Artikel lesen (PDF) - Globetrotter
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über Lautsprecher ausruft, dass Wale in Sicht<br />
sind, bleibt kein Zuhörer sitzen. Auch die Biologen<br />
sind dann mit ihren Notizblöcken, Feldstechern<br />
und Fachbüchern schnell auf Deck. Jede<br />
Walflosse wird gezählt und die Sichtung aller<br />
Tiere genau aufgeschrieben. Über Jahre werden<br />
die Daten der Biologen mit den verschiedensten<br />
Schiffen ausgetauscht und verglichen, damit negative,<br />
aber auch positive Veränderungen schnell<br />
festgestellt werden können.<br />
Standen wir vor den Falklandinseln noch in<br />
leichten Jacken auf Deck, sind jetzt definitiv wärmere<br />
Schichten gefragt. Wir haben die antarktische<br />
Konvergenzlinie überquert – innerhalb<br />
von zwei Stunden sinken die Temperaturen um<br />
mehr als 10 Grad. Antarktis, wir kommen! Erste<br />
Wetten werden abgeschlossen: Wann werden<br />
wir den ersten Eisberg entdecken, der grösser ist<br />
als unser Schiff? Der Kapitän und seine Offiziere<br />
tragen ein Pokerface, keine Chance, ihnen irgend<br />
einen Tipp zu entlocken. Am nächsten<br />
Morgen steht unsere Ankunft auf Südgeorgien<br />
an. Wir schleichen uns schon beim ersten Tageslicht<br />
aufs Oberdeck, um zu prüfen, ob schon<br />
Land in Sicht ist. Nein, noch nicht, doch dafür<br />
entdecken wir einen Eisberg. Zwar recht weit<br />
weg vom Schiff, aber nahe genug, um die immense<br />
Grösse zu erkennen. Ganz allein, beinahe<br />
verloren, schwimmt er im Ozean.<br />
62 GLOBETROTTER-MAGAZIN SOMMER 2008<br />
Eisberge in Sicht. Nichts anderes bestimmt den<br />
Lebensraum der Antarktis so sehr wie das Eis.<br />
Im subantarktischen Paradies. Nach dem<br />
Frühstück wächst die Spannung, und tatsächlich<br />
entdecken wir im dicken Nebel erste Landstriche.<br />
Wir haben Südgeorgien, South Georgia,<br />
erreicht. Vier ganze Tage werden wir nun an dessen<br />
Küste verbringen. Die Insel ist 170 Kilometer<br />
lang, bis zu 30 Kilometer breit und ihre Berge<br />
über 2000 Meter hoch. Wegen dem schlechten<br />
Wetter sind vorläufig jedoch keine Berge in Sicht.<br />
Die wasserdichte Kleidung für die Anlandung<br />
erfüllt heute gleich zwei Zwecke. Bei strömendem<br />
Regen landen wir mit den Zodiacs am Strand<br />
von Salisbury Plain an.<br />
Ich habe damit gerechnet, dass es ein Höhepunkt<br />
sein wird, die ersten Königspinguine zu<br />
sehen. Auch haben uns die Biologen ausführlich<br />
darauf vorbereitet. Trotzdem – die Erwartungen<br />
werden um ein Vielfaches übertroffen. Ein unbeschreibliches<br />
Gefühl, wenn du das erste Mal<br />
eine grosse Pinguinkolonie siehst. Nicht Hunderte,<br />
nicht Tausende oder Zehntausende – nein,<br />
allein diese Kolonie bei Salisbury Plain umfasst<br />
mehr als hunderttausend Tiere. Die Pinguine<br />
zeigen keine Scheu, als wir tropfnass aus den<br />
Schlauchbooten steigen. Besonders attraktiv<br />
scheinen die langen Teleobjektive unserer Ka-<br />
meras zu sein. Mit dem spitzen Schnabel voraus<br />
nähert sich manch mutiges Tier bis auf wenige<br />
Schritte.<br />
Was ist denn da los? Während die Pinguine<br />
ruhig bleiben, fühlen sich die Seebären (Pelzrobben),<br />
die wir erst jetzt bemerken, gestört. Wir<br />
sind in ihr Territorium eingedrungen. Mit geschwellter<br />
Brust nähern sich fast ausschliesslich<br />
männliche Tiere. Ein Bulle, der sein Harem inklusive<br />
der erst kürzlich geworfenen Jungtiere<br />
verteidigt, wiegt gut und gerne 200 Kilos. Da<br />
heisst es, vorsichtig sein und immer wieder ein<br />
Auge auf sie zu werfen.<br />
Am Nachmittag landen wir auf der vorgelagerten<br />
Insel Prion an. Hier haben die Wanderalbatrosse<br />
ihre Nistplätze. Draussen auf hoher See<br />
konnten wir den König der Lüfte schon oft beobachten.<br />
Mit einer Flügelspannweite von über<br />
drei Metern ist der Wanderalbatros ein perfekter<br />
Segler. Diese Vögel können über mehrere Monate<br />
in der Luft bleiben, ohne auch nur einmal<br />
eine Zwischenlandung einzulegen. Unglaublich!<br />
Auf Prion halten sich zurzeit zahlreiche Tiere für<br />
die Balz auf. Die Wanderalbatrosse werden bis<br />
80 Jahre alt und leben monogam. Entsprechend<br />
lang scheint es zu dauern, bis sich ein Paar das<br />
«Ja-Wort» gibt. Tänze mit weit ausgespannten<br />
Flügeln, Schnabelklappern und «Gesänge» sollen<br />
den Partner fürs Leben beeindrucken. Und