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Nachruf Prof Dr Ing Theodor Gast - Prof.Dr.-Ing.Ahmet CAN

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<strong>Nachruf</strong> auf <strong>Prof</strong>. <strong>Dr</strong>.-<strong>Ing</strong>. <strong>Theodor</strong> <strong>Gast</strong>(Emeritus der Technischen Universität Berlin)<strong>Theodor</strong> <strong>Gast</strong> an seinem 92. Geburtstag am 26. Juni 2008Als am 25. Dezember 2010 <strong>Prof</strong>. <strong>Dr</strong>.-<strong>Ing</strong>. <strong>Theodor</strong> <strong>Gast</strong>, umgeben von seiner Familie, im 95.Lebensjahr starb, fand ein ungewöhnlich ertragreiches Forscher-, Erfinder- und Gelehrtenleben seinEnde. Das Prinzip aller Forschungen und Entwicklungen <strong>Theodor</strong> <strong>Gast</strong>s war es, unmittelbar nichtMessbares mit geeigneten technischen Verfahren und Geräten messbar zu machen. Er selbst drücktedies mit einem Spruch Galileo Galileis aus, den er in seinem Dienstzimmer allen sichtbar als Bildaufgehängt hatte: „Miss alles, was messbar ist, und mache alles messbar, was nicht messbar ist!“Schon als Junge hatte der am 26. Juni 1916 in Darmstadt als Sohn eines Arztes und einer Lehreringeborene <strong>Theodor</strong> <strong>Gast</strong> vielfach zusammen mit seinem Bruder Erich, der ebenfalls Diplom-<strong>Ing</strong>enieur wurde, ständig – zum Erstaunen, aber nicht immer zur Freude der Nachbarn imdamaligen Wohnort Rimbach im Odenwald – getüftelt und gebastelt, vor allem im Bereich derElektrizität. So hatte er selbst den Grundstock dafür gelegt, dass er in späteren Jahren immer wiedermit seinen handwerklich-technischen Fähigkeiten faszinierte, die der Umsetzung seiner mess- undregelungstechnischen Ideen in die Entwicklung entsprechender Verfahren und Apparaturen durchihn selbst oder unter seiner Anleitung in ungewöhnlichem Ausmaß zugute kamen. Nach dem imMärz 1934 an der Oberschule für Jungen in Heppenheim / Bergstraße hervorragend abgelegtenAbitur und nach dem Intermezzo eines Dienstes in der Kriegsmarine auf der „Gorch Fock“ war esgeradezu vorgegeben, dass <strong>Theodor</strong> <strong>Gast</strong>, vorbereitet durch ein Werkarbeits-Praktikum, ab Oktober1935 eine technische Disziplin studierte. Er tat dies an der Technischen Hochschule Darmstadt, dieseine akademische Heimat wurde und dies in seinen Gefühlen über die Jahrzehnte hinweg blieb.Sein Studium schloss <strong>Theodor</strong> <strong>Gast</strong> mit dem „sehr gut“ bewerteten Diplom im FachLaboratoriumswesen im Sommer 1939 ab. Mit einer Arbeit über „die Feinmessung großerDurchflussmengen von Flüssigkeiten“ wurde er gegen Ende 1942 „mit Auszeichnung“ promoviertund bereits knapp zwei Jahre später, 1944, mit einer wiederum messtechnischen Arbeit betreffendKunststoffe im Fach Technische Physik habilitiert. Die Venia Legendi und mit ihr den Status einesPrivatdozenten erhielt er 1947 und Außerplanmäßiger <strong>Prof</strong>essor wurde er 1953.Seine berufliche Laufbahn begann <strong>Theodor</strong> <strong>Gast</strong> 1940 als Assistent an der Hochschule seinesStudiums im Institut für Technische Physik unter <strong>Prof</strong>essor Vieweg und setzte sie mit1 von 4


Unterbrechungen dort fort, zunächst ab 1946 als Oberingenieur, von 1947 an als Privatdozent undspäter als Diätendozent. Zeitweise führte er als Selbständiger ein eigenes Labor auf dem MühlenundBauernhof seines Schwiegervaters in dem heutigen Bensheimer Stadtteil Gronau. Dort wurdeninsbesondere registrierende Staubmessgeräte im Auftrag der Bergbau-Berufsgenossenschaft undeine elektrische Mikro-Waage für ein australisches Industrieunternehmen entwickelt. Auf dieuniversitären Positionen folgten zwei in der Industrie: In der Bergwerksgesellschaft Walsum beiDinslaken baute <strong>Theodor</strong> <strong>Gast</strong> ein Laboratorium für Staubphysik und Messtechnik auf und leitete esvon November 1956 bis Ende 1960. Hier wurden, auch unter Erbringung bezahlterForschungsleistungen für <strong>Dr</strong>itte, zahlreiche staubmess- und registriertechnische Verfahren undApparaturen entwickelt, die zugleich wissenschaftlichen Erkenntniswert besaßen sowie praktischenNutzen brachten und die zwar auf den Bergbau zielten, doch zugleich das Potential für weitereEinsatzgebiete besaßen. Von Anfang 1961 bis 1964 war <strong>Theodor</strong> <strong>Gast</strong> Wissenschaftlicher Leiterder Sartorius-Werke in Göttingen. In die Jahre dieser beiden Positionen fallen auch seineUmhabilitierung an die Bergakademie Clausthal-Zellerfeld 1960 und an die Universität Göttingen1964. Noch 1964 wurde <strong>Theodor</strong> <strong>Gast</strong> auf einen neu geschaffenen Lehrstuhl mit einemaufzubauenden Institut für Mess- und Regelungstechnik der Technischen Universität Berlinberufen. Einen Ruf an die Rheinisch-Westfälische Technische Hochschule Aachen lehnte <strong>Theodor</strong><strong>Gast</strong> 1973 ab. Der erste Listenplatz einer Berufungsliste seiner alma mater TH Darmstadt 1977führte aus Altersgründen nicht mehr zu einem Ruf. So erwies sich die Berufung an die TechnischeUniversität Berlin als Beginn einer über zwanzigjährigen kontinuierlichen Aufgabe und Tätigkeit,die noch nicht mit der Emeritierung 1984 und auch nicht mit dem Rückzug aus der Lehrtätigkeit1988 ihr Ende fand. Sie trug in der Lehre für Studenten unterschiedlicher Fächer, in der Betreuungvon – vielfach mit <strong>Dr</strong>ittmitteln finanzierten – Diplom-, Doktor- und Habilitationsvorhaben und inder Entwicklung mess- und regelungstechnischer Verfahren und Apparaturen reiche Früchte. Daswäre nicht möglich gewesen ohne die von gegenseitiger Achtung, Kooperation und Treue geprägteAtmosphäre im Institut, zu der alle Mitarbeiter beitrugen. Die so entstandenen Bindungen dauertenjeweils über die am Institut verbrachte Zeit an, und angesichts zahlreicher ausländischerAbsolventen bildete sich um <strong>Theodor</strong> <strong>Gast</strong> als Zentrum herum eine beständige internationaleForschergemeinschaft.<strong>Theodor</strong> <strong>Gast</strong>s Forschungs-, Lehr- und Betreuungsschwerpunkte lagen in der Gewinnung vonErkenntnissen und mehr noch in der Entwicklung von Verfahren und Apparaturen zur„elektrische(n) Messung chemisch-physikalischer Prozessgrößen einschließlich (der) Entwicklungselbstkompensierender, selbstkalibrierender und telemetrischer Messsysteme“ (Broschüre 50 JahreDECHEMA-Preis). Von seinen Erfolgen auf diesem weit gefassten Gebiet zeugt noch ein 1989beantragtes und im folgenden Jahr veröffentlichtes Patent für eine „magnetische Kupplung zurberührungslosen Übertragung von Kräften aus abgeschlossenen Räumen“, mithin für eine in den70er Lebensjahren erbrachte Leistung. Vor allem aber wird man an <strong>Theodor</strong> <strong>Gast</strong>s erstebahnbrechende Erfindung und Entwicklung denken, die von ihm gern als „schwebende Jungfrau“bezeichnete elektrische Mikrowaage, die „auf dem Gestaltungsprinzip des selbsttätigenKraftausgleiches beruhend, ... eine Gewichtsanzeige durch proportionale Gleichströme gestattet und... damit die Durchführung automatischer Registrier- und Regelvorgänge ermöglicht“ (50 JahreDECHEMA-Preis). Weitere Entwicklungen schufen die Grundlage für kontinuierlicheStaubmessungen. Mit diesen Messungen konnte einerseits über die Bestimmung der Konzentrationvon Gesteinsstaub die für Bergleute stets bedrohliche Berufskrankheit Silikose bekämpft undandererseits über die Bestimmung der Kohlestaubkonzentration vor der in Steinkohlegrubengrundsätzlich vorhandenen Gefahr von Kohlestaubexplosionen gewarnt werden. Am Schluss dieserEntwicklungen für den Steinkohlenbergbau stand ein komplettes System zur Information überArbeitsabläufe und Zustandsgrößen Untertage. Etliche Jahre später sollte die Mikrowaage samtihren weiteren Komponenten Eignung für Wägungen von Feinstaub beweisen, wie er durch2 von 4


Kraftfahrzeugverkehr in den Straßen entsteht, und damit eine Basis für die Analyse vonUmweltbeeinträchtigungen durch den Straßenverkehr bieten. Aus der Erfindung der elektrischenMikrowaage heraus wurden – insbesondere am Institut für Mess- und Regelungstechnik derTechnischen Universität Berlin unter <strong>Theodor</strong>s <strong>Gast</strong>s Leitung und Anregung – weitere Waagen zurfeinsten und speziellen Wägungen entwickelt wie eine Hochdruck- sowie eine Gasdichte-Schwebewaage und eine Nanogramm-Waage. Ebenso wurden besondere Apparaturen für sehrspezifische Anwendungen des elektrischen Schwebewaagensystems entwickelt wie beispielsweisezur Kombination gravimetrischer und kalorimetrischer Messungen, zur Korngrößenanalyse und zurDurchflussmessung sowie zur Feststoffkonzentrationsmessung. Hinzu kamen Entwicklungen wiebeispielsweise die von Ultraschallabstandssensoren und von Apparaturen zur Qualitätskontrolle beiFertigungsverfahren oder auch ein Gerät zum Einsatz bei der Krankheit Mukoviszidose.Sein profundes Wissen legte <strong>Theodor</strong> <strong>Gast</strong> in rund zweihundert eigenen Veröffentlichungen nieder;auch wurde er als Mitautor in verschiedenen Handbüchern herangezogen, so im Handbuch derBetriebskontrolle, in den Physikalische(n) Grundlagen der Kunststoffprüfung, im Taschenbuch fürden Maschinenbau, im Handbuch der industriellen Messtechnik und in weiteren Werken. Ebenfallsvon seinem Wissen, zusätzlich von seinem Engagement als akademischer Lehrer und Betreuerzeugen zahllose unter seiner Themenvergabe und Betreuung entstandene Diplomarbeiten, rundfünfzig Doktorarbeiten und etliche Habilitationsschriften. Schließlich spiegeln <strong>Theodor</strong> <strong>Gast</strong>sMitgliedschaften und Tätigkeiten in einschlägigen Verbänden die Wertschätzung seiner Leistungenunter seinesgleichen wider. So war er Stellvertretender Vorsitzender im Wissenschaftlichen Rat,Leiter der Gutachtergruppe „Technische Physik“ und Mitglied des Bewilligungsausschusses derAiF (Arbeitsgemeinschaft industrieller Forschungsvereinigungen "Otto von Guericke" e.V.),Mitglied des VDI (Verein Deutscher <strong>Ing</strong>enieure) und im Beirat von dessen Kommission für dieReinhaltung der Luft, Mitglied des Unterausschusses für Staubmesswesen desSteinkohlenbergbauvereins sowie Mitglied anderer fachlich wie gesellschaftlich wirksamerVerbände wie der DECHEMA (Deutsche Gesellschaft für Chemisches Apparatewesen e. V.) undder DPG (Deutsche Physikalische Gesellschaft). Von seiner Wertschätzung zeugen weiter nebenTagungen zu seinen Ehren bedeutende Ehrungen und Preise, die ihm zugesprochen wurden,insbesondere 1957 der DECHEMA-Preis der Max-Buchner-Forschungsstiftung „für dieEntwicklung und apparative Gestaltung der elektrischen Mikrowaage“ (Broschüre 50 JahreDECHEMA-Preis) und 1994 die Otto-von-Guericke Medaille der AiF e.V. Die internationaleDimension von <strong>Theodor</strong>s <strong>Gast</strong>s Renommee zeigen über seine ausländischen Doktoranden hinausetwa <strong>Gast</strong>vortragsreisen in europäische und wichtige überseeische Länder sowie längereForschungsaufenthalte und <strong>Gast</strong>professuren in den USA, in den Niederlanden, in der Türkei, inFrankreich und Taiwan.Erbrachte <strong>Theodor</strong> <strong>Gast</strong> in späteren Jahren seine Leistungen unter günstigen äußeren Bedingungen,so waren diese ihm in früheren Jahren oft genug und für längere Zeit widrig gewesen: Der extremfrühe Tod seines Vaters setzte die Familie harten finanziellen Einschränkungen aus, die ihn undseine drei Geschwister in vielen Dingen einschränkten. <strong>Theodor</strong> <strong>Gast</strong>s akademische Karriere schrittzunächst schnell voran, verzögerte sich dann jedoch in der Kriegs- und Nachkriegssituation; dieEinstellung als Oberingenieur erfolgte 1946 und die Ernennung zum Privatdozenten 1947. Diefolgenden Jahre der selbständigen Tätigkeit im eigenen Labor waren für <strong>Theodor</strong> <strong>Gast</strong> und seine1949 gegründete Familie materiell nicht einfach. Doch führten ihn gerade die Umwege, zu denenauch die beiden verantwortungsvollen Positionen gehörten, die er in der Industrie innehatte, undüberdies die Beharrlichkeit, mit der er sich als Privatdozent und Außerplanmäßiger. <strong>Prof</strong>essorverschiedenen Hochschulen verband, zum Lehrstuhl mit Institutsleitung an der TU Berlin und damitzur Vollendung seiner akademischen Laufbahn. Nicht vergessen darf man bei alledem einen für<strong>Theodor</strong> <strong>Gast</strong> besonders glücklichen Umstand: Seine Gattin Erika, geb. Alpers, gab ihm als Ehe-3 von 4


und Hausfrau sowie Mutter der gemeinsamen sieben Kinder, von denen fast alle wiederumtechnische oder naturwissenschaftliche Berufe ergriffen haben, nicht nur den notwendigenRückhalt, sondern über Jahre hinweg und gerade in eher schwierigen Zeiten arbeitete sie, die Physikund Mathematik, und zwar ebenfalls an der TH Darmstadt, studiert hatte und dort auch promoviertworden war, für ihn und mit ihm.Wenn man <strong>Theodor</strong> <strong>Gast</strong>s Erfindungen und Entwicklungen Revue passieren lässt, wird man ihmdas Prädikat eines schöpferischen Menschen nicht verweigern können. Das betrifft indes nicht nurdie Technik: Wer sich – auch im Rahmen wissenschaftlicher Tagungen – von <strong>Theodor</strong> <strong>Gast</strong>sImprovisationen am Klavier hat bezaubern lassen, für den wird er auch ein musisch schöpferischerMensch sein und über seinen Tod hinaus bleiben. – Mit <strong>Theodor</strong> <strong>Gast</strong> ist ein herausragenderErfinder, Wissenschaftler und Mensch von uns gegangen.Unter Beratung durch Töchter und Söhne von <strong>Theodor</strong> <strong>Gast</strong> verfasst von:<strong>Prof</strong>. <strong>Dr</strong>. phil. Andreas Mehl (Schwiegersohn von <strong>Theodor</strong> <strong>Gast</strong>)Dienstlich:Martin-Luther-Universität Halle-WittenbergInstitut für Altertumswissenschaften / <strong>Prof</strong>essur für Alte GeschichteUniversitätsplatz 1206099 Halle (Saale)Tel. 0345-5524020Fax 0345-5527069Email andreas.mehl@altertum.uni-halle.dePrivat:Bergstraße 2614109 BerlinTel. 030-80496443 und 80496463Fax 030-804964634 von 4

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