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Das Beispiel Libanon: Kulturelles Erbe und aktueller Stadtumbau

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°Kapitel 1.4 Arabische Stadt<strong>Das</strong> <strong>Beispiel</strong> <strong>Libanon</strong>: <strong>Kulturelles</strong> <strong>Erbe</strong> <strong>und</strong> <strong>aktueller</strong> <strong>Stadtumbau</strong>hans gebhardt <strong>und</strong> oliver köglerDie Städte in der Arabischen Welt durchlaufenseit einigen Jahrzehnten einen beträchtlichenBauboom <strong>und</strong> Modernisierungsschub, angeheiztdurch den Wirtschaftsstrukturwandel, dieLand-Stadt-Wanderungen <strong>und</strong> die Investitionvon Petrodollars bzw. Rücküberweisungen vonEmigranten.Dabei finden wir zwar in vielen FällenBemühungen um den Erhalt des traditionellenStadtbildes, insbesondere in den Städten desWeltkulturerbes, wie z. B. in Fès, Damaskus <strong>und</strong>Sana’a, gleichzeitig aber die flächenhafte Errichtunggesichtsloser Neubauviertel. Insbesonderein den reichen Golfstaaten kommt das Bestrebenhinzu, in postmoderner Manier prestigeträchtige<strong>und</strong> einzigartige „Landmarks“ zu errichten.Typische <strong>Beispiel</strong>e kennen wir aus Dubai<strong>und</strong> Abu Dhabi, aber auch den Städten Saudi-Arabiens <strong>und</strong> dem <strong>Libanon</strong>.Die aktuelle Modernisierung dieser Städtebirgt wegen kontroverser Wertvorstellungen<strong>und</strong> Lebensstile ein enormes Konfliktpotential<strong>und</strong> einen großen Diskussionsbedarf, mit dessenHintergründen <strong>und</strong> Auswirkungen sich dieHumangeographie stärker als bisher befassensollte.Fotos 1 Vom Bürgerkrieg zerstörte Häuser <strong>und</strong> Neubautenin Beirut / <strong>Libanon</strong><strong>Das</strong> Nebeneinander unterschiedlicher Einkommensgruppen,Wertvorstellungen <strong>und</strong> Lebensstile im Nachkriegs-<strong>Libanon</strong>lässt sich allenthalben an den gebauten Strukturen derStadt ablesen. Deutlich wird dies beispielsweise an einemim Bürgerkrieg stark beschädigten Haus nahe der früherenHauptkampflinie zwischen Ost- <strong>und</strong> West-Beirut (Rue Damas).Vor dem noch von Flüchtlingen bewohnten Haus wirbt einPlakat um reiche K<strong>und</strong>en für eine neu errichtete Shoppingmall [Foto links]Im Stadtzentrum wurden nach dem Bürgerkrieg die meistenHäuser abgerissen <strong>und</strong> große Freiflächen geschaffen. Dieverbliebenen Gebäude wurden vielfach einer neuen Nutzungzugeführt. So bezog z. B. im Jahre 2001 eine Filiale desBuch- <strong>und</strong> Musikkonzerns „Virgin Megastore“ ein frischrenoviertes <strong>und</strong> massiv umgestaltetes historisches Gebäude[Foto unten]2829


°Kapitel 1.4 Arabische StadtStädtebauliche Entwicklungen im <strong>Libanon</strong>Der <strong>Libanon</strong> <strong>und</strong> insbesondere seine HauptstadtBeirut sind im Laufe der Geschichte von einempermanenten <strong>Stadtumbau</strong> geprägt worden.Bereits im frühen 20. Jahrh<strong>und</strong>ert wurden großeBereiche der Altstadt im Zuge osmanischerModernisierungsvorhaben nach europäischemVorbild umgestaltet; bis heute sichtbar ist diemassive Überformung großer Altstadtbereichewährend der französischen Mandatszeit. Dabeimusste jeweils vorhandene Bausubstanz denneuen Formen weichen, <strong>und</strong> es kam zu einemNebeneinander unterschiedlichster Baustile.Nach dem Zweiten Weltkrieg <strong>und</strong> insbesonderein den Boomjahren der 1950 er Jahreverdrängten vielfach Hochhäuser <strong>und</strong> Apartmentblocksdie vorhandene Bausubstanz. <strong>Das</strong>hatte zur Folge, dass bereits damals eine ersteDenkmalschutzorganisation entstanden ist,welche sich für den Erhalt der prachtvollen osmanischen<strong>und</strong> mandatszeitlichen Architektureinsetzte.Der libanesische Bürgerkrieg (1975 – 1990)veränderte die innere Struktur der HauptstadtBeirut weiter. Häuser im Stadtzentrum <strong>und</strong>entlang der „Grünen Linie“, d. h. der Trennliniezwischen Ost- <strong>und</strong> West-Beirut, wurden zuUnterständen der verschiedenen Milizen umgebaut,<strong>und</strong> zahlreiche Gebäude wurden durchdie Kampfhandlungen stark zerstört. Zudemwurde eine staatliche Regulierung privater Bautätigkeitendurch die Kriegsereignisse zunehmenderschwert, was zu einer unkontrolliertenVerbauung in den suburbanen Vierteln derStadt <strong>und</strong> auch in manchen Küstenstädten, wiebeispielsweise Jounieh, führte.1 <strong>Das</strong> Forschungsprojekt wurde von Ralph Bodenstein (Beirut/Berlin),Jens-Peter Hanssen (Toronto), Bernhard Hillenkamp (Beirut), Oliver Kögler(Heidelberg), Anne Mollenhauer (Berlin), Friederike Stolleis (Damaskus)unter der Leitung von Dorothea Sack (Berlin) <strong>und</strong> dem Autor durchgeführt.Mit dem Ausfall der staatlicher Regulationentstanden an vielen Stellen entlang der Küsteaber auch im klimatisch begünstigten <strong>Libanon</strong>gebirgeneue, hochwertig ausgestattete, starkbewachte <strong>und</strong> privat verwaltete Wohnsiedlungen,so genannte „gated communities“.Nach dem Bürgerkrieg wurde zunächst derWiederaufbau des Stadtzentrums unter derRegie der privaten Planungsgesellschaft Soliderezu einem zentralen Thema. Große Teile derhistorischen Bausubstanz wurden abgerissen,was den Widerstand von Erhaltungsaktivisten<strong>und</strong> eine breite mediale Aufmerksamkeithervorrief. Die verbleibenden historischen Strukturenwurden für eine kommerzielle Nutzungmassiv umgebaut <strong>und</strong> bilden heute eine Hauptattraktiondes neuen Stadtzentrums. Diesemassive Kommodifizierung des Kulturerbes wirdvon Seiten der Denkmalschützer ebenso kritisiertwie der vorausgegangene Abriss, hat jedoch dieWertschätzung der alten Gebäude deutlicherhöht.Ein in den frühen Nachkriegsjahren zunächstsehr hoher Bedarf an Wohnraum führtezudem zu einem enormen Bauboom in denzentrumsnahen Vierteln der Stadt <strong>und</strong> in denKüstenstädten Tripoli, Byblos, Saida <strong>und</strong> Tyros.Abermals mussten dabei zahlreiche historischeGebäude den neuen Apartmenthochhäusernweichen.Mit dieser Entwicklung ging nicht nur einezunehmende ökonomische Segregation derGesellschaft quer zu den religiösen Orientierungeneinher, sondern auch eine anhaltendekontroverse Debatte um Stadtplanung <strong>und</strong>Stadtgestaltung, welche insbesondere über dieim <strong>Libanon</strong> sehr vielfältige Medienlandschaftausgetragen wurde. Im Rahmen des interdisziplinärenForschungsprojektes „<strong>Das</strong> Viertel Zokakel-Blat in Beirut – Geschichte, Struktur <strong>und</strong>Wandel eines zentrumsnahen Wohnquartiers“ließen sich Akteure <strong>und</strong> Konfliktfelder des <strong>Stadtumbau</strong>szwischen Modernisierung <strong>und</strong> Erhaltder historisch überkommenen Bausubstanzexemplarisch analysieren 1 .Denkmalschutz versus <strong>Stadtumbau</strong> –das <strong>Beispiel</strong> des Stadtviertels Zokak el-BlatZokak el-Blat istein ursprünglich multikonfessionelles,dicht bebautes Stadtviertel süd-westlichder Beiruter Altstadt. Als Gartenstadtviertel„extra muros“ durch das gebildete BeiruterBürgertum entstanden, geriet es während desBürgerkriegs in den Strudel einer hochtourigenMobilität: Die Abwanderung von früheren,häufig christlichen Bewohnern <strong>und</strong> die Zuwanderungvon kurdischen <strong>und</strong> schiitischen Bürgerkriegsflüchtlingenspiegelt sich heute u. a. auchin der symbolischen Aneignung des Raumesdurch zahlreiche Graffitis, Plakate <strong>und</strong> Spruchbänderwider.RaouchéAUBRas-BeyrouthHamraAin-MreisséJounblatSanayehMarElias BtinaAbb. 1 <strong>Das</strong> Viertel Zokak el-Blat in Beirut: Zentrale <strong>und</strong>perizentrale Gebiete in Beirutbeirut central districtmunicipal beirutzokak el-blatSektorenStraßen<strong>Das</strong> Viertel Zokak el-Blat liegt südwestlich der ehemaligenAltstadt Beiruts. Bestehend aus den beiden administrativenBezirken Serail <strong>und</strong> Patriarcat ragt sein nördlicher Ausläuferbis weit in das heutige Stadtzentrum hinein.Mar EliasHayy LijjaMoussaitbébeirut centraldistrictBasta TahtaBasta FaoukaAamiliyémunicipal beirutRas el-NabaaAchrafiehTayounéMinet el-HosnMajidiyéMarfaBab-Idriss PlaceKantaride l’ÉtoileNajmeh GemmayzéSerailRemeilKhandaqSafiel-GhaniqEl-Village Mar-NicolaszokakZarifel-blatMar-MarounBachouraPatriarcatYessoulehRue Furn-el-HayekMonotEl-Hikmat3031ChiahN0 1 km


°Kapitel 1.4 Arabische StadtFoto 2, links <strong>Das</strong> Viertel Zokak el-Blat in BeirutFotos 3,rechts Der Kampf der Zeichen <strong>und</strong> Symbole in BeirutIn vielen Stadtvierteln Beiruts finden sich Plakate <strong>und</strong> Wandmalereien,welche auf die jeweils dominanten politischenGruppen verweisen. <strong>Das</strong> obere Foto zeigt u. a. Bilder desfrüheren Führers der christlich-maronitischen Phalangisten,Beshir Gemayel, der 1982 bei einem Attentat ums Lebenkam. In Zokak el-Blat hingegen dominieren „murals“, welcheSymbole der schiitischen Organisationen Amal <strong>und</strong> Hisballahzeigen [Foto unten].


°Kapitel 1.4 Arabische StadtBaulich besteht Zokak el-Blat aus einem dichtenNebeneinander von historischen <strong>und</strong> modernenGebäuden, wobei osmanische Mittelhallenhäuseraus der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg<strong>und</strong> drei- bis viergeschossige Häuser aus derfranzösischen Mandatszeit den großen, teilweiseüber zehn Stockwerke hohen Hochhäuserngegenüber stehen.Abb. 2 Gebäudeabriss <strong>und</strong> Bauzustand historischerGebäude in Zokak el-BlatIn Zokak el-Blat wurden bereits während der wirtschaftlichenBoomphase im <strong>Libanon</strong> in den 1960 er Jahren zahlreiche vor1945 errichtete Gebäude abgerissen <strong>und</strong> durch Betonhochbautenersetzt. Während des Bürgerkriegs 1975 – 1990 gingdie Zahl der Gebäudeabrisse deutlich zurück, nur um dannTab. 1 Bauzustand <strong>und</strong> Nutzung historischer Gebäude in Zokak el-BlatWohn- Handel/ Werk- Öffentliche Verlassen Insges. %gebäude Dienstleist. stätten Institutionen9 2 0 13 Sehr gut 0 24 10Gut 7 6 1 9 2 25 11Mittelmäßig 67 18 2 7 8 102 44Schlecht 40 4 2 0 1 47 203435in den Nachkriegsjahren wieder in die Höhe zu schnellen.Sehr schlecht 12 3 3 1 16 35 15Insgesamt 135 33 13 25 27 233 100Abb. 2 a Abriss vor 1945 errichteter GebäudeVon den bis heute verbleibenden 233 historischen Gebäuden% 57 14 6 11 12 1001945 – 1964des Quartiers sind 35 % in einem schlechten bzw. sehr1964 – 1977schlechten Zustand, 12 % der Häuser wurden ganz verlassen.Quelle: Kögler 20041977 – 1991Diese ehemals prachtvollen Bürgerhäuser werden heute1991 – 2003von unteren Einkommensklassen bewohnt, teilweise aber2003 noch existentauch als Werkstätten <strong>und</strong> Lagerräume genutzt, so dass inAbb. 2 b BaualterskartierungIn einer von drei offiziellen Studienmanchen Erdgeschossen der herrschaftlichen Villen Reifen-1860 – 19191996 – 1998 als „historisch“ identifiziertflicker <strong>und</strong> Autoreparaturwerkstätten zu finden sind.1920 – 19461947 – 19751976 – 1990nach 1990N0 100 mQuelle: GIS-unterstützte Analyse verschiedener Quellen durch Bodenstein / Kögler 2003Kartographie <strong>und</strong> GIS: Bodenstein / Kögler 2003, bearb. I. Meyer0 100 mQuelle: Survey Bodenstein / Mollenhauer 2003;Kartographie <strong>und</strong> GIS: O. Kögler 2003, bearb. I. Meyer


°Kapitel 1.4 Arabische StadtDie aktuelle Baustruktur des Viertels ist geprägt durch eineGemengelage von modernen Gebäuden <strong>und</strong> einzelnen historischenEnsembles unterschiedlichen Erhaltungszustands,welche von breiten Straßenschneisen, aber auch Abrissflächenumgeben sind, die oft temporär als Parkplätze genutzt werden[Foto 4, links oben].<strong>Das</strong> Nebeneinander unterschiedlicher Haustypen inZokak el-BlatFotos 4, linke Seite Die beiden Fotos zeigen Häuser aus derosmanischen Zeit vor dem Ersten Weltkrieg, welche in der Regelzwei Stockwerke hoch <strong>und</strong> aus massivem Sandstein mit einemroten Ziegeldach errichtet wurden. <strong>Das</strong> Gebäude auf dem unterenFoto wurde nach dem Bürgerkrieg renoviert <strong>und</strong> beherbergtheute eine Privatschule. Weitaus häufiger ist jedoch der Verfallsolcher historischen Gebäude, die manchmal sogar leerstehen <strong>und</strong> dann nur noch auf ihren endgültigen Abriss warten[oberes Foto].Fotos 5, rechte Seite <strong>Das</strong> linke Foto zeigt ein Haus der französischenMandatszeit, rechts eines der markantesten Gebäude amRande von Zokak el-Blat, der Murr-Turm, benannt nach seinemErbauer Michel Murr, dem ehemaligen Innenminister des Landes.Der Rohbau des Gebäudes war unmittelbar vor dem Bürgerkriegfertiggestellt worden <strong>und</strong> wurde während des Krieges von Milizenals strategischer Punkt für die Auseinandersetzungen im sogenanntenHotelviertel benutzt. <strong>Das</strong> Gebäude ist bis heute nichtvollendet <strong>und</strong> beherrscht als ungenutzter Rohbau den nördlichenTeil des Viertels.


°Kapitel 1.4 Arabische StadtAkteure <strong>und</strong> Konflikte des <strong>Stadtumbau</strong>s inZokak el-BlatDie aktuelle städtebauliche Entwicklung desViertels ist durch eine Reihe von Konflikten geprägt,bei denen unterschiedliche Akteure zumTeil sehr verschiedene Interessen verfolgen:Zuwanderer <strong>und</strong> Flüchtlingsfamilien, Haus- <strong>und</strong>Gr<strong>und</strong>besitzer, Altmieter, Bauunternehmer <strong>und</strong>staatliche Institutionen sind die wichtigsten.Der Erhalt historischer Bausubstanz wirddemnach von zahlreichen städtebaulichenKonflikten <strong>und</strong> Problemlagen überlagert. Dazugehört zunächst der Wiederaufbau der währenddes Bürgerkrieges stark zerstörten Bausubstanz,welcher jedoch für die Mehrzahl von Gebäudendurch das Flüchtlingsproblem, veraltete Gesetzgebungen<strong>und</strong> verjährte Stadtentwicklungsplänesowie die Ineffizienz staatlicher Institutionenbislang blockiert wurde. Ein entscheidenderFaktor ist zudem die Entwicklung der Nachfrageauf dem Immobilienmarkt, welche weitgehendvon der gesamtwirtschaftlichen Entwicklungdes Landes abhängig ist.Die historische Bausubstanz in Beirut unter DruckEine Reihe von Faktoren trug dazu bei, dass die historischeBausubstanz in den perizentralen Vierteln Beiruts unterDruck geriet <strong>und</strong> zahlreiche Bauten abgerissen bzw. demlangsamen Verfall preisgegeben wurden.Insbesondere während des Baubooms in der ersten Hälfteder 1990er Jahre stiegen die Gewinnerwartungen für Neubauprojektein schwindelerregende Höhen <strong>und</strong> legten somitden Abriss der historischen Gebäude nahe. Neue Apartmenthäuserversprachen durch höhere Geschosszahlen einedeutlich bessere Ausnutzung der bis zu 3000 US-Dollar/qmteueren Gr<strong>und</strong>stücke <strong>und</strong> so eine bessere Rendite.Bei vielen Gebäuden wurde jedoch solch eine Entwicklungdurch eine Reihe von Faktoren blockiert, die verhinderten,dass diese Gebäude weder abgerissen noch renoviert wurden.Eine wesentliche Rolle spielte dabei zunächst die Mietgesetzgebungdes Landes. Zahlreiche historische Gebäudewerden unter den Bedingungen eines alten Mietgesetzesvermietet, durch das die Höhe der Mieten effektiv auf demVorkriegsniveau eingefroren wurde. Da jedoch in der Zwischenzeitdie libanesische Währung massiv abgewertet wurde,kommt es damit zu Jahresmieten von 50 – 100 US-Dollar fürmanche Wohnungen.Obwohl diese Mieten einer profitablen Nutzung der bis zumehrere Millionen Dollar teuren Gr<strong>und</strong>stücke im Wegestehen, können die Mieter bislang nur in Ausnahmefällen<strong>und</strong> gegen Zahlung hoher Summen gezwungen werden, dieGebäude zu räumen.Zum Verfall vieler Altbauten trug auch bei, dass die Besitzverhältnissehäufig sehr zersplittert sind. Mitunter gibt esmehr als 30 Anteilseigner an einer Liegenschaft. Da jedereinzelne Anteilseigner seine Einwilligung über die zukünftigeNutzung des Hauses geben muss, ist es oft schwierig, dieverschiedenen Interessen der Besitzer unter einen Hut zubringen.Eine Lösung dieser Blockade konnte oft nur mit Hilfe finanzkräftigerBauunternehmer erfolgen, welche in der Lage waren,die vielen Eigentümer <strong>und</strong> Altmieter auszukaufen, <strong>und</strong> dieoft sehr kleinen Gr<strong>und</strong>stückparzellen für die Entwicklunggroßer Bauvorhaben zu arrondieren.Planerischer Umgang mit historischer BausubstanzEs gab zahlreiche Versuche, die alten Gebäude in zentrumsnahenVierteln von Beirut unter Schutz zu stellen. Da diebestehenden, noch aus der französischen Mandatszeitstammenden gesetzlichen Gr<strong>und</strong>lagen nicht ausreichten,waren diese Bemühungen stark von der Diskussion überlegislative <strong>und</strong> administrative Reformen bestimmt. Dabeikam es auch zu einer intensiven Auseinandersetzung darüber,welche Gebäude als schutzwürdig einzustufen sind.So hat eine erste, 1996 durchgeführte Studie der „Associationfor the Protection of Historical Sites and Buildings inLebanon“ 1019 vor dem Jahr 1943 errichtete Gebäude in denzentrumsnahen Stadtvierteln identifiziert <strong>und</strong> jeweils einigegr<strong>und</strong>legende Informationen dazu erhoben. Im Anschluss andie Studie wurden für alle diese Gebäude keine Abrissgenehmigungenmehr erteilt, was vielfach heftige Proteste derbetroffenen Hausbesitzer hervorrief.In einer weiteren Studie wurde vorgeschlagen, 520 dieserGebäude langfristig zu erhalten, womit sich die Liste dergeschützten Häuser um fast 50 % reduzierte. Aufgr<strong>und</strong>andauernden Widerstands der Hausbesitzer wurde jedocheine dritte Studie erstellt, in der nur noch 209 Gebäude alsschützenswert eingestuft wurden, davon 26 Gebäude inZokak el-Blat.Mit der wirtschaftlichen Rezession in der zweitenHälfte der 1990er Jahre <strong>und</strong> dem weitgehendenAbflauen des Baubooms ließ der ökonomischeDruck auf die historischen Gebäudein Zokak el-Blat nach. Inzwischen sind daherrecht gegensätzliche Entwicklung feststellbar:Den meist von unteren Einkommensklassenbewohnten <strong>und</strong> dem weiteren Verfall preisgegebenenblockierten Gebäude stehen eine Reiheaufwendiger Objektsanierungen gegenüber,welche meistens als Sitz von Schulen <strong>und</strong> anderenöffentlichen bzw. privaten Institutionengenutzt werden.AusblickNoch bis vor wenigen Jahren sahen viele Denkmalschützer<strong>und</strong> Wissenschaftler das urbaneKulturerbe im <strong>Libanon</strong> <strong>und</strong> insbesondere in derHauptstadt Beirut vom unwiederbringlichenVerlust bedroht. Insbesondere die zahlreichenAbrisse im Stadtzentrum <strong>und</strong> in den umgebendenperizentralen Quartieren wie z. B. Zokakel-Blat legten diese Sicht nahe.Mittlerweile besinnt sich die libanesischeGesellschaft aber zunehmend ihres historischen<strong>Erbe</strong>s, nicht zuletzt, da dessen wirtschaftliche<strong>und</strong> touristische Bedeutung in den verbliebenen<strong>und</strong> inzwischen aufwändig renovierten Gebäudendes Stadtzentrums deutlich geworden ist.Für fünf weitere Städte des Landes ist daherbereits geplant, im Rahmen eines von der Weltbankunterstützten „Cultural Heritage and UrbanDevelopment“-Projekts Untersuchungen <strong>und</strong>Projekte zur Restaurierung <strong>und</strong> ökonomischenNutzung der historische Altstädte durchzuführen,welche für eine künftige touristische Entwicklungdes Landes ein nicht unbeträchtlichesPotential darstellen.Die Aufwertung des urbanen Kulturerbesim <strong>Libanon</strong> bringt somit vielfach eine Renaissanceortsgeb<strong>und</strong>ener Identität <strong>und</strong> Kultur mitsich, welche sich jedoch nicht über explizit„anti-westliche“ Wertvorstellungen erklärenlassen, sondern vielmehr über die weltweit feststellbarenMechanismen eines postmodernenStadt- <strong>und</strong> Regionenmarketings.3839

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