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Das Beispiel Libanon: Kulturelles Erbe und aktueller Stadtumbau

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°Kapitel 1.4 Arabische StadtStädtebauliche Entwicklungen im <strong>Libanon</strong>Der <strong>Libanon</strong> <strong>und</strong> insbesondere seine HauptstadtBeirut sind im Laufe der Geschichte von einempermanenten <strong>Stadtumbau</strong> geprägt worden.Bereits im frühen 20. Jahrh<strong>und</strong>ert wurden großeBereiche der Altstadt im Zuge osmanischerModernisierungsvorhaben nach europäischemVorbild umgestaltet; bis heute sichtbar ist diemassive Überformung großer Altstadtbereichewährend der französischen Mandatszeit. Dabeimusste jeweils vorhandene Bausubstanz denneuen Formen weichen, <strong>und</strong> es kam zu einemNebeneinander unterschiedlichster Baustile.Nach dem Zweiten Weltkrieg <strong>und</strong> insbesonderein den Boomjahren der 1950 er Jahreverdrängten vielfach Hochhäuser <strong>und</strong> Apartmentblocksdie vorhandene Bausubstanz. <strong>Das</strong>hatte zur Folge, dass bereits damals eine ersteDenkmalschutzorganisation entstanden ist,welche sich für den Erhalt der prachtvollen osmanischen<strong>und</strong> mandatszeitlichen Architektureinsetzte.Der libanesische Bürgerkrieg (1975 – 1990)veränderte die innere Struktur der HauptstadtBeirut weiter. Häuser im Stadtzentrum <strong>und</strong>entlang der „Grünen Linie“, d. h. der Trennliniezwischen Ost- <strong>und</strong> West-Beirut, wurden zuUnterständen der verschiedenen Milizen umgebaut,<strong>und</strong> zahlreiche Gebäude wurden durchdie Kampfhandlungen stark zerstört. Zudemwurde eine staatliche Regulierung privater Bautätigkeitendurch die Kriegsereignisse zunehmenderschwert, was zu einer unkontrolliertenVerbauung in den suburbanen Vierteln derStadt <strong>und</strong> auch in manchen Küstenstädten, wiebeispielsweise Jounieh, führte.1 <strong>Das</strong> Forschungsprojekt wurde von Ralph Bodenstein (Beirut/Berlin),Jens-Peter Hanssen (Toronto), Bernhard Hillenkamp (Beirut), Oliver Kögler(Heidelberg), Anne Mollenhauer (Berlin), Friederike Stolleis (Damaskus)unter der Leitung von Dorothea Sack (Berlin) <strong>und</strong> dem Autor durchgeführt.Mit dem Ausfall der staatlicher Regulationentstanden an vielen Stellen entlang der Küsteaber auch im klimatisch begünstigten <strong>Libanon</strong>gebirgeneue, hochwertig ausgestattete, starkbewachte <strong>und</strong> privat verwaltete Wohnsiedlungen,so genannte „gated communities“.Nach dem Bürgerkrieg wurde zunächst derWiederaufbau des Stadtzentrums unter derRegie der privaten Planungsgesellschaft Soliderezu einem zentralen Thema. Große Teile derhistorischen Bausubstanz wurden abgerissen,was den Widerstand von Erhaltungsaktivisten<strong>und</strong> eine breite mediale Aufmerksamkeithervorrief. Die verbleibenden historischen Strukturenwurden für eine kommerzielle Nutzungmassiv umgebaut <strong>und</strong> bilden heute eine Hauptattraktiondes neuen Stadtzentrums. Diesemassive Kommodifizierung des Kulturerbes wirdvon Seiten der Denkmalschützer ebenso kritisiertwie der vorausgegangene Abriss, hat jedoch dieWertschätzung der alten Gebäude deutlicherhöht.Ein in den frühen Nachkriegsjahren zunächstsehr hoher Bedarf an Wohnraum führtezudem zu einem enormen Bauboom in denzentrumsnahen Vierteln der Stadt <strong>und</strong> in denKüstenstädten Tripoli, Byblos, Saida <strong>und</strong> Tyros.Abermals mussten dabei zahlreiche historischeGebäude den neuen Apartmenthochhäusernweichen.Mit dieser Entwicklung ging nicht nur einezunehmende ökonomische Segregation derGesellschaft quer zu den religiösen Orientierungeneinher, sondern auch eine anhaltendekontroverse Debatte um Stadtplanung <strong>und</strong>Stadtgestaltung, welche insbesondere über dieim <strong>Libanon</strong> sehr vielfältige Medienlandschaftausgetragen wurde. Im Rahmen des interdisziplinärenForschungsprojektes „<strong>Das</strong> Viertel Zokakel-Blat in Beirut – Geschichte, Struktur <strong>und</strong>Wandel eines zentrumsnahen Wohnquartiers“ließen sich Akteure <strong>und</strong> Konfliktfelder des <strong>Stadtumbau</strong>szwischen Modernisierung <strong>und</strong> Erhaltder historisch überkommenen Bausubstanzexemplarisch analysieren 1 .Denkmalschutz versus <strong>Stadtumbau</strong> –das <strong>Beispiel</strong> des Stadtviertels Zokak el-BlatZokak el-Blat istein ursprünglich multikonfessionelles,dicht bebautes Stadtviertel süd-westlichder Beiruter Altstadt. Als Gartenstadtviertel„extra muros“ durch das gebildete BeiruterBürgertum entstanden, geriet es während desBürgerkriegs in den Strudel einer hochtourigenMobilität: Die Abwanderung von früheren,häufig christlichen Bewohnern <strong>und</strong> die Zuwanderungvon kurdischen <strong>und</strong> schiitischen Bürgerkriegsflüchtlingenspiegelt sich heute u. a. auchin der symbolischen Aneignung des Raumesdurch zahlreiche Graffitis, Plakate <strong>und</strong> Spruchbänderwider.RaouchéAUBRas-BeyrouthHamraAin-MreisséJounblatSanayehMarElias BtinaAbb. 1 <strong>Das</strong> Viertel Zokak el-Blat in Beirut: Zentrale <strong>und</strong>perizentrale Gebiete in Beirutbeirut central districtmunicipal beirutzokak el-blatSektorenStraßen<strong>Das</strong> Viertel Zokak el-Blat liegt südwestlich der ehemaligenAltstadt Beiruts. Bestehend aus den beiden administrativenBezirken Serail <strong>und</strong> Patriarcat ragt sein nördlicher Ausläuferbis weit in das heutige Stadtzentrum hinein.Mar EliasHayy LijjaMoussaitbébeirut centraldistrictBasta TahtaBasta FaoukaAamiliyémunicipal beirutRas el-NabaaAchrafiehTayounéMinet el-HosnMajidiyéMarfaBab-Idriss PlaceKantaride l’ÉtoileNajmeh GemmayzéSerailRemeilKhandaqSafiel-GhaniqEl-Village Mar-NicolaszokakZarifel-blatMar-MarounBachouraPatriarcatYessoulehRue Furn-el-HayekMonotEl-Hikmat3031ChiahN0 1 km

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