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Grundlagen der Ethik und stellvertretende Entscheidung am ...

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Begriffe: MORAL• Lat. „mores“ < gr. έθος (Gewohnheit), ήθος (Charakter)• Sittliche Regeln, Normen, Maßstäbe in einerGesellschaft• Was ist gut? Was soll ich tun? Was ist geboten/erlaubt?• Abgrenzung: - Spielregeln- Konventionen- Klugheitsregeln Moral: kategorisch,universal, permanent• Bsp: „Der Wille des Patienten ist zu respektieren.“Jox - DHPV Berlin 22.04.2013 4


Recht vs. <strong>Ethik</strong>Bioethische Fragen werden zunehmend rechtlich geregeltRechtHandlungsrahmenExterne SanktionenInnere Distanz möglichRelativerGeltungsanspruchMoral/<strong>Ethik</strong>HandlungsorientierungGewissenKeine innere DistanzUniversalerGeltungsanspruchJox - DHPV Berlin 22.04.2013 7


Gewissen• Häufige Referenz bei moralischen Fragen- „gutes“/“schlechtes“/“reines“ Gewissen- „Gewissensbisse“, „nach bestem Wissen <strong>und</strong> Gewissen“• Moralische Instanz im menschlichen Bewusstsein- Gefühl, was gut <strong>und</strong> böse, recht <strong>und</strong> unrecht ist- Entwickelt durch Sozialisation, Erfahrung- „Ich kann es mit meinem Gewissen nicht vereinbaren, denPatienten verhungern zu lassen.“• Probleme- Subjektiver , kulturrelativer Standard- Kann in best. sozialen Kontexten irren/unterdrückt sein (NS!)- Gewissensfor<strong>der</strong>ung = Intuition, zunächst ohne BegründungJox - DHPV Berlin 22.04.2013 8


InterpretationRespekt <strong>der</strong> AutonomieTherapiewunsch alsAusdruck autonomerLebensentscheidung (?)NichtschadenChemo-assoziierteRisiken <strong>und</strong>BelastungenGerechtigkeitNützen /WohltunWie wird dieLebensqualität <strong>am</strong>besten geför<strong>der</strong>t?Ist die solidarische Finanzierung <strong>der</strong>Chemo gerechtfertigt?Jox - DHPV Berlin 22.04.2013 17


Glie<strong>der</strong>ung1. <strong>Ethik</strong>: Begriffe <strong>und</strong> Theorien2. Prinzipien biomedizinischer <strong>Ethik</strong>3. Stellvertretende <strong>Entscheidung</strong>en <strong>am</strong>LebensendeJox - DHPV Berlin 22.04.2013 19


Än<strong>der</strong>ung desTherapiezielsDiagnosetÄn<strong>der</strong>ung desTherapiezielsTodIntensität <strong>der</strong>TherapieRehabilitationPalliationLebenserhaltIntegrierte Therapie(kurativ + palliativ)SterbebegleitungTrauerbegleitungNach Murray SA et al, BMJ 2005Jox - DHPV Berlin 22.04.2013 21


TheseWann <strong>und</strong> wie wir sterben werden, wirdwesentlich von an<strong>der</strong>en bestimmt werden.Als Angehörige <strong>und</strong> Ärzte stehen wir vor<strong>der</strong> Unausweichlichkeit, darüber zuentscheiden, an<strong>der</strong>e sterben zu lassen.Jox - DHPV Berlin 22.04.2013 23


Prozess <strong>der</strong><strong>Entscheidung</strong>Welches Therapieziel will <strong>der</strong> Patient erreichen?AlternativesTherapieziel?Ist dieses Therapieziel realistisch erreichbar?jaRechtfertigt <strong>der</strong> Nutzen dieses Therapiezielsdie Risiken <strong>und</strong> Belastungen <strong>der</strong> Maßnahmen,die nötig sind, um das Ziel zu erreichen?- Ärztliches Urteil <strong>und</strong> Empfehlung- Dialog mit Patient <strong>und</strong> Angehörigen- Beurteilung des Patienten (o. seines Vertreters)jaMaßnahme durchführen, Therapieziel überprüfenneinneinWohl desPatientenAutonomiedesPatientenJox RJ et al,J Med Ethics 2012Jox - DHPV Berlin 22.04.2013 24


<strong>Ethik</strong> <strong>und</strong> RechtIndikationWohl desPatientenTherapieEinwilligungAutonomiedes Pat.„Der behandelnde Arzt prüft, welcheärztliche Maßnahme im Hinblick auf denGes<strong>am</strong>tzustand <strong>und</strong> die Prognose desPatienten indiziert ist. Er <strong>und</strong> <strong>der</strong> Betreuererörtern diese Maßnahme unter Berücksichtigungdes Patientenwillens alsGr<strong>und</strong>lage für die nach § 1901a zutreffende <strong>Entscheidung</strong>.“BGB §1901b Abs.1Jox - DHPV Berlin 22.04.2013 25/47


Stellvertretende<strong>Entscheidung</strong>PatientenwohlPatientenautonomieKriterium <strong>der</strong>Fürsorge /IndikationKriterium desmutmaßlichenWillensKriterium desvorausverfügtenWillensSituation / Evidenz für den WillenJox - DHPV Berlin 22.04.2013 26


Indikationsstellung• „Medizinische Indikation“ (abstrakt):- Evidenz-basierte Medizin, Lehrbuch• Ärztliche Indikation (konkret):- Organismus des Patienten- Soziales Umfeld des Patienten- Persönlichkeit des Patienten- Medizinische Möglichkeiten vor OrtJox - DHPV Berlin 22.04.2013 27/47


Magensondebei DemenzAngestrebte Therapieziele:• Verlängerung des Lebens• Besserer Ernährungsstatus• Mehr Lebensqualität• Weniger W<strong>und</strong>liegen• Verschlucken verhin<strong>der</strong>n→ Durchfall, Übelkeit, Erbrechen→ Hautentzündungen→ Weniger Zuwendung→ Oft FixierungS<strong>am</strong>pson EL et al.(2009) CochraneDatabse Syst Rev.Jox - DHPV Berlin 22.04.2013 28


Patientenwille <strong>und</strong>HilfskonstrukteAktuell erklärter Wille des entscheidungsfähigen Patientenwenn nichtgegebenvorausverfügter Wille (Patientenverfügung)wenn nichtvorhandenBehandlungswünschewenn nichtvorhandenMutmaßlicher Willegemäß 3. BetrRÄndG 2009Jox - DHPV Berlin 22.04.2013 29/47


PatientenverfügungUmfrage 12/2012:• >65jährige: 54% PV• Doppelt so oft beiPrivatversichertenJox - DHPV Berlin 22.04.2013 30/47


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AussagekraftStudie in Seniorenheimen einer Großstadt 2007:- 11% <strong>der</strong> Bewohner hatten PV- nur in 3% ärztliche Beratung dokumentiert- meiste PV waren nicht aussagekräftig- in vielen Fällen nicht mit Pflege abgesprochenSommer S. et al. Dtsch Ärztebl 2012Studie zu ärztl. PV-Beratungsseminaren in Frankfurt:- 25% hatten bereits PV-


Anwendung <strong>der</strong> PV• 71jährige ehemalige Pianistin• Akutes Koma, Intensivstation, MRT: großeRaumfor<strong>der</strong>ung im Gehirn• PV: „wenn keine Aussicht auf ein würdevollesLeben besteht, lehne ich künstlicheLebensverlängerung ab“• Prognose? Diagnose? Lymphom:Chemotherapie?• Ansprechen auf Therapie? Therapieziel?Jox - DHPV Berlin 22.04.2013 33/47


Gesetz:mutmaßlicher Wille„Liegt keine Patientenverfügung vor o<strong>der</strong> treffen dieFestlegungen einer Patientenverfügung nicht auf dieaktuelle Lebens- <strong>und</strong> Behandlungssituation zu, hat <strong>der</strong>Betreuer die Behandlungswünsche o<strong>der</strong> den mutmaßlichenWillen des Betreuten festzustellen <strong>und</strong> auf dieser Gr<strong>und</strong>lagezu entscheiden (…). Der mutmaßliche Wille ist aufgr<strong>und</strong>konkreter Anhaltspunkte zu ermitteln. Zu berücksichtigensind insbeson<strong>der</strong>e frühere mündliche o<strong>der</strong> schriftlicheÄußerungen, ethische o<strong>der</strong> religiöse Überzeugungen <strong>und</strong>sonstige persönliche Wertvorstellungen des Betreuten.“§ 1901a Abs. 1 BGBJox - DHPV Berlin 22.04.2013 34/47


Theorie <strong>und</strong> Praxis• Nur in 68% korrekt „erraten“ von AngehörigenShalowitz et al (2009) Arch Int Med• Angehörige basieren ihre <strong>Entscheidung</strong> oft auch aufeigene Interessen <strong>und</strong> WertvorstellungenVig EK et al (2006) J Am Geriatr Soc• Viele Patienten wollen, dass ihre Angehörigeneigene Interessen berücksichtigenHawkins NA et al (2005) GerontologistJox - DHPV Berlin 22.04.2013 35/47


Welcher Vertreter?Fremdbetreuer<strong>Entscheidung</strong> braucht ZeitDistanziertFokus: PatientenautonomieAbsprache mit ArztOft Anfrage ans GerichtAngehörigeIntuitive <strong>Entscheidung</strong>Bezug zu eigenen WertenFokus: PatientenwohlAbsprache im F<strong>am</strong>ilienkreisKeine Anfrage ans GerichtProfessionelle RolleExistentielle RolleJox RJ et al. (2012) Int J Geriatr PsychiatrJox - DHPV Berlin 22.04.2013 36/47


Rechtlicher Vertreter:eine VorentscheidungKeine EinwilligungEinwilligungBeide FälleFall HerzschrittmacherFall PEG-Sonden =25 20 15 10 5 0 5 10 15 20AngehörigeFremdbetreuerJox RJ et al. (2012) Int J Geriatr PsychiatrJox - DHPV Berlin 22.04.2013 37


Vorgehen1. Verschiedene Informationen einholen (§1901a Abs. 2 BGB)- Lebensentscheidungen, Äußerungen- F<strong>am</strong>ilie, Herkunft, kulturelle/soziale Zugehörigkeit- Beruf, Beschäftigungen- Religion, Wertvorstellungen…2. Verschiedene Perspektiven integrieren (§1901b Abs.2 BGB)- Verwandte, Fre<strong>und</strong>e- Hausarzt, Seelsorger, Pflegekraft …3. Glaubwürdigkeit einschätzen4. Klinische <strong>Ethik</strong>beratung kann dies unterstützenJox - DHPV Berlin 22.04.2013 38/47


SchlussfolgerungWir brauchen heute nicht nureine Kunst zu sterben,son<strong>der</strong>n auch eine Kunst,über Sterben zu entscheiden.Jox - DHPV Berlin 22.04.2013 39


LiteraturJox RJ: Sterben lassen: Über<strong>Entscheidung</strong>en <strong>am</strong> Endedes Lebens. H<strong>am</strong>burg:Edition Körber-Stiftung 2011<strong>Ethik</strong> in <strong>der</strong> Medizin.Ein Studienbuch.Hrsg. v. U. Wiesing.Recl<strong>am</strong>, Stuttgart 2012Jox - DHPV Berlin 22.04.2013 40

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