützt werden müssen, nicht zuletzt auch vor<br />

Kriegsseuchen.<br />

Ein drittes Motiv ist <strong>der</strong> eigentliche „B-Schutz“. Das setzt<br />

aber voraus, <strong>das</strong>s man zuvor weiß, mit welchen Biowaffen ein<br />

angenommener Gegner angreifen wird. Es ist aber kaum<br />

möglich, sich durch Vakzinierung vor einem Überraschungsangriff<br />

mit biologischen Kampfstoffen zu schützen.<br />

Impfstoffe schützen in <strong>der</strong> Regel jeweils nur vor einem<br />

bestimmten Erreger, <strong>und</strong> auch <strong>das</strong> nur, wenn sie Wochen,<br />

wenn nicht Monate im Voraus appliziert worden sind. In<br />

vielen Fällen ist auch unbekannt, ob normalerweise wirksame<br />

Impfstoffe auch dann ausreichend schützen, wenn die betref-<br />

231


fenden Erreger im Gegensatz zum natürlichen Infektionsgeschehen<br />

in Form von Aerosolen verbreitet <strong>und</strong> dann<br />

eingeatmet werden. Und wie soll man sich vor Agenzien<br />

schützen, die gentechnisch so umprogrammiert worden sind,<br />

<strong>das</strong>s sie herkömmliche Immunbarrieren überwinden können?<br />

Selbstverständlich ist es nicht nur Recht, son<strong>der</strong>n Pflicht<br />

militärischer Führer, ihre Streitkräfte vor gegnerischen<br />

Kampfmitteln zu schützen, wenn es verlässliche Informationen<br />

über <strong>der</strong>en bevorstehenden Einsatz gibt. Aber wann<br />

waren schon solche Informationen bisher verlässlich? Im<br />

Zweiten Golfkrieg schon — als einige angloamerikanische<br />

Truppen gegen Milzbrand <strong>und</strong> Botulinum-Toxin immunisiert<br />

wurden —, aber vor <strong>der</strong> Invasion in <strong>der</strong> Normandie 1944<br />

zunächst überhaupt nicht.<br />

Ganz abgesehen davon stehen lizenzierte Impfstoffe nur<br />

gegen einige wenige Vertreter des „dreckigen Dutzend“ zur<br />

Verfügung: Milzbrand-, Pest- <strong>und</strong> Pockenerreger. Weitere<br />

Vakzinen, die vor Botulismus, Q-Fieber, Rifttal-Fieber,<br />

Tularämie <strong>und</strong> Venezolanische Pferde-Enzephalitis schützen,<br />

sind noch nicht lizenziert <strong>und</strong> werden zur Zeit nur an<br />

Risikopersonal verabfolgt. 132 Deshalb hat <strong>das</strong> Verteidigungsministerium<br />

<strong>der</strong> USA 1997 <strong>das</strong> „Joint Vaccine Acquisition<br />

Program“ gestartet, um Impfstoffe gegen die bedrohlichsten<br />

Agenzien entwickeln beziehungsweise verbessern zu lassen,<br />

<strong>und</strong> zwar gegen die Erreger von Milzbrand, Pest, Pocken, Q-<br />

Fieber, Tularämie <strong>und</strong> Venezolanischer-Pferde-Enzephalitis,<br />

sowie Botulinum-Toxin <strong>und</strong> Rizin. 133<br />

Anfang 1998 beschlossen Angloamerikaner <strong>und</strong> Kanadier,<br />

ihre im Persischen Golf stationierten Truppen gegen Milzbrand<br />

zu impfen. Darüber hinaus entschieden die USA, in<br />

einem Zeitraum von sechs Jahren alle Militärangehörigen<br />

gegen Milzbrand zu immunisieren. Im Mai 2002 wurde diese<br />

Entscheidung aber wie<strong>der</strong> aufgehoben. Nun sollen nur<br />

noch beson<strong>der</strong>s gefährdete Risikogruppen geimpft werden,<br />

übrigens auch aus <strong>der</strong> Zivilbevölkerung. Großbritannien<br />

232


Rifttal-Fieber is ein durch Viren hervorgerufenes „hämorrhagisches<br />

Fieber“ (HF). 134 Die von HF-Viren verursachten schweren Erkrankungen<br />

imponieren vor allem durch eine stark erhöhte Permeabilität<br />

<strong>der</strong> Blutgefäße, was zu Blutungen <strong>der</strong> inneren Organe sowie aus<br />

Nase, M<strong>und</strong>, After <strong>und</strong> an<strong>der</strong>en Schleimhäuten führt.<br />

HFV sind sämtlich RNS-haltige Viren. Sie gehören aber verschiedenen<br />

Familien an, <strong>und</strong> zwar<br />

Arenaviren: Lassa-V., sowie Junin-V., Machupo-V. u.a. Viren <strong>der</strong><br />

Neuen Welt,<br />

Bunyaviren: Hämorrhagisches Krim-Kongo-Fieber-V., Rifttal-<br />

Fieber-V., Hantan-V. u.a.,<br />

Flaviviren: Dengue-V., Gelbfieber-V., Zecken-Enzephalitis-V. u.a.<br />

Filoviren: Ebola-V., Marburg-V.<br />

Auf natürlichem Wege steckt man sich durch Kontakt mit infizierten<br />

Tieren o<strong>der</strong> durch Insektenbisse an. Eine spezifische Therapie ist<br />

nicht möglich; lizenzierte Impfstoffe stehen nur gegen Gelbfieber zur<br />

Verfügung, gegen einige an<strong>der</strong>e HFV gibt es noch nicht zugelassene<br />

„experimentelle Vakzinen“.<br />

Viele HFV sind potenzielle Kampfmittel, die meisten — mit Ausnahme<br />

von Dengue-V. — können durch Aerosole verbreitet werden.<br />

Ebola-, Junin-, Lassa-, Machupo- <strong>und</strong> Marburg-Viren sollen in <strong>der</strong><br />

Sowjetunion als Kampfmittel entwickelt worden sein, Rifttal-Fieber<strong>und</strong><br />

Gelbfieber-V. durch die USA.<br />

dagegen will die Anthrax-Schutzimpfung in den nächsten<br />

Jahren allen Armeeangehörigen <strong>und</strong> beson<strong>der</strong>s gefährdeten<br />

Zivilisten anbieten, weil man ja mindestens sechs Monate<br />

brauche, um einen vollen Impfschutz zu gewährleisten. 135<br />

Impfstoffe senken Hemmschwelle vor Biowaffen-Einsatz<br />

Impfstoffe können schließlich viertens aber auch entwickelt<br />

<strong>und</strong> angewandt werden, wenn man offensive Biowaffenaktivitäten<br />

betreiben <strong>und</strong> dabei die eigenen Spezialisten nicht<br />

gefährden will. Entsprechend war <strong>der</strong> erklärte Gr<strong>und</strong> für die<br />

Aufnahme von Impfstoffentwicklungen im Institut für<br />

233


Infektionskrankheiten <strong>der</strong> US-Armee in Fort Detrick in den<br />

1950er Jahren nach Auskunft des damaligen Kommandeurs<br />

David Huxsoll „hauptsächlich <strong>der</strong>, <strong>das</strong> am offensiven<br />

Programm beteiligte Personal zu schützen“. 136 Überdies<br />

ermöglicht die Bereitstellung geeigneter Impfstoffe <strong>und</strong><br />

Immunseren auch eine biologische Erstschlagsfähigkeit.<br />

Schon Stabsarzt Dr.Winter, <strong>der</strong> im Ersten Weltkrieg angeregt<br />

hatte, England mit Yersinia pestis anzugreifen, hatte gemeint,<br />

zuvor müsse aber ausreichend Immunserum zum Schutz <strong>der</strong><br />

eigenen Truppen bereitgehalten werden. Entsprechend<br />

erklärte Generalarzt Professor Riemer 1925 auf <strong>der</strong> bereits<br />

erwähnten Konferenz <strong>der</strong> Sanitätsinspektion über die<br />

Verwendung von Bakterien als Kampfmittel im Kriege, man<br />

dürfe „sich dieser Waffe nur bedienen, wenn vorher die<br />

erfor<strong>der</strong>lichen Sicherungen (Schutzimpfungen usw. im eigenen<br />

Lager) getroffen sind“.<br />

Heute können Impfstoffe dank <strong>der</strong> Einführung <strong>der</strong> Gentechnik<br />

<strong>und</strong> an<strong>der</strong>er molekularer Biotechnologien schneller,<br />

wirksamer <strong>und</strong> in größeren Mengen produziert werden als<br />

zuvor. Darauf hatten im Frühjahr 1981 Nobelpreisträger<br />

Joshua Le<strong>der</strong>berg <strong>und</strong> an<strong>der</strong>e Experten aufmerksam gemacht,<br />

die für <strong>das</strong> Außenministerium <strong>der</strong> USA die Bedeutung <strong>der</strong><br />

Gentechnik einschätzen sollten. Daraus folgere, <strong>das</strong>s „eine<br />

erhöhte Schutzfähigkeit zum Einsatz biologischer Waffen<br />

verleiten könnte, da <strong>der</strong> Angreifer ein vermin<strong>der</strong>tes Risiko<br />

eingeht, durch seine eigenen Aktionen geschädigt zu werden“.<br />

137<br />

Die Stellungnahme sollte aber vermutlich nicht öffentlich<br />

bekannt werden. Nur in einer kleinen Fachzeitschrift, dem<br />

„Genetic Engineering Letter“, war darauf hingewiesen <strong>und</strong><br />

erwähnt worden, <strong>das</strong>s <strong>der</strong> Expertenbericht vom Advisory<br />

Committee on Oceans, Environment and Scientific Affairs<br />

gebilligt <strong>und</strong> dann dem stellvertretenden Außenminister<br />

Malone zugeleitet worden sei. 138 Als ich 1983 aus dieser<br />

Stellungnahme zitieren wollte, wandte ich mich an Komitee-<br />

Mitglied Joshua Le<strong>der</strong>berg <strong>und</strong> bat ihn um eine Kopie.<br />

234


Le<strong>der</strong>berg antwortete zu meinem Erstaunen, er könne die<br />

Existenz einer solchen Stellungnahme nicht bestätigen. Da<br />

ich nicht wusste, ob <strong>der</strong> negative Bescheid deshalb erfolgte,<br />

weil ich als DDR-Bürger nicht vertrauenswürdig erschien,<br />

bat ich meinen amerikanischen Kollegen Professor Arthur<br />

Westing vom Stockholmer Friedensforschungsinstitut um<br />

Unterstützung. Der schrieb an den stellvertretenden US-<br />

Außenminister, an den ja angeblich <strong>der</strong> Bericht gegangen<br />

war.Aber auch Arthur bekam eine negative Antwort. Malone<br />

ließ nämlich mitteilen, <strong>der</strong> Bericht sei weg: „Unglücklicherweise”,<br />

schrieb einer seiner Mitarbeiter, „können wir den<br />

Bericht nicht finden. Die Abteilung [des State Department],<br />

die für <strong>das</strong> Advisory Committee zuständig war, ist bald nach<br />

<strong>der</strong> im Mai 1981 durchgeführten Sitzung aufgelöst worden,<br />

<strong>und</strong> die unserer Abteilung übergebenen Akten enthalten<br />

keine Kopie dieses Berichtes. Auch meine Nachforschungen<br />

in an<strong>der</strong>en zuständigen Abteilungen unseres Ministeriums<br />

führten nicht auf Auffinden eines Exemplars des Berichtes”. 139<br />

Aber schließlich schafften wir es doch noch, eine Kopie des<br />

— nicht einmal offiziell als „geheim“ eingestuften — Berichtes<br />

aufzutreiben, so <strong>das</strong>s er hier zitiert werden kann. Warum aber<br />

diese Geheimniskrämerei um den Report? Vielleicht wollte<br />

man keine schlafenden H<strong>und</strong>e wecken <strong>und</strong> nicht explizit auf<br />

die mit <strong>der</strong> Impfstoffproblematik verb<strong>und</strong>ene Schwachstelle<br />

<strong>der</strong> Biowaffenkonvention aufmerksam machen. Auf die wies<br />

dann aber spätestens 1993 <strong>das</strong> Amt für Technologiefolgenabschätzung<br />

des US-Kongresses eindeutig hin: „Offensiv<br />

motivierte Arbeiten können unter dem Deckmantel schützen<strong>der</strong><br />

Aktivitäten durchgeführt werden, da beide Aktivitäten<br />

<strong>das</strong>selbe gr<strong>und</strong>legende Know-how <strong>und</strong> gleiche Labortechniken<br />

erfor<strong>der</strong>n“.<br />

Das gilt ganz beson<strong>der</strong>s für völlig neuartige Impfstoffe,<br />

die mit den Methoden <strong>der</strong> molekularen Biotechnologie<br />

entwickelt werden. Bei denen werden harmlose o<strong>der</strong> unschädlich<br />

gemachte Bakterien o<strong>der</strong> Viren als „Gentaxis“<br />

verwendet, mit <strong>der</strong>en Hilfe solche Erbanlagen in die<br />

235


Impflinge eingeschleust werden, die für die Ausprägung des<br />

Impfschutzes notwendig sind. Mit ein <strong>und</strong> <strong>der</strong>selben Technologie<br />

können entwe<strong>der</strong> wirksame Impfstoffe o<strong>der</strong> „Biowaffen<br />

<strong>der</strong> Zweiten Generation“ hergestellt werden — je nachdem,<br />

ob man Impfschutzgene in den Vektor einbaut o<strong>der</strong> solche,<br />

die Toxine o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>e Virulenzfaktoren kodieren.<br />

Die Verfügbarkeit entsprechen<strong>der</strong> Impfstoffe würde es<br />

Bioterroristen sogar ermöglichen, nicht in selbstmör<strong>der</strong>ischer<br />

Absicht handeln zu müssen: Eine vorzeitige Impfung würde<br />

ihnen zumindest eine Flucht vor den eigenen Waffen ermöglichen<br />

— so wie <strong>das</strong> für den Tito-Attentäter geplant war, <strong>der</strong><br />

vor dem Anschlag gegen Pest geimpft werden sollte.<br />

236


Gentechnik erlaubt Schärfung<br />

o<strong>der</strong> Abstumpfung von Biowaffen 140<br />

Eine weitere folgenschwere Schwachstelle <strong>der</strong><br />

Biowaffenkonvention besteht darin, <strong>das</strong>s sie unbegrenzt<br />

Forschungsarbeiten mit potenziellen biologischen <strong>und</strong><br />

Toxinkampfmitteln erlaubt. Bei <strong>der</strong> Ausarbeitung des Übereinkommens<br />

war zwar diskutiert worden, auch dafür entsprechende<br />

einschränkende Bestimmungen zu formulieren.<br />

Schließlich wurde aber darauf verzichtet, weil man die<br />

friedliche, speziell die medizinische Forschung nicht beeinträchtigen<br />

wollte — bei den entsprechenden Untersuchungsobjekten<br />

handelt es sich ja schließlich um dual-threat<br />

Agenzien, <strong>der</strong>en Bekämpfung auch im Rahmen des zivilen<br />

Ges<strong>und</strong>heitsschutzes unerlässlich ist.<br />

Inzwischen erweist sich diese Entscheidung aber vor allem<br />

angesichts <strong>der</strong> Möglichkeiten <strong>der</strong> Gentechnik <strong>und</strong> an<strong>der</strong>er<br />

molekularer Biotechnologien als sehr problematisch. Das<br />

war während <strong>der</strong> Ausarbeitung <strong>der</strong> Konvention noch nicht<br />

absehbar, da die neuen biowissenschaftlichen Techniken<br />

gerade zu dieser Zeit erst allmählich eingeführt wurden.<br />

Gentechnik ist die gezielte Manipulation des genetischen Materials.<br />

Molekulare Biotechnologie ist ein Methodenkomplex, bei dem zur<br />

Gentechnik weitere mo<strong>der</strong>ne biowissenschaftliche Spezialrichtungen<br />

(„Genomics“, „Proteomics“, Immuntechnik, Zelltechnik usw.) hinzukommen,<br />

verb<strong>und</strong>en mit den klassischen Methoden <strong>und</strong> Apparaten<br />

<strong>der</strong> Biotechnologie, mit Informatik <strong>und</strong> Mikroelektronik, sowie mit<br />

dem wissenschaftlichen Gerätebau.<br />

Als 1973 auf einer Tagung in den USA die ersten erfolgreichen<br />

gentechnischen Experimente vorgestellt wurden,<br />

fragten Konferenzteilnehmer, ob sich die neue Technik <strong>und</strong><br />

ihre Produkte nicht für Laborpersonal <strong>und</strong> Öffentlichkeit als<br />

237


Quelle: URANIA-Zeitschrift 1988, Nr 10.<br />

238


gefährlich erweisen könnte. 141 Daraufhin berief <strong>der</strong> Präsident<br />

<strong>der</strong> US-Akademie <strong>der</strong> Wissenschaften ein „Komitee für<br />

rekombinante DNS-Moleküle”. Das sollte beurteilen, ob von<br />

gentechnisch hergestellten Neukombinationen des Erbmaterials<br />

Gefahren ausgehen könnten. Die Experten erarbeiteten<br />

eine in mehreren angesehenen Fachzeitschriften veröffentlichte<br />

Stellungnahme. 142 Darin teilten sie die Bedenken<br />

<strong>und</strong> schlugen ein Moratorium, einen Forschungsstopp auf<br />

diesem Gebiet vor. Außerdem regten sie an, auf einer internationalen<br />

Konferenz über die potenziellen Gefahren zu<br />

beraten <strong>und</strong> darüber, wie man mit ihnen umgehen sollte.<br />

Daraufhin wurde im Jahre 1975 im kalifornischen Asilomar<br />

eine „Internationale Konferenz über rekombinante DNA-<br />

Moleküle” veranstaltet — zufällig im gleichen Jahr, in dem<br />

die Biowaffenkonvention in Kraft trat.<br />

Das hatte es in <strong>der</strong> Wissenschaftsgeschichte zuvor noch nicht<br />

gegeben: Zum ersten Mal bedachten Wissenschaftler von<br />

vornherein die Folgen ihres Tuns, <strong>und</strong> zum ersten Mal unterwarfen<br />

sie sich freiwillig einem Forschungsstopp.<br />

Das Komitee diskutierte auch darüber, ob die Gentechnik<br />

dazu missbraucht werden könnte, biologische Kampfmittel zu<br />

entwickeln. In den ersten beiden Entwürfen <strong>der</strong> Stellungnahme<br />

wurde deshalb formuliert: „Da es offensichtlich ist,<br />

<strong>das</strong>s diese neuen technologischen Möglichkeiten potenziell<br />

dafür genutzt werden könnten, neue hochentwickelte biologische<br />

Kampfmittel zu schaffen, for<strong>der</strong>n wir die Bürger, die<br />

Wissenschaftler <strong>und</strong> die zuständigen Mitarbeiter <strong>der</strong> Regierung<br />

auf, angemessene Maßnahmen zu ergreifen, um <strong>der</strong>artige<br />

Anwendungen zu verhin<strong>der</strong>n”. 143 Analog kam eine <strong>der</strong><br />

Arbeitsgruppen, die die Asilomar-Konferenz vorbereiteten,<br />

zu dem Schluss, „<strong>das</strong>s vielleicht <strong>das</strong> größte Potenzial für<br />

Gefahren <strong>der</strong> genetischen Verän<strong>der</strong>ung von Mikroorganismen<br />

in möglichen militärischen Anwendungen liegt. Wir<br />

sind völlig davon überzeugt, <strong>das</strong>s die Konstruktion genetisch<br />

verän<strong>der</strong>ter Mikroorganismen durch einen internationalen<br />

Vertrag ausdrücklich verboten werden sollte”. 144<br />

239


Die Mitglie<strong>der</strong> des Komitees entschlossen sich jedoch<br />

unverständlicherweise, diese Bedenken nicht in <strong>der</strong> Endfassung<br />

zu artikulieren, <strong>und</strong> Biowaffen-Angelegenheiten<br />

wurden nicht in die Tagesordnung <strong>der</strong> Konferenz von Asilomar<br />

aufgenommen. Tatsächlich gab es — zum Teil sehr<br />

einflussreiche, meinungsbildende — Biowissenschaftler, die<br />

bis in die achtziger Jahre hinein bestritten, <strong>das</strong>s die neuen<br />

Techniken den militärischen Wert biologischer Kampfmittel<br />

erhöhen könnten. Die im vorangegangenen Kapitel erwähnte<br />

Expertengruppe des State Department urteilte beispielswiese:<br />

„Durch genetic engineering können keine Pathogene<br />

erzeugt werden, die tödlicher sind als solche, die (wie z.B.<br />

Milzbrand-Erreger) bereits existieren. Gentechnik ist [für<br />

biologische Kriegsführung] wirklich nicht notwendig —<br />

Napoleons Armee ging an Ruhr zugr<strong>und</strong>e”.* Und <strong>der</strong><br />

Generalsekretär <strong>der</strong> Pugwash-Bewegung Dr. Martin Kaplan,<br />

selber erfahrener Mikrobiologe <strong>und</strong> Epidemiologe, schrieb<br />

klipp <strong>und</strong> klar: „Die DNA-Rekombinationstechnologie kann<br />

die militärische Unbrauchbarkeit solcher Waffen nicht verän<strong>der</strong>n“.<br />

145<br />

Solche Einschätzungen wirkten sich natürlich auf die<br />

Meinung <strong>der</strong> Politiker aus. Beispielsweise sagte Jürgen W.<br />

Möllemann, seinerzeit Staatsminister im Auswärtigen Amt,<br />

am 25. September 1986 im Deutschen B<strong>und</strong>estag zu<br />

„Befürchtungen in <strong>der</strong> Öffentlichkeit über einen möglichen<br />

Missbrauch“ <strong>der</strong> Gentechnologie für B-Waffenzwecke, „nach<br />

Ansicht <strong>der</strong> überwiegenden Zahl <strong>der</strong> Fachwissenschaftler ist<br />

diese Furcht jedoch unbegründet. Auch nach Auffassung von<br />

Pugwash [...] sind die Möglichkeiten für den Missbrauch dieser<br />

Technologien nicht größer — in <strong>der</strong> Tat vielleicht sogar<br />

geringer — als z.Zt. <strong>der</strong> Annahme des B-Waffen-Übereinkommens<br />

im Jahre 1972“. 146<br />

* Auch hier irrten die Experten: Napoleons Armee wurde durch Fleckfieber besiegt.<br />

240


Das aber war eine Fehleinschätzung. Schon zu diesem<br />

Zeitpunkt hatte <strong>das</strong> Stockholmer Internationale Friedensforschungsinstitut<br />

SIPRI ein ganzes Buch publiziert, in dem<br />

Experten aus West <strong>und</strong> Ost ausführlich begründeten, <strong>das</strong>s <strong>und</strong><br />

warum durch Einführung <strong>der</strong> Gentechnik eine neue Ära im<br />

Bereich <strong>der</strong> biologischen <strong>und</strong> Toxinwaffen angebrochen war. 147<br />

Im Laufe <strong>der</strong> Zeit setzte sich dann auch bei den Skeptikern<br />

die Einsicht durch, <strong>das</strong>s die molekularen Biotechnologien für<br />

Biowaffenaktivitäten von nicht zu unterschätzen<strong>der</strong><br />

Bedeutung sind, <strong>und</strong> <strong>das</strong>s die Mitarbeiter des Pentagon recht<br />

hatten, die 1986 formulierten, die Einführung <strong>der</strong> molekularen<br />

Biotechnologie sei vielleicht <strong>das</strong> wichtigste Ereignis in<br />

<strong>der</strong> Geschichte <strong>der</strong> Entwicklung biologischer Waffen gewesen,<br />

da dieser Durchbruch biologische Kriegsführung sehr<br />

einfach <strong>und</strong> wirksam mache.<br />

Möglichkeiten zur Optimierung von biologischen <strong>und</strong><br />

Toxin-Kampfmitteln<br />

Tatsächlich bieten Gentechnik <strong>und</strong> an<strong>der</strong>e molekulare Biotechnologien<br />

vielfältige Möglichkeiten zur Schärfung vorhandener<br />

biologischer Kampfmittel <strong>und</strong> zur Vergrößerung des<br />

Bio- <strong>und</strong> Toxinwaffenarsenals.<br />

In diesem Zusammenhang ist nicht eben beruhigend, <strong>das</strong>s<br />

„Superkiller“ auch im Verlauf von Experimenten entstehen<br />

können, die überhaupt nicht zur Entwicklung biologischer<br />

Kampfmittel gedacht waren. Dies hat ein australisches<br />

Forscherteam im Jahre 2001 eindrucksvoll demonstriert. Die<br />

Wissenschaftler wollten ein biologisches Schädlingsbekämpfungsmittel<br />

entwickeln <strong>und</strong> sind unabsichtlich bei<br />

einem — zum Glück nur bei Mäusen wirksamen — Killervirus<br />

gelandet. Um Mäuse unfruchtbar zu machen, führten sie<br />

<strong>das</strong> Gen für einen körpereigenen Bioregulator in <strong>das</strong><br />

Erbmaterial von Mäuse-Pockenviren ein. Angestrebt war<br />

eine biologische Kontrolle <strong>der</strong> Mäusevermehrung durch<br />

gezielte Zerstörung <strong>der</strong> Eizellen. Unerwarteterweise wurde<br />

durch <strong>das</strong> in die Viren eingebaute Gen aber auch eine<br />

241


Hemmung des Immunsystems <strong>der</strong> behandelten Tiere<br />

bewirkt. Deshalb erlagen die Mäuse <strong>der</strong> Wirkung des Virus,<br />

obwohl sie normalerweise eine Infektion mit diesem Erreger<br />

überleben. 148<br />

Für Menschen ist <strong>das</strong> zunächst nicht weiter gefährlich.<br />

Höchst bedenklich ist dabei aber, <strong>das</strong>s die australischen<br />

Wissenschaftler ein Virus verwendeten, <strong>das</strong> sowohl mit dem<br />

Schärfung von Biowaffen durch molekulare Biotechnologie<br />

Produktion biologischer <strong>und</strong> Toxin-Kampfmittel: Bakterien <strong>und</strong><br />

Viren können — bei geringerer Gefährdung <strong>der</strong> am Herstellungsprozess<br />

Beteiligten — wesentlich schneller <strong>und</strong> in größeren Mengen produziert<br />

werden. Das gilt insbeson<strong>der</strong>e auch für Toxine, von denen die<br />

meisten bisher nur in unzureichenden Mengen gewonnen werden<br />

konnten.<br />

Verbreitungsmöglichkeiten: Potenzielle Kampfmittel können für<br />

Umwelteinflüsse wie UV-Einwirkung <strong>und</strong> Austrocknung unempfindlicher<br />

gemacht werden, was ihre Verbreitung deutlich erleichtert.<br />

Wirksamkeit: Krankheitserreger können virulenter gemacht werden,<br />

resistent gegen verfügbare Antibiotika <strong>und</strong> Chemotherapeutika <strong>und</strong>/<br />

o<strong>der</strong> fähig, Immunbarrieren zu überwinden, die im gegnerischen<br />

Lager durch Schutzimpfungen aufgebaut wurden. Durch Verän<strong>der</strong>ung<br />

bestimmter Merkmale kann dem Gegner die Bestimmung <strong>der</strong><br />

eingesetzten Kampfmittel erschwert werden, so <strong>das</strong>s gezielte Bekämpfungsmaßnahmen<br />

erst deutlich verzögert eingesetzt werden können.<br />

Biowaffen <strong>der</strong> zweiten Generation: Durch Einführung von einem<br />

o<strong>der</strong> mehreren Toxin- <strong>und</strong>/o<strong>der</strong> Virulenzgenen können Krankheitserreger<br />

o<strong>der</strong> leicht übertragbare, bisher als harmlos geltende Bakterien,<br />

Pilze o<strong>der</strong> Viren in höchst gefährliche, schwer zu bekämpfende<br />

Kampfmittel verwandelt werden. Da solche „Superkiller“ im<br />

Gegensatz zu „klassischen“ Biowaffen in <strong>der</strong> Natur bisher nicht vorkommen<br />

<strong>und</strong> auch kaum durch natürliche genetische Austauschprozesse<br />

entstehen dürften <strong>und</strong> da sie ihre Existenz nur menschlichem<br />

Forschergeist verdanken, kann man sie als „Biowaffen <strong>der</strong> zweiten<br />

Generation“ bezeichnen.<br />

242


menschlichen Pockenvirus wie auch dem Vakzinia-Virus, <strong>das</strong><br />

man zur Schutzimpfung gegen die Pocken verwendet, eng<br />

verwandt ist: Sind <strong>der</strong>artige Manipulationen auch mit einem<br />

humanpathogenen Erreger möglich <strong>und</strong> dann für Menschen<br />

absolut tödlich? Wenn <strong>das</strong> gleiche Experiment mit Menschenpockenvirus<br />

praktiziert worden wäre, dann hätte dessen<br />

Mortalität vermutlich von 30 auf 100% erhöht <strong>und</strong> ihm vielleicht<br />

sogar die Fähigkeit verliehen werden können, Immunbarrieren<br />

zu überwinden.<br />

Interessant <strong>und</strong> bedenklich ist in diesem Zusammenhang,<br />

<strong>das</strong>s die Arbeiten mit dem Mäusepockenvirus nichts mit<br />

Biowaffenaktivitäten zu tun hatten. Aber auch Tabun, <strong>der</strong><br />

Prototyp <strong>der</strong> bekannten, hochwirksamen an<strong>der</strong>en Nervenkampfstoffe<br />

Sarin <strong>und</strong> Soman ist ja nicht in einer chemischen<br />

Waffenschmiede, son<strong>der</strong>n 1936 im Labor von Gerhard<br />

Schra<strong>der</strong> bei <strong>der</strong> Entwicklung von Schädlingsbekämpfungsmitteln<br />

entstanden, ehe er in die Hände <strong>der</strong> deutschen<br />

Militärs geriet. Die australischen Forscher haben an<strong>der</strong>thalb<br />

Jahre darüber diskutiert, ob sie ihre Ergebnisse veröffentlichen<br />

sollten <strong>und</strong> dann schließlich ihre Regierung um Rat<br />

gefragt. Die meinte, „<strong>der</strong> beste Weg, den Missbrauch solcher<br />

Methoden zu verhin<strong>der</strong>n ist, weltweit zu warnen“. 149<br />

Möglichkeiten zur Verbesserung des B-Schutzes<br />

Allerdings sind die molekularen Biotechnologien für die<br />

potenziellen Opfer militärischer <strong>und</strong> terroristischer Einsätze<br />

von Bio- <strong>und</strong> Toxin-Waffen nicht nur von Nachteil. So, wie<br />

ganz allgemein die Chancen <strong>und</strong> Risiken <strong>der</strong> Gentechnologie<br />

im Mittelpunkt vieler Diskussionen stehen, muss man auch<br />

die Chancen <strong>der</strong> neuen Techniken <strong>und</strong> <strong>der</strong> ihrem Einsatz zu<br />

verdankenden Erkenntnisse <strong>und</strong> Produkte für den B-Schutz<br />

zur Kenntnis nehmen: Die Tatsache, <strong>das</strong>s sie militärisch o<strong>der</strong><br />

terroristisch missbraucht werden kann, ist kein Gr<strong>und</strong> dafür,<br />

die Gentechnik generell zu verketzern.<br />

Die Chancen bestehen vor allem darin, <strong>das</strong>s man sich mit den<br />

neuen Methoden <strong>und</strong> Kenntnissen besser vor Bio- <strong>und</strong> Toxin-<br />

243


kampfstoffen schützen kann. Militärs <strong>und</strong> Zivilisten können<br />

mit neuen, wirksameren Vakzinen gegen biologische <strong>und</strong><br />

Toxin-Kampfmittel geimpft werden. Außerdem ist es möglich,<br />

effektivere Therapeutika zu entwickeln, speziell gegen<br />

Viren, von denen die meisten bisher ja noch nicht gezielt bekämpft<br />

werden können.<br />

Sehr viel schneller <strong>und</strong> genauer wirkende Verfahren zur<br />

Erkennung <strong>und</strong> Bestimmung eingesetzter Kampfmittel werden<br />

eingeführt, die es erlauben, rascher Gegenmaßnahmen<br />

zu treffen. Sie basieren vor allem auf <strong>der</strong> „Polymerase-<br />

Ketten-Reaktion“ (PCR), mit <strong>der</strong> es unter an<strong>der</strong>em möglich<br />

ist, unterschiedliche Krankheitserreger über ihr Erbmaterial<br />

zu identifizieren. 150<br />

Die Polymerase-Ketten-Reaktion ist ein enzymatisches Verfahren, <strong>das</strong><br />

es erlaubt, selbst geringste Mengen von Abschnitten des Erbmaterials<br />

zu vervielfachen <strong>und</strong> dabei in kürzester Zeit Millionen Kopien davon<br />

herzustellen. Die können anschließend weiterverarbeitet <strong>und</strong> beispielsweise<br />

hinsichtlich ihrer Zusammensetzung analysiert werden.<br />

Auf diese Weise können innerhalb weniger Minuten selbst<br />

geringste Mengen <strong>der</strong> Erreger von Cholera, Gasbrand,<br />

Gelbfieber, Maltafieber, Milzbrand Pest, Pocken, Rotz,<br />

Tularämie <strong>und</strong> Venezolanischer Pferde-Enzephalitis automatisch<br />

nachgewiesen werden, beispielsweise noch zehn<br />

Bacillus-anthracis-Bakterien innerhalb einer Viertelst<strong>und</strong>e!<br />

Mit den klassischen mikrobiologischen Verfahren würde man<br />

dazu Tage brauchen. Da man mit diesen Methoden in einem<br />

Arbeitsgang gleich mehrere charakteristische Abschnitte des<br />

genetischen Materials bestimmen kann, ist es auf diese Weise<br />

auch möglich, innerhalb kürzester Zeit herauszufinden, ob es<br />

sich bei den identifizierten Erregern um natürlich vorkommende<br />

Formen handelt o<strong>der</strong> um für den militärischen beziehungsweise<br />

terroristischen Einsatz präparierte.<br />

244


Gleichzeitig werden mit immuntechnologischen Methoden<br />

solche Bestimmungsverfahren deutlich verbessert, die auf den<br />

Einsatz von Antikörpern beruhen. Sogenannte „Biochips“.<br />

erlauben den Nachweis von Bakterien <strong>und</strong> Toxinen sozusagen<br />

im Handbetrieb, ohne auf aufwändige, nur mit dem<br />

Fahrzeug zu beför<strong>der</strong>nde Geräte angewiesen zu sein. Mit<br />

solchen Biochips dürften vermutlich in absehbarer Zeit auch<br />

ABC-Spürfahrzeuge von <strong>der</strong> Art des „Fuchs“ ausgerüstet<br />

werden, <strong>der</strong> bislang nur unzureichend zur Erkennung von<br />

Bio- <strong>und</strong> Toxinkampfstoffen geeignet ist.<br />

Der größte Fortschritt wurde in den zurückliegenden Jahren<br />

aber auf dem Gebiet <strong>der</strong> Entwicklung neuartiger Impfstoffe<br />

gemacht, die nicht nur leichter herzustellen sind, son<strong>der</strong>n<br />

auch zielgerichteter wirken <strong>und</strong> dabei weniger Nebenwirkungen<br />

auslösen als klassische Vakzinen.<br />

Entsprechende gentechnische Arbeiten werden im Rahmen<br />

des B-Schutzes auch bei <strong>der</strong> B<strong>und</strong>eswehr <strong>und</strong> ihren<br />

Vertragspartnern durchgeführt 151 - zwar nicht in absoluter<br />

Transparenz, aber ganz sicher nicht in Verletzung <strong>der</strong> Biowaffenkonvention,<br />

so <strong>das</strong>s Kritik daran 152 unberechtigt ist.<br />

245


AIDS <strong>und</strong> die <strong>Geheimdienste</strong><br />

Nicht nur <strong>Geheimdienste</strong> können sich irren, son<strong>der</strong>n<br />

auch Experten. Folgenschwer war 1938 <strong>das</strong> Urteil von<br />

Geheimrat Ostertag <strong>und</strong> an<strong>der</strong>er Spezialisten, Milzbrand-<br />

Erreger seien keine beson<strong>der</strong>s gut geeignete biologische Waffe.<br />

Dies war ein wesentlicher Gr<strong>und</strong> dafür, <strong>das</strong>s die Wehrmacht<br />

vor Ausbruch des Zweiten Weltkrieges keine Biowaffenaktivitäten<br />

aufnahm.<br />

Zumindest psychologisch ähnlich folgenschwer waren<br />

Einschätzungen des Ostberliner Physiologie-Professors<br />

Jakob Segal. Der hatte im September 1986 auf <strong>der</strong> Konferenz<br />

<strong>der</strong> blockfreien Staaten in Zimbabwe ein gemeinsam mit seiner<br />

Frau <strong>und</strong> einem weiteren Koautor verfasstes Manuskript<br />

über „Aids: USA Home-made Evil, Not Made in Africa“<br />

verteilt. Darin <strong>und</strong> in weiteren Beiträgen153 wurde behauptet,<br />

<strong>der</strong> „hausgemachte amerikanische Teufel“ sei durch Zusammenbau<br />

des Erbmaterials zweier Viren in einem Labor des<br />

Biowaffeninstitutes <strong>der</strong> US-Armee in Fort Detrick erzeugt<br />

worden. In Deutschland wurde diese Behauptung massenwirksam<br />

vor allem über ein Interview verbreitet, <strong>das</strong> Stefan<br />

Heym mit Segal führte <strong>und</strong> <strong>das</strong> auf drei vollen Seiten <strong>der</strong><br />

„TAZ“ veröffentlicht wurde. 154<br />

Das ganze war natürlich ein Politikum — <strong>das</strong> heute lei<strong>der</strong><br />

immer noch aktuell ist: Noch im April des Jahres 2001 meinte<br />

<strong>der</strong> libysche Staatschef Muammar Al Gaddafi auf <strong>der</strong><br />

afrikanischen AIDS-Gipfelkonferenz: „Laboratorien des US-<br />

<strong>Geheimdienste</strong>s, <strong>der</strong> CIA, haben Viren zur biologischen<br />

Kriegsführung benutzt, was zur Entstehung des AIDS-<br />

Erregers geführt hat“, <strong>und</strong> Sam Nujoma, <strong>der</strong> Präsident von<br />

Namibia, sagte im gleichen Monat, dieses Virus sei während<br />

des Vietnam-Krieges im Rahmen des US-amerikanischen<br />

Biowaffenprogrammes entwickelt worden. Ein Jahr später<br />

wurden diese Behauptungen von einem Minister Namibias<br />

wie<strong>der</strong>holt. 155<br />

246


Für Nichtinformierte klang Segals Argumentation logisch:<br />

Erste vorläufige molekularbiologische Analysen des AIDS-<br />

Erregers HIV ließen vermuten, <strong>das</strong>s sein Erbmaterial aus<br />

dem von zwei an<strong>der</strong>en Viren zusammengesetzt sein könnte.<br />

HIV sah also zunächst aus wie ein Kreuzungsprodukt von<br />

zwei an<strong>der</strong>en Erregern. Nun schloss Segal messerscharf, aber<br />

ignorant: Viren haben kein Geschlechtsleben. Eine <strong>der</strong>artige<br />

Rekombinante könnte demnach nicht auf natürlichem Wege<br />

entstanden sein. Also können nur Geningenieure <strong>das</strong> Erbmaterial<br />

<strong>der</strong> beiden Viren miteinan<strong>der</strong> kombiniert haben.<br />

Und wo gibt es solche Geningenieure, die so skrupellos sind,<br />

<strong>das</strong>s sie ein <strong>der</strong>art gefährliches Kreuzungsprodukt herstellen:<br />

in den Militärlabors des Klassenfeindes. Und wo steht <strong>das</strong><br />

gefährlichste biologische Institut <strong>der</strong> US-Imperialisten? In<br />

Fort Detrick in Fre<strong>der</strong>ick, im US-Staat Maryland! Anschließend<br />

sei HIV dort an Gefangenen getestet worden. Viele von<br />

diesen seien während ihrer Haftzeit schwul geworden <strong>und</strong><br />

hätten nach ihrer Freilassung gleichgesinnte gesucht, auf die<br />

sie dann unwissentlich die Erreger übertragen hätten.<br />

Die Hypothese strotzt aber von Irrtümern <strong>und</strong> Fehlkalkulationen.<br />

Schon seit den späten vierziger Jahren weiß man,<br />

<strong>das</strong>s Viren durchaus eine Art „Geschlechtsleben“ haben. Sie<br />

können sich miteinan<strong>der</strong> kreuzen, wenn mehr als zwei von<br />

ihnen die selbe Wirtszelle befallen. Abgesehen davon ist HIV<br />

aber nicht einfach eine Rekombinante, <strong>der</strong>en Erbmaterial je<br />

zur Hälfte aus dem zweier an<strong>der</strong>er Viren besteht. Sein Erbmaterial<br />

ist so überaus komplex strukturiert, <strong>das</strong>s es trotz<br />

aller Fortschritte auf dem Gebiet <strong>der</strong> molekularen Biotechnologie<br />

nicht einmal heute im Labor aus an<strong>der</strong>en Molekülfragmenten<br />

zu einem biologisch aktiven Virus-Erbapparat<br />

zusammengebaut werden könnte. Außerdem wurde inzwischen<br />

auch bekannt, <strong>das</strong>s vereinzelt AIDS-Fälle schon lange<br />

vor <strong>der</strong> Einführung <strong>der</strong> Gentechnik aufgetreten waren.<br />

Vor allem im Ausland war man über Segals Thesen sehr beunruhigt.<br />

Vielfach wurde angenommen, hier werde die offizielle<br />

247


Meinung <strong>der</strong> DDR wie<strong>der</strong>gegeben. Nicht zuletzt deshalb entschlossen<br />

sich <strong>der</strong> Ostberliner Virologe Hans-Alfred<br />

Rosenthal <strong>und</strong> ich, für die „Zeitschrift für ärztliche Fortbildung“<br />

einen Artikel zu verfassen, in dem die Hypothese<br />

diskutiert <strong>und</strong> wi<strong>der</strong>legt werden sollte. Ermutigt zu diesem<br />

Vorhaben wurden wir von Honeckers Schwager Manfred<br />

Feist, dem Leiter <strong>der</strong> Abteilung Internationale Beziehungen<br />

des ZK <strong>der</strong> SED. Den hatte ich auf einer Tagung kennengelernt<br />

bei welcher Gelegenheit er mir erzählte, <strong>das</strong>s sich<br />

mehrere DDR-Botschafter besorgt über entsprechende<br />

Reaktionen im Ausland geäußert hatten. Feist wollte sich<br />

auch dafür einsetzen, <strong>das</strong>s <strong>der</strong> Artikel problemlos veröffentlicht<br />

werden könnte, obwohl <strong>das</strong> Thema AIDS zu dieser Zeit<br />

in <strong>der</strong> DDR noch tabuisiert war.<br />

Als ich Feist dann <strong>das</strong> fertige Manuskript zuleitete, meinte<br />

dieser, wir müssten die USA zwar nicht verteidigen, dürften<br />

uns aber auch „kein Bonbon ans Hemd kleben lassen“.<br />

Professor Kurt Seidel, <strong>der</strong> Leiter Abteilung Ges<strong>und</strong>heitspolitik<br />

des ZK <strong>der</strong> SED, sah <strong>das</strong> hingegen ganz an<strong>der</strong>s.<br />

Unsere Argumente ignorierte er völlig. Vielmehr sagte er in<br />

einem Gespräch, zu dem ich gebeten worden war, die CIA sei<br />

sehr daran interessiert, Fort Detrick von dem Vorwurf reinzuwaschen.<br />

Wenn wir den Artikel veröffentlichen würden,<br />

müsse man annehmen, <strong>das</strong>s die CIA dahinter stecke...<br />

Wie aber sollten wir beweisen, kein Geld von <strong>der</strong> CIA<br />

bekommen zu haben? Wir gaben klein bei <strong>und</strong> verzichteten<br />

auf die Veröffentlichung dieses Artikels, zumal sich an<strong>der</strong>e<br />

Wege ergaben, Segals Hypothese ad absurdum zu führen. Die<br />

spektakulärste Möglichkeit dazu bot sich Anfang 1989 auf<br />

<strong>der</strong> Jahrestagung <strong>der</strong> angesehenen amerikanischen Gesellschaft<br />

zur För<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Wissenschaften. Die hatte mich zu<br />

einer Podiumsdiskussion mit dem Kommandeur von Fort<br />

Detrick <strong>und</strong> an<strong>der</strong>en Biowaffenexperten eingeladen. Ich<br />

stieß dort auf einiges Medieninteresse, da ich aus jenem exo-<br />

248


tischen Land hinter <strong>der</strong> Mauer kam, von dem aus immer noch<br />

die Schauergeschichte von <strong>der</strong> Herkunft des AIDS-Erregers<br />

verbreitet wurde. Das führte auch zu einer am 17. Januar 1989<br />

verbreiteten längeren Meldung <strong>der</strong> Deutschen Presse<br />

Agentur.<br />

altes geruecht um aids-virus ein „unappetitlicher politthriller“ =san<br />

francisco (dpa) — als einen „unappetitlichen politthriller“ hat <strong>der</strong> ddrwissenschaftler<br />

erhard geissler einen vorwurf zurueckgewiesen, <strong>der</strong> vor<br />

allem von einem ddr-wissenschaftler gegen die usa erhoben worden war.<br />

<strong>der</strong> pensionierte biologieprofessor jakob segal hatte vor laengerer zeit<br />

aufsehen mit <strong>der</strong> — immer wie<strong>der</strong> aufgegriffenen — behauptung erregt,<br />

die usa haetten <strong>das</strong> aids-virus im zuge ihrer forschungen über die biologische<br />

kriegsführung entwickelt.<br />

dieser vorwurf seines landsmannes <strong>und</strong> kollegen sei „absolut unsinn“<br />

sagte geissler am dienstag am rande <strong>der</strong> jahrestagung <strong>der</strong> amerikanischen<br />

gesellschaft zur foer<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> wissenschaft (aaas) in san francisco.<br />

es gebe gute beweise dafür, <strong>das</strong>s es gar nicht moeglich sei, <strong>das</strong> aidsausloesende<br />

hi-virus aus an<strong>der</strong>en retroviren zu basteln. ein solches geruecht<br />

saee nur misstrauen.<br />

misstrauen aber, so <strong>der</strong> ddr-wissenschaftler in san francisco, sei genau<br />

<strong>das</strong> gegenteil dessen, was fuer internationale beziehungen <strong>und</strong> vor allem<br />

die ruestungskontrolle noetig sei. in einem seminar über biologische <strong>und</strong><br />

toxin-waffen plaedierte er dafuer, die vertrauensbildenden massnahmen<br />

zu verstaerken, um einen ruestungswettlauf auf dem gebiet dieser<br />

waffen zu verhin<strong>der</strong>n. die biologische forschung muesse transparenter,<br />

<strong>der</strong> austausch von wissenschaftlern verstaerkt werden.<br />

geisslers anwesenheit in san francisco war ein gelungenes beispiel fuer<br />

diese gefor<strong>der</strong>te offenheit: er war <strong>der</strong> erste ddr-wissenschaftler, <strong>der</strong> als<br />

referent an einer tagung <strong>der</strong> renommierten amerikanischen wissenschaftsorganisation<br />

aaas teilnahm. <strong>der</strong> genetiker <strong>und</strong> ehemalige krebsforscher<br />

hat sich heute <strong>der</strong> abruestung im bereich <strong>der</strong> biologischen waffen<br />

verschrieben <strong>und</strong> ist leiter des „basiskollektivs friedensforschung“<br />

am institut fuer molekularbiologie <strong>der</strong> akademie <strong>der</strong> wissenschaften in<br />

ost-berlin.<br />

249


in seinem vortrag warnte geissler vor den potenziellen gefahren, die drohen,<br />

wenn sich <strong>das</strong> militaer die fortschritte <strong>der</strong> gentechnik zu nutzen<br />

mache. so sei es heute dank neuer methoden <strong>der</strong> zelltechnik <strong>und</strong> <strong>der</strong><br />

genmanipulation moeglich, krankheitserreger <strong>und</strong> biologische giftstoffe<br />

in massen zu produzieren. die krankheitserregende wirkung eines virus<br />

koenne durch einfuegen entsprechen<strong>der</strong> gene „dramatisch gesteigert“<br />

werden.<br />

angesichts dieser neuen moeglichkeiten biete die 1972 abgeschlossene<br />

<strong>und</strong> von 111 staaten ratifizierte konvention gegen die entwicklung, produktion<br />

<strong>und</strong> lagerung biologischer waffen keinen ausreichenden schutz<br />

mehr. noetig seien massnahmen, um schlupfloecher in diesem vertrag zu<br />

schliessen. so sollten forscher <strong>und</strong> wissenschaftliche organisationen jede<br />

mitarbeit an <strong>der</strong> entwicklung von biologischen o<strong>der</strong> toxischen angriffswaffen<br />

ablehnen. [...]<br />

Als ich einige Wochen später nach Berlin zurückkam, wurde<br />

ich wie<strong>der</strong> ins ZK bestellt. Professor Seidel informierte mich,<br />

Segal habe sich an Politbüro-Mitglied Hermann Axen<br />

gewandt. Segal hatte die komplette dpa-Meldung abgeschrieben<br />

<strong>und</strong> mich bei Axen denunziert, ich würde im Kernland<br />

des Klassenfeindes herumreisen <strong>und</strong> ihn, den guten<br />

Kommunisten Segal, anschwärzen. Seidel — <strong>der</strong> inzwischen<br />

auch Ärger mit Segal bekommen hatte — fragte mich, ob die<br />

dpa-Meldung aus meiner Sicht korrekt gewesen sei, <strong>und</strong> als<br />

ich dies bejahte, fragte er, was denn nun die „Knackpunkte“<br />

meiner Kritik an Segals Behauptungen seien. Ich trug ihm<br />

meine Argumente vor, sie schienen ihn zu überzeugen, <strong>und</strong><br />

Segals Denunziation hatte keine nachteiligen Folgen für mich<br />

— aber Segal wurde auch nicht zurückgepfiffen.<br />

Aber Segal war nicht nur ein Denunziant, son<strong>der</strong>n verfolgte<br />

seine Ziele sogar mit krimineller Energie. In einer nichtöffentlichen<br />

Konferenz, die Professor Niels Sönnichsen, <strong>der</strong><br />

Vorsitzende <strong>der</strong> AIDS-Kommission <strong>der</strong> DDR veranstaltete,<br />

um Segals Thesen wissenschaftlich bewerten zu lassen,<br />

behauptete dieser, seine Aussagen würden von dem angese-<br />

250


henen westdeutschen Molekularbiologen Professor Benno<br />

Müller-Hill gestützt. Tatsächlich erfuhr ich hernach von<br />

Müller-Hill, <strong>das</strong>s er zwar einen regen Briefwechsel mit Segal<br />

geführt, diesen aber mehrfach auf Unstimmigkeiten in seiner<br />

Argumentationskette hingewiesen <strong>und</strong> ihn auch wie<strong>der</strong>holt<br />

<strong>und</strong> explizit gebeten hatte, mit solchen Behauptungen nicht<br />

an die Öffentlichkeit zu gehen.<br />

Nach <strong>der</strong> „Wende“ hörte Segal mit seinen unruhestiftenden<br />

Aktivitäten nicht auf. In einem Leserbrief wies er in <strong>der</strong><br />

„Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ am 8. Januar 1991 die<br />

drei Wochen zuvor im gleichen Blatt veröffentlichte Behauptung<br />

zurück, die Fort-Detrick-Hypothese <strong>der</strong> HIV-Entstehung<br />

„sei vom sowjetischen Geheimdienst ausgedacht<br />

worden“. Vielmehr behauptete er wie<strong>der</strong> wahrheitswidrig,<br />

diese Theorie sei von ihm <strong>und</strong> seinen Mitarbeitern entwickelt<br />

worden: „Meine Mitarbeiter <strong>und</strong> ich sind also die einzigen<br />

Autoren dieser Theorie, gegen die zur Zeit keine wissenschaftlich<br />

f<strong>und</strong>ierten Argumente mehr vorgebracht werden<br />

<strong>und</strong> die daher als die einzig korrekte Darstellung des Geschehens<br />

angesehen werden muss.“<br />

Tatsächlich war Segal nicht <strong>der</strong> Erstautor, son<strong>der</strong>n ein anonymer<br />

amerikanischer Anthropologe, <strong>der</strong> bereits am 16. Juli<br />

1983 in einem Leserbrief an die indische Zeitung „Patriot“<br />

behauptet hatte, <strong>der</strong> AIDS-Erreger sei aus Fort Detrick entwichen.<br />

Daraufhin widmete die sowjetische „Literaturnaja<br />

Gaseta“ unter <strong>der</strong> Überschrift „Panik im Westen — o<strong>der</strong>:<br />

Was steckt hinter <strong>der</strong> AIDS-Sensation“ am 30. Oktober 1985<br />

<strong>der</strong> Thematik einen längeren Beitrag, <strong>und</strong> zwar unter Berufung<br />

auf den Artikel in „Patriot“. 156 Und mit diesem Artikel<br />

wurde die ganze Lawine losgetreten, auf die dann Segal ein<br />

Jahr später aufsprang.<br />

Da die als „links“ eingestufte indische Zeitung, in <strong>der</strong> die<br />

Behauptung anscheinend zum ersten Mal schwarz auf weiß<br />

erschien, aus sowjetischen Quellen finanziert worden sein<br />

soll, liegt es schon im Bereich des Vorstellbaren, <strong>das</strong>s hinter<br />

<strong>der</strong> ganzen Aktion <strong>das</strong> KGB steckte, welches damit mögli-<br />

251


cherweise versucht haben könnte, vom sowjetischen Biowaffenprogramm<br />

abzulenken. Ob dann Segal nur als eine Art<br />

Trittbrettfahrer auf die Gerüchte-Lawine aufgesprungen ist<br />

o<strong>der</strong> sich aus an<strong>der</strong>en Gründen zum Hauptpropagandisten<br />

<strong>der</strong> Fort-Detrick-Hypothese machte o<strong>der</strong> machen ließ wird<br />

wohl nicht mehr zu klären sein: er hat <strong>das</strong> Geheimnis 1995<br />

mit ins Grab genommen.<br />

Aus Fort Detrick o<strong>der</strong> aus einem an<strong>der</strong>en Genlabor stammt<br />

<strong>der</strong> AIDS-Erreger jedenfalls nicht.Alles spricht dafür, <strong>das</strong>s er<br />

sich aus einem Affen-Virus entwickelt haben dürfte, mit dem<br />

sich ein Afrikaner — mit einem vermutlich geschwächten<br />

Immunsystem — bei einem Schimpansen angesteckt <strong>und</strong> den<br />

dadurch nun erstmalig an den Menschen angepassten Erreger<br />

beim Geschlechtsverkehr auf Sexualpartner übertragen hat.<br />

252


Tausend Tode durch Milzbrand-Zwischenfall ? 157<br />

Zum Jahreswechsel 1979/80 publizierte <strong>das</strong> in<br />

Frankfurt am Main erscheinende russisch-sprachige<br />

Blatt „Possew“ zwei sensationelle Berichte. In <strong>der</strong> sowjetischen<br />

Waffenschmiede Swerdlowsk — dem heutigen<br />

Jekaterinburg — habe es in einer militärischen Anlage eine<br />

Explosion gegeben. Dadurch sei eine tödliche Bakterienwolke<br />

freigesetzt worden. Dies habe mindestens tausend<br />

Todesfälle zur Folge gehabt. Die Emigrantenzeitung war<br />

kaum verbreitet <strong>und</strong> nur wenige schenkten diesen Meldungen<br />

son<strong>der</strong>liche Beachtung. Das än<strong>der</strong>te sich schlagartig,<br />

als im Februar 1980 „BILD“ <strong>und</strong> „Daily Telegraph“ <strong>und</strong> dann<br />

auch an<strong>der</strong>e Blätter die Nachricht aufnahmen <strong>und</strong> weltweit<br />

ausposaunten.<br />

Speziell für die US-Administration war <strong>das</strong> die Bestätigung<br />

für ihre schon länger vorgetragene Behauptung, die Sowjets<br />

würden die Biowaffenkonvention verletzen. Moskau protestierte<br />

heftig <strong>und</strong> zu wie<strong>der</strong>holten Malen — auch über eine<br />

Delegation hochrangiger Mediziner, die eigens in die USA<br />

gereist waren, um jeden Zweifel an <strong>der</strong> sowjetischen<br />

Interpretation des Vorfalles auszuräumen. Tatsächlich habe<br />

es Fälle von Milzbrand in Swerdlowsk gegeben. Aber dabei<br />

habe es sich um Darm-Milzbrand gehandelt. Dies sei auf den<br />

Verzehr von auf dem Schwarzen Markt gekauften Fleisch von<br />

Tieren zurückzuführen, die mit Milzbrand-Erregern infiziert<br />

waren. Das klang so überzeugend, <strong>das</strong>s selbst Matthew<br />

Meselson am 17. Mai 1989 in einer Anhörung vor dem US-<br />

Senats-Komitee für Regierungsangelegenheiten sagte: „Auf<br />

Gr<strong>und</strong> <strong>der</strong> mir zugänglichen Informationen glaube ich, <strong>das</strong>s<br />

es ein natürlicher Ausbruch war“. 158 Vertreter <strong>der</strong> US-<br />

Administration dagegen beharrten auf ihrer Darstellung. Sie<br />

zeigten sich überzeugt davon, <strong>das</strong>s die Epidemie die Folge<br />

geheimer Arbeiten mit Milzbrand als Kampfmittel <strong>und</strong> somit<br />

eines Vertragsbruchs gewesen sei.<br />

253


Die Kontroverse hielt mehr als ein Jahrzehnt an. Die Sowjets<br />

blieben auf ihrem Standpunkt, die USA hingegen wurden<br />

nicht müde, die Sowjetunion <strong>der</strong> Vertragsverletzung zu<br />

bezichtigen. Allerdings waren die amerikanischen <strong>Geheimdienste</strong><br />

bis Anfang <strong>der</strong> 1990er Jahre unfähig, ihrer Regierung<br />

eindeutige Beweise für den militärischen Ursprung <strong>der</strong><br />

Epidemie zu liefern. Auf <strong>der</strong> eben erwähnten Anhörung fragte<br />

<strong>der</strong> Vorsitzende, Senator John Glenn, den stellvertretenden<br />

Außenminister H. Allen Holmes am 17. Mai 1989, warum die<br />

USA wegen des Vorfalles in Swerdlowsk beim UN-Sicherheitsrat<br />

keine offizielle Beschwerde eingelegt hätten. Das ist<br />

in <strong>der</strong> Biowaffenkonvention für solche Fälle vorgesehen.<br />

Holmes antwortete: „Im Allgemeinen gehen wir so vor, <strong>das</strong>s<br />

wir erst versuchen, Beweise zu sammeln, ehe wir öffentlich<br />

behaupten, es habe Vertragsverletzungen gegeben.“ Glenn:<br />

„Fehlen uns die Beweise?“ Holmes: „Ja. [...] Soweit ich weiß<br />

waren wir nie in <strong>der</strong> Lage, ausreichend Informationen zu<br />

erlangen, um diese Vertragsverletzungen beweisen zu können“<br />

159 — <strong>und</strong> <strong>das</strong> ziemlich genau zehn Jahre nach dem<br />

Milzbrandausbruch...<br />

Wie ein paar Jahre später im Falle des irakischen Programms<br />

kamen die Beweise für die sowjetischen Aktivitäten nicht<br />

vom amerikanischen Geheimdienst, son<strong>der</strong>n von Dissidenten<br />

<strong>und</strong> aus <strong>der</strong> Höhle des Löwen selbst. Eine Fülle von<br />

Informationen lieferten Anfang <strong>der</strong> 1990er Jahre zwei hochrangige<br />

Überläufer, <strong>der</strong> Direktor des Leningra<strong>der</strong> Instituts<br />

für ultrareine biologische Präparate, Wladimir Pasetschnik,<br />

<strong>und</strong> <strong>der</strong> stellvertretende Leiter des sowjetischen Biowaffenprogramms<br />

Ken Alibek. 160 Was beide über ihre eigenen<br />

Verantwortungsbereiche berichteten, ist vermutlich glaubwürdig.<br />

Etwa zur gleichen Zeit gab Präsident Boris Jelzin als<br />

Reaktion auf <strong>das</strong> beharrliche Insistieren <strong>der</strong> Westmächte den<br />

Auftrag, die Gründe für die Epidemie zu überprüfen.<br />

Daraufhin erklärte er im Mai 1992, „<strong>das</strong> KGB hat zugegeben,<br />

<strong>das</strong>s unsere militärischen Aktivitäten daran schuld waren“ 161 .<br />

254


Außerdem wurden im Jahre 1993 von russischen Pathologen,<br />

die während <strong>der</strong> Epidemie Autopsien vorgenommen hatten,<br />

Bef<strong>und</strong>e veröffentlicht, die zeigen, <strong>das</strong>s die Todesfälle nicht<br />

auf Darm-, son<strong>der</strong>n auf Lungen-Milzbrand zurückzuführen<br />

waren, <strong>der</strong> vorzugsweise nicht nach dem Verzehr, son<strong>der</strong>n<br />

nach dem Einatmen von Anthrax-Sporen entsteht. Das war<br />

Gr<strong>und</strong> genug für Matt Meselson <strong>und</strong> weitere amerikanische<br />

Experten nach Swerdlowsk zu reisen <strong>und</strong> gemeinsam mit russischen<br />

Spezialisten den Vorfall erneut zu untersuchen. Dabei<br />

ergab sich, <strong>das</strong>s die Sowjets tatsächlich jahrelang gelogen hatten<br />

<strong>und</strong> <strong>das</strong>s die Milzbrandepidemie auf eine Panne in <strong>der</strong><br />

Biowaffen-„Einrichtung Nr. 19“ zurückzuführen war. Deren<br />

Existenz hatten die Sowjets zwar nie bestritten, zuvor aber<br />

immer behauptet, sie sei ein Armee-Institut, in dem nicht mit<br />

pathogenen Mikroorganismen gearbeitet würde. Aber <strong>das</strong><br />

stimmte nicht. Tatsächlich wurden dort unter an<strong>der</strong>em<br />

Milzbrand-Erreger produziert <strong>und</strong> waffenfähig gemacht. Am<br />

Montag, dem 2. April 1979, war dann von „Einrichtung Nr.<br />

19“ möglicherweise beim Auswechseln eines Filters in <strong>der</strong><br />

Entlüftungsanlage eine Wolke von Anthrax-Sporen freigesetzt<br />

worden. Die Erreger wurden vom Wind über die südlich<br />

gelegenen Stadtteile verbreitet, was zur Infektion mehr<br />

als h<strong>und</strong>ert Menschen sowie zahlreicher Tiere führte.<br />

Der Vorfall wird auch von Alibek in seinem Buch beschrieben,<br />

allerdings nur vom Hörensagen. Insofern ist es entschuldbar,<br />

<strong>das</strong>s seine Angaben von den begründeten Erkenntnissen<br />

Meselsons Teams abweichen. Von Alibek wurde<br />

die Freisetzung <strong>der</strong> Milzbrandsporen drei Tage vorverlegt,<br />

auf Freitag den 30. März. Dies ist zwar nur ein winziges<br />

Detail, <strong>das</strong> aber wie<strong>der</strong> Fragen nach <strong>der</strong> Zuverlässigkeit <strong>der</strong><br />

Angaben dieses Whistleblowers aufwirft.<br />

Jedenfalls zeigte <strong>der</strong> Zwischenfall, <strong>das</strong>s die Sowjetunion nach<br />

Abschluß <strong>der</strong> Biowaffen-Konvention ihr BW-Programm<br />

nicht nur fortgesetzt, son<strong>der</strong>n gewaltig intensiviert hatte. Es<br />

wurde sogar noch nach <strong>der</strong> Auflösung dieser Supermacht von<br />

<strong>der</strong> russischen Fö<strong>der</strong>ation bis mindestens bis März 1992 wei-<br />

255


ter betrieben. Dies erfolgte erklärtermaßen zur „Sicherstellung<br />

<strong>der</strong> Möglichkeit einer adäquaten Antwort für den<br />

Fall des Einsatzes biologischer Waffen“. Einem amtlichen<br />

Bericht zufolge erließ die Regierung <strong>der</strong> UdSSR Anfang <strong>der</strong><br />

siebziger Jahre einen Beschluss zur beschleunigten Entwicklung<br />

von molekularer Biotechnologie. 162 In diesem Rahmen<br />

wurde die Organisation „Biopräparat“ als entsprechende<br />

Ausbildungs-, Forschungs- <strong>und</strong> Produktionsbasis entwickelt.<br />

In einigen dieser Einrichtungen, in den Städten Koltzowo,<br />

Obolensk, Tschechow <strong>und</strong> Leningrad, sollen auch „Versuche<br />

mit gefährlichen Mikroorganismen geplant“ gewesen sein. Mit<br />

diesen Arbeiten sei in den Jahren 1982/83 begonnen worden.<br />

Aber „<strong>das</strong> nicht ausreichend hohe wissenschaftsmethodische<br />

Niveau <strong>der</strong> Arbeiten <strong>und</strong> die schlechte Ausrüstung mit<br />

Geräten <strong>und</strong> Reagenzien“ habe, dem Bericht zufolge, nicht<br />

erlaubt, „auf militärischen Gebiet bedeutsame praktische<br />

Ergebnisse zu erzielen“.* Zu einer ganz an<strong>der</strong>en Erkenntnis<br />

kam <strong>der</strong> amerikanische Senator Richard G. Lugar nach einer<br />

Besichtigung russischer Biowaffeneinrichtungen: „Obolensk<br />

war <strong>das</strong> führende Institut für B-Waffen-Forschung <strong>und</strong> -Entwicklung<br />

für Pest, Tularämie <strong>und</strong> Rotz, sowie <strong>das</strong> weltweit<br />

führende Milzbrand-Forschungszentrum“. 163<br />

Über <strong>das</strong> sowjetische Biowaffen-Programm <strong>der</strong> 70er <strong>und</strong><br />

80er Jahre liegen von verschiedenen Autoren ausführliche<br />

Beschreibungen vor, unter an<strong>der</strong>em vom ehemaligen stellvertretenden<br />

Leiter des Programms. 164 Mehr als 150<br />

Institutionen waren beteiligt. Allein in <strong>der</strong> Organisation<br />

„Biopräparat“ waren etwa 50 Forschungs- <strong>und</strong> Produktionseinrichtungen<br />

mit ungefähr 100.000 Mitarbeitern vereinigt.<br />

Erst 1992 wurde <strong>das</strong> Programm von Präsident Jelzin gestoppt<br />

<strong>und</strong> viele <strong>der</strong> daran beteiligten Einrichtungen für friedliche<br />

Aufgaben umprogrammiert <strong>und</strong> umgerüstet. Aber mehrere<br />

Einrichtungen des russischen Verteidigungsministeriums<br />

* Übersetzt von B<strong>und</strong>essprachamt<br />

256


etreiben, offiziellen Angaben zufolge, weiterhin „B-Schutz“-<br />

Forschung <strong>und</strong> -Entwicklung. Es handelt sich dabei um <strong>das</strong><br />

Institut für militärtechnische Fragen in Jekaterinburg <strong>und</strong> um<br />

<strong>das</strong> Institut für Mikrobiologie in Kirow, dem <strong>das</strong> Zentrum für<br />

Virologie in Sergejew-Posad (dem ehemaligen Sagorsk) <strong>und</strong><br />

<strong>das</strong> Feldversuchslaboratorium Aralsk auf <strong>der</strong> Insel<br />

Wosroschdenije angeschlossen sind bzw. waren. Die auf <strong>der</strong><br />

— bereits 1936/37 als Testgelände genutzten — Insel<br />

Wosroschdenije gelegenen Einrichtungen wurden aber im<br />

Zusammenhang mit Präsident Jelzins Befehl geschlossen <strong>und</strong><br />

demontiert. Ausserdem soll die wegen <strong>der</strong> Austrocknung des<br />

Aralsees inzwischen mit dem Festland verb<strong>und</strong>ene Insel auch<br />

dekontaminiert worden sein. Das wird von kasachischer Seite<br />

jedoch bezweifelt. 165<br />

Nach Angaben von Alibek beschäftig(t)en sich aber auch<br />

noch an<strong>der</strong>e Institute des Verteidigungsministeriums mit<br />

Biowaffen-Aktivitäten, wie auch Einrichtungen des Landwirtschaftsministeriums.<br />

Außerdem wird von westlicher Seite<br />

beziehungsweise von mehreren Emigranten behauptet, <strong>das</strong>s<br />

<strong>das</strong> russische Biowaffen-Programm nicht beendet worden sei.<br />

Auch die „Einrichtung Nr. 19“ in Jekaterinburg soll wie<strong>der</strong><br />

für offensive Arbeiten reaktiviert worden sein.<br />

Wesentliche Biowaffeneinrichtungen waren nicht nicht in<br />

Russland, son<strong>der</strong>n auch in an<strong>der</strong>en Sowjetrepubliken angelegt<br />

worden. Etwa 50 davon waren auf dem Gebiet <strong>der</strong> Ukraine<br />

angesiedelt. An<strong>der</strong>e hatte man in Kasachstan errichtet.<br />

Die bedeutendste unter ihnen war die „Wissenschaftliche<br />

Forschungs- <strong>und</strong> Produktionsanlage Stepnogorsk“. 166 Diese<br />

im früheren Aksu gelegene Anlage war erst 1982, also zehn<br />

Jahre nach Vereinbarung <strong>der</strong> Biowaffen-Konvention errichtet<br />

worden, <strong>und</strong> zwar nach <strong>der</strong> Swerdlowsker Milzbrandepidemie,<br />

in <strong>der</strong>en Folge „Einrichtung Nr. 19“ teilweise konvertiert<br />

worden war. Die Stepnogorsker Anlage war eine <strong>der</strong><br />

größten Forschungs- <strong>und</strong> Produktionseinrichtung <strong>der</strong> UdSSR<br />

für biologische <strong>und</strong> Toxinkampfmittel. Sie war so geheim,<br />

<strong>das</strong>s sie lange Zeit nur als „Postfach Nummer 2076“ firmier-<br />

257


In zehn 20.000-Liter-Produktionsfermentern hätte in Stepnogorsk täglich eine<br />

Tonne waffenfähiger Milzbrandsporen produziert werden können.<br />

Quelle: Monterey Institute of International Studies, Monterey, Ca.<br />

In 20 kernwaffensicheren Bunkern konnten in Stepnogorsk Biokampfstoffe in<br />

riesigen Kühlaggregaten bei bis zu — 40 ˚C gelagert werden.<br />

Quelle: Monterey Institute of International Studies, Monterey, Ca.<br />

258


te — sozusagen <strong>das</strong> krasse Gegenteil einer Briefkastenfirma.<br />

Der US-Geheimdienst vermutete dort zwar bereits in den<br />

1980er Jahren ein geheimes Institut für offensive Biowaffen-<br />

Aktivitäten; genauer bekannt wurde es aber erst nach <strong>der</strong><br />

Flucht ihres Direktors Ken Alibek.<br />

Aus Tarnungsgründen war die Anlage sozusagen „im<br />

Hinterhof“ einer zivilen Biotechnologie-Firma errichtet worden.<br />

Sie sollte hauptsächlich <strong>der</strong> Massenproduktion von für<br />

militärische Zwecke optimierten Anthrax-Sporen — die gegenüber<br />

eine Reihe von Antibiotika resistent waren — dienen. Die<br />

Produktionseinrichtungen wurden aber nie mit voller Leistung<br />

gefahren, <strong>das</strong> sollte nur im „Mobilisierungsfall“ erfolgen. Noch<br />

im Jahre 1991 arbeiteten dort etwa 800 Personen, darunter<br />

mehr als 100 Wissenschaftler. Die Anlage bestand aus 25 Gebäuden,<br />

die auf einer Fläche von etwa zwei Quadratkilometern<br />

errichtet waren, alle ausgestattet mit mo<strong>der</strong>nster Gerätetechnik<br />

einschließlich von zehn 20.000-Liter-Produktionsfermentern.<br />

Nach Einschätzung westlicher Experten hätten damit Tag für<br />

Tag eine Tonne waffenfähiger Milzbrandsporen produziert werden<br />

können — ausreichend, um über dicht bevölkertem Gebiet<br />

bei günstigen atmosphärischen Verhältnissen etwa zehn<br />

Millionen Menschen umzubringen.<br />

Dieses unvorstellbare Bedrohungspotenzial, fast all diese<br />

eklatanten Verletzungen <strong>der</strong> Biowaffen-Konvention wurden<br />

erst von Präsident Jelzin <strong>und</strong> ein paar Whistleblowern enthüllt.<br />

Den westlichen <strong>Geheimdienste</strong>n dagegen blieben sie<br />

bis Anfang <strong>der</strong> 1990er Jahre weitgehend verborgen. Aber<br />

diese Unkenntnis beschränkte sich nicht nur auf die in <strong>der</strong><br />

Sowjetunion betriebenen Biowaffenaktivitäten<br />

259


260<br />

Die Hühnerfarm von Husseins Schwiegersohn<br />

Neben <strong>der</strong> Sowjetunion hatte auch <strong>der</strong> Irak 1975 ein<br />

sehr aufwendiges Biowaffenprogramm aufgenommen.<br />

Zu dieser Zeit hatte <strong>der</strong> Irak die Biowaffenkonvention zwar<br />

signiert, aber noch nicht ratifiziert. Dem Völkergewohnheitsrecht<br />

entsprechend hätte er aber trotzdem die Auflagen<br />

des Vertrags einhalten müssen. Inzwischen ist auch dieser<br />

Staat, unter dem Druck des Waffenstillstandsabkommens, am<br />

19. Juni 1991 <strong>der</strong> Konvention beigetreten. Trotzdem behaupteten<br />

in den vergangenen Jahren nicht nur offizielle USamerikanische<br />

Kreise, die Iraker hätten in den vergangenen<br />

Jahren ihre Biowaffenaktivitäten wie<strong>der</strong> aufgenommen<br />

beziehungsweise fortgesetzt. Ob die <strong>Geheimdienste</strong> wenigstens<br />

in diesem Fall Recht haben, wussten wir bis vor kurzem<br />

nicht, denn Saddam Hussein hatte seit Ende 1998 vier Jahre<br />

lang keine UN-Rüstungsinspektoren mehr ins Land gelassen.<br />

Vor 1991 waren Ausmaß <strong>und</strong> Stand dieser Aktivitäten den<br />

<strong>Geheimdienste</strong>n allerdings wie<strong>der</strong> weitgehend entgangen,<br />

<strong>und</strong> was sie doch in Erfahrung bringen konnten, wurde von<br />

ihren Regierungen nicht son<strong>der</strong>lich ernst genommen. Der<br />

Irak war ja zu dieser Zeit noch kein „Schurkenstaat“, son<strong>der</strong>n<br />

als Bollwerk gegen die Ajatollahs <strong>und</strong> gegen die Sowjets eher<br />

ein „Fre<strong>und</strong> in <strong>der</strong> Golfregion“. Obwohl <strong>der</strong> Irak fast täglich<br />

chemische Kampfmittel gegen den Iran einsetzte traf sich <strong>der</strong><br />

heute seine Truppen gegen Bagdad in Stellung bringende<br />

Donald H. Rumsfeld als Son<strong>der</strong>botschafter von Präsident<br />

Reagan Ende 1983 mehrfach nicht nur mit irakischen<br />

Offiziellen son<strong>der</strong>n schließlich sogar mit Saddam Hussein<br />

selbst, um die Beziehungen zwischen beiden Staaten zu verbessern.<br />

167<br />

Der medizinische Geheimdienst <strong>der</strong> US-Armee fand wohl<br />

erstmals im Juni 1988, <strong>das</strong>s <strong>der</strong> Irak dabei war, sich ein „bakteriologisches<br />

Arsenal“ zuzulegen, <strong>und</strong> zwar mit Botulinum-<br />

Toxin <strong>und</strong> Milzbrandsporen. Die Gr<strong>und</strong>lage dafür waren


Bakterienstämme, die zuvor aus den USA bezogen worden<br />

waren, von <strong>der</strong> „American Type Culture Collection“ ATCC,<br />

einem Unternehmen, <strong>das</strong> Bakterien, Viren usw. sammelt <strong>und</strong><br />

vertreibt. Aber <strong>das</strong> schreckte niemanden auf. Noch im<br />

September 1988 lieferte die ATCC elf verschiedene Stämme<br />

von Krankheitserregern an den Irak, darunter auch Milzbrandbakterien<br />

eines Typs, <strong>der</strong> in Fort Detrick als Kampfmittel<br />

entwickelt worden war. 168 Darüber hinaus lieferten die<br />

„Centers for Disease Control and Prevention“ (CDC) — erst<br />

im Herbst 2002 veröffentlichten Angaben zufolge — in den<br />

1980ern etwa zwei Dutzend Bakterien- <strong>und</strong> Virusarten in den<br />

Irak, darunter auch die Erreger von Pest <strong>und</strong> Dengue-Fieber. 169<br />

Der britische Geheimdienst glaubte im August 1990 nur, <strong>das</strong>s<br />

<strong>der</strong> Irak, <strong>der</strong> am 2. August Kuwait überfallen hatte, „vielleicht“<br />

Milzbrandsporen <strong>und</strong> Botulin in unbekannten<br />

Mengen besäße. 170 Im November kamen Pest-Erreger zu dieser<br />

Aufstellung hinzu — was sich später allerdings wie<strong>der</strong> als<br />

Falschmeldung erwies. Erst am 6.August 1990 informierte <strong>der</strong><br />

Geheimdienst <strong>der</strong> US-Marine sein Oberkommando, Hussein<br />

verfüge „über ein ausgereiftes Biowaffenprogramm zur<br />

Durchführung von Offensivschlägen“. Dabei nannte er<br />

neben Anthrax <strong>und</strong> Botulin auch die Erreger von Cholera<br />

<strong>und</strong> Gasbrand, sowie Staphylokokken-Enterotoxin B. Ähnliche<br />

Informationen lieferte zwei Tage später auch die CIA. 171<br />

Aber noch im September war <strong>der</strong> Vorsitzende des Streitkräfte-Komitees<br />

des Repräsentantenhauses Les Aspin auf<br />

Gr<strong>und</strong> von Geheimdienstberichten davon überzeugt, <strong>das</strong>s<br />

Saddam erst Ende 1990 o<strong>der</strong> Anfang des kommenden Jahres<br />

über ein militärisch signifikantes Biowaffenprogramm verfügen<br />

könne. Trotzdem sei dies eine sehr ernste Bedrohung, die<br />

bei den weiteren militärischen Planungen berücksichtigt werden<br />

müsse. 172 Erst <strong>das</strong> löste hektische Bemühungen zur Immunisierung<br />

wenigstens einiger angloamerikanischer Truppenteile<br />

mit den nur in begrenzten Mengen vorhandenen<br />

Impfstoffen gegen Botulismus <strong>und</strong> Milzbrand aus, sowie eine<br />

Steigerung <strong>der</strong> Produktion größerer Mengen dieser Vakzinen.<br />

261


Das ganze Ausmaß des irakischen Biowaffen-Programms<br />

wurde dann erst nach dem Zweiten Golfkrieg bekannt, nachdem<br />

vom Sicherheitsrat <strong>der</strong> Vereinten Nationen <strong>der</strong> Irak zur<br />

Aufdeckung seiner Rüstungsprogramme verpflichtet <strong>und</strong><br />

eine entsprechende Untersuchungskommission eingesetzt<br />

worden war, die United Nations Special Commission<br />

(UNSCOM). 173 Es ergab sich, <strong>das</strong>s mindestens sechs Institutionen<br />

an den Aktivitäten beteiligt ware.<br />

Nach jahrelangen Verzögerungen gab <strong>der</strong> Irak schließlich zu,<br />

unter an<strong>der</strong>em seien 19.000 Liter konzentriertes Botulinum-<br />

Toxin, 8500 Liter Milzbrandsporen-Konzentrat, 3400 Liter<br />

Gasbrand-Erreger, 300 kg Rizin, <strong>und</strong> 2200 Liter Aflatoxin<br />

produziert worden. 10.000 l Botulin, 6500 l Anthrax-Konzentrat<br />

<strong>und</strong> 1580 Aflatoxin wurden munitioniert, <strong>das</strong> heißt in<br />

Raketengefechtsköpfe, Granaten, Fliegerbomben <strong>und</strong> ferngesteuerte<br />

Fluggeräte eingefüllt. Die Kampfmittel konnten<br />

aber auch mit Hilfe von Sprühgeräten ausgebracht werden,<br />

sowohl mit entsprechend umgebauten — zuvor aus den USA<br />

eingeführten — Hubschraubern, als auch mit vierzig mobilen<br />

Aerosol-Generatoren, die <strong>der</strong> Irak im Frühjahr 1990 aus<br />

Italien bezogen hatte. 174 Nach Kalkulationen des Pentagon<br />

hätte <strong>der</strong> mit Botulinum-Toxin gefüllte Sprengkopf einer einzigen<br />

irakischen Scud-Rakete ein Gebiet von etwa 3700<br />

Quadratkilometern vergiften können.<br />

Nach dem Golfkrieg schätzte die US-Armee ein: Wenn <strong>der</strong><br />

Irak seine Biowaffen eingesetzt hätte, wären „enorme<br />

Verluste“ die Folge <strong>und</strong> <strong>das</strong> Sanitätswesen <strong>der</strong> Army wäre<br />

völlig überfor<strong>der</strong>t gewesen. 175 Warum diese Kampfmittel<br />

nicht eingesetzt worden waren, ist immer noch nicht sicher<br />

bekannt. Möglicherweise hatte Saddam Hussein nukleare<br />

Vergeltungsaktionen <strong>der</strong> Amerikaner befürchtet. Inzwischen<br />

wurde aber von <strong>der</strong> CIA ein Dokument freigegeben, wonach<br />

<strong>der</strong> Irak damals im Begriff war, einen für die Verbreitung von<br />

Biowaffen geeigneten SU-22-Bomber — vermutlich gegen<br />

Israel — einzusetzen. Der Plan sei aber nicht ausgeführt<br />

262


VOM IRAK IM AUGUST 1995 DEKLARIERTE<br />

BTW-EINRICHTUNGEN<br />

EINRICHTUNG<br />

Salman Pak<br />

al Hakam Single-cell<br />

Protein Production Plant<br />

al Dawrah Foot and<br />

Mouth Disease Vaccine<br />

Facility<br />

Agricultural Research<br />

Center, Fudhaliyah<br />

Taji Single-cell Protein<br />

Production Plant<br />

Muthanna State<br />

Establishment<br />

Airfield 37<br />

Azziziyah Schießplatz<br />

Camp Bani Sa’ad<br />

Eisenbahntunnel bei<br />

Mansuriyah<br />

AKTIVITÄTEN<br />

Produktion von Bacillus<br />

anthracis, Clostridium perfringens,<br />

Rizin, Tilletia.*<br />

Produktion von Aflatoxin<br />

<strong>und</strong> Botulin<br />

Untersuchungen über<br />

Gelbfieber- <strong>und</strong> Krim-Kongo-<br />

HFV; Produktion von Enterovirus<br />

17,** Human-Rotavirus***<br />

<strong>und</strong> Kamelpockenvirus,<br />

sowie von Botulin<br />

Produktion von Aflatoxin,<br />

Lagerung von Tilletia<br />

Produktion von Bacillus<br />

anthracis<br />

Munitionierung von Agenzien<br />

<strong>und</strong> Toxinen<br />

Feldversuche mit Biowaffen<br />

Feldversuche mit Biowaffen<br />

Aerosolexperimente mit<br />

Biowaffen<br />

Lagerung von mit Anthrax<br />

bzw. Botulin beladenen<br />

Raketengefechtsköpfen<br />

* Erreger von Weizenbrand<br />

** Erreger blutiger Bindehautentzündungen, an<strong>der</strong>swo bisher nie als potenzielles<br />

Kampfmittel bearbeitet.<br />

***Erreger schwerer Verdauungsstörungen<br />

263


werden können, weil zuvor schon die Begleitflugzeuge abgeschossen<br />

worden seien. 176<br />

Auch zahlreiche an<strong>der</strong>e Fragen sind noch offen. Warum ist<br />

Aflatoxin in großen Mengen produziert <strong>und</strong> munitioniert<br />

worden? Bisher galt dieses Pilzgift nicht als Toxin-Kampfmittel,<br />

zumal es in <strong>der</strong> Regel erst nach Jahrzehnten wirkt <strong>und</strong><br />

dann Leberschäden verursacht. Unklar ist auch, warum die<br />

Irakis mit Kamelpockenviren gearbeitet haben. Weiterhin<br />

fehlen konkrete Beweise dafür, <strong>das</strong>s die biologischen<br />

Kampfmittel tatsächlich vollständig vernichtet wurden, wie<br />

<strong>der</strong> Irak behauptete. Und vor allem: waren die vom Irak<br />

gemachten Angaben wirklich korrekt? Nach Meinung von<br />

UNSCOM-Inspektoren hätten beispielsweise dreimal so viel<br />

Milzbrandbakterien produziert werden können, als schließlich<br />

angegeben wurde. 177<br />

Brachten <strong>Geheimdienste</strong> UNSCOM in Misskredit?<br />

Die Informationen über <strong>das</strong> irakische Programm wurden<br />

allerdings zum großen Teil nicht von den Spezialisten <strong>der</strong><br />

UNSCOM-Mission zusammengetragen, obwohl sie mehr als<br />

40 allein dem Biowaffenprogramm gewidmete Inspektionstouren<br />

durchführten <strong>und</strong> dank <strong>der</strong> Waffenstillstandsvereinbarungen<br />

ungewöhnlich tiefschürfend recherchieren<br />

konnten. Ein Hauptgr<strong>und</strong> für die relative Erfolglosigkeit von<br />

UNSCOM war sicher, <strong>das</strong>s <strong>der</strong> Irak intensive Tarnungs- <strong>und</strong><br />

Verzögerungsoperationen praktizierte. Nach Meinung eines<br />

ehemaligen Chefinspekteurs von UNSCOM, Scott Ritter, soll<br />

es aber auch einen Mangel an Bereitschaft von US-Stellen<br />

einschließlich <strong>der</strong> CIA gegeben haben, die eigentliche Aufgabe<br />

<strong>der</strong> Mission zu unterstützen. Auch sollen sich die USA 1991<br />

im Sicherheitsrat geweigert haben, einer Resolution zuzustimmen,<br />

die militärisches Eingreifen androhte, wenn <strong>der</strong><br />

Irak weiterhin mauerte. Dabei soll es speziell um Zutritt zum<br />

Landwirtschaftsministerium gegangen sein, wo UNSCOM<br />

Akten über die (Bio-)Waffenprogramme vermuteten. 178<br />

Entscheidende Informationen wurden jedenfalls erst gelie-<br />

264


fert, nachdem General Hussein Kamal Hassan al-Majid, ein<br />

Schwiegersohn Husseins, am 7. August 1995 aus dem Irak<br />

nach Jordanien geflohen war. Die irakischen Autoritäten versuchten,<br />

Kamal für <strong>das</strong> Biowaffenprogramm verantwortlich<br />

zu machen <strong>und</strong> luden den Chef von UNSCOM Rolf Ekeus in<br />

eine Hühnerfarm ein, die dem General gehört habe. In <strong>der</strong><br />

Farm fanden sich mehr als 145 Kartons mit den lange gesuchten<br />

Dokumenten über Entwicklung <strong>und</strong> Produktion biologischer<br />

Kampfmittel <strong>und</strong> an<strong>der</strong>er Massenvernichtungswaffen.<br />

Im Dezember 1998 wurden die UNSCOM-Inspektoren <strong>und</strong><br />

ihre Mitarbeiter aus dem Irak zurückgezogen, um sie nicht<br />

durch die von den USA <strong>und</strong> dem Vereinigten Königreich<br />

durchgeführte Operation „Desert Fox“ zur Zerstörung irakischer<br />

Rüstungs- <strong>und</strong> Radaranlagen zu gefährden. Anschließend<br />

weigerte sich Saddam, die Inspektoren wie<strong>der</strong> ins Land<br />

zu lassen. Ein Argument für diese Entscheidung war, laut<br />

Presseberichten, UNSCOM-Mitarbeiter seien von <strong>der</strong> CIA<br />

<strong>und</strong> an<strong>der</strong>en <strong>Geheimdienste</strong>n mißbraucht worden, um über<br />

ihren eigentlichen Auftrag hinaus <strong>und</strong> in Verletzung ihrer<br />

Unabhängigkeit als Beauftragte <strong>der</strong> Vereinten Nationen militärische<br />

Anlagen des Irak auszuspähen. 179 Das gleiche<br />

behauptete auch Scott Ritter. Der war nach eigenen Aussagen<br />

direkt in <strong>der</strong>artige Spionageaktivitäten verstrickt.<br />

Dabei habe er auch mit dem israelischen Geheimdienst<br />

zusammen gearbeitet, was wie<strong>der</strong>um Probleme mit seinen<br />

amerikanischen Auftraggebern verursachte. Deshalb habe er<br />

schließlich den Dienst bei UNSCOM quittiert. 180 Inwieweit<br />

diese Informationen <strong>und</strong> Interpretationen korrekt sind, ist<br />

von Außenstehenden nicht einzuschätzen. Immerhin kommt<br />

auch eine seriöse britische Institution, eine analytische Abteilung<br />

<strong>der</strong> britischen Parlaments-Bibliothek zu dem Schluss,<br />

UNSCOM habe sich bis 1998 „zur ersten nachrichtendienstlichen<br />

Mission in <strong>der</strong> Geschichte <strong>der</strong> UN“ entwickelt. 181<br />

Jedenfalls geriet UNSCOM in den folgenden Monaten bei<br />

einigen Mitglie<strong>der</strong>n des Sicherheitsrates in Misskredit. Sie<br />

wurde aufgelöst, <strong>und</strong> <strong>der</strong> Sicherheitsrat beschloss die Grün-<br />

265


dung einer neuen Mission, <strong>der</strong> United Nations Monitoring,<br />

Verification <strong>und</strong> Inspection Commission (UNMOVIC) unter<br />

Leitung von Hans Blix, dem ehemaligen Chef <strong>der</strong> Internationalen<br />

Atomaufsichtsbehörde. 182 Aber auch UNMOVIC<br />

konnte vorerst keine Inspektionen im Irak aufnehmen.<br />

In <strong>der</strong> Zwischenzeit äußerten ehemalige Mitglie<strong>der</strong> <strong>der</strong><br />

UNSCOM-Mission völlig konträre Meinungen über verbliebene<br />

o<strong>der</strong> wie<strong>der</strong> erlangte irakische Biowaffenkapazitäten.<br />

Scott Ritter meinte zunächst, <strong>der</strong> Irak verfüge immer noch<br />

über eine bewegliche Einrichtung zur Produktion biologischer<br />

Kampfstoffe, sowie über einige Raketensprengköpfe,<br />

die „mit einem trockenen BW-Agens, vermutlich mit Milzbrand<br />

gefüllt sind“. 183 Ein früherer Leiter von UNSCOM, <strong>der</strong><br />

australische Diplomat Richard Butler, erklärte im September<br />

2000, die Irakis hätten ihre in den Jahren zuvor von<br />

UNSCOM zerstörten Einrichtungen zur Produktion von<br />

Biowaffen wie<strong>der</strong> aufgebaut, sie wären inzwischen „wie<strong>der</strong><br />

im Geschäft“. 184<br />

Ähnliche Angaben wurden von mehreren Whistleblowern<br />

gemacht. In <strong>der</strong> britischen Presse wurde ein irakischer<br />

Emigrant zitiert, demzufolge etwa dreitausend Physiker <strong>und</strong><br />

Chemiker im Irak an geheimen Chemie- <strong>und</strong> Biologiewaffen-<br />

Programmen arbeiteten, in <strong>der</strong>en Verlauf sogar Menschenversuche<br />

an Häftlingen durchgeführt würden. Ein (an<strong>der</strong>er?)<br />

Emigrant benannte sieben Einrichtungen, in denen chemische<br />

<strong>und</strong> biologische Kampfmittel entwickelt, hergestellt <strong>und</strong><br />

getestet würden. Er sei beim irakischen Geheimdienst tätig<br />

gewesen <strong>und</strong> habe dabei eine Flotte von Kühlfahrzeugen<br />

zusammengestellt, die als mobile Biowaffenlaboratorien<br />

genutzt werden: „Sie sehen wie Fleischtransporter, Joghurt-<br />

Transporter aus. Und in ihnen ist ein klimatisiertes Labor,<br />

ausgestattet mit Brutschränken für Bakterien <strong>und</strong> Mikroskopen“.<br />

Wie<strong>der</strong> ein an<strong>der</strong>er Überläufer behauptete gar, im<br />

Irak gäbe es mehr als 30 geheime Biowaffen-Laboratorien.<br />

Und wie<strong>der</strong> ein an<strong>der</strong>er Emigrant gab an, er habe vor mehr<br />

als drei Jahren Al-Qaida-Kämpfer in <strong>der</strong> Verwendung chemi-<br />

266


scher <strong>und</strong> biologischer Kampfmittel ausgebildet. 185 Die<br />

Regierung des Irak erklärte dagegen wie<strong>der</strong>holt, sie besitze<br />

keine Massenvernichtungswaffen mehr.<br />

Auch Scott Ritter hat mittlerweile seine Meinung geän<strong>der</strong>t<br />

<strong>und</strong> behauptet, Irak hätte inzwischen „qualitativ abgerüstet“.<br />

186 Der Irak stelle keine Gefahr mehr dar: „Zwischen<br />

1998 <strong>und</strong> 2001 hatte <strong>der</strong> Irak keinen Zugang zu entsprechen<strong>der</strong><br />

Technologie <strong>und</strong> nicht zu den Finanzmitteln, die für eine<br />

signifikante Wie<strong>der</strong>aufrüstung mit Massenvernichtungswaffen<br />

notwendig sind.“ 187 Und in seinem im Oktober 2002<br />

auch in Deutschland ausgestrahlten Film „Im Treibsand“<br />

(„Shifting Sands“) erklärte Ritter: „Der Irak ist ein zahnloser<br />

Tiger.“ 188 Allerdings steht <strong>der</strong> ehemalige Inspektor vor allem<br />

in den USA sowie bei ehemaligen UNSCOM-Kollegen unter<br />

massiver Kritik, zumal sein Film zu einem großen Teil von<br />

einem irakisch-amerikanischen Geschäftsmann finanziert<br />

worden ist 189 <strong>und</strong> er keine Hemmungen hatte, die Haltung <strong>der</strong><br />

USA gegenüber dem Irak sogar in einer Rede vor dem irakischen<br />

Parlament zu kritisieren: „Es gibt keine Beweise für die<br />

Behauptungen, <strong>der</strong> Irak sei noch im Besitz von Massenvernichtungsmitteln<br />

<strong>und</strong> stehe in Verbindung zu den Terrorgruppen,<br />

die für die Anschläge gegen die USA verantwortlich<br />

sind.“ 190 Ist <strong>der</strong> ehemalige Offizier <strong>der</strong> Marines <strong>und</strong> sieben<br />

Jahre lang als UNSCOM-Inspektor tätig gewesene Scott<br />

Ritter etwa vom irakischen Geheimdienst „umgedreht“ worden<br />

o<strong>der</strong> ist er ein wahrer Whistleblower?<br />

Jedenfalls beschuldigten Präsident George W. Bush <strong>und</strong> sein<br />

britischer Verbündeter Tony Blair <strong>und</strong> ihre Mitarbeiter vor<br />

allem ab Spätsommer 2002 den Irak in aller Öffentlichkeit, er<br />

produziere Massenvernichtungsmittel <strong>und</strong> stelle diese<br />

Terroristen zur Verfügung. Sie drohten deshalb mit — durch<br />

<strong>das</strong> Völkerrecht nicht legitimierten — Präventivschlägen. Blair<br />

verwies bei <strong>der</strong> Begründung für seine Entscheidung auf eine<br />

entsprechende Einschätzung <strong>der</strong> britischen Regierung. Aus<br />

Geheimdienstinformationen wisse man, <strong>das</strong>s „<strong>der</strong> Irak geheime<br />

chemische <strong>und</strong> biologische Waffenprogramme betreibt [...]<br />

267


<strong>und</strong> damit fortfährt, chemische <strong>und</strong> biologische Kampfmittel<br />

zu produzieren“. 191 Chemische Waffen habe <strong>der</strong> Irak ja<br />

bereits gegen den Iran eingesetzt — wobei unerwähnt bleibt,<br />

<strong>das</strong>s Saddam in diesem Krieg nicht nur über amerikanische<br />

Geheimdienstinformationen verfügen konnte, son<strong>der</strong>n auch<br />

über Satellitenfotos, die US-Dienste von iranischen<br />

Truppenformationen gemacht hatten. 192 Nun hat sich <strong>das</strong><br />

Blatt gewendet <strong>und</strong> die Briten beklagen, <strong>der</strong> Irak verfüge<br />

„über Kapazitäten zur Herstellung biologischer Agenzien<br />

<strong>und</strong> kann mindestens Milzbrand[erreger], Botulinum-Toxin,<br />

Aflatoxin <strong>und</strong> Rizin produzieren. Außerdem verfügt <strong>der</strong> Irak<br />

über mobile Biowaffen-Produktionseinrichtungen“. Details<br />

für diese Behauptungen werden nicht gegeben; Premier Tony<br />

Blair begründet im Vorwort dieses Dokuments: „Wir können<br />

nicht alles publizieren, was wir wissen.“ Wesentlich zurückhalten<strong>der</strong><br />

wird dagegen im jüngsten Bericht <strong>der</strong> US-<strong>Geheimdienste</strong><br />

für den Kongress formuliert: „Angesichts <strong>der</strong> wachsenden<br />

industriellen Autarkie des Iraks <strong>und</strong> wegen <strong>der</strong> wahrscheinlichen<br />

Verfügbarkeit über bewegliche o<strong>der</strong> verborgene<br />

Einrichtungen sind wir besorgt darüber, <strong>das</strong>s <strong>der</strong> Irak wie<strong>der</strong><br />

biologische Kampfmittel produzieren könnte.“ 192a<br />

Allerdings stießen Bush <strong>und</strong> Blair bei den an<strong>der</strong>en Mitglie<strong>der</strong>n<br />

des Sicherheitsrates auf Wi<strong>der</strong>spruch. Das führte<br />

schließlich dazu, <strong>das</strong>s <strong>das</strong> höchste UN-Gremium nach<br />

wochenlangen Verhandlungen vor <strong>und</strong> hinter seinen Türen<br />

am 7. November 2002 eine Resolution verabschiedete, wonach<br />

<strong>der</strong> Irak innerhalb von 30 Tagen eine vollständige<br />

Erklärung über seine Massenvernichtungswaffen <strong>und</strong> Raketenvorräte<br />

abgeben <strong>und</strong> den Inspektoren von UNMOVIC<br />

Zugang zu allen verdächtigen Einrichtungen gewähren<br />

muss. 193<br />

Eine Woche später stimmte Saddam Hussein den For<strong>der</strong>ungen<br />

des Sicherheitsrates zu <strong>und</strong> legte am 30. November<br />

die gefor<strong>der</strong>te Liste über seine Rüstungsprogramme vor. Sie<br />

umfaßt 12.000 Seiten — fehlerhafte Angaben sind in einem<br />

solchen, in so kurzer Zeit zusammengestellten Mamutwerk<br />

268


vorprogrammiert. Abgesehen davon wurde die Aufstellung<br />

sowohl von Blix als auch von den USA als unvollständig<br />

bezeichnet. Insbeson<strong>der</strong>e soll sie keine Angaben über die<br />

Vernichtung <strong>der</strong> 1995 deklarierten Massenvernichtungsmittel<br />

enthalten. Darüber hinaus bezeichneten die USA den Bericht<br />

als unglaubhaft, weil <strong>der</strong> Irak ihren <strong>Geheimdienste</strong>rkenntnissen<br />

zufolge immer noch über Biowaffen <strong>und</strong> an<strong>der</strong>e<br />

Kampfstoffe verfüge.<br />

Außerdem beanstandete Blix zunächst die mangelnde<br />

Bereitschaft irakischer Experten, sich ohne Beisein an<strong>der</strong>er<br />

Irakis von UNMOVIC-Mitarbeitern befragen zu lassen.<br />

Solche Interviews könnten tatsächlich sehr erhellend sein —<br />

möglicherweise aber wie<strong>der</strong> zum Unwillen Washingtons.<br />

Beispielsweise ergab <strong>das</strong> Gespräch eines Reporters von CNN<br />

mit <strong>der</strong> von westlichen Medien als beson<strong>der</strong>s diabolisch<br />

beschriebenen führenden Biowaffenexpertin Dr. Rihab Taha,<br />

die die Inspektoren angeblich „Dr. Germ“ o<strong>der</strong> „Bug Lady“<br />

nennen, also „Dr. Mikrobe“ o<strong>der</strong> „Bazillen-Dame“, <strong>das</strong>s die<br />

vor 1990 durchgeführten irakischen Experimente zur Verbreitung<br />

von Anthrax-Sporen <strong>und</strong> Botulinum-Toxin ziemlich<br />

altmodisch waren <strong>und</strong> nicht einmal des Niveau <strong>der</strong> britischen<br />

Versuche aus dem Zweiten Weltkrieg erreichten. 193a Ab<br />

6. Februar fanden dann aber erste unbeaufsichtigte Gespräche<br />

<strong>der</strong> Inspektoren mit irakischen Fachleuten statt, darunter mit<br />

dem Biowaffenexperten Sinan Abdul Hassan. 193b<br />

In <strong>der</strong> Zwischenzeit konnten die UNMOVIC-Inspektoren<br />

ungehin<strong>der</strong>t recherchieren, sogar in bisher unzugänglichen<br />

Präsidenten-Palästen. Bis Anfang Februar 2003 wurden 575<br />

Inspektionen in mehr als 320 Einrichtungen durchgeführt,<br />

ohne auch nur Spuren von Biowaffen o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>er Massenvernichtungsmittel<br />

zu finden. Unter an<strong>der</strong>em wurde dabei<br />

mehrmals <strong>das</strong> Impfstoffwerk in al Dawrah inspiziert, in dem<br />

vor 1990 große Mengen von Botulin produziert worden<br />

waren, sowie eine Rüstungsfabrik in El Fao, in <strong>der</strong> — einem<br />

irakischen Emigranten zufolge — Biowaffen <strong>und</strong> an<strong>der</strong>e<br />

Massenvernichtungsmittel gelagert worden sein sollen. Die<br />

269


Experten untersuchten auch mehrmals einen militärischindustriellen<br />

Komplex in Al Fallujah. Dort soll nach Angaben<br />

<strong>der</strong> britischen Regierung wie<strong>der</strong> die Produktion von Rizin<br />

aufgenommen worden sein, aber auch <strong>das</strong> konnte nicht bestätigt<br />

werden. 194 Nach Ansicht <strong>der</strong> Administration in Washington<br />

ist <strong>das</strong> jedoch kein Beweis für eine irakische Abrüstung,<br />

son<strong>der</strong>n belege vielmehr, wie gut <strong>der</strong> Irak seine Waffen<br />

verstecken könne.<br />

Allerdings standen bisher we<strong>der</strong> den Inspektoren noch den<br />

Mitglie<strong>der</strong>n des UN-Sicherheitsrates die Erkenntnisse des<br />

US-<strong>Geheimdienste</strong>s zur Verfügung, obwohl dies von Blix<br />

<strong>und</strong> an<strong>der</strong>en wie<strong>der</strong>holt gefor<strong>der</strong>t wurde. Seit Dezember 2002<br />

kündigten die USA zwar mehrfach an, „demnächst“ entsprechende<br />

Informationen zugänglich machen zu wollen, aber <strong>das</strong><br />

erfolgte schließlich erst mehr als sechs Wochen später, am<br />

5. Februar durch Außenminister Powell. Der gab unter<br />

an<strong>der</strong>em an, <strong>der</strong> Irak verfüge über mindestens sieben fahrbare<br />

Laboratorien, in denen Anthrax <strong>und</strong> Botulin produziert<br />

werden könnte. 195 Quellen für die Informationen sollen<br />

Luftbildaufnahmen <strong>und</strong> Aussagen von Whistleblowern sein —<br />

<strong>das</strong> spricht angesichts <strong>der</strong> historischen Erfahrungen nicht<br />

gerade für ihre Qualität.<br />

Powell behauptete auch, <strong>der</strong> Irak würde seine verbotenen<br />

Aktivitäten sehr wirksam vor den Inspektoren verbergen. Das<br />

gehe aus abgehörten Telefonaten <strong>und</strong> vor allem aus einem<br />

aktuellen britischen Geheimdienstdosier hervor. Das pries er<br />

als „ausgezeichnete Studie [...] die außerordentlich detailliert<br />

die irakischen Täuschungsaktivitäten beschreibt“. Unbeabsichtigt<br />

löste <strong>der</strong> Außenminister <strong>der</strong> USA damit einen weiteren<br />

Geheimdienstskandal aus. Denn schon am folgenden Tag<br />

ergab sich, 195a <strong>das</strong> <strong>der</strong> „exzellente“ britische Bericht zum<br />

großen Teil ein Plagiat war. Die cleveren britischen<br />

Schlapphüte hatten — offensichtlich mangels eigener entsprechen<strong>der</strong><br />

Erkenntnisse — unter an<strong>der</strong>em aus einem Artikel<br />

abgeschrieben, den ein Oxfor<strong>der</strong> Doktorand im September<br />

2002 in einer — allerdings bisher wenig bekannten —<br />

270


Zeitschrift über Struktur <strong>und</strong> Aktivitäten des irakischen<br />

<strong>Geheimdienste</strong>s vor 1991 publiziert hatte. 195b Das erinnert fatal<br />

an <strong>das</strong> gefälschte „Tagebuch eines Reichswehrgenerals“ <strong>und</strong><br />

an die von Wickham Steed veröffentlichten Dokumente — mit<br />

dem großen Unterschied, <strong>das</strong> die jetzt von den Briten<br />

ausgeschlachtete Publikation auf Fakten beruhte, auf<br />

Dokumenten nämlich, die 1991 während des Golfkrieges<br />

erbeutet worden waren. 195c<br />

Wenn die Beweislage also so dürftig ist, w<strong>und</strong>ert es einen<br />

nicht, <strong>das</strong>s Washington zumindest bisher ein irakisches<br />

Angebot ablehnte, Mitarbeiter des CIA an den Inspektionen<br />

teilnehmen <strong>und</strong> sie zu den Orten führen zu lassen, an denen<br />

Produktions- <strong>und</strong> Lagerstätten von Massenvernichtungsmitteln<br />

vermutet werden. 196 Fürchtet man etwa, <strong>das</strong>s sich auch<br />

diese Erkenntnisse <strong>der</strong> Nachrichtendienste als falsch erweisen<br />

könnten? Wenn Geheimdienstler den Inspektoren unmittelbar<br />

vorführen könnten, wo sich die irakischen Bio- <strong>und</strong> an<strong>der</strong>en<br />

Waffen befinden, wäre ja <strong>der</strong> Irak vor aller Welt auf <strong>das</strong><br />

Leichteste zu überführen.<br />

Jedenfalls meinte noch Ende Januar nicht nur Hans Blix,<br />

son<strong>der</strong>n auch General Norman Schwarzkopf, es gäbe keinesfalls<br />

genügend Beweise, um einen Feldzug gegen den Irak zu<br />

rechtfertigen. 196a Eine solche Einschätzung des Oberbefehlshabers<br />

des 1991er Golfkrieges muß wohl beson<strong>der</strong>s ernst<br />

genommen werden.<br />

271


272<br />

Vor <strong>der</strong> Wahl: Salmonellen zum Salat<br />

Bis in die frühen 1990er Jahre hinein glaubte man sich<br />

weltweit vor terroristischen Anschlägen mit biologischen<br />

o<strong>der</strong> chemischen Kampfmitteln relativ sicher. Bezeichnend<br />

dafür ist ein in <strong>der</strong> bereits erwähnten dpa-Meldung vom<br />

Januar 1989 zitiertes Argument:<br />

=san francisco (dpa) ... eine beruhigende antwort auf die frage, ob damit<br />

zu rechnen sei, <strong>das</strong>s terroristen biologische o<strong>der</strong> toxin-waffen einsetzen<br />

koennten, gab auf <strong>der</strong> konferenz <strong>der</strong> amerikanische wissenschaftler raymond<br />

a. zilinskas von <strong>der</strong> universitaet von maryland. diese waffen seien<br />

in den augen <strong>der</strong> oeffentlichkeit so verabscheuungswuerdig, sagte zilinskas,<br />

<strong>das</strong>s selbst die skrupellosesten terroristen o<strong>der</strong> zumindest ihre<br />

hintermaenner sich scheuen würden, sie einzusetzen. als beleg für seine<br />

hypothese fuehrte <strong>der</strong> wissenschaftler mehrere bombenattentate auf<br />

verkehrsflugzeuge an, die wegen <strong>der</strong> hohen ueberzahl <strong>der</strong> opfer in <strong>der</strong><br />

oeffentlichkeit ein solches entsetzen ausgeloest haetten, <strong>das</strong>s die urheber<br />

es nicht gewagt haetten, sich zu ihnen zu bekennen.<br />

Tatsächlich hatte es aber schon damals gelegentlich entsprechende<br />

Aktionen gegeben. Im Oktober 1981 hatten Mitglie<strong>der</strong><br />

<strong>der</strong> Protest-Gruppe „Dark Harvest“ am Londoner<br />

Blackpool Tower, nur ein paar h<strong>und</strong>ert Meter vom Parteitag<br />

<strong>der</strong> Konservativen entfernt, sowie vor den Toren des Instituts<br />

für chemische <strong>und</strong> biologische Verteidigung in Porton Down<br />

Erde deponiert. 197 Sie stammte von <strong>der</strong> Insel Gruinard <strong>und</strong><br />

war mit Milzbrandsporen verseucht. In Bekennerschreiben<br />

wurden verschiedene Zeitungen informiert, man habe mit<br />

dieser Aktion eine „tödliche Saat an den Absen<strong>der</strong> zurück“<br />

schicken wollen. Der Anschlag verursachte beachtliches<br />

Medienecho, zumal ein Unterhausabgeordneter kommentiert<br />

hatte: „Durch diese Wahnsinnstat haben diese Leute <strong>das</strong><br />

ganze Land in Gefahr gebracht“.Aber <strong>das</strong> war ziemlich über-


trieben, wirklich gefährdet wäre man nur gewesen, wenn man<br />

mit offenen W<strong>und</strong>en an <strong>der</strong> Hand die bakterienhaltige Erde<br />

berührt hätte. Tatsächlich fiel niemand <strong>der</strong> spektakulären<br />

Aktion zum Opfer.<br />

Sheriff <strong>und</strong> FBI hatten keine Ahnung<br />

Drei Jahre später registrierte die Ges<strong>und</strong>heitsbehörde von<br />

Wasco County, einem idyllischen Landkreis im US-B<strong>und</strong>esstaat<br />

Oregon, eine ungewöhnliche Häufung von Magen-<br />

Darm-Katarrh-Fällen. Nachdem es in den ersten acht<br />

Monaten des Jahres 1984 nicht eine <strong>der</strong>artige Erkrankung<br />

gegeben hatte, meldeten sich vom 17. September an immer<br />

mehr Menschen, die an Gastroenteritis erkrankt waren, bis<br />

zum 10. Oktober 751 Patienten. Sie litten eindeutig an einer<br />

Lebensmittelvergiftung: Alle hatten zuvor in Restaurants in<br />

<strong>der</strong> Kreisstadt The Dallas gespeist, <strong>und</strong> bei allen konnten<br />

Bakterien <strong>der</strong> Art Salmonella typhimurium als Erreger nachgewiesen<br />

werden. Wie die aber in die fraglichen Gaststätten<br />

gekommen waren blieb lange unklar, obwohl nicht nur <strong>der</strong><br />

Sheriff von Wasco County <strong>und</strong> die Staatspolizei von Oregon<br />

ermittelte, son<strong>der</strong>n auch <strong>das</strong> FBI. Wie<strong>der</strong> einmal versagte ein<br />

Geheimdienst total.<br />

Salmonella typhimurium: Im Tierreich weit verbreiteter<br />

Seuchenerreger („Mäusetyphus“), <strong>der</strong> beim Menschen akute<br />

Lebensmittelvergiftungen hervorrufen kann. Mit Methoden <strong>der</strong><br />

molekularen Biotechnologie konnte nachgewiesen werden, <strong>das</strong>s<br />

S.typhimurium über 4451 Gene verfügt. Allein 919 davon benötigen<br />

die Erreger für eine erfolgreiche Infektion.<br />

Erst ein Jahr später wurde bekannt, <strong>das</strong>s es sich um einen<br />

bioterroristischen Anschlag gehandelt hatte. 198 Diese<br />

Erkenntnis war aber nicht den Ermittlungsorganen zu verdanken,<br />

son<strong>der</strong>n einem Streit unter den Verursachern, An-<br />

273


hängern einer von dem indischen Guru Bhagwan Shree<br />

Rajneesh gegründeten Sekte. Eines ihrer Mitglie<strong>der</strong> enthüllte,<br />

<strong>das</strong>s sie die Bakterien in zehn Restaurants in The Dallas<br />

verbreitet hatten, vorzugsweise in den Salatbars. Die Salmonellen<br />

waren von einem kommerziellen Unternehmen bezogen<br />

<strong>und</strong> anschließend in einem Geheimlaboratorium <strong>der</strong><br />

Sekte vermehrt worden. Ziel des Anschlages war es, die Einwohner<br />

von Wasco County daran zu hin<strong>der</strong>n, an <strong>der</strong> für den<br />

6. November angesetzten Kommunalwahl teilzunehmen.<br />

Dadurch sollte die Wahl von Kandidaten verhin<strong>der</strong>t werden,<br />

die den Expansionsgelüsten <strong>der</strong> Sekte gegenüber kritisch<br />

eingestellt waren.<br />

Zum Glück für die Betroffenen hatten die Terroristen Bakterien<br />

eingesetzt, die in <strong>der</strong> Regel nicht tödlich wirken. Zwar<br />

hatten die Attentäter auch an<strong>der</strong>e Erreger — unter an<strong>der</strong>em<br />

die von Hepatitis <strong>und</strong> Typhus — in die engere Wahl gezogen,<br />

<strong>das</strong> aber als zu riskant wie<strong>der</strong> verworfen.<br />

Angst <strong>und</strong> Schrecken in Tokios U-Bahnen<br />

Ungezielt Angst <strong>und</strong> Schrecken verbreiten wollten dagegen<br />

zehn Jahre später die Angehörigen einer an<strong>der</strong>en Sekte, des<br />

japanischen AUM Shinrikyo-Kultes in Tokio mit dem chemischen<br />

Kampfstoff Sarin. 199 Am Montag, dem 20. März 1995<br />

verübten Mitglie<strong>der</strong> <strong>der</strong> Weltuntergangssekte in mehreren<br />

Zügen <strong>der</strong> Tokioter Untergr<strong>und</strong>bahn Terroranschläge mit <strong>der</strong><br />

tödlichen Substanz. Zum Glück war <strong>der</strong> Nervenkampfstoff<br />

übereilt hergestellt <strong>und</strong> nur ungenügend gereinigt worden <strong>und</strong><br />

stand nur in gelöster Form, nicht aber als Aerosol zur Verfügung.<br />

Da die Sekte unter Zeitdruck handelte, weil sie ins Visier<br />

<strong>der</strong> Polizei geraten war, konnte auch nur ein höchst primitives<br />

Verbreitungssystem eingesetzt werden: Je etwa 600 Gramm<br />

Sarin-Lösung wurde in elf Plastebeutel gefüllt, die dann mit<br />

geschärften Regenschirmspitzen aufgestochen wurden.<br />

Der Ort des Anschlags war raffiniert-perfide ausgewählt: Die<br />

Tokioter U-Bahnen beför<strong>der</strong>n täglich etwa fünf Millionen<br />

Fahrgäste. Drei <strong>der</strong> am meisten genutzten Linien kreuzen<br />

274


sich im Tokioter Verwaltungszentrum. In Wagen dieser Linien<br />

wurden, kurz bevor sie den Kreuzungsbahnhof erreichten,<br />

während <strong>der</strong> morgendlichen Rush-hour von fünf Sektenmitglie<strong>der</strong>n<br />

die Sarin-Tüten angestochen <strong>und</strong> <strong>das</strong> tödliche<br />

Gift freigesetzt. Zwölf Todesopfer for<strong>der</strong>te <strong>der</strong> Anschlag, <strong>und</strong><br />

etwa 980 mehr o<strong>der</strong> weniger stark Verletzte. Die wurden<br />

zusammen mit weiteren 4000 Personen, die glaubten ebenfalls<br />

geschädigt worden zu sein, in über 30 Krankenhäuser im<br />

ganzen Stadtgebiet verteilt. Es war eine Katastrophe, die<br />

gleichzeitig bewies, wie unzureichend Zivil- <strong>und</strong> Katastrophenschutz<br />

schon auf Anschläge mit Massenvernichtungsmitteln<br />

vorbereitet waren. Hätten die Attentäter ein<br />

Sarin-Aerosol hergestellt <strong>und</strong> auch nur mit primitiven Sprühvorrichtungen<br />

verbreitet, dann wären womöglich zehntausende<br />

von Todesopfern zu beklagen gewesen.<br />

Bei <strong>der</strong> anschließenden Aufklärung des Terroraktes stellte<br />

sich heraus, daß sich die Sekten-Mitglie<strong>der</strong> nicht nur auf<br />

einen chemischen Kampfstoff orientiert, son<strong>der</strong>n auch<br />

Anschläge mit Bacillus anthracis <strong>und</strong> Botulinum-Toxin versucht<br />

hatten. Diese Bio-Attentate waren aber aus unterschiedlichen<br />

Gründen fehlgeschlagen. 200 Beispielsweise handelte<br />

es sich bei den von den Terroristen beschafften <strong>und</strong><br />

dann einige Male erfolglos in Tokio verbreiteten Milzbrand-<br />

Erregern um harmlose Anthrax-Bakterien, wie sie normalerweise<br />

zur Impfstoffproduktion verwendet werden. Und<br />

Botulin konnten sie auch nicht einsetzen, da es ihnen nicht<br />

gelang, <strong>das</strong> Toxin herzustellen. Die Terroristen sollen auch<br />

vergeblich versucht haben, sich Ebola-Viren zu beschaffen.<br />

Die Fehlschläge <strong>der</strong> Sekte bei <strong>der</strong> Beschaffung <strong>und</strong> Verbreitung<br />

von Biowaffen vermitteln eine wichtige Erkenntnis:<br />

Entgegen gelegentlich geäußerten Ansichten kann man nicht<br />

einfach eine Waschküche in ein Kellerlabor umfunktionieren,<br />

in dem dann Terroristen erfolgreich biologische Anschläge<br />

vorbereiten können. Die Sekte hatte sehr viel Geld, eine gut<br />

organisierte Logistik, sogar ausgebildete Mikrobiologen in<br />

275


ihren Reihen — <strong>und</strong> trotzdem hat sie es nicht geschafft.<br />

Ganz abgesehen davon haben aber auch in diesem Fall die<br />

Nachrichtendienste wie<strong>der</strong> sträflich versagt: We<strong>der</strong> die japanischen<br />

Ermittler noch CIA o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>e ausländische Beobachter<br />

hatten vor dem Anschlag irgendwelche Hinweise auf<br />

die gefährlichen Aktivitäten <strong>der</strong> Gruppe.<br />

Planspiele enthüllen mangelhaftes Krisenmanagement<br />

Nachdem die AUM Shinrikyo-Sekte 1995 eine völlig neue<br />

Dimension des Terrorismus eröffnet hatte, begann sich eine<br />

Reihe von Staaten, vor allem die USA, auf den bioterroristischen<br />

Ernstfall vorzubereiten — während dieses Thema in<br />

<strong>der</strong> B<strong>und</strong>esrepublik bis zum 11. September 2001 von den<br />

zuständigen Stellen nicht nur ignoriert, son<strong>der</strong>n bewusst heruntergespielt<br />

wurde: Am 24. April 1998 antwortete die<br />

B<strong>und</strong>esregierung auf eine Anfrage von „Bündnis 90/Die<br />

Grünen“, nach ihrer Auffassung sei „mit B-Waffen-Anschlägen<br />

durch Terroristen <strong>der</strong>zeit nicht zu rechnen“. 201<br />

In den USA wurden mehrere Konferenzen mit hochkarätigen<br />

Teilnehmern zu diesem Thema veranstaltet <strong>und</strong> zahlreiche<br />

Bücher <strong>und</strong> Aufsätze dazu veröffentlicht. Die zuständige<br />

Behörde für Ges<strong>und</strong>heitsschutz CDC veröffentlichte Empfehlungen<br />

für ein entsprechendes Krisenmanagement <strong>und</strong> veröffentlichte<br />

eine — kaum vom Verzeichnis des „dreckigen<br />

Dutzends“ abweichende — Liste <strong>der</strong> dual-threat-Agenzien,<br />

die als mögliche Bioterrormittel am ehesten infrage kommen.<br />

Zunehmend wurden auch bioterroristische Anschläge gegen<br />

die Landwirtschaft befürchtet, die trotz <strong>der</strong> deutschen Biosabotage-Aktivitäten<br />

im Ersten Weltkrieg lange Zeit weitgehend<br />

unberücksichtigt blieben. Welche Folgen solche<br />

Aktionen haben könnten, zeigte sich spätestens nach <strong>der</strong> britischen<br />

Maul-<strong>und</strong>-Klauenseuche-Epidemie, die Kosten in<br />

Höhe von 48 Milliarden Dollar verursacht haben soll. Dieser<br />

Seuchenausbruch habe, so <strong>der</strong> amerikanische Veterinärmediziner<br />

<strong>und</strong> Biowaffenexperte Martin Hugh-Jones, „jedem<br />

Terroristen eine Anleitung geliefert“. Um dem zu begegen,<br />

276


hat die Akademie <strong>der</strong> Wissenschaften <strong>der</strong> USA im<br />

September 2002 eine Studie mit Vorschlägen zur Verhin<strong>der</strong>ung<br />

des landwirtschaftlichen Bioterrorismus veröffentlicht.<br />

201a<br />

Außerdem wurden mehrere realitätsnahe Planspiele durchgeführt.<br />

Eines davon war die Studie „URBAN 2000“, in <strong>der</strong><br />

<strong>das</strong> Energie-Ministerium die Verteilung infektiöser <strong>und</strong> toxischer<br />

Substanzen in einer städtischen Atmosphäre untersuchte.<br />

202 Ein an<strong>der</strong>es war die vom Congress angeregte Übung<br />

„TOPOFF 2000“, so benannt, weil an ihr führende Persönlichkeiten<br />

(„Top Officials“) teilnahmen. 203 In dieser im Mai<br />

2000 exerzierten Übung wurde durchgespielt, was passiert,<br />

wenn Yersinia pestis als Aerosol über die Frischluftzuführung<br />

eines viel besuchten öffentlichen Gebäudes in Denver verbreitet<br />

wird. Innerhalb von drei Tagen erkrankten etwa 3700<br />

Personen, von denen 950 starben. Pestfälle wurden auch in<br />

an<strong>der</strong>en Teilen <strong>der</strong> USA registriert, sowie in England <strong>und</strong><br />

Japan. Nach einer Woche waren 2000 Personen verstorben<br />

<strong>und</strong> die Situation geriet außer Kontrolle. Die zuständigen<br />

Behörden waren nicht vorbereitet <strong>und</strong> <strong>der</strong> Lage überhaupt<br />

nicht gewachsen. Beson<strong>der</strong>s gravierend wirkte sich die ungenügende<br />

Bevorratung mit Antibiotika aus.<br />

Zu ähnlich alarmierenden Ergebnissen kam ein an<strong>der</strong>es<br />

Planspiel, <strong>das</strong> unter dem Titel „Dark Winter“ im Juni 2001 bei<br />

Washington, DC, durchgeführt wurde. 204 Dabei ging es darum,<br />

wie <strong>und</strong> mit welchem Ergebnis <strong>der</strong> Nationale Sicherheitsrat<br />

<strong>der</strong> USA auf Terroranschläge mit Pockenviren reagieren<br />

würde. In dieser Übung geriet die Situation schon nach wenigen<br />

Tagen völlig außer Kontrolle: Innerhalb von drei Wochen<br />

gab es etwa 300.000 Opfer — auch in zehn Län<strong>der</strong>n außerhalb<br />

<strong>der</strong> USA — <strong>und</strong> ein Drittel von ihnen war bereits verstorben<br />

o<strong>der</strong> dem Tode geweiht. Die Ergebnisse waren deprimierend<br />

— angefangen bei dem Resümee, <strong>das</strong>s die „politischen<br />

Führer mit dem Charakter bioterroristischer Angriffe,<br />

verfügbarer politischer Optionen <strong>und</strong> ihren Konsequenzen<br />

nicht vertraut sind“ — bis zu <strong>der</strong> Erkenntnis, <strong>das</strong>s <strong>das</strong><br />

277


Ges<strong>und</strong>heitswesen <strong>der</strong> USA auf <strong>der</strong>artige Anschläge überhaupt<br />

nicht vorbereitet ist.<br />

Im April 2002 fand dann eine zweite Auflage von „Dark<br />

Winter“ statt. In dieser in Oklahoma durchgeführten Übung<br />

mit <strong>der</strong> Bezeichnung „Sooner Spring“ wurde angenommen,<br />

gleichzeitig erfolgten ein Ausbruch <strong>der</strong> Pest in McAlester,<br />

eine Pockenepidemie in Tulsa <strong>und</strong> die Vergiftung des Wasserversorgungssystems<br />

von Lawton mit Botulinum-Toxin. 205<br />

Analoge Ergebnisse wie die „Dark-Winter“-Übung hatte<br />

eine weitere Studie, in <strong>der</strong> ein Attentat mit Milzbrandsporen<br />

unterstellt wurde 206 : Während eines Football-Spieles fährt ein<br />

Truck auf einer Hochstraße nahe des mit 74.000 Zuschauern<br />

gefüllten Stadions vorbei <strong>und</strong> versprüht 30 Sek<strong>und</strong>en lang<br />

völlig unbemerkt ein Aerosol, <strong>das</strong> Anthrax-Sporen enthält.<br />

14.000 Fans <strong>und</strong> weitere 4000 Personen, die sich außerhalb<br />

des Stadions aufhalten, werden infiziert. Zwei Tage später treten<br />

die ersten grippeähnlichen Symptome auf. Am vierten<br />

Tag sterben die ersten 80 Patienten. Zunächst wird eine neue<br />

Grippewelle vermutet. Erst einen Tag später wird durch den<br />

Nachweis von Bacillus anthracis eine Epidemie von<br />

Lungenmilzbrand diagnostiziert <strong>und</strong> ermittelt, <strong>das</strong>s es sich<br />

bei <strong>der</strong> Mehrzahl <strong>der</strong> Patienten um Besucher des Football-<br />

Spieles handelt. Sie erhalten Antibiotika. Die Vorräte reichen<br />

jedoch nicht aus, so <strong>das</strong>s die Antibiotika nicht lange genug<br />

verabreicht werden können. Die Nationalgarde muss zum<br />

Schutz <strong>der</strong> Verteilungszentren eingreifen. Im Verlauf <strong>der</strong><br />

ersten zehn Tage sterben 4000 Personen, die meisten wegen<br />

verzögerter bzw. unzureichen<strong>der</strong> Antibiotika-Gabe.<br />

278


Die Milzbrandbriefe:<br />

Versagt <strong>das</strong> FBI — o<strong>der</strong> vertuscht es?<br />

Zwei Jahre nach dem erdachten Terroranschlag fanden<br />

Milzbrand-Attacken tatsächlich statt. Auch in <strong>der</strong><br />

Realität vergingen wie<strong>der</strong> Tage, bis die Symptome richtig<br />

diagnostiziert wurden <strong>und</strong> mit einer spezifischen Therapie<br />

begonnen werden konnte. Das liegt vor allem daran, <strong>das</strong>s<br />

Lungenmilzbrand außerordentlich selten vorkommt. In den<br />

USA wurden im zwanzigsten Jahrh<strong>und</strong>ert nur 18 Fälle diagnostiziert,<br />

<strong>der</strong> letzte im Jahre 1976. Kaum ein praktischer<br />

Arzt hat je einen Fall gesehen. Selbst die vier Autoren eines<br />

Übersichtsartikels über Anthrax als Biowaffe, bekannten, nur<br />

einer von ihnen habe überhaupt einmal einen Fall von<br />

Lungenmilzbrand zu Gesicht bekommen. 207<br />

Der Tod kam mit <strong>der</strong> Post<br />

Fünf Tage lang nahm <strong>der</strong> Postbeamte Joseph Curseen jr. seine<br />

grippeähnlichen Symptome nicht ernst. Er vermutete eine<br />

Lebensmittelvergiftung. Als sich sein Zustand verschlimmerte,<br />

suchte er am 21. Oktober 2001 eine Ambulanz auf. Dort<br />

nahm man an, er habe sich einen Magen-Darm-Katarrh<br />

zugezogen, gab ihm ein paar Tabletten <strong>und</strong> schickte ihn wie<strong>der</strong><br />

heim. Er solle am nächsten Tag seinen Hausarzt aufsuchen.Aber<br />

dazu kam er nicht mehr: einen Tag später war er<br />

tot. Todesursache: Lungenmilzbrand.<br />

Ein ähnliches Schicksal ereilte seinen Arbeitskollegen Thomas<br />

Morris jr. Der klagte seit dem 16. Oktober über allgemeine<br />

Schwäche, Rheumatismus <strong>und</strong> erhöhte Temperatur <strong>und</strong> ging<br />

deshalb am darauffolgenden Tag zum Arzt. Der glaubte an<br />

einen Virusinfekt <strong>und</strong> schickte auch ihn wie<strong>der</strong> nach Hause.<br />

Da sich sein Zustand nicht besserte, suchte Morris am Abend<br />

des 21. Oktober eine Notaufnahme auf. Dort vermutete man<br />

am nächsten Morgen, <strong>das</strong>s <strong>der</strong> Patient Milzbrand haben<br />

könnte. Inzwischen hatte nämlich <strong>der</strong> Fernsehsen<strong>der</strong> CNN<br />

gemeldet, zwei Postbeamte seien in Washington, DC, mit<br />

279


Lungenmilzbrand ins Krankenhaus eingeliefert worden.<br />

Trotz sofort eingeleiteter Antibiotikatherapie verstarb auch<br />

Morris innerhalb weniger St<strong>und</strong>en nach seiner Aufnahme in<br />

die Klinik. Mehr Glück hatten die beiden Postmitarbeiter, über<br />

die CNN berichtete. Da bei ihnen innerhalb von 11 St<strong>und</strong>en<br />

mikroskopisch Bacillus anthracis nachgewiesen werden<br />

konnte, wurden sie sofort mit Ciprofloxacin <strong>und</strong> an<strong>der</strong>en Antibiotika<br />

behandelt. Das war ihre Rettung: Sie überlebten. 208<br />

Alle vier waren im größten Postamt von Washington, DC, in<br />

<strong>der</strong> Brentwood Street tätig. Alle waren sie dort am 13. Oktober<br />

mit einem Brief in Kontakt gekommen, <strong>der</strong> vier Tage<br />

zuvor in Trenton, New Jersey, aufgegeben <strong>und</strong> an <strong>das</strong><br />

Washingtoner Büro von Senator Tom Daschle adressiert war.<br />

Als am 15. Oktober ein Mitarbeiter Daschles im „Hart“-<br />

Bürogebäude des Senats diesen Brief öffnete, merkte er, <strong>das</strong>s<br />

es etwas staubte. Der Zimmertrakt des Senators wurde sofort<br />

evakuiert <strong>und</strong> versiegelt, <strong>das</strong> Lüftungssystem wurde abgeschaltet.<br />

Am folgenden Tag konnte nachgewiesen werden,<br />

<strong>das</strong>s <strong>der</strong> Brief Milzbrandsporen enthalten hatte. Von<br />

Personal <strong>und</strong> Besuchern des Gebäudeteiles, in dem sich<br />

Daschles Büroräume befinden, wurden Nasenabstriche<br />

genommen. Bei 28 von ihnen konnten auf diese Weise<br />

Anthraxerreger nachgewiesen werden. Alle wurden prophylaktisch<br />

mit Antibiotika versorgt; keiner von ihnen erkrankte.<br />

Dass man den pulvrigen Inhalt des Briefes so ernst genommen<br />

hatte, lag daran, <strong>das</strong>s es inzwischen auch Informationen<br />

über <strong>das</strong> erste Todesopfer eines Milzbrandbriefes gab, den<br />

Journalisten Robert Stevens. Der war am 4. Oktober mit<br />

Lungenmilzbrand in Palm Beach County in Florida ins<br />

Krankenhaus eingeliefert worden <strong>und</strong> dort einen Tag später<br />

verstorben. Mehr Glück hatte sein Kollege Ernesto Blanco<br />

von <strong>der</strong> Poststelle des selben Medienunternehmens, <strong>der</strong> den<br />

Brief an ihn weitergeleitet hatte. Blanco erkrankte auch an<br />

Lungenmilzbrand, wurde aber noch früh genug mit<br />

Ciprofloxacin behandelt, so <strong>das</strong>s er überlebte.<br />

280


Zumindest einige <strong>der</strong> zuständigen US-Behörden waren<br />

durchaus auf solche Situationen vorbereitet — wenn auch<br />

wohl nicht ernsthaft genug. Dr. Ted Cieslak vom Armee-<br />

Institut USAMRIID hatte bereits mehr als ein Jahr zuvor auf<br />

dem Kongress <strong>der</strong> amerikanischen Gesellschaft für Infektionskrankheiten<br />

gemeint, für bioterroristische Aktionen<br />

seien Milzbrand-Erreger wohl <strong>das</strong> Mittel <strong>der</strong> Wahl. Allein im<br />

Jahre 1999 seien in den USA mehr als 300 Anthrax-Briefattrappen<br />

versandt worden. 209 Das war für eine für <strong>das</strong><br />

Pentagon tätige Firma ein Gr<strong>und</strong>, den amerikanischen Milzbrandspezialisten<br />

William Patrick III, <strong>der</strong> viele Jahre im<br />

Biowaffeninstitut in Fort Detrick gearbeitet hat <strong>und</strong> fünf<br />

Geheimpatente für Verfahren zur Munitionierung von<br />

Milzbrandsporen hält, 1998 zu beauftragen, ein Gutachten<br />

über die Gefahren anzufertigen, die vom Versand von<br />

Anthrax-Sporen mit <strong>der</strong> Post drohen. Eine entsprechende<br />

Expertise wurde zwei Jahre später auch von <strong>der</strong> kanadischen<br />

Regierung in Auftrag gegeben, nachdem ein verdächtiger,<br />

pulverhaltiger Brief bei <strong>der</strong> Umweltministerin eingegangen<br />

war. Der erwies sich dann aber auch als Attrappe. Patrick soll<br />

in seiner Studie vermutet haben, <strong>das</strong>s pro Brief etwa 2,5 g<br />

Anthrax-Sporen zum Einsatz kommen könnten. Tatsächlich<br />

soll <strong>der</strong> Brief an Senator Daschle 2 g dieses Kampfmittels<br />

enthalten haben. 210<br />

Insgesamt wurden in den USA seit Beginn <strong>der</strong> Anschläge<br />

innerhalb von zwei Monaten 22 Milzbrandfälle diagnostiziert,<br />

elf mal Lungenmilzbrand <strong>und</strong> elf mal <strong>der</strong> weitaus<br />

harmlosere Darmmilzbrand. Fünf <strong>der</strong> an Lungenmilzbrand<br />

erkrankten Personen fielen den Anschlägen zum Opfer. Die<br />

an<strong>der</strong>en konnten durch sofortige Behandlung mit<br />

Antibiotika gerettet werden. Ein Vierteljahr später, im März<br />

2002, trat bei einer weiteren Person Hautmilzbrand auf. Sie<br />

hatte mit Material zu tun, <strong>das</strong> während <strong>der</strong> Briefaffäre gesammelt<br />

worden war. 211<br />

Bei den meisten Lungenmilzbrand-Fällen gab es eine direkte<br />

Verbindung zum Postsystem. Bei zwei weiteren Fällen mit<br />

281


Todesfolge erfolgte die Infektion vermutlich durch Briefe, die<br />

im Postsystem indirekt, d.h. über Kreuz verseucht worden<br />

sind. Inzwischen ist kalkuliert worden, <strong>das</strong>s auf diese Weise<br />

ein einziger „Anthraxbrief“ etwa 5000 an<strong>der</strong>e Postsachen<br />

verseuchen könnte. Zwar traten in Washington <strong>und</strong> New<br />

Jersey nach dem 9. Oktober — als die beiden Briefe an die<br />

Senatoren aufgegeben worden waren — unter vorsorglich<br />

kontrollierten zehn Millionen Menschen keine weiteren<br />

Anthraxfälle auf, obwohl in den betreffenden Verteilungsstellen<br />

85 Millionen Postsachen bearbeitet worden waren.<br />

Trotzdem ist die US-Postverwaltung jetzt dabei, in ihren<br />

Verteilungszentren Automaten einzuführen, die mit gentechnischen<br />

Methoden Milzbrandsporen erkennen <strong>und</strong> dann<br />

Alarm auslösen können. 212<br />

Wegen einer mutmaßlichen Exposition mit Anthrax-Sporen<br />

wurden mehr als 30.000 Personen jeweils 60 Tage lang mit<br />

Ciprofloxacin <strong>und</strong> an<strong>der</strong>en Antibiotika behandelt, vor allem<br />

Mitarbeiter <strong>und</strong> Besucher von Postämtern in New Jersey,<br />

New York City <strong>und</strong> im Großraum Washington, dem District<br />

of Columbia, sowie Personen, die sich am 15. Oktober im im<br />

5. <strong>und</strong> 6. Stock des Südost-Flügels des „Hart“-Hauses aufgehalten<br />

hatten. Parallel dazu erfolgte die Dekontaminierung<br />

des neun Stockwerke hohen Gebäudes sowie an<strong>der</strong>er betroffener<br />

Teile des Capitols mit Chlordioxid, was drei Monate<br />

dauerte <strong>und</strong> mehr als 23 Millionen Dollar kostete. 213<br />

Aufwendiger <strong>und</strong> langwieriger erwies sich die Dekontaminierung<br />

des Postamtes in <strong>der</strong> Brentwood Street. Sie war erst<br />

Ende Dezember 2002 abgeschlossen <strong>und</strong> kostete 100<br />

Millionen Dollar. Weitere 50 Millionen wird die noch nicht<br />

abgeschlossene Sanierung des Postamtes in Trenton, New<br />

Jersey, kosten, wo einige <strong>der</strong> Briefe aufgegeben worden<br />

waren. 214<br />

Wer steckt hinter den Brief-Anschlägen?<br />

Erste Vermutungen, <strong>das</strong>s Osama bin Laden o<strong>der</strong> die<br />

Terrororganisation Al-Qaida hinter den Anschlägen steckte,<br />

282


ließen sich zunächst nicht bestätigen, obwohl einer <strong>der</strong><br />

Attentäter vom 11. September, Ahmed Alhaznawi, im Frühsommer<br />

2002 von einem Arzt wegen Hautmilzbrands behandelt<br />

worden sein soll. 215 Statt dessen sprach immer mehr<br />

dafür, <strong>das</strong>s die Täter in den USA zu suchen sein könnten.<br />

Waren es vielleicht amerikanische Rechtsextremisten, vielleicht<br />

Larry Wayne Harris? Der war schon zweimal verhaftet<br />

worden, 1995 wegen des Besitzes von Yersinia pestis <strong>und</strong><br />

1998, weil er sich Bacillus anthracis beschafft <strong>und</strong> gedroht<br />

haben soll, die Bakterien als Kampfmittel benutzen zu wollen.<br />

216 Nach Angabe eines Whistleblowers habe Harris<br />

behauptet, genug Anthrax-Erreger zu besitzen, um alle<br />

Einwohner von Las Vegas umbringen zu können. In Harris’<br />

Auto fand man daraufhin tatsächlich einen verdächtigen<br />

Behälter. Der wurde mit einem FBI-Flugzeug nach Virginia<br />

geflogen <strong>und</strong> dann in Fort Detrick untersucht. Der Behälter<br />

enthielt in <strong>der</strong> Tat Milzbrandbakterien, aber nur „abgeschwächte“,<br />

wie sie für die Herstellung von Impfstoffen<br />

gebraucht werden.<br />

Zahlreiche Experten halten eine frühere Verbindung des<br />

Attentäters zur US-Army o<strong>der</strong> <strong>der</strong>en Vertragspartnern für<br />

möglich, <strong>und</strong> zwar aus folgenden Gründen: In jedem Fall wurden<br />

Erreger des sogenannten Ames-Stammes verschickt,<br />

benannt nach Ames, einem Ort in Iowa, wo dieser Anthrax-<br />

Typ erstmals isoliert worden war. Sporen gerade dieses<br />

Stammes sind früher im Biowaffenprogramm <strong>der</strong> USA bearbeitet<br />

<strong>und</strong> waffenfähig gemacht worden, <strong>das</strong>s heißt so bearbeitet,<br />

<strong>das</strong>s sie nicht verklumpen <strong>und</strong> in einer Partikelgröße<br />

vorliegen, die für eine Aerosolverbreitung optimal ist (1,5 bis<br />

3 Mikrometer). Zunächst hieß es, die in den Briefen gef<strong>und</strong>enen<br />

Sporen hätten genau die Charakteristika des Anthrax-<br />

Materials aus dem US-Biowaffenprogramm aufgewiesen; sie<br />

dürften nicht aus dem Irak o<strong>der</strong> aus <strong>der</strong> Sowjetunion stammen.<br />

Möglicherweise sind sie sogar jüngerem Ursprungs:<br />

Zeitungsberichten zufolge 217 — die anschließend von einem<br />

Regierungssprecher bestätigt wurden — sind im vergangenen<br />

283


Jahrzehnt Milzbrandsporen gleichen Typs in Dugway Proving<br />

Gro<strong>und</strong>, einem Testgelände <strong>der</strong> US-Armee hergestellt worden,<br />

erklärtermaßen für „B-Schutz-Zwecke“, nämlich zur Erprobung<br />

neuartiger Nachweisgeräte für Biowaffen. Inzwischen<br />

wurden aber Äußerungen von William C. Patrick III <strong>und</strong><br />

an<strong>der</strong>en Experten bekannt, wonach die versandten Sporen<br />

doch nicht so qualitativ hochwertig gewesen sein sollen. 217a<br />

Etwa zwanzig Laboratorien sind bekannt, die den Ames-<br />

Stamm bearbeiten o<strong>der</strong> zumindest besitzen. Nicht bekannt<br />

ist, ob von dort solche Bakterien noch an an<strong>der</strong>e Stellen<br />

weitergegeben worden sind. Allein <strong>der</strong> Brief an Senator<br />

Daschle enthielt in etwa 2 g Pulver ungefähr 20 Billionen<br />

Anthrax-Sporen. Insgesamt haben die Attentäter etwa 10 g<br />

Milzbrandpulver eingesetzt. Eine solche Menge können sie<br />

unmöglich gestohlen haben. Sie mussten die Bakterien also<br />

selbst vermehren. Und dies, wie auch die Abfüllung, sind<br />

äußerst riskante Unternehmen, bei denen Millionen, wenn<br />

nicht Milliarden <strong>der</strong> tödlichen Erreger freigesetzt werden<br />

<strong>und</strong> die Bearbeiter gefährden. Die Attentäter mussten sich<br />

deshalb nicht nur vorher gegen Milzbrand impfen — was<br />

Zugang zu dem nicht frei erhältlichen Impfstoff voraussetzt<br />

—, son<strong>der</strong>n mussten mindestens ein Hochsicherheitslaboratorium<br />

benutzen können, nach Möglichkeit in entsprechende<br />

Schutzbekleidung gehüllt. Auch diese Überlegungen legen<br />

nahe, <strong>das</strong>s die Täter unter vielleicht 50 amerikanischen Biowaffenexperten<br />

zu suchen sind, <strong>und</strong> dies sollte auch ihre rasche<br />

Identifizierung ermöglichen, denn solche Hochsicherheitslaboratorien<br />

gibt es nicht viele, sie werden gut überwacht, <strong>und</strong><br />

ihr Betrieb wird mit Überwachungskameras verfolgt.<br />

<strong>Versagen</strong> wie<strong>der</strong> die Ermittler <strong>und</strong> V-Leute?<br />

Nun sollte man meinen, die Son<strong>der</strong>kommission des FBI <strong>und</strong><br />

an<strong>der</strong>er Ermittlungsbehörden <strong>der</strong> USA hätten, zusätzlich<br />

motiviert durch die Anschläge, die am 11. September 2001 die<br />

Welt erschütterten, angesichts <strong>der</strong> Fülle von Hinweisen in<br />

Rekordzeit die Attentäter ausfindig machen, ihre Motive<br />

284


erk<strong>und</strong>en <strong>und</strong> die Quelle <strong>der</strong> Sporen entdecken können,<br />

zumal sich die Terroristen offenbar keine große Mühe gegeben<br />

hatten, ihre Spuren zu verwischen.<br />

Kritiker werfen in diesem Zusammenhang dem FBI ein<br />

„Übermaß an Ignoranz“ vor: Laut „Time“ Magazin hatten<br />

sich noch Mitte November 2001 mehrere Universitäts-Laboratorien,<br />

die mit Bacillus anthracis arbeiten, <strong>und</strong> Firmen, die<br />

für solche Arbeiten notwendige Geräte herstellen <strong>und</strong> warten<br />

o<strong>der</strong> reparieren, darüber beschwert, <strong>das</strong>s sie vom FBI noch<br />

nicht befragt worden sind, o<strong>der</strong> wenn doch, mit den falschen<br />

Fragen konfrontiert wurden. Dazu passt, <strong>das</strong>s <strong>der</strong> Linguistik-<br />

Experte des FBI, Professor Don Forster in einem Interview<br />

angab, er habe zwei Verdächtige identifizieren können, die<br />

beide für USAMRIID, CIA <strong>und</strong> verschiedene an<strong>der</strong>e<br />

Geheimprojekte gearbeitet hätten, aber er habe — entgegen<br />

<strong>der</strong> sonst üblichen Praxis — bis zum 18. August 2002 noch<br />

keine Schriftproben <strong>der</strong> beiden Verdächtigen für Vergleichsanalysen<br />

zur Verfügung gestellt bekommen. Nach eigenen<br />

Angaben sind — zumindest bis Anfang November 2001 —<br />

we<strong>der</strong> <strong>der</strong> sowjetische Experte Ken Alibek noch <strong>der</strong> Verfasser<br />

<strong>der</strong> Anthraxbrief-Expertise William Patrick III von<br />

den Ermittlungsorganen befragt worden. 218<br />

Jedenfalls haben <strong>Geheimdienste</strong> <strong>und</strong> Ermittlungsbehörden<br />

wie<strong>der</strong> gröblich versagt. O<strong>der</strong> ist es vielmehr so, <strong>das</strong>s <strong>das</strong> FBI<br />

die Ermittlungen verschleppt, wie die Chefin <strong>der</strong> Biowaffen-<br />

Arbeitsgruppe <strong>der</strong> Fö<strong>der</strong>ation amerikanischer Wissenschaftler<br />

Professor Barbara Rosenberg erwog <strong>und</strong> fragte, ob<br />

<strong>der</strong> Attentäter „etwas so schlimmes über die US-Regierung<br />

[weiß], <strong>das</strong>s er für <strong>das</strong> FBI unangreifbar ist?“ Vier Monate<br />

später meinte sie, die Situation sei nunmehr noch schlimmer,<br />

weil sich inzwischen weitere signifikante Indizien angesammelt<br />

hätten, die den Kreis <strong>der</strong> mutmaßlichen Attentäter<br />

auf nicht mehr als zehn Personen einengten. 219<br />

Im Februar 2002 veröffentlichte die „Washington Times“ dann<br />

aber einen Artikel, in dem ein Hauptverdächtiger detailliert<br />

beschrieben wird. Die Beschreibung passte auf einen ehema-<br />

285


ligen Mitarbeiter von USAMRIID, Steven J. Hatfill — dessen<br />

Name jedoch zunächst noch nicht erwähnt wurde. Dessen<br />

Haus wurde dann im Sommer vom FBI mehrfach durchsucht,<br />

nachdem Hatfill verhört <strong>und</strong> einem Lügendetektor-Test<br />

unterzogen worden war. Hatfill ist ein Mediziner mit recht<br />

abenteuerlichem Lebenslauf, <strong>der</strong> 1997 bis 1999 im USAMRI-<br />

ID gearbeitet hatte. Anschließend war er für eine private<br />

Sicherheitsfirma tätig <strong>und</strong> hatte dort ausgerechnet jene<br />

bereits erwähnte Studie über die Verbreitung von Milzbrandsporen<br />

in Briefen in Auftrag gegeben. Im August 2001 war ihm<br />

aber Verteidigungsministerium die Berechtigung zum Umgang<br />

mit geheimen Dokumenten entzogen worden. Trotz dieser<br />

<strong>und</strong> weiterer Verdachtsmomente musste <strong>das</strong> FBI einräumen,<br />

<strong>das</strong>s bei den Durchsuchungen nichts Belastendes gef<strong>und</strong>en<br />

worden sei. Hatfill selbst bestritt alle Vorwürfe <strong>und</strong> erklärte,<br />

er habe „niemals in seinem Leben mit Anthrax gearbeitet“. 220<br />

Richard O. Spertzel, ein ehemaliger UNSCOM-Inspektor<br />

sagte im Oktober 2002, es gäbe in den ganzen USA vielleicht<br />

vier o<strong>der</strong> fünf Leute, die vergleichbare Anthrax-Präparate<br />

herstellen könnten, <strong>und</strong> er sei einer davon. „Aber selbst mit<br />

Hilfe eines guten Teams <strong>und</strong> eines guten Labors würde er<br />

etwa ein Jahr brauchen, um ein gleich gutes Produkt<br />

herzustellen“. 221 Er <strong>und</strong> an<strong>der</strong>e von <strong>der</strong> „Washington Post“<br />

interviewte Experten schlugen daher vor, <strong>das</strong>s noch einmal<br />

analysiert werden sollte, ob die Sporen aus einem geheimen<br />

B-Schutzprogamm stammen könnten o<strong>der</strong> ob nicht doch<br />

Staats-Terrorismus hinter den Anschlägen stecke. Tatsächlich<br />

begannen die amerikanischen Ermittler Ende 2002 wie<strong>der</strong><br />

verstärkt zu analysieren, ob nicht doch Al-Qaida-Aktivisten<br />

die Täter waren 222 <strong>und</strong>/o<strong>der</strong> ob <strong>der</strong> Irak in diese Vorgänge<br />

verwickelt war. 223 An<strong>der</strong>erseits verfolgten sie auch die Spur<br />

Hatfill weiter: Dieser informierte die Presseagentur UPI in<br />

einem Interview, <strong>das</strong>s er seit dem 17. Dezember wie<strong>der</strong> Tag<br />

<strong>und</strong> Nacht vom FBI überwacht werde. 224<br />

Aber vielleicht hat <strong>der</strong> Hamburger Biowaffenexperte Jan van<br />

Aken Recht, wenn er vermutet, <strong>das</strong>s die Urheber <strong>der</strong><br />

286


Milzbrandbriefe möglicherweise für immer im Dunkeln bleiben,<br />

denn: „Wie in den Mordfällen Kennedy <strong>und</strong> Palme stochern<br />

die Ermittler hilflos in einem Sumpf aus Politik- <strong>und</strong><br />

Geheimdienstintrigen herum, in dessen Zentrum <strong>das</strong> amerikanische<br />

Biowaffen-Programm steht“. 225<br />

Aber inzwischen ist möglicherweise ein weiterer Brief mit<br />

Anthrax-Sporen aufgetaucht. In dem an den Vizepräsidenten<br />

<strong>der</strong> US-Notenbank (Fe<strong>der</strong>al Reserve) gerichteten Schreiben<br />

konnten am 3. Januar 2003 <strong>und</strong> in zwei weiteren Tests<br />

Milzbrandbakterien nachgewiesen werden. Vielleicht ergibt<br />

sich damit eine neue, heiße Spur <strong>und</strong> die ganze Angelegenheit<br />

kann endlich aufgeklärt werden. Eine abschließende<br />

Bestätigung dieser Diagnose durch die CDC stand allerdings<br />

bis zum 31. Januar noch aus.<br />

Aber vielleicht war es auch nur wie<strong>der</strong> Fehlalarm. Am 14.<br />

Januar war nämlich gemeldet worden, <strong>das</strong>s auch in <strong>der</strong> Poststelle<br />

<strong>der</strong> Fe<strong>der</strong>al Reserve Milzbran<strong>der</strong>reger entdeckt worden<br />

seien. Schon einen Tag später meldete die Nachrichtenagentur<br />

Reuters, <strong>das</strong>s sich dies habe nicht bestätigen lassen. 226<br />

287


288<br />

Was war <strong>das</strong> Ziel: Mord <strong>und</strong> Totschlag<br />

— o<strong>der</strong> Panik?<br />

Vermutlich hatte <strong>der</strong> o<strong>der</strong> die Anthraxbief-<br />

Bombenleger keine Mordabsichten, denn dazu war<br />

<strong>das</strong> ganze Unternehmen einerseits zu aufwändig <strong>und</strong> an<strong>der</strong>erseits<br />

zu ineffektiv. Um größere Menschenmassen umzubringen<br />

wäre es sehr viel wirksamer gewesen, die gleiche<br />

Menge Sporen in <strong>das</strong> Ventilationssystem eines großen<br />

Gebäudes einzubringen o<strong>der</strong> auf einer U-Bahn-Station<br />

freizusetzen. Außerdem enthielten die vier identifizierten<br />

Anthrax- Briefe eindeutige Warnungen. 227 In zwei Kuverts<br />

waren Botschaften mit Hinweisen auf den 11. September <strong>und</strong><br />

den — teils falsch geschriebenen — Worten „Nun kommt <strong>das</strong><br />

... Nimm jetzt Penazillin“* enthalten. Die beiden an<strong>der</strong>en, an<br />

die Senatoren Daschle <strong>und</strong> Leahy adressierten Umschläge<br />

enthielten ebenfalls Briefe mit ähnlichen Bemerkungen:<br />

„11.9. 2001...Ihr könnte uns nicht aufhalten. Wir besitzen dieses<br />

Anthrax. Sie sterben jetzt. Haben Sie Angst?“**<br />

Dass es trotzdem fünf Todesfälle gab, war möglicherweise<br />

nicht beabsichtigt: Vermutlich hat <strong>der</strong> Attentäter nicht einkalkuliert,<br />

<strong>das</strong>s die Briefe in den mechanischen Apparaten<br />

<strong>der</strong> Postverteilungsstellen so grob behandelt werden, <strong>das</strong>s<br />

Sporen an den Ecken <strong>und</strong> durch die Poren verschlossener<br />

Briefumschläge austreten <strong>und</strong> dadurch zumindest Postbeamte<br />

gefährden <strong>und</strong> an<strong>der</strong>e Postsachen kontaminieren<br />

können. Die oben erwähnte kanadischen Studie hatte tatsächlich<br />

ergeben, <strong>das</strong>s auch die passive Verbreitung von<br />

Sporen aus einem Briefkuvert noch vor seinem Öffnen „eine<br />

weitaus größere Bedrohung darstellt als bisher angenommen<br />

wurde“: Bakteriensporen fanden sich auf dem Arbeitstisch,<br />

* „09-11-01“…This is the next…Take penacillin now“<br />

** „09-11-01“…You can not stop us.We have this anthrax.You die now.Are you afraid?“


auf Papieren, Aktenordnern <strong>und</strong> Stiften. Die meisten wurden<br />

in <strong>der</strong> Nähe <strong>der</strong> Ecken des Briefumschlags gef<strong>und</strong>en, dort<br />

war die Mehrzahl von ihnen ausgetreten. 228<br />

Hauptziel <strong>der</strong> Aktion war wahrscheinlich die psychologische<br />

Wirkung. Auf solche Folgen von Biowaffen-Einsätzen hatten<br />

ja schon britische, deutsche <strong>und</strong> französische Experten in den<br />

dreißiger Jahren hingewiesen. General Hermann Ochsner,<br />

<strong>der</strong> Chef <strong>der</strong> deutschen chemischen Truppen, hatte bereits<br />

1936 geschrieben: Selbst wenn es nicht möglich sei, Epidemien<br />

willkürlich auszulösen, läge „die Bedeutung des<br />

bakteriologischen Krieges doch in <strong>der</strong> großen zusätzlichen,<br />

vor allem seelischen Wirkung. Wenn z.B. in mehreren deutschen<br />

Städten während eines Krieges gleichzeitig zahlreiche<br />

Fälle einer bestimmten Krankheit auftreten, so wird sich <strong>das</strong>,<br />

auch wenn sie nicht zu größeren Epidemien anwachsen, doch<br />

nicht geheim halten lassen <strong>und</strong> die öffentliche Meinung<br />

gewaltig beeinflussen. Außerdem werden dadurch zahlreiche<br />

Ärzte <strong>und</strong> Pflegepersonal beschäftigt <strong>und</strong> ebenso Krankenhäuser,<br />

Heilmittel u.a. <strong>der</strong> Fürsorge für Verw<strong>und</strong>ete <strong>und</strong> sonstige<br />

Kranke entzogen“.<br />

Genau <strong>das</strong> scheinen die Absen<strong>der</strong> <strong>der</strong> Anthrax-Briefe beabsichtigt<br />

zu haben, <strong>und</strong> vermutlich deshalb haben sie auch —<br />

<strong>und</strong> zwar offenbar nur in den USA — Attrappen — im Angelsächischen<br />

„hoax“ genannt — verschickt, vor allem an die<br />

Adressaten <strong>der</strong> „richtigen“ Terrorsendungen, Politiker <strong>und</strong><br />

Vertreter verschiedener Medien. Möglicherweise war beabsichtigt,<br />

Regierung, Senat <strong>und</strong> Kongress zu veranlassen, mehr<br />

Mittel für den B-Schutz bereitzustellen — aus sicherheitspolitischen<br />

Erwägungen o<strong>der</strong> auch aus ökonomischen Gründen<br />

(etwa um den Umsatz von Antibiotika- <strong>und</strong> Impfstoffproduzenten<br />

zu erhöhen). Tatsächlich sind ja nach den Briefaktionen<br />

von <strong>der</strong> US-Regierung beachtliche Beträge zur<br />

Bekämpfung des Bioterrorismus bewilligt worden: Ein ehemaliger<br />

Kommandeur von USAMRIID soll in diesem<br />

Zusammenhang in einem Fernsehinterview erklärt haben, die<br />

Aktion hätte auch ihre „guten Seiten“ gehabt, denn: „Wir<br />

289


haben jetzt fünf Tote, aber wir haben 6 Milliarden Dollar zur<br />

Verteidigung gegen den Bioterrorismus bekommen“.<br />

An<strong>der</strong>nfalls hätten bei einem weiteren Anschlag vielleicht<br />

Tausende o<strong>der</strong> gar Millionen Amerikaner sterben müssen. 229<br />

Die vermutlich auf die Attentäter zurückzuführenden<br />

Briefattrappen müssen deutlich von den Postsendungen<br />

unterschieden werden, mit denen sich weltweit „Trittbrettfahrer“<br />

durch Versand von harmlosen Pülverchen mit einzelnen<br />

Mitmenschen o<strong>der</strong> ganzen Kommunen einen bösen<br />

Scherz erlauben wollten. Auch diese versetzten nicht nur ihre<br />

jeweiligen Empfänger in Angst <strong>und</strong> Schrecken, son<strong>der</strong>n legten<br />

zeitweilig Zivil- <strong>und</strong> Katastrophenschutz weitgehend<br />

lahm <strong>und</strong> verursachten erhebliche Störungen des öffentlichen<br />

Lebens. Derartige Schein-Briefbomben wurden Ende 2001 in<br />

wenigstens 50 verschiedenen Staaten versandt — in<br />

Deutschland allein im Jahre 2001 etwa 4000 Stück! In mindestens<br />

einem Fall enthielt in Argentinien ein Briefumschlag<br />

tatsächlich Milzbrandsporen, aber nicht die vom Ames-<br />

Stamm, son<strong>der</strong>n von einem ungefährlichen, für die Impfstoffherstellung<br />

verwendetenTyp. 230<br />

Schon nach ein paar Tagen gingen in amerikanischen<br />

Apotheken die Vorräte an Cipro <strong>und</strong> an<strong>der</strong>en Antibiotika,<br />

die gegen Milzbrand wirksam sind, aus, <strong>und</strong> <strong>das</strong> Repräsentantenhaus<br />

stellte vorübergehend sogar seine Arbeit ein.<br />

Möglicherweise wollten die Attentäter aber einfach nur<br />

Panik auslösen. Dass <strong>das</strong> eher die Folge von bestimmten<br />

Krankheitsausbrüchen sein kann als grosse Seuchenzüge zeigen<br />

beispielsweise die Reaktionen, die heutzutage von Pesterkrankungen<br />

ausgelöst werden. Die Pest ist nach Einschätzung<br />

des amerikanischen Zentrums für zivilen B-Schutz<br />

vor allem deshalb so gefürchtet, weil sie „eine <strong>der</strong> wenigen<br />

Erkrankungen ist, bei <strong>der</strong> durch <strong>das</strong> Bekannt werden sogar<br />

einer geringen Anzahl von Fällen weitverbreitete Panik ausgelöst<br />

werden kann. Das war 1994 in <strong>der</strong> indischen Stadt<br />

Surat <strong>der</strong> Fall, als schätzungsweise 500.000 Leute voller<br />

290


Furcht vor einer Pestepidemie flohen“. Dort waren damals<br />

752 Personen an Pest erkrankt, von denen etwa 50 starben. 231<br />

Auch bei dem Giftgasanschlag <strong>der</strong> AUM-Shinrikyo-Sekte in<br />

Tokio wurden — außer den 12 Todesopfern — „nur“ etwa<br />

980 Personen mehr o<strong>der</strong> weniger stark verletzt. Aber mehr<br />

als 4000 Menschen suchten die Hospitäler <strong>und</strong> Rettungsstellen<br />

auf, weil sie fürchteten, auch betroffen worden zu sein.<br />

Sie stellten dadurch <strong>das</strong> Tokioter medizinische System vor<br />

eine über aus große Belastungsprobe. 232 In <strong>der</strong> Sek<strong>und</strong>ärliteratur<br />

war dann aber später meist von „5000 <strong>und</strong> mehr Verletzten“<br />

die Rede — was zusätzlich zur allgemeinen Verunsicherung<br />

beiträgt.<br />

Bei <strong>der</strong> Vorbereitung auf eventuelle bioterroristische<br />

Aktionen kommt es deshalb auch darauf an, die Gefahr einer<br />

Panik zu vermeiden o<strong>der</strong> wenigstens zu minimieren. 233 Dazu<br />

gehören auch Überlegungen, Massenflucht <strong>und</strong> die damit<br />

verb<strong>und</strong>ene erhöhte Gefahr <strong>der</strong> Weiterverbreitung von<br />

Infektionskrankheiten zu verhin<strong>der</strong>n. Schon hört man aus<br />

Großbritannien, die Regierung beabsichtige, in einem <strong>der</strong>artigen<br />

Fall London <strong>und</strong> an<strong>der</strong>e größere Städte durch<br />

Sicherheitskordons von Militär <strong>und</strong> Polizei abriegeln zu lassen.<br />

Entsprechende Pläne gibt es auch in den USA. 234<br />

Vermutlich seien sogar drakonische Maßnahmen notwendig,<br />

da sich gezeigt habe, <strong>das</strong>s nur 44% <strong>der</strong> Personen, die nach den<br />

Anthrax-Briefanschlägen aufgefor<strong>der</strong>t worden waren, 60<br />

Tage lang <strong>das</strong> Antibiotikum Ciprofloxacin einzunehmen,<br />

diese Anordnung auch befolgten. 235<br />

Jedes Jahr sterben in den USA mehr als 10.000 Menschen<br />

durch Schusswaffen. 236 Trotzdem werden von <strong>der</strong> Regierung<br />

nicht einmal von einer Bevölkerungsmehrheit gewünschte<br />

Waffenkontrollen eingeführt. Bioterroristen haben dagegen<br />

in den letzten Jahren vermutlich nicht mehr als fünf<br />

Todesopfer verursacht — <strong>und</strong> nicht nur die Bush-<br />

Administration son<strong>der</strong>n nahezu die ganze Welt reagiert mit<br />

Panik... Panik soll nach Meinung von Experten sogar <strong>das</strong><br />

291


eigentliche Ziel <strong>der</strong> Anschläge vom 11. September 2001<br />

gewesen sein, <strong>und</strong> nur deshalb versuche Al-Qaida erfolgreich,<br />

sich auch Biowaffen zu beschaffen. 237 Auch im Zusammenhang<br />

mit <strong>der</strong> Entdeckung von Rizin in einer Londoner<br />

Wohnung äußerte ein Chemiewaffenexperte <strong>der</strong> britischen<br />

Regierung, mit einem Rizin-Aerosol könnten Terroristen<br />

zwar nur wenig Todesfälle verursachen, wohl aber Panik auslösen<br />

— <strong>das</strong> sei <strong>das</strong> eigentlich gefährliche. 237a<br />

Keine Panik löste hingegen Anfang Januar 2003 in Texas <strong>das</strong><br />

Verschwinden von etwa 35 Ampullen mit Pestbakterien aus,<br />

denn die Öffentlichkeit erfuhr erst nach <strong>der</strong> Aufklärung des<br />

beunruhigenden Vorfalles davon. Aber es gab Katastrophenalarm<br />

<strong>und</strong> selbst Präsident Bush wurde darüber informiert.<br />

Etwa 60 Ermittler des FBI <strong>und</strong> an<strong>der</strong>er Behörden gingen dem<br />

Hinweis von Professor Thomas C. Butler von <strong>der</strong> Technischen<br />

Universität Texas in Lubbock nach, <strong>das</strong>s die gefährlichen<br />

Keime aus <strong>der</strong> von ihm geleiteten Abteilung für Infektionskrankheiten<br />

verschw<strong>und</strong>en waren. Die Fahn<strong>der</strong> wurden glücklicherweise<br />

innerhalb weniger Tage fündig. Die Pesterreger<br />

waren tatsächlich weg. Der mutmaßliche „Whistleblower“ gab<br />

zu, er hätte die Bakterien versehentlich selber vernichtet <strong>und</strong><br />

wollte dies mit seiner Verlustanzeige vertuschen. 237b<br />

Damit verwischen sich die Grenzen zwischen dem Einsatz<br />

biologischer Kampfmittel <strong>und</strong> psychologischer Kriegsführung.<br />

Ja, im Zweiten Weltkrieg hat es sogar Aktionen<br />

gegeben, die man als „psychologische Biokriegsführung“ bezeichnen<br />

kann.<br />

Psychologische Biokriegsführung<br />

Die ausgeprägte Furcht vor <strong>der</strong> Pest machten sich die Briten<br />

schon 1943 zunutze, indem sie in Deutschland einen gefälschten<br />

Son<strong>der</strong>abdruck aus dem „Reichsges<strong>und</strong>heitsblatt“ mit<br />

„Ratschlägen zur Bekämpfung von Pest“ verbreiteten. 238 Die<br />

Fälschung folgte weitgehend dem Original, betonte aber die<br />

Gefahr einer Pesteinschleppung viel stärker als es <strong>der</strong> deutschen<br />

Ges<strong>und</strong>heitsaufklärung entsprach. Es wurde <strong>der</strong><br />

292


Eindruck erweckt, anscheinend harmlose Symptome könnten<br />

pestverdächtig sein <strong>und</strong> machten in jedem Falle einen<br />

Arztbesuch notwendig. Oft zeigen sich nur, so heißt es in <strong>der</strong><br />

Flugschrift, „Erscheinungen, die für den Laien nicht viel<br />

an<strong>der</strong>s aussehen, als die Symptome einer schweren Grippe,<br />

wie leichtes Fieber, Kopfschmerzen, Rückenschmerzen,<br />

‚Ziehen’ in den Beinen <strong>und</strong> Ermüdungs- <strong>und</strong> Unlusterscheinungen.<br />

Gelegentlich können auch bei diesen Fällen<br />

Brechreiz <strong>und</strong> Durchfälle auftreten. Es kann nicht oft genug<br />

betont werden, <strong>das</strong>s gegenwärtig <strong>der</strong> allergrößte Wert darauf<br />

gelegt werden muss, <strong>das</strong>s alle <strong>der</strong>artigen Fälle nicht nur vom<br />

Arzt, son<strong>der</strong>n auch vom Publikum vorsichtshalber als pestverdächtig<br />

angesehen werden müssen. Ein paar bakteriologische<br />

Untersuchungen zuviel können nichts schaden, eine einzige<br />

Untersuchung zu wenig kann die unabsehbarsten Folgen<br />

haben. [...] Pickel <strong>und</strong> leichte Geschwüre sollten daher heute<br />

stets als pestverdächtig betrachtet werden“.<br />

Ziel <strong>der</strong> feindlichen Aktion war es nach Einschätzung des<br />

deutschen Biowaffenexperten Heinrich Kliewe, Truppe <strong>und</strong><br />

Bevölkerung zu beunruhigen sowie Ärzte <strong>und</strong> Untersuchungsstellen<br />

durch erhöhte Inanspruchnahme stärker zu<br />

belasten <strong>und</strong> die Wi<strong>der</strong>standsfähigkeit zu schwächen.<br />

Wenn es Zweck <strong>der</strong> biologischen Kriegsführung ist, „durch<br />

Hervorrufung von Seuchen möglichst viele Soldaten kampfunfähig<br />

zu machen, die Zivilbevölkerung in ihrer Arbeitsleistung<br />

zu schwächen, auszuhungern o<strong>der</strong> psychisch zu<br />

beeinflussen“ — wie Heinrich Kliewe im Jahre 1943 notierte<br />

—, dann kann die Verbreitung <strong>der</strong> gefälschten Ratschläge zur<br />

Pestbekämpfung als Akt <strong>der</strong> psychologischen biologischen<br />

Kriegsführung bezeichnet werden:Anstatt durch Verbreitung<br />

von Bakterien,Viren o<strong>der</strong> Toxinen Infektionskrankheiten o<strong>der</strong><br />

Vergiftungen zu verursachen, wurde versucht, Kampfkraft<br />

<strong>und</strong> Waffenproduktion des Gegners virtuell zu schwächen<br />

<strong>und</strong> dadurch vor allem auch die Kapazitäten des feindlichen<br />

Ges<strong>und</strong>heitsschutzes lahmzulegen. Versucht wurde dies auch<br />

durch Verbreitung einer Anleitung zum Simulieren.<br />

293


Auch Oberkriegsarzt Prof. Heinrich Kliewe musste zu dem gefälschten<br />

Merkblatt über die Pest Stellung nehmen.<br />

Quelle NACP RG 319 Box 2 Fol<strong>der</strong> BW8<br />

294


Nichts sei leichter, als einen Fall von Lungentuberkulose vorzutäuschen.<br />

Schlappheit müsse man vorspiegeln, <strong>und</strong> vor<br />

allem einen kräftigen Husten provozieren. „Misch etwas<br />

klein geschnittenes Papier unter deinen Tabak, o<strong>der</strong> dreh’<br />

deine Zigaretten mit gewöhnlichem anstatt mit Zigarettenpapier<br />

<strong>und</strong> rauche auf Lunge“. Aber <strong>das</strong> reicht nicht aus, um<br />

den Arzt zu täuschen. Viel überzeugen<strong>der</strong> ist es, wenn man<br />

dem Doktor auch bakterienhaltigen Schleim vorweisen kann.<br />

„Tuberkelbazillen sind natürlich schwer zu beschaffen —<br />

aber es gibt einen ausgezeichneten Ersatz dafür, den auch ein<br />

sehr guter Arzt [...] für Tuberkelbazillen halten muss. In dem<br />

gelblichen Stoff nämlich, <strong>der</strong> sich bei Männern unter <strong>der</strong><br />

Vorhaut, bei Frauen zwischen den Inneren Schamlippen ansammelt,<br />

wenn man sich da nicht täglich wäscht (‚Käse’),<br />

befindet sich stets ein Bazillus, <strong>der</strong> unter dem Mikroskop dem<br />

Tuberkulosebazillus so täuschend ähnlich sieht, <strong>das</strong>s je<strong>der</strong><br />

Arzt darauf hereinfallen muss.“<br />

Das steht in einer Schrift, die die Angloamerikaner in den<br />

letzten Monaten des Zweiten Weltkrieges in großer Stückzahl<br />

hinter den deutschen Linien <strong>und</strong> über dem Reichsgebiet<br />

abgeworfen hatten. Sie war als Reclam-Heftchen aufgemacht<br />

<strong>und</strong> trug den Titel „Krankheit rettet“. In dem Text wurde ausführlich<br />

beschrieben, wie man Krankheiten aller Art simulieren<br />

kann, nicht nur Tuberkulose, son<strong>der</strong>n auch „Kriegsermüdung“,<br />

„schwere Rückenschmerzen“, „teilweise Lähmung“,<br />

„Schmerz in <strong>der</strong> Brust“, schwere Verdauungsstörungen<br />

<strong>und</strong> so weiter. 239<br />

Ausgedacht hatte sich die Aktion <strong>der</strong> britische Journalist<br />

Sefton Delmer, einer <strong>der</strong> führenden Köpfe <strong>der</strong> angloamerikanischen<br />

Organisation für psychologische Kriegsführung.<br />

Delmer erwartete von dieser Aktion, „<strong>das</strong>s eine Anzahl von<br />

Deutschen diese Regeln befolgen wird“. Außerdem wollte er<br />

damit „die deutschen Ärzte, die von <strong>der</strong> Existenz dieser<br />

Broschüre in Kenntnis gesetzt werden — <strong>und</strong> <strong>das</strong> wird bestimmt<br />

<strong>der</strong> Fall sein —, veranlassen, auch in den Fällen ein<br />

Simulieren zu vermuten, in denen <strong>der</strong> Patient nicht simuliert.<br />

295


Fotos <strong>der</strong> als Reclam-Heftchen „Krankheit hilft“ verbreiteten angloamerikanischen<br />

Anleitung zum Vortäuschen von Krankheiten sowie <strong>der</strong> von deutscher<br />

Seite in Form eines Streichholzbriefchens verbreiteten Übersetzung <strong>der</strong> angloamerikanischen<br />

Anleitung zum Simulieren<br />

Quelle: Beilage zu K. Kirchner, Krankheit rettet. Achtung Feindpropaganda,<br />

Mappe 4. Erlangen 1976.<br />

296


Ich hoffe sehr, <strong>das</strong>s sie von jetzt ab effektiv kranke Männer<br />

<strong>und</strong> Frauen an ihre Arbeit zurückschicken <strong>und</strong> dadurch vielleicht<br />

sogar zur Verbreitung von Krankheiten beitragen“.<br />

Welche Auswirkung die Verbreitung des gefälschten Reclam-<br />

Heftchens in Deutschland hatte ist nicht bekannt. Aber die<br />

deutsche „Abwehr“ schätzte die Aktion als so vielversprechend<br />

ein, <strong>das</strong>s sie ihrerseits eine entsprechende Anleitung in<br />

englischer Sprache unter den gegnerischen Truppen verbreitete.<br />

Die Anweisungen zum Simulieren wurden auf einem<br />

schmalen Papierstreifen gedruckt, <strong>der</strong> mehrfach zusammengefaltet<br />

<strong>und</strong> als Streichholzbriefchen getarnt war. Über weite<br />

Strecken handelte es sich um eine wörtliche Übersetzung des<br />

von den Angloamerikanern verbreiteten Textes. Wie Sefton<br />

Delmer nach dem Kriege berichtete, war die deutsche Schrift<br />

später auf dem schwarzen Markt in England heiß begehrt,<br />

weil hilfreich beim Ergattern von Krankschreibungen.<br />

297


Sieg über die Pocken — ein Pyrrhussieg?<br />

Pockenviren kämen im Prinzip schon als Kampfmittel in<br />

Frage, meinte Geheimrat Richard Otto auf <strong>der</strong><br />

Beratung, die 1925 von <strong>der</strong> Sanitätsinspektion über „die<br />

Verwendung von Krankheitskeimen als Kampfmittel im<br />

Kriege“ veranstaltet worden war. Aber sie seien für die experimentelle<br />

Erzeugung von Massenerkrankungen ungeeignet,<br />

weil in aller Welt Schutzimpfungen gegen sie durchgeführt<br />

würden.<br />

Inzwischen sind aber die Pocken seit 1980 weltweit ausgerottet<br />

— ausgerechnet als Folge eines von <strong>der</strong> Sowjetunion 1958<br />

in die Weltges<strong>und</strong>heitsorganisation eingebrachten Vorschlages.<br />

Das Pockenvirus hat sich dadurch zum bisher einzigen Erreger<br />

qualifiziert, <strong>der</strong> keine doppelte Bedrohung mehr darstellt,<br />

son<strong>der</strong>n ein „single-threat“-Agens ist. 240 Nur noch<br />

einige militärische Kontingente <strong>und</strong> an<strong>der</strong>e Risikogruppen<br />

werden dagegen immunisiert. In einem mo<strong>der</strong>nen Handbuch<br />

des Infektionsschutzes werden sie nicht einmal mehr<br />

erwähnt. 241 Heute stehen Impfungen gegen die Pocken aber<br />

wie<strong>der</strong> auf <strong>der</strong> Tagesordnung. Ihre Erreger gehören nämlich<br />

nicht nur zum eingangs erwähnten „dreckigen Dutzend“,<br />

son<strong>der</strong>n werden in einer aktuellen Zusammenstellung <strong>der</strong><br />

obersten US-Behörde für Ges<strong>und</strong>heitsschutz, <strong>der</strong> CDC, an<br />

erster Stelle genannt, noch vor Milzbrand <strong>und</strong> Pest... 242<br />

Experten schätzen heute ein, <strong>das</strong>s die Folgen einer kriegerischen<br />

o<strong>der</strong> terroristischen Verbreitung <strong>der</strong> Pocken — insbeson<strong>der</strong>e<br />

wegen ihrer überaus leichten Übertragbarkeit —<br />

katastrophal wären. Das hatte unter an<strong>der</strong>em die bereits erwähnte<br />

Übung „Dark Winter“ ergeben.<br />

Allerdings steht einem Missbrauch von Pockenerregern im<br />

Wege, <strong>das</strong>s es offiziell nur noch an zwei Stellen einen<br />

begrenzten Vorrat solcher Viren gibt, im Staatlichen Forschungszentrum<br />

für Virologie <strong>und</strong> Biotechnologie „Vektor“<br />

in Kolzovo in Russland sowie im CDC in Atlanta in den<br />

USA. Die sollen so gut gesichert sein, <strong>das</strong>s Unberechtigte kei-<br />

298


nen Zugang zu ihnen haben. Aber „ein auf diesem Gebiet<br />

spezialisierter weltweit am höchsten geschätzter, Nicht-US-<br />

Forscher“ hat informiert, es gäbe „zehn ‚nicht registrierte’<br />

Laboratorien auf <strong>der</strong> Welt, die mit lebenden Pockenviren<br />

arbeiten“. Einem Experten vom USAMRIID zufolge sind<br />

solche Behauptungen — auch? — von zwei nicht benannten<br />

hochrangigen russischen Überläufern — Alibek <strong>und</strong><br />

Pasetschnik?? — gemacht worden. 243 Deren Aussagen zufolge<br />

„haben es diese Län<strong>der</strong> in jenen Tagen beiseite geschafft, als<br />

Pocken noch endemisch waren, <strong>und</strong> haben <strong>das</strong> <strong>der</strong> Weltges<strong>und</strong>heitsorganisation<br />

nie mitgeteilt“. Genannt werden in<br />

diesem Zusammenhang Frankreich, Israel, Nordkorea <strong>und</strong><br />

auch <strong>der</strong> Irak.<br />

Anfang Dezember 2002 wurde dann von einem Informanten<br />

behauptet, eine Moskauer Virologin, Nelja N. Malzewa, habe<br />

1990 bei einer Reise nach Bagdad den Irakis einen beson<strong>der</strong>s<br />

aggressiven Pockenvirus-Stamm überlassen. Von offizieller<br />

russischer Seite wurde <strong>das</strong> bestritten. Frau Malzewa sei seit<br />

1972 nicht mehr im Irak gewesen. Trotzdem sei diese<br />

Information — nach Angaben von Judith Miller — so ernst<br />

genommen worden, <strong>das</strong>s sogar Präsident Bush darüber unterrichtet<br />

wurde. 244<br />

Aber schon zehn Tage später erklärten Vertreter <strong>der</strong> US-<br />

Administration, <strong>der</strong> Geheimdienst glaube, möglicherweise<br />

besitze <strong>der</strong> Irak zwar Pockenviren, die stammten jedoch nicht<br />

von „schurkischen russischen Wissenschaftlern“ o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>en<br />

externen Quellen, son<strong>der</strong>n aus den letzten Pockenfällen,<br />

die im Irak in den 1970ern aufgetreten waren. Berichte über<br />

den Transfer des Virus aus Moskau konnten nicht bestätigt<br />

werden. An<strong>der</strong>erseits nehme man an, <strong>das</strong>s Russland außer<br />

dem offiziellen Lager in Kolzovo noch eine geheimen<br />

Pockenvirus-Vorrat habe. 245<br />

Diese Vermutung gründet sich möglicherweise auf Angaben<br />

Alibeks. 246 Demzufolgen seien 1980 — unmittelbar nachdem<br />

die WHO die weltweite Ausrottung <strong>der</strong> Pocken bekannt<br />

gegeben habe — Pockenviren in die Liste jener Kampfmittel<br />

299


DIE 2002er LISTE POTENZIELLER BIOLOGISCHER UND TOXINKAMPFMITTEL*<br />

300<br />

Bedarf<br />

beson<strong>der</strong>er<br />

Bereit<br />

schaft<br />

**<br />

++<br />

Öffent<br />

liche<br />

Aufmerksamkeit<br />

Verbreitbarkeit<br />

Konsequenzen<br />

Verbreitbarkeit<br />

Konsequenzen<br />

Menschzu-Mesch<br />

Population<br />

Tod<br />

Erkrankung<br />

KRANKHEIT<br />

+<br />

0<br />

++<br />

+<br />

+<br />

Bruzellose<br />

Bedarf<br />

beson<strong>der</strong>er<br />

Bereit<br />

schaft<br />

**<br />

+++<br />

Öffent<br />

liche<br />

Aufmerksamkeit<br />

Menschzu-Mesch<br />

Population<br />

Tod<br />

Erkrankung<br />

KRANKHEIT<br />

+++<br />

+++<br />

+<br />

++<br />

+<br />

Pocken<br />

++<br />

0<br />

0<br />

++<br />

+++<br />

++<br />

Rotz<br />

+++<br />

+++<br />

0<br />

+++<br />

+++<br />

++<br />

Milzbrand<br />

++<br />

0<br />

0<br />

++<br />

+<br />

+<br />

Melioidose<br />

+++<br />

++<br />

++<br />

++<br />

+++<br />

++<br />

Pest<br />

+<br />

0<br />

0<br />

++<br />

+<br />

+<br />

Psittakose<br />

+++<br />

++<br />

0<br />

++<br />

+++<br />

++<br />

Botulismus<br />

++<br />

0<br />

0<br />

++<br />

++<br />

++<br />

Rizin-<br />

Intoxination<br />

+++<br />

+<br />

0<br />

++<br />

++<br />

++<br />

Tularämie<br />

+<br />

0<br />

0<br />

++<br />

+<br />

+<br />

Fleckfieber<br />

++<br />

+++<br />

+<br />

+<br />

+++<br />

++<br />

Ebola u.a.***<br />

+<br />

+++<br />

+/-<br />

++<br />

+<br />

+<br />

Cholera<br />

++<br />

++<br />

0<br />

+<br />

+<br />

++<br />

VEE u.a.****<br />

+<br />

+<br />

+<br />

++<br />

+<br />

+<br />

Shigellose<br />

++<br />

+<br />

0<br />

++<br />

+<br />

+<br />

Q-Fieber<br />

* nach L.D. Rotz et al., CDC Strategic Planning Workgroup, 2002, leicht verän<strong>der</strong>t. ** Bevorratung großer Mengen spezifischer Prophylaktika <strong>und</strong> Therapeutika,<br />

Verfügbarkeit von Möglichkeiten zur Schnelldiagnostik etc. *** <strong>und</strong> an<strong>der</strong>e hämorrhagische Fieber. **** Venezolanische Pferde-Enzephalitis <strong>und</strong> an<strong>der</strong>e Virus-<br />

Enzephalitiden.


aufgenommen worden, die im Rahmen des sowjetischen<br />

Biowaffenprogrammes optimiert werden sollten. Schon in<br />

den siebziger Jahren sei dieses Virus für <strong>das</strong> Biowaffenarsenal<br />

so wichtig gewesen, „<strong>das</strong>s <strong>das</strong> militärische Oberkommando<br />

befahl, 20 Tonnen pro Jahr vorrätig zu halten“. Im Verlauf<br />

dieser Arbeiten sei dann u.a. eine neue Produktionseinrichtung<br />

geschaffen worden, geeignet, um „jährlich 80 bis 100<br />

Tonnen Pockenviren zu liefern“. Darüber hinaus habe es<br />

Versuche zur Schärfung von Pockenviren gegeben, beispielsweise<br />

durch Einbau von Genen eines an<strong>der</strong>en Vertreters<br />

des dreckigen Dutzends, des Venezolanischen Pferde-<br />

Enzephalitis-Virus.<br />

Die russische Regierung selbst äußerte sich in diesem<br />

Zusammenhang zurückhalten<strong>der</strong>. Einem amtlichen Bericht<br />

zufolge seien tatsächlich „Untersuchungen <strong>der</strong> primären<br />

Genomstruktur des Pockenvakzine- <strong>und</strong> des Pockenvirus“<br />

durchgeführt worden, <strong>und</strong> zwar in jenem Institut in Kolzovo,<br />

in dem offiziell Pockenviren aufbewahrt werden. Diese<br />

Arbeiten hätten aber nur dem B-Schutz gedient <strong>und</strong> nicht<br />

etwa offensiven Zielen. 247<br />

Tatsächlich ist in den 1960er Jahren auch in den USA insgeheim<br />

an <strong>der</strong> Produktion von Pockenviren, ihrer Stabilisierung<br />

sowie über ihre Verbreitbarkeit durch Aerosole gearbeitet<br />

worden. Sogar ein Einsatz <strong>der</strong> Erreger im Vietnamkrieg soll<br />

erwogen, dann aber wie<strong>der</strong> aufgegeben worden sein. Selbst<br />

mehr als fünf Jahre nach Nixons Anordnung zur Vernichtung<br />

<strong>der</strong> Bestände biologischer <strong>und</strong> Toxin-Kampfstoffe besaß die<br />

CIA noch 50 Gramm Pockenviren. 248 Das hätte immer noch<br />

gereicht, um Millionen Menschen umzubringen. Es waren<br />

aber „Peanuts“ im Vergleich zu den Tonnen Pockenerreger,<br />

die laut Alibek in <strong>der</strong> Sowjetunion für einen eventuellen<br />

Einsatz bereitgehalten wurden.<br />

Heute sollen von <strong>der</strong> US-Armee wie<strong>der</strong> Untersuchungen mit<br />

Pockenviren durchgeführt werden, unter an<strong>der</strong>em an Affen.<br />

Professor Allan Rosenfeld, Dekan <strong>der</strong> Medizinischen<br />

Fakultät <strong>der</strong> Columbia-Universität meinte in diesem Zusam-<br />

301


menhang: wenn wir solche Forschungen betreiben, können<br />

dann nicht auch an<strong>der</strong>e Staaten fragen, warum sie <strong>das</strong> nicht<br />

auch dürften? 249<br />

Eigentlich sollten die letzten Vorräte längst, bis spätestens<br />

1999, vernichtet sein — so hatte es die Weltges<strong>und</strong>heitsversammlung<br />

1996 beschlossen. 250 Dagegen erhob sich aber<br />

sowohl in politischen Kreisen als auch von einflussreichen<br />

Wissenschaftlern so viel Wi<strong>der</strong>stand, <strong>das</strong>s die Vernichtungsaktion<br />

wie<strong>der</strong>holt verschoben wurde, zuletzt bis auf <strong>das</strong> Ende<br />

des Jahres 2002. Aber mittlerweile hat sich die Bush-Administration<br />

überhaupt gegen die Vernichtung <strong>der</strong> Variola-<br />

Stämme entschieden, „weil es möglich ist, <strong>das</strong>s sich auch an<strong>der</strong>e<br />

[Staaten] <strong>das</strong> Virus beschafft haben“. Die Anschläge<br />

vom 11. September <strong>und</strong> die Milzbrandbriefe — „machen es<br />

all zu klar, <strong>das</strong>s Pockenviren absichtlich verbreitet werden<br />

könnten, wenn sie in falsche Hände fallen“. Und man müsse<br />

in <strong>der</strong> Lage sein, sich dagegen zur Wehr zu setzen 251 — obwohl<br />

es keinen Zusammenhang gibt zwischen <strong>der</strong> Existenz von<br />

Stämmen des überaus gefährlichen Variola major-Virus <strong>und</strong><br />

<strong>der</strong> entsprechenden Immunprophylaxe, für die eine ganz<br />

an<strong>der</strong>e Pockenvirus-Art verwendet wird, <strong>das</strong> Vakzinia-Virus.<br />

Aber an <strong>der</strong> Haltung <strong>der</strong> USA führt kein Weg vorbei: Im Mai<br />

2002 beschloss die Weltges<strong>und</strong>heitsorganisation, <strong>das</strong>s die<br />

Vernichtung <strong>der</strong> Variola-Stämme vorläufig weiter aufgeschoben<br />

werden <strong>und</strong> ihre weitere Erforschung so lange erlaubt<br />

sein soll, bis Einmütigkeit über die endgültige Zerstörung<br />

erreicht werden kann. 252<br />

Davon ganz abgesehen gibt es inzwischen ein Bedrohungspotenzial<br />

durch Pockenviren an<strong>der</strong>er Art. So sind 1996—1997<br />

in <strong>der</strong> Demokratischen Republik Kongo 88 Personen an<br />

Affenpocken erkrankt. 253 Inzwischen wurde bekannt, <strong>das</strong>s die<br />

Erreger <strong>der</strong> Kamelpocken — die im Rahmen des irakischen<br />

Biowaffenprogramms bearbeitet worden waren — in genetischer<br />

Hinsicht dem Variola-Virus sehr viel ähnlicher sind als<br />

alle an<strong>der</strong>en untersuchten Erreger. 254 Außerdem ist heute die<br />

Sequenz des Pockenvirus-Erbmaterials vollständig bekannt<br />

302


<strong>und</strong> veröffentlicht. Mit diesem Wissen könnte es eines Tages<br />

möglich sein, die für die Krankheitssymptome verantwortlichen<br />

Gene nachzubauen <strong>und</strong> diese dann in <strong>das</strong> Erbgut<br />

an<strong>der</strong>er Pockenviren einzufügen. Was schon <strong>der</strong> Einbau<br />

scheinbar völlig harmloser Erbanlagen in <strong>das</strong> genetische<br />

Material von Mauspockenviren für katastrophale Folgen<br />

haben kann, wurde bereits an an<strong>der</strong>er Stelle erörtert.<br />

Jedenfalls besteht <strong>der</strong>zeit weltweit höchste Alarmbereitschaft<br />

zur Verhin<strong>der</strong>ung von Pockenepidemien. Die Erreger haben<br />

ein überaus hohes Übertragungspotenzial. Je nach den herrschenden<br />

Bedingungen kann je<strong>der</strong> Infizierte drei bis zwölf<br />

weitere Personen anstecken, 255 <strong>und</strong> insgesamt könnten nach<br />

Angaben <strong>der</strong> britischen Regierung von einem einzigen Fall je<br />

nach den eingeleiteten Maßnahmen zwischen 34 <strong>und</strong> 11.800<br />

Personen infiziert werden. 256 Daher müssten zur Eindämmung<br />

einer Pockeninfektion nicht nur möglichst viele<br />

mutmaßlich infizierte Personen in Quarantäne genommen<br />

werden — was erhebliche logistische Probleme schafft <strong>und</strong><br />

auf beträchtlichen Wi<strong>der</strong>stand betroffener Personenkreise<br />

stoßen dürfte —, son<strong>der</strong>n auch Millionen Menschen schutzgeimpft<br />

werden: Als 1947 in New York acht Pockenfälle<br />

auftraten, wurden innerhalb einer Woche sechs Millionen<br />

Personen geimpft. 257<br />

Deshalb wurde mindestens in Frankreich, Großbritannien,<br />

Israel, Kanada <strong>und</strong> USA für h<strong>und</strong>erte Millionen Dollar<br />

Pockenimpfstoff geor<strong>der</strong>t, um damit alle Einwohner immunisieren<br />

zu können. 258 In Deutschland beschlossen die Regierungschefs<br />

von B<strong>und</strong> <strong>und</strong> Län<strong>der</strong>n Mitte Dezember 2002, für<br />

mehr als 100 Millionen Euro soviel Vakzine zu beschaffen,<br />

<strong>das</strong>s notfalls die gesamte Bevölkerung geimpft werden kann. 259<br />

Allerdings sind die — weltweit nur noch in begrenzten Mengen<br />

verfügbaren — Pockenimpfstoffe, die damals zur Ausrottung<br />

dieser Erkrankung eingesetzt worden waren, nicht ganz<br />

unschädlich. Experten erwarten, daß die erste Impfwelle in<br />

den USA, die 500.000 Armeeangehörige <strong>und</strong> 510.000 im<br />

Ges<strong>und</strong>heitswesen beschäftigte Zivilisten erfassen soll, ein<br />

303


is drei Todesfälle <strong>und</strong> Dutzende von lebensbedrohlichen<br />

Erkrankungen zur Folge haben dürfte. Vizepräsident Dick<br />

Cheney soll Präsident George W. Bush jedoch davon überzeugt<br />

haben, daß die Folgen eines terroristischen Einsatzes<br />

von Pockenviren unvergleichlich grösser seien. 260 Nach <strong>der</strong><br />

ersten Impfwelle sollen dann weitere zehn Millionen Mitarbeiter<br />

des Ges<strong>und</strong>heitswesens <strong>und</strong> des Katastrophenschutzes<br />

geimpft werden. Ab 2004 sollen dann alle US-<br />

Bürger Zugang zum Impfstoff haben. Um mit gutem Vorbild<br />

voranzugehen hat sich Bush als Oberbefehlshaber <strong>der</strong> Streitkräfte<br />

im Dezember 2002 selbst gegen Pocken impfen lassen. 261<br />

Allerdings ist bisher noch kein einziger Beweis dafür vorgelegt<br />

worden, <strong>das</strong>s Terroristen Zugang zu Pockenviren haben<br />

<strong>und</strong> beabsichtigen, diese einzusetzen. Kann es vielmehr nicht<br />

auch so sein, <strong>das</strong>s bin Laden — <strong>der</strong> sich seit mehr als einem<br />

Jahr vor den Ermittlern verbergen <strong>und</strong> ungehin<strong>der</strong>t Drohungen<br />

verbreiten kann — o<strong>der</strong> Al-Qaida-Aktivisten o<strong>der</strong> noch<br />

an<strong>der</strong>e Schurken bewusst <strong>und</strong> gezielt <strong>der</strong>artige Gerüchte<br />

streuen, um Panik <strong>und</strong> gewaltige, aber sinnlose Geldausgaben<br />

auszulösen? Ist die <strong>der</strong>zeitige Angst vor Pockenviren,<br />

die auch Menschen in <strong>der</strong> B<strong>und</strong>esrepublik bewegt, die Folge<br />

von „biologischem Psychoterror“? Werden die von den<br />

Experten des Ges<strong>und</strong>heitswesens erwarteten Opfer fataler<br />

Nebenwirkungen <strong>der</strong> Pockenschutzimpfungen vielleicht die<br />

einzigen Opfer <strong>der</strong> Terroristen bleiben? Schon weisen immer<br />

mehr medizinische Experten zumindest in den USA besorgt<br />

darauf hin, <strong>das</strong>s die beschlossene Impfstoffbeschaffung <strong>und</strong> -<br />

anwendung wie auch die zum Teil sehr aufwändigen an<strong>der</strong>en<br />

Maßnahmen gravierende Einschränkungen in vielen Bereichen<br />

des klassischen Ges<strong>und</strong>heitsschutzes zur Folge haben werden. 262<br />

War <strong>das</strong> die Absicht von Bio-Psychoterroristen?<br />

304


Die Rotation <strong>der</strong> Rüstungsspirale<br />

muss zu stoppen sein<br />

„Eine Än<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Konvention muss<br />

konsequent vermieden werden“<br />

Bemühungen, die Biowaffenkonvention zu stärken<br />

<strong>und</strong> ihre wichtigsten Schwachstellen zu beseitigen, gibt<br />

es seit Anfang <strong>der</strong> achtziger Jahre. 263 Ausgelöst wurden sie vor<br />

allem durch die Swerdlowsker Milzbrandepidemie. Auch im<br />

Deutschen B<strong>und</strong>estag wurden von allen Parteien schon zu<br />

einer Zeit, als die B<strong>und</strong>esrepublik dem Abkommen noch gar<br />

nicht beigetreten war, For<strong>der</strong>ungen nach Verbesserung <strong>der</strong><br />

Konvention, speziell nach Einführung einer Verifikationsregelung<br />

erhoben. Der Abgeordnete Alois Mertes erklärte<br />

am 16. Juni 1980 zu Recht im B<strong>und</strong>estag: „Die entscheidende<br />

Schwäche des B-Waffen-Verbotsvertrags ist <strong>das</strong> Fehlen je<strong>der</strong><br />

internationalen o<strong>der</strong> regionalen Kontrollvorschrift. Die<br />

B<strong>und</strong>esregierung sollte deshalb im Genfer Abrüstungsausschuss<br />

<strong>und</strong> bei den Vereinten Nationen in New York<br />

baldmöglichst den Entwurf einer Kontrollvereinbarung<br />

vorlegen“. Das Parlament stimmte einem entsprechenden<br />

Antrag <strong>der</strong> CDU/CSU-Fraktion zu <strong>und</strong> for<strong>der</strong>te die B<strong>und</strong>esregierung<br />

auf, „möglichst unverzüglich die Frage <strong>der</strong> Verifikation<br />

bei B-Waffen [...] zu betreiben, spätestens gelegentlich<br />

<strong>der</strong> 2. Revisionskonferenz des B-Waffenverbotsvertrags“. 264<br />

Solche Konferenzen finden in <strong>der</strong> Regel alle fünf Jahre statt,<br />

um vor dem Hintergr<strong>und</strong> sowohl politischer als auch wissenschaftlich-technischer<br />

Entwicklungen die Wirksamkeit <strong>der</strong><br />

Konvention zu überprüfen <strong>und</strong> eventuell notwendige<br />

Präzisierungen <strong>und</strong> an<strong>der</strong>e Maßnahmen zu beschließen.<br />

305


Am Vorabend <strong>der</strong> — im September 1986 veranstalteten —<br />

zweiten Überprüfungskonferenz unterrichtete <strong>der</strong> B<strong>und</strong>esminister<br />

des Auswärtigen den B<strong>und</strong>estag, auf dieser Tagung<br />

stünden voraussichtlich Fragen <strong>der</strong> Verifikation <strong>der</strong> Konvention<br />

im Vor<strong>der</strong>gr<strong>und</strong>. Er erklärte: „Die B<strong>und</strong>esregierung wird<br />

sich bei <strong>der</strong> Überprüfungskonferenz vor allem für die<br />

Stärkung <strong>der</strong> Verifikationsregelung einsetzen“. 265<br />

In <strong>der</strong> DDR sah man <strong>das</strong> ganz an<strong>der</strong>s. Im Frühjahr 1986 war<br />

ich gebeten worden, auf einer gemeinsamen Sitzung <strong>der</strong><br />

Klassen für Biologie <strong>und</strong> für Medizin <strong>der</strong> Akademie <strong>der</strong><br />

Wissenschaften über die völkerrechtliche Kontrolle <strong>der</strong> Biowaffen<br />

<strong>und</strong> über die Aufgaben <strong>der</strong> bevorstehenden<br />

Überprüfungskonferenz zu sprechen. Auf <strong>der</strong> Veranstaltung<br />

sollte eine entsprechende Erklärung <strong>der</strong> Akademiemitglie<strong>der</strong><br />

angenommen werden. In <strong>der</strong>en Entwurf hatte ich unter<br />

an<strong>der</strong>em formuliert, die Biotechnologien hätten „seit dem<br />

Inkrafttreten <strong>der</strong> B-Waffen-Konvention neuartige Möglichkeiten<br />

zur Entwicklung <strong>und</strong> Optimierung von biologischen<br />

<strong>und</strong> Toxin-Waffen sowie zu <strong>der</strong>en Anwendung geschaffen“.<br />

Deshalb sollte die Konferenz dazu aufgerufen werden, „sich<br />

darüber zu verständigen, <strong>das</strong>s in vereinbarten Erklärungen<br />

<strong>und</strong> Zusatzprotokollen durch die wissenschaftliche Entwicklung<br />

notwendig gewordene Ergänzungen <strong>der</strong> B-Waffen-<br />

Konvention vorgenommen werden. Insbeson<strong>der</strong>e sollten [...]<br />

Vorkehrungen zur Verhin<strong>der</strong>ung eines Missbrauchs <strong>der</strong><br />

Erlaubnis für friedliche Forschungen getroffen <strong>und</strong> Maßnahmen<br />

zur Kontrolle <strong>der</strong> Einhaltung <strong>der</strong> Konvention<br />

beschlossen werden“.<br />

Die Akademie-Mitglie<strong>der</strong> waren aber zu unmündig, um solche<br />

For<strong>der</strong>ungen erheben zu dürfen: Der Resolutionsentwurf<br />

wurde von <strong>der</strong> Akademieleitung an <strong>das</strong> Ministerium für<br />

Auswärtige Angelegenheiten (MfAA) weitergeleitet. Dort<br />

wurde <strong>das</strong> Verlangen von Kontrollmaßnahmen r<strong>und</strong>weg<br />

abgelehnt <strong>und</strong> durch die völlig unverbindliche For<strong>der</strong>ung<br />

ersetzt, „die B-Waffen-Konvention zu stärken <strong>und</strong> Vorkehrungen<br />

zur Verhin<strong>der</strong>ung eines militärischen Missbrauchs <strong>der</strong><br />

306


neuen biowissenschaftlich-technischen Entwicklungen zu<br />

treffen“. Die revidierte Erklärung wurde dann zwar angenommen,<br />

aber nicht ohne leisen Wi<strong>der</strong>spruch: Der<br />

Pharmakologe <strong>und</strong> Genosse Professor Friedrich Jung monierte<br />

in <strong>der</strong> Diskussion: „Wieso sollen wir eine Entschließung<br />

verabschieden, die keine konkreten Vorschläge enthält“?<br />

Dabei durften ein paar meiner Kollegen <strong>und</strong> ich solche<br />

Empfehlungen zur gleichen Zeit sogar schwarz auf weiß<br />

machen — allerdings nicht im Inland, son<strong>der</strong>n in einem<br />

SIPRI-Buch, <strong>das</strong> einige Tage vor <strong>der</strong> Überprüfungskonferenz<br />

bei Oxford University Press erschien. In dessen Schlusskapitel<br />

wiesen die Autoren — unterstützt von einigen weiteren<br />

Kollegen* — darauf hin, <strong>das</strong>s die Konvention in verschiedener<br />

Hinsicht verletzlich sei, weil sie keine Verifikationsbestimmungen<br />

enthalte. 266 Deshalb sollte zumindest erwogen<br />

werden, ob einige Verifikationsmaßnahmen vereinbart werden<br />

können. Weiter heißt es: „Am besten könnte man die<br />

Schwachstellen durch Absichtserklärungen (statements of<br />

<strong>und</strong>erstanding) o<strong>der</strong>, wenn möglich, durch Zusatzprotokolle<br />

beseitigen. [...] Derartige Verfahren, Erklärungen <strong>und</strong><br />

Protokolle sollten während <strong>der</strong> zweiten Überprüfungskonferenz<br />

diskutiert <strong>und</strong>, im Idealfall, vereinbart werden. [...] Die<br />

Überprüfungskonferenz könnte eine Arbeitsgruppe einsetzen,<br />

die innerhalb eines vorgegebenen Zeitraumes einen Vorschlag<br />

für Verifikationsmaßnahmen ausarbeitet.“ So ist dann tatsächlich<br />

verfahren worden — allerdings erst zehn Jahre später.<br />

Und tragischerweise scheiterte <strong>das</strong> dann schließlich auch...<br />

Im Juni 1986 hatte ich während einer Konferenz zur chemischen<br />

<strong>und</strong> biologischen Rüstungskontrolle sogar Gelegenheit,<br />

* unter ihnen nicht nur eine Reihe „westlicher“ Experten einschließlich<br />

Nobelpreisträger David Baltimore, son<strong>der</strong>n auch mein früherer Chef Friedrich Jung<br />

<strong>und</strong> mein Kollege Helmut Böhme aus <strong>der</strong> DDR sowie die beiden slovakischen<br />

Virologen Dionýz Blaškovič <strong>und</strong> Ladislav Borecký, also immerhin vier führende<br />

Wissenschaftler aus dem „sozialistischen Lager“. Lediglich ein weiterer DDR-Experte,<br />

ein führen<strong>der</strong> Völkerrechtler, zog seine ursprünglich gegebene Zusage zur<br />

Unterstützung unserer Vorschläge dann wie<strong>der</strong> zurück.<br />

307


diese Vorschläge mit dem zuständigen sowjetischen Vertreter<br />

beim Genfer Sitz <strong>der</strong> Vereinten Nationen, Botschafter Victor<br />

L. Israeljan, zu besprechen. In meinem Tagebuch notierte ich<br />

damals: „Ich sprach mit ihm über <strong>das</strong> Problem <strong>der</strong> Stärkung<br />

<strong>der</strong> Konvention (speziell angesichts <strong>der</strong> immer noch zu<br />

spürenden Reserviertheit unserer MfAA-Leute hinsichtlich<br />

entsprechen<strong>der</strong> Maßnahmen). Er sagte, wir sind nicht konservativ,<br />

wenn die wiss. Entw. es erfor<strong>der</strong>t, sind wir für<br />

entsprechende Reaktionen. Er wollte die Fahnen des SIPRI-<br />

Buches haben <strong>und</strong> gab mir dazu seine Privatadresse in Genf“.<br />

Die Ostberliner waren da viel sturer. In meinen Stasi-Akten<br />

befindet sich ein Schreiben* vom 10. Juni 1986, in dem es<br />

heißt, „<strong>das</strong>s es zwischen Prof. <strong>Geißler</strong> <strong>und</strong> dem MfAA unterschiedliche<br />

Auffassungen gibt: MfAA ist aus praktischpolitischen<br />

Gründen <strong>der</strong> Meinung, <strong>das</strong>s konsequent eine<br />

Än<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Konvention vermieden werden muss, da sonst<br />

auch <strong>der</strong> Gegner ‚Än<strong>der</strong>ungen’, die uns nicht genehm sind,<br />

durchsetzen kann. Prof. <strong>Geißler</strong> ist <strong>der</strong> Auffassung, <strong>das</strong>s<br />

Än<strong>der</strong>ungen zweckmäßig seien. Man wird Prof. <strong>Geißler</strong><br />

zusammen mit ** ins MfAA bitten, um vor<br />

<strong>der</strong> Konferenz noch eine Diskussion dazu zu führen. Prof.<br />

<strong>Geißler</strong> erklärte mir [...], <strong>das</strong>s man ‚Letter of Un<strong>der</strong>ständig’<br />

[sic!] o<strong>der</strong> ähnliches anstreben solle, die keine Än<strong>der</strong>ung <strong>der</strong><br />

Konvention bewirken.“ Wenige Tage später, am 17. Juli,<br />

wurde ich tatsächlich ins Außenministerium gebeten, wo <strong>der</strong><br />

Leiter <strong>der</strong> Abteilung UNO unsere For<strong>der</strong>ungen nach einem<br />

Zusatzprotokoll strikt zurückwies. Eine Neuauflage von<br />

Verhandlungen solle auf alle Fälle verhin<strong>der</strong>t werden.<br />

Während <strong>der</strong> ersten Tage <strong>der</strong> 1986er Überprüfungskonferenz<br />

bezichtigten die Vertreter westlicher Staaten die Sowjets<br />

zunächst unisono mit dem Hinweis auf die Milzbrandepi-<br />

* Name von Absen<strong>der</strong> <strong>und</strong> Empfänger dieses Briefes wurden von <strong>der</strong> Gauck-Birthler-<br />

Behörde geschwärzt.<br />

** Geschwärzt von <strong>der</strong> Gauck-Behörde.<br />

308


demie von Swerdlowsk des Vertragsbruches <strong>und</strong> for<strong>der</strong>ten<br />

deshalb Kontrollen <strong>der</strong> Vertragseinhaltung. Auch <strong>der</strong> Botschafter<br />

<strong>der</strong> B<strong>und</strong>esrepublik Deutschland, Dr. Paul Joachim<br />

von Stülpnagel, erklärte am 9. September, <strong>der</strong> Hauptmangel<br />

<strong>der</strong> Konvention sei „<strong>das</strong> Fehlen von Verifikationsmaßnahmen“.<br />

267<br />

Von Stülpnagel ging — wie alle an<strong>der</strong>en Konferenzteilnehmer<br />

auch, einschließlich <strong>der</strong> Vertreter des Ostblocks<br />

— davon aus, <strong>das</strong>s sich die Sowjets wie üblich von solchen<br />

For<strong>der</strong>ungen nicht beeindrucken lassen würden. Aber dann<br />

überraschte Botschafter Israeljan in <strong>der</strong> Plenarsitzung vom<br />

15. September die Konferenzteilnehmer mit dem Vorschlag,<br />

ein Zusatzprotokoll zur Konvention vorzubereiten. Im<br />

Hinblick auf die zuvor von an<strong>der</strong>ern Delegationen erhobenen<br />

For<strong>der</strong>ungen mache „die Sowjetunion den formellen<br />

Vorschlag, ein Zusatzprotokoll zur Konvention [...] auszuarbeiten<br />

<strong>und</strong> anzunehmen, <strong>das</strong> Maßnahmen zur Stärkung des<br />

Systems zur Kontrolle <strong>der</strong> Einhaltung <strong>der</strong> Konvention enthalten<br />

sollte.“ 268 Mit diesem — mit den „Bru<strong>der</strong>län<strong>der</strong>n“<br />

zuvor nicht abgesprochenen — Entschluss hatten die Sowjets<br />

eine totale Kehrtwende vollzogen. Die bisherigen Argumente,<br />

auch die Gründe für meine Meinungsverschiedenheit mit<br />

dem Außenministerium <strong>der</strong> DDR, galten plötzlich nichts<br />

mehr: Die große Sowjetunion war plötzlich sozusagen auf<br />

SIPRI-Linie umgeschwenkt.<br />

Alle westlichen Delegationen waren verstört. Nun hatten<br />

ihnen die Sowjets den Wind aus den Segeln genommen. Auf<br />

eine solche Situation waren sie nicht vorbereitet <strong>und</strong> hatten<br />

nicht die entsprechenden Direktiven im Diplomatengepäck:<br />

Wie<strong>der</strong> hatten die <strong>Geheimdienste</strong> versagt.<br />

Anstatt nun die sowjetischen Vertreter beim Wort zu nehmen<br />

<strong>und</strong> dabei auch abzuklopfen, wie ernst dieser Vorschlag<br />

überhaupt gemeint sei (sehr ernst kann er, wie mir heute<br />

scheint, nicht gemeint gewesen sein, denn zu dieser Zeit lief<br />

<strong>das</strong> sowjetische Biowaffenprogramm gerade auf Hochtouren),<br />

war anstelle von Verifikation auf westlicher Seite nur noch<br />

309


von unverbindlichen vertrauensbildenden Maßnahmen die<br />

Rede. Für die Vereinbarung von Verifikationsmaßnahmen, so<br />

hieß es auf einmal, hätten die Konferenzteilnehmer ja gar<br />

kein Mandat... Das aber stimmte nicht, denn sechs Jahre<br />

zuvor war auf <strong>der</strong> ersten Überprüfungskonferenz beschlossen<br />

worden, <strong>das</strong>s die Frage <strong>der</strong> Verifikation „zu gegebener Zeit<br />

weiterbehandelt werden sollte“.<br />

Das hatte dann noch ein bezeichnendes parlamentarisches<br />

Nachspiel: In einer „Kleinen Anfrage“ wollten Angelika Beer<br />

<strong>und</strong> Alfred Mechtersheimer im Namen <strong>der</strong> „Grünen“ am 24.<br />

Februar 1987 von <strong>der</strong> B<strong>und</strong>esregierung unter an<strong>der</strong>em wissen,<br />

warum sie die von <strong>der</strong> Sowjetunion <strong>und</strong> an<strong>der</strong>en Län<strong>der</strong>n<br />

gemachten Vorschläge nicht unterstützt habe, unverzüglich<br />

die Arbeit an einem Zusatzprotokoll über verbesserte Verifikationsmechanismen<br />

aufzunehmen. Das Auswärtige Amt<br />

brauchte mehr als sechs Monate, um auf diese Frage zu antworten.<br />

Erst am 6. Oktober behauptete <strong>der</strong> Minister, die<br />

B<strong>und</strong>esregierung habe für solche Vereinbarungen kein Mandat<br />

gehabt. 269 Auch <strong>das</strong> stimmte nicht, denn die b<strong>und</strong>esrepublikanische<br />

Delegation hatte ja nicht nur <strong>das</strong> entsprechende<br />

Mandat des B<strong>und</strong>estages vom November 1981 son<strong>der</strong>n auch<br />

die von ihm unmittelbar vor <strong>der</strong> Konferenz angekündigte<br />

Weisung, sich „vor allem für die Stärkung <strong>der</strong> Verifikationsregelung“<br />

einzusetzen.<br />

310


„Vertrauensbildende Maßnahmen“<br />

erwecken Misstrauen<br />

Die zweite Überprüfungskonferenz zur Biowaffenkonvention<br />

war trotz <strong>der</strong> verpassten Gelegenheit zur<br />

wrksamen Stärkung des Abkommens kein Fehlschlag, denn<br />

die Teilnehmer einigten sich wenigstens auf eine Reihe von<br />

vertrauensbildenden Maßnahmen. Jährlich wollten sie sich<br />

gegenseitig über bestimmte Aktivitäten <strong>und</strong> Einrichtungen<br />

informieren, die direkt o<strong>der</strong> indirekt in Beziehung zur<br />

Konvention stehen, nämlich über Hochsicherheitslaboratorien,<br />

über ungewöhnliche Krankheitsausbrüche, über einschlägige<br />

Veröffentlichungen sowie über entsprechende<br />

wissenschaftliche Kontakte. 270<br />

Die Modalitäten dieses Informationsaustausches sollten im<br />

Frühjahr 1987 auf einem Expertentreffen vereinbart werden.<br />

In <strong>der</strong> DDR wurde zu dessen Vorbereitung eine kleine<br />

Arbeitsgruppe gebildet. Da Vakzineaktivitäten — insbeson<strong>der</strong>e<br />

solche, in denen <strong>das</strong> Militär involviert ist <strong>und</strong>/o<strong>der</strong> die sich<br />

mit „dual-threat“-Agenzien beschäftigen — die Achillesferse<br />

<strong>der</strong> biologischen Rüstungskontrolle sind, empfahl die Gruppe,<br />

„<strong>das</strong>s die Vertragspartner als vertrauensbildende Maßnahme<br />

auch über Vakzine-Entwicklungen <strong>und</strong> Vakzininierungsprogramme<br />

(einschließlich <strong>der</strong> Streitkräfte) informieren“. 271<br />

Gleichzeitig wurden entsprechende Verifikationsmaßnahmen<br />

vorgeschlagen: „Überprüfung von Vakzinierungsprogrammen:<br />

Entnahme von Blutproben unter internationaler<br />

Kontrolle (ohne Anmeldung, nach Auswahl durch eine internationale<br />

Ärztegruppe) z.B. von Militärangehörigen <strong>und</strong>/<br />

o<strong>der</strong> jungen Erwachsenen <strong>und</strong> Prüfung <strong>der</strong> Seren in vereinbarten<br />

Laboratorien auf <strong>das</strong> Vorkommen von Antikörpern<br />

gegen die Erreger bzw. Toxine, die vereinbarungsgemäß [...]<br />

als potentielle BW- <strong>und</strong> TW-Agenzien eingeschätzt werden“.<br />

Das war übrigens nicht beson<strong>der</strong>s originell: bereits im<br />

zweiten Weltkrieg hatten angloamerikanische <strong>Geheimdienste</strong><br />

bei Kriegsgefangenen Blutproben entnommen <strong>und</strong> immuno-<br />

311


logisch analysiert. Dadurch sollte herausgef<strong>und</strong>en werden, ob<br />

die feindlichen Soldaten etwa prophylaktisch gegen biologische<br />

Kampfmittel geimpft <strong>und</strong> so möglicherweise auf entsprechende<br />

offensive Aktionen vorbereitet waren. 272<br />

Die Empfehlungen wurden anschließend vom Außenministerium<br />

dem Ministerium für Nationale Verteidigung zur<br />

Prüfung <strong>und</strong> Bestätigung vorgelegt <strong>und</strong> dort im wesentlichen<br />

als Arbeitsgr<strong>und</strong>lage für <strong>das</strong> Wirken <strong>der</strong> DDR-Delegation<br />

beim Expertentreffen in Genf gebilligt — allerdings mit <strong>der</strong><br />

Auflage, die Impfstoffe betreffenden Vorschläge ersatzlos zu<br />

streichen. Zum Glück brachten Irland <strong>und</strong> Österreich einen<br />

ganz ähnlichen Vorschlag ein: Automatisch sollte über „die<br />

Entwicklung von Vakzinen, an<strong>der</strong>en vorbeugenden Substanzen<br />

o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>er Formen des Schutzes gegen Mikroorganismen,<br />

die als bakteriologische (biologische) Kampfmittel geeignet<br />

sind sowie für entsprechend geeignete Toxine“ berichtet werden.<br />

273 Von den USA wurde <strong>das</strong> sofort brüsk zurückgewiesen<br />

(so<strong>das</strong>s sich die Sowjetunion <strong>und</strong> ihre Verbündeten dann mit<br />

ihrer ebenfalls ablehnenden Haltung vornehm zurückhalten<br />

konnten).<br />

Auch bei späterer Gelegenheit <strong>und</strong> bis heute ist in dieser<br />

Hinsicht lei<strong>der</strong> nichts in Bewegung gekommen. Beispielsweise<br />

1991 von Finnland, Frankreich sowie Ungarn gemachte<br />

entsprechende Vorschläge fanden keine Berücksichtigung.<br />

Auch Kanada schlug zwar zunächst vor, es sollten Informationen<br />

über die Impfstoffproduktion gegeben werden,<br />

möglicherweise auch über Impfstoffe gegen potenzielle<br />

Kampfmittel, aber drei Tage später revidierten die Kanadier<br />

ihren Vorschlag <strong>und</strong> hatten den Hinweis auf die Kampfmittel<br />

wie<strong>der</strong> gestrichen. 274 Aus eigenem Antrieb?<br />

Lediglich eine zusätzliche Berichterstattung über die<br />

Produktion staatlich lizenzierter Humanvakzinen wurde auf<br />

<strong>der</strong> Dritten Überprüfungskonferenz 1991 beschlossen, aber<br />

<strong>das</strong> ist ein Witz: solche Informationen bekommt man in je<strong>der</strong><br />

Apotheke, da können auch die <strong>Geheimdienste</strong> nichts falsch<br />

machen...<br />

312


Davon abgesehen erwiesen sich die vereinbarten Berichte<br />

alles an<strong>der</strong>e als vertrauensbildend. 275 Sie waren eher dazu<br />

geeignet, noch mehr Misstrauen zu säen. Da die Maßnahmen<br />

nicht rechtlich verbindlich, son<strong>der</strong>n nur politisch bindend<br />

waren, konnte keine Vollständigkeit in <strong>der</strong> Berichterstattung<br />

erreicht werden. Nur zwei Handvoll Staaten gab in jedem<br />

Jahr ihre Berichte ab — an<strong>der</strong>e beteiligten sich überhaupt<br />

nicht. Und die Län<strong>der</strong>, die an <strong>der</strong> Berichterstattung teilnahmen,<br />

reichten zum Teil unvollständige, zum Teil sogar falsche<br />

Rapporte ein. Von einigen Staaten wurde viel zu viel gemeldet,<br />

aber viel zu wenig wirklich relevantes. Beson<strong>der</strong>s krass<br />

war dies im Fall <strong>der</strong> Sowjetunion. Die meldete zwar einen<br />

Großteil <strong>der</strong> an ihrem Biowaffenprogramm beteiligten<br />

Einrichtungen, deklarierte die meisten von ihnen aber als<br />

zivile, dem Ges<strong>und</strong>heitsschutz dienende Institute o<strong>der</strong> — wie<br />

„Anlage Nr. 19“ in Swerdlowsk — als Einrichtung, in denen<br />

angeblich nicht mit „dual-threat“- Agenzien gearbeitet<br />

wurde. Die Anlage in Stepnogorsk wurde jedoch bis zur<br />

Flucht ihres Direktors verschwiegen.<br />

Vorschläge zur Schaffung einer kleinen Behörde, die die<br />

Berichte auswertet <strong>und</strong> überprüft, wurden abgelehnt.<br />

Vielmehr wurden die in sechs verschiedenen Sprachen abgegebenen<br />

Meldungen in <strong>der</strong> Abrüstungsabteilung <strong>der</strong> UNO in<br />

New York einfach kopiert <strong>und</strong> an die Partnerstaaten verteilt,<br />

denen es dann oblag, die Texte zu übersetzen <strong>und</strong> zu analysieren<br />

— eine für die Mehrzahl <strong>der</strong> Staaten schier unlösbare<br />

<strong>und</strong> wegen <strong>der</strong> mangelnden Verlässlichkeit <strong>der</strong> Rapports<br />

ohnehin überflüssige Aufgabe. Auf die Schaffung eines von<br />

Anfang an gefor<strong>der</strong>te kleinen Sekretariats zur Bearbeitung<br />

<strong>der</strong> Berichte <strong>und</strong> wenigstens zur quantitativen Kontrolle <strong>der</strong><br />

Berichterstattung konnten sich die Partnerstaaten <strong>der</strong><br />

Konvention bis heute nicht einigen.<br />

Erst im April 2002 haben wenigstens die Außenminister <strong>der</strong><br />

Europäischen Union als eine <strong>der</strong> Maßnahmen im Kampf<br />

gegen den Terrorismus vereinbart, künftig gemeinsam die<br />

vertrauensbildenden Berichte zu übersetzen <strong>und</strong> auszuwer-<br />

313


ten (<strong>und</strong> übrigens auch für eine Rücknahme aller Vorbehalte<br />

gegenüber dem Genfer Protokoll einzutreten). 276<br />

Trotzdem kann die Konvention durch solche Berichte nicht<br />

gestärkt <strong>und</strong> die biologische Rüstungsspirale nicht wirklich<br />

aufgehalten werden.<br />

314


„Das Protokoll ist tot, tot, tot“<br />

Weil die vertrauensbildenden Maßnahmen offenk<strong>und</strong>ig<br />

nicht geeignet waren, die Biowaffenkonvention<br />

zu stärken, wurde 1995 schließlich von den<br />

Vertragspartnern vereinbart, eine Arbeitsgruppe einzusetzen,<br />

die bis spätestens 2001 ein rechtsverbindliches Zusatzprotokoll<br />

entwerfen sollte. In 24 mehrwöchigen Verhandlungsr<strong>und</strong>en<br />

gelang es dieser Gruppe bis zum Sommer 2001<br />

einen weitgehend unterschriftsreifen, mehr als 200 Seiten<br />

langen Protokollentwurf auszuhandeln. Der vereinbarte<br />

Entwurf sah ein System von Berichterstattungen über mit<br />

„dual-threat“-Agenzien betriebene Aktivitäten sowie über<br />

entsprechende Technologien <strong>und</strong> Einrichtungen vor. Vorgesehen<br />

waren auch routinemäßige Besichtungen deklarierter<br />

Einrichtungen sowie Verdachtskontrollen. Dadurch hätten<br />

Verletzungen <strong>der</strong> Konvention zwar nicht völlig verhin<strong>der</strong>t,<br />

aber doch beträchtlich erschwert <strong>und</strong> riskanter gemacht<br />

werden können.<br />

Naturgemäß war <strong>der</strong> Protokollentwurf <strong>das</strong> Ergebnis<br />

zahlreicher Kompromisse, die die einzelnen Verhandlungsdelegationen<br />

eingehen mussten. Dabei zeigten sich einige<br />

Staaten in <strong>der</strong> Unterstützung dieser Arbeiten <strong>und</strong> bei <strong>der</strong><br />

Zustimmung zu eher tiefschürfen<strong>der</strong>en Kontrollmaßnahmen<br />

deutlich zurückhalten<strong>der</strong> als an<strong>der</strong>e. Solche Zurückhaltung<br />

demonstrierten vor allem China <strong>und</strong> Russland, speziell aber<br />

die USA. Und denen kommt nun letztlich auch <strong>das</strong> traurige<br />

Verdienst zu, den ganzen Prozess torpediert zu haben —<br />

genau 15 Jahre nachdem die ersten Vorschläge zur Ausarbeitung<br />

eines Zusatzprotokolls gemacht worden waren <strong>und</strong> in<br />

einer Zeit, da weltweit Angst vor Bioterrorismus herrscht<br />

<strong>und</strong> die USA sogar offen damit drohen, gegen einen<br />

mutmaßlichen Besitzer von Biowaffen in den Krieg ziehen zu<br />

wollen.<br />

Nachdem <strong>der</strong> Protokollentwurf zu Beginn <strong>der</strong> 24. Verhandlungsr<strong>und</strong>e<br />

<strong>der</strong> Arbeitsgruppe von allen zu Wort kommenden<br />

315


Delegationen begrüßt <strong>und</strong> gelobt worden war, lehnte die US-<br />

Delegation am dritten Konferenztag, am 25. Juli 2001, <strong>das</strong><br />

Dokument r<strong>und</strong>weg ab <strong>und</strong> erklärte alle weiteren Bemühungen<br />

in dieser Hinsicht als nutzlos. 277 Nach sorgfältiger Prüfung<br />

seien sie zu dem Schluss gekommen, <strong>der</strong> vorgeschlagene<br />

Vertrag sei nicht geeignet, mehr Vertrauen in die Einhaltung<br />

<strong>der</strong> Biowaffenkonvention zu setzen.<br />

FADENSCHEINIGE GRÜNDE, DEN ENTWURF<br />

EINES ZUSATZPROTOKOLLS ABZULEHNEN 278<br />

ANGEGEBENER GRUND<br />

Das Protokoll bietet<br />

keine neuartigen<br />

Kontrollmöglichkeiten<br />

Das Protokoll gefährdet<br />

<strong>das</strong> Recht auf intellektuelles<br />

Eigentum<br />

Das Protokoll gefährdet<br />

des B-Schutzprogramm <strong>der</strong><br />

USA<br />

Das Protokoll gefährdet<br />

den Vollzug <strong>der</strong> existierenden<br />

DTA-<br />

Exportkontrollverfahren<br />

316<br />

KOMMENTAR<br />

Stimmt nicht. Das Protokoll<br />

verpflichtet Staaten zur<br />

Offenlegung <strong>und</strong> ermöglicht<br />

Vor-Ort-Kontrollen. Das war<br />

bisher nicht vorgesehen.<br />

Stimmt nicht. Das Protokoll<br />

enthält schärfere Maßnahmen<br />

zum Schutz intellektuellen<br />

Eigentums als die von den USA<br />

ratifizierte Chemiewaffen-<br />

Konvention.<br />

Nichts im Protokoll verpflichtet<br />

zur Preisgabe sensibler,<br />

die nationale Sicherheit<br />

gefährden<strong>der</strong> Informationen.<br />

Das Gegenteil ist <strong>der</strong> Fall:<br />

Das Protokoll verpflichtet die<br />

Vertragspartner zur Überprüfung<br />

<strong>und</strong> ggf. Verschärfung<br />

<strong>der</strong> entsprechenden Gesetze.


Die für diese Entscheidung angeführten Gründe sind in den<br />

Augen von Graham Pearson, dem früheren Generaldirektor<br />

des britischen Instituts für chemischen <strong>und</strong> biologischen<br />

Schutz in Porton Down <strong>und</strong> <strong>der</strong> überwiegenden Mehrzahl<br />

an<strong>der</strong>er Experten teils fadenscheinig, teils einfach falsch.<br />

Bemerkenswert ist insbeson<strong>der</strong>e <strong>der</strong> Hinweis auf die angebliche<br />

Gefährdung des Rechts auf intellektuelles Eigentum.<br />

Inzwischen wurde bekannt, <strong>das</strong>s die „Biotechnology Industry<br />

Organisation“, die etwa 1400 Biotechnologie-Firmen vertritt,<br />

<strong>und</strong> die „Pharmaceutical Research and Manufacturers of<br />

America“ mehrfach <strong>und</strong> schließlich erfolgreich die Administration<br />

gedrängt hatten, bei <strong>der</strong> Bewertung des Protollentwurfes<br />

ihre intellektuellen <strong>und</strong> technologischen Eigentumsinteressen<br />

zu berücksichtigen. Dagegen hat die US-Regierung<br />

im Gegensatz zu ihren NATO-Partnern ganz offenbar nicht<br />

im Sinne des Protokolls auf die Industrie eingewirkt <strong>und</strong><br />

<strong>der</strong>en Bedenken ausgeräumt. 279<br />

Richtig ist allerdings, <strong>das</strong>s geheime, erst im September 2001<br />

bekannt gewordene amerikanischen Biowaffen-„Schutz“<br />

aktivitäten entsprechend den Auflagen des Zusatzprotokolls<br />

hätten offiziell deklariert werden müssen.<br />

Biobombenbau — nur zum Schutz?<br />

Zu „rein defensiven Zwecken“ sind erklärtermaßen in den<br />

letzten fünf Jahren in den USA geheime Biowaffenexperimente<br />

durchgeführt worden, wie die „New York Times“ im<br />

September 2001 enthüllte <strong>und</strong> die Sprecherin des Pentagon<br />

anschließend bestätigen musste. 280 Diese Versuche schlossen<br />

Arbeiten zur gentechnischen Verän<strong>der</strong>ung von Milzbrand-<br />

Erregern, zur Konstruktion einer Bombe zur Verbreitung von<br />

biologischen Kampfmitteln <strong>und</strong> sogar den Bau einer<br />

Biowaffen-Produktionsanlage in <strong>der</strong> Wüste von Nevada ein.<br />

Unter an<strong>der</strong>em sollte in einem von <strong>der</strong> Defense Intelligence<br />

Agency, einer Abteilung des Pentagon betriebenen Projekt<br />

geprüft werden, ob <strong>der</strong> Impfstoff gegen Milzbrand, <strong>der</strong> seit<br />

317


einiger Zeit den Soldaten <strong>der</strong> US-Armee verabreicht wird,<br />

auch gegen solche genetisch manipulierte biologische Superwaffen<br />

wirksam ist, wie sie zuvor schon von russischen<br />

Wissenschaftlern entwickelt worden waren. Seit 1997 hatten<br />

sich die USA — bis Ende 2002 vergeblich — darum bemüht,<br />

die geschärften Anthrax-Bakterien direkt von den Russen<br />

zu erhalten. 281<br />

Und mit dem Nachbau <strong>der</strong> ebenfalls zuvor in <strong>der</strong><br />

Sowjetunion bzw. in Russland konstruierten Biobombe<br />

wollte die CIA entsprechende Abwehrmöglichkeiten vorbereiten,<br />

da befürchtet würde, <strong>das</strong> russische Original könne auf<br />

dem offenen Markt vertrieben werden. Überdies stelle die<br />

Biobombe ein beson<strong>der</strong>es Abwehrproblem dar, da sie we<strong>der</strong><br />

über einen Zün<strong>der</strong> noch über an<strong>der</strong>e Teile verfüge, die ihre<br />

Ortung mit herkömmlichen Verfahren ermöglicht hätte.<br />

Und <strong>der</strong> unter Kontrolle <strong>der</strong> Threat Reduction Agency des<br />

Pentagon betriebene Bau einer kompletten Biowaffenfabrik<br />

schließlich sei mit frei verkäuflichen, keinerlei Embargobestimmungen<br />

unterliegenden Materialien erfolgt <strong>und</strong> demonstriere,<br />

wie leicht eine terroristische Gruppe o<strong>der</strong> ein Staat<br />

eine Anlage bauen könne, in <strong>der</strong> tödliche Kampfmittel kiloweise<br />

hergestellt werden können. Und dies, wohlgemerkt,<br />

alles nur im Rahmen des in internationalen Verträgen durchaus<br />

erlaubten B-Schutzes.<br />

Wenn aber trotzdem diese bereits 1997 in Angriff genommenen<br />

Aktivitäten offenbar so geheim gehalten wurden, <strong>das</strong>s<br />

angeblich nicht einmal Präsident Clinton darüber informiert<br />

wurde, dann kann dies nicht gerade als „vertrauensbildende<br />

Maßnahme“ eingeschätzt werden.<br />

Tatsächlich ist über diese Projekte von den USA im Rahmen<br />

<strong>der</strong> entsprechenden Berichterstattung nicht informiert worden.<br />

Wie würden aber die USA reagieren, wenn sie auch nur<br />

Hinweise darauf erhielten, <strong>der</strong>lei Aktivitäten liefen in einem<br />

an<strong>der</strong>en Land, geschweige denn in einem „Schurkenstaat“?<br />

An<strong>der</strong>erseits stimmt höchst bedenklich, <strong>das</strong>s Vertreter <strong>der</strong><br />

US-Regierung nach bekannt werden dieser Arbeiten erklärt<br />

318


haben sollen, die Notwendigkeit zur Geheimhaltung solcher<br />

Projekte sei ein wesentlicher Gr<strong>und</strong> für Präsident Bushs<br />

Ablehnung des Protokollentwurfes gewesen.<br />

Vorerst keine Aussicht auf Stärkung <strong>der</strong> Konvention<br />

Angesichts <strong>der</strong> Ablehnung des Vertragsentwurfes war es fast<br />

keine Überraschung mehr, <strong>das</strong>s dann auch die fünfte<br />

Überprüfungskonferenz, die Ende des Jahres 2001 in Genf<br />

stattfand, praktisch mit einem Desaster endete: Am letzten<br />

Konferenztag, zwei St<strong>und</strong>en vor Schluss, for<strong>der</strong>te die US-<br />

Delegation, <strong>der</strong> zur Ausarbeitung eines Zusatzprotokolls eingesetzten<br />

Arbeitsgruppe solle <strong>das</strong> Mandat entzogen werden<br />

— während alle an<strong>der</strong>en Delegationen gehofft hatten, die<br />

Experten könnten ihre Arbeit fortsetzen <strong>und</strong> doch noch<br />

einen Vertragstext ausarbeiten, dem auch die USA zustimmen<br />

könnten. Nein, erklärte <strong>der</strong> nordamerikanische Delegationsleiter<br />

Presseberichten zufolge, „<strong>das</strong> Protokoll ist tot, tot,<br />

tot“. 282 Die Folge war, <strong>das</strong>s — erstmalig in <strong>der</strong> 25jährigen<br />

Geschichte <strong>der</strong> Biowaffenkonvention — eine Überprüfungskonferenz<br />

ohne die Vereinbarung eines im Konsens beschlossenen<br />

Abschlußprotokolls enden würde. Um ein totales<br />

Desaster zu vermeiden griff <strong>der</strong> Präsident <strong>der</strong> Konferenz in<br />

die diplomatische Trickkiste <strong>und</strong> verkündete eine zwölfmonatige<br />

Unterbrechung <strong>der</strong> Veranstaltung — in <strong>der</strong><br />

Hoffnung, bis zum 11. November 2002 könne man sich doch<br />

noch mit den Amerikanern einigen.<br />

Diese Hoffnung erwies sich lei<strong>der</strong> als trügerisch. Intensive bi<strong>und</strong><br />

multilaterale Konsultationen bewirkten ebenso wenig<br />

wie sehr engagierte Bemühungen einiger Nicht-Regierungsorganisationen.<br />

283 Im Gegenteil: Die USA beharrten in mehreren<br />

offiziellen Erklärungen nicht nur auf ihren Standpunkt,<br />

son<strong>der</strong>n nahmen sogar eine noch restriktivere Haltung ein:<br />

Im September gaben sie bekannt, ihrer Meinung nach solle<br />

die Fortsetzung <strong>der</strong> Überprüfungskonferenz nicht, wie<br />

geplant, zwei Wochen, son<strong>der</strong>n nur ein paar Minuten dauern.<br />

284 Dabei sollte nur beschlossen werden, erst wie<strong>der</strong> im<br />

319


Jahre 2006 eine Überprüfungskonferenz abzuhalten. In <strong>der</strong><br />

Zwischenzeit sollten nicht einmal die ursprünglich ins Auge<br />

gefassten Expertentreffen veranstaltet werden. Der vom<br />

stellvertretenden UNO-Generalsekretär als „zehn-Minuten-<br />

Drehtür-Übung“ 285 charakterisierte amerikanische Vorschlag<br />

fand jedoch von keiner Seite Unterstützung.<br />

Um die Konferenz aber nicht scheitern zu lassen, stimmten<br />

die Teilnehmer nach viertägigen, nicht im Plenum, sonden nur<br />

in den regionalen Gruppen geführten, Verhandlungen einem<br />

Kompromissvorschlag des Vorsitzenden zu. Zwar will man<br />

sich auch in den kommenden Jahren regelmäßig treffen, aber<br />

nur, um über Inspektionen bei mutmaßlichen Biowaffeneinsätzen,<br />

einschlägige nationale Gesetzgebungen, Kooperation<br />

bei <strong>der</strong> Bekämpfung von Infektionskrankheiten sowie auch<br />

über einen Verhaltenskodex für Wissenschaftler <strong>und</strong> Wissenschaftlerinnen<br />

zu sprechen. 286 Aber die Frage <strong>der</strong> Kontrolle<br />

bleibt weiterhin <strong>und</strong> mindestens bis zum Jahr 2006<br />

ausgeklammert.<br />

Einschränkend heißt es dazu im Schlußdokument überdies,<br />

<strong>das</strong>s Beschlüsse dieser jährlich abzuhaltenden Treffen im<br />

Konsens zu fassen seien. Die sehr gut f<strong>und</strong>ierten Empfehlungen<br />

zweier britischer Experten, wonach es die Regularien<br />

<strong>der</strong> Überprüfungskonferenzen durchaus erlauben, nicht starr<br />

am Konsensprinzip festzuhalten, son<strong>der</strong>n über zur Stärkung<br />

<strong>der</strong> Konvention notwendige Schritte abzustimmen 287 blieben<br />

also unberücksichtigt. Damit ist die zukünftige Verfahrensweise<br />

weiter erschwert worden, denn nun ist schwarz auf weiß<br />

festgelegt, <strong>das</strong>s schon ein einzelner Staat, um wen es sich auch<br />

handeln möge, jedwede Vereinbarung verhin<strong>der</strong>n kann.<br />

Dieses Ergebnis ist alles an<strong>der</strong>e als ermutigend. Nun besteht<br />

nicht nur die Gefahr, <strong>das</strong>s Misstrauen weiter um sich greift<br />

<strong>und</strong> <strong>das</strong>s militärische Alleingänge erst die wirklichen Katastrophen<br />

auslösen. Aus diesem Gr<strong>und</strong> bleibt unverständlich,<br />

wieso <strong>der</strong> deutsche Außenminister aus dem Ergebnis <strong>der</strong><br />

Konferenz schließen konnte, damit vergrößerten „sich die<br />

Möglichkeiten, Bedrohungen durch biologische Waffen, sei es<br />

320


durch einzelne Staaten, sei es durch Terroristen, einzudämmen“.<br />

288 „Tief enttäuscht“ zeigten sich dagegen die Mitglie<strong>der</strong><br />

<strong>der</strong> „Gruppe <strong>der</strong> Nicht-alliierten <strong>und</strong> An<strong>der</strong>en Staaten“ in<br />

ihrer vom Vertreter Südafrikas vorgetragenen Stellungnahme<br />

über Ausgang <strong>und</strong> Ergebnis <strong>der</strong> Konferenz. 289<br />

Der einzige Anfang November 2002 in Genf vermittelte<br />

Hoffnungsschimmer war die Ankündigung einer neuen globalen<br />

Initiative, zu <strong>der</strong> sich zunächst acht Nicht-Regierungsorganisationen<br />

zusammengeschlossen haben <strong>und</strong> die<br />

von mehr als zehn weiteren Organisationen unterstützt wird.<br />

Das „Bioweapons Prevention Project“ will auf dem Gebiet<br />

<strong>der</strong> Biowaffen für mehr Offenheit <strong>und</strong> Transparenz sorgen,<br />

vor allem über seine Webseite 290 <strong>und</strong> auch durch regelmäßige<br />

Publikation eines „BioWeapons Monitor“. Inwieweit <strong>das</strong><br />

angesichts <strong>der</strong> Haltung <strong>der</strong> <strong>der</strong>zeitigen US-Administration<br />

erfolgreich sein wird, bleibt abzuwarten.<br />

321


Keine biologische Sicherheit ohne<br />

völlige Transparenz<br />

Es gibt Autoren, die meinen, nie sei <strong>das</strong> <strong>Versagen</strong> <strong>der</strong><br />

<strong>Geheimdienste</strong> so offenk<strong>und</strong>ig gewesen wie bei den<br />

Anschlägen auf World Trade Center <strong>und</strong> Pentagon. 291 Manche<br />

inzwischen bekannt gewordenen Fakten lassen darauf<br />

schließen, <strong>das</strong>s US-Ermittler von den geplanten Terroranschlägen<br />

vom 11. September 2001 wussten, die bereits in<br />

ihr Visier geratenen Verdächtigen aber gewähren ließen. „Es<br />

mehren sich die Hinweise, <strong>das</strong>s CIA <strong>und</strong> FBI den Angriff auf<br />

Amerika hätten verhin<strong>der</strong>n können“. 292 Vielleicht ist <strong>das</strong><br />

übertrieben.<br />

Was aber wirklich hätte verhin<strong>der</strong>t werden können, wären die<br />

Anthrax-Briefanschläge vom gleichen Herbst — nicht weil<br />

solche Aktionen bereits zwei Jahre zuvor für denkbar gehalten<br />

worden waren. Da war es schon zu spät um den Bioterroristen<br />

noch in den Arm zu fallen. Nein: Bau <strong>und</strong> Versand <strong>der</strong><br />

Anthrax-Briefbomben <strong>und</strong> die dadurch verursachten Todesopfer<br />

hätten vermieden werden können, wenn die <strong>Geheimdienste</strong><br />

aller Län<strong>der</strong> besser gearbeitet <strong>und</strong> die von ihnen<br />

bedienten Politiker <strong>und</strong> Militärs nicht dazu animiert hätten,<br />

sich nach dem Ersten Weltkrieg de facto gr<strong>und</strong>los mit biologischen<br />

Kampfmitteln zu bewaffnen <strong>und</strong> so eine biologische<br />

Rüstungsspirale anzustoßen <strong>und</strong> in Gang zu halten, <strong>der</strong>en<br />

vorläufig letztes, weltweit alarmierendes „spin-off“ die<br />

Milzbrandbriefe sind. Die Belege für diese These sind auf den<br />

vorstehenden Seiten dargestellt worden.<br />

Fairerweise muss man zugeben, <strong>das</strong>s die weltweite biologische<br />

Aufrüstung im Zwanzigsten Jahrh<strong>und</strong>ert nicht nur<br />

dem <strong>Versagen</strong> <strong>der</strong> <strong>Geheimdienste</strong> angelastet werden kann.<br />

Wenn Deutschland <strong>und</strong> Japan 1933 nicht den Völkerb<strong>und</strong><br />

verlassen hätten, wäre möglicherweise bereits zu einer Zeit,<br />

als nur in zwei Län<strong>der</strong>n — Frankreich <strong>und</strong> <strong>der</strong> Sowjetunion<br />

— noch recht begrenzte Biowaffenaktivitäten liefen ein<br />

Rüstungsbegrenzungsabkommen zustande gekommen, <strong>das</strong><br />

322


diesem Spuk ein Ende gesetzt hätte. Abgesehen davon war<br />

<strong>das</strong> sehr intensive <strong>und</strong> für viele tödlich endende japanische<br />

Biowaffenprogramm weniger auf Geheimdienstinformationen<br />

zurückzuführen, aber immerhin auf eine Fehlinterpretation<br />

des militärischen Wertes dieser Kampfmittel. Aber<br />

wenigstens löste <strong>das</strong> japanische Programm in an<strong>der</strong>en<br />

Län<strong>der</strong>n bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges keine<br />

Nachahmereffekte aus. Danach hatte es durch seinen<br />

Einfluss auf die Biowaffenaktivitäten <strong>der</strong> kalten Kriegsgegner<br />

USA <strong>und</strong> UdSSR ziemlich verheerende Folgen.<br />

Zum Glück hatte <strong>das</strong> <strong>Versagen</strong> <strong>der</strong> <strong>Geheimdienste</strong> gelegentlich<br />

auch positive Folgen, beispielsweise die, <strong>das</strong>s es während<br />

des Zweiten Weltkrieges in Europa nicht zum Einsatz von<br />

biologischen <strong>und</strong> Toxin-Waffen kam: Hitlers Verbot offensiver<br />

Biokriegsvorbereitungen <strong>und</strong> Stalins Eliminierung seiner<br />

Biowaffenexperten verhin<strong>der</strong>ten Produktion, Munitionierung<br />

<strong>und</strong> Einsatz dieser Massenvernichtungsmittel durch die<br />

beiden Schurkenstaaten.<br />

An<strong>der</strong>erseits hätte <strong>das</strong> <strong>Versagen</strong> <strong>der</strong> <strong>Geheimdienste</strong> <strong>und</strong> die<br />

biologische Aufrüstung noch verheeren<strong>der</strong>e Folgen haben<br />

können als die fünf Todesopfer <strong>der</strong> Milzbrandbriefe. Man<br />

braucht sich aber nur auszumalen, was geschehen wäre, wenn<br />

während des Zweiten Weltkrieges in England eine Maul-<strong>und</strong>-<br />

Klauenseuche-Epidemie vom Umfang des Seuchengeschehens<br />

des Jahres 2001 ausgebrochen wäre: Falschmeldungen<br />

<strong>der</strong> <strong>Geheimdienste</strong> zufolge hatten die Deutschen schon vor<br />

Kriegsausbruch mit eben diesem Erreger sogar Feldversuche<br />

durchgeführt: Wäre <strong>das</strong> dann nicht ein Anlass gewesen, <strong>das</strong><br />

Gegenmittel, die Milzbrandkekse gegen Deutschland einzusetzen?<br />

Und hätte Hitler dann vielleicht seine Zurückhaltung<br />

aufgegeben <strong>und</strong> mit den neuartigen, den Gegnern noch unbekannten<br />

chemischen Kampfstoffen geantwortet, gegen die es<br />

noch keine Gegenmittel gab? O<strong>der</strong> gar auch biologisch aufrüsten<br />

<strong>und</strong> angreifen zu lassen?<br />

O<strong>der</strong> hätte <strong>der</strong> deutsche Schurke vielleicht Massenvernichtungswaffen<br />

zumindest gegen die Sowjetunion eingesetzt,<br />

323


wenn ein Vorgänger von Ken Alibek bereits vor sechzig<br />

Jahren behauptet hätte, die Rote Armee setze die Erreger<br />

von Q-Fieber <strong>und</strong> Tularämie gegen die Wehrmacht ein?<br />

Glücklicherweise kam es nicht so weit. Trotzdem drehte sich<br />

die biologische Rüstungsspirale nach 1945 nicht nur unvermin<strong>der</strong>t,<br />

son<strong>der</strong>n sogar mit weitaus höherer Geschwindigkeit<br />

weiter, diesmal allerdings vor allem stimuliert durch <strong>das</strong> umfangreiche<br />

japanische Programm, von dem mindestens die<br />

Amerikaner, vermutlich aber auch die Sowjets profitierten.<br />

Aber <strong>das</strong> wurde ja schließlich auch in erster Linie von den<br />

Nachrichtendiensten ausgewertet... Auf beiden Seiten des<br />

eisernen Vorhangs führte <strong>das</strong> zum Aufbau von biologischen<br />

<strong>und</strong> Toxinwaffen-Rüstungskapazitäten <strong>und</strong> Arsenalen, die<br />

zum mehrfachen „Superkill“ ausgereicht hätten.<br />

Zwar wurde vor einem Vierteljahrh<strong>und</strong>ert mit <strong>der</strong> Vereinbarung<br />

<strong>der</strong> Biowaffenkonvention ernsthaft versucht, die<br />

Spirale zum Stillstand zu bringen. aber da war es wohl schon<br />

zu spät <strong>und</strong> auch nicht effektiv genug. Und heute sieht es auf<br />

diesem Gebiet fast noch schlimmer aus. Inzwischen beunruhigen<br />

uns die <strong>Geheimdienste</strong> mit Behauptungen, es gäbe 10<br />

bis 15 Staaten, die solche „Atomwaffen des armen Mannes“<br />

besitzen beziehungsweise zumindest danach streben, allen<br />

voran <strong>der</strong> Irak. Selbst die seriöse „Arms Control Association“<br />

reihte sich im Herbst 2002 in den Kreis <strong>der</strong>er ein, die eine<br />

ganze Reihe von Staaten <strong>der</strong>art beschuldigen: Ägypten,<br />

China, Indien, Irak, Iran, Israel, Kuba, Libyen, Nordkorea,<br />

Pakistan, Russland, Sudan, Syrien, Taiwan — <strong>und</strong> sogar die<br />

USA. Letztere wurden in die Liste mit aufgenommen, weil sie<br />

zur Zeit „im Rahmen ihres B-Schutz-Programms Forschungsarbeiten<br />

durch[führten], die nach Ansicht mancher die BWC<br />

verletzen“. 293<br />

Gerade dieses Zitat zeigt die Fragwürdigkeit solcher Aufzählungen,<br />

denn im Prinzip ist je<strong>der</strong> Staat mit einer halbwegs<br />

entwickelten biotechnologischen <strong>und</strong> pharmazeutischen<br />

Instituts- <strong>und</strong> Industrielandschaft auch in <strong>der</strong> Lage, Bio- <strong>und</strong><br />

Toxinwaffen nicht nur herzustellen, son<strong>der</strong>n auch zu verbreiten.<br />

324


Natürlich ist die Gefahr einer biologischen Aufrüstung von<br />

schurkischen Staaten <strong>und</strong> Gruppen <strong>der</strong>zeit viel größer als vor<br />

25 Jahren. Verantwortlich dafür sind einerseits die Einführung<br />

<strong>der</strong> molekularen Biotechnologien <strong>und</strong> an<strong>der</strong>erseits<br />

<strong>das</strong> Ende des Kalten Krieges: Ehemalige sowjetische<br />

Biowaffen-Experten verdienen heute in <strong>der</strong> Regel nicht mehr<br />

als 100 Dollar im Monat. 294 Könnte man es ihnen verdenken,<br />

wenn sie Lockrufen mit Petrodollars folgen <strong>und</strong> beispielsweise<br />

ihr Wissen <strong>und</strong> ihre Fähigkeiten Schurkenstaaten zur<br />

Verfügung stellen? O<strong>der</strong> wenn sie aus ideologischen<br />

Gründen einen Verzweiflungskampf gegen die Sieger des<br />

Kalten Krieges führen wollen? Allerdings liegen zumindest<br />

nach Ansicht <strong>der</strong> B<strong>und</strong>esregierung keine „gesicherten Erkenntnisse<br />

über Abwan<strong>der</strong>ungen von mit biologischer<br />

Forschung befassten Wissenschaftlern aus dem Bereich <strong>der</strong><br />

ehemaligen Sowjetunion in Drittlän<strong>der</strong>, die B-Waffen-<br />

Programme aufbauen bzw. unterhalten“ vor. 295 Haben die<br />

Dienste diesmal richtig informiert, o<strong>der</strong> ist <strong>das</strong> schon wie<strong>der</strong><br />

eine Fehleinschätzung?<br />

Und was ist aus den sowjetischen Vorräten an Bio- <strong>und</strong><br />

Toxinkampfmitteln geworden? Verlässliche Informationen<br />

darüber gibt es bis heute auch nicht. Dem Vorsitzenden <strong>der</strong><br />

Russischen Staatlichen Epidemiologie-Aufsicht zufolge würden<br />

tödliche Keime ebenso scharf bewacht wie Nuklearanlagen.<br />

296 Ist wenigstens dieser Vorsitzende richtig informiert?<br />

Das Unvermögen <strong>der</strong> Dienste <strong>und</strong> seine Ursachen<br />

Warum die Dienste wenigstens auf diesem Gebiet so sträflich<br />

versagt haben ist für Außenstehende natürlich kaum herauszufinden.<br />

Ein Hauptproblem war <strong>und</strong> ist sicher, <strong>das</strong>s es sich<br />

bei allen biologischen <strong>und</strong> Toxinkampfstoffen um dualthreat-Agenzien<br />

handelt, die mit dual-use-Methoden <strong>und</strong><br />

-geräten unter Anwendung von dual-use-Kenntnissen bearbeitet<br />

werden, sowohl im zivilen Ges<strong>und</strong>heitswesen als auch<br />

Militärbereich, <strong>und</strong> dort sowohl im Rahmen <strong>der</strong> erlaubten<br />

Schutzforschung als auch mit möglicherweise offensiven<br />

325


Intentionen. Wie soll einer, <strong>der</strong> nicht als Bakteriologe,<br />

Mikrobengenetiker o<strong>der</strong> Virologe ausgebildet wurde, beurteilen,<br />

was in dem einen o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Labor tatsächlich passiert<br />

<strong>und</strong> mit welcher Zielstellung?<br />

Zweitens könnten gelegentlich gezielte Desinformationen<br />

durch die Ausgespähten eine Rolle gespielt haben. Die<br />

Angloamerikaner begründeten so am Ende des Zweiten<br />

Weltkrieges ihre prof<strong>und</strong>e Fehleinschätzung <strong>der</strong> deutschen<br />

Biowaffenkapazitäten; angeblich seien „falsche Berichte über<br />

deutsche Pläne <strong>der</strong> bakteriologischen Kriegsführung [...] als<br />

Mittel <strong>der</strong> psychologischen Kiegsführung verbreitet worden“.<br />

297 Aber <strong>das</strong> war eine Schutzbehauptung: Mit Ausnahme<br />

<strong>der</strong> Täuschungsaktion <strong>der</strong> CIA gegenüber <strong>der</strong> Sowjetunion in<br />

den sechziger Jahren ist kein weiterer Fall bekannt geworden,<br />

wo die gegnerische Seite bezüglich Biowaffenaktivitäten<br />

bewusst in die Irre geführt wurde.<br />

Vor welchen Problemen man drittens bei <strong>der</strong> Bewertung <strong>der</strong><br />

von „Whistleblowern“ gemachten Informationen steht,<br />

beschreibt Tim Trevan bezüglich <strong>der</strong> von Saddams Schwiegersohn<br />

gemachten Angaben über <strong>das</strong> irakische Massenvernichtungswaffen-Programm:<br />

In solchen Fällen müsse man<br />

sich immer fragen: „Sagte er die Wahrheit? O<strong>der</strong> war er ein<br />

agent provocateur, <strong>der</strong> Saddam Husseins Spiel spielt, um uns<br />

in die Irre zu führen? O<strong>der</strong> war er lediglich ein Flüchtling, <strong>der</strong><br />

unsere Unterstützung sucht, indem er uns <strong>das</strong> erzählte, was<br />

wir hören wollen? O<strong>der</strong> war er ein engagierter Politiker, <strong>der</strong><br />

uns zynisch benutzt, um seine eigene Sache zu betreiben? Es<br />

gab keine Möglichkeit, <strong>das</strong> herauszufinden.“ 298 Zwar berichtete<br />

ein Waffeninspektor später, es habe mindestens zehn<br />

Fälle gegeben, wo irakische „Whistleblower“ sehr genaue.<br />

höchst wertvolle Informationen geliefert hätten, aber ein<br />

Kollege von ihm gab dagegen an, 95% solcher Angaben seien<br />

wertlos gewesen. 299<br />

Wie recht Trevan mit seinen Überlegungen hatte zeigt sich<br />

bei <strong>der</strong> Überprüfung <strong>der</strong> von Ken Alibek gemachten Angaben<br />

über Geschehnisse, die sich vor seiner Zeit abspielten.<br />

326


Aber selbst Informationen über sowjetische Biowaffenaktivitäten,<br />

die er aus eigenem Augenschein kennen müsste,<br />

sind offenbar auch nicht in jedem Fall korrekt. So soll die<br />

CIA aufgr<strong>und</strong> seiner Angaben 150.000 Dollar zur Beschaffung<br />

einer Maschine zum Abfüllen von Anthrax-Sporen aus<br />

Stepnogorsk zur Verfügung gestellt haben. Das hochbrisante<br />

Gerät konnte dann überraschen<strong>der</strong>weise völlig problemlos<br />

<strong>und</strong> auch viel billiger beschafft werden. Es diente nämlich nur<br />

<strong>der</strong> Füllung <strong>und</strong> dem Verschluss von Milchflaschen. 300<br />

Sehr viel genauer wissen wir dagegen heute, was von den von<br />

Klotz <strong>und</strong> an<strong>der</strong>en antifaschistischen Emigranten nach<br />

Hitlers Machtergreifung gelieferten Informationen zu halten<br />

ist, wie auch bei den offensichtlich darauf bauenden „Enthüllungen“<br />

Steeds über angebliche Aktivitäten von Reichswehr<br />

<strong>und</strong> Wehrmacht. Hier war <strong>das</strong> eigentlich ehrenwerte Motiv<br />

für die Irreführung <strong>der</strong> Behörden <strong>der</strong> Versuch, die<br />

Weltöffentlichkeit vor Hitler zu warnen.<br />

Hingegen basieren die von Petras verbreiteten Behauptungen<br />

über die westdeutsche Nachkriegs-Biowaffenforschung<br />

wohl vornehmlich auf seinem persönlichen Frust<br />

wegen des Verlustes seiner Forschungsför<strong>der</strong>ung. Woher sollen<br />

die Empfänger solcher Informationen aber wissen, wie<br />

die Angaben ihrer Informanten einzuschätzen <strong>und</strong> wie die<br />

Dementis <strong>der</strong> Beschuldigten zu bewerten sind? Segals<br />

Motive für die mit krimineller Energie betriebene Kampagne,<br />

die US-Militär-Genetiker für die Entstehung des AIDS-<br />

Erregers verantwortlich zu machen, bleiben völlig im<br />

Dunklen. Er hatte zwar schon zuvor immer mal wie<strong>der</strong><br />

abstruse Hypothesen vertreten, etwa hinsichtlich <strong>der</strong><br />

Struktur von Eiweiß- <strong>und</strong> Nukleinsäuremolekülen, <strong>der</strong><br />

Mechanismen des Erkennens von Farben <strong>und</strong> <strong>der</strong> Vererbung<br />

erworbener Eigenschaften, aber im Falle von AIDS ging es<br />

um ein Thema ganz an<strong>der</strong>er politischer, medizinischer <strong>und</strong><br />

wissenschaftlicher Dimensionen, <strong>und</strong> in Expertenkreisen<br />

stieß Segal fast durchweg auf entschiedenen Wi<strong>der</strong>spruch. Es<br />

fällt schwer, diese Aktion lediglich auf die sprühende Fantasie<br />

327


eines älteren, zutiefst anti-imperialistisch eingestellten<br />

Herren zurückzuführen.<br />

Damit soll jedoch nicht behauptet werden, <strong>das</strong>s man generell<br />

wissenschaftlichen Einzelgängern, Emigranten, Überläufern<br />

<strong>und</strong> Whistleblowern nicht trauen dürfe. Nur, lei<strong>der</strong>: im Biowaffenbereich<br />

gibt es kaum bekanntgewordene Fälle, wo<br />

entsprechende Informationen tatsächlich r<strong>und</strong>um korrekt <strong>und</strong><br />

entsprechend wirklich hilfreich waren. Inwieweit die Behauptungen<br />

Scott Ritters über die irakische Abrüstungsanstrengungen<br />

korrekt sind, die heftigst bestritten wurden, hat sich<br />

vielleicht schon bei Erscheinen dieses Buches herausgestellt.<br />

Jedenfalls muss in diesem Zusammenhang auch eingeräumt<br />

werden, <strong>das</strong>s gelegentlich exakte Informationen über Biowaffenaktivitäten<br />

gesammelt, aber von den zuständigen Behörden<br />

nicht ernst genug genommen wurden. Zwei beson<strong>der</strong>s<br />

krasse Fälle für die Nichtbeachtung nachrichtendienstlicher<br />

Erkenntnisse sind die anfängliche Unterbewertung <strong>der</strong> Informationen<br />

über irakische Biowaffenaktivitäten vor Beginn des<br />

Golfkrieges sowie die zögerliche, schließlich ablehnende<br />

Haltung <strong>der</strong> Wehrmacht hinsichtlich <strong>der</strong> Waffenfähigkeit von<br />

Bacillus anthracis nach Entdeckung eines einschlägigen französischen<br />

Dokuments. Im letzteren Fall spielte aber auch die<br />

Ignoranz von Experten eine große Rolle. Woraus wie<strong>der</strong>um<br />

<strong>das</strong> Problem erwächst, wie Politiker, Militärs <strong>und</strong> an<strong>der</strong>e<br />

Entscheidungsträger unterschiedliche Meinungen von Experten<br />

<strong>und</strong> an<strong>der</strong>en Informanten bewerten sollen: Woher<br />

sollten beispielsweise die DDR-Oberen wissen, wer Recht<br />

hatte: <strong>der</strong> im „Kampf gegen den Faschismus gestählte“<br />

Genosse Segal o<strong>der</strong> <strong>der</strong> etwas jüngere, nicht min<strong>der</strong> antifaschistisch<br />

eingestellte Genosse Rosenthal? Und <strong>das</strong>s selbst<br />

ganze Gruppen hervorragen<strong>der</strong> Wissenschaftler — zumindest<br />

vorübergehend — irren können beweist die Meinung<br />

führen<strong>der</strong> Molekularbiologen hinsichtlich <strong>der</strong> Bedeutung <strong>der</strong><br />

Gentechnik für Entwicklung <strong>und</strong> Einsatz biologischer<br />

Kampfmittel.<br />

328


Der begrenzte Wert von Biokampfstoffen<br />

Unabhängig vom Wahrheitsgehalt <strong>der</strong> Informationen: <strong>der</strong><br />

militärische Wert biologischer <strong>und</strong> Toxinkampfmittel ist<br />

offenbar so gering, <strong>das</strong>s sie vom Militär bisher nur einmal eingesetzt<br />

wurden, von Japan im Zweiten Weltkrieg. Ihr Einsatz<br />

durch den deutschen Nachrichtendienst im Ersten Weltkrieg<br />

diente ja nur <strong>der</strong> Biosabotage <strong>und</strong> war wenig erfolgreich. Das<br />

aber könnte sich inzwischen geän<strong>der</strong>t haben. Mit den neuartigen<br />

Verbreitungsmöglichkeiten, insbeson<strong>der</strong>e durch Aerosole,<br />

stellen solche Mittel heute gefährliche strategische<br />

Waffen dar, vor allem auch gegen Kulturpflanzen <strong>und</strong><br />

Nutzviehbestände. 301 Und geeignet sind sie für Attentate <strong>und</strong><br />

Terrorakte, aber auch dafür wurden sie bisher nur sehr selten<br />

verwendet.<br />

Außerdem sind Entwicklung, Herstellung, Lagerung <strong>und</strong><br />

Einsatz solcher Waffen durch Genfer Protokoll <strong>und</strong><br />

Biowaffenkonvention völkerrechtlich verboten. Diese Verträge<br />

sind aber nicht frei von Schwachstellen. Und sie sind nicht<br />

weltweit akzeptiert, insbeson<strong>der</strong>e nicht von wichtigen<br />

Staaten <strong>der</strong> Krisenregion Nahost. Außerdem genügt es nicht,<br />

formal Partnerstaat <strong>der</strong> Biowaffenkonvention zu sein; vielmehr<br />

müssen ihre Bestimmungen in entsprechende nationale<br />

Gesetze transformiert werden.<br />

In diesem Rahmen haben auch Exportkontrollen sicher eine<br />

gewisse Bedeutung — vor allem wenn man daran denkt, <strong>das</strong>s<br />

<strong>der</strong> Irak eine ganze Reihe seiner Bio- <strong>und</strong> Toxinwaffen aus<br />

Starterkulturen entwickelt hat, die ursprünglich aus den USA<br />

<strong>und</strong> zum Teil wohl auch aus Frankreich offen <strong>und</strong> legal bezogen<br />

wurden. An<strong>der</strong>erseits sind strenge Exportkontrollen<br />

eigentlich kaum mit <strong>der</strong> Biowaffenkonvention vereinbar,<br />

denn die verpflichtet in Artikel X die Partnerstaaten, „den<br />

weitestmöglichen Austausch von Ausrüstungen, Material <strong>und</strong><br />

wissenschaftlichen <strong>und</strong> technologischen Informationen zur<br />

Verwendung bakteriologischer (biologischer) Agenzien <strong>und</strong><br />

von Toxinen für friedliche Zwecke zu erleichtern“.<br />

Außerdem sind sicher noch so strenge Exportkontrollen<br />

329


nicht dazu geeignet, Biowaffenprogramme vollständig zu verhin<strong>der</strong>n:<br />

Krankheitskeime können auch von natürlichen<br />

Krankheitsausbrüchen beschafft werden <strong>und</strong> <strong>das</strong>s selbst<br />

komplette <strong>und</strong> funktionsfähige Biowaffenfabriken mit frei<br />

erhältlichen Ausrüstungsgegenständen aufgebaut werden<br />

können, wurde unlängst in den USA bewiesen.<br />

Statt dessen wäre deshalb darüber nachzudenken, entsprechende<br />

Transfers durch ein umfassendes, allgemeinverbindliches<br />

Überwachungssystem zu kontrollieren, mit dem verfolgt<br />

wird, welche Materialien — Pathogene, Toxine wie auch<br />

Geräte — für welchen Zweck wohin beziehungsweise woher<br />

geliefert werden.<br />

Eine ganz an<strong>der</strong>e Frage ist die Kontrolle des Informationsflusses.<br />

Ist es überhaupt möglich, den Transfer von Knowhow<br />

zu überwachen o<strong>der</strong> gar zu reglementieren? In diesem<br />

Zusammenhang wird in wissenschaftlichen Kreisen vor allem<br />

seit <strong>der</strong> Veröffentlichung <strong>der</strong> Versuche mit dem gentechnisch<br />

konstruierten Killer-Mausvirus wie<strong>der</strong> intensiv <strong>und</strong> völlig<br />

kontrovers diskutiert, ob man „sensible Bef<strong>und</strong>e“ besser<br />

nicht veröffentlichen sollte. 302 Sicher wäre es verhängnisvoll,<br />

wenn man Terroristen in Fachzeitschriften Anleitungen zum<br />

Bau von Biobomben gibt. Aber was sind die Kriterien für<br />

Forschungsergebnisse, die unter Verschluss zu halten sind?<br />

Und: wäre es nicht viel schlimmer, man verschweigt ein<br />

potenziell sehr gefährliches Ergebnis <strong>und</strong> ein Whistleblower<br />

verrät <strong>das</strong> Ganze in bester Absicht <strong>und</strong> richtet dadurch noch<br />

viel mehr Schaden an?<br />

Die Rolle von Verboten<br />

Darüber hinaus wird seit einigen Jahren angestrebt, ein internationales<br />

Gesetzeswerk auf den Weg zu bringen, um individuelle<br />

Verletzungen <strong>der</strong> Norm gegen biologische <strong>und</strong> Toxin-<br />

Kriegsführung zu kriminalisieren. Ein von Matthew<br />

Meselson <strong>und</strong> Julian Perry Robinson angeregter Entwurf 303<br />

entspricht solchen internationalen Verträgen, die Flugzeugentführung,<br />

den Diebstahl von Kernmaterial, Geiselnahme<br />

330


<strong>und</strong> ähnliche Verbrechen unter Strafe stellen. Er verbietet<br />

jedem, unabhängig von seiner Stellung, sich an <strong>der</strong><br />

Entwicklung, Herstellung, Beschaffung o<strong>der</strong> Anwendung biologischer<br />

o<strong>der</strong> chemischer Kampfmittel zu beteiligen.<br />

Daneben wurde eine Konvention für biologische Sicherheit<br />

(„Biosecurity Convention“) vorgeschlagen, die u.a. die<br />

Abgabe von dual-threat-Agenzien durch Stammsammlungen<br />

regulieren soll. 304 Außerdem wurde ein Entwurf für einen<br />

Vertrag über die Verhin<strong>der</strong>ung <strong>und</strong> <strong>das</strong> Verbot des<br />

Bioterrorismus ausgearbeitet. 305<br />

Trotz ihrer Schwächen haben sich solche Verbote gelegentlich<br />

durchaus als wirksam erwiesen. Die 1902 vom deutschen<br />

Generalstab verabschiedeten Regeln zum „Kriegsbrauch im<br />

Landkrieg“ verhin<strong>der</strong>ten zunächst den antipersonellen<br />

Einsatz von Bakterien. Und bei Ausbruch des Zweiten<br />

Weltkrieges versicherten sich die wichtigsten kriegführenden<br />

Parteien — allerdings auch Japan — gegenseitig, die Bestimmungen<br />

des Genfer Protokolls einhalten zu wollen. Und<br />

taten <strong>das</strong> auch, mit Ausnahme von Japan. An<strong>der</strong>erseits können<br />

Verbote umgangen <strong>und</strong> verletzt werden. Beson<strong>der</strong>s eklatant<br />

erfolgte <strong>das</strong> bezüglich <strong>der</strong> Biowaffenkonvention durch<br />

die Sowjetunion. Vermutlich gibt es auch „Schurkenstaaten“,<br />

die tatsächlich gegen die Auflagen <strong>der</strong> Konvention verstoßen.<br />

Selbst nationale Gesetze, <strong>und</strong> internationale Kriminalisierung<br />

bieten also keinen vollständigen Schutz vor biologischen<br />

<strong>und</strong> Toxinkampfmitteln. Kontrolle <strong>der</strong> Einhaltung <strong>der</strong><br />

Gesetze tut deshalb not. Das ist aber überaus schwer zu praktizieren.<br />

Selbst mit noch so tiefschürfenden Methoden können<br />

geheime Verletzer <strong>der</strong> BWC wegen <strong>der</strong> mehrfach<br />

erwähnten dual-threat- <strong>und</strong> dual-use-Problematik nicht überführt<br />

werden. Aus diesen Gründen ist die Stärkung <strong>der</strong><br />

Biowaffenkonvention durch ein Zusatzprotokoll unverzichtbar.<br />

Selbst wenn ein solches Protokoll, wie die USA jüngst<br />

ihre Ablehnung begründet haben, nicht wirklich wirksam vor<br />

Biowaffen schützen kann: Auf alle Fälle würde es abschreckend<br />

wirken.<br />

331


Auch Transparenz ist unverzichtbar<br />

Es gibt aber zwei Maßnahmenbündel, mit denen die<br />

Bedrohung durch dual-threat-Agenzien drastisch minimiert<br />

<strong>und</strong> die biologische Rüstungsspirale endgültig gestoppt<br />

werden könnte: Absolute Transparenz <strong>und</strong> gemeinsamer<br />

weltweiter Aufbau eines biologischen Schutzwalls.<br />

Völlige Offenheit ist vor allem deshalb notwendig, weil auch<br />

aus B-Schutz-Aktivitäten offensives Know-how <strong>und</strong> offensive<br />

Potenziale erwachsen, was zwangsläufig dazu führt, <strong>das</strong>s<br />

solche Aktivitäten von an<strong>der</strong>en oft mit großem Misstrauen<br />

beobachtet werden. Deshalb haben acht Nicht-Regierungsorganisationen<br />

Ende 2002 Verhaltensnormen für B-Schutz-<br />

Aktivitäten vorgeschlagen. 306 Das gleiche Thema soll auch im<br />

Jahre 2005 auf <strong>der</strong> Tagesordnung einer <strong>der</strong> von <strong>der</strong> 5. Überprüfungskonferenz<br />

vereinbarten Interimstagungen stehen.<br />

Ganz an<strong>der</strong>e Ansätze zur Schaffung von Transparenz auf dem<br />

Gebiete des B-Schutzes waren Anfang <strong>der</strong> 1990er Jahre mit<br />

dem „Vaccines-for-Peace“-Projekt (VfP) gemacht worden. 307<br />

Im Kern ging es darum, alle Impfstoffe gegen dual-threat-<br />

Agenzien unter völliger Transparenz zu entwickeln, herzustellen<br />

<strong>und</strong> einzusetzen, <strong>und</strong> zwar in unterschiedlichen<br />

Weltregionen von international zusammengesetzten Teams.<br />

Diese Transparenz würde es ermöglichen, <strong>das</strong>s selbst Staaten<br />

des nahöstlichen Pulverfasses nicht länger Gr<strong>und</strong> hätten,<br />

einen Beitritt zur Konvention zu verweigern. Wenn Ägypter,<br />

Israelis, Palästinenser <strong>und</strong> Syrer gemeinsam in einem solchen<br />

Programm mitarbeiten, wären sie sicher, sich wenigstens<br />

nicht mehr biologisch gegenseitig bedrohen zu können.<br />

Der Vorschlag von VfP wurde intensiv <strong>und</strong> kontrovers diskutiert.<br />

308 Bei Entwicklungslän<strong>der</strong>n stieß er auf nahezu ungeteilte<br />

Zustimmung. Vertreter von NATO-Staaten kritisierten<br />

dagegen vor allem die For<strong>der</strong>ung, auch alle militärischen<br />

Vakzine-Aktivitäten müssten einbezogen <strong>und</strong> völlig transparent<br />

gemacht werden. Beispielsweise sei zu berücksichtigen,<br />

<strong>das</strong>s es für militärische <strong>und</strong> zivile Aufgaben in <strong>der</strong> Regel<br />

unterschiedliche Haushalte gäbe, also auch für zivile <strong>und</strong><br />

332


militärische Vakzine-Aktivitäten. Aber die Situation hat sich<br />

geän<strong>der</strong>t. Angesichts <strong>der</strong> bioterroristischen Bedrohung, <strong>der</strong><br />

in erster Linie die Zivilbevölkerung ausgesetzt ist, die aber<br />

mit militärischen Instrumenten, mit Bio- <strong>und</strong> Toxinwaffen<br />

erfolgt, ist <strong>das</strong> Beharren auf getrennten Haushaltsposten für<br />

solche Präventivmaßnahmen total antiquiert <strong>und</strong> muss überw<strong>und</strong>en<br />

werden.<br />

Das nationale Recht auf Selbstverteidigung<br />

Einige lehnten VfP mit dem Hinweis auf <strong>das</strong> nationale Recht<br />

auf Selbstverteidigung ab. Dabei wird aber außer Acht gelassen,<br />

<strong>das</strong>s dieses Recht vor mehr als einem halben Jahrh<strong>und</strong>ert<br />

verbrieft wurde, als von biologischen Agenzien <strong>und</strong> Toxinen<br />

we<strong>der</strong> eine militärische noch eine terroristische Bedrohung<br />

aus ging. Spätestens seit dem 11. September 2001 ist aber<br />

überdeutlich, <strong>das</strong>s <strong>der</strong> Terrorismus eine weltweite Dimension<br />

angenommen hat. Außerdem machen Krankheitserreger<br />

nicht vor Staatsgrenzen Halt. Globale Aktionen sind daher<br />

notwendig. Maßnahmen innerhalb <strong>der</strong> bestehenden politischen<br />

<strong>und</strong>/o<strong>der</strong> regionalen Bündnissen reichen dafür keineswegs<br />

aus.<br />

Abgesehen davon schreien die zahlreichen, vor allem ökonomischen<br />

Probleme bei <strong>der</strong> Entwicklung neuer Impfstoffe<br />

geradezu nach enger internationaler Zusammenarbeit. Aber<br />

die Impfprogramme <strong>der</strong> WHO konzentrieren sich nur auf die<br />

zehn wichtigsten Infektionskrankheiten, während die bioterroristische<br />

Bedrohung zumindest zum Teil auf Erregern <strong>und</strong><br />

Toxinen basiert, die nur regional, speziell in den ärmeren<br />

Weltgegenden verbreitet sind. Internationale Programme mit<br />

aus zusätzlichen, nämlich Verteidigungs-Haushalten gespeisten<br />

Mitteln könnten die Aktivitäten <strong>der</strong> WHO sehr wirksam<br />

ergänzen. Das könnte auch durch die von <strong>der</strong> WHO gemeinsam<br />

mit einigen Nichtregierungsorganisationen vorgeschlagene<br />

„Allianz gegen Infektionskrankheiten“ (AllAID) erfolgen.<br />

309 Das Scheitern des Zusatzprotokoll-Entwurfs bedeutete<br />

lei<strong>der</strong> <strong>das</strong> — vorläufige — Ende von AllAID.<br />

333


Transparenz <strong>und</strong> Abschreckung<br />

Ein weiteres kritisches Argument gegen VfP war, <strong>das</strong>s <strong>der</strong>artige<br />

völlig uneingeschränkte internationale Gemeinschaftsarbeiten<br />

an dual-threat-Agenzien zur Weiterverbreitung<br />

solcher Kampfmittel beitragen. Gegner bekämen dadurch<br />

Zugang zu sensiblen Informationen <strong>und</strong> Techniken <strong>und</strong><br />

würden noch dazu über die Achilles-Fersen <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en<br />

informiert. Das könnte es potenziellen Aggressoren ermöglichen,<br />

bei geplanten biologischen Attacken die Schutzbarrieren<br />

des Gegners zu umgehen.<br />

Dieses Argument ist nur auf den ersten Blick überzeugend.<br />

Tatsächlich könnte die Kenntnis über ein globales biologisches<br />

Abwehrsystem einen potenziellen Anwen<strong>der</strong> vielmehr<br />

vor dem Einsatz solcher Kampfmittel abschrecken. Der<br />

wüsste dann, <strong>das</strong>s er nicht ein einzelnes, mehr o<strong>der</strong> weniger<br />

verw<strong>und</strong>bares Land angreifen würde, son<strong>der</strong>n eine weltweite<br />

zum wechselseitigen Beistand verpflichtete Allianz. Sein<br />

einziger Ausweg wäre, auf solche Mittel auszuweichen, die<br />

noch nicht auf <strong>der</strong> Agenda <strong>der</strong> Schutzvorkehrungen stünden.<br />

Das würde ihn aber vor erhebliche wissenschaftlich-technische<br />

Probleme stellen. Die Geschichte lehrt, <strong>das</strong>s bei <strong>der</strong><br />

Auswahl von Bio- <strong>und</strong> Toxinwaffen ein bemerkenswerter<br />

Konservatismus an den Tag gelegt wurde: Spätestens seit 1763<br />

kommen immer wie<strong>der</strong> die gleichen Agenzien in die engere<br />

Wahl: Pockenviren, Anthrax-Bazillen, Botulinum-Toxin <strong>und</strong><br />

die an<strong>der</strong>en Mittel des „dreckigen Dutzend“.<br />

Natürlich schützt selbst vollständige Transparenz nicht vor<br />

möglichen Verletzungen <strong>der</strong> Norm gegen den Einsatz von<br />

biologischen o<strong>der</strong> Toxin-Kampfmitteln. Vielleicht kann dies<br />

tatsächlich durch <strong>Geheimdienste</strong> ausk<strong>und</strong>schaftet <strong>und</strong>/o<strong>der</strong><br />

Whistleblower enthüllt werden. Die auf diese Weise gewonnen<br />

Informationen bedürfen aber, <strong>das</strong> haben die vergangenen<br />

neunzig Jahre eindrucksvoll bewiesen, einer Überprüfung. Es<br />

kann nicht länger akzeptiert werden, <strong>das</strong>s solche Angaben<br />

334


allein als Begründung für militärische Aktionen herhalten,<br />

ohne <strong>das</strong>s zuvor zumindest dem Sicherheitsrat entsprechende<br />

Beweise vorgelegt worden sind.<br />

Deshalb ist es unerlässlich, ein entsprechendes Kontrollregime<br />

mindestens von <strong>der</strong> Art des vorerst ad acta gelegten<br />

Zusatzprotokolls einzuführen. Präventivschläge gegen angebliche<br />

Bio- <strong>und</strong> Toxinwaffeneinrichtungen bedürfen nicht nur<br />

<strong>der</strong> völkerrechtlichen Sanktionierung, son<strong>der</strong>n auch <strong>der</strong><br />

Vorlage eindeutigen Beweismaterials.<br />

Unverzichtbar ist auch ein gemeinsamer biologischer<br />

Schutzwall<br />

Weil trotzdem nicht ausgeschlossen werden kann, <strong>das</strong>s<br />

Terroristen o<strong>der</strong> Schurkenstaaten Biowaffen nicht nur völlig<br />

unentdeckt entwickeln, son<strong>der</strong>n auch einsetzen, <strong>und</strong> weil<br />

dual-threat-Agenzien auch eine anhaltende natürliche<br />

Bedrohung darstellen, sind zusätzlich Vorkehrungen zum<br />

Schutz gegen solche Mittel zu treffen. Auch hier müssen wie<strong>der</strong><br />

zivile <strong>und</strong> militärische Interessen gebündelt sowie mit<br />

dem Schutz vor natürlich verursachten Infektionskrankheiten<br />

<strong>und</strong> Intoxinationen verb<strong>und</strong>en werden. Eine<br />

wesentliche Voraussetzung ist dabei wie<strong>der</strong>, zumindest in<br />

diesem Bereich die Mauer zwischen zivilen <strong>und</strong> militärischen<br />

Haushalten aufzuheben.<br />

Auch <strong>das</strong> muss wie<strong>der</strong> internationaler Basis erfolgen, nicht<br />

nur weil biologische Agenzien nicht vor Län<strong>der</strong>grenzen Halt<br />

machen <strong>und</strong> um potenzielle Anwen<strong>der</strong> biologischer <strong>und</strong><br />

Toxin-Kampfmittel durch den gemeinsamen Schutzwall<br />

abzuschrecken, son<strong>der</strong>n auch um Kosten zu sparen. Nach<br />

Angaben des Kommandeurs des amerikanischen Biowaffeninstituts<br />

USAMRIID kostet gegenwärtig die marktreife<br />

Entwicklung eines einzigen Impfstoffs etwa 600 Millionen<br />

Dollar. 310<br />

Auf internationaler Ebene könnten wir uns des großen<br />

Vorteils bedienen, <strong>das</strong>s ein gemeinsamer biologischer<br />

Schutzwall auch vor solchen Pathogenen zu schützen vermag,<br />

335


die speziell in den unterentwickelten <strong>und</strong> Schwellenlän<strong>der</strong>n<br />

eine ständige natürliche Bedrohung darstellen, aber vor<br />

allem aus ökonomischen Gründen nicht wirksam bekämpft<br />

werden können. Dabei könnten wir uns sowohl auf die in<br />

einzelnen Staaten, insbeson<strong>der</strong>e in den USA, gemachten<br />

Erfahrungen stützen wie uns auch <strong>der</strong> Unterstützung durch<br />

internationale Organisationen versichern, beispielsweise<br />

durch die Weltges<strong>und</strong>heitsorganisation.<br />

Maßnahmen gegen Biokrieg <strong>und</strong> Bioterror in den USA (Auswahl)<br />

1998: Bildung eines Komitees zur Einschätzung <strong>der</strong> Möglichkeiten,<br />

mit denen USA vor dem terroristischen Einsatz von Massenvernichtungsmitteln<br />

geschützt werden können. 311<br />

1999: Schaffung dezentraler Lager (National Pharmaceutical<br />

Stockpile) von Antibiotika, Impfstoffen, Beatmungsgeräten usw, die<br />

innerhalb von zwölf St<strong>und</strong>en in betroffene US- Regionen geliefert<br />

werden können. 312<br />

Juni 2002: Verabschiedung des „Public Health Security and Bioterrorism<br />

Response Act“ <strong>der</strong> USA. 313<br />

Juli 2002: Verabschiedung <strong>der</strong> „National Strategy for Homeland<br />

Security“ <strong>der</strong> USA. 314<br />

August 2002: Maßnahmen des Nationalen Instituts für Allergie <strong>und</strong><br />

Infektionskrankheiten zur Verbesserung des B-Schutzes (u.a.<br />

Schaffung von zehn regionalen „Centers of Excellence“, von denen<br />

sechs mit Hochsicherheitslaboratorien ausgerüstet werden). 315<br />

Dezember 2002: Einrichtung eines Zentrums für Katastrophenschutz<br />

durch die Amerikanische Medizinische Gesellschaft. 316<br />

Dezember 2002: Vorschlag, <strong>der</strong> Präsident möge ein mit weitreichenden<br />

Vollmachten ausgestattetes nationales Zentrum zur Bekämpfung<br />

des Terrorismus (National Counter Terrorism Center) gründen. 317<br />

Januar 2003: Veröffentlichung von Entwürfen verschärfter<br />

Sicherheitsregeln für die Arbeit mit dual-threat-Agenzien, die<br />

Anfang des Jahres in Kraft treten sollen.<br />

336


Aber all <strong>das</strong> reicht nicht aus, auch die Schwellen- <strong>und</strong><br />

Entwicklungslän<strong>der</strong> müssen in diese abgestimmten<br />

Maßnahmen einbezogen werden, <strong>und</strong> alles muss in völliger<br />

Transparenz erfolgen.<br />

Multinationale Maßnahmen gegen Biokrieg <strong>und</strong> Bioterror<br />

(Auswahl)<br />

1993: Einrichtung von ProMedMail, eines inzwischen stark ausgebauten<br />

Systems zur globalen epidemiologischen Überwachung. 318<br />

Dezember 2001: Gründung <strong>der</strong> „Bio-response Working Group“ <strong>der</strong><br />

Europäischen Kommission. 319<br />

Mai 2002: Bereitschaftserklärung <strong>der</strong> Weltges<strong>und</strong>heitsversammlung,<br />

Expertise sowie personelle <strong>und</strong> technische Kapazitäten zur<br />

Verfügung zu stellen. 320<br />

Mai 2002: Vorlage des „Globalen Pathogen-Überwachungsgesetzes“<br />

zur Bereitstellung 150 Mio $ zur Kontrolle von Infektionskrankheiten<br />

in Entwicklungslän<strong>der</strong>n 2003/04. 321<br />

Juni 2002: Vereinbarung einer „Globalen Partnerschaft gegen die<br />

Verbreitung von Massenvernichtungsmitteln“ durch die G8-<br />

Staaten. 322<br />

Juni 2002: Vereinbarung von Initiativen zur Verteidigungsfähigkeit<br />

gegen Massenvernichtungsmittel durch die Verteidigungsminister<br />

<strong>der</strong> NATO. 323<br />

September 2002: Appell des Internationalen Komitees des Roten<br />

Kreuzes zur Verhin<strong>der</strong>ung des Missbrauchs <strong>der</strong> molekularen<br />

Biotechnologie. 324<br />

November 2002: Schaffung eines Systems zur globalen Registrierung<br />

<strong>und</strong> Analyse von Krankheitssymptomen im Internet („Rapid<br />

Syndrome Validation Project“). 325<br />

Dezember 2002: Gründung des „Global Emergency Response F<strong>und</strong>“<br />

durch WHO <strong>und</strong> Nuclear Threat Initiative. 326<br />

337


Natürlich können solche Vorschläge nur dann realisiert<br />

werden, wenn viele über ihren eigenen Schatten springen,<br />

unilateralistische Vorstellungen über Bord werfen, vielleicht<br />

auch Dividendenkürzungen hinnehmen: Welche Rolle kann<br />

angesichts <strong>der</strong> unermesslichen Gefahren, die von einem<br />

Einsatz von Bio- <strong>und</strong> Toxinwaffen drohen, <strong>das</strong> Recht auf<br />

privates intellektuelles <strong>und</strong> technologisches Eigentum spielen,<br />

<strong>das</strong> bisher von Teilen <strong>der</strong> Industrie so nachdrücklich<br />

eingeklagt wurde.<br />

Noch immer wird von den meisten Experten — im Gegensatz<br />

zur bioterroristischen Bedrohung — die Gefahr des militärischen<br />

Einsatzes von Bio- <strong>und</strong> Toxinwaffen als gering eingeschätzt:<br />

Ist es da nicht an <strong>der</strong> Zeit, <strong>das</strong>s die Staaten beweisen,<br />

<strong>das</strong>s <strong>der</strong> Abschluß <strong>der</strong> Biowaffenkonvention nicht nur eine<br />

beruhigende abrüstungspolitische Geste war, son<strong>der</strong>n wirklich<br />

den ehrlichen Willen bek<strong>und</strong>ete, wenigstens diese Klasse<br />

von Massenvernichtungsmitteln endgültig aus den Arsenalen<br />

zu verbannen?<br />

Es wäre zutiefst ermutigend <strong>und</strong> zugleich ein überaus wirksamer<br />

Schritt zur Stärkung <strong>der</strong> internationalen Allianz gegen<br />

den Terrorismus, wenn Präsident George W. Bush es seinem<br />

Vorgänger Richard Nixon gleichtun <strong>und</strong> die entscheidenden<br />

Schritte zur Bildung einer Allianz gegen biologische<br />

Bedrohungen unternehmen würde, anstatt auf <strong>der</strong> Gr<strong>und</strong>lage<br />

fragwürdiger Geheimdienstberichte <strong>und</strong> Emigrantenstories<br />

folgenschwere Präventivschläge gegen mutmaßliche Biowaffenprogramme<br />

zu erwägen.<br />

338


Danksagung<br />

Ohne die ständige Unterstützung durch meine liebe Frau<br />

hätte dieses Buch nicht geschrieben werden können. Sie hielt<br />

mir während <strong>der</strong> Arbeit am Manuskript den Rücken frei <strong>und</strong><br />

las den gesamten Text aufmerksam <strong>und</strong> kritisch.Auch meinen<br />

Kin<strong>der</strong>n Cornelia, Torsten <strong>und</strong> Hans-Ulrich bin ich sehr<br />

dankbar. Sie sahen Teile des Textes durch <strong>und</strong> halfen mir<br />

durch vielfältige Hinweise.<br />

Sehr zu Dank verpflichtet bin ich außerdem den Mitarbeitern<br />

<strong>der</strong> verschiedenen, in <strong>der</strong> Einführung erwähnten Archive <strong>und</strong><br />

vor allem auch den Damen <strong>der</strong> Zentralbibliothek des Max-<br />

Delbrück-Centrums für molekulare Medizin, die mir sehr bei<br />

<strong>der</strong> Erfüllung – mitunter exotischer – Literaturwünsche<br />

halfen. Zahlreiche weitere Publikationen machten mir Jean-<br />

Pascal Zan<strong>der</strong>s zugänglich, <strong>der</strong> Leiter des CBW-Projektes des<br />

Stockholmer Internationalen Friedensforschungsinstituts<br />

SIPRI, sowie Julian Perry Robinson von <strong>der</strong> Science Policy<br />

Research Unit, University of Sussex, Brighton, UK.<br />

Professor Detlev Ganten <strong>und</strong> den an<strong>der</strong>en leitenden<br />

Mitarbeitern des Max-Delbrück-Centrums bin ich sehr dankbar<br />

dafür, <strong>das</strong>s ich auch im Unruhestand am Institut arbeiten<br />

<strong>und</strong> seine technischen Möglichkeiten nutzen kann.<br />

Schließlich danke ich auch Kai Homilius sehr dafür, <strong>das</strong>s er<br />

den Mut hatte, den spröden Text in sein Verlagsprogramm<br />

aufzunehmen.<br />

339


Glossar, Abkürzungen <strong>und</strong> Akronyme<br />

ADW<br />

Akademie <strong>der</strong> Wissenschaften<br />

Aerosol<br />

Kolloides System, bei dem feste Stoffe o<strong>der</strong> Flüssigkeiten <strong>der</strong> Teilchengröße<br />

0,1 bis 20 µm in Luft o<strong>der</strong> einem an<strong>der</strong>en gasförmigen<br />

Dispersionsmittel fein verteilt sind. Seit den 1920er Jahren ist bekannt,<br />

<strong>das</strong>s zahlreiche Pathogene <strong>und</strong> Toxine als Aerosol verbreitet werden<br />

können („Tröpfcheninfektion“). Heute wird die Verbreitung durch<br />

Aerosole als wirksamste Methode zur Ausbringung <strong>der</strong> meisten Bio<strong>und</strong><br />

Toxinwaffen angesehen.<br />

Damit solche Kampfmittel, die als Aerosol verbreitet werden sollen,<br />

nicht zu schnell sedimentieren, son<strong>der</strong>n sich genügend lange in <strong>der</strong> Luft<br />

halten, um eingeatmet werden zu können, <strong>und</strong> damit sie nicht in <strong>der</strong><br />

Nase <strong>und</strong> den oberen Atemwegen zurückgehalten werden, son<strong>der</strong>n<br />

schließlich die Lungenalveolen erreichen, muss sich ihre Größe zwischen<br />

1 <strong>und</strong> 5 µm bewegen.<br />

AIDS ➝ Erworbenes Imm<strong>und</strong>efizienz-Syndrom<br />

AllAID<br />

Allianz gegen Infektionskrankheiten<br />

Anthrax ➝ Milzbrand (Anthrax)<br />

Arenaviren ➝ Hämorrhagische Fieber-Viren<br />

ATCC<br />

American Type Culture Collection<br />

Bacillus anthracis ➝ Milzbrand (Anthrax)<br />

BAK<br />

B<strong>und</strong>esarchiv Koblenz<br />

BAMA<br />

B<strong>und</strong>esarchiv Militärarchiv, Freiburg i. Brg.<br />

341


Biologische Kriegsführung<br />

militärischer Einsatz von Bio- o<strong>der</strong> Toxin-Waffen.<br />

Biologische Waffen<br />

(Biologische Kampfmittel, Biowaffen): Krankheitserreger – Bakterien,<br />

Viren <strong>und</strong> Pilze – sowie Schädlinge, die als Kampf-, Terror- o<strong>der</strong> Sabotagemittel<br />

eingesetzt werden, um bei Mensch, Tier o<strong>der</strong> Pflanze<br />

Krankheit o<strong>der</strong> Tod zu verursachen.<br />

Bioterror, Bioterrorismus<br />

Einsatz biologischer o<strong>der</strong> Toxin-Waffen in terroristischen Anschlägen<br />

einschließlich von Attentaten.<br />

Biowaffen ➝ Biologische Waffen<br />

Biowaffenaktivitäten<br />

in diesem Buch: alle Aktivitäten, die <strong>der</strong> Vorbereitung des Einsatzes von<br />

Bio- o<strong>der</strong> Toxin-Waffen o<strong>der</strong> entsprechenden Schutzmaßnahmen (➝<br />

B-Schutz) dienen.<br />

Biowaffen-Konvention ➝ B-Waffen-Konvention<br />

BMVG<br />

B<strong>und</strong>esministerium <strong>der</strong> Verteidigung<br />

BMWF<br />

B<strong>und</strong>esministerium für wissenschaftliche Forschung<br />

Botulinum-Toxine (Botuline)<br />

von dem Bakterium Clostridium botulinum gebildete, höchst wirksame<br />

Nervengifte, die als giftigste bekannte Substanz gelten. Immunologisch<br />

können sieben verschiedene Typen (Botulin A – G) unterschieden<br />

werden, die aber alle identisch wirken. Ein einzelnes Gramm könnte<br />

mehr als eine Million Menschen töten (wofür allerdings die praktischen<br />

Voraussetzungen fehlen). Das Toxin ist ein Enzym, <strong>das</strong> solche Proteine<br />

spaltet, die den Neurotransmitter Azetylcholin freisetzen. Das führt<br />

unter an<strong>der</strong>em zum <strong>Versagen</strong> <strong>der</strong> Atemmuskulatur.<br />

Unter natürlichen Bedingungen verursacht Botulin Lebensmittelbotulismus.<br />

Dies ist die klassische Lebensmittelvergiftung, verursacht<br />

durch vergiftete Konserven. Botulismus kann durch Schutzimpfung mit<br />

einem Antitoxin (Toxoid) verhin<strong>der</strong>t werden, <strong>das</strong> aus entgiftetem<br />

Botulin hergestellt wird. Das Antitoxin kann auch zur Therapie einge-<br />

342


setzt werden, sofern dies unmittelbar nach <strong>der</strong> Intoxination erfolgt.<br />

Botulin ist nicht nur ein dual-threat-. son<strong>der</strong>n auch ein dual-use-Agens:<br />

Wegen seiner neurotoxischen Wirkung kann dieses Toxin erfolgreich<br />

zur Behebung spastischer Muskelstörungen eingesetzt werden.<br />

Botulin wurde bereits in den 1930er Jahren von Japanern als Kampfmittel<br />

entwickelt <strong>und</strong> getestet. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde<br />

Botulin mindestens im Irak, in <strong>der</strong> Sowjetunion <strong>und</strong> in den USA als<br />

Kampfmittel produziert <strong>und</strong> munitioniert, wobei in erster Linie die Verbreitung<br />

des Toxins durch Aerosole vorgesehen wurde. Auf diese Weise<br />

kann überaus wirksam Inhalationsbotulismus verursacht werden.<br />

B-Schutz<br />

Schutz vor biologischen <strong>und</strong> Toxin-Kampfmitteln durch physikalischtechnische<br />

Maßnahmen, diagnostische Verfahren, medizinische Vorkehrungen<br />

<strong>und</strong> Dekontaminationsmaßnahmen.<br />

Dem physikalisch-technischen Schutz dienen vor allem Schutzmasken<br />

<strong>und</strong> -anzüge sowie luftdichte Verschlüsse von Räumen, Fahrzeugen <strong>und</strong><br />

Schiffen.<br />

Diagnostische Verfahren dienen <strong>der</strong> Früherkennung eines biologischen<br />

Angriffs sowie <strong>der</strong> Diagnose <strong>der</strong> vom Gegner eingesetzten<br />

Kampfmittel.<br />

Eine Dekontamination angegriffener Objekte ist vor allem dann notwendig,<br />

wenn ein Angriff mit Sporen bestimmter Krankheitserreger<br />

geführt wurde, beispielsweise mit Milzbrandsporen.<br />

Medizinische Vorkehrungen bestehen in Prophylaxe <strong>und</strong> Therapie.<br />

Zur Vorbeugung stehen Impfstoffe gegen einige biologische <strong>und</strong> Toxin-<br />

Kampfmittel zur Verfügung. Ihre Wirksamkeit ist allerdings begrenzt,<br />

nicht zuletzt deshalb, weil sie schon Wochen vor einer Attacke eingesetzt<br />

werden müssen, um einen Impfschutz zu gewährleisten.<br />

Zur Therapie dienen in erster Linie Antibiotika <strong>und</strong> Chemotherapeutika.<br />

Sie können erfolgreich gegen die Mehrzahl <strong>der</strong> bakteriologischen Kampfmittel<br />

eingesetzt werden, gegen virologische dagegen nur sehr bedingt.<br />

Bunyaviren ➝ Hämorrhagische Fieber-Viren<br />

Burkhol<strong>der</strong>ia mallei<br />

bakterielle Erreger von ➝ Rotz<br />

B-Waffen-Konvention, B-Waffen-Übereinkommen (BTWC, BWC,<br />

BWÜ) ➝ Übereinkommen über <strong>das</strong> Verbot <strong>der</strong> Entwicklung, Herstellung<br />

<strong>und</strong> Lagerung bakteriologischer (biologischer) <strong>und</strong> von<br />

Toxin-Waffen sowie über die Vernichtung solcher Waffen<br />

343


BW-Agens ➝ Biologisches Kampfmittel<br />

CDC<br />

Centers for Disease Control and Prevention, US-Ges<strong>und</strong>heitsbehörde<br />

in Atlanta, Georgia<br />

chemische Waffen (chemische Kampfstoffe, C-Waffen)<br />

chemische Substanzen einschließlich von ➝ Toxinen, die als Kampf-,<br />

Terror- o<strong>der</strong> Sabotagemittel eingesetzt werden, um bei Mensch, Tier<br />

o<strong>der</strong> Pflanze Krankheit o<strong>der</strong> Tod zu verursachen.<br />

CIA<br />

Central Intelligence Agency<br />

Clostridium perfringens<br />

bakterieller Erreger des ➝ Gasbrand<br />

COSPAR<br />

Committe on Space Research<br />

Coxiella burnetti<br />

bakterieller Erreger des ➝ Q-Fieber<br />

C-Waffen-Konvention, C-Waffen-Übereinkommen (CWC, CWÜ)<br />

➝ Übereinkommen über <strong>das</strong> Verbot <strong>der</strong> Entwicklung, Herstellung,<br />

Lagerung <strong>und</strong> des Einsatzes chemischer Waffen <strong>und</strong> über die<br />

Vernichtung solcher Waffen.<br />

Dengue-Virus ➝ Hämorrhagische Fieber-Viren<br />

DTA ➝ dual-threat-Agens<br />

dual-threat-Agens (DTA)<br />

Alle biologischen <strong>und</strong> Toxin-Kampfmittel sind dual-threat-Agenzien,<br />

sie sind zwiefach bedrohlich – sowohl als natürliche Krankheitserreger<br />

<strong>und</strong> Schädlinge als auch als Waffen.<br />

dual-use-Aktivitäten, -Einrichtungen, –Kenntnisse<br />

Die Nutzung von Kenntnissen <strong>und</strong> Einrichtungen entwe<strong>der</strong> für friedliche<br />

Zwecke (zur Wissensvermehrung, zum Schutz vor Krankheiten<br />

o<strong>der</strong> Schädlingen o<strong>der</strong> auch vor Kampfmitteln) o<strong>der</strong> mit offensiv-militärischer<br />

o<strong>der</strong> terroristischer Absicht.<br />

344


Ebola-Virus ➝ Hämorrhagische Fieber-Viren<br />

F<br />

Frankreich<br />

FBI<br />

Fe<strong>der</strong>al Bureau of Investigation<br />

FhG<br />

Fraunhofergesellschaft zur För<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> angewandten Forschung e.V.<br />

Filoviren ➝ Hämorrhagische Fieber-Viren<br />

Flaviviren ➝ Hämorrhagische Fieber-Viren<br />

Francisella tularensis<br />

bakterieller Erreger <strong>der</strong> ➝ Tularämie<br />

F. tularensis ist eines <strong>der</strong> am meisten infektiösen Bakterien. Nicht mehr<br />

als zehn Erreger genügen zur Auslösung <strong>der</strong> Krankheitssymptome.<br />

Gasbrand (Gasödem)<br />

eine durch Clostridium perfingens <strong>und</strong> an<strong>der</strong>e Bakterien verursachte<br />

Infektionskrankheit <strong>und</strong> Kriegsseuche: Im Ersten Weltkrieg war Gasbrand<br />

die schlimmste W<strong>und</strong>infektion; 0,6% <strong>der</strong> Verw<strong>und</strong>eten erkrankten<br />

<strong>und</strong> mehr als ein Drittel starben daran. Gasbrand entsteht, wenn die<br />

im Boden vorkommenden Sporen von C. perfringens <strong>und</strong> an<strong>der</strong>e<br />

Erreger in tiefe Verletzungen geraten. Ein Impfstoff steht nicht nur<br />

Verfügung; die Krankheit kann aber mit Penizillin <strong>und</strong> an<strong>der</strong>en<br />

Antibiotika therapiert werden.<br />

Clostridium perfringens wurde vor bzw. während des Zweiten<br />

Weltkrieges in Frankreich <strong>und</strong> Japan als Kampfmittel untersucht. In <strong>der</strong><br />

zweiten Hälfte <strong>der</strong> 1980er Jahre wurden die Erreger auch im<br />

Biowaffenprogramm des Irak produziert <strong>und</strong> bearbeitet. Dabei wurden<br />

340 Liter einer C. perfringens-haltigen Suspension hergestellt.<br />

Gelbfieber-Virus ➝ Hämorrhagische Fieber-Viren<br />

Genfer Protokoll<br />

1925 vereinbarter Vertrag über <strong>das</strong> Verbot <strong>der</strong> Verwendung von erstickenden,<br />

giftigen o<strong>der</strong> ähnlichen Gasen sowie von bakteriologischen<br />

Mitteln im Kriege. Dem Genfer Protokoll traten bis Ende 2002 133<br />

Staaten bei.<br />

345


HA<br />

Hauptabteilung<br />

Hämorrhagische Fieber-Viren (HFV)<br />

Hämorrhagische Fieber-Viren rufen schwere Erkrankungen hervor, die<br />

vor allem durch eine stark erhöhte Permeabilität <strong>der</strong> Blutgefäße charakterisiert<br />

sind, was zu Blutungen <strong>der</strong> inneren Organe sowie aus Nase,<br />

M<strong>und</strong>, After <strong>und</strong> an<strong>der</strong>en Schleimhäuten führt. Eine spezifische<br />

Therapie ist nicht möglich; lizenzierte Impfstoffe stehen nur gegen<br />

Gelbfieber zur Verfügung, gegen einige an<strong>der</strong>e HFV gibt es noch nicht<br />

zugelassene „experimentelle Vakzinen“.<br />

HFV sind sämtlich RNS-haltige Viren. Sie gehören aber verschiedenen<br />

Familien an, <strong>und</strong> zwar<br />

Arenaviren: Lassa-V., sowie Junin-V., Machupo u.a. Viren <strong>der</strong> Neuen<br />

Welt, Bunyaviren: Hämorrhagisches Krim-Kongo-Fieber-V., Rifttal-<br />

Fieber-V., u.a., Flaviviren: Dengue-V., Gelbfieber-V., u.a. Filoviren:<br />

Ebola-V., Marburg-V.<br />

Natürlicherweise steckt man sich durch Kontakt mit infizierten Tieren<br />

o<strong>der</strong> durch Insektenbisse an. Viele dieser HFV sind potenzielle<br />

Kampfmittel, die meisten – mit Ausnahme von Dengue-V. – können<br />

durch Aerosole verbreitet werden. Ebola-, Junin-, Lassa-, Machupo<strong>und</strong><br />

Marburg-Viren sollen in <strong>der</strong> Sowjetunion als Kampfmittel entwickelt<br />

worden sein, Rifttal-Fieber- <strong>und</strong> Gelbfieber-V. durch die USA.<br />

Hämorrhagisches Krim-Kongo-Fieber-Virus ➝ Hämorrhagische<br />

Fieber-Viren<br />

HVA<br />

Für Auslandsspionage zuständige Hauptabteilung des DDR-<br />

Ministeriums für Staatssicherheit.<br />

IAe<br />

Institut für Aerobiologie<br />

Intoxination<br />

Vergiftung (Intoxikation) durch ein ➝ Toxin<br />

JAMA<br />

Journal of the American Medical Association<br />

Junin-Virus ➝ Hämorrhagische Fieber-Viren<br />

346


KA<br />

in <strong>der</strong> DDR gängige Bezeichung für „kapitalistisches Ausland“<br />

KGB<br />

Komitet Gsudarstvdnnoi Bezopasnosti, sowjetisches Komitee für<br />

Staatssicherheit<br />

Kriegsseuchen<br />

(Infektions-)Krankheiten, die infolge von kriegsbedingten Störungen<br />

<strong>der</strong> Nahrungsmittelversorgung, <strong>der</strong> hygienischen Bedingungen, etc.<br />

sowohl unter den Streitkräften als auch unter <strong>der</strong> Zivilbevölkerung<br />

gehäuft auftreten <strong>und</strong> sich auch zu Epidemien entwickeln können.<br />

Zumindest bis zum Zweiten Golfkrieg von 1991 haben Kriegsseuchen<br />

stets mehr Verluste unter den bewaffneten Kräften verursacht als gegnerische<br />

– o<strong>der</strong> auch eigene, fehlgeleitete – Waffen.<br />

Lassa-Virus ➝ Hämorrhagische Fieber-Viren<br />

Machupo-Virus ➝ Hämorrhagische Fieber-Viren<br />

Marburg-Virus ➝ Hämorrhagische Fieber-Viren<br />

Maul- <strong>und</strong> Klauenseuche (MKS)<br />

eine von Viren verursachte meist akut verlaufende fieberhafte<br />

Infektionskrankheit <strong>der</strong> Klauentiere, in <strong>der</strong>en Verlauf sich an den<br />

Schleimhäuten des Verdauungstraktes, am Klauenspalt <strong>und</strong> –saum<br />

sowie an an<strong>der</strong>en unbehaarten Stellen <strong>der</strong> Haut charakteristische<br />

Blasen entwickeln. Die MKS ist die volkswirtschaftlich bedeutsamste<br />

akute Tierseuche. MKS-Viren sind in <strong>der</strong> Sowjetunion <strong>und</strong> während des<br />

Zweiten Weltkrieges in Deutschland als Kampfmittel getestet worden.<br />

MfAA<br />

Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten <strong>der</strong> DDR<br />

MfS<br />

Ministerium für Staatssicherheit <strong>der</strong> DDR<br />

Milzbrand (Anthrax)<br />

Durch <strong>das</strong> Bakterium Bacillus anthracis, bzw. seine Dauerform, die<br />

Anthrax-Sporen verursachte Infektionskrankheit von Rin<strong>der</strong>n, Schafen<br />

<strong>und</strong> Ziegen <strong>und</strong> an<strong>der</strong>en Pflanzenfressern, die auf den Menschen übertragbar<br />

ist. Wenn man mit infizierten Tieren o<strong>der</strong> <strong>der</strong>en Produkten in<br />

347


äußerlichen Kontakt kommt, kann <strong>der</strong> relativ häufige Hautmilzbrand<br />

entstehen. Darmmilzbrand kann die Folge des Verzehrs von rohem<br />

o<strong>der</strong> nicht ausreichend gegartem infiziertem Fleisch sein. Lungenmilzbrand<br />

kann nach Einatmen von (mindestens einigen tausend) Anthrax-<br />

Sporen entstehen. Eine Übertragung von Mensch zu Mensch ist in <strong>der</strong><br />

Regel ausgeschlossen. Die Inkubationszeit beträgt 1-5 Tage, die<br />

Mortalität von Lungenmilzbrand kann bis zu 90 Prozent betragen,<br />

sofern nicht rechtzeitig mit Ciprofloxacin o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Antibiotika<br />

behandelt wird. Einige Impfstoffe stehen zur Verfügung, müssen jedoch<br />

mehrfach appliziert werden.<br />

Da Milzbrandsporen leicht verbreitet werden können, sehr wi<strong>der</strong>standsfähig<br />

<strong>und</strong> über viele Jahrzehnte haltbar sind, zählt Bacillus<br />

anthracis zu den am meisten gefürchteten biologischen Kampf- <strong>und</strong><br />

Sabotagemitteln.<br />

MKS ➝ Maul- <strong>und</strong> Klauenseuche<br />

N<br />

während des Zweiten Weltkrieges angloamerikanische Codebezeichnung<br />

für Anthrax<br />

NACP<br />

US- Nationalarchiv, College Park, Md.<br />

NKWD<br />

Narodny Kommissariat Wnutrennich Del, sowjetischer Staatssicherheitsdienst.<br />

NSW<br />

„Nicht-sozialistisches Währungsgebiet“, in <strong>der</strong> DDR eine gängige<br />

Bezeichung für „kapitalistisches Ausland“<br />

OSS<br />

Office of Strategic Services, Vorläuferorganisation <strong>der</strong> ➝ CIA<br />

Östliche Pferde-Enzephalitis (EEE)<br />

➝ Venezolanische Pferde-Enzephalitis<br />

PAAA<br />

Politisches Archiv des Auswärtigen Amtes, Berlin<br />

PCR ➝ Polymerase-Ketten-Reaktion<br />

348


Pest<br />

durch <strong>das</strong> Bakterium Yersinia pestis hervorgerufene, häufig tödlich<br />

verlaufende Infektionskrankheit verschiedener Verlaufsformen. Normalerweise<br />

am häufigsten ist die Beulenpest (Bubonenpest), die meist<br />

durch einen Flohstich verursacht wird <strong>und</strong> die durch schmerzhafte<br />

blaurote Schwellungen <strong>der</strong> nächsten Lymphknoten charakterisiert ist.<br />

In vielen Fällen, vor allem wenn nicht sofort eine Antibiotika-Therapie<br />

einsetzt, verbreiten sich die Pestbakterien anschließend über den ganzen<br />

Körper <strong>und</strong> lösen eine Bakteriämie aus, die auch zur Lungenpest führen<br />

kann. Lungenpest wird auch verursacht durch Tropfeninfektionen<br />

sowie wenn Yersinia pestis als Aerosol in militärischen o<strong>der</strong> terroristischen<br />

Aktionen verbreitet wird. Zur Prophylaxe stehen Impfstoffe zur<br />

Verfügung, die aber wohl noch nicht ausreichend gegen Aerosolinfektionen<br />

schützen.<br />

Pest-Erreger wurden von Japan vor <strong>und</strong> während des Zweiten Weltkriegs<br />

intensiv auf ihre Eignung als Kampfmittel untersucht, vor allem<br />

auch in Menschenexperimenten, <strong>und</strong> wurden mehrfach gegen China<br />

eingesetzt. Während des Kalten Krieges wurde sowohl in <strong>der</strong> Sowjetunion<br />

als auch in den USA an <strong>der</strong> Entwicklung von Y. pestis als auf<br />

dem Aerosolweg verbreitetes Kampfmittel gearbeitet.<br />

Pocken<br />

eine von dem Virus Variola major hervorgerufene, höchst ansteckende,<br />

entstellende <strong>und</strong> schmerzhafte Infektionskrankheit, die üblicherweise<br />

durch Tröpfcheninfektionen übertragen wird. Nach dem Einatmen einiger<br />

weniger Viren bilden sich innerhalb weniger Tage aus einem<br />

Hautausschlag zahlreiche Bläschen, die dann in Pusteln, die Pocken,<br />

übergehen. Blutungen in den <strong>und</strong> um die Pusteln führen zu den<br />

„schwarzen Pocken“. Unter Fiebersteigerung erfolgt dann eine Vereiterung<br />

<strong>der</strong> Pusteln. Die Letalität betrug vor Einführung <strong>der</strong> Pocken-<br />

Schutzimpfungen 30% <strong>und</strong> mehr. Eine Therapie ist noch nicht möglich;<br />

ein unmittelbarer Einsatz des Impfstoffs nach Exposition mit den<br />

Erregern kann dem Auftreten <strong>der</strong> Symptome noch weitgehend vorbeugen,<br />

vor allem wenn noch eine Restimmunität besteht.<br />

Durch eine weltweite Impfaktion mit dem ➝ Vakziniavirus konnten<br />

die Pocken ab Mitte des vergangenen Jahrh<strong>und</strong>erts weltweit ausgerottet<br />

werden. Deshalb, <strong>und</strong> weil die Impfung gelegentlich nicht ohne<br />

Nebenschäden verlief, wird seit Beginn <strong>der</strong> 1980er Jahre auf<br />

Empfehlung <strong>der</strong> WHO nicht mehr gegen Pocken geimpft.<br />

Seitdem steigt <strong>das</strong> Risiko, <strong>das</strong>s ein militärischer o<strong>der</strong> terroristischer<br />

Einsatz von Pockenviren gegen die zunehmend un- o<strong>der</strong> nicht ausreichend<br />

geschützte Bevölkerung katastrophale Bedeutung haben könnte.<br />

349


In <strong>der</strong> Sowjetunion sollen in den 1980er Jahren Pockenviren als<br />

Kampfmittel entwickelt <strong>und</strong> produziert worden sein. Offiziell werden<br />

diese Erreger heute nur noch in zwei Einrichtungen gelagert; schwer<br />

nachprüfbaren Behauptungen zufolge soll es aber auch noch an<strong>der</strong>norts<br />

Pockenviren geben.<br />

Polymerase-Ketten-Reaktion<br />

Die PCR ist ein enzymatisches Verfahren, <strong>das</strong> es erlaubt, selbst geringste<br />

Mengen von Abschnitten des Erbmaterials zu vervielfachen <strong>und</strong><br />

dabei in kürzester Zeit Millionen von Kopien davon herzustellen. Die<br />

können anschließend weiterverarbeitet <strong>und</strong> beispielsweise hinsichtlich<br />

ihrer Zusammensetzung analysiert werden.<br />

PRO<br />

Public Record Office, britisches Staatsarchiv<br />

Protokoll über <strong>das</strong> Verbot <strong>der</strong> Verwendung von erstickenden, giftigen<br />

o<strong>der</strong> ähnlichen Gasen sowie von bakteriologischen Mitteln im Kriege<br />

➝ Genfer Protokoll<br />

Pseudomonas mallei<br />

bakterieller Erreger von ➝ Rotz<br />

Pugwash-Bewegung<br />

Wissenschaftler-Initiative, die eine Tagung zurückgeht, die <strong>der</strong> amerikanische<br />

Industrielle Cyrus Eaton im Juli 1957 in dem kleinen Ort<br />

Pugwash in Nova Scotia, Kanada veranstaltet hatte. Vorwiegend<br />

Kernphysiker aus Ost <strong>und</strong> West sollten gemeinsam überlegen, wie <strong>das</strong><br />

atomare Wettrüsten aufgehalten werden konnte. Die Konferenz verlief<br />

so ermutigend, <strong>das</strong>s weitere folgten <strong>und</strong> zu einer weltweiten Bewegung<br />

Anstoß gaben, die 1995 mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet<br />

wurde.<br />

Seit 1958 widmet sich die Pugwash-Bewegung zunehmend auch <strong>der</strong><br />

chemischen <strong>und</strong> biologischen Rüstungskontrolle. 1964 bildete sie eine<br />

Studiengruppe für Biowaffen, die sich vor allem vornahm, ein<br />

Inspektionssystem auszuarbeiten, <strong>das</strong> als Muster für einen angestrebten<br />

Stopp <strong>der</strong> Erforschung <strong>und</strong> Produktion biologischer Kampfmittel dienen<br />

sollte. Das geschah in enger Zusammenarbeit mit dem damals im<br />

Aufbau befindlichen Stockholmer Internationalen Friedensforschungsinstitut<br />

SIPRI. Dieses wurde dadurch gleichzeitig veranlasst, Fragen <strong>der</strong><br />

chemischen <strong>und</strong> biologischen Rüstungskontrolle zu einem <strong>der</strong> Schwer-<br />

350


punkte seiner Arbeit zu machen. Ein Ergebnis davon war die Veröffentlichung<br />

von sechs Bänden über „The Problem of Chemical and<br />

Biological Warfare“ (1971-75), die auch heute noch als Standartwerk<br />

gelten (<strong>und</strong> inzwischen auch als CD-ROM erhältlich sind).<br />

Q-Fieber (Balkangrippe)<br />

durch <strong>das</strong> zur Gruppe <strong>der</strong> Rickettsien gehörende Bakterium Coxiella<br />

burnetti verursachte grippeartige, fiebrige Erkrankung. Zur Auslösung<br />

dieser kaum tödlichen Erkrankung genügen einige wenige, vielleicht<br />

nur ein einzelner Erreger. Die Inkubationszeit beträgt zwei bis drei<br />

Wochen. Natürlicherweise wird man durch Kontakt mit infizierten<br />

Tieren o<strong>der</strong> <strong>der</strong>en Ausscheidungsprodukten angesteckt, insbeson<strong>der</strong>e<br />

durch Einatmen von erregerhaltigem Staub, seltener durch den Genuss<br />

infizierter roher Milch. Gefährdete Berufsgruppen können durch<br />

Impfung geschützt werden. Eine Therapie mit Doxycyclin <strong>und</strong> an<strong>der</strong>en<br />

Antibiotika ist möglich. Coxiella burnetti bildet sporenähnliche infektiöse<br />

Dauerformen aus, die sehr wi<strong>der</strong>standsfähig sind. Deshalb, <strong>und</strong><br />

wegen ihrer hohen Infektiosität gelten die Q-Fieber-Erreger als wirksame<br />

kampfunfähigmachende Kampfmittel. C.burnetti wurde mindestens<br />

in den Biowaffenprogrammen <strong>der</strong> Sowjetunion <strong>und</strong> <strong>der</strong> USA bearbeitet,<br />

speziell auch hinsichtlich seiner Verbreitbarkeit durch Aerosole.<br />

RG<br />

Record Group<br />

Rifttal-Fieber-Virus ➝ Hämorrhagische Fieber-Viren<br />

Rizin<br />

ein überaus starkes Gift, <strong>das</strong> relativ einfach in großen Mengen aus den<br />

Samen des W<strong>und</strong>erbaums Ricinus communis bzw. aus Rizinusöl<br />

gewonnen werden kann. Es wirkt über eine Hemmung <strong>der</strong> intrazellulären<br />

Eiweißsynthese. Bisher gibt es we<strong>der</strong> einen Impfstoff gegen Rizin,<br />

noch Möglichkeiten zur spezifischen Therapie.<br />

Wie Botulin ist Rizin ist nicht nur ein dual-threat-, son<strong>der</strong>n auch ein<br />

dual-use Agens: gekoppelt an entsprechende geeignete Antikörper wird<br />

es als Therapeutikum zur Behandlung bösartiger Geschwülste <strong>und</strong><br />

bestimmter Autoimmunerkrankungen erprobt.<br />

Vor <strong>und</strong> während des Zweiten Weltkriegs wurde in Frankreich <strong>und</strong><br />

USA die Eignung von Rizin als Toxin-Kampfmittel untersucht. Der<br />

Irak hatte Ende <strong>der</strong> 1980er Jahre mindestens zehn Liter Rizin produziert<br />

<strong>und</strong> in Feldversuchen getestet, obwohl amerikanische Studien ergeben<br />

hatten, <strong>das</strong>s es als Gefechtsfeldwaffe wenig geeignet ist. Dagegen<br />

351


ist es für Attentate geeignet. Rizin wurde u.a. beim sog. „Regenschirm-<br />

Mord“ eingesetzt.<br />

Rotz<br />

Infektionskrankheit von Pferden <strong>und</strong> Maultieren, verursacht durch <strong>das</strong><br />

Bakterium Burkhol<strong>der</strong>ia (früher: Pseudomonas) mallei. Rotz ist auf<br />

den Menschen übertragbar <strong>und</strong> zählt auch heute noch zu den wichtigsten<br />

biologischen Kampfmitteln. Die Erreger können – bei Verbreitung<br />

als Aerosol – eingeatmet o<strong>der</strong> mit <strong>der</strong> Nahrung aufgenommen werden<br />

o<strong>der</strong> durch W<strong>und</strong>en in den Körper eindringen. Die Inkubationszeit<br />

beträgt 3 – 5 Tage, die Mortalität 50-70%. Streptomycin <strong>und</strong> an<strong>der</strong>e<br />

Antibiotika sind begrenzt wirksam. Ein Impfstoff steht nicht zur<br />

Verfügung.<br />

Seit dem Ersteinsatz von Rotzerregern durch den deutschen militärischen<br />

Nachrichtendienst im Ersten Weltkrieg steht Burkhol<strong>der</strong>ia mallei<br />

auf <strong>der</strong> Liste potenzieller biologischer Kampfmittel.<br />

Ruhr, Shigellose<br />

Weltweit verbreitete Infektionskrankheit, verursacht durch Shigella<br />

sonnei, Shigella flexneri <strong>und</strong> an<strong>der</strong>e Shigellen. Shigella-Bakterien<br />

wurden mindestens von den Japanern als Kampfmittel erprobt.<br />

Russische Frühjahrs-Sommer-Enzephalitis<br />

Form <strong>der</strong> Zecken-Enzephalitis, verursacht durch einen Subtyp des<br />

➝ Zecken-Enzephalitis-Virus<br />

Salmonella typhimurium<br />

Im Tierreich weit verbreiteter Seuchenerreger („Mäusetyphus“), <strong>der</strong><br />

beim Menschen akute Lebensmittelvergiftungen hervorrufen kann. Mit<br />

Methoden <strong>der</strong> molekularen Biotechnologie konnte nachgewiesen werden,<br />

<strong>das</strong>s S.typhimurium über 4451 Gene verfügt. Allein 919 davon<br />

benötigen die Erreger für eine erfolgreiche Infektion. S. typhimurium<br />

gilt nicht als biologisches Kampfmittel, wurde aber 1984 von <strong>der</strong><br />

Rainishee-Sekte für Bioterror eingesetzt.<br />

SEB ➝ Staphylokokken-Enterotoxin B<br />

SIPRI<br />

Stockholm International Peace Research Institute ➝ Pugwash-<br />

Bewegung<br />

SOE ➝ Special Operation Executive<br />

352


Special Operation Executive<br />

Während des Zweiten Weltkrieges Abteilung des britischen <strong>Geheimdienste</strong>s.<br />

Staphylokokken-Enterotoxin B (SEB)<br />

ein von Staphylococcus aureus produziertes hochwirksames Gift. SEB<br />

verursacht wie an<strong>der</strong>e von Staphylokokken gebildeten Toxine normalerweise<br />

die Symptome einer Lebensmittelvergiftung.<br />

SEB ist eines <strong>der</strong> wenigen Toxin-Kampfmittel, die bereits im Zweiten<br />

Weltkrieg verfügbar waren.Wenn SEB mit <strong>der</strong> Nahrung zugeführt wird<br />

– wie dies vermutlich im Falle des Schacht-Attentates erfolgte – macht<br />

es in <strong>der</strong> Regel nur vorübergehend handlungsunfähig. Das sehr stabile<br />

Toxin kann inzwischen aber auch als Aerosol verbreitet werden <strong>und</strong><br />

dann tödlich wirken. Deshalb sind Experten auch heute noch sehr<br />

besorgt über eventuelle feindliche o<strong>der</strong> terroristische Einsätze von SEB,<br />

zumal bisher we<strong>der</strong> ein Impfstoff gegen eine SEB-Intoxination noch<br />

Methoden zur spezifischen Therapie zur Verfügung stehen.<br />

Toxine<br />

von Lebewesen gebildete Giftstoffe wie z.B. ➝ Botulinum-Toxin,<br />

➝ Rizin, ➝ Staphylokokken-Enterotoxin B.<br />

Toxin-Waffen<br />

als Kampf-, Terror- o<strong>der</strong> Sabotagemittel verwendete ➝ Toxine. Da sie<br />

sich im Gegensatz zu ➝ biologischen Waffen nicht vermehren können<br />

<strong>und</strong> leblos sind gehören sie zu den ➝ chemischen Waffen<br />

<strong>und</strong> werden von <strong>der</strong> ➝ Chemie-Waffen-Konvention erfasst.<br />

Tsutsugamushi-Fieber (Scrub typhus, Buschfleckfieber)<br />

fiebrige akute Erkrankung mit hoher Letalität, hervorgerufen durch <strong>das</strong><br />

zu den Rickettsien gehörende Bakterium Rickettsia tsutsugamushi,<br />

<strong>das</strong> durch Milben übertragen wird.<br />

Tularämie (Hasenpest)<br />

von Francisella tularensis hervorgerufene Infektionskrankheit, die aber<br />

nicht von Mensch zu Mensch übertragbar ist. Nager <strong>und</strong> an<strong>der</strong>e Tiere<br />

sind natürliche Reservoire. Menschen infizieren sich durch Insektenbisse,<br />

Umgang mit verseuchten Tieren, Materialien <strong>und</strong> Flüssigkeiten, Verzehr<br />

verunreinigter Nahrung o<strong>der</strong> Einatmung infektiöser Aerosole. In den<br />

USA wurden 1990-2000 insgesamt 1368 Fälle von Hasenpest gemeldet.<br />

Die Erkrankung kann erfolgreich mit Streptomycin u.a. Antibiotika<br />

behandelt werden. Unbehandelt kann sie in etwa 1% <strong>der</strong> Fälle zum Tode<br />

führen. Ein Lebend-Impfstoff ist verfügbar. Dessen Einsatz wird aber<br />

353


nur für entsprechend exponiertes Laborpersonal empfohlen.<br />

F. tularensis wurde in den Biowaffenprogrammen Japans, <strong>der</strong><br />

Sowjetunion, <strong>und</strong> <strong>der</strong> USA produziert <strong>und</strong> munitioniert. Dabei sollen<br />

auch Antibiotika-resistente Stämme entwickelt worden sein. Nach<br />

WHO-Berechnungen könnte seine Verbreitung über einer 5-Millionen-<br />

Stadt 250.000 Personen erkranken <strong>und</strong> 19.000 sterben lassen. Trotzdem<br />

gilt <strong>der</strong> Erreger nicht als tödliches, son<strong>der</strong>n als handlungsunfähig<br />

machendes Kampfmittel.<br />

Übereinkommen über <strong>das</strong> Verbot <strong>der</strong> Entwicklung, Herstellung <strong>und</strong><br />

Lagerung bakteriologischer (biologischer) <strong>und</strong> von Toxin-Waffen sowie<br />

über die Vernichtung solcher Waffen (BWC, BWÜ)<br />

1975 in Kraft getretene Konvention zur Kontrolle von biologischen <strong>und</strong><br />

Toxinwaffen. Bis zum 31. Dezember 2002 haben 146 Staaten <strong>das</strong> BWÜ<br />

ratifiziert, weitere 18 Staaten haben signiert.<br />

Übereinkommen über <strong>das</strong> Verbot <strong>der</strong> Entwicklung, Herstellung,<br />

Lagerung <strong>und</strong> des Einsatzes chemischer Waffen <strong>und</strong> über die<br />

Vernichtung solcher Waffen (CWC, CWÜ)<br />

1995 in Kraft getretenes Abkommen zur Kontrolle chemischer<br />

Kampfmittel <strong>und</strong> ihres Einsatzes. Der CWC traten bis zum 27. September<br />

2002 147 Staaten bei, weitere 27 Staaten haben <strong>das</strong> Abkommen signiert.<br />

Wie die ➝ B-Waffen-Konvention erfasst die CWC auch ➝<br />

Toxin-Waffen.<br />

UK<br />

Vereinigtes Königreich von Großbritannien <strong>und</strong> Nordirland<br />

UNMOVIC<br />

United Nations Monitoring, Verification and Inspection Commission<br />

UNSCOM<br />

United Nations Special Commission<br />

USA<br />

Vereinigte Staaten von Nordamerika<br />

USAMRIID<br />

US Army Medical Research Institute of Infectious Diseases<br />

Vakzinia-Virus (Impfpockenvirus) ➝ Pocken<br />

Variola major (Pockenvirus) ➝ Pocken<br />

354


Venezolanische Pferde-Enzephalitis (VEE)<br />

Infektionskrankheit, die – wie einige ähnliche Erkrankungen (Östliche<br />

<strong>und</strong> Westliche Pferde-Enzephaliitis, EEE bzw. WEE) – durch Alphaviren<br />

verursacht wird, die zur Familie <strong>der</strong> Togaviren gehören. Unter<br />

natürlichen Bedingungen werden die hochinfektiösen Viren durch<br />

Moskitos übertragen, sie können aber auch hoch effektiv durch<br />

Aerosole verbreitet werden. VEE, EEE <strong>und</strong> WEE befallen nicht nur<br />

Pferde, son<strong>der</strong>n u.a. Menschen. Die Krankheit, zu <strong>der</strong>en Ausbruch <strong>das</strong><br />

Einatmen von 10-100 Erregern ausreicht, äußert sich in starken<br />

Kopfschmerzen, hohem Fieber, Übelkeit <strong>und</strong> Durchfall, gelegentlich in<br />

Enzephalitis, die dann häufig tödlich verläuft, vor allem bei Kin<strong>der</strong>n.<br />

Die Inkubationsperioden betragen zwei bis sieben Tage (VEE) bzw. ein<br />

bis zwei Wochen (EEE, WEE). Mehr o<strong>der</strong> weniger gut wirksame, noch<br />

nicht zugelassene Impfstoffe stehen zur Verfügung; eine spezifische<br />

Therapie ist jedoch nicht möglich.<br />

Da diese Viren relativ leicht in großen Mengen produziert werden können,<br />

hoch infektiös <strong>und</strong> gleichzeitig ziemlich stabil sind <strong>und</strong> als Aerosol<br />

verbreitet werden können, bieten sie sich als effektive biologische<br />

Kampfmittel an.VEE wurde mindestens in den Biowaffenprogrammen<br />

<strong>der</strong> Sowjetunion <strong>und</strong> <strong>der</strong> USA bearbeitet.<br />

VfP<br />

Vaccines for Peace<br />

Westliche Pferde-Enzephaliitis (WEE) ➝ Venezolanische Pferde-<br />

Enzephalitis<br />

Whistleblower<br />

Personen die zum Nutzen <strong>der</strong> Gemeinschaft <strong>und</strong> nicht zum eigenen<br />

Vorteil an<strong>der</strong>e frühzeitig auf einen Missstand o<strong>der</strong> drohende Gefahren<br />

aufmerksam machen.<br />

Yersinia pestis<br />

bakterieller Erreger <strong>der</strong> Pest<br />

Zecken-Enzephalitis-Virus ➝ Flaviviren<br />

355


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360


Anmerkungen<br />

1 - Powell, C. 1994, Erklärung anlässlich <strong>der</strong> „Hearings on National<br />

Defense Authorization Act FYI 1994 – HR 2401“, 103rd Congr., 1st<br />

sess. H201-233. Zitiert in Crowley, M. 2001, Disease by Design. Demystifying<br />

the Biological Weapons Debate. British American<br />

Security Information Council, London, Washington, 15.<br />

2 - Churchill, W.S. 1925: in The Second World War. Volume I. The<br />

Gathering Storm, Wellington: Cassell & Co. Ltd, London, Toronto,<br />

Melbourne, Sydney, 1948, 33-34.<br />

3 - Bush, G.W. 2002, „Erklärung bei <strong>der</strong> Unterzeichnung des<br />

Bioterrorgesetzes am 12. Juni 2002 in Washington“. Internationale<br />

Politik 57, Nr. 7, 132-133.<br />

Einführung<br />

4 - Committee of Imperial Defence. Sub-committee on Bacteriological<br />

Warfare 1937, „Germany, Bacteriological Warfare“. Note by Joint<br />

Secretary, 25 October. Public Record Office, Kew, London, [PRO]<br />

WO188/650 XP010754.<br />

5 - Committee of Imperial Defence. Sub-committee on Bacteriological<br />

Weapons 1936, „Extract of Information received up to the 21st<br />

October, regarding the development of Bacteriological Warfare in<br />

Germany“, 4 November. PRO WO188/650 XP010754.<br />

I. Eine Rüstungsspirale kommt in Gang<br />

6 - Die meisten Quellen sind angegeben in <strong>Geißler</strong> 1999, 51-122.<br />

7 - Nadolny, R. 1985, Mein Beitrag. Erinnerungen eines Botschafters des<br />

Deutschen Reiches. dme-Verlag, Köln, 299.<br />

8 - Buchheit, G. 1966, Der deutsche Geheimdienst. Geschichte <strong>der</strong> militärischen<br />

Abwehr. List Verlag München, 23.<br />

9 - Nicolai, W. 1920, Nachrichtendienst, Presse <strong>und</strong> Volksstimmung im<br />

Weltkrieg. Mittler, Berlin; <strong>der</strong>s. 1923, Geheime Mächte. Internationale<br />

Spionage <strong>und</strong> ihre Bekämpfung im Weltkrieg <strong>und</strong> heute.<br />

K.F. Koehler, Leipzig.<br />

10 - Geissler, E. 1997, „Anwendung von Seuchenmitteln gegen Menschen<br />

nicht erwünscht“, Militärgeschichtliche Mitteilungen 56, 107-155.<br />

361


11 - Inglesby, T.V., D.A. Hen<strong>der</strong>son, J. Bartlett et al., 2001, „Anthrax as<br />

a biological weapon“, Journal of the American Medical Association<br />

[JAMA]. 285, 1059-1070.<br />

12 - Polish Business News, 28 February 2001. Zitiert in The CBW<br />

Conventions Bulletin No. 52, 2001, 43.<br />

13 - Nadolny 1985, Anm. 7, 36.<br />

14 - Quellen zitiert in Wheelis 1999.<br />

15 - Inglesby, T.V., D.A. Hen<strong>der</strong>son, J.G. Bartlett et al. 2000, „Plague as<br />

a biological weapon: medical and public health management“,<br />

JAMA 283, 2281-2290.<br />

16 - Scott, S. and C. Duncan 2001, Biology of Plagues. Cambridge<br />

University Press, Cambridge.<br />

17 - Quellen zitiert in Wheelis 1999; Fenn, E.A. 2000, „Biological warfare<br />

in eighteenth-century North America: Beyond Jeffery<br />

Amherst“, J.Amer.History 86,1552-1580.<br />

18 - Hen<strong>der</strong>son, D.A., T.V. Inglesby, J.G. Bartlett et al. 1999, „Smallpox<br />

as a biological weapon. Medical and public health management“.<br />

JAMA, 281, 2127-37.<br />

19 - Thomas, D.H. 1995, Die Welt <strong>der</strong> Indianer. Fre<strong>der</strong>king <strong>und</strong> Thaler,<br />

München.<br />

20 - Quellen zitiert in Lepick 1999.<br />

21 - Quellen zitiert in <strong>Geißler</strong> 1999, 123-161.<br />

22 - Die meisten Quellen zitiert in <strong>Geißler</strong> 1999, 163-202; Sims 2001.<br />

23 - Young, R. 2002, „Withdrawal of reservations to the 1925 Geneva<br />

Protocol“. In: ICRC 2002, Biotechnology, Weapons and Humanity.<br />

Summary Report. International Committee of the Red Cross,<br />

Geneva, 18; Young, R. 2002, persönliche Mitteilung, November.<br />

24 - Han Wie, 1983, „Die Bakterien-Mode <strong>der</strong> japanischen Armee im<br />

Nordosten Chinas“, Zusammenstellung historischer Quellen (in chinesisch),<br />

Konsultativkonferenz des chinesischen Volkes, Nr. 91,<br />

192-191; zitiert von Bärninghausen 1996.<br />

25 - Harris 1999.<br />

26 - Die meisten Quellen sind zitiert in Bojtzov and Geissler 1999.<br />

27 - Arnon, S.S., R. Schechter, T.V. Inglesby et al. 2001, „Botulinum<br />

toxin as a biological weapon. Medical and public health management“,<br />

JAMA 281, 1735-1745; Patocka, J. and M. Splino 2002,<br />

362


„Botulinum toxin: From poison to medical agent“, The ASA<br />

Newsletter, 02-1, 14-18.<br />

28 - Alibek <strong>und</strong> Handelman 2001.<br />

29 - Birstein 2001, 149.<br />

II. Falschmeldungen beschleunigen die Rüstungsspirale<br />

30 - Die meisten Quellen sind zitiert in <strong>Geißler</strong> 1999, 203-244.<br />

31 - Lin<strong>der</strong>, H. 1998, Von <strong>der</strong> NSDAP zur SPD. Der politische<br />

Lebensweg des Dr. Helmuth Klotz (1894-1943). UVK<br />

Verlagsgesellschaft, Konstanz.<br />

32 - Dürr, H.-P., „Begrüßung“, in: D. Deiseroth <strong>und</strong> A. Falter (Hrsg.)<br />

2002, Zivilcourage im BSE-Skandal – <strong>und</strong> die Folgen. Vereinigung<br />

Deutscher Wissenschaftler, Berlin, 15-17.<br />

33 - Amberg, 1926, „Abschlußbericht <strong>der</strong> Reichswehr-<br />

Forschungsgruppe Amberg über die Organisation <strong>und</strong> Erprobung<br />

von chemischen Kampfstoffen“. Geh Kommandosache. In:F.P.<br />

Kahlenberg, R.G. Pichoja <strong>und</strong> L.V. Dvojnych (Hrsg.) 1995<br />

Reichswehr <strong>und</strong> Rote Armee. B<strong>und</strong>esarchiv, Koblenz, 43-50.<br />

34 - Die meisten Quellen sind zitiert in Lepick 1999.<br />

35 - Zitiert in <strong>Geißler</strong> 1999, 230.<br />

36 - Garrett, B. 1992, „Ricin: A case study for the treaty“, The ASA<br />

Newsletter 92-2, 1, 10-12; Heimann, G. 2003, „aus dem Garten <strong>der</strong><br />

Natur“, Tagesspiegel, 9. Januar.<br />

37 - Kliewe, H. 1940, „Kurzer Auszug zu den mit Nr. 6213/40g Prüf 9<br />

übersandten Le Bouchet-Akten“. U.S. National Archives, College<br />

Park, Md., Record Group 319, Box 1, Fol<strong>der</strong> BW2.<br />

38 - Die meisten Quellen sind zitiert in Bojtzov and Geissler 1999;<br />

Rimmington, A. 2000, „Invisible weapons of mass destruction: The<br />

Soviet Union’s BW programme and its implications for contemporary<br />

arms control“. The Journal of Slavic Military Studies, 13,<br />

No. 3, 1-46.<br />

39 - Domaradskij, I.V. and W. Orant 2001, „The memoirs of an inconvenient<br />

man: Revelations about biological weapons research in the<br />

Soviet Union“, Critical Revs. in Microbiol. 27, 239-266.<br />

40 - Birstein 2001, 124.<br />

41 - Dennis, D.T., T. Inglesby, D.A. Hen<strong>der</strong>son et al. 2001, „Tularemia as<br />

363


a biological weapon. Medical and public health management“.<br />

JAMA 285, 2763-2773; Hayes, E., S. Marshall and D. Dennis 2002,<br />

„Tularemia – United States, 1990-2000“, JAMA 287, 1519-1520.<br />

42 - Die meisten Quellen sind zitiert in Carter and Pearson 1999.<br />

43 - Balmer 2001.<br />

44 - <strong>Geißler</strong> 1999, 262-271.<br />

45 - meisten Quellen sind zitiert in Avery 1999; Bryden 1989; van<br />

Courtland Moon 1999.<br />

46 - Geissler 1999, 693-694.<br />

47 - Quellen zitiert in Geissler 1999, 245-291.<br />

48 - <strong>Geißler</strong>, E. (Hrsg.) 1986, Fachlexikon ABC Virologie. Verlag Harri<br />

Deutsch, Thun/Frankfurt/M. 1986.<br />

48a - Gewin, V. 2003, „Bioterrorism: Agriculture shok“. Nature 421,<br />

106-108.<br />

III. In Europa schweigen die Biowaffen<br />

49 - Quellen zitiert in Geissler 1999, 293-325..<br />

50 - Quellen zitiert in Bärninghausen 1996; Harris 1996 <strong>und</strong> 1999.<br />

51 - Die meisten Quellen sind zitiert in <strong>Geißler</strong> 1999, 341-370.<br />

52 - <strong>Geißler</strong> 1998.<br />

53 - Brissaud, A. 1996, Canaris. Legende <strong>und</strong> Wirklichkeit. Bechtermünz<br />

Verlag, Augsburg, 459.<br />

54 - Merck, G.W., W.M. Adams, G.W. An<strong>der</strong>son et al. 1945, „Summary<br />

and Estimate of Enemy Intentions and Capabilities in Biological<br />

Warfare“, Memorandum To Members Of The USBWC. Secret. 19<br />

May. U.S. National Archives, College Park, Md., Record Group<br />

112, Box 4, 5, and 11.<br />

55 - Brophy, L.P., W.D. Miles and R.C. Cochrane 1959, „Biological<br />

Warfare Research“. In: S. Conn (ed.) 1959, United States Army in<br />

World War II. [X:] The Technical Services [Band 2]. The Chemical<br />

Warfare Service: From Laboratory to Field. Washington, D.C.,<br />

Department of the Army, 114.<br />

56 - Inglis, T.B. 1947, „Naval Aspects of Biological Warfare“. Top<br />

Secret. 5 August. U.S. National Archives, College Park, Md.,<br />

Record Group 112, Box 4, 5, and 11.<br />

57 - Quellen zitiert in <strong>Geißler</strong> 1999, 370-374.<br />

364


58 - AP 1970, „When the Nazis tried to starve out Britain by beetlebombing<br />

crops“, International Herald Tribune, 25 February.<br />

59 - Die meisten Quellen sind zitiert in Balmer 2001; Carter and<br />

Pearson 1999; van Courtland Moon 1999; Avery 1999.<br />

60 - Die meisten Quellen sind zitiert in Bojtzov and Geissler 1999, 153-<br />

167; <strong>Geißler</strong> 1999, 584-588.<br />

61 - Belousowa, T., „Tschuma“ [„Pest“], Sowerschenno Sekretno<br />

[Streng geheim] Nr. 10 (Oktober) 1998, 18-19.<br />

62 - The CBW Conventions Bulletin, No. 41, 1998, 23.<br />

63 - Croddy, E. and S. Krčálová 2001, „Tularemia, biological warfare,<br />

and the battle for Stalingrad (1942-1943), Military Medicine, 166,<br />

837-838.<br />

64 - Die meisten Quellen sind zitiert in <strong>Geißler</strong> 1999.<br />

65 - Franz, D., P.B. Jahrling, A.M. Friedlan<strong>der</strong> et al. 1997, „Clinical<br />

recognition and management of patients exposed to biological<br />

warfare agents“, JAMA 278, 399-411. Nachgedruckt in Le<strong>der</strong>berg<br />

1999.<br />

66 - Birstein 2001, 118.<br />

67 - Miller, Engelberg <strong>und</strong> Broad 2002, 107; Schäfer, I. <strong>und</strong> H. Schäfer<br />

2002, „Mord-Report“. In: A. Schölzel (Hsrg.) 2002, Das<br />

Schweigekartell. Fragen & Wi<strong>der</strong>sprüche zum 11. September. Kai<br />

Homilius Verlag, Berlin, 213-243.<br />

68 - Garrett 1992, Anm. 36.<br />

68a - Bennetto, J. and K. Sengupta 2003, „Alarm over terror suspects<br />

with deadly toxin“, The Independent, 8 January.<br />

69 - Die meisten Quellen sind zitiert in <strong>Geißler</strong> 1999, 769-793.<br />

70 - Dörner, K., A. Ebbinghaus <strong>und</strong> K. Linne (Hrsg.) 1999, Der<br />

Nürnberger Ärzteprozeß 1946/47. Wortprotokolle, Anklage- <strong>und</strong><br />

Verteidigungsmaterial, Quellen zum Umfeld. K.G.Saur Verlag,<br />

München.<br />

71 - Anonym 1950.<br />

72 - Quellen sind zitiert <strong>und</strong> reproduziert in Tsuneishi 1985.<br />

73 - Bärninghausen 1996.<br />

74 - The CBW Conventions Bulletin, Nr. 49, 2000, 32; Nr. 53, 2001, 37.<br />

75 - dpa/AFP 2002, „Chinas Kriegsopfer erhalten von Tokio keine<br />

Entschädigung“. Tagesspiegel, 28. August; Kahn, J. 2002, „Shouting<br />

365


the pain from Japan’s germ attacks“, New York Times, 23<br />

November.<br />

76 - Die meisten Quellen sind zitiert in Tsuneishi 1985.<br />

77 - Kahn 2002, Anm. 75.<br />

78 - Die meisten Quellen sind zitiert in Geissler, E. 2000,<br />

„Kartoffelkäfer als dual-threat agents“. In: E. Höxtermann, J.<br />

Kaasch, M. Kaasch & R.K. Kinzelbach (Hg.) Berichte zur<br />

Geschichte <strong>der</strong> Hydro- <strong>und</strong> Meeresbiologie <strong>und</strong> weitere Beiträge <strong>der</strong><br />

8. Jahrestagung <strong>der</strong> DGGTB. Verhandlungen zur Geschichte <strong>und</strong><br />

Theorie <strong>der</strong> Biologie, 5, Verlag für Wissenschaft <strong>und</strong> Bildung,<br />

Berlin, 209-237.<br />

79 - Johnson, U. 1988, Jahrestage 4. Aus dem Leben <strong>der</strong> Gesine<br />

Cresspahl. Suhrkamp Verlag Frankfurt am Main, 1726-27.<br />

80 - Johnson, U. 1980, Begleitumstände. Frankfurter Vorlesungen.<br />

Suhrkamp Verlag Frankfurt am Main, 50-51.<br />

81 - Lehmbäcker, H. 2000 (ein ehemaliger Mitschüler Johnsons), persönliche<br />

Mitteilung.<br />

82 - Pergande, F. 2001, „Vorbild waren die Geschwister Scholl“.<br />

Frankfurter Allgemeine Zeitung, 27. Dezember.<br />

IV. Die Spirale dreht sich weiter<br />

83 - Die meisten Quellen sind zitiert von Cole 1988; Cole, L.A. 1991,<br />

„Biological warfare tests over American cities: lessons from the<br />

past“. In: Geissler and Haynes 1991, 107-127; Miller, Engelberg<br />

<strong>und</strong> Broad 2002.<br />

84 - Leitenberg, M. 1998, The Korean War Biological Warfare<br />

Allegations Resolved. Center for Pacific Asia Studies at Stockholm<br />

University, Stockholm.<br />

85 - Endicott, S. and E. Hagerman 1998, The United States and<br />

Biological Warfare: Secrets from the Early Cold War and Korea.<br />

Indiana University Press, Bloomington and Indianapolis; van<br />

Courtland Moon, J.E. 1999, „Review“. The ASA Newsletter 99-2,<br />

No. 71, 1, 8.<br />

86 - USA 1996, „Declaration of Past Activities in Offensive and/or<br />

Defensive Biological Research and Development Programs“. Confidence<br />

Building Measure F. April. CDA/11-96/BW-III/Add. 1, 148-172.<br />

366


87 - Borio, L., T. Inglesby, C.J. Peters et al. 2002: „Hemorrhagic fever<br />

viruses as biological weapons. Medical and public health management“,<br />

JAMA 287, 2391-2405.<br />

88 - Miller, Engelberg <strong>und</strong> Broad 2002.<br />

89 - Franz et al. 1997, Anm. 65.<br />

90 - The CBW Conventions Bulletin No. 57, 2002, 33, 48.<br />

91 - Balmer 2001; Canada 1997, Annual Report of Confidence Building<br />

Measures. Biological and Toxin Weapons Convention. 15 April.<br />

CDA/BWC/1997/CBM, 74-138; United Kingdom 1992, {Report}<br />

Convention on the Prohibition of the Development Production<br />

and Stockpiling of Bacteriological (Biological) and Toxin Weapons<br />

and on Their Destruction, 14 April. DDA/4-92/BWIII, 213-51.<br />

92 - France 1992, {Declaration} 15 May, DDA/4-92/BWiii/<br />

Add.2. 41-111.<br />

93 - <strong>Geißler</strong> 1999, 761-766.<br />

94 - Alibek <strong>und</strong> Handelman 1999, 56.<br />

95 - Russische Fö<strong>der</strong>ation 1992, „Information über Anlagen <strong>und</strong> Tätigkeiten<br />

<strong>der</strong> Russischen Fö<strong>der</strong>ation im Zusammenhang mit dem<br />

Übereinkommen über <strong>das</strong> Verbot <strong>der</strong> Entwicklung, Herstellung<br />

<strong>und</strong> Lagerung bakteriologischer (biologischer) Waffen <strong>und</strong> von<br />

Toxin-Waffen sowie über die Vernichtung solcher Waffen“. [in<br />

Russisch] 3. Juli. UN Document DDA/4-92/BWIII/Add.3, 32-90.<br />

96 - Tucker, J.B. and R.A. Zilinskas (eds.) 2002, The 1971 Smallpox<br />

Epidemic in Aralsk, Kazakhstan, and the Soviet Biological Warfare<br />

Program. Monterey Institute of International Studies.<br />

97 - Garthoff, R. L. 2000, „Polyakov’s run“, Bulletin of the Atomic<br />

Scientists, 56, No. 5, 37-40.<br />

98 - Worobjow, A. <strong>und</strong> A. Maslow 1968, „Die biologische Waffe <strong>und</strong><br />

einige Probleme des biologischen Schutzes“, Militärisches Denken<br />

(in Russisch), vertrauliche Verschlußsache, Nr. 1 (83), 90-97.<br />

99 - Wise, D. 2000, Cassidy’s Run. The Secret Spy War Over Nerve Gas,<br />

Random House, New York.<br />

100 - Morrow, E.A. 1947, „British seize h<strong>und</strong>reds“, New York Times, 24<br />

February; U.P. 1947, „Anthrax threat discounted“, New York<br />

Times, 25 February; „Nazi try at germ warfare“, Science News<br />

Letter 51, 8 March 1947.<br />

367


101 - Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten <strong>der</strong> DDR (Hsrg.)<br />

1969, Bonn bereitet den Giftkrieg vor. Staatsverlag <strong>der</strong> DDR,<br />

Berlin.<br />

102 - Schabowski, G. 1968, „’Ich konnte nicht länger schweigen’. Von<br />

<strong>der</strong> Physiognomie mißbrauchter Wissenschaft / Notizen nach<br />

einer Begegnung mit Dr. Petras“. Neues Deutschland, 28.<br />

Dezember.<br />

103 - [Petras, E.] 1968, „Dr. Petras war Zeuge des B-C-Programms. Aus<br />

seiner sensationellen Rede vor Journalisten“, Neues Deutschland,<br />

7. Dezember.<br />

104 - Kohrt, G. 1968, „DDR: Neuem Völkermord Halt gebieten!“<br />

Neues Deutschland, 7. Dezember.<br />

105 - Schoene, E. 2002, persönliche Mitteilung.<br />

106 - ND 1968, „Internationale Pressekonferenz in Berlin: Bonns verstärkte<br />

Rüstung mit B- <strong>und</strong> C-Waffen – Bruch des Völkerrechts“.<br />

Neues Deutschland, 7. Dezember.<br />

107 - Carstens, K. 1967, Schreiben an Staatssekretär Dr. von Heppe im<br />

B<strong>und</strong>esministerium für wissenschaftliche Forschung, Bad<br />

Godesberg, 16. August. B<strong>und</strong>esarchiv Koblenz (BAK), Bestand B<br />

138 / 6669. Wahl, A. 1968, Schreiben an den B<strong>und</strong>esminister für<br />

wissenschaftliche Forschung, „Betr.: Zusammenarbeit mit<br />

Forschungsorganisationen; hier: Geheimhaltung in <strong>der</strong><br />

Wehrforschung“. 18. Mai. BAK B 196 / 07176. Gassner, E. 1969,<br />

„Ausarbeitung im Auftrag des ‚Ausschusses für Geheimhaltungsfragen<br />

in <strong>der</strong> Wehrforschung beim B<strong>und</strong>esminister <strong>der</strong> Verteidigung’“.<br />

14. April. BAK B 196 / 07178.<br />

108 - Lehr 1972, Schreiben an Herrn Staatssekretär [vom B<strong>und</strong>esministerium<br />

für Forschung <strong>und</strong> Technologie] vom 18. Dezember.<br />

„Betr.: Fraunhofer-Gesellschaft; hier: Verhältnis zum BMVg -vertrauliche<br />

Forschungsarbeiten“. 18. Dezember. BAK B 196 / 16785.<br />

109 - Petras, E. <strong>und</strong> K. Bisa 1967, „Überlebenschancen von Mikroorganismen<br />

im Milieu von Ionosphäre <strong>und</strong> Stratosphäre“.<br />

November. BAK B 196 / 13610. Veröffentlicht 1968 unter dem<br />

Titel „Überlebensdauer von Mikroorganismen im Milieu von<br />

Ionosphäre <strong>und</strong> Stratosphäre“ in: BMBW, FB-W 68-09. Petras, E.<br />

1967, „Überlebenschancen von Mikroorganismen im Milieu von<br />

368


Stratosphäre <strong>und</strong> Ionosphäre“, Monatskurse für ärztliche Fortbildung,<br />

602; Petras, E. and K. Bisa 1968, „Microbiological studies<br />

on the radiation environment of ionosphere and stratosphere“,<br />

Life Sciences and Space Research.<br />

110 - Epp 1967, Schreiben an den B<strong>und</strong>esminister für wissenschaftliche<br />

Forschung, 13. Oktober. BAK B 196 / 13609.<br />

111 - Bücker, H. 1968, Schreiben an den B<strong>und</strong>esminister für wissenschaftliche<br />

Forschung, „Betr.: Labor-, Ballon- <strong>und</strong><br />

Raketenexperimente des Instituts für Aerobiologie,<br />

Grafschaft/Sauerland“. 13. Februar. BAK B 196 / 13610.<br />

112 - von Alvensleben 1968, Herrn Abteilungleiter IV über Herrn<br />

Unterabteilungsleiter IV a im Hause [des BMWF], „Betr.:<br />

Weiterbestehen <strong>der</strong> Weltraumbiologischen Arbeitsgruppe am<br />

Institut für Aerobiologie <strong>der</strong> Fraunhofergesellschaft“, 4. April.<br />

Strathmann 1968, Schreiben an <strong>das</strong> B<strong>und</strong>esministerium für wissenschaftliche<br />

Forschung, Bonn, „Betr.: Institut für Aerobiologie,<br />

hier: Ihr Forschungsvorhaben ‘Vorbereitung <strong>und</strong> Durchführung<br />

eines biologischen Testversuches mit einer Höhenrakete<br />

Véronique-AG I’“ , 11. April. BAK B 196/13609.<br />

113 - von Alvensleben 1968, „Alternativen für Unterbringung Dr. Petras<br />

(Besprechung im BMWF am 30. 4. 68)“. Epp, 1968, An <strong>das</strong> B<strong>und</strong>esministerium<br />

für wissenschaftliche Forschung, Herrn Ministerialrat<br />

Dr. Regula, „Betr.: Forschungsvertrag WRK 87 Fortsetzung (Dr.<br />

Petras)“. 27. Juni. BAK B 196 /13609. Regula 1968, An die<br />

Fraunhofer-Gesellschaft zur För<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> angewandten Forschung<br />

e.V. z.Hd. Herrn Epp, München, „Betr.: För<strong>der</strong>ungsvorhaben WRK<br />

87 – Fortsetzung“, 22. Juli. Regula 1968, An die Fraunhofer-<br />

Gesellschaft zur För<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> angewandten Forschung e.V. z.Hd.<br />

Herrn Epp, München, „Betr.: För<strong>der</strong>ungsvorhaben WRK 87 –<br />

Fortsetzung“, 22. Juli. Seboldt 1968, An die Fraunhofer-Gesellschaft<br />

zur För<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Angewandten Forschung e.V. z.Hd. Herrn Epp,<br />

München, „Betr.: För<strong>der</strong>ungsvorhaben WRK 87 - Fortsetzung“, 25.<br />

Juli. Unleserlich (Geschäftsführung <strong>der</strong> FhG) 1968, An <strong>das</strong> B<strong>und</strong>esministerium<br />

für wissenschaftliche Forschung - z.Hd. Herrn Seboldt<br />

– Bonn, „Betr.: För<strong>der</strong>ungsvorhaben WRK 87/Fortsetzung“, 4. November.<br />

BAK B 196 / 13609.<br />

369


114 - Dürr 2002, Anm. 32.<br />

115 - ND 1968, „Ausland über Bonner B- <strong>und</strong> C-Programm erregt <strong>und</strong><br />

empört“, Neues Deutschland, 8. Dezember. Ebenda: „Weltpresse:<br />

Enthüllungen Dr. Petras’ stark beachtet“.<br />

116 - AP 1968, „Wissenschaftler aus Protest in die ‚DDR’ übergesiedelt“.<br />

Der Tagesspiegel, 26. November.<br />

117 - Auswärtiges Amt 1969, „Die Westeuropäische Union“.<br />

Halbjahresbericht <strong>der</strong> B<strong>und</strong>esregierung für die Zeit vom 1. April<br />

1969 bis 30. September 1969. 16. Oktober. Deutscher B<strong>und</strong>estag,<br />

5. Wahlperiode, Drucksache V/4693.<br />

118 - Schoene 2002, Anm. 105.<br />

119 - „Gesetz betreffend den Beitritt <strong>der</strong> B<strong>und</strong>esrepublik Deutschland<br />

zum Brüsseler Vertrag <strong>und</strong> zum Nordatlantikvertrag“ vom 24.<br />

März 1955. B<strong>und</strong>esgesetzblatt Teil II, 25. März 1966, 256-273.<br />

120 - Petras, E. 1972, „Genetik <strong>und</strong> biologische Kriegsführung“, in: E.<br />

Geissler <strong>und</strong> H. Ley (Hsrg.) 1972, Philosophische <strong>und</strong> ethische<br />

Probleme <strong>der</strong> mo<strong>der</strong>nen Genetik, Akademie-Verlag, Berlin, 118-<br />

123; von Weizsäcker, H. 1972, Diskussionsbemerkungen, ebenda,<br />

135-137, 141-143.<br />

121 - AP 1968, Anm. 116.<br />

122 - Quellen bei Thränert, O. 1991, „The United States’ unilateral<br />

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Impact of Pugwash on the debates over chemical and biological<br />

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123 - Laird, M. 1970, Memorandum für Präsident Richard Nixon, 6<br />

July, zitiert in The CBW Conventions Bulletin, No. 54, 2001, 56.<br />

124 - „Konvention über <strong>das</strong> Verbot <strong>der</strong> Entwicklung, Herstellung <strong>und</strong><br />

Lagerung von Bakteriologischen (biologischen) <strong>und</strong> Toxin-<br />

Waffen <strong>und</strong> über ihre Vernichtung“. Gesetzblatt <strong>der</strong> DDR, Teil<br />

I,1972, 267-282.<br />

125 - „Übereinkommen über <strong>das</strong> Verbot <strong>der</strong> Entwicklung, Herstellung<br />

<strong>und</strong> Lagerung bakteriologischer (biologischer) Waffen <strong>und</strong> von<br />

Toxin-Waffen sowie über die Vernichtung solcher Waffen“.<br />

B<strong>und</strong>esgesetzblatt, Teil II,1983, 133-138.<br />

126 - Miller, Engelberg <strong>und</strong> Broad 2002, 107-108.<br />

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127 - Ikle, F.C. 1974, in: Prohibition of Chemical and Biological<br />

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United States Senate. U.S. Government Printing Office,<br />

Washington, D.C., 15.<br />

128 - Brown, G.S. 1974, The Joint Chiefs of Staff, Schreiben an Hon.<br />

J.W. Fulbright, Chairman, Committee on Foreign Relations, U.S.<br />

Senate, 6 December. In: Prohibition … 1974, Anm. 127, 62-63.<br />

129 - USA 1980, Soviet Biological Warfare Activities, Permanent Select<br />

Committee on Intelligence, US House of Representatives, June, p.<br />

2, zitiert von M. Leitenberg 1991, „Soviet activities related to biological<br />

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130 - Sidel, V. 1989, „Testimony on Germ wars: Biological weapons proliferation<br />

and the new genetics“, in USA 1990, Global Spread of<br />

Chemical and Biological Weapons. Hearings before the<br />

Committee on Governmental Affairs and its Permanent<br />

Subcommittee on Investigations, United States Senate, U.S.<br />

Goverment Printing Office, Washington D.C., 512-518; Owens, W.<br />

1989, ebenda, 180-182.<br />

131 - Die meisten Quellen sind zitiert in Geissler and Woodall 1994.<br />

132 - Cieslak, T.J., G.W. Christopher, M.G. Kortepeter et al. 2000,<br />

„Immunization against potential biological warfare agents“,<br />

Clinical Infectious Diseases 30, 843-850.<br />

133 - United Kingdom of Great Britain and Northern Ireland 2001,<br />

Backgro<strong>und</strong> Paper on New Scientific and Technological<br />

Developments Relevant to the Convention on the Prohibition of<br />

Development, Production, and Stockpiling of Bacteriological<br />

(Biological) and Toxin Weapons and on Their Destruction,<br />

BWC/CONF.V/4/Add.1, Geneva, 26 October; The CBW<br />

Conventions Bulletin, No. 50, 2000, 27.<br />

134 - Borio et al. 2002, Anm. 87.<br />

135 - Nass, M., 1998, „Anthrax vaccine and the´prevention of biological<br />

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Conventions Bulletin, No. 57, 2002, 35, 43-44, 50, 53.<br />

136 - Huxsoll, D.L., Patrick III, W.C., and Parrott, C.D. 1987, „Veterinary<br />

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137 - „Summary of the Genetic Engineering Expert Panel“, 26 May<br />

1981, 4.<br />

138 - „Genetic engineering’s war potential called slight by State Dept.<br />

advisors“. Genetic Engineering Letter, 1, No. 10, 24 May 1981, 4.<br />

139 - Johnson, S.T. 1984, Schreiben an Arthur H. Westing, Stockholm<br />

International Peace Research Institute, 1 February.<br />

140 - Quellen angegeben bei Geissler 1986, 1990.<br />

141 - Singer, M. and D. Söll 1973, „Guidelines for DNA hybrid molecules“.<br />

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143 - Russell, A.M. 1988: The Biotechnology Revolution. An International<br />

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144 - Plasmid Working Group 1975: „Proposed Guidelines and Potential<br />

Biohazards Associated with Experiments involving Genetically<br />

Altered Microorganisms“, 19. Zitiert von S. Krimsky, 1982:<br />

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145 - Kaplan, M.M. 1983, „Another view“, Bulletin of the Atomic<br />

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146 - Möllemann, J.W. 1986, Rede im Deutschen B<strong>und</strong>estag zum Thema<br />

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147 - Geissler E. 1986.<br />

148 - Jackson, R.J., A.J. Ramsay, C.D. Christensen et al. 2001,<br />

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151 - Siehe beispielsweise Sunshine Project 2001, „Biologische Waffen:<br />

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Juni; van Aken, J. 2002, „Gentechnische Arbeiten bei <strong>der</strong><br />

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geplanten Seuchen. Rowohlt Taschenbuch-Verlag, Reinbeck.<br />

153 - Segal, J. 1987, „Where does AIDS come from?“ Moscow News,<br />

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154 - „AIDS – Man-made in USA“. Interview von Jakob Segal durch<br />

Stefan Heym. TAZ 18. Februar 1987.<br />

155 - Zitiert in The CBW Conventions Bulletin, No. 52, 2001, S. 53, 58;<br />

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156 - Zapevalov, V. 1985, „Panik im Westen – o<strong>der</strong>: Was steckt hinter<br />

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158 - Meselson, M. 1989, Hearings …, Anm. 130, 218.<br />

159 - Glenn, J. and H.A. Homes 1989, Hearings … Anm. 130, 190-191.<br />

160 - Miller, Engelberg <strong>und</strong> Broad 2002, 140; Alibek <strong>und</strong> Handelman<br />

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161 - Komsomolskaya Pravda, 17. Mai 1992, zitiert von V. Israeljan<br />

2002, „Fighting anthrax: A cold warrior’s confession“, The<br />

Washington Quarterly 25, No. 2, 17-29.<br />

162 - Russische Fö<strong>der</strong>ation 1992, Anm. 95.<br />

163 - Lugar, R.G. 1998, Interview. Zitiert in The CBW Conventions<br />

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164 - Leitenberg, M. 1997, „The Possibilities and limitations of biological<br />

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Handelman 1999.<br />

165 - Malakhova, O. 2002, „They have disavowed plague“, Novoye<br />

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181 - House of Commons Library (ed.) 2002, Iraq: the debate on policy<br />

options, 20 September. Research Paper 20. www.parliament.uk.<br />

182 - Lewis, P. 2001, „From UNSCOM to UNMOVIC: The United<br />

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Repräsentantenhauses über „UN Inspections of Iraq’s Weapons<br />

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Zitiert in The CBW Conventions Bulletin, No. 50, 2000, 36.<br />

185 - S<strong>und</strong>ay Telegraph, 30 September 2001, zitiert in The CBW<br />

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zitiert in The CBW Conventions Bulletin, No. 56, 38; Times, 12<br />

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187 - Ritter, S. 2002, Bemerkungen anlässlich <strong>der</strong> Pressevorführung seines<br />

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259 - „Handhabung <strong>der</strong> B-Waffen-Thematik in <strong>der</strong> B<strong>und</strong>esrepublik<br />

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Drucksache 14/8082, 25. Januar 2002; lem/dpa 2002. „Deutschland<br />

kauft Pockenimpfstoff für alle Bürger“, Tagesspiegel, 21.<br />

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V. Ist die Rotation <strong>der</strong> Spirale noch zu stoppen?<br />

263 - Geissler 1990; Pearson and Dando 2001; Sims 2001.<br />

264 - Mertes, A, 1980, Deutscher B<strong>und</strong>estag, 8. Wahlperiode, 223.<br />

Sitzung, 18. Juni, 18058; Deutscher B<strong>und</strong>estag 1981, Vorschläge<br />

382


zur kontrollierten Abrüstung <strong>der</strong> biologischen, chemischen <strong>und</strong><br />

atomaren Waffen. Drucksache 9/1083. 26. November.<br />

265 - Unterrichtung durch die B<strong>und</strong>esregierung. „Bericht zum Stand<br />

<strong>der</strong> Bemühungen um Abrüstung <strong>und</strong> Rüstungskontrolle sowie<br />

<strong>der</strong> Verän<strong>der</strong>ungen im militärischen Kräfteverhältnis 1986“:<br />

Deutscher B<strong>und</strong>estag, 10. Wahlperiode. 25. 6. 1986. Drucksache<br />

10/5762.<br />

266 - Geissler, E., F. Blackaby, R.A. Falk et al. 1986, „Conclusions and<br />

recommendations“ in: Geissler 1986, S. 124-125.<br />

267 - von Stülpnagel, P.J. 1986. „Statement“, 9 September. [Von <strong>der</strong><br />

Delegation <strong>der</strong> B<strong>und</strong>esrepublik Deutschland während <strong>der</strong><br />

Konferenz verteilter Redetext. Leicht gekürzt wie<strong>der</strong>gegeben in:<br />

Second Review Conference of the Parties to the Convention on<br />

the Prohibition of the Development, Production and Stockpiling<br />

of Bacteriological (Biological) and Toxin Weapons and on their<br />

Destruction, Final Document, Geneva 1986, BWC/CONF.II/13,<br />

SR.3, 5.<br />

268 - Israeljan, V.L. 1986, „Statement“, 15 September. [Von <strong>der</strong> sowjetischen<br />

Delegation während <strong>der</strong> Konferenz verteilter Redetext.<br />

Leicht gekürzt wie<strong>der</strong>gegeben in: Second Review Conference,<br />

Anm. 267, SR.7, 13-14.<br />

269 - Antwort <strong>der</strong> B<strong>und</strong>esregierung auf die Anfrage <strong>der</strong> Abgeordneten<br />

Frau Beer, Dr. Mechtersheimer <strong>und</strong> <strong>der</strong> Fraktion DIE GRÜNEN<br />

– Drucksache 11/22 –. 7. 10. 1987. Deutscher B<strong>und</strong>estag, 11.<br />

Wahlperiode. Drucksache 11/911.<br />

270 - Geissler 1990.<br />

271 - <strong>Geißler</strong>, E., H. Bochow, C. Coutelle et al. 1987, „Vorstellungen zur<br />

Vorbereitung des Expertenmeetings zur Konvention über biologische<br />

Waffen“, Berlin 12. März, unveröffentlicht.<br />

272 - Quellen bei <strong>Geißler</strong> 1999, 724-725.<br />

273 - Ireland and Austria 1987, „Proposal on agenda item 4 (a)“, in<br />

United Nations 1987, Report, Ad Hoc Meeting of Scientific and<br />

Technical Experts from States Parties to the Convention on the<br />

Prohibition of the Development, Production and Stockpiling of<br />

Bacteriological (Biological) and Toxin Weapons and on their<br />

Destruction. BWC/CONF.II/EX/2. 21 April. Attachment, p. 30.<br />

383


274 - Canada 1991, [Proposal for CBMs], in United Nations 1991, Final<br />

Document. PART III. Report of the Committee of the Whole,<br />

Third Review Conference of the Parties to the Convention on the<br />

Prohibition of the Development, Production and Stockpiling of<br />

Bacteriological (Biological) and Toxin Weapons and on their<br />

Destruction. BWC/CONF.III/23/Part III. Geneva, 9-27<br />

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D=70160&LANG=1&File =/ pressData/en/gena/70169.pdf<br />

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December.<br />

384


282 - Bolton, J. 2001, Ausführungen auf einer Pressekonferenz in Genf,<br />

19. November. Zitiert in The CBW Conventions Bulletin Nr. 55,<br />

16-17.<br />

283 - Pearson and Sims 2002, Anm. 279<br />

284 - USA 2002, „U.S. Biological Weapons Convention Talking Points“.<br />

In <strong>der</strong> „westlichen Gruppe“ <strong>der</strong> Genfer Diplomaten verteiltes<br />

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2002/02_09_19:US:RevCon.html<br />

285 - Dhanapala, J., Erklärung vor dem Ersten Komitee <strong>der</strong> UN-<br />

Generalversammlung, 30. September.<br />

www.reachingcriticalwill.org/1com/1comO2/speeches/1/USG09300<br />

2.html<br />

286 - Fifth Review Conference of the States Parties to the Convention<br />

on the Prohibition of the Development, Production and<br />

Stockpiling of Bacteriological (Biological) and Toxin Weapons<br />

and on Their Destruction. (Geneva, 19 November – 7 December<br />

2002 and 11 – 22 November 2002). Final Document.<br />

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287 - Pearson and Sims 2002, Anm. 278.<br />

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289 - Goosen, P. 2002, „Statement on Behalf of the Group of the Non-<br />

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292 - Schröm, O. 2002, „Tödliche Fehler“. DIE ZEIT, Nr. 41, 2.<br />

Oktober.<br />

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294 - Israeljan 2002, Anm. 161<br />

295 - „Handhabung <strong>der</strong> B-Waffen-Thematik in <strong>der</strong> B<strong>und</strong>esrepublik<br />

Deutschland“. Antwort <strong>der</strong> B<strong>und</strong>esregierung auf die Kleine<br />

385


Anfrage <strong>der</strong> Abgeordneten Ursula Litzs, Hans Raidel, Paul<br />

Breuer, weiterer Abgeordneter <strong>und</strong> <strong>der</strong> Fraktion <strong>der</strong> CDU/CSU<br />

– Drucksache 14/75508, Deutscher B<strong>und</strong>estag, 14. Wahlperiode.<br />

Drucksache 14/8082, 25. Januar 2002.<br />

296 - Russian Journal, 7 January 1992, zitiert von Israeljan, V. 2002,<br />

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297 - Brophy, L.P., W.D. Miles and R.C. Cochrane 1959, „Biological<br />

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Service, Inc.<br />

388


ERREGER-INDEX<br />

Alphaviren<br />

➝ Togaviren . . . . . . . . . . . 199, 355<br />

Amikäfer<br />

➝ Kartoffelkäfer . . . . . . . . . 11, 23,<br />

187-189, 193-195<br />

Anthrax-Bakterien<br />

➝ Bacillus anthracis . . . . 275, 318<br />

Anthrax-Sporen<br />

➝ Bacillus anthracis . . . . . 32, 123,<br />

139, 149, 154, 155, 157, 255, 259,<br />

269, 278, 281, 282, 284, 287, 327,<br />

347<br />

Bacillus anthracis . . . . . . 32, 111,<br />

113, 114, 118, 123, 139, 150, 152,<br />

159, 244, 263, 275, 278, 280, 283,<br />

285, 328, 341, 347, 348, 378<br />

Bacillus botulinum . . . . . . . . . 149<br />

Bacillus globigii . . . . . . . . . . . . 213<br />

Bacillus prodigiosus<br />

➝ Serratia marcescens . . . . . . . . . 49<br />

Botulin<br />

➝ Botulinum-Toxin . . . 63, 85, 102,<br />

139, 149, 155-157, 166, 198, 227,<br />

261-263, 270, 275, 342, 343, 351<br />

Botulinum-Toxin . . . . . . . . . 62, 63,<br />

84, 90, 126, 139, 150, 152, 155,<br />

165, 206, 232, 260, 262, 268, 269,<br />

275, 278, 334, 342, 353, 362, 363<br />

Brucella suis<br />

➝ Bruzellose-Erreger . . . . . . . . 98<br />

Bruzellose-Erreger . . . . . . . 39, 46,<br />

126, 155, 198, 202, 206, 227, 300<br />

Cholera-Erreger<br />

➝ Vibrio comma . . . . . . . . . . 46, 48,<br />

61, 62, 66, 71, 90, 123, 126, 131,<br />

158, 172, 177, 179, 244, 261, 300<br />

Clostridium botulinum<br />

➝ Botulin, Botulismus-Toxin,<br />

Botulismus . . . . . . . . . 62, 63, 342<br />

Clostridium perfringens . . . . 103,<br />

263, 344, 345<br />

Coccidioides immitis . . . 156, 199<br />

Colorado-Käfer<br />

➝ Kartoffelkäfer . . . . . . . . . . . 134<br />

Coxiella burnetti . . . 200, 344, 351<br />

Dengue-Virus<br />

➝ Hämorrhagisches-Fieber-<br />

Viren . . . . . . . 233, 261, 344, 346<br />

Ebola-Virus<br />

➝ Hämorrhagisches-Fieber-<br />

Viren . . . . . . . . . . . . . . . . . 39, 233,<br />

275, 300, 345, 346<br />

EEEV<br />

➝ Östliche-Pferde-Enzephalitis-<br />

Virus . . . . . . . . . . . . 199, 348, 355<br />

Enterovirus 17 . . . . . . . . . . . . . . 263<br />

Escherichia coli . . . . . . . . . . . . 213<br />

Fleckfieber-Erreger . . . . . 71, 123,<br />

126, 179, 206, 207, 230, 240, 300,<br />

353<br />

Francisella tularensis . . . 94, 160,<br />

345, 353, 354<br />

Gasbrand-Erreger<br />

➝ Clostridium perfringens . . . . 84,<br />

102, 103, 125, 126, 172, 244, 261,<br />

262, 344, 345<br />

Gelbfieber-Virus<br />

➝ Hämorrhagisches-Fieber-<br />

Viren . . . . . . . . . . . . . . . 207, 233,<br />

244, 263, 345, 346<br />

Getrei<strong>der</strong>ostpilze . . . . . . . . 71, 223<br />

Grippe<br />

➝ Influenza . . . . . . . . . . . . . 46, 56,<br />

156, 200, 278, 293, 351<br />

Hämorrhagisches Krim-Kongo-<br />

Fieber-Virus<br />

➝ Hämorrhagisches-Fieber-<br />

Viren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233<br />

Hämorrhagisches-<br />

Fieber-Virus . . . . . . . . . . . . . 39, 41,<br />

126, 233, 300, 341, 343-347, 351<br />

HFV<br />

➝ Hämorrhagisches-Fieber-<br />

Viren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 346<br />

Human-Rotavirus . . . . . . . . . . . 263<br />

Hydrogenomonas . . . . . . . . . . . 213<br />

Influenza-Erreger . . . . . . . . 56, 126<br />

Junin-Virus<br />

➝ Hämorrhagisches-Fieber-<br />

Viren . . . . . . . . . . . . . . . . 233, 346<br />

Kamelpockenvirus . . 263, 264, 302<br />

Kartoffelkäfer . . . . . . . . 23, 58, 85,<br />

131, 134, 136, 138, 142, 145, 146,<br />

187, 189, 191-195, 197, 203, 366<br />

391


Knallgasbakterien<br />

➝ Hydrogenomonas . . . . . . . . . 213<br />

Kokzidioido-Mykose-Erreger<br />

➝ Coccidioides immitis . . . . 156, 199<br />

Koreanisches-hämorrhagisches<br />

Fieber-Erreger<br />

➝ Hämorrhagisches-Fieber-<br />

Viren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126<br />

Krim-Kongo-Fieber-HFV<br />

➝ Hämorrhagisches-Fieber-<br />

Viren . . . . . . . . . . . . 233, 263, 346<br />

Lassa-Virus<br />

➝ Hämorrhagisches-Fieber-<br />

Viren . . . . . . . . . . . . 233, 346, 347<br />

Machupo-Virus<br />

➝ Hämorrhagisches-Fieber-<br />

Viren . . . . . . . . . . . . 233, 346, 347<br />

Magna porthe grisea<br />

➝ Reisbrandpilz . . . . . . . . . . . . . 223<br />

Marburg-Virus<br />

➝ Hämorrhagisches-Fieber-<br />

Viren . . . . . . . . . . . . 233, 346, 347<br />

Maul- <strong>und</strong><br />

Klauenseuche-Virus . . . . . . 16, 17,<br />

23, 46, 71, 108-110, 123, 145-<br />

147, 203, 276, 323, 347, 348<br />

Melioidose . . . . . . . . . . . . . . . . . 300<br />

Melitensis . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125<br />

Micrococcus prodigiosus<br />

➝ Serratia marcescens . . . . . . . . 49<br />

Micrococcus radiodurans . . . 213<br />

Milzbrand-Bakterien<br />

➝ Bacillus anthracis . . . . . . 16-18,<br />

21, 31-33, 35, 39, 51, 61, 62, 64,<br />

84, 102, 110, 111, 115, 117, 118,<br />

123, 128, 142, 149, 152-154, 158,<br />

164, 183, 184, 223, 229, 231, 232,<br />

240, 246, 253, 255, 261, 264, 268,<br />

275, 281, 283, 287, 317<br />

Milzbrand-Sporen<br />

➝ Bacillus anthracis . . . . . . 25, 32,<br />

33, 65, 85, 87, 112, 115-117, 124,<br />

131, 149, 152, 155-157, 255, 258-<br />

262, 272, 278, 280-282, 284, 286,<br />

290, 343, 348<br />

MKS-Virus<br />

➝ Maul- <strong>und</strong> Klauenseuche-<br />

Virus . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17, 18,<br />

108-110, 142, 146, 147, 347, 348<br />

Mycobacterium<br />

tuberculosis . . . . . . . . . . . . . . . . 159<br />

392<br />

Östliche-Pferde-Enzephalitis-<br />

Virus . . . . . . . . . . . . . . 199, 348, 355<br />

Papageienkrankheit<br />

➝ Psittacose . . . . . . . . 156, 157, 198<br />

Paratyphus-Erreger . . . . . . 48, 66,<br />

126, 150<br />

Pasteurella tularensis<br />

➝ Francisella tularensis . . . . . 198<br />

Pest-Bakterien<br />

➝ Yersinia pestis . . . . . . . . . . 36, 42,<br />

64, 84, 86, 124, 125, 130, 131,<br />

142, 147, 158, 159, 167, 176, 182,<br />

183, 232, 261, 292, 349<br />

Piricularia oryzae<br />

➝ Magna porthe grisea . . . . . . . 223<br />

Pocken-Virus<br />

➝ Variola major . . . . . . . . . . 21, 44,<br />

166, 232, 241, 243, 263, 264, 277,<br />

298, 299, 301-304, 334, 349, 350,<br />

354<br />

Pseudomonas mallei<br />

➝ Burkhol<strong>der</strong>ia mallei . . . 29, 350,<br />

352<br />

Psittakose . . . . . . . . . . . . . . . . . 300<br />

Puccinia spec.<br />

➝ Getrei<strong>der</strong>ostpilze . . . . . . . . . 223<br />

Q-Fieber-Erreger<br />

➝ Coxielle burnetti . . . . . 200, 351<br />

Reisbrandpilze . . . . . . . . . . . . . . 223<br />

Rifttal-Fieber-Virus<br />

➝ Hämorrhagisches-Fieber-<br />

Viren . . . . . . . 232, 233, 346, 351<br />

Rin<strong>der</strong>pestvirus . . . . . . . . . . 84, 86,<br />

124, 142<br />

Rotz-Bakterien<br />

➝ Burkhol<strong>der</strong>ia mallei . . . . 21, 29,<br />

30, 31, 32, 35, 65, 131, 182, 352<br />

Ruhr-Erreger . . . . . . . . . . . . 61, 71,<br />

126, 131, 177<br />

Russische Frühjahrs-Sommer-<br />

Enzephalitis-Erreger . . . . . . . . 352<br />

Salmonella<br />

typhimurium . . . . . . . . . . . 273, 352<br />

Schweinepest-Erreger . . . . . . . . 71<br />

SEB<br />

➝ Staphylokokken-<br />

Enterotoxin B . . . . . . . . 162, 163,<br />

352, 353<br />

Serratia marcescens . . . . . . 48, 49,<br />

72, 80, 98, 144, 201, 213<br />

Shigellose . . . . . . . . . . . . . . 300, 352


Staphylokokken-<br />

Enterotoxin B . . . . . . . . . . 39, 162,<br />

200, 202, 227, 261, 352, 353<br />

Tetanus-Erreger . . . . . . . . . . 62, 71,<br />

84, 102, 125, 126<br />

Texas-Zecken . . . . . . . . . . 131, 134<br />

Tilletia . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 263<br />

Togaviren<br />

➝ Venezolanische-Pferde-<br />

Enzephalitis-Virus, Östliche-<br />

Pferde-Enzephalitis-Virus,<br />

Westliche-Pferde-Enzephalitis-<br />

Virus WEE . . . . . . . . . . . 199, 355<br />

Tollwut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102<br />

Tsutsugamishi-<br />

Fieber-Erreger . . . . . 126, 207, 353<br />

Tuberkelbakterien<br />

➝ Mycobacterium<br />

tuberculosis . . . . . . . . . . 166, 295<br />

Tuberkulose-Erreger<br />

➝ Mycobacterium<br />

tuberculosis . . . . . . . 90, 126, 295<br />

Tularämie-Erreger<br />

➝ Francisella<br />

tularensis . . . . . . . . . . . . . 62, 90,<br />

123, 125, 126, 155, 198, 202, 206,<br />

223, 227, 232, 244, 324, 345<br />

Typhus-Erreger . . . . . . . . . 46, 48,<br />

62, 66, 123, 124, 126, 150, 158,<br />

172, 274<br />

Variola major . . . . . . . . . . 44, 302,<br />

349, 354, 380-382<br />

VEEV<br />

➝ Venezolanische-Pferde-Enzephalitis-Virus<br />

. . . . 199, 300, 355<br />

Venezolanische-Pferde-<br />

Enzephalitis-Virus . . . . . . . 39, 199,<br />

200, 206, 223, 227, 232, 244, 300,<br />

301, 355<br />

WEEV<br />

➝ Westliche-Pferde-Enzephalitis-<br />

Virus . . . . . . . . . . . . . . . . 199, 355<br />

Weizenbrand-Erreger<br />

➝ Tilletia . . . . . . . . . . . . . . . . . . 263<br />

Westliche-Pferde-Enzephalitis-<br />

Virus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 355<br />

Yersinia pestis . . . . . . . . . . . 41, 42,<br />

152, 159, 176, 234, 277, 283, 349,<br />

355<br />

393


ORTSREGISTER<br />

Aachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157<br />

Afghanistan . . . . . . . . . . . . . . 231<br />

Ägypten . . . . . . . . . . . . . . . . . 324<br />

Aksu ➝ Stepnogorsk . . . . . . . 257<br />

Ames, Iowa . . . 283, 284, 290, 353<br />

Aralsee . . . . . . . . . . . 90, 206, 257<br />

Aralsk . . . . . . . . . . . 206, 257, 367<br />

Argentinien . . . . . . 32, 34, 35, 290<br />

Asilomar, CA . . . . . . . . . 239, 240<br />

Astrachan . . . . . . . . . . . . . . . . 160<br />

Äthiopien . . . . . . . . . . . . . . . . . 59<br />

Australien . . . . . . . . . . . . . . . . 58<br />

Bagdad . . . . . . . . . . 260, 299, 375<br />

Beijing . . . . . . . . . . . . . . 126, 128<br />

Berchtesgaden . . . . . . . . . . . . 163<br />

Berlin . . . . . . . . . . . . . . 16-20, 27,<br />

28, 31, 32, 34, 54, 72, 77, 100,<br />

110-113, 121, 124, 125, 130, 142,<br />

147, 157, 168, 169, 187, 192, 193,<br />

203, 204, 217, 246, 248-250, 308,<br />

348, 358, 361, 363, 365, 366, 368,<br />

370, 376, 381, 383, 385<br />

Bordeaux . . . . . . . . . . . . . . . . 187<br />

Budapest . . . . . . . . . . . . . . . . . 96<br />

Bukarest . . . . . . . . . . . . 29, 31, 35<br />

Cartagena . . . . . . . . . . . . . . . . . 31<br />

Chabarowsk . . . . . . . . . . . 23, 168,<br />

172, 173, 186, 204, 205<br />

Changchun . . . . . . . . . . . . . . . 128<br />

China . . . . . . . . . . . . . . . . . 23, 42,<br />

58, 101, 113, 197, 315, 324, 349,<br />

357, 362, 365<br />

Dachau . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142<br />

DDR . . . . . . . . . . . . . 23, 187-189,<br />

192-195, 197, 203, 209, 211, 214,<br />

218-222, 225, 235, 248-250, 306,<br />

307, 309, 311, 312, 328, 346-348,<br />

368, 370<br />

Deutschland . . . . . . . . . . . 12, 16,<br />

18, 19, 27, 29, 46, 49, 57-60, 65-<br />

67, 69, 71, 76, 84-86, 89, 99-103,<br />

105, 106, 109, 110, 112, 118, 121,<br />

131, 136, 139, 141, 150, 155, 156,<br />

159, 171, 187, 189, 195, 197, 208-<br />

210, 216, 230, 246, 267, 290, 292,<br />

297, 303, 309, 322, 323, 347, 358,<br />

368, 370, 382, 383, 385<br />

394<br />

Dresden . . . . . . . . . . . . . . . . . 193<br />

Dugway, Utah . . . . . 157, 172, 284<br />

Feodossija . . . . . . . . . . . . . . . . 40<br />

Finnland . . . . . . . . . . . . . . . . . 312<br />

Florida . . . . . . . . . . . . . . 202, 280<br />

Fort Pitt . . . . . . . . . . . . 42, 43, 45<br />

Frankenberg/Sa. . . . . . . . 142, 160<br />

Frankfurt am Main . . . . 157, 253,<br />

359, 366<br />

Frankreich . . . . . . . . . . . . . 11, 21,<br />

31, 46, 49, 58, 62, 69, 78, 79, 84,<br />

85, 101, 103, 119, 121, 123, 135,<br />

137, 139, 145, 195, 205, 299, 303,<br />

312, 322, 329, 345, 351<br />

Fre<strong>der</strong>ick, MD . . . . . . . . 156, 247<br />

Fulton, Missouri . . . . . . . . . . . 197<br />

Genf . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22, 23,<br />

56-60, 62, 90,102, 126, 136, 149,<br />

150, 221, 305, 308, 312, 314, 319,<br />

321, 329, 331, 345, 350, 385, 387,<br />

388<br />

Genua . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40<br />

Geraberg bei Ilmenau . . . . . . 142<br />

Grafschaft im Sauerland . . . . 209<br />

Granada . . . . . . . . . . . . . . . . . 230<br />

Greiz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193<br />

Großbritannien . . . . . . . . . 11, 16,<br />

22, 23, 33, 58, 60, 96, 99, 139,<br />

202, 208, 225, 232, 303, 354<br />

Guanzhou . . . . . . . . . . . . . . . . 128<br />

Güstrow . . . . . . . . . . . . . . . . . 192<br />

Hamburg . . . . . . . . . . . . . 72, 111,<br />

157, 286, 359, 380, 388<br />

Harbin . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126<br />

Horn von Afrika . . . . . . . . . . 231<br />

Indien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 324<br />

Indochina . . . . . . . . . . . . . . . . 113<br />

Irak . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15-18,<br />

24, 25, 58, 59, 63, 85, 103, 254,<br />

260-271, 283, 286, 299, 302, 324,<br />

326, 328, 329, 343, 345, 351, 374,<br />

375<br />

Iran . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 374<br />

Irland . . . . . . . . . . . . 182, 312, 354<br />

Israel . . . . . . . . . . . . . . . . 58, 262,<br />

265, 299, 303, 308, 309, 324, 332,<br />

373, 383, 385, 386


Italien . . . . . . . . . . . . . . . . . 22, 41,<br />

50, 59, 88, 96, 100, 102, 262<br />

Japan . . . . . . . . . . . . . . . . . 11, 22,<br />

23, 42, 60, 94, 103, 126, 130, 175-<br />

177, 277, 322, 329, 331, 345, 349,<br />

354, 366<br />

Jekaterinburg . . . . . . . . . 253, 257<br />

Kaffa . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40, 41<br />

Kairo . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141<br />

Kanada . . . . . . . . . . . . . . . 22, 58,<br />

102, 131, 139, 154-156, 201, 202,<br />

225, 303, 312, 350, 388<br />

Kanton . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128<br />

Karibik . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202<br />

Kasachstan . . . . . . . . . . . 257, 373<br />

Kiew . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161<br />

Kirow . . . . . . . . . . . . 159, 205, 257<br />

Kongo, Demokratische<br />

Republik . . . . . . . . . . . . 166, 233,<br />

263, 302, 346<br />

Konstantinopel . . . . . . . . . . . . 41<br />

Kosovo . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231<br />

Krim . . . . . . 40, 161, 233, 263, 346<br />

Kruft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142<br />

Kuwait . . . . . . . . . . . . . . . . . . 261<br />

Lawton . . . . . . . . . . . . . . . . . . 278<br />

Leningrad . . . . . 89, 159, 254, 256<br />

Libyen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 324<br />

Lissabon . . . . . . . . . . . . . . . . . 165<br />

London . . . . . . . . . . . . . . . 16, 19,<br />

36, 69, 70, 72, 73, 76, 77, 79, 96,<br />

97, 99, 102, 103, 131, 149, 150,<br />

166, 167, 213, 272, 291, 292, 358,<br />

359, 361<br />

Lüneburger Heide . . 17, 108-110<br />

Mainz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 230<br />

Mandschukuo . . . . . . . . . . 61, 126<br />

Mandschurei . . . . . . . 61, 101, 173<br />

McAlester . . . . . . . . . . . . . . . 278<br />

Mecklenburg . . . . . . 189, 192, 193<br />

Medicine Hat, Alberta . . . . . 202<br />

Minsk . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161<br />

Moskau . . . . . . . . . . . . . . . 16, 50,<br />

66, 67, 77, 88, 89, 159, 205, 230,<br />

253, 299<br />

München . . . . . . . . . . . . . . 19, 70,<br />

357, 358, 359, 361, 362, 365, 369,<br />

377<br />

Najing (Nanking) . . . . . . . . . . 128<br />

Namibia . . . . . . . . . . . . . . . . . 246<br />

New York . . . . . . . . . . . . . . 25, 69,<br />

201, 282, 303, 305, 313, 357, 359,<br />

366, 367, 372, 374-378, 381, 382,<br />

384, 388<br />

Nordkorea . . . . . . . . . . . . . 15, 16,<br />

197, 299, 324<br />

Nordvietnam . . . . . . . . . . . . . 163<br />

Norwegen . . . . . . . . . . . . . . . . . 32<br />

Nürnberg . . . . . . . . . . . . . . 19, 23,<br />

105, 168, 170-172, 185, 204, 208,<br />

358, 365<br />

Obersalzberg . . . . . . . . . . . . . 163<br />

Obolensk . . . . . . . . . . . . . . . . 256<br />

Ostberlin . . . . . 169, 187, 193, 204<br />

Pakistan . . . . . . . . . . . . . . . . . 324<br />

Palästina . . . . . . . . . . . . . . . . . 332<br />

Palm Beach County,<br />

Florida . . . . . . . . . . . . . . . . . . 280<br />

Paris . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48, 69,<br />

72, 73, 76, 77, 79, 80, 87, 88, 112<br />

Pazifik . . . . . . . 101, 173, 177, 202<br />

Perkuschkowo . . . . . . . . . 89, 159<br />

Persischer Golf . . . . . . . . . . . 232<br />

Petersburg . . . . . . . . . . . . . . . . 50<br />

Pingfan . . . . . . . . . . . . . . 126, 127,<br />

172-175, 204, 205<br />

Pola . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31<br />

Polen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34, 69<br />

Porton Down . . . . . . . . . 150, 153,<br />

157, 272, 317<br />

Portugal . . . . . . . . . . . . . . . . . 165<br />

Posen . . . . . . . . . . . . . . . 142, 147<br />

Quedlinburg . . . . . . . . . . . . . . 203<br />

Rangun . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128<br />

Rom . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96<br />

Rostow . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161<br />

Rumänien . . . . 29, 30, 34, 35, 131<br />

Russland . . . . . . . . . . . . . . 16, 58,<br />

66, 77, 135, 159, 161, 195, 257,<br />

298, 299, 315, 318, 324<br />

Sachsen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189<br />

Sachsen-Anhalt . . . . . . . . . . . 189<br />

Sachsenburg . . . . . . 142, 160, 203<br />

Sagorsk . . . . . . 159, 205, 206, 257<br />

San Francisco . . . . . 201, 249, 272<br />

SBZ ➝ Sowjetische<br />

Besatzungszone . . . . . . . . 187, 203<br />

Schweden . . . . . . . . . . . . . . . . 225<br />

Schweiz . . . . . . . . . . . . . . . 31, 149<br />

Sergejew-Posad<br />

➝ Sagorsk . . . . . 159, 205, 206, 257<br />

395


Shanghai . . . . . . . . . . . . . . . . . 128<br />

Singapur . . . . . . . . . . . . . . . . . 128<br />

Sowjetische<br />

Besatzungszone . . . . . . . 187, 203<br />

Sowjetunion . . . . . . . . . . . 11, 15,<br />

18, 19, 22, 24, 42, 44, 58, 62, 63,<br />

66, 67, 77, 88, 90, 94, 109, 141,<br />

158, 197, 199, 200, 203, 206, 207,<br />

228, 233, 254, 255, 259, 260, 283,<br />

298, 301, 309, 310, 312, 313, 318,<br />

322, 323, 325, 326, 331, 343, 346,<br />

347, 349-351, 354, 355<br />

Spanien . . . . . . . . . . . . . . . . 31, 34<br />

Stalingrad . . . . . . . . 159, 161, 365<br />

Stepnogorsk . . . . . . . . . . 257, 258,<br />

313, 327, 373<br />

Stuttgart . . . . . . . . . . . . . 157, 377<br />

Sudan . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 324<br />

Suffield . . . . . . . . . . 155, 157, 202<br />

Surat . . . . . . . . . . . . . . . . 290, 379<br />

Swerdlowsk . . . . . . . . . . . . 15, 24,<br />

205, 206, 253-255, 257, 305, 309,<br />

313, 373<br />

Syrien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 324<br />

Taiwan . . . . . . . . . . . . . . . . . . 324<br />

The Dallas,<br />

Oregon . . . . . . . . . . . 24, 273, 274<br />

Thüringen . . . . . . . . . . . . 189, 190<br />

Tokio . . . . . . . . . . . . . . . . . 25, 61,<br />

126, 168, 175, 179, 185, 274, 275,<br />

291, 365<br />

Trenton, New Jersey . . . 280, 282<br />

Trondheim . . . . . . . . . . . . . . . . 33<br />

Tschechow . . . . . . . . . . . . . . . 256<br />

Tulsa . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 278<br />

Tuttenhof bei Wien . . . . . . . . 142<br />

Ukraine . . . . . . . . . . . . . . . . . 257<br />

Ungarn . . . . . . . . . 22, 96, 131, 312<br />

Ural . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148<br />

USA . . . . . . . 15, 16, 18, 22-25, 32,<br />

42, 56, 58, 63, 65, 85, 94, 100-102,<br />

131, 135, 138, 139, 141, 143, 147,<br />

154-157, 169, 172, 173, 176, 179,<br />

181, 183, 187, 189, 193, 197-202,<br />

204, 207, 208, 223, 224, 227, 228,<br />

232-234, 237, 246, 248, 249, 253,<br />

254, 261, 262, 264, 265, 267, 269,<br />

270, 276-279, 281, 283, 284, 286,<br />

289, 291, 298, 301-304, 312, 315-<br />

319, 323, 324, 329-331, 336, 343,<br />

346, 349, 351, 353-355, 366, 371,<br />

373, 374, 378, 379, 384, 385, 388<br />

396<br />

Vert-le-Petit . . . . . . . . . . . . 84, 87<br />

Warschau . . . . . . . . . . . . 161, 222<br />

Wasco County,<br />

Oregon . . . . . . . . . . . . . . 273, 274<br />

Washington D.C. . . . . . . . . 16, 19,<br />

157, 170, 179, 182, 269-271, 277,<br />

279, 280, 282, 358, 361, 364, 371,<br />

373, 374, 380, 386, 388<br />

Wien . . . . . . . . . . . . . . . . 142, 203<br />

Wilhelmshaven . . . . . . . . . . . . 157<br />

Wlasia<br />

➝ Perkuschkowo . . . . . . . . 89, 159<br />

Woroschilowgrad . . . . . . . . . . 161<br />

Wosroschdenije . . . . 90, 206, 257<br />

Zimbabwe . . . . . . . . . . . . . . . 246


SACHREGISTER<br />

ABC-Spürpanzer Fuchs . . . . . 245<br />

Abrüstungskonferenz . . . . . . . . . 59<br />

Abteilung Kliewe . . . . . . . . . . . . 142<br />

Abteilung Wissenschaft des Allgemeinen<br />

Wehrmachtamtes . . . . 146<br />

Abwehr . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19, 52,<br />

64, 66, 92, 106, 107, 113-115,<br />

119, 128, 131, 132, 134-136, 138,<br />

139, 141, 159, 161, 212, 297, 361<br />

Admiralstab . . . . . . . . . . . . . . . . . 34<br />

Aerobiologie . . . . . . . . . . . 209, 211,<br />

212, 214-217, 219, 369<br />

Aerosol . . . . . . . . . . . . . . . . 232, 233,<br />

262, 263, 274, 275, 277, 278,<br />

283, 292, 301, 329, 341, 343,<br />

346, 349, 351-353, 355<br />

Aflatoxin . . . . . . . . . . . 262-264, 268<br />

Agricultural and Water Resources<br />

Research Center, Fudhaliyah . 263<br />

AIDS . . . . . . . . . . . . . . 327, 341, 373<br />

Airfield 37 . . . . . . . . . . . . . . . . . . 263<br />

Akademie <strong>der</strong> Wissenschaften <strong>der</strong><br />

DDR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219, 341<br />

Akademie <strong>der</strong> Wissenschaften <strong>der</strong><br />

USA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 239, 277<br />

al Dawrah Foot and Mouth<br />

Disease Vaccine Facility . . . . . . 263<br />

al Hakam Single-cell Protein<br />

Production Plant . . . . . . . . . . . . 263<br />

AllAID<br />

➝ Allianz gegen Infektionskrankheiten<br />

. . . . . . 333, 341, 387<br />

Allianz gegen biologische<br />

Bedrohungen . . . . . . . . . . . . . . . 338<br />

Allianz gegen den<br />

Terrorismus . . . . . . . . . . . . . . . . 338<br />

Allianz gegen<br />

Infektionskrankheiten . . . 333, 341<br />

Alphaviren<br />

➝ Togaviren . . . . . . . . . . . . 199, 355<br />

Al-Qaida . . . . . . . . . . . . . . 266, 282,<br />

286, 292, 304<br />

Alsos-Mission . . . . . . . . . . . . 80, 88,<br />

136, 141, 169<br />

American Type Culture<br />

Collection . . . . . . . . . . . . . . 261, 341<br />

Amerikanische Gesellschaft zur<br />

För<strong>der</strong>ung <strong>der</strong><br />

Wissenschaft . . . . . . . . . . . . . . . . 248<br />

Amikäfer<br />

➝ Kartoffelkäfer . . . . . . . . .11, 23,<br />

187-189, 193-195<br />

Amt für Technologiefolgenabschätzung<br />

. . . . . . . . . . . . . . . . 235<br />

Amt für Wasserreinigung <strong>der</strong><br />

Kwantung-Armee<br />

➝ Unit 731 . . . . . . . . . . . . . 126, 128<br />

Anthrax<br />

➝ Milzbrand . . . . . . . . . . . . . . 3, 10,<br />

11, 15, 23, 32, 102, 110, 111, 113,<br />

123, 139, 149, 152, 154-157,<br />

233, 255, 259, 261-263, 269,<br />

270, 275, 278-289, 291, 318,<br />

322, 327, 334, 341, 347, 348,<br />

358, 362, 367, 371, 373, 378, 379<br />

Anthrax-Bakterien<br />

➝ Bacillus anthracis . . . . 275, 318<br />

Anthrax-Sporen<br />

➝ Bacillus anthracis . . . . . 32, 123,<br />

139, 149, 154, 155, 157, 255,<br />

259, 269, 278, 281, 282, 284,<br />

287, 327, 347<br />

Antikörper . . . . . 85, 245, 311, 351<br />

Arbeitsgemeinschaft<br />

Blitzableiter . . . . . . . . . . . 136, 138,<br />

145, 161, 169<br />

Arms Control<br />

Association . . . . . . . . 324, 359, 360<br />

Ärzteprozess . . . . . . . 105, 170, 171<br />

ATCC<br />

➝ American Type Culture<br />

Collection . . . . . . . . . . . 261, 341<br />

Attentate<br />

➝ Schacht . . . . . . . 11, 23, 162, 353<br />

Attentate<br />

➝ Hitler . . . . . . . . . . . . . . . 163, 164<br />

Attentate<br />

➝ Strasser . . . . . . . . . . . . . 164, 165<br />

Attentate<br />

➝ Heydrich . . . . . . . . . . . . . . . . . 165<br />

Attentate<br />

➝ Lumumba . . . . . . . . . . . . . . . . . 166<br />

397


Attentate<br />

➝ Markov . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166<br />

Attentate<br />

➝ Castro . . . . . . . . . . . . . . . 166, 388<br />

Attentate<br />

➝ Korczak . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167<br />

Attentate<br />

➝ Kostov . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167<br />

Attentate<br />

➝ Trotzki . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167<br />

Aum-Shinrikyo-<br />

Sekte . . . . . . . . . . . . . . . 25, 276, 291<br />

Außenministerium<br />

<strong>der</strong> USA . . . . . . . . . . . . . . . 181, 234<br />

Auswärtiges Amt . . . . . . . . 76, 370<br />

Azziziyah Schießplatz . . . . . . . 263<br />

Bacillus anthracis<br />

➝ Anthrax, Milzbrand . . . 32, 111,<br />

113, 114, 118, 123, 139, 150, 152,<br />

159, 244, 263, 275, 278, 280,<br />

283, 285, 328, 341, 347, 348, 378<br />

Bacillus botulinum . . . . . . . . . 149<br />

Bacillus globigii . . . . . . . . . . . . 213<br />

Bacillus prodigiosus<br />

➝ Serratia marcescens . . . . . . . . . 49<br />

bakteriologisches Labor <strong>der</strong><br />

Kommission für Chemische<br />

Studien <strong>und</strong> Experimente . . . . . 48<br />

Balkangrippe<br />

➝ Q-Fieber . . . . . . . . . . . . . . 39, 161,<br />

198, 200, 206, 207, 223, 232,<br />

300, 324, 344, 351<br />

Behringwerke<br />

Marburg . . . . . . . . . . . . . . . 159, 160<br />

BILD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 253<br />

Biochip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 245<br />

Biopräparat . . . . . . . . . . . . . . . . 256<br />

Bio-response Working<br />

Group . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 337<br />

Biosabotage . . . . . . . . . . . . . . 18, 27,<br />

29, 32, 35, 36, 46, 50, 61, 128,<br />

135, 150, 276, 329<br />

Biosecurity<br />

Convention . . . . . . . . . . . . . 331, 386<br />

Biotechnologie . . . . . . . . . . 24, 219,<br />

227, 234, 235, 237, 241-243,<br />

247, 256, 259, 273, 298, 306,<br />

317, 325, 337, 352<br />

Biotechnology Industry<br />

Organisation . . . . . . . . . . . . . . . . 317<br />

Biowaffen <strong>der</strong> zweiten<br />

Generation . . . . . . . . . . . . . 236, 242<br />

398<br />

Biowaffen, Ausbringung . . 47, 49,<br />

123, 124, 138, 143, 146, 341<br />

Biowaffen, Bewertung . . . . 38, 47,<br />

77, 106, 117, 119, 317, 326<br />

Biowaffen,<br />

Hitlers Verbot . . . . . . . . . . 23, 133,<br />

139, 146, 323<br />

Biowaffen,<br />

Munitionierung . . . . . . . . . . 18, 85,<br />

139, 157, 263, 281, 323<br />

Biowaffen, psychologische<br />

Wirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 289<br />

Biowaffen, Verbreitung durch<br />

Agenten . . . . . . . . . . . . . . . . . 17, 18,<br />

34, 35, 52, 67, 72, 73, 80, 91, 98,<br />

100, 111, 115, 121, 123, 135, 138,<br />

139, 161, 163, 207, 219, 221<br />

Biowaffen-Konvention . . . . 24, 25,<br />

225, 227-231, 235, 237, 239,<br />

245, 250, 253-255, 257, 259,<br />

260, 305-309, 311, 313-316, 319,<br />

320, 324, 329, 331, 332, 338,<br />

342, 343, 354, 370, 383<br />

Biowaffenprogramm,<br />

britisches . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18<br />

Biowaffenprogramm,<br />

deutsches . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110<br />

Biowaffenprogramm,<br />

französisches . . . . . . . . . . . . 79, 108<br />

Biowaffenprogramm,<br />

irakisches . . . . . . . . . . . . . . . . 17, 24,<br />

103, 260, 261, 264, 265, 302, 345<br />

Biowaffenprogramm,<br />

japanisches . . . . . . . . . . . . . . 60, 94,<br />

125, 126, 172, 173, 323, 354<br />

Biowaffenprogramm,<br />

sowjetisches . . . . . . . . . . . . . . 11, 19,<br />

25, 50, 51, 62, 64, 65, 67, 88, 90,<br />

94, 159, 199, 200, 252, 254, 301,<br />

309, 313, 355<br />

Biowaffenprogramm,<br />

US-amerikanisches . . . . . 101, 198,<br />

199, 200, 246, 283<br />

Bioweapons Monitor . . . . . . . . 321<br />

Bioweapons Prevention<br />

Project . . . . . . . . . . . . . . . . . 321, 360<br />

Blitzableiter-Komitee<br />

➝ Arbeitsgemeinschaft<br />

Blitzableiter . . . . . . . . 136, 138,<br />

145, 161, 169<br />

Blutproben . . . . . . . . . . . . . . . . . 311


Botulin<br />

➝ Botulinum-Toxin . . . . . . . . 63, 85,<br />

102, 139, 149, 155-157, 166,<br />

198, 227, 261-263, 270, 275,<br />

342, 343, 351<br />

Botulinum-Toxin . . . . . . . . . 62, 63,<br />

84, 90, 126, 139, 150, 152, 155,<br />

165, 206, 232, 260, 262, 268,<br />

269, 275, 278, 334, 342, 353,<br />

362, 363<br />

Botulismus . . . . . . . . . . . . . . . . 9, 63,<br />

207, 232, 261, 300, 342, 343<br />

Brucella suis<br />

➝ Bruzellose-Erreger,<br />

Maltafieber . . . . . . . . . . . . . . . 198<br />

Bruzellose . . . . . . . . . . . . . . . 39, 46,<br />

126, 155, 198, 202, 206, 227, 300<br />

Bruzellose-Erreger . . . . . . 39, 46,<br />

126, 155, 198, 202, 206, 227, 300<br />

B-Schutz<br />

➝ Schutzforschung . . . . . . . 25, 84,<br />

138, 139, 143, 144, 145, 230,<br />

231, 243, 245, 257, 284, 286,<br />

289, 290, 301, 316, 318, 324,<br />

332, 336, 342, 343, 372<br />

B<strong>und</strong>esministerium <strong>der</strong><br />

Verteidigung . . . . . . . 212, 215, 342<br />

B<strong>und</strong>esministerium für wissenschaftliche<br />

Forschung . . . . . . . 214,<br />

342, 368, 369<br />

B<strong>und</strong>estag . . . . . . . . . . . . . 240, 305,<br />

306, 310, 370, 372, 382, 383, 386<br />

B<strong>und</strong>esverteidigungsministerium<br />

➝ B<strong>und</strong>esministerium <strong>der</strong><br />

Verteidigung . . . . . . . . . . . . . . 209<br />

B<strong>und</strong>eswehr . . . . . . . . . . . 212, 213,<br />

245, 373<br />

Bunker . . . . . . . . . . . . . . . . 107, 258<br />

BWC<br />

➝ Biowaffen-Konvention . . . . . 324,<br />

331, 343, 354, 360, 364, 367,<br />

371, 377, 383-385, 387<br />

Camp Bani Sa'ad . . . . . . . . . . . 263<br />

Camp Detrick . . . . . . . . . . 155, 156,<br />

163, 176, 179, 198<br />

cattle cakes . . . . . . . . . . . . . . . . . 152<br />

CDC<br />

➝ Centers for Disease Control and<br />

Prevention . . . . . . . . . . . 261, 276,<br />

287, 298, 300, 344, 378, 381, 388<br />

Centers for Disease Control and<br />

Prevention . . . . . . . . . . . . . 261, 344<br />

Central Intelligence Agency<br />

➝ CIA . . . . . . . . . . . . . . . . . 344, 375<br />

Centre d’etudes du<br />

Bouchet . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202<br />

Chekiang-Offensive . . . . . . . . . 106<br />

Chemical Defence Experimental<br />

Station Porton Down . . . . . . . . 152<br />

Chemical Warfare<br />

Service . . . . . . . . . . . . 101, 364, 386<br />

Chemiewaffen-<br />

Konvention . . . . . . . . . . . . . . 16, 353<br />

chemische<br />

Kampfstoffe . . . . . . . . . . . 117, 136,<br />

172, 212, 344<br />

Chemisches Forschungsinstitut<br />

<strong>der</strong> französischen Marine . . . . . 46<br />

Chemisch-pharmazeutisches<br />

Institut Moskau . . . . . . . . . . . . . . 89<br />

Cholera . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46, 48,<br />

61, 62, 66, 71, 90, 123, 126, 131,<br />

158, 172, 177, 179, 244, 261, 300<br />

Cholera-Erreger . . . . . . . . . . 46, 48,<br />

61, 62, 66, 71, 90, 123, 126, 131,<br />

158, 172, 177, 179, 244, 261, 300<br />

CIA<br />

➝ Central Intelligence<br />

Agency . . . . . . . . . . . . . . . 15, 162,<br />

163, 166, 167, 200, 227, 246,<br />

248, 261, 262, 264, 265, 271,<br />

276, 285, 301, 318, 322, 326,<br />

327, 344, 348, 374<br />

Cipro<br />

➝ Ciprofloxacin . . . . . . . . . . . . . 290<br />

Ciprofloxacin . . . . . . . . . . . . 2, 280,<br />

282, 291, 348<br />

Clostridium botulinum<br />

➝ Botulin, Botulismus-Toxin,<br />

Botulismus . . . . . . . . . 62, 63, 342<br />

Clostridium perfringens<br />

➝ Gasbrand . . . . . . . . . . . . 103, 263,<br />

344, 345<br />

Coccidioides immitis<br />

➝ Kokzidioido-Mykose . . . 156, 199<br />

Colorado-Käfer<br />

➝ Kartoffelkäfer . . . . . . . . . . . 134<br />

Committee of Imperial<br />

Defence . . . . . . . . . . . . . . . . 112, 361<br />

COSPAR . . . . . . . . . . . . . . . 213, 344<br />

Coxiella burnetti<br />

➝ Q-Fieber . . . . . . . . 200, 344, 351<br />

Daily Telegraph . . . . . . . . . . . . . 253<br />

Dark Harvest . . . . . . . . . . . . . . . 272<br />

399


Dark Winter . . . . . . . . . . . 277, 278,<br />

298, 377<br />

Defence Research<br />

Establishment . . . . . . . . . . . . . . . 202<br />

Defense Intelligence<br />

Agency . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 317<br />

Delawaren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43<br />

Dengue-Virus<br />

➝ Hämorrhagisches-Fieber-<br />

Viren . . . . . . . 233, 261, 344, 346<br />

Deutsche Presse Agentur<br />

➝ dpa . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 249<br />

Deutsches Ärzteblatt . . . . . . . . 380<br />

dpa<br />

➝ Deutsche Presse<br />

Agentur . . . . . . . . . . . . . 249, 250,<br />

272, 365, 376, 379, 382,<br />

Ebola-Virus<br />

➝ Hämorrhagisches-Fieber-<br />

Viren . . . . . . . . . . . . . . . . 39, 233,<br />

275, 300, 345, 346<br />

EEEV<br />

➝ Östliche-Pferde-Enzephalitis-<br />

Virus . . . . . . . . . . . . 199, 348, 355<br />

Einheit 731<br />

➝ Unit 731 . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179<br />

Einrichtung Nr. 19 . . . . . . 255, 257<br />

Enterovirus 17 . . . . . . . . . . . . . . 263<br />

Escherichia coli . . . . . . . . . . . . 213<br />

EU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 384<br />

Europäische Kommission . . . . 337<br />

Europäische Union<br />

➝ EU . . . . . . . . . 217, 313, 370, 384<br />

Exobiologie . . . . . . . . . . . . . . . . . 214<br />

Feldversuche . . . . . . . . . . . . . 16, 18,<br />

65, 85, 109, 110, 123, 144-147,<br />

152, 200, 202, 224, 257, 263,<br />

323, 351<br />

Fleckfieber . . . . . . . . . . . . 126, 179,<br />

206, 207, 230, 240, 300, 353<br />

Fleckfieber-Erreger . . . . .71, 123,<br />

126, 179, 206, 207, 230, 240,<br />

300, 353<br />

Flöhe . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124, 125,<br />

128, 142, 176,<br />

Forschungsinstitut für Mikrobiologie<br />

<strong>der</strong> Roten<br />

Armee . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89, 159<br />

Francisella tularensis<br />

➝ Tularämie . . . . . . . . . . . . 94, 160,<br />

345, 353, 354<br />

Frankfurter Allgemeine<br />

Zeitung . . . . . . . . . . . . 251, 366, 376<br />

400<br />

Fraunhofer-<br />

Gesellschaft . . . . . . . . . . . . 209, 212,<br />

214, 216, 345, 368, 369<br />

G8-Staaten . . . . . . . . . . . . . 337, 388<br />

Gasbrand . . . . . . . . . . . . . . 102, 103,<br />

125, 126, 172, 244, 261, 344, 345<br />

Gasbrand-Erreger<br />

➝ Clostridium<br />

perfringens . . . . . . . . . . . 84, 102,<br />

103, 125, 126, 172, 244, 261,<br />

262, 344, 345<br />

Gasödem<br />

➝ Gasbrand . . . . . . . . . . . . 103, 345<br />

Geflügelpest . . . . . . . . . . . . . . . . 157<br />

Geheimdienstberichte . . . . . 70, 87,<br />

90, 99, 106, 110, 121, 136, 137,<br />

141, 149, 261, 336<br />

Geheimdienstberichte,<br />

falsche . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18, 156<br />

Gelbfieber-Virus<br />

➝ Hämorrhagisches-Fieber-<br />

Viren . . . . . . . . . . . . . . . 207, 233,<br />

244, 263, 345, 346<br />

genetic engineering<br />

➝ Gentechnik . . . . . . 234, 240, 372<br />

Genfer Protokoll<br />

➝ Protokoll über <strong>das</strong> Verbot <strong>der</strong><br />

Verwendung von erstickenden,<br />

giftigen o<strong>der</strong> ähnlichen Gasen<br />

sowie von bakteriologischen<br />

Mitteln im Kriege . . . . . . . 22, 23,<br />

57-60, 62, 90, 102, 136, 149,<br />

150, 314, 329, 331, 345, 350<br />

Genomics . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 237<br />

Gentaxi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235<br />

Gentechnik . . . . . . . . . . . . . . 12, 24,<br />

224, 227, 232, 234, 237, 239-<br />

241, 243, 245, 247, 250, 282,<br />

317, 328, 330, 359, 373<br />

Gentechnologie<br />

➝ Gentechnik . . . . . . . . . . 240, 243<br />

Getrei<strong>der</strong>ostpilze . . . . . . . . . 71, 223<br />

Glan<strong>der</strong>s<br />

➝ Rotz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131<br />

Globales Pathogen-Überwachungsgesetz<br />

. . . . . . . . . . . . . . . . 337<br />

Golfkrieg . . . . . . . . . . . . . 15, 24, 59,<br />

97, 230, 232, 262, 271, 328, 347<br />

Golfkrieg, Zweiter . . . . . . . 97, 230,<br />

232, 262, 347<br />

Granite Peak<br />

Installation . . . . . . . . . . . . . 156, 157


Grippe<br />

➝ Influenza . . . . . . . . . . . . . 46, 56,<br />

156, 200, 278, 293, 351<br />

Grosse Isle . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155<br />

Hämorrhagisches<br />

Fieber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39, 41,<br />

126, 300, 341, 343, 344, 345-<br />

347, 351, 353<br />

Hämorrhagisches Krim-Kongo-<br />

Fieber-Virus<br />

➝ Hämorrhagisches-Fieber-<br />

Viren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233<br />

Hämorrhagisches-Fieber-<br />

Viren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39, 41,<br />

126, 233, 300, 341, 343-347, 351<br />

Hantan-Virus . . . . . . . . . . . . . . . 233<br />

Harvard-University . . . . . 224, 360<br />

Hasenpest<br />

➝ Tularämie . . . . . 39, 94, 207, 353<br />

Hauptkriegsverbrecherprozess<br />

. . . . . . . . . . . . . . . . . 168, 204<br />

Heeres-Sanitätsinspektion . . . 76,<br />

77, 106, 107, 115, 168<br />

Heeresversuchsstelle<br />

„Raubkammer“ . . . . . . . . . . . . . 109<br />

Heeres-Veterinärinspektion . . 77,<br />

117<br />

HFV<br />

➝ Hämorrhagisches-Fieber-<br />

Viren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 346<br />

Himmler-Bombe . . . . . . . . . . . 70<br />

HIV<br />

➝ Humanes Imm<strong>und</strong>efizienz-<br />

Virus . . . . . . . . . . . . 247, 251, 385<br />

Hochsicherheitslaboratorien<br />

. . . . . . . . 284, 311, 336<br />

Horn Island . . . . . . . . . . . . 156, 157<br />

Hühner-Cholera . . . . . . . . . . . . 123<br />

Human-Rotavirus . . . . . . . . . . . 263<br />

Humboldt-Universität . . . . . . . 204<br />

Hydrogenomonas . . . . . . . . . . . 213<br />

Hygienisch-bakteriologisches<br />

Institut . . . . . . . . . . . . . . . . . 121, 214<br />

IG Farben . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70<br />

Immuntechnik . . . . . . . . . . . . . . 237<br />

Impfpocken-Virus<br />

➝ Vakzinia-Virus . . . . . . . . . . . . 354<br />

Impfstoff<br />

➝ Vakzine . . . . . . . . . . . . . . . 12, 29,<br />

32, 40, 42, 44, 85, 87, 94, 99,<br />

103, 109, 155, 156, 159, 162,<br />

199, 203, 229-236, 245, 261,<br />

283, 284, 304, 312, 317, 332,<br />

333, 335, 336, 343, 345, 346,<br />

348, 349, 351-353, 355, 382<br />

Indianer-Aufstand . . . . . . . . . . . . 43<br />

Influenza . . . . . . . . . . . . . . . . 56, 126<br />

Influenza-Erreger . . . . . . . . 56, 126<br />

Informatik . . . . . . . . . . . . . . . . . . 237<br />

Informationsaustausch . . . . . . . 311<br />

Insel Gorodomlia . . . . . . . . . . . . . 90<br />

Insel Gruinard . . . . . 152, 154, 272<br />

Insel Wosroschdenije . . . . 90, 206,<br />

257<br />

Inspektion <strong>der</strong> Artillerie . . . . . . 52,<br />

76, 77, 143<br />

Inspektion <strong>der</strong><br />

Nebeltruppen . . . . . . . . . . . 115, 117<br />

Institut für Aerobiologie . . . . . 209,<br />

211, 212, 214-217, 219, 346, 369<br />

Institut für Bakteriologie<br />

Leningrad . . . . . . . . . . 89, 159, 254<br />

Institut für Entomologie <strong>der</strong><br />

Waffen-SS . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142<br />

Institut für Ges<strong>und</strong>heitsforschung<br />

Moskau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89<br />

Institut für hygienisch-bakteriologische<br />

Arbeitsverfahren . . . . . . 214<br />

Institut für Kulturpflanzenforschung<br />

. . . . . . . . . . . . . . 142, 203<br />

Institut für Medizin <strong>und</strong><br />

Biologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204<br />

Institut für Mikrobiologie <strong>der</strong><br />

Wehrmacht 16, 112, 121, 142, 203<br />

Institut für Mikrobiologie <strong>und</strong><br />

Epidemiologie Saratow . . . . . . . 90<br />

Institut für ultrareine biologische<br />

Präparate . . . . . . . . . . . . . . . . . . 254<br />

intellektuelles Eigentum . . . . . 317<br />

Internationales Komitee des<br />

Roten Kreuzes . . . . . . . . . . . . . . 360<br />

Joint Vaccine Acquisition<br />

Program . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 232<br />

Junin-Virus<br />

➝ Hämorrhagisches-Fieber-<br />

Viren . . . . . . . . . . . . . . . . 233, 346<br />

Kalter Krieg . . . . . . . . . . . . . 12, 42,<br />

163, 197, 198, 205, 208, 223,<br />

225, 325, 349<br />

Kamelpockenvirus . . . . . 263, 264,<br />

302<br />

Kamikaze-Flieger . . . . . . . . . . . 101<br />

Kartoffelkäfer . . . . . . . . . . . . 23, 58,<br />

85, 131, 134, 136, 138, 142, 145,<br />

146, 187, 189, 191-195, 197,<br />

203, 366<br />

401


Kartoffelkäfer-<br />

Forschungsstation . . . . . . . . . . . 142<br />

KGB<br />

➝ NKGB . . . . . . . . . . . . . . 166, 167,<br />

205, 251, 254, 347<br />

Killervirus . . . . . . . . . . . . . . . . . . 241<br />

Knallgasbakterien<br />

➝ Hydrogenomonas . . . . . . . . . . 213<br />

Kokzidioido-Mykose . . . . 156, 199<br />

Kokzidioido-Mykose-Erreger<br />

➝ Coccidioides immitis . . . 156, 199<br />

Komitee für biologische<br />

Kriegsführung (USA) . . . . . . . . 143<br />

Komitee zur biologischen<br />

Kriegsführung (UK) . . . . . . . . . 150<br />

Kommission für<br />

Bakteriologie (F) . . . . . . 47, 79, 84<br />

Koreakrieg . . . . . . . . . . . . . . 24, 197<br />

Koreanisches-hämorrhagisches<br />

Fieber-Erreger<br />

➝ Hämorrhagisches-Fieber-Viren,<br />

Hantan-Virus . . . . . . . . . . . . . 126<br />

Kriegsbrauch im<br />

Landkriege . . . . . . . . . . 36, 54, 331<br />

Kriegsgefangene . . . . . . . 126, 128,<br />

176, 230, 311<br />

Kriegsseuche . . . . . . . . . . . . . 11, 96,<br />

97, 103, 150, 230, 231, 345, 347<br />

Krim-Kongo-Fieber 233, 263, 346<br />

Krim-Kongo-Fieber-HFV<br />

➝ Hämorrhagisches-Fieber-<br />

Viren . . . . . . . . . . . . 233, 263, 346<br />

Kühlungsborner<br />

Kolloquium . . . . . . . . . . . . 217, 218<br />

KZ-Häftlinge . . . . . . . . . . . . . . . 230<br />

Laboratoire de<br />

Prophylaxie . . . . . 84, 119, 120, 122<br />

Lassa-Virus<br />

➝ Hämorrhagisches-Fieber-<br />

Viren . . . . . . . . . . . . 233, 346, 347<br />

Läuse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123<br />

Le Bourget . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48<br />

lebende Bomben . . . . . . . . . . . . 128<br />

Literaturnaja Gaseta . . . . . . . . 373<br />

Luftschiffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36<br />

MacDonald-Plan . . . . . . . . . . . . . 60<br />

Machupo-Virus<br />

➝ Hämorrhagisches-Fieber-<br />

Viren . . . . . . . . . . . 233, 346, 347<br />

Magna porthe grisea<br />

➝ Reisbrandpilz . . . . . . . . . . . . . 223<br />

402<br />

Maltafieber<br />

➝ Melitensis . . . . . . . . . . . 156, 157,<br />

198, 227, 244<br />

Mandan . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45<br />

Marburg-Virus<br />

➝ Hämorrhagisches-Fieber-<br />

Viren . . . . . . . . . . . .233, 346, 347<br />

Marshall Plan . . . . . . . . . . . . . . . 200<br />

Maul- <strong>und</strong> Klauenseuche . . . . . 16,<br />

17, 23, 46, 71, 108-110, 123,<br />

145-147, 203, 276, 323, 347, 348<br />

Maul- <strong>und</strong> Klauenseuche-<br />

Virus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16, 17,<br />

23, 46, 71, 108-110, 123, 145-<br />

147, 203, 276, 323, 347, 348<br />

Mehltau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7, 51<br />

Melioidose . . . . . . . . . . . . . . . . . . 300<br />

Melitensis<br />

➝ Maltafieber . . . . . . . . . . . . . . . 125<br />

Menschenversuche . . . . . 182, 183,<br />

266<br />

MfAA<br />

➝ Ministerium für Auswärtiges<br />

Angelegenheiten <strong>der</strong><br />

DDR . . . . . . . . . . . . 306, 347, 368<br />

Microbial Research<br />

Department . . . . . . . . . . . . . . . . . 202<br />

Micrococcus prodigiosus<br />

➝ Serratia marcescens . . . . . . . . . 49<br />

Micrococcus radiodurans . . . 213<br />

Mikrobengenetik . . . . . . . 224, 326<br />

Mikroelektronik . . . . . . . . . . . . 237<br />

Militärärztliche Akademie<br />

Berlin . . . . . . . . . 108, 121, 142, 168<br />

Militärchemisches Amt . . . . 62, 64<br />

Militärisches Institut für<br />

Veterinärmedizinische Forschung,<br />

Maisons-Alford . . . . . . . . . . . . . . 87<br />

Militärmedizinische Akademie<br />

Leningrad . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89<br />

Militär-Veterinärakademie<br />

Berlin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34<br />

Militärveterinär-Forschungslaboratorium<br />

in Paris . . . . . . . . . 48<br />

Milzbrand . . . . . . . . . . . . . . . . . 7, 9,<br />

12, 15, 18, 21, 23, 24, 31, 32, 34,<br />

35, 39, 46, 51, 61, 62, 65, 70, 71,<br />

84, 87, 90, 111, 113, 115, 117,<br />

126, 152, 153, 154, 155, 158,<br />

172, 177, 198, 206, 207, 208,<br />

223, 227, 231, 232, 240, 244,<br />

246, 253, 254, 255, 256, 257,<br />

268, 275, 275, 278, 279, 280,


281, 283, 284, 287, 290, 300,<br />

302, 305, 308, 317, 322, 323,<br />

341, 347, 348, 378, 379<br />

Milzbrand-Bakterien<br />

➝ Bacillus anthracis . . . . . . 16-18,<br />

21, 31-33, 35, 39, 51, 61, 62, 64,<br />

84, 102, 110, 111, 115, 117, 118,<br />

123, 128, 142, 149, 152-154,<br />

158, 164, 183, 184, 223, 229,<br />

231, 232, 240, 246, 253, 255,<br />

261, 264, 268, 275, 281, 283,<br />

287, 317<br />

Milzbrand-Brief-<br />

Bomben . . . . . . . . . . . . . . . . . 25, 322<br />

Milzbrand-Sporen<br />

➝ Bacillus anthracis . . . . . . 25, 32,<br />

33, 65, 85, 87, 112, 115-117, 124,<br />

131, 149, 152, 155-157, 255,<br />

258-262, 272, 278, 280-282, 284,<br />

286, 290, 343, 348<br />

Ministerium für Nationale<br />

Verteidigung <strong>der</strong> DDR . . . . . . . 312<br />

Ministerium für Staatssicherheit<br />

<strong>der</strong> DDR<br />

➝ Stasi . . . . . . . . . . . . . . . . 187, 219,<br />

220, 222, 308, 347<br />

MKS<br />

➝ Maul- <strong>und</strong><br />

Klauenseuche . . . . . . . . . 17, 108,<br />

109, 110, 146, 347, 348<br />

MKS-Virus<br />

➝ Maul- <strong>und</strong> Klauenseuche-<br />

Virus . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17, 18,<br />

108-110, 142, 146, 147, 347, 348<br />

Molekularbiologie . . . . . . 249, 372<br />

Moratorium . . . . . . . . . . . . . . . . 239<br />

Mücken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142<br />

Museum für<br />

Naturgeschichte . . . . . . . . . . . . . 48<br />

Muthanna State<br />

Establishment . . . . . . . . . . . . . . . 263<br />

Mycobacterium<br />

tuberculosis . . . . . . . . . . . . . . . . 159<br />

National Strategy for Homeland<br />

Security . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 336<br />

Nationale Sprengstoff-Fabrik<br />

Bouchet . . . . . . . . . . . . . . . . . 48, 120<br />

Nationaler Sicherheitsrat <strong>der</strong><br />

USA . . . . . . . . . . . . . . . 202, 224, 277<br />

Nationales Institut für<br />

Medizinische Forschung<br />

London . . . . . . . . . . . . . . . . . 96, 150<br />

Nationales Zentrum für angewandte<br />

Forschung . . . . . . . . . . . . 48<br />

NATO . . . . . . . . . 317, 332, 337, 388<br />

N-Bomben . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155<br />

Neues Deutschland . . . . . 189, 209,<br />

210, 216, 368, 370<br />

New York Times . . . . . . . . . 25, 100,<br />

317, 366, 367, 374-378, 381,<br />

382, 384, 388<br />

Nicht-Regierungsorganisationen<br />

. . . . . . . . . 319, 321,<br />

332, 333<br />

NKGB<br />

➝ KGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91<br />

NKWD . . . . . . . . . . 19, 67, 164, 348<br />

Nürnberger<br />

Ärzteprozess . . . . . . . . . . . . 23, 105,<br />

170, 171, 358, 365<br />

Office of Strategic Services<br />

➝ OSS . . . . . . . . . . . . . 149, 162, 348<br />

Operation Aladin . . . . . . . . . . . . 152<br />

Operation Desert Fox . . . . . . . . 265<br />

Operation Foxley . . . . . . . 163, 164<br />

Operation Vegetarier . . . . . . . . 152<br />

OSS<br />

➝ Office of Strategic<br />

Services . . . . . . . . . . . . . . 162, 348<br />

Östliche-Pferde-Enzephalitis-<br />

Virus<br />

➝ EEEV . . . . . . . . . . . 199, 348, 355<br />

Panik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12, 251,<br />

288, 290-292, 304, 373<br />

Panjepferde . . . . . . . . . . . . . . . . 148<br />

Papageienkrankheit<br />

➝ Psittacose . . . . . . . 156, 157, 198<br />

Paratyphus . . . . . . . . . . . . . . 48, 126<br />

Paratyphus-Erreger . . . . . . 48, 66,<br />

126, 150<br />

Pasteurella tularensis<br />

➝ Francisella tularensis . . . . . 198<br />

Pasteur-Institut . . . . . . . . 47, 48, 87<br />

Patriot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 251<br />

PCR<br />

➝ Polymerase-Ketten-<br />

Reaktion . . . . . . . . 244, 348, 350<br />

Pearl Harbor . . . . . . . . . . . . . . . 155<br />

Penizillin . . . . . . . . . . . . . . . 103, 345<br />

Pentagon . . . . . . . . . . . . . . 241, 262,<br />

281, 317, 318, 322, 380<br />

Pest . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7, 21,<br />

39-42, 46, 51, 62, 66, 71, 90, 94,<br />

123-126, 147, 148, 155-160, 167,<br />

168, 172, 176, 177, 198, 203,<br />

403


206-208, 232, 236, 244, 256,<br />

261, 277, 278, 290-294, 298,<br />

300, 349, 353, 355, 365, 380<br />

Pest-Bakterien<br />

➝ Yersinia pestis . . . . . . . . . . 36, 42,<br />

64, 84, 86, 124, 125, 130, 131,<br />

142, 147, 158, 159, 167, 176,<br />

182, 183, 232, 261, 292, 349<br />

Pharmaceutical Research and<br />

Manufacturers of America . . . 317<br />

Pine Bluff Arsenal . . . . . . . . . . . 198<br />

Piricularia oryzae<br />

➝ Magna porthe grisea,<br />

Reisbrandpilz . . . . . . . . . . . . . 223<br />

Pocken . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12, 39,<br />

40, 43-45, 126, 206, 207, 227,<br />

232, 243, 244, 278, 298-300,<br />

302-304, 349, 354, 382<br />

Pocken-Virus<br />

➝ Variola major . . . . . . . . . . 21, 44,<br />

166, 232, 241, 243, 263, 264,<br />

277, 298, 299, 301-304, 334,<br />

349, 350, 354<br />

Politbüro . . . . . . . . . . . . . . 187, 189,<br />

192, 194, 250<br />

Polymerase-Ketten-Reaktion<br />

➝ PCR . . . . . . . . . . . . 244, 348, 350<br />

Possew . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 253<br />

Postfach 2076 . . . . . . . . . . . . . . . 257<br />

Präventivschläge . . . . . . . . . . 15-17,<br />

25, 267, 335, 338<br />

Proliferation . . . 229, 371, 384, 385<br />

ProMedMail . . . . . . . . . . . 337, 360<br />

Proteomics . . . . . . . . . . . . . . . . . 237<br />

Protokoll über <strong>das</strong> Verbot <strong>der</strong><br />

Verwendung von erstickenden,<br />

giftigen o<strong>der</strong> ähnlichen Gasen<br />

sowie von bakteriologischen<br />

Mitteln im Kriege<br />

➝ Genfer Protokoll . . . . . . 57, 350<br />

Pseudomonas mallei<br />

➝ Burkhol<strong>der</strong>ia mallei . . . 29, 350,<br />

352<br />

Psittakose<br />

➝ Papageienkrankheit . . . . . . . . 300<br />

psychologische biologische<br />

Kriegsführung . . . . . . . . . . 292, 293<br />

psychologische<br />

Kriegsführung . . . . . . . . . 197, 292,<br />

295, 326, 380<br />

psychologische<br />

Wirkung . . . . . . . . . . . . . . . 107, 289<br />

Psychoterror . . . . . . . . . . . . . . . . 304<br />

404<br />

Public Health Security and<br />

Bioterrorism<br />

Response Act . . . . . . . . . . . 336, 388<br />

Puccinia spec.<br />

➝ Getrei<strong>der</strong>ostpilze . . . . . . . . . 223<br />

Q-Fieber . . . . . . . . . . . . . . . . 39, 161,<br />

198, 200, 206, 207, 223, 232,<br />

300, 324, 344, 351<br />

Q-Fieber-Erreger<br />

➝ Coxielle burnetti . . . . . 200, 351<br />

Quarantäne . . . . . . . . . . . . . . . . . 303<br />

Queens University . . . . . . 155, 156<br />

Rajneesh-Sekte . . . . . . . . . . 24, 274<br />

Rapid Syndrome Validation<br />

Project . . . . . . . . . . . . . . . . . 337, 360<br />

Ratten . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65, 107,<br />

108, 124, 125, 147, 148, 176<br />

Recht auf<br />

Selbstverteidigung . . . . . . . . . . . 333<br />

Reichsforschungsanstalt Insel<br />

Riems . . . . . . . . . . . . . 142, 146, 203<br />

Reichsges<strong>und</strong>heitsblatt . . . . . . 292<br />

Reichsinstitut für Grenzgebiete<br />

<strong>der</strong> Medizin . . . . . . . . . . . . . . . . . 142<br />

Reichswehr . . . . . . . . . . . . . . 11, 21,<br />

50, 51, 55, 62, 70, 72, 76-79, 94,<br />

111, 327, 363<br />

Reisbrandpilze . . . . . . . . . . . . . . 223<br />

Rifttal-Fieber-Virus<br />

➝ Hämorrhagisches-Fieber-<br />

Viren . . . . . . . 232, 233, 346, 351<br />

Rin<strong>der</strong> . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17, 23,<br />

31, 32, 35, 91, 108, 147, 152-<br />

154, 347<br />

Rin<strong>der</strong>pestvirus . . . . . . . . . . 84, 86,<br />

124, 142<br />

Rizin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39, 84,<br />

85, 157, 164, 166, 167, 232, 262,<br />

263, 268, 270, 292, 300, 351-353<br />

Robert Koch-Institut . . . . 54, 112,<br />

203, 360<br />

Rote Armee . . . . . . . . . . . . . . 50, 51,<br />

57, 77, 89, 94, 141, 147, 158,<br />

159, 168, 172, 173, 203, 324, 363<br />

Rotz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29, 34,<br />

35, 39, 46, 62, 71, 123, 126, 148,<br />

156, 157, 177, 244, 256, 300,<br />

343, 350, 352, 381<br />

Rotz-Bakterien<br />

➝ Burkhol<strong>der</strong>ia mallei . . . . 21, 29,<br />

30, 31, 32, 35, 65, 131, 182, 352<br />

Ruhr-Erreger . . . . . . . . . . . . 61, 71,<br />

126, 131, 177


Russische Frühjahrs-Sommer-<br />

Enzephalitis-Erreger . . . . . . . . 352<br />

Rüstungskontrollamt . . . . . . . . 217<br />

Salman Pak . . . . . . . . . . . . . . . . 263<br />

Salmonella<br />

typhimurium . . . . . . . . . . . 273, 352<br />

San-Joaquin-Tal-Fieber<br />

➝ Kokzidioido-Mykose . . . . . . . 156<br />

Sarin . . . . . . . . . . . . 243, 274, 275<br />

Schutzforschung<br />

➝ B-Schutz . . . . . . . . . . . . . 229, 325<br />

Schutzimpfung . . . . . . . . . . . 44, 63,<br />

71, 105, 233, 234, 242, 243, 298,<br />

304, 342, 349<br />

Schutzimpfung gegen<br />

Milzbrand . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233<br />

Schutzimpfung gegen<br />

Pocken . . . . . . . . . 44, 243, 304, 349<br />

Schweinepest-Erreger . . . . . . . . 71<br />

SEB<br />

➝ Staphylokokken-<br />

Enterotoxin B . . . . . . . 162, 163,<br />

352, 353<br />

SED<br />

➝ Sozialistische Einheitspartei<br />

Deutschlands . . . . . . . . 189, 192,<br />

194, 217, 248<br />

Sektion Politik des<br />

Generalstabs . . . . . . . . . . 27, 28, 33<br />

Selbstmordattentäter . . . . . . . . 101<br />

Senfgas . . . . . . . . . . . . . . 73, 87, 123<br />

Serratia marcescens . . . . . . 48, 49,<br />

72, 80, 98, 144, 201, 213<br />

Shigellose<br />

➝ Ruhr . . . . . . . . . . . . . . . . 300, 352<br />

single-threat-Agens . . . . . . . . . . 298<br />

SIPRI<br />

➝ Stockholmer Internationales<br />

Friedensforschungsinstitut<br />

. . . . . . . . . . . . . . 219, 221,<br />

241, 307, 339, 350, 352, 359, 376<br />

Slatogorow-Maslokowitsch-<br />

Laboratorium . . . . . . . . . . . 89, 159<br />

SOE<br />

➝ Special Operation<br />

Executive . . . . . . . . 163, 164, 352<br />

Solowezki-Inseln . . . . . . . . . . . . . 90<br />

Soman . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 243<br />

Sooner Spring-Übung . . . . . . . 278<br />

Sozialistische Einheitspartei<br />

Deutschlands . . . . . . . . . . . . . . . 189<br />

spanischer Bürgerkrieg . . . . . . 100<br />

Special Operation<br />

Executive . . . . . . . . . . 163, 352, 353<br />

Spenitis<br />

➝ Milzbrand . . . . . . . . . . . . . . . . 131<br />

St. Bartholomew-the-Great . . 131<br />

St. Thomas . . . . . . . . . . . . . . . . . 131<br />

Staatliche Forschungsanstalt Insel<br />

Riems . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109, 203<br />

Staatliches Forschungszentrum<br />

für Virologie <strong>und</strong> Biotechnologie<br />

„Vektor“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 298<br />

Staphylokokken-<br />

Enterotoxin B . . . . . . . . . . . 39, 162,<br />

200, 202, 227, 261, 352, 353<br />

Stasi<br />

➝ Ministerium für Staatssicherheit<br />

<strong>der</strong> DDR . . . . . . . . . . . . 218, 219,<br />

220, 222, 308<br />

State Department . . . . . . . 235, 240<br />

Stockholmer Internationales<br />

Friedensforschungsinstitut<br />

➝ SIPRI . . . . . . . . . . . . . . . 219, 220,<br />

241, 339, 350<br />

Suffield . . . . . . . . . . . . 155, 157, 202<br />

Tabun . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 243<br />

Taji Single-cell Protein<br />

Production Plant . . . . . . . . . . . . 263<br />

Technisches Institut für<br />

Zoologie <strong>und</strong> Veterinärwesen<br />

Leningrad . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89<br />

Tetanus-Erreger . . . . . . . . . . 62, 71,<br />

84, 102, 125, 126<br />

Texas-Zecken . . . . . . . . . . . 131, 134<br />

Threat Reduction Agency . . . . 318<br />

Tilletia<br />

➝ Weizenbrand-Erreger . . . . . . 263<br />

Togaviren<br />

➝ Venezolanische-Pferde-Enzephalitis-Virus,<br />

Östliche-Pferde-<br />

Enzephalitis-Virus, Westliche-<br />

Pferde-Enzephalitis-Virus, EEE,<br />

VEE, WEE . . . . . . . . . . . 199, 355<br />

Tollwut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102<br />

TOPOFF 2000-Übung . . . . . . . 277<br />

Transparenz . . . . . . . . . . . . 12, 245,<br />

321, 322, 332, 334, 337<br />

Trittbrettfahrer . . . . . . . . . 252, 290<br />

Truppenübungsplatz Munster-<br />

Lager . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109<br />

Tsutsugamishi-Fieber-<br />

Erreger . . . . . . . . . . . . 126, 207, 353<br />

405


Tuberkelbakterien<br />

➝ Mycobacterium<br />

tuberculosis . . . . . . . . . . 166, 295<br />

Tuberkulose-Erreger<br />

➝ Mycobacterium<br />

tuberculosis . . . . . . 90, 126, 295<br />

Tularämie . . . . . . . . . . . . . . . 39, 62,<br />

90, 91, 94, 123, 125, 126, 155,<br />

160, 161, 198, 202, 206, 223, 227,<br />

232, 244, 256, 300, 324, 345, 353<br />

Tularämie-Erreger<br />

➝ Francisella tularensis . . 62, 90,<br />

123, 125, 126, 155, 198, 202,<br />

206, 223, 227, 232, 244, 324, 345<br />

Typhus-Erreger . . . . . . . . . . 46, 48,<br />

62, 66, 123, 124, 126, 150, 158,<br />

172, 274<br />

U-Bahn . . . . . . . . . . . . . . . . . 12, 197,<br />

274, 288<br />

Überprüfungskonferenz . . . . . 306,<br />

307, 308, 310-312, 319, 320,<br />

332, 372, 385<br />

U-Boot . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31, 147<br />

Uji-Porzellanbombe . . . . . . . . . 129<br />

UN<br />

➝ Vereinte Nationen . . . . 225, 254,<br />

260, 265, 268, 270, 367, 374,<br />

375, 385<br />

UNESCO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175<br />

ungewöhnliche<br />

Krankheitsausbrüche . . . 161, 311<br />

Unit 100 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128<br />

Unit 1644 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128<br />

Unit 1855 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128<br />

Unit 731 . . . . . . . . . . . . . . . 126, 128<br />

Unit 8604 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128<br />

United Nations Monitoring,<br />

Verification and Inspection<br />

Commission<br />

➝ UNMOVIC . . . . . . . . . . . 266, 354<br />

United Nations Special<br />

Commission<br />

➝ UNSCOM . . . . . . . . . . . . 262, 354<br />

Unkrautsamen . . . . . . . . . . 142, 203<br />

UNMOVIC<br />

➝ United Nations Monitoring,<br />

Verification and Inspection<br />

Commission . . . . . . . . . . 266, 268,<br />

269, 354, 375<br />

UNSCOM<br />

➝ United Nations Special<br />

Commission . . . . . . . . . . . . . . . 262,<br />

264-267, 286, 354, 375<br />

406<br />

Unterausschuss für bakteriologische<br />

Kriegsführung (UK) . . . . . 99<br />

Unterausschuss für notfallmedizinische<br />

Laboratoriumsdienste<br />

(UK) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99<br />

URBAN 2000-Übung . . . . 277, 377<br />

US Army Medical Research<br />

Institute of Infectious Diseases<br />

➝ USAMRIID . . . . . . . . . . 198, 354<br />

USAMRIID<br />

➝ US Army Medical Research<br />

Institute of Infectious<br />

Diseases . . . . . . . . . . . . . 281, 285,<br />

286, 289, 299, 335, 354<br />

V1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149<br />

Vaccines for Peace<br />

➝ VfP . . . . . . . . . 332, 355, 358, 387<br />

Vakzine<br />

➝ Impfstoff . . . . . . . . . . . . . 91, 159,<br />

232, 233, 244, 245, 261, 301,<br />

303, 311, 312, 332, 333, 346<br />

Vakzinia-Virus<br />

➝ Impfpocken-Virus . . . . . 243, 302,<br />

354<br />

Variola major . . . . . . . . . . 44, 302,<br />

349, 354, 380-382<br />

VEEV<br />

➝ Venezolanische-Pferde-Enzephalitis-Virus<br />

. . . . 199, 300, 355<br />

Venezolanische-Pferde-<br />

Enzephalitis-Virus . . . . . . . 39, 199,<br />

200, 206, 223, 227, 232, 244,<br />

300, 301, 355<br />

Vereinigung Deutscher<br />

Wissenschaftler . . . . . . . . . 217, 363<br />

Vereinte Nationen . . . . . . 197, 221,<br />

225, 227, 262, 265, 305, 308<br />

Verhaltenskodex für<br />

Wissenschaftler . . . . . . . . . . . . . 320<br />

Verifikation . . . . . . . . 228, 305-307,<br />

309-311<br />

vertrauensbildende<br />

Maßnahmen . . . . . . . . . . . . 12, 249,<br />

310, 311, 315, 318<br />

VfP<br />

➝ Vaccines for Peace . . . . 332-334,<br />

355<br />

Vietnamkrieg . . . . . . . . . . . 223, 301<br />

Vigo Plant . . . . . . . . . . . . . . 156, 157<br />

Völkerb<strong>und</strong> . . . . . . . . . . . . . . 49, 56,<br />

59, 60, 322<br />

Warschauer Pakt . . . . . . . . . . . . 222


Washington Post . . . . . . . 286, 374,<br />

376, 379<br />

Washington Times . . . . . . . . . . . 285<br />

WEEV<br />

➝ Westliche-Pferde-Enzephalitis-<br />

Virus . . . . . . . . . . . . . . . . 199, 355<br />

Wehrmacht . . . . . . . . . . . . . . 16, 18,<br />

21, 80, 105, 108, 111, 119, 121,<br />

134, 142, 203, 224, 246, 324,<br />

327, 328<br />

Wehrmachtführungsstab<br />

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135, 143<br />

Weizenbrand-Erreger<br />

➝ Tilletia . . . . . . . . . . . . . . . . . . 263<br />

Weltkrieg, Erster . . . . . . . . . 27-29,<br />

36, 38, 46, 50, 58, 66, 85, 103,<br />

111, 234, 276, 322, 329, 345, 352<br />

Weltkrieg, Zweiter . . . . . . . 18, 19,<br />

42, 63, 85, 88, 95, 100, 101, 103,<br />

105, 106, 108, 109, 111, 118, 119,<br />

127, 130, 141, 142, 149, 153,<br />

161, 162, 168, 174-176, 184,<br />

187, 195, 197, 203, 208, 225,<br />

246, 269, 292, 295, 323, 326,<br />

329, 331, 343, 345, 347-349,<br />

351, 353<br />

Weltraumforschung . . . . . . . . . 213<br />

Westeuropäische Union<br />

➝ Europäische Union,<br />

EU . . . . . . . . . . . . . . . . . . 217, 270<br />

Westliche-Pferde-Enzephalitis-<br />

Virus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 355<br />

Whistleblower . . . . . . . . 71, 211,<br />

216, 255, 259, 266, 267, 270,<br />

283, 292, 326, 355<br />

WHO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44, 94,<br />

299, 333, 337, 349, 354, 380,<br />

381, 384, 387, 388<br />

Wissenschaftliche Forschungs<strong>und</strong><br />

Produktionsanlage<br />

Stepnogorsk . . . . . . . . . . . . 257, 258<br />

wissenschaftlicher<br />

Gerätebau . . . . . . . . . . . . . . . . . . 237<br />

Wissenschaftlicher Senat für <strong>das</strong><br />

Heeressanitätswesen . . . . . . . 54, 55<br />

World Trade Center . . . . . . . . . 322<br />

X-Waffen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155<br />

Yersinia pestis<br />

➝ Pest . . . . . . . . . . . . . . 41, 42,<br />

152, 159, 176, 234, 277, 283,<br />

349, 355<br />

Zelltechnik . . . . . . . . . . . . . 237, 250<br />

Zentralinstitut für<br />

Krebsforschung . . . . . . . . 142, 147<br />

Zusatzprotokoll . . . . . . . . . 25, 303,<br />

307-310, 315-317, 319, 331, 335<br />

407


PERSONENREGISTER<br />

Aken, Jan van . . . . . 286, 373, 379<br />

Alhaznawi, Ahmed . . . . . . . . . 283<br />

Alibek, Ken . . . . . . . . . . . 65, 161,<br />

173, 205, 254, 255, 257, 259,<br />

285, 299, 301, 324, 326, 357,<br />

363, 367, 373, 381<br />

Amherst, Sir Jeffrey . . 43, 44, 362<br />

Apen von . . . . . . . . . . . . . 158, 159<br />

Aragon, Ferdinand von . . . . . 230<br />

„Arnold“ . . . . . . . . . . . . . . . . . 32<br />

Aspin, Les . . . . . . . . . . . . . . . . 261<br />

Auer, Major . . . . . . . . . 52-54, 143<br />

Axen, Hermann . . . . . . . . . . . 250<br />

Balmer, Brian . . . . . . . . . 98, 357,<br />

364, 365, 367<br />

Banting, Sir Fre<strong>der</strong>ick Grant . . . .<br />

102-104, 149, 150<br />

Bärnighausen, Till . . . . . 174, 175,<br />

184<br />

Barykin, Wladimir A. . . . . . . . 91<br />

Bauer, H. . . . . . . . . . . . . . 142, 380<br />

Bayer . . . . . . . . . . . . 142, 145, 146<br />

Beer, Angelika . . . . . . . . . 310, 383<br />

Bergmann, Oberst . . . . . . . . . . 76<br />

Berija, Lawrenti . . . . 91, 164, 205<br />

bin Laden, Osama . . . . . 282, 304<br />

Bisa, Karl . . . . . . . . 211, 368, 369<br />

Blair, Tony . . . . . . . . 17, 267, 268<br />

Blanco, Ernesto . . . . . . . . . . . 280<br />

Blaškovič, Dionýz . . . . . . . . . . 307<br />

Blix, Hans . . . . 266, 269, 271, 374<br />

Blome, Kurt . . . . . . . . . . 130, 138,<br />

142, 147, 148, 171, 203, 204<br />

Böhme, Helmut . . . . . . . . . . . 307<br />

Borecký, Ladislav . . . . . . . . . . 307<br />

Brecht, Bertolt . . . . . . . . . . . . 192<br />

Brown, George S. . . . . . . 228, 371<br />

Burton, Theodore H. . . . . . . . . 56<br />

Bush, George W. . . . . . . 7, 15-17,<br />

267, 268, 291, 292, 299, 304,<br />

319, 338, 361, 382<br />

Butler, Richard . . . . . . . . 266, 375<br />

Calmette, Albert . . . . . . . . . . . . 47<br />

Canaris, Wilhelm . . . . . . 136, 364<br />

Castro, Fidel . . . . . . . . . . . . . . 166<br />

Cheney, Dick . . . . . . . . . . . . . 304<br />

Chisholm, Brock . . . . . . . . . . 149<br />

408<br />

Churchill, W. . . . . . . . . . . . . 7, 51,<br />

155, 197, 361<br />

Cieslak, Ted J. . . . . . . . 281, 371,<br />

377, 381<br />

Curseen jr., Joseph . . . . . . . . . 279<br />

Daschle, Tom . . . . . . . . . 280, 281,<br />

284, 288<br />

Delmer, Sefton . . . . 295, 297, 380<br />

Denckmann, V. . . . . . . . . . . . . 142<br />

Douglas, Stewart Ranken . . . . 96<br />

Ecuyer, Hauptmann . . . . . . . . . 43<br />

Eichler, Hansjörg . . . . . . . . . . 142<br />

Eisman, Hans Georg . . . . . . . 208<br />

Ekeus, Rolf . . . . . . . . . . . 265, 374<br />

Feist, Manfred . . . . . . . . . . . . 248<br />

Fell, Norbert H. . . . . . . . 176, 177,<br />

179, 183<br />

Fildes, Paul . . . . . . . . . . . 152, 154<br />

Fischer, Joseph . . . . . . . . . . . . 385<br />

Fischman, Jakow . . . . . 51, 62-65,<br />

67, 90, 94<br />

Forster, Don . . . . . . . . . . . . . . 285<br />

Fox, Leon A. . . . . . . . . . . 100, 101<br />

Gaddafi, Muammar Al . . . . . 246<br />

Gildemeister, Eugen . . . . . . . . 203<br />

Gildemeister, Hermann . 142, 203<br />

Ginsburg, A.N. . . . . . . . . . . . . . 62<br />

Glatzel, L. . . . . . . . . . . . . . . 51, 52<br />

Glenn, John . . . . . . . . . . 254, 373<br />

Goebbels, Josef . . . . . . . . . . . . 163<br />

Göring, Hermann . . . . . . . . . . 168<br />

Gross, Karl Josef . . . . . . . . . . 142<br />

Haagen, Eugen . . . . . . . . . . . . 204<br />

Hankey, Sir Maurice . . . . . . . . 99<br />

Harich, Wolfgang . . . . . . . . . . 192<br />

Harris, Larry Wayne . . . 283, 359,<br />

362, 364<br />

Hatfill, Steven J. . . . . . . . 286, 379<br />

Heinig, Alfred . . . . . . . . . . . . . 109<br />

Herbig, Werner . . . . . . . . . . . 193<br />

Heydrich, Reinhard . . . . . . . . 165<br />

Heym, Stefan . . . . . . . . . 246, 373<br />

Himmler, Heinrich . . . . . . 70, 86,<br />

130, 147, 148, 163, 165<br />

Hindenburg, Paul von . . . . 69, 70<br />

Hinsch, Friedrich . . . . . . . . 32, 33<br />

Hirsch, Walter . . . . . . . . . . . . 161


Hitler, Adolf . . . . . . . . . . . . 11, 18,<br />

19, 22, 23, 60, 69, 70, 72, 78,<br />

105, 131, 132-137, 139, 143,<br />

144, 146, 151, 158, 163, 164-<br />

166, 168, 191, 323, 327, 358<br />

Hojo, Enryo . . . . . . . . . . 124, 125<br />

Holmes, H. Allen . . . . . . . . . . 254<br />

Huxsoll, David . . . . . . . . 234, 371<br />

Ikle, Fred C. . . . . . . . . . . 228, 371<br />

Ishii, Shiro . . . . . . . . . . . . . 60, 61,<br />

125, 126, 172, 175, 179, 182,<br />

183, 185, 360<br />

Israeljan, Victor, L. . . . . 308, 309,<br />

373, 383, 385, 386<br />

Janibeg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41<br />

Janka, Walter . . . . . . . . . . . . . 192<br />

Jelzin, Boris . . . . . . . . . . . 25, 254,<br />

256, 257, 259<br />

Jewstignew, Walentin . . . . . . . 195<br />

Johnson, Uwe . . . . . 192, 366, 372<br />

Jung, Friedrich . . . . . . . . . . . 307<br />

Kamal Hassan al-Majid,<br />

Hussein . . . . . . . . . . . . . . . . . . 265<br />

Kaplan, Martin . . . . 240, 372, 376<br />

Kawashiuma . . . . . . . . . . . . . . 179<br />

Keitel, Wilhelm . . . . 134, 136, 168<br />

Kirchner, Hans-Alfred . . . . . . 193<br />

Kirchner, K. . . . . . . . . . . 296, 380<br />

Kissinger, Henry A. . . . . 143, 224<br />

Kliewe, Heinrich . . . . . . 110, 120,<br />

121-125, 135-138, 142, 144, 145,<br />

149, 161, 170, 208, 293, 294,<br />

363, 380<br />

Klotz, Helmut . . . . . . . . 69-71, 79,<br />

98, 102, 112, 327, 363<br />

Konrich, Friedrich . . . . . . . . . . 38<br />

Korczak, Boris . . . . . . . . . . . . 167<br />

Kostow, Wladimir . . . . . . . . . 167<br />

Kritschewski, Ilja L. . . . . . . . . 91<br />

Kurasaba . . . . . . . . . . . . . . . . 179<br />

Lebrun, Albert . . . . . . . . . . . . . 86<br />

Le<strong>der</strong>berg, Joshua . . . . . 224, 234,<br />

235, 359, 365<br />

Ledingham, John . . . . . . . . 96, 99<br />

Leussink, Hans . . . . . . . . . . . . 212<br />

Liepmann, Heinz . . . . . . . . . . 113<br />

Linkin, G. . . . . . . . . . . . . . . . . . 88<br />

Ljubarski, Wladimir A. . . . . . . 91<br />

Ludendorff, Erich . . . . . . . . . . 36<br />

Lugar, Richard G. . . . . . 256, 373,<br />

384<br />

Lumumba, Patrice . . . . . . . . . 166<br />

Malone . . . . . . . . . . . . . . 234, 235<br />

Malzewa, Nelja N. . . . . . . . . . 299<br />

Marguerre, Hans . . . . . . . 27, 135<br />

Markow, Georgi . . . . . . . . . . . 166<br />

May, Eduard . . . . . . . . . . 142, 364<br />

McKee, Alexan<strong>der</strong> . . . . . . . . . . 43<br />

McQuail, Robert P. . . . . . . . . 175<br />

Mechtersheimer,<br />

Alfred . . . . . . . . . . . . . . . 310, 383<br />

Mellanby, Sir Edward . . . 99, 150<br />

Merck, George W. . . . . . 141, 364<br />

Merker, Paul . . . . . . . . . 187, 189,<br />

192, 194<br />

Merkulow, Wsewolod . . . . . . . 66,<br />

90-92<br />

Mertes, Alois . . . . . . . . . . 305, 382<br />

Miller, Judith . . . . . . . . . 299, 359,<br />

365-367, 370, 373-375, 378, 381,<br />

384, 386<br />

Möllemann, Jürgen W. . . . . . 240,<br />

372<br />

Morris jr., Thomas . . . . . 279, 280<br />

Mrugowsky, Joachim . . . 105, 171<br />

Müller-Hill, Benno . . . . . . . . . 251<br />

Muntsch, Otto . . . . . . . . . . . . 119<br />

Mussi, Gabriel de . . . . . . . . . . . 41<br />

Nadolny, Rudolf . . . . . . . . 27, 29,<br />

31, 32, 34, 36, 59, 135, 361, 362<br />

Nagel, H.C. . . . . . . . . . . . . . . . 142<br />

Napoleon . . . . . . . . . . . . . 230, 240<br />

Nicolai, Walter . . . . . . 27, 29, 361<br />

Nixon, Richard . . . . . . . 143, 202,<br />

223-225, 227, 301, 338, 370<br />

Nujoma, Sam . . . . . . . . . . . . . 246<br />

Ochs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142<br />

Ochsner, Hermann . . . . 106, 107,<br />

115, 118, 289<br />

Ostertag, Robert von . . . . . . . 117<br />

Otto, Richard . . . . 32, 33, 54, 298<br />

Owens, W. . . . . . . . . . . . . 229, 371<br />

Pasetschnik,<br />

Wladimir . . . . . . . . . . . . 254, 299<br />

Patrick III, William . . . . 281, 284,<br />

285, 371<br />

Petras, Ehrenfried . . . . . . . . . . 24,<br />

209-218, 327, 368-370<br />

Pfeiffer, Richard . . . . . . . . . . . . 56<br />

Rajneesh, Bhagwan Shree . . . 274<br />

Reagan, Ronald . . . . . . . . . . . 260<br />

Reimer, W. . . . . . . . . . . . . . . . 142<br />

Reitano, Hugo . . . . . . . . . . . . 100<br />

409


Richters, C. Eduard . . . . 50, 105,<br />

117<br />

Riedel, G. . . . . . . . . . . . . . . . . 142<br />

Riemer, Generalarzt . . . . . 54, 234<br />

Ritter, Scott . . . . . . . 264-267, 328,<br />

359, 374, 375<br />

Rogosin, I.I. . . . . . . . . . . . . . . 160<br />

Rosen, Otto Karl von . . . . 32, 33,<br />

377<br />

Rosenberg, Barbaa . . . . 285, 377,<br />

378, 379, 388<br />

Rosenfeld, Allan . . . . . . . 301, 381<br />

Rosenthal,<br />

Hans-Alfred . . . . . . . . . . 248, 328<br />

Rothenberg, Mortimer A. . . . 172<br />

Rothmaler, Werner . . . . . 142, 203<br />

Roux, Emile . . . . . . . . . . . . 47, 48<br />

Rumsfeld, Donald H. . . . . . . . 260<br />

Sam, P. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88<br />

San<strong>der</strong>s, Murray . . . . . . 173, 177<br />

Sartori, A. . . . . . . . . . . . . . . 88, 89<br />

Sartori, R. . . . . . . . . . . . . . . 88, 89<br />

Schabowski, Günter . . . . 209, 368<br />

Schacht, Hjalmar . . . . . . . . 11, 23,<br />

162, 353<br />

Schäfer, Werner . . . . . . . . . . . 142<br />

Schellenberg, Walter . . . 164, 165<br />

Schiwkow, Todor . . . . . . . . . . 166<br />

Schmidt, Helmut . . . . . . . . . . 212<br />

Schra<strong>der</strong>, Gerhard . . . . . . . . . 243<br />

Schreiber, Walter . . . 168-170, 208<br />

Schukow, Georgi<br />

Konstantinowitsch . . . . . . . . . 198<br />

Schulze, Curt . . . . . . . . . . 115-117<br />

Schwartz, Martin . . . . . . 142, 203<br />

Schwarz, Otto . . . . . . . . . 142, 203<br />

Seeckt, Hans von . . . . . . . . 51, 55<br />

Seel, Hans . . . . . . . . . . . . 142, 204<br />

Segal, Jakob . . . . . . 246-252, 327,<br />

328, 373<br />

Seidel, Kurt . . . . . . . . . . . . . . 248<br />

Sellke, K. . . . . . . . . . . . . . . . . 142<br />

Sidel, Victor . . . . . . 229, 371, 382<br />

Slatogorow, Semen I. . . . . . 64, 65,<br />

89<br />

Smirnow, Leon N. . . . . . . 173, 175<br />

Sosnkowski, Casimir . . . . . . . . 56<br />

Spertzel, Richard O. . . . . . . . 286<br />

Stalin, Josef W. . . . . . . . . . 11, 19,<br />

22, 88, 158-161, 167, 197, 205,<br />

323, 365<br />

410<br />

Steed, Wickham . . . . . . 77-80, 88,<br />

89, 96-102, 105, 271, 327<br />

Stevens, Robert . . . . . . . . . 9, 280<br />

Stoltzenberg, Hugo . . . . . 110, 111<br />

Strasser, Otto . . . . . . . . . 164, 165<br />

Stubbe, Hans . . . . . . . . . 142, 203<br />

Stülpnagel,<br />

Paul Joachim von . . . . . . 309, 383<br />

Tito, Josef Broz . . . . . . . . . . . 167<br />

Topley, William Whiteman<br />

Carlton . . . . . . . . . . . . . . . . 96, 99<br />

Traub, Erich . . . . . . . . . . . . . . 142<br />

Trillat, André . . . . . . 46-48, 84, 87<br />

Trotzki, Leon . . . . . . . . . . . . . 167<br />

Tschernow, Michail . . . . . . . . . 91<br />

Ulbricht, Walter . . . . . . . . . . . 192<br />

Velu, H. . . . . . . . . . . 80, 81, 84, 87<br />

Vogelsang, Thilo . . . . . . . . . . . . 70<br />

Wagner, Generalarzt . . . . 115, 119<br />

Wahl, Albert . . . . . . . . . . 212, 368<br />

Waldmann, Otto . . . . . . . 142, 203<br />

Weizsäcker,<br />

Ernst-Ulrich von . . . 217, 218, 370<br />

Welikanow, Iwan<br />

Michailowitsch . . . . . . 89, 91, 206<br />

Westing, Arthur . . . . . . . 235, 372<br />

Wichmann . . . . . . . . . . . . . . . 142<br />

Wilhelm II. . . . . . . . . . . . . . . . . 36<br />

Winning, Erika von . . . . . . . . 142<br />

Winter, Stabsarzt . . . . . . . . . . 234<br />

Wirth, Fritz . . . . . . . . . . . . . . 119<br />

Wolkogonow, Dimitri . . . . . . . 167<br />

Woroschilow, Kliment . . . . 62, 65,<br />

90<br />

Zedong, Mao . . . . . . . . . . . . . 197<br />

Zeiss, Heinrich . . . . . . . 66, 67, 91<br />

Zilinskas,<br />

Raymond A. . . . . . . 272, 367, 386<br />

Zimmermann, Arthur . . . . . . . 34

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