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EULENFISCH Literatur


Autorinnen und Autoren<br />

Bauer, Manfred / Frankfurt/M.<br />

Büchner, Dr. Christine / Frankfurt/M.<br />

Giercke-Ungermann, Annett / Aachen<br />

Heidrich, Dr. Christian / Nußloch<br />

Heuser, Prof. Dr. August / Frankfurt/M.<br />

Hübenthal, Dr. Sandra / Frankfurt/M.<br />

Jaschinski, Prof. P. Dr. Eckhard / St. Augustin<br />

Jungnitsch, Reiner / Münster<br />

Kasalo, Danijela / Frankfurt/M.<br />

Kobold, Claudia / Holler<br />

Kramp, Sr. Dr. Igna / Frankfurt/M.<br />

Kruck, PD Dr. Günter / Frankfurt/M.<br />

Lahner-Ahnert, Brigitta / Frankfurt/M<br />

Leitschuh, Marcus C. / Kassel<br />

Lemhöfer, Lutz / Frankfurt/M.<br />

Menges, Thomas / <strong>Limburg</strong><br />

Menzel, Birgit / Offenbach<br />

Merten, Bernhard / Frankfurt/M.<br />

Müller, Dr. Helmut / Vallendar<br />

Novian, Michael / Hundsangen<br />

Petzel, Dr. Paul / Andernach<br />

Riße, Prof. Dr. Günter / Bonn<br />

Ruelius, Dr. Peter-Felix / Wiesbaden-Naurod<br />

Sauer, Katharina / <strong>Limburg</strong><br />

Schmiedl, Prof. P. Dr. Joachim ISch / Vallendar<br />

Schneider, PD Dr. Sebastian / Eppstein<br />

Schweikert, Dr. Thomas / Koblenz<br />

Seiler, Dr. Jörg / Frankfurt/M.<br />

Siedlaczek, Dr. Kornelia / Frankfurt/M.<br />

Troll, Prof. P. Dr. W. Christian SJ / Frankfurt/M.<br />

Verhülsdonk, Dr. Andreas / Düsseldorf<br />

2<br />

Impressum<br />

EULENFISCH Literatur 2/2011 Nr. 6<br />

Herausgeber<br />

Andreas von Erdmann<br />

Chefredakteur<br />

Martin W. Ramb<br />

Redaktion<br />

Harald Kern, Ute Lonny-Platzbecker, Thomas Menges,<br />

Martin W. Ramb, Andreas Thelen-Eiselen, Matthias Werner<br />

Verlag<br />

Verlag des Bischöflichen Ordinariats <strong>Limburg</strong><br />

Roßmarkt 12, 65549 <strong>Limburg</strong><br />

verlag@bistumlimburg.de<br />

Grafisches Konzept / Cornelia Steinfeld<br />

Grafik / Die Hinterhofagentur, www.hinterhofagentur.de<br />

Druck<br />

Merkur Druck GmbH & Co. KG, Detmold<br />

Redaktionsanschrift<br />

Bischöfliches Ordinariat <strong>Limburg</strong><br />

Dezernat Bildung und Kultur<br />

Roßmarkt 12, 65549 <strong>Limburg</strong><br />

Fon 06431-295-424, Fax 06431-295-237<br />

E-Mail eulenfisch@bistumlimburg.de<br />

ISBN<br />

978-3-921221-80-8<br />

© Verlag des Bischöflichen Ordinariats,<br />

<strong>Limburg</strong>/Lahn 2011


Bibel<br />

4 Bibel (kompakt) // 6 Die Gleichnisse Jesu<br />

– und wie wir uns darin wiederfinden //<br />

7 Paulus. Sein Leben, sein Wirken, seine Zeit<br />

// Petrus. Sein Leben, sein Wirken, seine Zeit //<br />

9 KleineUndGroßeLeutePsalmen // 10 Mose.<br />

Der Mann, der zum Buch wurde // 11 Maria<br />

aus Magdala. Die Jüngerin, die Jesus liebte //<br />

12 Der Bibel-TÜV. Das Buch der Bücher – rostig<br />

oder Richtschnur // 13 Das Buch zur Bibel.<br />

Die Geschichten – Die Menschen – Die Hintergründe<br />

3


4<br />

Dorothee Boss<br />

Bibel (kompakt)<br />

Würzburg: Echter Verlag. 2010<br />

78 Seiten<br />

5,00 €<br />

ISBN 978-3-429-03208-1<br />

Die katholische Theologin Dorothee Boss legt<br />

mit ihrem Buch Bibel (kompakt) nach Gottesdienst<br />

(kompakt), Glaube (kompakt), Hochzeit (kompakt)<br />

und Kirche (kompakt) ein weiteres kleines Büchlein<br />

dieser Reihe vor, in welchem sie versucht, den Lesern<br />

„eine zeitgemäße Bedeutung des ‚Buchs der Bücher’<br />

(zu) erschließen“.<br />

Zu Beginn ihrer Einführung geht sie auf die Frage<br />

nach der Entstehung der Bibel ein und erläutert<br />

recht allgemein und leicht verständlich mögliche<br />

Motivationen und geschichtliche Hintergründe, die<br />

zur Entstehung der Schriften führten, ohne sich<br />

in Details zu verlieren. Obwohl die Autorin auf die<br />

Vielfältigkeit und diversen Probleme bei der Adressatenbestimmung<br />

der Schriften hinweist, vermeidet<br />

sie es, dies an Beispielen zu konkretisieren oder auf<br />

mögliche Konsequenzen einzugehen.<br />

Die Bibel als ein Buch aus vielen Büchern bzw.<br />

Schriften ist das Thema des zweiten Kapitels. Neben<br />

einer Begriffserklärung des Wortes „Bibel“ und einer<br />

Erläuterung der Papyrusherstellung widmet sie sich<br />

dem Tradierungsprozess von Handschriften und der<br />

Notwendigkeit der Entstehung von Bibelübersetzungen.<br />

Gleichwohl die Autorin durchaus gängige<br />

neue deutsche Bibelübersetzungen anführt, geht sie<br />

leider nicht auf ihre jeweiligen Charakteristika ein<br />

und führt keine neueren Bibelübersetzungen, wie<br />

z.B. Bibel in gerechter Sprache, an. Es folgt eine kurze<br />

Darstellung des Kanonisierungsprozesses und<br />

der unterschiedlichen Kanones in den einzelnen Traditionen,<br />

wobei sie den Schwerpunkt auf den katholischen<br />

Kanon legt.<br />

Der dritte Teil des Buches wendet sich den biblischen<br />

Schriften zu, wobei die Autorin die mittlerweile<br />

unübliche und irreführende Bezeichnung vom<br />

Zweiten für das Neue Testament verwendet. Bei der<br />

Vorstellung der Bücher des Ersten Testaments (AT)<br />

hält sie sich an die klassische Aufteilung in Pentateuch,<br />

deuteronomistisches Geschichtswerk, chronistisches<br />

Geschichtswerk, Dichtungen, poetische<br />

Literatur und Prophetenbücher. Hier versucht sie<br />

zentrale Linien und Gedanken der einzelnen übergeordneten<br />

„Sammlungen“ darzustellen, ohne detaillierter<br />

z.B. auf Eigenarten, Inhalte, Adressaten oder<br />

Entstehungshypothesen der einzelnen Bücher einzugehen.<br />

Auch für das Zweite Testament (NT) stellt<br />

sie zentrale Linien und Gedanken vor, wobei sie hier<br />

etwas genauer auf die einzelnen Schriften eingeht.<br />

Dabei wird suggeriert, dass die Autorenschaft immer<br />

als bewiesen gilt, was jedoch nicht unbedingt<br />

der Fall ist. Prägnant und sehr verständlich erläutert<br />

sie die Entstehungsprozesse sowie die Hintergründe<br />

der einzelnen neutestamentlichen Schriften.


Das vierte Kapitel beschäftigt sich mit der Bedeutung<br />

der Bibel, wobei die Autorin diese vornehmlich<br />

als ein Geschichtsbuch und ein Werk der Weltliteratur<br />

betrachtet. Hier wendet Frau Boss sich ausdrücklich<br />

gegen ein Verständnis, welches die Bibel<br />

als ein „von Gott persönlich diktiertes Geschichtsbuch“<br />

ansieht, das „irrtumslos und unfehlbar ist“.<br />

Am Ende des Büchleins zeigt sie Möglichkeiten für<br />

einen zeitgemäßen Umgang mit der Bibel sowohl<br />

auf individueller als auch auf gemeinschaftlicher<br />

Ebene. Dabei skizziert sie Möglichkeiten der Umsetzung<br />

und gibt einige Hinweise zu begleitenden Materialien.<br />

Dorothee Boss konzentriert sich bei ihren Darstellungen<br />

stets auf den kleinsten wissenschaftlich<br />

vertretbaren Konsens und verliert sich nicht in unnötigen<br />

Details oder Fachdiskussionen. Gleichwohl<br />

ist kritisch anzumerken, dass die Autorin recht einseitig<br />

nur die historisch-kritische Methode als eine<br />

Möglichkeit der Bibelauslegung in den Blick nimmt<br />

und die Leser mit weitergehenden Literaturempfehlungen<br />

alleine lässt. Das Büchlein eignet sich als<br />

eine erste Hinführung in die Welt der Bibel, weil es<br />

notwendiges Hintergrundwissen vermittelt und zu<br />

weitergehenden Fragestellungen anregt. Es kann<br />

gut als begleitendes Material für Bibelkreise oder<br />

für die Erwachsenenkatechese verwendet werden.<br />

Annett Gierke-Ungermann<br />

5


6<br />

Felix Schlösser<br />

Die Gleichnisse Jesu –<br />

und wie wir uns darin wiederfinden<br />

Würzburg: Echter Verlag. 2010<br />

138 Seiten<br />

12,00 €<br />

ISBN 978-3-429-03216-6<br />

Die Gleichnisse Jesu sind faszinierende Texte:<br />

scheinbar leicht verständlich und eingängig, bei näherem<br />

Hinsehen oft überraschend widerständig und<br />

herausfordernd. Es sind Texte, zu denen man immer<br />

wieder zurückkehren kann und mit denen man doch<br />

nie fertig wird. So lohnt beim Blick auf Gleichnisse<br />

auch immer wieder der Perspektivwechsel. Lehrende<br />

an Schule und Hochschule sind genauso wie Katechetinnen<br />

und Prediger dazu aufgerufen, sich die<br />

spirituelle Dimension der Parabeln zu erschließen.<br />

Dazu leistet das Büchlein von Felix Schlösser, lange<br />

Zeit Leiter des Exerzitien- und Bildungshauses<br />

„Kloster Sternburg“ und bis heute Exerzitienleiter<br />

und geistlicher Begleiter in Bonn, einen Beitrag.<br />

Zwar finden sich im einführenden Teil Hinweise<br />

auf Begrifflichkeit und Phänomenologie der Gleichnisse<br />

Jesu sowie ihre Auslegung, doch die Heimat<br />

des Autors ist nicht die Wissenschaft, sondern die<br />

geistliche Lektüre. So entfaltet sich der Charme der<br />

„Gleichnisse Jesu – und wie wir uns darin wiederfinden“<br />

eher in den vierzehn Einzelmeditationen,<br />

die einzelne Gleichnisse zum Ausgangspunkt für<br />

theologisch-spirituelle Erörterungen nehmen. Hier<br />

finden sich tiefgründige Reflexionen zu den unterschiedlichsten<br />

Themen christlichen Lebens von der<br />

Taufe über die Gastfreundschaft bis zum Gottesbild.<br />

Gedanken und lyrische Interpolationen aus der<br />

christlichen Tradition runden die Beiträge zu einem<br />

stimmigen Ganzen ab. Die einzelnen Beiträge sind<br />

teilweise bereits online als Predigten publiziert, hier<br />

jedoch noch einmal neu angeordnet und gerahmt.<br />

Der Schlussteil fasst zusammen, wie die Gleichnisse<br />

die Botschaft vom Reich Gottes in den Begegnungen<br />

Jesu mit den Menschen leichter begreifbar machen.<br />

Als Begleiter für die eigene spirituelle Auseinandersetzung<br />

mit den besprochenen Gleichnissen und<br />

die Frage nach dem eigenen Verständnis des Reiches<br />

Gottes sind Schlössers Ausführungen gut geeignet.<br />

Für eine schnelle Wiederbegegnung mit den Texten<br />

oder zur Vorbereitung von Katechese und Unterricht<br />

sind sie weniger zu empfehlen, da vieles nicht mehr<br />

auf dem heutigen Stand der Bibelwissenschaft ist<br />

und bei ungeprüfter Weitergabe zu Schieflagen bei<br />

der Auslegung führen kann.<br />

Sandra Hübenthal


Claus-Peter März<br />

Paulus. Sein Leben, sein Wirken, seine Zeit<br />

Leipzig: St. Benno-Verlag. 2008<br />

120 Seiten<br />

5,00 €<br />

ISBN 978-3-7462-2402-2<br />

Petrus. Sein Leben, sein Wirken, seine Zeit<br />

Leipzig: St. Benno-Verlag. 2011<br />

101 Seiten<br />

5,00 €<br />

ISBN 978-3-7462-2974-4<br />

Petrus mit dem Schlüssel der Binde- und Lösegewalt<br />

der Kirche auf der einen Seite, Paulus mit dem<br />

Schwert als Zeichen für sein Martyrium auf der anderen<br />

Seite – wem wäre dieses Diptychon aus der<br />

christlichen Kunst nicht vertraut? Hier freilich soll<br />

es um ein solches Diptychon in literarischer Form<br />

gehen, nämlich die beiden neu erschienenen Kurzbiographien<br />

von Petrus und Paulus aus der Feder des<br />

Erfurter Neutestamentlers Claus-Peter März. Beide<br />

Biographien weisen zwei Vorzüge für den Gebrauch<br />

im Religionsunterricht auf: sie sind kurz gefasst<br />

und leicht verständlich. Gibt man das eine oder das<br />

andere Buch Schülern an die Hand, um selbstständig<br />

ein Referat vorzubereiten oder ein im Unterricht<br />

behandeltes Thema zu vertiefen, dürften diese relativ<br />

problemlos damit zurechtkommen. Damit zeigt<br />

Claus-Peter März, dass ihm als Fachgelehrten die<br />

Fähigkeit, in verständlicher Weise Unwissende zu<br />

lehren, keineswegs fremd ist. Die stilistische Einfachheit<br />

der beiden Bücher überzeugt dabei umso<br />

mehr, als sie in keiner Weise die wissenschaftliche<br />

Prägnanz der Darstellung beeinträchtigt. Wer nicht<br />

weiß, wer Petrus oder wer Paulus war, kann sich gut<br />

auf diese Weise einen Eindruck von ihrem Leben<br />

verschaffen.<br />

Die beiden Biographien sind in der gleichen Reihe<br />

mit nahezu identischem Titel, vergleichbarem<br />

Anspruch und ähnlichem Klappentext erschienen.<br />

Dennoch haben die beiden Bände nahezu so unter-<br />

schiedlichen Charakter wie Petrus und Paulus selbst.<br />

Die etwas knappere Biographie des Petrus folgt<br />

chronologisch dessen Leben durch die Schriften des<br />

Neuen Testaments, wobei Zitate aus den entsprechenden<br />

Perikopen die Kapitelüberschriften bilden.<br />

Die etwas umfangreichere Biographie des Paulus<br />

umfasst drei Teile: 1. den Weg des Paulus, 2. eine<br />

Hinführung zur Lektüre des ersten Korintherbriefs<br />

und 3. eine Einführung in die authentischen und<br />

pseudepigraphischen Paulusbriefe. Im ersten Teil<br />

findet sich darüber hinaus ein Exkurs, der die Mis-<br />

7


8<br />

sionsstrategie des Paulus am Beispiel von Korinth<br />

näher beschreibt. Der Zugang der beiden Bücher ist<br />

vermutlich auch aufgrund der Quellenlage so unterschiedlich:<br />

Während wir über kaum einen antiken<br />

Menschen so gut Bescheid wissen wie über Paulus,<br />

und dies sogar aus erster Hand durch autobiographische<br />

Bemerkungen in seinen Briefen, bleibt<br />

einem Biograph des Apostels Petrus kaum etwas anderes<br />

übrig, als fachkundig die Evangelien und Teile<br />

der Apostelgeschichte nachzuerzählen. So schreibt<br />

auch März, „dass eine wirkliche Biographie, die die<br />

Umstände seines Lebens vom Anfang bis zum Ende<br />

erfasst, nicht geschrieben werden kann“. Ein mit<br />

den Evangelien vertrauter Leser wird daher vieles<br />

in dieser Petrusmonographie schon kennen und sich<br />

vielleicht sogar lieber aus den Quellen der Schrift<br />

sein eigenes Bild machen. Schülern jedoch kann das<br />

Buch als Schlüssel dienen, sich dem Originaltext des<br />

Evangeliums anzunähern.<br />

Die Paulusbiographie hingegen bietet mit dem<br />

scharfen Schwert des Geistes selbst dem exegetisch<br />

kundigen Leser noch neue Anregungen, etwa durch<br />

die systematisierte Darstellung der Missionsstrategie<br />

des Paulus. Doch auch dem noch wenig mit der<br />

Schrift vertrauten Leser hilft sie dreifach: durch die<br />

knappe Biographie des Paulus zum Kennenlernen<br />

seines Lebens und seiner Zeit; durch die Einführung<br />

in die Lektüre seiner Briefe zu einer eigenen Lektürepraxis;<br />

und schließlich durch die Vermittlung<br />

exegetischer Grundkenntnisse zum Verständnis der<br />

Paulusbriefe. Besonders im zweiten Teil führt der<br />

Verfasser den Leser auch spirituell in die Tiefe, indem<br />

er den geistlichen Gehalt der im 1 Kor behandelten<br />

Themen erschließt. Im dritten Teil erklärt<br />

er dem Leser auf sanfte Weise die Problematik der<br />

Pseudepigraphie und geht dabei sogar auf konkrete<br />

Erklärungen zu Schreibmaterial und -technik in der<br />

Antike ein.<br />

Das literarische Diptychon dieser beiden Biographien<br />

spiegelt in seinem Gesamtduktus das Ikonographische<br />

der beiden Apostel wieder: Petrus als<br />

einfacher Fischer aus Galiläa hat eine eher chronologische<br />

Erzählung seines Lebens bekommen, die<br />

die literarische Einfachheit und Tiefe des Evangeliums<br />

spiegelt; Paulus als Schriftgelehrter und Verfasser<br />

rhetorisch hochkomplexer Briefe dagegen<br />

eine eher systematische, theologisch zuspitzende<br />

Darstellung seines Lebens.<br />

Wird ein Schüler diese Bücher mit Gewinn lesen?<br />

Das wird er vermutlich dann tun, wenn er sich bereits<br />

für das Leben des Petrus bzw. des Paulus interessiert<br />

oder die Bücher für eine entsprechende<br />

Hausarbeit heranziehen soll. Um Schülerinteresse<br />

neu zu wecken, bräuchte es meines Erachtens<br />

Mitreißenderes als diese beiden Biographien. Ich<br />

möchte die Hoffnung nicht aufgeben, dass einmal<br />

ein Theologe ein Buch über eine biblische Gestalt<br />

schreibt, für das Schüler selbst den neuesten<br />

Harry-Potter-Band gelangweilt in der Ecke stehen<br />

lassen.<br />

Igna Kramp


Peter Spangenberg<br />

KleineUndGroßeLeutePsalmen<br />

Ostfildern: Schwabenverlag. 2010<br />

89 Seiten mit III. v. Fariba Gholizadeh<br />

12,90 €<br />

ISBN 978-3-7966-1514-4<br />

Die Psalmen sind das Gebetbuch der Bibel. Es sind<br />

kleine Dichtungen, deren Kraft noch heute spürbar<br />

ist und deren Poesie uns aus dem Alten Testament<br />

herüberleuchtet. Aber wie kann es gelingen, auch<br />

Kinder und Jugendliche an religiöse Traditionen heranzuführen<br />

und ihnen das Verstehen der Psalmen<br />

und damit des christlichen Glaubens zu erschließen?<br />

Dies hat sich der Autor Peter Spangenberg in<br />

seinem Buch „KleineUndGroßeLeutePsalmen“ zur<br />

Aufgabe gemacht. Auf 89 Seiten in einem Hardcoverbüchlein<br />

hat er 40 Psalmen und deren Botschaft<br />

einfühlsam und lebendig in eine kindgerechte Sprache<br />

übersetzt und dabei die Erlebniswelt der Kinder<br />

aufgegriffen. In allen ausgewählten Psalmen werden<br />

menschliche Grunderfahrungen angesprochen – Erfahrungen<br />

der Angst, der Schuld, des Leidens ebenso<br />

wie Erfahrungen des Vertrauens, der Hoffnung und<br />

der Freude. Begeleitet werden die Texte von ansprechenden<br />

Illustrationen von Fariba Gholizadeh.<br />

Das Büchlein ist als Gebetbuch zum Vorlesen für<br />

Kinder ab fünf Jahren oder zum Selbstlesen bis in<br />

das Jugendalter hinein geeignet. Dem Autor gelingt<br />

es gut, die bildreiche, archaische Sprache der Psalmen<br />

so zu verändern, dass sie heute gehört und verstanden<br />

werden kann. Auf diesem Weg ermöglicht<br />

er den Kindern einen persönlichen Zugang zu den<br />

ansonsten nur schwer erschließbaren Texten. Auch<br />

wenn dabei – wie bei jedem Versuch einen 2500 Jahre<br />

alten Text an die sprachlichen und didaktischen<br />

Gewohnheiten des 21. Jahrhundert anzupassen – die<br />

Poesie der geistlichen Dichtung und die liturgische<br />

Psalmsprache teilweise verloren gehen, ist das Buch<br />

gelungen und empfehlenswert.Bieger hat ein Lexikon<br />

vorgelegt, das Verständnis und Sympathie für<br />

die christliche Tradition zu wecken weiß. Er macht<br />

deutlich, dass Pluralität im künstlerischen Ausdruck<br />

von Theologie zum Grundbestand des Christentums<br />

gehört. Sein Lexikon ist ein Plädoyer dafür, dieser<br />

Vielfalt auch in Zukunft eine Chance zu geben.<br />

Birgitta Lahner-Ahnert<br />

9


Christoph Dohmen<br />

Mose. Der Mann, der zum Buch wurde<br />

Leipzig: Evangelische Verlagsanstalt. 2011<br />

288 Seiten<br />

18,80 €<br />

ISBN 978-3-374-02847-4<br />

Mit zwei Leitfragen beginnt Christoph Dohmen<br />

seine Ausführungen über Mose: Wer ist Mose? Wer<br />

war Mose? Die erste Frage richtet sich auf die Bedeutung<br />

des Mose als Religionsstifter, als Prophet, auf<br />

das mit ihm verbundene „kulturelle Gedächtnis“ (Jan<br />

Assmann), das ihn sowohl als Ägypter wie als Hebräer<br />

deutet und mit dem sich als „mosaische Unterscheidung“<br />

das Kriterium der Wahrheit als Grundlage der<br />

biblischen monotheistischen Religion verbindet. Die<br />

zweite Frage ist die nach der historischen Person des<br />

Mose nach den biblischen und den (fehlenden eindeutigen)<br />

außerbiblischen Quellen.<br />

Auf diesem Hintergrund geht Dohmen zunächst<br />

der Biographie des Mose nach, wie sie im Pentateuch<br />

überliefert ist, in dem die Glaubensgeschichte Israels<br />

mit dem Ziel der Landverheißung aufgezeichnet<br />

wurde. Dohmen exegetisiert zentrale Stellen, wie die<br />

ersten Kapitel des Exodus-Buches mit den Ursprüngen<br />

des Mose, seine Mittlerstellung zwischen Gott<br />

und dem Volk, der Nähe des Mose zu Jahwe, dem<br />

leuchtenden Angesicht des Mose, und dem offenen<br />

Schluss des Pentateuchs. In verständlicher Sprache<br />

wird auf gut 100 Seiten ein theologisches Porträt<br />

des Mose gezeichnet.<br />

Dessen Nachwirkung ist Gegenstand des dritten<br />

Abschnitts. Dohmen konzentriert sich vor allem auf<br />

Mose-Darstellungen in der Kunst, um das Motiv der<br />

Gesetzestafeln, der Hörner auf dem Kopf des Mose<br />

(die ihren Ursprung in einer Übersetzungsvariante<br />

des Hieronymus hat), des Goldenen Kalbs, des Dornbuschs<br />

und des Offenbarungszeltes als Visualisierungsversuche<br />

biblischer Texte vorzustellen. Leider<br />

sind die Bilder der besprochenen Kunstwerke sehr<br />

klein geraten, so dass keine Einzelheiten zu erkennen<br />

sind.<br />

10<br />

Die anschließenden Kapitel gehen zunächst der<br />

Mose-Gestalt in frühchristlichen und poetischen<br />

Schriften nach, um dann drei Rezeptionsweisen<br />

des 20. Jahrhunderts zu behandeln, nämlich die<br />

analytische Deutung Sigmund Freuds, die zeitgenössisch-ethische<br />

Deutung Thomas Manns und die<br />

musikalische Umsetzung durch Arnold Schönberg.<br />

Die filmische Umsetzung auf der Grundlage des biblischen<br />

Drehbuchs beurteilt Dohmen eher kritisch.<br />

Für ihn bleibt die zentrale Interpretationskategorie<br />

für Mose die des Mittlers des göttlichen Gesetzes.<br />

Wie andere Bücher der Reihe „Biblische Gestalten“<br />

der Evangelischen Verlagsanstalt kann auch<br />

das Mose-Buch für den Religionsunterricht und verwandte<br />

Fächer empfohlen werden.<br />

Joachim Schmiedl


Silke Petersen<br />

Maria aus Magdala. Die Jüngerin, die Jesus liebte<br />

Leipzig: Evangelische Verlagsanstalt. 2011<br />

296 Seiten<br />

18,80 €<br />

ISBN 978-3-374-02840-5<br />

Der 23. Band in der ökumenisch ausgerichteten<br />

Reihe „Biblische Gestalten“ ist Maria aus Magdala<br />

gewidmet. Die Hamburger Privatdozentin Silke Petersen<br />

geht den Spuren jener Frau nach, die in den<br />

Evangelien als Erstzeugin der Auferstehung Jesu<br />

erscheint, deren Spuren in vielen frühchristlichen<br />

Schriften auch heterodoxer Provenienz auftauchen<br />

und die bis heute Gegenstand von Spekulationen<br />

und Verschwörungstheorien sind.<br />

Petersen stellt in einem ersten Teil die unterschiedlichen<br />

Personen dar, die in den Evangelien<br />

und den apokryphen Schriften des frühen Christentums<br />

mit Maria Magdalena identifiziert und in eins<br />

gesetzt wurden: die Zeugin der Kreuzigung Jesu und<br />

der Begegnung mit dem Auferstandenen, die „Sünderin“<br />

(Lk 8) sowie Maria aus Bethanien. Ausführlich<br />

diskutiert sie den Realitätsgehalt der apokryphen<br />

Evangelien und der Nag Hammadi-Texte. Erhellend<br />

für das Verständnis aktueller Magdalenen-Literatur<br />

ist der Exkurs über Küsse im frühen Christentum.<br />

Der zweite Hauptteil widmet sich der Nachwirkung<br />

Marias aus Magdala. Petersen analysiert Quellen<br />

aus Literatur, Kunst und Musik, die sich mit den<br />

verschiedenen „Marias“ beschäftigen. Dabei ergeben<br />

sich interessante Konstellation, etwa zwischen<br />

Maria Magdalena, Petrus und der Mutter Jesu, zwischen<br />

der Braut aus dem Hohelied, der Stammmutter<br />

Eva und Maria als „Apostelin der Apostel“, zwischen<br />

der Sünderin und der Büßerin. Maria wird<br />

als Jüngerin, die Jesus liebte, präsentiert. Und alle<br />

diese Konstellationen finden sich in Bestsellerromanen<br />

und ihren Verfilmungen der letzten Jahre. Dan<br />

Browns „Sakrileg“, verfilmt als „Da Vinci-Code“, ist<br />

dabei nur ein Beispiel für viele, zu denen unter anderem<br />

José Saramago, Nikos Kazantzakis und die<br />

Rockoper „Jesus Christ Superstar“ zu zählen sind.<br />

Petersen stellt für diese und weitere künstlerische<br />

und pseudo-wissenschaftliche Erzeugnisse des 20.<br />

Jahrhunderts die frühchristlichen Textbelege bereit,<br />

weist aber gleichzeitig auf Fehlinterpretationen und<br />

Verkürzungen hin. Das Buch erweist sich so nicht<br />

nur als eine profunde biblische Untersuchung der<br />

Magdalenen-Gestalt, sondern kann auch für die Interpretation<br />

aktueller Umsetzungen eine gute Hilfe<br />

bieten.<br />

Joachim Schmiedl<br />

11


Thomas Hartmann<br />

Der Bibel-TÜV<br />

Das Buch der Bücher – rostig oder Richtschnur<br />

Ostfildern: Patmos Verlag. 2011<br />

144 Seiten<br />

16,90 €<br />

ISBN 978-3-491-72566-9<br />

Die Grundidee dieses Buches geht von einem Vergleich<br />

aus: Die Bibel ist ein „Auto“ und der Verfasser<br />

der selbst ernannte „TÜV“, zu dem „das Auto“<br />

gebracht wird, „um festzustellen, wo es rostig ist<br />

und die Bibel nicht mehr fahrtüchtig – oder wo wir<br />

einfach begeistert sind, wie fit und neuwertig unser<br />

Bibel-Wagen nach so langer Zeit noch unterwegs ist“.<br />

Dieser „Bibel-Wagen“ wird auf folgende „Teile“ hin<br />

geprüft: „Kinder & Erziehung: Von Jesus lernen?“;<br />

„Alkohol und Drogen: Mit der Bibel berauscht“;<br />

„Homosexualität – dürfen Christinnen lesbisch und<br />

Christen schwul sein?“; Wirtschaft und Finanzen:<br />

Geld stinkt auch in der Bibel nicht!“; „Vegetarismus:<br />

Fleisch essen oder nur Pflanzen?“; „Sterbehilfe: Mit<br />

ärztlicher Hilfe aus dem Leben scheiden?“; „Vom Umgang<br />

mit ‚Promis‘ – damals und heute“; „Darf Krieg<br />

nach Gottes Willen sein?“; „Glücksspiel – erlaubt<br />

oder strikt verboten?“; „Tod: Ein Licht in der Finsternis?“;<br />

„Liebe und Sexualität: Wie prüde ist die Bibel?“;<br />

„Gleichberechtigung oder: Das Weib dem Manne<br />

untertan?“; „Umwelt und Natur: Gehört die Erde<br />

uns?“; „Alternativmedizin: Zulässige Heilung oder<br />

unchristliche Zauberei?“, gefolgt von „Anmerkungen“<br />

und Hinweisen zu „Ausgewählter Literatur“.<br />

Bei all diesen „Teiluntersuchungen“ geht der TÜV<br />

auf dieselbe Weise vor: Er stellt zunächst das Thema<br />

und die darin angeschnittenen Probleme, wie<br />

sie sich heute stellen, vor und leitet dann über zum<br />

biblischen Befund. Daran schließt sich „ein aktueller<br />

Abriss“ an, und, wie beim echten TÜV, das Urteil,<br />

das sich in unterschiedlichen „TÜV-Plaketten“<br />

niederschlägt: Grün („‚kann weiterfahren’, ist also<br />

uneingeschränkt verkehrs- und meinungstauglich“),<br />

wenn „die biblische Hilfestellung unter heutigem<br />

Gesichtspunkt“ akzeptabel ist; Gelb („‚bedingt verkehrstüchtig’,<br />

kann weiterfahren, muss aber bald<br />

wieder geprüft werden“), wenn „die biblische Erörte-<br />

12<br />

rung für uns zumindest zweifelhaft und nur teilweise<br />

eine Unterstützung für die zeitgemäße Meinungsbildung“<br />

ist; Rot („‚schrottreif’, durchgefallen, muss<br />

aus dem Verkehr gezogen werden“) für den Fall, dass<br />

„die Ausführungen der Bibel für uns schlicht unannehmbar<br />

erscheinen.“<br />

Bringt man dieses Buch, seine Grundidee aufgreifend,<br />

selbst zum „TÜV“ ergibt sich folgendes: Es<br />

steht wie ein neuer Cabrio recht schnittig da und<br />

macht einen modernen, guten Eindruck. Auch ist<br />

dem Autor – Pardon! dem Konstrukteur – darin zuzustimmen,<br />

dass die Bibel als Wort Gottes, das von<br />

Menschen in einer bestimmten historischen Situation<br />

geschrieben wurde, nicht wie im Fundamentalismus<br />

wörtlich genommen werden darf, sondern<br />

durchaus kritisch auf das hin befragt werden muss,<br />

was Gott in ihm uns heute (und bei bestimmten<br />

Aussagen auch für alle Zeiten) sagen will. Der erste<br />

Augenschein stimmt also. Doch kann er den Grundfehler<br />

dieses „Wagens“ verbergen – seine Räder befinden<br />

sich auf dem Dach. Denn, wenn die Bibel Wort<br />

Gottes ist, kann nie und nimmer ein Mensch sich als<br />

„TÜV“ über Gottes Werk stellen und entscheiden,<br />

was daran gut oder schlecht ist, sondern die Bibel


als Wort Gottes ist der „TÜV“, von dem wir moderne<br />

Menschen uns trotz des notwendigen kritischen<br />

Umgangs mit ihr prüfen lassen müssen. Dazu gehört,<br />

dass wir uns bemühen, unverständliche, uns<br />

fremde oder sogar anstößige Aussagen im Hören<br />

zuerst einmal in ihrem historischen und geistlichen<br />

Kontext zu verstehen, um dann in der Gemeinschaft<br />

der Glaubenden, also der Kirche, im Geist zu prüfen,<br />

auf welche Weise dieses Wort Gottes für uns heute<br />

verstanden werden kann. Das geschieht in diesem<br />

„Bibel-TÜV“ kaum; was unmodern ist, wird vielmehr<br />

aussortiert.<br />

Aber auch die Arbeitsweise dieses „Bibel-TÜVs“<br />

ist völlig unangemessen. Er prüft das „Bibel-Auto“<br />

wie ein modernes Kraftfahrzeug, ohne zu berücksichtigen,<br />

dass da höchstens ein Ochsenkarren vor ihm<br />

stehen kann. Die Problemstellungen, die der Autor<br />

an die Bibel heranträgt, gab es vor 2000 Jahren oder<br />

früher nämlich nicht (Drogenmissbrauch, Sterbehilfe,<br />

Glücksspiel, Alternativmedizin) oder kommen in<br />

einem so völlig anderen Kontext vor (Homosexualität),<br />

dass hier ein unmittelbarer Vergleich gar nicht<br />

möglich ist. Bei den abenteuerlichen Phantastereien,<br />

mit denen dann doch etwas Passendes in die Bibel<br />

hineingelesen wird (z. B.: Jesus und die Jünger als<br />

„Kiffer“, Rut und Noomi als lesbisch), hätte ein Blick<br />

in den Kontext und in einen Kommentar genügt,<br />

um ihre Absurdität aufzuweisen. Hinzu kommen<br />

inhaltliche Fehler (Boas war nicht der verstorbene<br />

Mann Ruts, sondern der Verwandte Noomis, den sie<br />

erst heiraten wird; dass Frauen in der Gemeinde<br />

schweigen sollen, steht nicht in 1 Kor 11,5, sondern<br />

in 1 Kor 14,34), eine himmelschreiende theologische<br />

Unkenntnis (Wortgottesdienste als „Ausnahmen“<br />

der hl. Messe?; „das [gemeint ist der!] Zölibat“ sei<br />

„Frauen verachtend, weil der sexuelle Umgang mit<br />

ihnen den Geistlichen ‚unrein’“ mache, statt zu sehen,<br />

dass Ehelosigkeit eine Berufung Gottes ist (vgl.<br />

1 Kor 7) und eine häufig unmögliche Sprache („wir …<br />

fummeln … herum, gucken unter die Haube …“ [Hervorhebung<br />

vom Rezensenten]), die ich in einem Buch<br />

nicht lesen mag. Die abschließende Bewertung mag,<br />

wie im Märchen, der selbsternannte TÜV über sich<br />

selbst formulieren: „‚schrottreif’, das heißt durchgefallen,<br />

muss aus dem Verkehr gezogen werden“.<br />

Sebastian Schneider<br />

Detlef Dieckmann / Bernd Kollmann<br />

Das Buch zur Bibel. Die Geschichten –<br />

Die Menschen – Die Hintergründe<br />

Gütersloh: Gütersloher Verlagshaus. 2010<br />

640 Seiten, farb. Abb.<br />

49,95 €<br />

ISBN 978-3-579-08047-5<br />

Mit diesem Buch wollen die Autoren „auf allgemeinverständliche<br />

Weise einem breiten Kreis von<br />

Leserinnen und Lesern einen Zugang zum ‚Buch der<br />

Bücher’ eröffnen und sie zur Lektüre der biblischen<br />

Texte anregen“. Dabei scheint bei den Adressaten an<br />

Menschen gedacht zu sein, die noch nie eine Bibel in<br />

der Hand gehabt haben, und entsprechend umfassend<br />

sind die Informationen, die in diesem Buch zur<br />

Bibel gegeben werden. Es gliedert sich in die drei<br />

Hauptteile „Die Bibel und ihre Geschichte“, „Altes<br />

Testament“ und „Neues Testament“ und wird abgeschlossen<br />

durch einen „Abbildungsnachweis“.<br />

Der erste Hauptteil ist im Blick auf die Informationen<br />

der interessanteste, da er die grundlegenden<br />

und wesentlichen Hintergrundinformationen zur<br />

Bibel gibt. Das beginnt bei der Bedeutung des Namens<br />

„Bibel“, geht über verschiedene Bibelausgaben,<br />

die im Blick auf ihre Zielgruppen vorgestellt<br />

werden, Erläuterungen zur Frage, wie man die Bibel<br />

lesen kann, bis hin zu Hilfsmitteln für die Bi-<br />

13


ellektüre. Außerdem wird der ganze Bereich der<br />

Textkritik und die Kanonbildung dargestellt und ein<br />

geschichtlicher Überblick über die Entwicklung hin<br />

zur historisch-kritischen Exegese gegeben, das Thema<br />

Inspiration und Irrtumslosigkeit der Schrift besprochen<br />

und beschrieben, welchen Stellenwert die<br />

Bibel im Judentum und im Islam hat.<br />

Der zweite Hauptteil beginnt mit einer historischen<br />

Einführung in das Umfeld des AT, dem sich<br />

in der Reihenfolge heutiger Bibelausgaben eine<br />

Darstellung jedes alttestamentlichen Buches anschließt.<br />

Ganz ähnlich geschieht das im NT. Da das<br />

ganze Buch reich mit Karten und Bildern, die einen<br />

Eindruck von der heutigen biblischen Landschaft,<br />

aber auch von archäologischen Funden aus der Zeit<br />

des AT und NT, geben, bestückt ist und außerdem zu<br />

einzelnen Themen oder Stichworten farblich hervorgehobene,<br />

inhaltliche Zusammenfassungen enthält,<br />

gibt das Buch tatsächlich eine Fülle von Informationen,<br />

die auch in aller Regel verständlich dargeboten<br />

werden. Insofern erfüllt das Buch durchaus<br />

seinen eigenen Anspruch.<br />

Dass bei einer derartigen Fülle nicht immer alles<br />

ganz gelingt, liegt fast in der Natur der Sache.<br />

So stellt sich etwa die Frage, ob es sinnvoll ist, die<br />

Information zur Inspiration der Bibel so von der Erklärung<br />

zur Irrtumslosigkeit der Bibel zu trennen,<br />

obwohl beides doch eng zusammengehört. Außerdem<br />

wäre eine ausführlichere theologische Begründung<br />

sicher hilfreich gewesen. Und ob sich, wenn in<br />

der farblich hervorgehobenen Darlegung zum Thema<br />

„Irrtumslosigkeit der Bibel?“ nur die fundamentalistische<br />

Sicht zu Wort kommt, bei den Adressaten<br />

nicht doch der Eindruck einstellt, diese falsche Verstehensweise<br />

der Bibel sei, trotz anderslautender<br />

Darlegung im Haupttext, die richtige? Aber das sind<br />

seltene Anfragen, die den genannten Informationsreichtum<br />

und damit den Wert des Buches kaum mindern.<br />

Schwerer ins Gewicht fallen meines Erachtens<br />

jedoch zwei Punkte: Auf der einen Seite wird gerade<br />

beim Thema Bibel die schmerzliche Tatsache der<br />

Kirchenspaltung deutlich, auch wenn die Autoren<br />

sich darum bemühen, ihren protestantischen Standpunkt,<br />

von dem sie ausgehen, durch das Benennen<br />

14<br />

der katholischen Sichtweise durchaus ökumenisch<br />

zu mildern (Klappentext). Das wird bei dem Thema<br />

„Die Apokryphen“ überdeutlich (in der katholischen<br />

Tradition heißen sie jedoch nicht „Deuterokanonen“,<br />

sondern deuterokanonische Bücher, und treten außerhalb<br />

theologischer Kreise auch nie als solche in<br />

Erscheinung, weil sie eben ganz normale Bücher<br />

des AT sind) und ist auch bei dem Thema Inspiration<br />

und Irrtumslosigkeit zu spüren. Wieder die angesprochenen<br />

Adressaten im Blick, könnte man das<br />

Buch daher kaum katholischen Lesern oder Schülern<br />

empfehlen, da ihnen dafür das Selbstverständnis<br />

und das Wissen um ihre eigene Tradition fehlt,<br />

um hier sachgerecht unterscheiden zu können. Aber,<br />

und dies sei betont, das liegt nicht an den Autoren,<br />

sondern an dem Ärgernis der Kirchenspaltung, das<br />

aber doch zu einer Einschränkung des Adressatenkreises<br />

führt. Auf der anderen Seite habe ich den<br />

Eindruck, dass das Buch gerade dadurch leidet, dass<br />

es zu viel will. Dieses Zuviel kommt dadurch zustande,<br />

dass nicht etwa nur zu jedem biblischen Buch<br />

Hintergrundinformationen gegeben werden, sondern<br />

dass jedes biblische Buch in der Regel Kapitel<br />

für Kapitel nacherzählt wird. Das führt nicht nur zu<br />

manch skurrilem Ergebnis (Die Darlegung z. B. zu Ps<br />

117 [263] ist länger als der Psalm an sich!), sondern<br />

dazu, dass das Buch so umfangreich geworden ist.<br />

Dadurch wird es unhandlich und unübersichtlich,<br />

weil man die hinführende Information zu einem biblischen<br />

Buch, das man in seiner Bibel lesen möchte,<br />

erst suchen muss. Außerdem ist die Schriftgröße,<br />

wohl um einen noch größeren Umfang zu vermeiden,<br />

so klein geraten, dass das Lesen auch für Menschen<br />

mit guten Augen mühsam ist, weil man den Hauptteil<br />

der Aufmerksamkeit dem Lesevorgang statt dem<br />

Inhalt widmen muss. Das ist schade. Hier wäre weniger<br />

tatsächlich mehr gewesen, da man dann ein<br />

kurzes, handliches Arbeitsbuch zur Bibel in den<br />

Händen hielte und nicht ein Buch, das in der Gefahr<br />

steht, zu einem Bibel-Ersatz zu werden. Zumindest<br />

bei Schülern wäre das wohl meist der Fall. Denn<br />

welcher Schüler machte sich heute noch die Mühe,<br />

ein biblisches Buch oder einen Abschnitt aus ihm zu<br />

lesen, wenn er in diesem „Buch zur Bibel“ so schöne<br />

Zusammenfassungen mundgerecht dargereicht bekommt?<br />

Sebastian Schneider


Kirche<br />

16 Auf Seiner Spur. Texte gläubiger Zuver-<br />

sicht // 17 Glauben feiern mit Symbolen.<br />

Gottesdienste, Gruppenstunden, Aktionen<br />

// 18 Die Päpstin Johanna. Biographie einer<br />

Legende // 19 Erinnerungsorte des Christentums<br />

// 21 Ein Laien-„Messbuch“. Eine Einführung<br />

in das Wertvollste der katholischen<br />

Christen: die heilige Messe // 23 Liturgie<br />

und Poesie. Zur Sprache des Gottesdienstes<br />

// 24 Crashkurs Christentum. In 60 Minuten<br />

Glaube & Religion verstehen // 25 Ins Leben<br />

geschrieben. Partnerschaftliche Exerzitien<br />

für Menschen mit und ohne Behinderung<br />

// 26 Herders großes Buch der Gebete // 27<br />

Die sieben Sakramente der katholischen<br />

Kirche. Eine Orientierung nicht nur für Fernstehende<br />

// 28 Die Rückkehr der Verantwortung.<br />

Kleine Christliche Gemeinschaften als<br />

Kirche in der Nähe // 29 Maximilian Kolbe.<br />

Märtyrer der Nächstenliebe // 30 Das goldene<br />

Zeitalter des Christentums. Die vergessene<br />

Geschichte der größten Weltreligion<br />

15


Lothar Zenetti<br />

Auf Seiner Spur. Texte gläubiger Zuversicht<br />

Ostfildern: Matthias-Grünewald-Verlag. 2011<br />

208 Seiten<br />

14,90 €<br />

ISBN 978-3-7867-2878-8<br />

Wer sich auf die sprachliche Spur von Lothar Zenetti<br />

begibt, der erlebt eine Jonglage von Worten einer<br />

brillanten Feder. Ob Gedicht, Gebet, Meditation<br />

oder Liedtext – der ehemalige Frankfurter Gemeinde-<br />

und Stadtjugendpfarrer beherrscht die Präzision,<br />

Dinge des christlichen Lebens mittels eines tiefsinnigen<br />

und zugleich spitzfindigen Sprachstils auf<br />

den Punkt zu bringen. Das Schöne daran ist, dass die<br />

Texte nahezu alle zeitlos sind. Im persönlichen Gespräch<br />

als auch in den niedergeschriebenen Gedanken<br />

spürt man seinen tiefgründigen Humor, von dem<br />

eine hoffnungsvolle Glaubensbejahung ausgeht. Die<br />

vielfältige Begegnung und Auseinandersetzung mit<br />

dem Glauben ist im betitelten Buch in verschiedene<br />

Kategorien gefasst u.a. in „Sieben Farben hat das<br />

Licht“, „Man müsste was ändern“, „Mit Fragezeichen<br />

gepflastert“ usw. Allein schon die knappe Betitelung<br />

der Texte regt den Leseappetit an. Zenettis Texte, wie<br />

z.B. das Gottesloblied „Das Weizenkorn muss sterben“,<br />

sind mittlerweile zum Teil in verschiedenen<br />

Sprachen millionenfach veröffentlicht und vertont<br />

worden.<br />

Der frühere Hörfunkbeauftragte des Hessischen<br />

Rundfunks und mit dem Preis „Humor in der Kirche“<br />

ausgezeichnete Geistliche ist ein Meister des<br />

Wortspiels, dessen Texte auch in Religionsbüchern<br />

zu finden sind und sich hervorragend als Einstiegs-<br />

16<br />

impuls anbieten, lassen sich doch seine geflügelten<br />

Wortspielereien in andere Sinnzusammenhänge<br />

bringen. Besonders in einer Zeit der Glaubensermattung<br />

setzen Zenettis Worte einen Kontrapunkt<br />

und ermutigen, voll Zuversicht auf Gottes Spur zu<br />

wandeln. Um es mit den Worten seines Gedankenganges<br />

„Reibung“ auszudrücken: „Denn woran man<br />

sich reibt – nun, das lässt einen nicht kalt.“<br />

Manfred Bauer


Norbert Dudek / Jeremias Müller (Hg.)<br />

Glauben feiern mit Symbolen<br />

Gottesdienste, Gruppenstunden, Aktionen<br />

Freiburg u. a.: Verlag Herder-Verlag. 2010<br />

199 Seiten mit CD-ROM<br />

17,95 €<br />

ISBN 978-3-451-32701-8<br />

Dieses praxiserprobte Buch des langjährigen<br />

Schulpfarrers Pater Jeremias Müller und des<br />

früheren Jugendverbandseelsorgers Norbert Dudek<br />

bietet eine große Palette an symbolischen und<br />

zeichenhaften Gestaltungsmöglichkeiten für Aktionen,<br />

Gruppenstunden und Gottesdienste, die nicht<br />

an einen Kirchenraum gebunden sind und zugleich<br />

eine große Chance sind, unterschiedliche Orte glaubensvoll<br />

zu bespielen. In einem ersten kleineren Teil<br />

des Buches geht es um die Begriffsklärung von Zeichen,<br />

Symbolen und Sakramenten. Das Kernstück<br />

des Buches bilden 44 Gestaltbausteine, bei denen<br />

die Anleitung und Umsetzung für zeichenhaftes<br />

Handeln im Mittelpunkt stehen. Sämtliche Elemente<br />

sind zudem als Kopiervorlage auf einer beigefügten<br />

CD-ROM zusammengestellt. Jeder Baustein enthält<br />

folgenden Aufbau: Themenbezüge, Symboleinsatz,<br />

Zielgruppe (von Kindern bis Erwachsene), Zeitpunkt,<br />

Dauer, inhaltliches Ziel, Bibelstelle, Material, Lied-<br />

und Musikvorschläge sowie eine exakte Vorbereitungsbeschreibung.<br />

Kreativität ist gefragt, denn Rollenspiele, Phantasiereisen,<br />

Bastel- und Malvorlagen, Back- und<br />

Kochrezepte, eine Schreibwerkstatt und Interviews<br />

wollen sinnstiftend umgesetzt werden. Beim Baustein<br />

„Er hat den Schuldschein getilgt“ sollen sich<br />

die Teilnehmer beispielsweise mit der Thematik<br />

Schuld und Versöhnung auseinandersetzen. Schließlich<br />

gehen die belastenden Dinge des Alltags, die<br />

auf „Schuldscheinen“ verfasst sind, in Flammen auf.<br />

Eine sehr anschauliche Art, den Glauben zum Ausdruck<br />

zu bringen.<br />

Manfred Bauer<br />

17


Max Kerner / Klaus Herbers<br />

Die Päpstin Johanna. Biographie einer Legende<br />

Herder Spektrum 6332<br />

Freiburg u.a.: Verlag Herder. 2011<br />

176 Seiten<br />

9,99 €<br />

ISBN 978-3-451-06332-9<br />

Die „Päpstin“ Johanna – oder wie auch immer sie<br />

geheißen haben mag: Jutta, Gilberta, Agnes – führt<br />

ein unverwüstliches Eigenleben, jedoch nicht im<br />

10., 11. oder 12. Jahrhundert. Sie geistert seit dem<br />

Mittelalter als Legende durch historiographische,<br />

theologische, polemische und apologetische Werke<br />

jener Zeitgenossen, die wohl ein bestimmtes Interesse<br />

gehabt haben mussten oder sich durch die<br />

Tradition gebunden fühlten, über sie zu berichten.<br />

Seit der 2. Hälfte des 18. Jahrhunderts belebt sie<br />

die Phantasie eines Publikums, das über das Medium<br />

„Roman“ Bildung zu erlangen hofft. Neuerdings<br />

schleicht sich jedoch der Aufklärungsteufel in historische<br />

Romane. „Was hier berichtet wird, ist nicht<br />

reine Fiktion, es beschreibt auch historische Wahrheit“<br />

– so sein Mantra, das, einmal als irritierendes<br />

Virus ins eigene Denken gepflanzt, die Skepsis des<br />

Verdachts als Geschwür generiert: „Haben wir nicht<br />

immer schon geahnt, dass ganze Heerscharen kurialer<br />

Inquisitoren europaweit kirchenkritische Dokumente<br />

aufspür(t)en und deren Wissen vernichten?“<br />

Oder im O-Ton: „Im siebzehnten Jahrhundert jedoch<br />

unternahmen verschiedene Einrichtungen der katholischen<br />

Kirche … einen gemeinschaftlichen Versuch,<br />

die peinlichen historischen Unterlagen über<br />

Johanna zu vernichten … Wie wirkungsvoll diese<br />

Maßnahmen waren, wird schon dadurch ersichtlich,<br />

daß Johanna aus dem heutigen Bewußtsein praktisch<br />

verschwunden ist“ (Donna W. Cross, Die Päpstin,<br />

Berlin 2011, 560). Doch eine „Päpstin“ lässt sich<br />

so leicht nicht unterkriegen! Von daher war ihre Biographie<br />

überfällig – nicht jedoch die Biographie einer<br />

Person, sondern die „Biographie einer Legende“.<br />

Den Mediävisten Max Kerner und Klaus Herbers –<br />

beide überragende Kenner der Materie, der Zeitkontexte<br />

und für den Bereich historischer Mythen – ist<br />

mit dieser Biographie ein allgemeinverständliches<br />

18<br />

Meisterwerk gelungen. Sie gehen von einer kurzen<br />

kritischen Sichtung der Argumente von Cross gleich<br />

zu den bahnbrechenden Untersuchungen Döllingers<br />

von 1863 über, der die Motive der „Sage“ um eine<br />

„Päpstin“ historisch rekonstruiert hat. Anschließend<br />

nehmen die Autoren das 9. Jahrhundert in den Blick,<br />

in dem Johanna nach Meinung der meisten Textbelege<br />

gelebt haben soll. „Die zeitgenössischen Quellen<br />

selbst ergeben jedoch keinen konkreten Hinweis<br />

auf eine Päpstin, lassen auch in der Chronologie keinen<br />

Spielraum für sie, handschriftliche Besonderheiten<br />

sind ohne die Figur eines weiblichen Papstes<br />

erklärbar.“ Allerdings machte es Sinn, ihr Phantom<br />

in jene Zeit zu platzieren. Seit dem 13. Jahrhundert<br />

finden sich die ersten Textquellen, die über eine<br />

„Päpstin“ berichten. Fortschreitend wird deren „Biographie“<br />

ausgeschmückt. Fazit für diese Zeit: „Als<br />

eine zunächst vornehmlich stadtrömische Lokalsage<br />

ist sie ab etwa 1250 vor allem im Umkreis der<br />

Bettelorden … als eine papst- und kirchenkritische<br />

Fabel geschaffen worden, die dann in ihrer weiteren<br />

Wirkung und Ausgestaltung als eine vielgestaltige


Geschichte zu gelten hat …, als eine durchaus eigenständige<br />

Quelle, die schon bald als Waffe in den<br />

kirchenpolitischen Auseinandersetzungen des 14.<br />

und 15. Jahrhunderts genutzt wurde.“ Die Konziliaristen<br />

funktionalisierten die „Päpstin“ ebenso wie<br />

die Reformatoren in ihren jeweiligen Debatten um<br />

das kirchliche Amt und die Amtsvollmachten. Abwertung<br />

oder Hochschätzung der Frau kamen hinzu.<br />

Anschaulich wird, „dass die einen (die Protestanten)<br />

mit der Historizität der Päpstin die Verderbtheit der<br />

Papstkirche und deren uneingeschränkte apostolische<br />

Sukzession bezeugen, die anderen (die Katholiken)<br />

mit dem historischen Gegenbeweis, also der<br />

geschichtlichen Nicht-Existenz dieser Johanna, das<br />

Papsttum als kontinuierliche und von Gott gewollte<br />

Wahrheitsinstitution aufweisen wollten – wobei die<br />

Päpstin Johanna in dem einen wie anderen Fall zu<br />

einem moralischen bzw. historischen Monstrum<br />

wurde.“ Diese Monstrosität hatte verheerende Auswirkungen<br />

auf das Frauenbild, wie wir seit den Untersuchungen<br />

von Elisabeth Gössmann (1994) wissen.<br />

Parallel zu den Johanna-Werken erkennen die<br />

Autoren jeweilige Krisenzeiten. Für die heutige Rezeption<br />

reklamieren sie „die Rufe nach Ordinationen<br />

von Frauen“. Mindestens ebenso wichtig erscheint<br />

dem Rezensenten der jüngste Inquisitionshype und<br />

die damit verbundene Lust am Aufdecken vermeintlicher<br />

dunkler Geheimnisse der Kirche.<br />

„Gegen Vereinfachungen oder Mythen lassen<br />

sich kaum Bücher schreiben“, und es stimmt auch,<br />

dass „Dekonstruktionen Mythen keineswegs aus der<br />

Welt“ schaffen. Vielleicht aber machen sie immun<br />

gegen allzu plumpe Ideologisierungen. Als Ergänzung<br />

zur „Biographie einer Legende“ sei Michel Imhof<br />

(Die Päpstin Johanna. Wahrheit und Mythos, Petersberg<br />

2011) empfohlen, der über Kerner/Herbers<br />

hinaus v.a. das Frauenbild im Mittelalter zur Päpstinlegende<br />

in Beziehung setzt. Manches unglaublich<br />

„Moderne“ unserer Heldin zeigt sich dadurch als<br />

mittelalterlich gut verankert – Weihwasser für den<br />

Aufklärungsteufel!<br />

Joachim Schmiedl<br />

Christoph Markschies / Hubert Wolf (Hg.)<br />

Erinnerungsorte des Christentums<br />

München: Verlag C.H. Beck. 2010<br />

800 Seiten mit 126 Abb.<br />

38,00 €<br />

ISBN 978-3-406-60500-0<br />

Auch eine himmlische Botschaft braucht irdische<br />

Erinnerungsorte. „Tut dies zu meinem Gedächtnis“,<br />

heißt es an einer zentralen Stelle des Neuen Testamentes,<br />

und dieses Tun ist auf Orte angewiesen, die<br />

der Gedächtnisfeier einen Raum und eine Dauer<br />

schenken. So lässt sich die Geschichte des Christentums<br />

auch als eine Ortsgeschichte ansehen, als<br />

eine Vergegenwärtigung der Botschaft Jesu in Jerusalem<br />

und in Rom, in Wittenberg, Krakau und Konstantinopel.<br />

Der stattliche Band „Erinnerungsorte<br />

des Christentums“ sucht eine solche Geschichte zu<br />

schreiben. Er knüpft damit an das Projekt des französischen<br />

Historikers Pierre Nora, der schon vor<br />

drei Jahrzehnten mit seinem Konzept der „Erinnerungsorte“<br />

und des „Kollektiven Gedächtnisses“ eine<br />

veritable Welle an topologischen Erinnerungen auslöste<br />

(so veröffentlichten u.a. Etienne François und<br />

Hagen Schulze im Jahre 2001 den sehr erfolgreichen<br />

Band „Deutsche Erinnerungsorte").<br />

19


Christoph Markschies und Hubert Wolf, als Kirchenhistoriker<br />

bestens ausgewiesen, fassen den Begriff<br />

des christlichen Erinnerungsortes großzügig<br />

auf. Sie und ihre Mitarbeiter stellen „Zentralorte“<br />

wie Jerusalem, Genf oder Rom vor, doch ebenso<br />

„Reale Orte“ wie Assisi, Köln oder Trient (über die<br />

Zuteilung lässt sich sicherlich disputieren). Hinzu<br />

kommen „Übertragene Orte“ wie Bibel, Kreuz oder<br />

Inquisition, in denen sich die lange Geschichte des<br />

Christentums auf eine symbolische, verdichtete<br />

Weise spiegelt. Insgesamt werden gut 40 Orte vorgestellt,<br />

und dies fügt sich, das sei vorausgeschickt,<br />

zu einem so anregenden wie lehrreichen Leseabenteuer.<br />

Dass die Auswahl aus dem riesigen Stoff stets<br />

eine umstrittene bleiben muss, ist den Herausgebern<br />

klar. Gleichwohl wäre eine weiträumigere Verteilung<br />

wünschenswert gewesen. Insbesondere die<br />

zweite Abteilung führt eine übergroße Anzahl an<br />

deutschsprachigen Orten auf, die die Dynamik des<br />

Christentums nur unzureichend widerspiegeln. Bei<br />

aller Wertschätzung von Altötting, Dresden, Bethel<br />

oder Regensburg, wäre wohl ein Blick auf den polnische<br />

Wallfahrtsort Tschenstochau, auf Oxford<br />

oder Paris weiterführender gewesen. Und auch das<br />

orthodoxe Christentum erhielt mit Konstantinopel<br />

lediglich eine explizite Erwähnung, und damit entschieden<br />

zu wenig. Ein Blick auf Alexandria oder,<br />

ja, Moskau, hätte den Blick auf die Farbigkeit des<br />

Christentums sinnvoll erweitert.<br />

Sieht man von der dornigen Auswahlfrage ab, so<br />

kann sich der Leser in eine Reihe glänzender Artikel<br />

vertiefen, die zu Meditation und Auseinandersetzung<br />

einladen. So bietet Rudolf Smend mit Sinai – auch<br />

hier wäre die Zuordnung zu reflektieren! – einen<br />

konstruktiven Blick in die Tiefen der biblischen Geschichte<br />

und zugleich auch der alttestamentlichen<br />

Exegese. „Im Fall des Sinai lässt sich gar nichts be-<br />

20<br />

weisen“, stellt Smend fest und führt dann doch eine<br />

Reihe von Erkenntnissen über die „theologische<br />

Größe“ dieses (Nicht-)Ortes auf. Und auch über Taizé,<br />

eine scheinbar harmlose, jugendbewegte Stätte,<br />

erfährt der Leser Staunenswertes: „Wir verbrennen<br />

alles. Wir bewahren nichts auf“ – dieses Motto<br />

der Communauté entzieht jedem archivalischem<br />

Begehren, jeder „Erinnerung“ den Boden unter den<br />

Füßen. Warum Taizé dennoch oder gerade deshalb<br />

weit über die lokalen Grenzen ausstrahlt, das weiß<br />

Christian Albrecht überzeugend zu begründen. Auf<br />

einer ganz anderen Ebene als der „Erwartungsort“<br />

Taizé hallt die 1968 veröffentlichte Enzyklika Humanae<br />

Vitae nach, die die Herausgeber den symbolischen,<br />

den „übertragenen“ Orten zuordnen. In einer<br />

fast schmerzhaft klaren Sprache schildert der Kirchenrechtler<br />

Norbert Lüdecke die Dramatik, die mit<br />

dieser Publikation verbunden war, ihre Intention<br />

und ihre Reichweite. „Es geht um alles“ – so beginnt<br />

Lüdecke seinen Beitrag und spielt damit zunächst<br />

auf die beiden Anfangsworte der Enzyklika, auf<br />

ihren Namen an. Folgt man seinen Ausführungen,<br />

so wird deutlich, dass dieses „alles“ den gesamten<br />

Inhalt des päpstlichen Rundschreibens prägt. „Die<br />

Kernnorm der Enzyklika ist so Nano-Ekklesiologie,<br />

sie selbst eine ekklesiologische Ikone der normativ<br />

restituierten Gnadenanstalt und ein Kaleidoskop<br />

katholischer Soll-Identität.“ Wer diesen Satz als Fazit<br />

versteht, wird zunächst durchatmen müssen, um<br />

dann Lüdeckes Beitrag noch einmal zu studieren.<br />

Das mag, trotz mancher Einwände im Einzelnen, für<br />

das gesamte Werk gelten. Der Rezensent jedenfalls<br />

behält den Erinnerungsband in bester Erinnerung –<br />

und in Reichweite.<br />

Christian Heidrich


Michael Kunzler<br />

Ein Laien-„Messbuch“<br />

Eine Einführung in das Wertvollste der<br />

katholischen Christen: die heilige Messe<br />

Paderborn: Bonifatius Verlag. 2011<br />

272 Seiten<br />

22,90 €<br />

ISBN 978-3-89710-480-8<br />

Der in Paderborn lehrende Liturgiewissenschaftler<br />

Michael Kunzler hat sich in seinem umfangreichen<br />

Oeuvre immer wieder bemüht, auch für<br />

theologische Laien verständlich zu schreiben, angefangen<br />

1989 mit „Berufen, dir zu dienen. 15 ‚Lektionen’<br />

Liturgik für Laienhelfer im Gottesdienst“ über<br />

eine Laiendogmatik (1998) wie auch Laienliturgik<br />

(1999) bis zum vorliegenden Band. Die Anführungszeichen<br />

bei „Messbuch“ deuten an, dass es hier um<br />

keinen neuen „Schott“ geht. Das Buch könnte auch<br />

„Kunst des Mitfeierns“ heißen, ein Gegenstück zum<br />

2007 erschienenen Werk „Liturge sein. Entwurf einer<br />

Ars Celebrandi“.<br />

In einem ersten Kapitel „Theologie des Gottesdienstes“<br />

werden liturgiepraktische Fragen behandelt,<br />

wird unter anderem der tridentinische mit<br />

dem nachvatikanischen Messritus verglichen. Ein<br />

weiteres Kapitel vermittelt einen Überblick über die<br />

Geschichte der Eucharistietheologie. Nach weiteren<br />

Kapiteln über Bezeichnungen und Formen der Messfeier<br />

sowie über in der Sakristei befindliche Utensilien<br />

(Bücher, Gefäße, Weihrauch, Gewänder) folgen<br />

ausführliche Erläuterungen zu den Hauptteilen der<br />

Messe (Eröffnung – Wortgottesdienst – Gabenbereitung<br />

– Hochgebet – Kommunion – Schluss) mit ihren<br />

jeweiligen Einzelelementen. Ein letztes Kapitel bietet<br />

auf vier Seiten einen Überblick über den rituellen<br />

Verlauf.<br />

In lockerem Stil gehalten und immer wieder Fachbegriffe<br />

erläuternd, lässt das Buch deutlich spüren,<br />

wie sehr der Autor einfache Christgläubige im Blick<br />

hat. Auch der Verzicht auf Kapitelnummern trägt zu<br />

einem weniger akademischen Aussehen bei. Freilich<br />

hätte ein sorgfältigeres Korrekturlesen dem Leser so<br />

manchen fehlerhaften Stolperstein erspart.<br />

Beim Bemühen um Verständlichkeit stellt sich<br />

auch die Frage, wann eine Vereinfachung zur Verengung<br />

führt. Welche – auch kontroversen – Probleme<br />

sind den Lesern zuzumuten? Dazu zwei Beispiele:<br />

Das Evangelium als „Originalton Jesu“ zu bezeichnen<br />

klingt zwar modern. Doch das Bemühen von<br />

Bibelwissenschaftlern um die „ipsissima verba“<br />

(ureigenen Worte) Jesu lässt sich nicht einfach als<br />

„fruchtloser Streit“ abtun. Es gilt als allgemeiner<br />

Konsens, dass etwa das Johannesevangelium kaum<br />

ein Wort des historischen Jesus enthält – was diesen<br />

(unechten) Worten keineswegs ihren Wert nimmt.<br />

Aber sollte man das bei einer Liturgieerklärung<br />

nicht auch offen ansprechen? Häufig kommen die<br />

Begriffe „Wandlung“ und „Wandlungsworte“ vor. Dahinter<br />

steckt wohl die Auffassung westlicher Theologie,<br />

wonach Brot und Wein mit dem Sprechen der<br />

Worte Jesu „Das ist mein Leib ... mein Blut ...“ eben<br />

zu Leib und Blut Christi werden. Im theologischen,<br />

speziell ökumenischen Diskurs dagegen geht man<br />

davon aus – nach jüdischer Gebetstradition –, die<br />

Konsekration werde vom Hochgebet als Ganzem<br />

bewirkt, und nicht punktuell an einer bestimmten<br />

Stelle. Der Autor weist ja auch darauf hin, das Hochgebet<br />

bilde „zur Gänze als konsekratorisches Gebet<br />

eine Einheit“.<br />

21


Beizupflichten ist dem Autor, wenn er willkürliche<br />

Eingriffe in den Ritus seitens wohlmeinender<br />

Priester als Missbrauch brandmarkt. Allerdings<br />

müsste man dann auch der Kirchenleitung vorhalten,<br />

sie habe einen liturgischen „Reformstau“ zu verantworten.<br />

Seit 1988 hat eine Studienkommission<br />

an der Revision des Messbuchs langjährig, intensiv<br />

und mit hoher Sachkompetenz gearbeitet. 23 Jahre<br />

danach wartet man immer noch auf das neue Messbuch!<br />

Alles in allem ist es ein Buch für kirchliche Insider<br />

wie auch solche, die über eine gewisse Neugier<br />

verfügen. Sie können hier aus einem reichhaltigen<br />

Informationsangebot schöpfen. Skeptikern oder<br />

Fernstehenden hingegen dürfte manches zu glatt<br />

und harmonisierend behandelt vorkommen. So wäre<br />

ein weiteres lohnendes Projekt eine „Fundamental-Liturgik“<br />

für Laien. Diese würde nicht einfach<br />

traditionelle Frömmigkeit absegnen, sondern auf<br />

alternative Modelle aufmerksam machen – mehr argumentativ<br />

als bekennerfreudig.<br />

22<br />

Eckhard Jaschinski


Alex Stock<br />

Liturgie und Poesie. Zur Sprache des Gottesdienstes<br />

Kevelaer: Verlag Butzon & Bercker. 2010<br />

272 Seiten<br />

17,90 €<br />

ISBN 978-3-7666-1357-8<br />

Der emeritierte Kölner katholische Theologe Alex<br />

Stock hat im vorliegenden Band „Liturgie und Poesie“<br />

Aufsätze eines Zeitraums von über zwanzig<br />

Jahren (1985-2006) zusammengetragen. Im Nachweisverzeichnis<br />

fehlt nur die Quelle von B. VI. Gabenbereitung:<br />

Liturgisches Jahrbuch 53 (2003) 33-<br />

51. Die Aufsätze sind nun in zwei Blöcken („Dichten<br />

und Denken“ / „Römische Tradition“) zu je acht Abschnitten<br />

angelegt. Dabei geht der Autor auf seine<br />

ihm eigene Art vor, die sich vom theologischen Mainstream<br />

deutlich abhebt. Sein theologisch-ästhetischer<br />

Ansatz ist in der achtbändigen „Poetischen<br />

Dogmatik“ breit entfaltet, bekundet sich aber auch<br />

durch zahlreiche Beiträge in Sammelbänden. So hat<br />

er im „Geistlichen Wunderhorn“, einer großangelegten<br />

Studie über fünfzig Kirchenlieder, neun dieser<br />

Gesänge behandelt.<br />

In sprachlicher Analyse lotet der Autor den Gehalt<br />

von Schlüsselbegriffen in Gesangs- und Gebetstexten<br />

aus. Dabei lässt er seine besondere Liebe zum<br />

Latein durchblicken und zeigt ein feines Gespür für<br />

sinngerechte Übersetzungen. Das demonstriert er<br />

im Einzelnen etwa an ausgewählten Tagesgebeten.<br />

Insgesamt kommt er zu dem Schluss, neuere Textproduktionen<br />

setzten – aus vermeintlich pastoraler<br />

Rücksicht – einseitig auf Allgemeinverständlichkeit.<br />

Dem hält er andere Kriterien entgegen wie: poetisch<br />

reizvoll, traditionell-volkstümlich bewährt,<br />

sprachrhythmisch und -klanglich gelungen. Sprachlich<br />

elegant wirkt überhaupt sein Schreibstil im<br />

ganzen Buch.<br />

Hinsichtlich der nachkonziliaren Liturgiereform<br />

weiß der Autor zu differenzieren. Auf Martin<br />

Mosebachs „Häresie der Formlosigkeit“ eingehend,<br />

greift er drei strittige Punkte heraus und formuliert<br />

vorsichtige Anfragen: 1. Lateinische Messe mit<br />

gregorianischem Choral: „Könnte ein ‚Ave verum’<br />

nach der Wandlung das Kirchenvolk vielleicht mehr<br />

zur Sache bewegen als das theologisch gewiss korrekte,<br />

aber emotional etwas trockene ‚Deinen Tod, o<br />

Herr, verkünden wir...’?“ 2. Priester mit Gesicht zur<br />

Gemeinde: „Wäre vielleicht jenseits ideologischer<br />

Verkrampfungen das topologische Empfinden des<br />

sakralen Raumes noch einmal vor Ort genau zu<br />

überlegen und in eine weniger starre Begehung der<br />

Liturgie zu übertragen?“ 3. Liturgie mit starker Interaktion:<br />

„Wohin soll der homo religiosus gehen,<br />

wenn er nicht die Gemeinschaft fröhlicher Gotteskinder<br />

sucht, sondern den Ernst des Mysteriums?“<br />

Im Hinblick auf eine „Reform der Reform“ mahnt<br />

der Autor, beim liturgischen Vollzug die Kunst und<br />

das Heilige gebührend zu respektieren.<br />

Liturgische Texte kommen und gehen. Welche auch<br />

immer amtlich vorgelegt werden – sie verdienten zunächst<br />

Respekt. Was aber nützen die besten Texte,<br />

wenn sie nicht gekonnt dargeboten werden. Eine<br />

Liturgiereform, die vor allem auf Verständlichkeit<br />

setzt, verlange eine hohe Kompetenz von allen, die<br />

Texte präsentieren. Der Vorsteher müsse ein Gebet<br />

wirklich – in Tonfall und Blickrichtung – betend voll-<br />

23


ziehen und nicht als bloße Verlesung eines Textes.<br />

Der Lektor oder die Lektorin müssen eine Lesung –<br />

in Intonation, Artikulation, Sprechtempo – von allen<br />

mitvollziehbar vortragen. Das verlange ständige Arbeit<br />

am Detail.<br />

Alex Stock liefert hier so etwas wie Bausteine für<br />

eine „Fundamental-Liturgik“. Diese kommt weniger<br />

bekennerfreudig daher und glorifiziert auch nicht<br />

einfach eine rituelle Vergangenheit als wertvolles<br />

Kulturerbe, sondern geht den liturgischen Dingen<br />

(Texte, Bilder, Metaphern, Figuren) auf den „Grund“.<br />

24<br />

Eckhard Jaschinski<br />

Thomas R. Karmann / Reinhard Lettmann /<br />

Clemens Stroetmann / Hans-Jürgen Vogelpohl<br />

Crashkurs Christentum<br />

In 60 Minuten Glaube & Religion verstehen<br />

Mit einem Vorwort von Abtprimas Notker Wolf OSB<br />

Leipzig: St. Benno-Verlag. 2011<br />

96 Seiten<br />

6,50 €<br />

ISBN 978-3-7462-3054-2<br />

Für Neugierige, Suchende und Fragende ist mit<br />

diesem kompakten, gebundenen Taschenbuch der<br />

Versuch gemacht worden, den christlichen Glauben<br />

in 60 Minuten zu erläutern. Mit Geschichten, Zitaten<br />

berühmter Personen, passenden Bibelversen,<br />

Anekdoten, aber auch Beispielen aus der Werbung,<br />

erweitert durch erläu ternde Texte, hat das Autoren-<br />

Team um den em. Bischof von Münster, Reinhard<br />

Lettmann, sich die Aufgabe gestellt, zentrale Themen<br />

des Christentums zeitgemäß zu erläutern: Der<br />

Sonntag, die christlichen Hauptfeste Weihnachten,<br />

Ostern, Pfingsten, Glaubensbekenntnis, Vaterunser,<br />

die 10 Gebote sind die einzelnen An schnitte überschrieben.<br />

Unterhaltsam in die reiche Welt des<br />

christlichen Glaubens einzuführen, das Sichtbarmachen<br />

dieses gelebten Glaubens in Kirche, Gemeinde<br />

und Ökumene ist mit diesem Buch gelungen.<br />

Bernhard Merten


Christoph Beuers / Jochen Straub<br />

Ins Leben geschrieben<br />

Partnerschaftliche Exerzitien für Menschen mit und<br />

ohne Behinderung<br />

Kevelaer: Verlag Butzon & Bercker. 2010<br />

96 Seiten mit zahlr. SW-Abb.<br />

12,90 €<br />

ISBN 978-3-7666-1354-7<br />

„Wir wollen aufsteh´n, aufeinander zugeh´n, voneinander<br />

lernen miteinander umzu geh´n...“ Unter<br />

das Motto könnte das hier vorgestellte Konzept<br />

partnerschaftlicher Exerzitien von Menschen mit<br />

und ohne geistige Behinderung gestellt werden. Entwickelt<br />

wurde es in der Kooperation der Fach schule<br />

für Heilpädagogik der Marienschule in <strong>Limburg</strong>, des<br />

St. Vincenzstiftes in Aulhausen und des Referates<br />

Seelsorge für Menschen mit Behinderung im <strong>Bistum</strong><br />

<strong>Limburg</strong>. Inzwi schen ist es fester Bestandteil<br />

der Arbeit dieser Institutionen, insbesondere der<br />

Ausbildung angehender Heilpädagogen, Heilerziehungspfleger<br />

und Sozialassistenten. In den beiden<br />

Tagen der Exerzitien gehen jeweils zwei Menschen<br />

einen partnerschaftli chen Weg miteinander, begegnen<br />

sich in ihrer Verschiedenheit und entdecken,<br />

was sie miteinander verbindet. Diese Verschiedenheit<br />

wird zur Bereicherung.<br />

Im vorliegenden Buch wird ein Kurs exemplarisch<br />

vorgestellt und praxisnah in seinen ein zelnen Elementen<br />

methodisch und theologisch reflektiert. Dabei<br />

wird deutlich, wie eine von Menschen mit und<br />

ohne Behinderung gemeinsam erlebte Spiritualität<br />

aussehen kann. Es gibt Impulse und Austausch in<br />

der Groß grup pe und im mer wie der die Begegnung<br />

zu zweit. Dabei steht zu nächst die Betrachtung dessen,<br />

was das Schöne im ei genen Le ben ausmacht, im<br />

Zentrum. In einem weiteren Schritt wird der Blick<br />

auf das Traurige im Leben gerichtet. Immer wieder<br />

wird dabei deut lich, dass das Erleben von Freude<br />

und Trauer Erfahrungen sind, die zu je dem Le ben<br />

gehören. Es entsteht Achtung vor der Kraft, mit der<br />

manch ei ner sein Leben gerade unter erschwerten<br />

Bedingungen meistert. Am En de der Tage steht der<br />

gemeinsame Gottesdienst, in dem die Nähe des lieben<br />

den Gottes in den Erfahrungen von Freude und<br />

Trauer gefeiert wird, verbunden mit einem persönlichen<br />

Se gen für die Teilnehmer. Bei der Schilderung<br />

dieser Erfahrungen kommen die Teilnehmer ausführlich<br />

selbst zu Wort.<br />

Im abschließenden Kapitel werden richtungsweisende<br />

Visionen formuliert: Menschen mit und ohne<br />

Behinderung sind gemeinsam zur Spiritualität berufen,<br />

wobei die Behinderung als unterscheidendes<br />

Merkmal keine größere Rolle spielt als Augen- oder<br />

Haarfarbe. Die Behinderung wird nicht abgespalten,<br />

sondern sie ist ein Teil der zu bewältigenden Lebensaufgabe.<br />

Im Zentrum steht die tragende Beziehung.<br />

So schreiben die Autoren: „Part nerschaftliche<br />

Exerzitien verlangen nach Reflexion. Sie wollen den<br />

Rollentausch und die Empathie zur Basis jeglichen<br />

Handelns machen.“<br />

Das Buch bietet wichtige Anregungen für alle in<br />

der religiösen und pädagogischen Be gleitung behinderter<br />

Menschen Tätigen sowie für entsprechende<br />

Ausbildungsstätten. Aber es kann darüber hinaus<br />

für jeden Interessierten Impulse geben zu einem<br />

„integrativen Le bensstil“, entsprechend dem von Bischof<br />

Franz Kamphaus in seinem Fastenhirtenbrief<br />

von 2002 zitierten Satz von Ulrich Bach: „Eine Gemeinde<br />

ohne Behinderte ist eine behinderte Gemeinde.“<br />

Dem Buch vorangestellt ist ein ausführliches<br />

Geleitwort von Franz Kamphaus.<br />

Claudia Kobold<br />

25


26<br />

Herders großes Buch der Gebete<br />

Hg. v. Gundula Kühneweg<br />

Freiburg u.a.: Verlag Herder. 2009<br />

479 Seiten<br />

24,95 €<br />

ISBN 978-3-451-32177-1<br />

Bereits ein erster Blick in das Inhaltsverzeichnis<br />

oder auf eines der Register, besser jedoch ein ruhiges<br />

Durch blättern dieses umfangreichen Bandes<br />

Seite für Seite macht sehr schnell deutlich, welche<br />

Fülle an unter schiedlichen Gebetstexten für vielfältige<br />

Anlässe und Möglichkeiten er zu bieten hat;<br />

eine Schatzsammlung des Betens, in Jahrhunderten<br />

gewachsen, wird vor dem Leser ausgebreitet.<br />

Es sind mehr als 500 Gebetstexte, die die Herausgeberin<br />

zusammengetragen hat, Texte aus der<br />

reichen christlichen Tradition des Betens von den<br />

Anfängen in der Bibel bis in die unmittelbare Gegenwart.<br />

Betrach tet man das Verzeichnis der rund 130<br />

Autorinnen und Autoren, findet man die Namen von<br />

Heiligen, Kir chenvätern, großen Persönlichkeiten<br />

der Kirchengeschichte ebenso wie bedeutende evangelische<br />

und katho lische Theologen der Gegenwart,<br />

Dichter und Denker, Schriftsteller und Künstler, d. h.<br />

Beterinnen und Beter aller Zeiten und Altersstufen<br />

bis in die jüngste Zeit.<br />

Der Grundstein des Bandes wird gelegt mit<br />

den Grundgebeten der Kirche, beginnend mit dem<br />

Kreuzzeichen, über das Vaterunser, das Ave Maria<br />

bis zum Großen Glaubensbekenntnis. Die folgenden<br />

18 Textzusammen stellungen spiegeln das Leben<br />

des Menschen wider mit Gebeten zum Tageslauf, in<br />

schönen und schweren Stunden, Gebete mit Kindern<br />

und für alte Menschen, dem Jahreskreis folgend, Gebete<br />

zu Maria, den Engeln und Heiligen, des Glaubens<br />

und Vertrauens, der Umkehr und Vergebung.<br />

Abgeschlossen wird die Sammlung durch eine Reihe<br />

Gebete des Segens.<br />

Eine wichtige Ergänzung des Bandes sind das Bibelstellenverzeichnis,<br />

eine Zusammenstellung wichtiger<br />

Ge bete und ein Verzeichnis aller Gebete, zu<br />

einem großen Teil sowohl mit der Gebetsüberschrift<br />

wie auch mit dem Gebetsanfang zitiert. Abschließend<br />

folgen ein Autoren- und ein Quellenverzeichnis,<br />

wobei das letztge nannte zugleich eine Sammlung<br />

weiterführender Literatur beinhaltet.<br />

Was bleibt, ist die Frage nach dem Sinn, dem praktischen<br />

Nutzen einer solchen Gebete-Sammlung.<br />

Eine solche Sammlung kann sicher Wegbereiter und<br />

Wegbegleiter des eigenen Betens sein, in dem „ein<br />

anderer uns die Sprache und die Worte leiht, mit denen<br />

wir unser Herz Gott öffnen können … Manchmal<br />

müssen unsere Lippen auch unserem Herzen zuvor<br />

kommen – dann drücken die gelesenen und gesprochenen<br />

Ge bete die Sehnsucht danach aus, beten zu<br />

können“ (S. 8). In diesem Sinne ist das Große Buch<br />

der Gebete nicht nur ein Kompendium des Sprechens<br />

mit Gott, sondern kann in seiner Fülle eine<br />

ergiebige Quelle sein für alle, die nach alten und<br />

neuen Möglichkeiten suchen, um dem eigenen Beten<br />

neue Wege zu weisen, neue Impulse zu geben, oder<br />

um diese in ihrer beruflichen Tätigkeit als Geistliche,<br />

Pastorale Mitarbeiter/-innen, Religionslehrer/-innen<br />

zu nutzen.<br />

Bernhard Merten


Thomas Dornseifer / Christian Schlichter (Hg.)<br />

Die sieben Sakramente der katholischen Kirche<br />

Eine Orientierung nicht nur für Fernstehende<br />

Paderborn: Bonifatius Verlag. 2009<br />

114 Seiten mit 21 Farbabb.<br />

18,90 €<br />

ISBN 978-3-89710-437-2<br />

Sicher, die sieben Sakramente können die meisten<br />

noch aufzählen (ob jedoch immer in der richtigen<br />

Rei henfolge?), aber wenn es um die Frage nach der<br />

Bedeutung des einzelnen Sakramentes als solchem<br />

und in seinem Bezug für den Einzelnen geht, fehlen<br />

auf entsprechende Fragen häufig die Antworten,<br />

bzw. man ist diesbezüglich auf den „Fachmann“ als<br />

Erklärer angewiesen. Hier setzt das Büchlein an, das<br />

aus einer erfolg reichen Serie der Paderborner Kirchenzeitung<br />

DER DOM hervorgegangen ist. In einem<br />

Dreischritt will es den Sakramenten auf den Grund<br />

gehen: 1. „Wo sind die historischen, biblischen Wurzeln<br />

des Sakramentes, was ist seine dogmatische<br />

Bedeutung?“ Hier antworten Praktiker mit entsprechend<br />

theologisch fundiertem Hin tergrund. 2. Die<br />

Frage: „Wie geht die Kirche mit diesem Sakrament<br />

um?“ beantworten Seelsorger, die fak tisch aus ihrem<br />

Alltag berichten. 3. Der dritte Fragenkomplex „Was<br />

kann ein Sakrament für den Einzelnen, aber auch<br />

für die Gemeinschaft der Gläubigen bedeuten? Wie<br />

wird seine Spendung aufgenommen?“ lässt den Sakramentenempfänger<br />

selbst zu Worte kommen.<br />

Diese Form der Vorstellung der einzelnen Sakramente<br />

ist neu. Ihre Methodik kann damit zu einem<br />

Schlüssel für ein modernes Sakramentenverständnis<br />

– eben „nicht nur für Fernstehende“, wie es der<br />

Untertitel aus drückt –, sondern ebenso für den gestandenen<br />

Sakramentenempfänger werden. Neben<br />

der fachlichen und theologischen Fundierung zeichnet<br />

eine gute sprachliche Verständlichkeit die Darstellungen<br />

aus, verknüpft und ergänzt übrigens mit<br />

ganz praktischen Hinweisen zur Vor- und Nachbereitung<br />

und dem Verlauf der jeweiligen Sakramentenspendung.<br />

Eine Lektüre, die sich gerade auch im<br />

Blick auf den Religionsunterricht und die Katechese<br />

lohnt.<br />

Bernhard Merten<br />

27


Christian Hennecke / Mechthild Samson-Ohlendorf (Hg.)<br />

Die Rückkehr der Verantwortung<br />

Kleine Christliche Gemeinschaften<br />

als Kirche in der Nähe<br />

Würzburg: Echter Verlag. 2011<br />

156 Seiten<br />

12,80 €<br />

ISBN 978-3-429-03381-1<br />

Der Hildesheimer Regens und Fokolarpriester<br />

Christian Hennecke gehört zu den Propagandisten<br />

der Kleinen Christlichen Gemeinschaften (KCG) in<br />

Deutschland. Er legt mit seiner Mitarbeiterin Mechthild<br />

Samson-Ohlendorf die Ergebnisse des zweiten<br />

Symposiums über die KCG vor. Die Hauptfrage ist<br />

nach wie vor die Möglichkeit der Umsetzung ekklesiologischer<br />

Erfahrungen aus Afrika und Asien auf<br />

die europäische und deutsche Situation. Eine Piste<br />

eröffnet dabei der Wittener Psychiater Klaus Dörner.<br />

Er beobachtet eine neue Wertschätzung der Nachbarschaft<br />

und sieht darin eine bislang verpasste<br />

Chance der Kirchengemeinden. Hans-Jürgen Marcus<br />

doppelte nach, indem er caritative Einrichtungen als<br />

Lebens- und Lernorte der Kirche mit unterschiedlichen<br />

pastoralen und diakonischen Schwerpunkten<br />

in großräumigen Pfarreiengemeinschaften stark<br />

machte. Damit die KCG nicht nur eine verdeckte Ausgabe<br />

einer neuen Gemeindetheologie seien, müssten<br />

nach Rainer Bucher die Netzwerkstrukturen ernst<br />

genommen werden, Gemeinschaft und Freiheit ausbalanciert<br />

sein sowie eine konsequente pastorale<br />

Aufgabenorientierung angestrebt werden. Das wird<br />

konkret in der auf Handlung angelegten Form der<br />

gemeinsamen Bibellektüre.<br />

28<br />

So faszinierend allerdings die Erfahrungen aus<br />

Asien sind, wie sie in den Beiträgen der philippinischen<br />

Protagonisten der KCG zur Sprache gebracht<br />

werden, so ernst muss auch die Anfrage Bernhard<br />

Spielbergs genommen werden, dass „pastorale<br />

Südfrüchte nicht einfach zu importieren sind“. Sie<br />

müssen in unserer pastoralen Situation inkulturiert<br />

werden. Den Blick auf die Chancen verstellen aber<br />

zur Zeit die Strukturdebatten in den Bistümern. Gegen<br />

eine zu starke Professionalisierung müsste das<br />

Ehrenamt neu gewertet werden. Und man brauche<br />

den Mut dazu, Projekte auch zu beenden, um wieder<br />

Platz für Experimente zu bekommen. Gemeinde<br />

gründen und entwickeln („Ekklesiogenesis“) in den<br />

Lebensräumen der Menschen – das ist die Vision<br />

Henneckes und seiner Mitstreiter. Man kann nur<br />

hoffen und beten, dass diese Vision nicht im Getriebe<br />

technokratischer Umsetzungen von Fusionen und<br />

Neustrukturierungen untergeht.<br />

Joachim Schmiedl


Andreas Murk / Konrad Schlattmann<br />

Maximilian Kolbe. Märtyrer der Nächstenliebe<br />

Würzburg: Echter Verlag. 2011<br />

176 Seiten mit zahlr. SW-Abb.<br />

19,90 €<br />

ISBN 978-3-429-03421-4<br />

Zum 70. Jahrestag des Todes ihres Mitbruders<br />

haben zwei Franziskaner-Konventualen eine Gedenkschrift<br />

über den heiligen Maximilian Maria<br />

Kolbe herausgebracht. Den Hauptteil nimmt eine<br />

biographische Skizze von Andreas Murk ein. Reich<br />

bebildert, gibt sie einen leicht lesbaren Überblick<br />

über die Jugendjahre Kolbes im russischen Polen,<br />

das Studium und die Gründung der „Militia Immaculatae“<br />

in Rom, die mit gesundheitlichen Problemen<br />

belasteten Anfangsjahre als Dozent und Seelsorger<br />

in seiner Heimat, den Aufbau der „Stadt der<br />

Unbefleckten“ Niepokalanów bei Warschau, die Jahre<br />

in Japan, die Schwierigkeiten durch die deutsche<br />

Besatzung und die Vollendung des Lebens im Hungerbunker<br />

des Vernichtungslagers Auschwitz.<br />

Der zweite Teil des Buches nimmt die im Vorwort<br />

des Bamberger Erzbischofs Schick genannten Leitlinien<br />

von Kolbes Leben auf. Ein Kapitel ist der im<br />

Deutschen jetzt „Marianische Initiative“ genannten<br />

Gründung gewidmet, eine Frucht der intensiven Marienfrömmigkeit<br />

Kolbes. Eine knappe Auswahl an<br />

Quellentexten lässt den geistlichen Schriftsteller<br />

Kolbe zu Wort kommen. Der Bericht über den Verlauf<br />

des Selig- und Heiligsprechungsprozesses bekommt<br />

seinen besonderen Wert durch den Abdruck der Ansprachen<br />

der Päpste Paul VI. und Johannes Paul II.<br />

bei diesen Gelegenheiten. Maximilian Kolbe, über<br />

den auch einige geistliche Lieder getextet wurden,<br />

wirkt insbesondere in der deutsch-polnischen Versöhnung<br />

weiter.<br />

Weiterführend sind die Gedanken des jungen<br />

Franziskaners Konrad Schlattmann über die Aktualität<br />

des Heiligen. Maximilian Kolbe war jemand,<br />

der Mut zum Wagnis hatte, der sich ganz einsetzte,<br />

dabei Stetigkeit und Ausdauer bewies, sich als<br />

Werkzeug verstand und selbst Werkzeuge wie die<br />

Kommunikationsmittel gebrauchte, sein Leben als<br />

Märtyrer der Nächstenliebe für einen Familienvater<br />

beendete und deshalb zu einer Leitfigur der Versöhnung<br />

wurde. Das vorliegende Büchlein lässt sich in<br />

Unterricht und Pastoral vielfältig einsetzen.<br />

Joachim Schmiedl<br />

29


Philip Jenkins<br />

Das goldene Zeitalter des Christentums<br />

Die vergessene Geschichte der größten Weltreligion<br />

Freiburg u.a.: Verlag Herder. 2010<br />

379 Seiten<br />

24,95 €<br />

ISBN 978-3-451-30276-3<br />

Wir brauchen eine Theologie des Untergangs, so<br />

der Religionswissenschaftler Philip Jenkins. Denn<br />

das Sterben von Kirchen und Religionen sei eine Tatsache<br />

der Geschichte. Unbefriedigende Erklärungen<br />

würden hierfür Glaubensschwäche oder Kollision<br />

mit dem göttlichen Plan verantwortlich machen. Bedenkenswerter<br />

sei hingegen die Tatsache, dass eine<br />

Religion selten als „ausgelöscht“ zu gelten habe.<br />

Oftmals feiere sie fröhliche Urständ in der dominanten<br />

Religion (und Kultur) oder lebe später wieder<br />

auf. Andere Religionen hätten gerade auch als<br />

Konkurrenten eine Funktion im Plan Gottes – sofern<br />

dieser existiere. Ein Beispiel: Möglicherweise sei<br />

die historische Ausbreitung des Islam eine „andere<br />

Form göttlicher Offenbarung …; eine, die die christliche<br />

Botschaft ergänzt, sie aber nicht ersetzt“. In<br />

30<br />

jedem Fall sei es ein „Aberwitz, den Glauben an eine<br />

bestimmte Staats- und Gesellschaftsordnung zu<br />

koppeln“. Hier spricht ein Religionswissenschaftler,<br />

der sich auf fundamentaltheologisches Gebiet<br />

(Stichwort „Theologie der Religionen“) wagt und angesichts<br />

der mangelnden systematischen Reflexion<br />

über die beschriebenen historischen Phänomene angreifbar<br />

wird.<br />

In seinem Werk über die Suryoye (west- und ostsyrische<br />

Kirchen), die orientalischen Kirchen, die<br />

syro-malabarische Kirche (Thomaschristen) und die<br />

afrikanischen Kirchen (koptische und äthiopische<br />

Kirche) verbindet der britische Historiker Philip<br />

Jenkins historische Darstellung mit einer Analyse<br />

darüber, was Kirchen überlebensfähig macht bzw.<br />

zu ihrem Untergang führt. Er macht hierbei moderne<br />

Analyseperspektiven (Inkulturation, Globalisierung,<br />

Dechristianisierung) für die Beschreibung<br />

der Bedeutung der monophysitischen Kirchen („Nestorianer“<br />

und „Jakobiten“), die im 5. Jahrhundert<br />

von der Orthodoxie getrennt wurden, fruchtbar. In<br />

westkirchlicher und orthodoxer Wahrnehmung –<br />

man könnte auch sagen: eurozentrischer Perspektive<br />

– spielt die Geschichte dieser Kirchen keine Rolle.<br />

Weit gefehlt! Bis ins 13. Jahrhundert hinein waren<br />

die christlichen Kirchen in jenem riesigen Gebiet von<br />

Armenien über den syrisch-palästinensischen Raum<br />

und Mesopotamien, über den Iran und Zentralasien<br />

bis nach Indien und China mit ihrem geistlichen<br />

und theologischen Potential und ihrem Selbstverständnis<br />

als authentische Zeugen der christlichen<br />

Botschaft die größte Weltreligion (Untertitel). Hinzu<br />

kämen die orientalischen Kirchen (hauptsächlich:<br />

Kopten und Äthiopier). Ein Beispiel für die Bedeutung<br />

jener Kirchen: Der Patriarch („Katholikos“) der<br />

Kirche des Ostens, Timotheus (Amtszeit: 780-823),<br />

war als Oberhaupt von einem Viertel der Weltchristenheit<br />

wohl der „bedeutendste geistliche Führer<br />

seiner Zeit“. Ihm unterstanden 19 Metropoliten


und 85 Bischöfe. Zum Vergleich: Zeitgleich gab es in<br />

England lediglich zwei Metropoliten. Papst Leo III.<br />

kommt ihm nicht nahe. Abgesehen davon, dass auch<br />

das römische Christentum bis zur Verbindung mit<br />

dem Frankenreich östlich geprägt war. „In ihrer Gelehrsamkeit<br />

und in ihrem Zugang zu klassischer Bildung<br />

und Wissenschaft waren die östlichen Kirchen<br />

um 800 auf einem Stand, den das lateinische Europa<br />

nicht vor dem 13. Jahrhundert erreichte“.<br />

Der wesentliche Unterschied beider Christentümer<br />

lag in der Verflochtenheit mit den politischen<br />

Systemen. Zunächst im Herrschaftsbereich des oströmischen<br />

und des persischen Reiches, gerieten die<br />

syrischen (und nordafrikanischen) Kirchen ab dem<br />

7. Jahrhundert unter muslimische Herrscher. Sowohl<br />

unter persischer als auch unter muslimischer<br />

Herrschaft – weiter östlich auch in buddhistischer<br />

und taoistischer Kultur – hatten sie sich in die jeweilige<br />

Gesellschaft, Kultur und Regierungsform inkulturiert.<br />

Sie „boten ihren Glauben in der Sprache<br />

der Kultur dar, der sie begegneten, und verwendeten<br />

deren künstlerische und literarische Ausdrucksformen“.<br />

Der Kontakt zur dominanten Religion<br />

(zunächst: Judentum, dann: Islam, Zoroastrismus;<br />

weiter östlich auch Buddhismus und Taoismus)<br />

war selbstverständlich. Die kulturelle Verwobenheit<br />

war derart eng, dass die Vorstellung, der Islam<br />

habe das Wissen der Antike in den Westen gebracht,<br />

ungenau ist. „Es waren Christen – Nestorianer, Jakobiten,<br />

Orthodoxe und andere –, die das kulturelle<br />

Erbe der Antike – Naturwissenschaft, Philosophie,<br />

Medizin – bewahrten und übersetzten und in Zentren<br />

wie Bagdad und Damaskus brachten. Vieles<br />

von dem, was wir arabische Gelehrsamkeit nennen,<br />

war in Wirklichkeit syrisch, persisch, koptisch; es<br />

war nicht notwendig muslimisch“. In diesem Kontext<br />

betont Jenkins immer wieder, dass die Wurzeln<br />

des Islam nicht zuletzt in der christlich-syrischen<br />

Tradition lägen. „Es dauerte viele Jahrhunderte, bis<br />

der Islam als eigenständige Religion klare Konturen<br />

gewonnen hatte“. Anscheinend typisch „islamische“<br />

Eigenheiten (architektonische Formen wie Moschee,<br />

Minarett und Kanzel; strenge Fastenzeit; Niederwerfung;<br />

Separierung der Frauen; mystische Religiosität;<br />

repetierende Gebetsformen) waren christlich<br />

vorgegeben.<br />

Ihre Blütezeit erlebte dieses Christentum zwischen<br />

dem 3. und dem 13. Jahrhundert. Bis ins<br />

11. Jahrhundert hinein gab es nur lokale und sporadische<br />

Verfolgungen. Innerkirchlich blieb man rechtlich<br />

autonom und befähigt, missionarisch außerhalb<br />

muslimischen Herrschaftsgebiets, also weiter<br />

nach Osten, zu wirken. Dies habe jedoch nicht viel<br />

mit einem „toleranten Islam“ zu tun. Erst seit dem<br />

14. Jahrhundert sei es zu systematischen Christenverfolgungen<br />

gekommen. Ähnliches ist auch für China<br />

(Ming-Dynastie) belegt. „Wohl nur mit Ausnahme<br />

Indiens war es nach 1300 schwierig, außerhalb des<br />

Schutzes eines christlichen Staates den christlichen<br />

Glauben zu praktizieren“. Überlebt hatte in jenen Gebieten<br />

lediglich eine kleine christliche Minderheit.<br />

Der Bevölkerungsanteil von Christen sank in Asien<br />

und Afrika von ca. 34% (um 1200) auf 6% (um 1500).<br />

Diese Minderheiten fielen den nationalistisch motivierten<br />

Verfolgungen des 19. und 20. Jahrhunderts<br />

größtenteils zum Opfer. Diese werden ausführlich<br />

erörtert (u.a. der Genozid an den Armeniern).<br />

Das vorliegende Werk ist eine lesenswerte, auch<br />

für den historischen Laien verständliche Einführung<br />

in Geschichte und Bedeutung der syrischen und orientalischen<br />

Kirchen. Es bietet Hilfestellungen für<br />

das Verständnis heutiger religiös motivierter Konflikte<br />

(etwa in Ägypten, im Irak oder im Libanon) und<br />

rückt unsere westkirchliche Perspektive global zurecht.<br />

Allerdings erschließt sich die Gliederung nicht<br />

ohne weiteres, was ein fehlendes Register umso gravierender<br />

macht. Als Ergebnis bleibt der Eindruck<br />

31


zurück, dass nicht der Kampf von Kulturen oder<br />

gar Religionen zum Tod einer Kirche führt. Weitaus<br />

wichtiger sind (macht-)politische Erwägungen. Was<br />

bedeutet dies vor dem Hintergrund der von Jenkins<br />

beschriebenen und faszinierenden Inkulturationsprozesse<br />

einerseits, andererseits angesichts seiner<br />

Warnungen vor einer zu weitgehenden Assimilation<br />

(gerade auch im Politischen)? Bedarf das Christentum<br />

in christlich geprägten, jedoch säkularen Gesellschaften<br />

einer größeren Widerstandskraft und<br />

Bereitschaft zum Martyrium? Was genau ist hier<br />

dem Untergang geweiht: die säkulare Anbiederung<br />

oder das inkarnatorische Vertrauen in die Präsenz<br />

des Reiches Gottes, das nicht von dieser Welt ist?<br />

Mit welcher kritischen Distanz kommentiert Theologie<br />

in beiden Fällen das Politische, das ihr zum<br />

Verhängnis werden mag? Welcher Religionsersatz<br />

prägt (oder: prägte dann) Kultur? Möge Jenkins<br />

solche Fragen hin zu einer „Religionswissenschaft<br />

des Untergangs“ systematisch durchdenken und dadurch<br />

theologisch diskursfähig werden.<br />

32<br />

Jörg Seiler


Kunst<br />

34 Hauptwerke der Kunstgeschichtsschreibung<br />

// 36 <strong>Limburg</strong> an der Lahn // <strong>Limburg</strong><br />

an der Lahn. Der Dom // 38 Das Bilderlexikon<br />

der christlichen Symbole<br />

33


Paul von Naredi-Rainer / Johann Konrad Eberlein /<br />

Götz Pochat (Hg.)<br />

Hauptwerke der Kunstgeschichtsschreibung<br />

Kröners Taschenausgabe; Bd. 364<br />

Stuttgart: Alfred Kröner Verlag. 2010<br />

532 Seiten<br />

49,90 Euro<br />

ISBN 978-3-520-36401-2<br />

Was sind Hauptwerke der Kunstgeschichtsschreibung<br />

aus sechs Jahrhunderten? Wer beurteilt das?<br />

Wenn man das Buch aufschlägt, ist man u. U. schon<br />

enttäuscht, findet man doch die Hauptwerke nicht<br />

selbst – die füllen einige Zehn-Meter Bücherregal –,<br />

sondern deren Zusammenfassung und Kommentierung<br />

mit Literaturangaben. Einhundertsechsundsechzig<br />

Hauptwerke sind aufgeführt und auf 532<br />

Seiten dargestellt, d.h. für jedes Hauptwerk bleiben<br />

zur Darstellung desselben ca. drei Buchseiten. Reicht<br />

das aus, um z.B. Beltings „Bild und Kult“, Jantzens<br />

„Kunst der Gotik“, Panofskys „Studies in Iconology“<br />

oder Winckelmanns „Geschichte der Kunst des Altertums“<br />

ausreichend darzustellen?<br />

Achtundvierzig Autorinnen und Autoren haben<br />

sich zu diesem Unternehmen bereiterklärt, d.h. jeder<br />

von ihnen übernahm durchschnittlich drei Aufsätze,<br />

hier Essay genannt, die immer auch persönliche Ansichten,<br />

Wertungen und subjektive Einsichten enthalten.<br />

Die Veröffentlichungsdaten der Hauptwerke<br />

sind sorgfältig ediert. Hilfreich ist der bibliographische<br />

Anhang zu den besprochenen Werken, der<br />

einen raschen Zugriff und die Einordnung der Werke<br />

ermöglicht und erste Hinweise auf Hilfen zum Verständnis<br />

bietet. Die zahlreichen Literaturhinweise<br />

verweisen auf neue und neuere Sekundärliteratur.<br />

34<br />

Nun, das Buch richtet sich nach dem Vorwort<br />

vor allem an Studierende der Kunstgeschichte! Die<br />

Darstellungen suchen einen „erfolgreich erprobten<br />

Mittelweg zwischen Anthologie und lexikalischem<br />

Nachschlagewerk“. Ob der Mittelweg zwischen Originaltext<br />

und einem lexikalischen Artikel die vorliegenden<br />

Essays sind, sei dahingestellt. Gibt es<br />

überhaupt eine Alternative zum Studium der Originaltexte<br />

(ggf. in Übersetzungen) für Studentinnen<br />

und Studenten der Kunstgeschichte, falls sie sie<br />

wirklich studieren wollen oder müssen? Die Textsammlung<br />

ist Fast Food für Studierende, an den<br />

reich gedeckten Tisch der kunstgeschichtlichen Literatur<br />

lädt sie nicht ein. Sie tut so, als ob der verzichtbar<br />

sei. Die Sammlung verspricht den schnellen<br />

Konsum. Studium ist aber gerade die lang anhaltende,<br />

eventuell mühevolle Arbeit am Text, die in den<br />

Texten und besonders im Vorwort nicht gefordert<br />

wird. Einige Einwände zum Verfahren nehmen die<br />

Autoren im Vorwort auf. Sie sind sich deren „natürlich<br />

bewusst“. Manche Einwände freilich kommen<br />

nicht vor und sind wohl nicht bedacht oder leider<br />

verschwiegen. Cui bono?


Das Buch kann man getrost als einen „Reader´s<br />

Digest“ der Kunstgeschichtsschreibung bezeichnen.<br />

Der vorliegende Band ersetzt nicht die selbständige<br />

Lektüre wichtiger Werke der Kunstgeschichtsschreibung<br />

für die fleißige Studentin und den eifrigen Studenten.<br />

Zu diesem Faktum wären im Buch wenigstens<br />

einige Zeilen anzuführen. Natürlich muss man nicht<br />

all die als Hauptthemen vorgeschlagenen Werke<br />

als angehender Kunsthistoriker gelesen haben. Die<br />

Lektüre der Originaltexte ist aber Voraussetzung<br />

jedes Studiums. Der vorliegende Band verwischt<br />

diese Forderung und trägt dazu bei, das Studium<br />

Second Hand zu verstehen. Die Folgen davon sind<br />

auch durch den leichtfertigen Umgang mit Zitaten in<br />

Seminar- und Doktorarbeiten in der Vergangenheit<br />

deutlich geworden. So kann wissenschaftliches Arbeiten<br />

nicht gelernt werden und gelingen. Wikipedia<br />

lässt grüßen!<br />

August Heuser<br />

35


Christoph Waldecker<br />

<strong>Limburg</strong> an der Lahn<br />

Großer Kunstführer; Bd. 251<br />

Regensburg: Verlag Schnell & Steiner in Kooperation mit<br />

dem Verlag des Bischöflichen Ordinariates <strong>Limburg</strong>. 2010<br />

48 Seiten<br />

44 Fotos, 1 Karte<br />

9,90 €<br />

ISBN 978-3-7954-2332-2<br />

Matthias Th. Kloft<br />

<strong>Limburg</strong> an der Lahn. Der Dom<br />

Kunstdenkmäler im <strong>Bistum</strong> <strong>Limburg</strong>; Bd. 1<br />

Regensburg: Verlag Schnell & Steiner in Kooperation mit<br />

dem Verlag des Bischöflichen Ordinariates <strong>Limburg</strong>. 16.,<br />

neu bearb. Auflage 2010<br />

31 Seiten, ill. mit zahlr. Farbfotos<br />

3,00 €<br />

ISBN 978-3-7954-4365-8<br />

In der Reihe seiner Großen Kunstführer legt der<br />

Verlag Schnell & Steiner in Kooperation mit dem<br />

Verlag des Bischöflichen Ordinariates <strong>Limburg</strong> den<br />

von Christoph Waldecker erarbeiteten geschichtlichen<br />

und kunstgeschichtlichen Überblick über die<br />

Entwicklung der Stadt <strong>Limburg</strong> an der Lahn vor. Anlass<br />

für dieses Buch ist die am 10. Februar 910, also<br />

vor 1100 Jahren, erstmals erfolgte Erwähnung der<br />

Stadt in einer (noch vorhandenen) in Frankfurt ausgestellten<br />

Schenkungsurkunde, in der König Ludwig<br />

das Kind (901-911) dem Niederlahngauer Gaugrafen<br />

Konrad Kurzbold aus dem Hause der Konradiner einen<br />

Herrenhof in Oberbrechen schenkt, damit er auf<br />

„dem Berge namens Lintburk im Lahngau“ eine Kirchen<br />

errichten könne.<br />

36<br />

Ausgehend von diesem Ereignis verfolgt der Autor<br />

in sieben Zeitschritten die geschichtliche Entwicklung<br />

der Stadt bis in die Gegenwart: Vor- und<br />

Frühgeschichte; Die Entwicklung <strong>Limburg</strong>s vom 10.<br />

bis zum Anfang des 13. Jahrhunderts; <strong>Limburg</strong> unter<br />

der Herrschaft der Isenburger (1219-1406); <strong>Limburg</strong><br />

in Kurtrier (1406-1802/3), <strong>Limburg</strong> im Herzogtum<br />

Nassau (1806-1866); Die preußische Stadt <strong>Limburg</strong><br />

(1866-1945); <strong>Limburg</strong> seit 1945.


Jeder dieser Abschnitte umfasst nicht allein eine<br />

Aufzählung geschichtlicher Ereignisse, sondern ist<br />

illustriert mit ausgezeichneten Farbfotos derjenigen<br />

öffentlichen und privaten Bauten, die in der jeweiligen<br />

Epoche entstanden sind. Jedes Foto ist dabei in<br />

einer kurzen Bildunterschrift erläutert, wird darüber<br />

hinaus in die einzelnen Zeitabschnitte innerhalb<br />

des Textes hineingestellt und ihnen zugeordnet. So<br />

werden die wichtigsten Gebäude – neben dem Dom<br />

und anderen Kirchen und Klöstern vor allem auch<br />

Wohnhäuser – aus ihrer zeitgenössischen Bauform<br />

heraus lebendig und erzählen ein interessantes<br />

Stück <strong>Limburg</strong>er Stadtgeschichte.<br />

Man sollte diesen Band, der seinen Schwerpunkt<br />

in der Altstadt und ihrer Architektur hat, einfach in<br />

die Hand nehmen und mit ihm einen Spaziergang<br />

durch die Stadt <strong>Limburg</strong> machen. Die auf der Innenseite<br />

des rückwärtigen Deckblatts dazu gelieferte<br />

Karte kann, nimmt man etwa den Dom als Ausgangspunkt,<br />

eine gute Hilfe sein.<br />

Parallel zum Erscheinen der Stadtgeschichte hat<br />

Matthias Th. Kloft den Kleinen Kunstführer über den<br />

das Bild der Stadt beherrschenden <strong>Limburg</strong>er Dom<br />

einer eingehenden Überarbeitung unterzogen. Ausgehend<br />

von der Lage der Kirche, ihren Gründern und<br />

Stiftern, ihrer Entstehung führt er den Betrachter<br />

durch das Innere dieses imposanten Bauwerkes,<br />

das um 1190 seinen Ursprung hat. Der Besucher<br />

lernt dabei nicht allein die ins Auge springenden<br />

Kunstwerke wie das Grabmal Konrad Kurzbolds,<br />

den figurenreichen Taufstein (beide aus dem Anfang<br />

des 13. Jh.), die unterschiedlichen Zeitepochen<br />

entstammenden Wandmalereien in detaillierter<br />

Erläuterung kennen und verstehen, sondern wird<br />

auch auf versteckte oder unauffällig angebrachte<br />

Gemälde, Heiligendarstellungen, Grabmale oder<br />

baulich interessante Gegebenheiten hingewiesen.<br />

Aufschlussreich und wichtig ist dabei immer wieder<br />

die Einordnung in die Geschichte des Domes<br />

ausgehend von der ursprünglichen Stifts- und<br />

Pfarrkirche hin zur jetzigen Bischofskirche, wobei<br />

der abschließende Abschnitt auch auf diese Kirche<br />

als Begräbnisort gesondert eingeht. Eine kurze<br />

Zeittafel am Schluss des handlichen Heftes ergänzt<br />

zusammenfassend das vorher Gesagte.<br />

Ergänzend sei in diesem Zusammenhang noch<br />

einmal auf den ebenfalls von Matthias Th. Kloft erarbeiteten<br />

Schnell & Steiner Kunstführer Nr. 2665<br />

Domschatz und Dommuseum <strong>Limburg</strong> an der Lahn<br />

(Regensburg 2008) hingewiesen (vgl. dazu Rezension<br />

in „<strong>Eulenfisch</strong> Literatur“ Nr. 1/2009, S. 16).<br />

Bernhard Merten<br />

37


Eckhard Bieger<br />

Das Bilderlexikon der christlichen Symbole<br />

Leipzig: St. Benno-Verlag. 2011<br />

288 Seiten mit farb. Abb.<br />

9,95 €<br />

ISBN 978-3-7462-3107-5<br />

Eckhard Bieger, Jesuitenpater mit jahrzehntelanger<br />

Erfahrung in katholischer Fernseh- und Internetarbeit,<br />

weiß um die Schwierigkeiten der Vermittlung<br />

christlicher Tradition in die Medien- und Informationsgesellschaft<br />

der Gegenwart. Sein „Bilderlexikon<br />

der christlichen Symbole“ will Zugänge zu dem verschaffen,<br />

was den Bilderreichtum des Christentums<br />

ausmacht. So beginnt er das Lexikon mit einem Kapitel<br />

über symbolisches Sehen. Die Beobachtung der<br />

Natur und die im Mittelalter praktizierten allegorischen<br />

Auslegungen der Bibel mitsamt ihrer Umsetzung<br />

in Sakralräume stellen dafür die materielle<br />

Grundlage. Wie sich der Kirchenbau im Laufe der<br />

Jahrhunderte in seinen verschiedenen Stilepochen<br />

von den Katakomben bis in die späte Moderne verändert<br />

hat und kulturprägend geworden ist, ist Gegenstand<br />

der Schlusskapitel. Biegers Resümee: „Ein<br />

neuer Stilwille ist gefragt.“ Dazu allerdings brauche<br />

es eine neue liturgische Bewegung.<br />

Das Material dazu findet sich im lexikalischen<br />

Teil des Buches, der von Abakus bis Zwickel reicht.<br />

Erklärt werden biblische Symbole, die in Bildern<br />

und im Kirchenbau verwendet werden. Bieger führt<br />

in die Struktur der Liturgie und ihrer Zeichen, die<br />

liturgischen Geräte und Gewänder, ebenso ein wie<br />

in architektonische, künstlerische und theologische<br />

Bedeutung der Umsetzung dieser Symbolik in den<br />

Kirchen der großen Bauepochen. Nicht behandelt<br />

werden die Attribute der Heiligen, mit Ausnahme<br />

einiger biblischer Personen. Unterstützt wird die<br />

textliche Erläuterung durch eine umfangreiche farbige<br />

Bebilderung mit Beispielen vorwiegend aus<br />

dem europäischen Raum. Obwohl die Abbildungen<br />

der lexikalischen alphabetischen Anordnung folgen,<br />

zeigen sie doch einen Querschnitt durch die Perioden<br />

der Christentumsgeschichte, was auch in der<br />

Berücksichtigung verschiedener Konfessionen zum<br />

Ausdruck kommt.<br />

38<br />

Bieger hat ein Lexikon vorgelegt, das Verständnis<br />

und Sympathie für die christliche Tradition zu<br />

wecken weiß. Er macht deutlich, dass Pluralität im<br />

künstlerischen Ausdruck von Theologie zum Grundbestand<br />

des Christentums gehört. Sein Lexikon ist<br />

ein Plädoyer dafür, dieser Vielfalt auch in Zukunft<br />

eine Chance zu geben.<br />

Joachim Schmiedl


Philosophie / Ethik<br />

40 Atlas der wirklichen Welt. So haben Sie<br />

die Erde noch nie gesehen // 42 Zentrale<br />

Fragen christlicher Ethik. Für Schule und Erwachsenenbildung<br />

// 43 Endlich unsterblich.<br />

Zwischen Körperkult und Cyberworld // 45<br />

Heilige Einfalt. Über die politischen Gefahren<br />

entwurzelter Religionen<br />

39


Daniel Dorling / Mark Newman / Anna Barford (Hg.)<br />

Atlas der wirklichen Welt<br />

So haben Sie die Erde noch nie gesehen<br />

Aus d. Engl. übers. v. Susan Haynes-Huber / Verena Küster /<br />

Gabi Weichert / Inge Deventer<br />

Darmstadt: Primus Verlag. Neuauflage 2010<br />

400 Seiten mit ca. 382 farb. Karten<br />

49,90 €<br />

ISBN 978-3-89678-708-8<br />

„So haben Sie die Erde noch nie gesehen“ – dieser<br />

Untertitel ist keineswegs übertrieben. Sicher –<br />

dieser Atlas – 2008 erstmalig aufgelegt – ist gewöhnungsbedürftig.<br />

Er zeigt die Welt in einer Form, wie<br />

wir sie bisher zumeist nur in Einzeldarstellungen<br />

oder -ausschnitten etwa im Wirtschaftsteil einer<br />

Zeitung kennengelernt haben. Ergebnisse neuester<br />

und neuartiger digitaler Kartografiemög lichkeiten<br />

werden in Verbindung mit prägnanten Wirtschaftsanalysen<br />

ausgenutzt, um die in der jeweiligen Kartenübersicht<br />

dargestellten Sachverhalte eingängig<br />

zu machen. Um sich mit der Farb- und Formgebung<br />

des Kartenmaterials und dessen Aussage vertraut<br />

zu machen, ist es wichtig, die entsprechenden Hinweise<br />

in der Einführung zu beachten und sich mit<br />

der Seite „Regionen und Staaten“ eingehender zu<br />

beschäftigen. Die Kartogramme lassen, was gewöhnungsbedürftig<br />

ist, die einzelnen Länder zwar<br />

jeweils in derselben Farbe erscheinen, wobei die<br />

Staaten dabei in zwölf Re gionen gruppiert sind, die<br />

ebenfalls farblich gekennzeichnet sind, um so großflächige<br />

geografische Zusammenhänge zu verdeutlichen.<br />

Die Kartogramme lassen dabei z.B. einzelne<br />

Länder umso grö ßer erscheinen, je mehr sie von dem<br />

dargestellten Thema beeinflusst werden. Geht es<br />

also etwa um das Gesundheitssystem, wirkt Europa<br />

stark aufgebläht, während Afrika zu einer schmalen<br />

Linie zusammenschrumpft.<br />

Sechs Großthemen mit zahlreichen Untergliederungen<br />

entschlüsseln detailliert die gewählten<br />

Schwerpunkte: Menschen und Ressourcen; Die Welt<br />

des Handels; Die Welt der Wirtschaft; Die sozi ale<br />

Welt; Die Welt der Gefahren; Die Welt des Glaubens.<br />

Jede einzelne der 382 Karten wird ergänzt durch<br />

eine knappe Erläuterung und eine Tabelle, die zu-<br />

40<br />

meist jeweils zehn Länder mit dem höchsten und<br />

dem niedrigsten Wert zum jeweiligen Aspekt angibt.<br />

Zusätzlich betrachten Diagramme die Daten der<br />

Karten aus einem anderen Blickwinkel. Interessant<br />

und besonders aussagekräftig sind dabei Doppelseiten,<br />

die unmittelbare Zusammenhänge paarweise<br />

aufschlüsseln, z.B. Export – Im port; Verbesserung<br />

des Entwicklungsstandards – Verschlechterung des<br />

Entwicklungsstandards; Armut – Reichtum; Katholische<br />

Christen – Protestantische Christen u.ä.<br />

Das Gleiche gilt von Kar tenfolgen wie die 6 Karten<br />

umfassende Übersicht „Wohlstandsverteilung im<br />

Jahr 1“ bis „Wohl standsverteilung im Jahr 2015“.<br />

Gerade diese Gegenüberstellungen verdeutlichen<br />

wirtschaftliche, politische, soziale, ökologische, religiöse<br />

Zusammenhänge, aber auch Gegensätze und<br />

ermöglichen Vergleiche.<br />

Es würde zu weit führen, im Rahmen dieser Besprechung<br />

auf einzelne Karten einzugehen. Jede<br />

steht für sich allein mit ihrer Aussage, aber sie will<br />

und muss immer wieder im Zusammenhang des<br />

ganzen Bandes gesehen werden. Sucht man eine<br />

bestimmte Position, wird man über das Inhaltsverzeichnis<br />

leicht fündig. Ein Verzeichnis der Abkürzungen<br />

und ein detailliertes Quellenverzeichnis


unden den Band ab. Man kann ohne Übertreibung<br />

sagen, dass hier ein vielfältig neues Weltbild vermittelt<br />

wird, das uns in eindrucksvoller Weise die<br />

globale Unverhältnismäßigkeit vor Augen führt, zum<br />

Nachdenken anregt und nachdenken lässt über die<br />

Welt um uns und unseren Platz darin. Und gerade<br />

deswegen ist dieser Atlas in seiner Reichhaltigkeit<br />

der Aussagen ein ausgezeichnetes Arbeitsmittel für<br />

viele unterschiedliche Unterrichtsfächer und -stunden.<br />

Bernhard Merten<br />

41


Konrad Hilpert<br />

Zentrale Fragen christlicher Ethik<br />

Für Schule und Erwachsenenbildung<br />

Regensburg: Verlag F. Pustet. 2009<br />

272 Seiten<br />

22,00 €<br />

ISBN 978-3-7917-2180-4<br />

Das Buch, das Konrad Hilpert vorlegt, zeigt, dass<br />

es sich einer langjährigen Erfahrung in Schule und<br />

Erwachsenenbildung verdankt. Der Aufbau des<br />

Buches ist einfach und aufschlussreich. Drei Kapiteln<br />

Grundfragen (Verantwortung, ethisches Urteilen,<br />

Moralvorstellungen und Lebensformen Jugendlicher)<br />

folgen drei Kapitel zum Thema Orientierung<br />

(Dekalog, Schuld, das Böse). Daran schließen sich<br />

wieder drei Kapitel Handlungsfelder an (Gestaltungen<br />

von Beziehungen, Bioethik, Menschenrechte).<br />

Das Buch endet mit wiederum drei Kapiteln Kontexte<br />

(Werte in der Schule, nichttheologische Ethikansätze,<br />

Moralische Pluralität als Herausforderung).<br />

Hilpert erörtert außerordentlich differenziert das<br />

Für und Wider der angesprochenen Themen. Beispielhaft<br />

scheint mir dafür seine Argumentation<br />

im letzten Kapitel zu sein. Wer nicht gerade Fundamentalist<br />

oder Relativist ist, wird von der Ausgewogenheit<br />

der Argumentation beeindruckt sein. Da<br />

aber das komplexe und filigrane Argumentationsmuster<br />

an keinem strittigen Beispiel getestet werden<br />

kann, wird doch nicht klar, wie die vorgestellte<br />

Argumentation zum Ziel führt. Hilpert weist zwar<br />

Fundamentalismus und Relativismus eindeutig in<br />

ihre Schranken. Da das Wortfeld Hilperts aber am<br />

liberalen Pol der Auseinandersetzung reichhaltiger<br />

ist, richtigerweise Pluralismus auch eindeutig befürwortet,<br />

dagegen am anderen Ende aber nur von<br />

Fundamentalismus spricht und ein Begriff wie<br />

konservativ gar nicht vorkommt, haben Tradition,<br />

Lehramt, Schrift vielleicht ungewollt einen Drive ins<br />

Fundamentalistische. Leider wendet er die wirklich<br />

beeindruckende Matrix seiner Argumentation nicht<br />

auf konkrete Fälle an, so dass Orientierungen und<br />

Positionierungen nicht erkennbar sind.<br />

42<br />

Dem Untertitel „Für Schule und Erwachsenenbildung“<br />

werden seine Ausführungen voll gerecht. Alle<br />

Kapitel eignen sich ausnahmslos für einen Einstieg<br />

in die jeweilige Thematik und geben einen guten<br />

Überblick.<br />

Helmut Müller


Klaus Müller<br />

Endlich unsterblich<br />

Zwischen Körperkult und Cyberworld<br />

Kevelaer: Verlag Butzon & Bercker. 2011<br />

200 Seiten<br />

17,90 €<br />

ISBN 978-3-7666-1479-7<br />

Der Körper ist Objekt eines beständigen Kultes!<br />

Von dieser historisch triftigen Grundthese ausgehend<br />

beleuchtet der Münsteraner Religionsphilosoph<br />

Klaus Müller in seiner Bestandsaufnahme<br />

„Endlich unsterblich. Zwischen Körperkult und<br />

Cyberworld“ geistreich und illustrativ gegenwärtige<br />

körperkultische Erscheinungsformen, die nach<br />

Müller mit den immer neuen Errungenschaften der<br />

plastischen Chirurgie, der chemischen Stimulation<br />

und der Biotechnologie immer „extremer“ werden<br />

und den menschlichen Körper letztlich zu einer<br />

„Frage des Designs“ entwerten. In jenem Körperkult<br />

äußere sich nach Müller das anthropologische Bedürfnis<br />

nach einer spezifischen Form von Selbsterhaltung,<br />

die gleichsam nach Möglichkeiten der Entgrenzung<br />

aus „substantieller Endlichkeit“ suche. Wo<br />

diese Suche früher allein im mythischen Verweis auf<br />

eine heilermöglichende Transzendenz als gelingend<br />

erzählt werden konnte, entfalte sich im „Skandal der<br />

Spätmoderne“ die wachsende Sicherheit, „dass der<br />

Mensch bald als sein eigener Schöpfer agieren könne“.<br />

In diesem weltanschaulichen Standpunkt werde<br />

der Mensch nach Müller vor allem auch durch die<br />

Körperkonzepte, die in der Cyberworld propagiert<br />

werden, bestärkt. Hier finde man in Projekten wie<br />

z.B. „Second Life“ die Möglichkeit, sich virtuell zu<br />

entgrenzen. Mit Müller lässt sich die Cyberworld als<br />

eine Fortentwicklung in jenem „dritten Zeitalter“ begreifen,<br />

das Joachim von Fiore bereits um das Jahr<br />

1200 „als [ein] Reich des Geistes“ ausrief, „das alte<br />

Regeln und Grenzen hinter sich lässt, durch nichts<br />

aufzuhalten ist und eine ins Hier und Heute gezogene<br />

Erlösung gewährt“. Auch die postmodernen Philosophien<br />

eines Jean Baudrillard oder Peter Sloterdijk<br />

wiesen daraufhin, dass man Virtualität keinen Mangel<br />

an Wirklichkeit zuspreche, sondern vielmehr an<br />

ihr eher den Mangel des Nichtvirtuellen propagiere.<br />

Wo auf diese Weise die Anerkennung substantieller<br />

Endlichkeit suspendiert werde, gehe nach Müller<br />

auch die Vernunftgemäßheit in den entsprechenden<br />

Selbsterhaltungsprozessen und „ein konstitutives<br />

Moment bewusster Lebensführung“ verloren. Die<br />

Wiederentdeckung einer ars moriendi und der „antiästhetische<br />

Impetus der Christusgestalt“ entfaltet<br />

der Religionsphilosoph als zentrale Momente eines<br />

notwendig auszurufenden christlichen Widerworts.<br />

So reich das Material ist, das Müller aus populären<br />

und hochphilosophischen Körper-Geist-Konzepten<br />

der Gegenwart wie der Vergangenheit heranzieht,<br />

um den unbedingt bedenkenswerten Gedankengang<br />

43


zu illustrieren, so geistreich und hellsichtig Müllers<br />

Kommentierungen und Thesen zumeist auch sind, so<br />

mag den Leser bei gewissenhafter Lektüre eine anhaltende<br />

Verstörung begleiten. Eine Verstörung über<br />

das unzweckmäßige Heischen nach der Aufmerksamkeit<br />

des Lesers, über die zum Selbstzweck geratende<br />

Lust an der Provokation. Verstörung auch über<br />

die zynische Kommentierung von klischeehaften Erfahrungen<br />

im Umgang mit den eigenen Altersgenossen:<br />

„Darum lassen sich ältere Damen die Lippen<br />

mit Botox aufspritzen und den Busen vergrößern<br />

und schlucken alte Männer mit Hängebauch Viagra,<br />

um Zeugungsgebaren zu simulieren, statt ihren Enkeln<br />

Geschichten zu erzählen. Weil sich die Sterblichkeit<br />

nicht abschütteln lässt, wird beschleunigt.“<br />

Die nachhaltigste Verstörung stellt sich aber gerade<br />

da ein, wo Müller die für zukünftige, ethische Diskurse<br />

berechtigte und zentrale Forderung nach einer<br />

menschengemäßen Selbsterhaltung formuliert, die<br />

sich fern der Extreme „auf einen endlichen Umfang<br />

in Mitteln wie Zielen einlässt“: Hier verfällt Müller<br />

selbst der von ihm als unheilvolles Menetekel gezeichneten<br />

Rhetorik „brutaler Eugenik-Diskussion“,<br />

wenn er mit Blick auf die medizinischen Errungenschaften<br />

der Gegenwart kommentiert: „Schon jetzt<br />

wird durch die Erfolge der Medizin die Evolution<br />

der menschlichen Gattung im Sinne Darwins abgeschwächt:<br />

Je mehr körperliche Schwächen technisch<br />

ausgeglichen werden können, desto häufiger<br />

werden diese Schwächen in der Erbfolge weitergegeben<br />

werden, weil sie den ohne künstliche Hilfe<br />

Stärkeren nicht mehr unterlegen sind (das ist heute<br />

schon Realität durch den Erfolg der Rettung Früh-<br />

und Frühstgeborener). Solcher Selektionsmangel [!]<br />

wird mittelfristig zu einer statistischen Zunahme<br />

genetischer Mängel führen.“<br />

44<br />

Michael Novian


Olivier Roy<br />

Heilige Einfalt<br />

Über die politischen Gefahren<br />

entwurzelter Religionen<br />

München: Siedler Verlag. 2010<br />

336 Seiten<br />

22,95 €<br />

ISBN 978-3-88680-933-2<br />

Erinnern Sie sich noch an Samuel Huntington? Der<br />

2008 verstorbene Politikwissenschaftler aus Harvard<br />

hatte mit seinen Thesen zum „Kampf der Kulturen“,<br />

die er 1993 in der renommierten Zeitschrift<br />

„Foreign Affairs“ und drei Jahre später in Buchform<br />

veröffentlichte, eine internationale Debatte entfacht,<br />

die bis heute nachhallt. Huntington stellte die These<br />

auf, dass nach dem Ende des Ost-West-Gegensatzes<br />

nicht etwa das Zeitalter globaler Demokratie und<br />

Markwirtschaft ausbreche, wie sein Kollege Francis<br />

Fukuyama (Das Ende der Geschichte, 1992) prophezeite,<br />

sondern ältere religiös-kulturelle Konfliktlinien<br />

sichtbar werden, an denen die politischen und<br />

militärischen Auseinandersetzungen der Zukunft<br />

stattfinden. Die Bürgerkriege im ehemaligen Jugoslawien<br />

und im Sudan, die zunehmenden Spannungen<br />

zwischen Hindus und Muslimen in Indien und der<br />

Nahost-Konflikt schienen die These vom „Clash of<br />

Civilizations“ zu bestätigen, und zwar nicht nur in<br />

den Augen der politischen „Falken“, sondern auch<br />

der „Tauben“. Letztere zogen aus Huntingtons Analyse<br />

den Schluss, dass politisch-militärische Maßnahmen<br />

zur Friedenssicherung langfristig nur erfolgreich<br />

sein werden, wenn sie durch Bemühungen<br />

um einen interkulturellen und interreligiösen Dialog<br />

unterstützt werden. Dabei wird vorausgesetzt, dass<br />

Religion und Kultur unentwirrbar miteinander verbunden<br />

sind. Genau diese Voraussetzung bestreitet<br />

Olivier Roy in seinem Buch „Heilige Einfalt“.<br />

Der französische Religions- und Islamwissenschaftler<br />

zeigt an einer beeindruckenden Fülle von<br />

Beispielen aus nahezu allen Religionen und Erdteilen,<br />

dass wir gegenwärtig Zeugen der Trennung von<br />

Religion und Kultur werden. Der neuzeitliche Säkularisierungsprozess<br />

habe die Religion nicht zerstört,<br />

sondern von Politik, Wirtschaft, Kunst und Kultur<br />

getrennt und damit die Voraussetzung für die viel<br />

diskutierte „Rückkehr der Religionen“ geschaffen.<br />

Mit der Trennung von Religion und Kultur wird es<br />

möglich, dass ein Deutscher Muslim oder Buddhist<br />

ist, ein Schwarzafrikaner Mormone, ein Japaner<br />

sich zum evangelikalen Christentum bekehrt oder<br />

ein Engländer Jude wird. In der Folge werden nicht<br />

nur die westlichen Gesellschaften multireligiös, was<br />

die Trennung von Religion und Kultur wiederum<br />

fördert. Gleichzeitig werden religiöse und kulturelle<br />

Marker neu kombiniert, wofür „Mekka-Cola“ oder<br />

„halal McDonald’s“ nur augenfällige Beispiele sind.<br />

Nun weiß natürlich auch Roy, dass Religion und<br />

Kultur auch in früheren Zeiten selten identisch waren.<br />

Das Christentum, der Islam und der Buddhismus<br />

sind gerade jenseits ihrer kulturellen Entstehungskontexte<br />

erfolgreich und ihrerseits kulturbildend<br />

geworden. In prägnanten Abhandlungen zur katholischen<br />

und protestantischen Mission der Neuzeit<br />

zeigt Roy auf, wie im katholischen Missionsdiskurs<br />

seit der Eroberung Lateinamerikas höchst differen-<br />

45


zierte und innerkirchlich nicht selten umstrittene<br />

Deutungen des Verhältnisses von Christentum und<br />

Kultur (Stichwort: Inkulturation) entwickelt wurden,<br />

während der Protestantismus, der erst im 18.<br />

Jahrhundert missionarische Aktivitäten entfaltete,<br />

sich weitgehend indifferent gegenüber dieser Frage<br />

verhält. Leider vernachlässigt er in diesem Kapitel<br />

die bis heute wirksamen Theorien des deutschen<br />

Kulturprotestantismus.<br />

Die gegenwärtig missionarisch höchst erfolgreichen<br />

Religionen wie das evangelikale Christentum,<br />

die Pfingstkirchen oder der salafitische Islam<br />

lehnen hingegen jede Inkulturation als Abfall von<br />

der vermeintlich reinen Ursprungsreligion ab. Ihr<br />

Erfolg beruht Roy zufolge gerade auf ihrer dekontextualisierten<br />

religiösen Botschaft. Was damit<br />

gemeint ist, verdeutlicht die fundamentalistische<br />

Bibellektüre. Ihr Kennzeichen ist nicht, dass die<br />

Bibel wörtlich gelesen wird. Im Unterschied zur<br />

historisch-kritischen Exegese, die den Bibeltext im<br />

Entstehungskontext deutet, und der traditionellen<br />

Exegese, deren Schriftdeutung sich an den Rezeptionskontexten<br />

orientiert, lösen Evangelikale und andere<br />

die Schrift aus allen Kontexten und behaupten<br />

eine Unmittelbarkeit des Lesers zum Text ohne jede<br />

Rücksicht auf dessen sprachliche, historische und<br />

kulturelle Vermittlung. Die radikalste Form dieser<br />

Dekontextualisierung stellen zweifellos die Pfingstkirchen<br />

mit ihrer hohen Wertschätzung der Glossolalie<br />

dar. Ihre „Botschaft“ trennt sich konsequent<br />

von jeder Sprache und Kultur und wird dadurch universal<br />

„verständlich“, in Los Angeles ebenso wie in<br />

Burkina Faso oder Rio de Janeiro.<br />

Olivier Roy hält es deshalb für missverständlich,<br />

von einer „Rückkehr der Religionen“ zu sprechen,<br />

denn erfolgreich sind gegenwärtig nicht etwa die<br />

traditionellen Formen von Religion, sondern jene<br />

neuen religiösen Bewegungen innerhalb wie außer-<br />

46<br />

halb der traditionellen Gemeinschaften, die ganz auf<br />

Erfahrung und Gefühl setzen; Religionen ohne Tradition<br />

und Institution, ohne Theologie und Vernunft.<br />

Für den Siegeszug der „Heiligen Einfalt“ findet Roy<br />

erschreckend viele Beispiele in allen Religionen und<br />

Regionen dieser Welt. Die Lektüre seines kenntnisreichen<br />

Buches ist vor allem Religionslehrerinnen<br />

und Religionslehrern zu empfehlen. Ihre Aufgabe ist<br />

es, der Ausbreitung der frommen Einfalt durch religiöse<br />

Bildung wenigstens Grenzen zu setzen.<br />

Andreas Verhülsdonk


Religionspädagogik<br />

48 Kompetenzorientiert unterrichten. Das<br />

Praxisbuch für den Religionsunterricht // 49<br />

Das hat Sinn. Methodenwerkstatt rund um<br />

die Bibel // 50 Hört Gott uns, wenn wir beten?<br />

Wenn Kinder mehr wissen wollen // 51<br />

Brenn-Punkte. Religionssensible Erziehung<br />

in der Praxis // 52 Literarische Texte im Religionsunterricht.<br />

Ein Handbuch für die Praxis //<br />

Gestatten: Gott! Religion in der Kinder- und<br />

Jugendliteratur der Gegenwart // 54 Oberstufe<br />

Religion Neuausgabe. Jesus Christus<br />

Schülerheft // Lehrerband // 56 Religionsunterricht<br />

als Praxis der Freiheit. Überlegungen<br />

zu einer religionsdidaktisch orientierten Theorie<br />

gläubigen Handelns // 58 Religiöse Differenz<br />

als Chance? Positionen, Kontroversen,<br />

Perspektiven // 59 Auf die Lehrer kommt es<br />

an! Für eine Rückkehr der Pädagogik in die<br />

Schule // 61 Bildung und Religionsunterricht<br />

47


Wolfgang Michalke-Leicht (Hg.)<br />

Kompetenzorientiert unterrichten<br />

Das Praxisbuch für den Religionsunterricht<br />

München: Kösel-Verlag. 2011<br />

240 Seiten<br />

17,99 €<br />

ISBN 978-3-466-37013-9<br />

Das deutsche Bildungswesen befindet sich derzeit<br />

in einem gewaltigen Umbruch – weg von den<br />

Lehrplänen mit ihren primären Vorgaben über unterrichtliche<br />

Inhalte und hin zu den Bildungsstandards.<br />

Zukünftig geht es darum, was Lernende zu<br />

bestimmten Zeitpunkten ihres schulischen Bildungsgangs<br />

können sollen. Diese Schülerleistungen<br />

sind Erwartungen an eine Befähigung und werden<br />

als Kompetenzen bezeichnet. Stand einst noch der<br />

zu vermittelnde Inhalt im Vordergrund, gilt nunmehr<br />

das Augenmerk dem Lernen aus der Sicht des<br />

Schülers. Damit einher geht ein Umdenken in der<br />

Lernkultur. Der Gymnasiallehrer und Mitherausgeber<br />

des kompetenzorientierten Unterrichtswerks<br />

„Mittendrin – Lernlandschaften Religion“ geht in<br />

diesem Buch der Frage nach, was kompetenzorientierter<br />

Unterricht bedeutet und wie dieser in der<br />

Praxis gelingen kann. Dabei unterstreicht er, dass<br />

Kompetenzen an Inhalten erworben werden. Beim<br />

im Buch vorgestellten fachdidaktischen Kompetenzmodell<br />

des katholischen Religionsunterrichts geht<br />

es um die Befähigung von Schülern, religiöse Phänomene<br />

wahrzunehmen, religiöse Texte zu verstehen,<br />

religiöse Sprache zu verstehen und anzuwenden, in<br />

religiösen Fragen begründet zu urteilen, sich über<br />

religiöse Fragen und Überzeugungen zu verständigen,<br />

aus religiöser Motivation zu handeln und letztlich<br />

religiöses Wissen darzustellen. Schließlich geht<br />

es um die Vernetzung von Lernanlässen, Lern- und<br />

Sozialformen und geeignete Methoden, denen ein<br />

selbstorganisiertes als auch begleitendes Lernen<br />

zugrunde liegt. Dabei gilt es, Räume und Möglichkeiten<br />

zu schaffen, die den Lernenden eigene Wege<br />

des Fähigkeitserwerbs ermöglichen, unterstützt<br />

durch eine Kultur der Wertschätzung in Form von<br />

Feedback, Evaluation und einer transparenten Leistungsmessung.<br />

48<br />

In einem umfassenden Praxisteil werden 24 modellhafte<br />

Lernsequenzen für die Sekundarstufen<br />

I und II vorgestellt. Beispielsweise geht es beim<br />

Modell „Heilige Räume – Kirchenerkundung“ der<br />

Jahrgangsstufen 5/6 hinsichtlich des Kompetenzerwerbs<br />

u.a. um die Befähigung zur Wahrnehmung<br />

und Reflexion religiöser Ausdrucksformen in ihrer<br />

ästhetischen Qualität. Das Lernen wird hierbei als<br />

außerschulisches Lernen arrangiert, bei dem das<br />

Kirchengebäude als Lerngegenstand im Mittelpunkt<br />

steht. Der Lernweg (Lernprozess) beginnt mit<br />

Beobachtungsaufträgen, die in Kleingruppen unter<br />

dem Motto „Ich sehe was, was du nicht siehst“ erarbeitet<br />

werden. Als weitere vertiefende Lernoption<br />

könnte sich ein virtueller Rundgang lernförderlich<br />

anbieten. Das Modell „Biblische Motive in der Werbung“<br />

der Jahrgangsstufe 11/12 knüpft an der Lebenswelt<br />

der Lernenden an, indem diese zu Experten<br />

im Umgang mit ihren medialen Welten werden.<br />

Dabei geht es um die Aktualisierung der bibelpropädeutischen<br />

Kenntnisse und die Auseinandersetzung<br />

mit biblischen Bezügen im Hinblick auf die gegenwärtige<br />

Verwendung im Medienzeitalter.


Abschließend bleibt anzumerken, dass dieses<br />

Werk ein Vorreiter in Sachen kompetenzorientierter<br />

Religionsunterricht ist und einen festen Platz im<br />

didaktischen Bücherschuber von Referendaren und<br />

Religionslehrern haben sollte. Dringend anzuschaffen!<br />

Manfred Bauer<br />

Ingrid Penner / Franz Kogler (Hg.)<br />

Das hat Sinn<br />

Methodenwerkstatt rund um die Bibel<br />

Stuttgart: Verlag Kath. Bibelwerk. 2. Aufl. 2010<br />

144 Seiten<br />

14,90 €<br />

ISBN 978-3-460-32580-7<br />

Das ganzheitliche Lernen steht im Mittelpunkt<br />

der Religionsdidaktik, das auch die beiden Autoren<br />

Franz Kogler und Ingrid Penner bei ihrer biblischen<br />

Methodenwerkstatt mit dem Namen „Das hat Sinn“<br />

zugrunde legten. Mit über 40 praxiserprobten Ideen<br />

gelingt es den Leitern des Katholischen Bibelwerkes<br />

Linz, Jugendliche mit allen Sinnen an das Buch der<br />

Bücher heranzuführen. Das handliche Buch schüttet<br />

ein Füllhorn an ansprechenden und gut umsetzbaren<br />

Methoden aus. Das Angebot, das alle Altersgruppen<br />

berücksichtigt, reicht von einer Schreibwerkstatt<br />

über Rollenspiele, Rap-Komposition, Quiz bis hin<br />

zum Bibelfußball. Die ansprechenden und schnell<br />

anwendbaren Methoden machen die Jugendliche<br />

neugierig und animieren zu einer sinnhaften Beschäftigung<br />

mit der Bibel. Es ist das Anliegen der<br />

Autoren, dass sich die Lernenden bewusst und intensiv<br />

mit dem Buch der Bücher auseinandersetzen,<br />

vor allem darin gezielt nachschlagen und sich letztlich<br />

darin zurechtfinden. Im Buch sind alle erforderlichen<br />

Kopiervorlagen bereitgestellt. Der Apostel<br />

Paulus dürfte seine wahre Freude daran haben,<br />

wenn er die in heutiger jugendlicher Sprache verfassten<br />

Briefe an die Gemeinde in Sulzbach am Taunus<br />

lesen könnte. Ein gelungener Weg, Jugendliche<br />

für Gottes Wort zu begeistern.<br />

Manfred Bauer<br />

49


Albert Biesinger / Edeltraud und Ralf Gaus<br />

Hört Gott uns, wenn wir beten?<br />

Wenn Kinder mehr wissen wollen<br />

Freiburg u.a.: Verlag Herder. 2009<br />

96 Seiten, ill.<br />

9,95 €<br />

ISBN 978-3-451-31563-3<br />

Um eine häufig von Kindern gestellte Frage, warum<br />

wir eigentlich beten, beantworten zu können,<br />

muss die Frage nach der Beziehung zwischen Gott<br />

und Mensch vorausgehen. Von was lebt sie, diese<br />

Beziehung? Eine lebendige Beziehung zwischen Gott<br />

und dem Menschen muss gepflegt werden. Der einfachste<br />

Weg, eine Beziehung zu pflegen, ist die Kommunikation,<br />

das Gespräch. Gottesbeziehung lebt<br />

vom Dialog. Beten bedeutet nicht, dass der Betende<br />

einen Monolog hält, sondern gleichsam die Haltung<br />

des Hörens und des Achtsam-Werdens einnimmt.<br />

Beten ist also keineswegs nur eine religiöse Sprachschule,<br />

sondern auch eine Schule der Wahrnehmung.<br />

Im Gespräch mit Gott, welches nicht unbedingt immer<br />

vieler Worte bedarf, kann sich der Betende Gott<br />

mitteilen und zugleich Botschaften empfangen. Die<br />

Thematik der Gottesbeziehung stellt somit den Ausgangspunkt<br />

aller Kinderfragen rund um Gott, den<br />

Glauben und das Beten dar.<br />

Dieser kompakte Ratgeber greift viele dieser Kinderfragen<br />

auf. Oft sind es diese scheinbar einfachen<br />

Fragen der Kinder wie „Muss ich beim Beten die<br />

Hände falten?“ oder „Darf ich Gott alles sagen?“, die<br />

uns Erwachsene nicht selten in Antwortnot bringen.<br />

Sind vielen doch Handlungsformen wie das<br />

Händefalten beim Beten selbstverständlich, wollen<br />

Kinder den Sinn dieser Gebetshaltung genau erforschen,<br />

um sie verstehen zu können. Albert Biesinger,<br />

50<br />

Edeltraud und Ralf Gaus haben sich in diesem Band<br />

solchen Fragen gestellt. Die Beantwortung dieser<br />

Fragen nimmt dabei stets Bezug auf die Lebenswelt<br />

der Kinder. Zudem enthält das Buch viele praktische<br />

Vorschläge für das Beten mit Kindern und das Einüben<br />

von Ritualen. Es kann aber auch Erwachsenen<br />

dazu verhelfen, das Beten für sich neu zu entdecken<br />

und erfahrbar zu machen.<br />

Danijela Kasalo


Martin Lechner / Angelika Gabriel (Hg.)<br />

Brenn-Punkte<br />

Religionssensible Erziehung in der Praxis<br />

München: Don Bosco Medien. 2011<br />

104 Seiten, Farbfotos<br />

14,90 €<br />

ISBN 978-3-7698-1832-1<br />

Der Hintergrund dieser Praxisreflexionen ist das<br />

Forschungsprojekt „Religion in der Jugendhilfe“<br />

(2005-2008), bei dem die „Ausgangssituation religiöser<br />

Erziehung in der (teil-)stationären Jugendhilfe“<br />

empirisch analysiert wurde. Daraus entwickelte<br />

sich eine „sozialräumlich orientierte, religionspädagogische<br />

Handlungstheorie“, konkretisiert in Zielen,<br />

kreativen Methoden und Arbeitsformen.<br />

Religionssensible Erziehung basiert auf der Einsicht,<br />

dass „religiöse Erziehung und Bildung nicht<br />

mehr ausschließlich auf eine Weitergabe des christlich-konfessionellen<br />

Glaubens“ abzielen kann, sondern<br />

„vielmehr als eine pädagogisch initiierte und<br />

begleitete Auseinandersetzung mit dem Gegenstand<br />

Religion – d.h. mit der Welt des Religiösen – konzipiert<br />

werden“ muss. Sie wird daher primär als<br />

ein „Teilgebiet der (Sozial-)Pädagogik verstanden.<br />

Eine religionssensible Erziehung versteht sich u.a.<br />

als ein integrierender Aspekt der allgemeinen Erziehung,<br />

nimmt sensibel und respektvoll religiöse<br />

Biographien, Bedürfnisse und Artikulationen von<br />

Kindern und Jugendlichen wahr und will einen spezifischen<br />

Beitrag zu deren Persönlichkeitsentwicklung<br />

leisten. Sie hat eben verstanden, dass man „Religion<br />

und religiöse Menschen nicht einfach durch<br />

Erziehung „machen“ kann und schützt dadurch auch<br />

die Erzieher/-innen vor einem Leistungsdruck in religiöser<br />

Hinsicht.<br />

Das Konzept setzt also beim subjektiven Glauben<br />

der Jugendlichen an und praktiziert einen differenzierten<br />

Religionsbegriff: Existenzglaube – Transzendenzglaube<br />

– Konfessionsglaube. Diese Weiträumigkeit<br />

ermöglicht es dann, „dass Jugendliche eine sehr<br />

intensive Auseinandersetzung mit „ihrem“ Glauben<br />

zulassen, wenn man die traditionellen Wege der<br />

Glaubensvermittlung verlässt und sich den jungen<br />

Leuten öffnet“. Die vielen in diesem Band dokumentierten<br />

und reich bebilderten Erfahrungsberichte<br />

bezeugen die Fruchtbarkeit dieses Ansatzes, der<br />

eben nicht nur bei den jungen Menschen das Gespräch<br />

über Glaube und Religion wieder salonfähig<br />

zu machen vermag.<br />

Reiner Jungnitsch<br />

51


Georg Langenhorst<br />

Literarische Texte im Religionsunterricht<br />

Ein Handbuch für die Praxis<br />

Freiburg u.a.: Verlag Herder. 2011<br />

295 Seiten<br />

19,95 €<br />

ISBN 987-3-451-31727-9<br />

Georg Langenhorst (Hg.)<br />

Gestatten: Gott!<br />

Religion in der Kinder- und Jugendliteratur<br />

der Gegenwart<br />

München: Verlag Sankt Michaelisbund. 2011<br />

224 Seiten<br />

12,90 €<br />

ISBN 978-3-939905-82-0<br />

Ein zwar zaghaftes, aber durchaus wahrnehmbares<br />

Comeback lässt sich auf dem deutschen Büchermarkt<br />

beobachten: Seit etwa 20 Jahren erscheinen<br />

literarische Werke, die sich aus einer Haltung<br />

„nachkritisch neuer Offenheit“ mit religiösen Fragestellungen<br />

und der Gottesfrage beschäftigen. Das<br />

Anliegen Georg Langenhorsts ist es, diese Werke für<br />

das religiöse Lernen fruchtbar zu machen.<br />

Der mit dem Aufkommen der Korrelationsdidaktik<br />

selbstverständlich gewordene Einsatz von (nicht<br />

nur gut gemeinter katechetischer, sondern) autonomer<br />

Literatur im Religionsunterricht kann durchaus<br />

im Sinne einer Selbstvergewisserung kritisch<br />

hinterfragt werden: Wird nicht die für den Religionsunterricht<br />

wesentliche Differenz zwischen „sakralen“<br />

und „profanen“ Texten eingeebnet? Werden<br />

literarische Texte nicht funktionalisiert und – die<br />

ästhetische Gestalt ignorierend – auf ihre bloße<br />

Aussage reduziert? Sollte ihre Analyse nicht besser<br />

dem Deutschunterricht überlassen werden? Welchen<br />

didaktischen Gewinn verspricht eigentlich<br />

der Einsatz von Literatur im Religionsunterricht?<br />

In seinem „Handbuch für die Praxis“ stellt sich der<br />

Verfasser diesen Anfragen.<br />

52<br />

Sein nachdrücklicher Appell zur Nutzung literarischer<br />

Texte will keinesfalls der Bibel und den Texten<br />

der kirchlichen Tradition ihren Vorrang streitig<br />

machen. Lediglich im didaktisch und methodisch gut<br />

begründeten Einzelfall soll ein literarisches Werk in<br />

den Mittelpunkt des Lernprozesses rücken.


Ein Leser liest ein Buch, weil es ihm Freude macht.<br />

Wenn es zum Gegenstand von Unterricht gemacht<br />

wird, dann wird es stets unter didaktischen Auspizien<br />

traktiert – was gerade für die Textanalyse im<br />

Deutschunterricht gilt! Wenn aber eine Lehrkraft darüber<br />

Rechenschaft gibt, im Kontext des Religionsunterrichts<br />

mit einem literarischen Text unter einer<br />

bestimmten Fragestellung und unter Berücksichtigung<br />

seiner literarischen Form zu arbeiten, wird, so<br />

Langenhorts Überzeugung, der Einwand des Funktionalismus<br />

hinfällig. Und weil sich der Religionsunterricht<br />

nicht zum verlängerten Deutschunterricht<br />

machen sollte, schlägt der Verfasser vor, das Augenmerk<br />

weniger auf die Textanalyse zu legen, sondern<br />

eher handlungs- und produktionsorientierte Methoden<br />

zur „ganzheitlichen“ Erschließung zu nutzen.<br />

Literarische Texte können dann religiöse Lernprozesse<br />

anregen, wenn den in ihnen enthaltenen<br />

Bezügen auf biblische Figuren und Themen oder<br />

auf Texte der religiösen Tradition nachgespürt wird<br />

(Textspiegelung). Damit wird natürlich auch die<br />

Sensibilität für die sprachlichen Ausdrucksmöglichkeiten<br />

geschult (Sprachsensibilisierung). Probeweise<br />

können Schülerinnen und Schüler die Welt<br />

aus der Perspektive fiktiver Personen betrachten<br />

(Erfahrungserweiterung). Auf diese Weise wird die<br />

Vielschichtigkeit von Wirklichkeit erlebbar (Wirklichkeitserschließung)<br />

und die Fähigkeit gefördert,<br />

die vorgegebene Realität neu zu sehen, ja zu transzendieren<br />

(Möglichkeitsandeutung).<br />

Im umfangreichen zweiten Teil seines „Handbuchs“<br />

stellt Langenhorst 30 literarische Texte,<br />

darunter sind 12 Gedichte, überwiegend aus der<br />

deutschsprachigen Literatur, vor; 18 Werke sind<br />

nach dem Jahr 2000 erschienen. Der Verfasser stellt<br />

zunächst die Autorin/den Autor vor; dann wird<br />

der abgedruckte Text(auszug) interpretiert und abschließend<br />

eine Fülle methodischer Anregungen für<br />

den Unterricht gegeben. Nicht ganz überzeugt hat<br />

mich die Einteilung in die sechs Rubriken Biblische<br />

Botschaft, Christlicher Glaube und christliche Weltdeutung,<br />

Christliche Spiritualität, Kirchliches Leben<br />

verstehen, Ethik und Lebensbewältigung sowie Interkulturalität<br />

und Interreligiosität. Hier wäre eine<br />

Orientierung an den sechs Gegenstandsbereichen<br />

der „Kirchlichen Richtlinien zu Bildungsstandards“<br />

(2004) hilfreicher gewesen. Und natürlich kann man<br />

sich darüber streiten, ob das eine oder andere Werk<br />

nicht besser in eine andere Rubrik gepasst hätte. Wer<br />

indes nach neuen und unverbrauchten literarischen<br />

Texten für den Religionsunterricht Ausschau hält –<br />

und nach Tipps für die eigene Lektüre sucht –, der<br />

wird mit dem „Handbuch“ bestens bedient und wird<br />

viele Neuentdeckungen machen!<br />

Dieses Urteil gilt auch für das Nachschlagewerk<br />

„Gestatten: Gott!“, einer von Langenhorst herausgegebenen<br />

Aufsatzsammlung, die den Themen Religion<br />

und Gott im Kinder- und Jugendbuch seit den<br />

1980er Jahren nachspürt und sie an eindrücklichen<br />

Werken exemplifiziert. Grundsätzliche Probleme wie<br />

etwa die einer kindgerechten Darstellung des sich<br />

offenbarenden und entziehenden Gottes in Wort<br />

und Bild werden diskutiert. Dabei fällt auf, dass die<br />

Gottesfrage stets im Zusammenhang von Krisensituationen<br />

zur Sprache kommt und um tragfähige<br />

Lebensorientierungen gerungen wird. Eine eigenartige<br />

Rolle spielt das Judentum auf dem deutschen<br />

Büchermarkt: Es sind nicht-jüdische Autoren, die<br />

einen in der eigenen Religion nicht verwurzelten jüdischen<br />

Protagonisten ihren nicht-jüdischen Lesern<br />

präsentieren; eine selbstverständliche Darstellung<br />

jüdischen Lebens hingegen kommt so gut wie nicht<br />

vor.<br />

Die Literaturwissenschaft, die Religionspädagogik<br />

und die Religionslehrkräfte fordert Langenhorst<br />

dazu auf, sich ernsthaft mit der religiösen<br />

Dimension in Kinder- und Jugendbüchern, selbstverständlich<br />

auch in Büchern für Erwachsene auseinanderzusetzen.<br />

Dazu geben seine beiden Bücher<br />

vorzügliche Anstöße.<br />

Thomas Menges<br />

53


Veit-Jakobus Dieterich / Hartmut Rupp (Hg.)<br />

Oberstufe Religion Neuausgabe. Jesus Christus<br />

Schülerheft<br />

Stuttgart: Calwer Verlag. 2008<br />

80 Seiten, DIN A4 mit 60 farb. Abb.<br />

12,95 €<br />

ISBN 978-3-7668-4043-1<br />

Lehrerband<br />

Stuttgart: Calwer Verlag. 2011<br />

164 Seiten, DIN A4 mit 4 SW-Abb.<br />

17,90 €<br />

ISBN 978-3-7668-4044-8<br />

Die Strukturierung des Jesus-Christus-Bandes ist<br />

originell – folgt sie im Aufbau der „Christologie des<br />

Kirchenjahres“, beginnend mit „Advent“ und endend<br />

mit „Himmelfahrt und Wiederkunft“. Damit wird<br />

die Schwerpunktsetzung der Autoren deutlich – der<br />

ethische Aspekt von Jesu Botschaft wird Jesus, dem<br />

Messias, dem Christus, dem Erlöser nachgeordnet.<br />

Die Autoren wollen, anknüpfend an die Metaphorik<br />

des Johannesevangeliums dessen Christologie ins<br />

Zentrum der Überlegungen rücken. Die Frage „Wer<br />

rettet die Welt?“ ist die Ausgangsleitfrage für alle Kapitel.<br />

Folgerichtig finden sich im Schülerband viele<br />

Kreuzigungsdarstellungen (wie immer in dieser Reihe<br />

in hervorragender Qualität) und weniger Impulse<br />

für den Aspekt der Nachfolge Jesu heute. Legitimiert<br />

wird dieser Ansatz u.a. damit, dass Sehnsucht<br />

nach Erlösung bei Jugendlichen weit verbreitet ist<br />

und daran angesetzt werden soll. Obwohl als Zielsetzung<br />

für jedes Kapitel neben der systematischtheologischen<br />

und historischen Dimension auch die<br />

Lebenswelt der Schüler/-innen benannt wird, findet<br />

letztere nur marginale Umsetzung, zum großen Teil<br />

fehlen in den Anregungen für den Unterricht fast<br />

durchweg Fragen zur eigenen Lebenswirklichkeit<br />

und Anregungen, sich selbst zu positionieren.<br />

Schade ist, dass nirgends auf die Chancen außerschulischer<br />

Lernorte gerade bei diesem Thema hingewiesen<br />

wird. Eine Auseinandersetzung mit Menschen<br />

zu Fragen: Was gibt mir Halt im Leben? Was<br />

54<br />

trägt mich in meinem caritativ-gesellschaftlichen<br />

Handeln? usw. könnte für Jugendliche die Relevanz<br />

dessen, was mit Erlösung und dem „pro me“ für das<br />

eigene Leben gemeint ist, vielleicht greifbarer werden<br />

lassen als das Lesen von Texten. Wobei, das sei<br />

positiv angemerkt, die Auswahl der durchweg anspruchsvollen<br />

literarischen, fachwissenschaftlichen<br />

(teilweise englischen) Texte im Schülerband sehr gelungen<br />

ist.


2008 ist zusammen mit dem Schülerband das<br />

Buch „Vom Kreuz reden im Religionsunterricht“<br />

von Michaela Albrechts erschienen. Auch ihr ist es<br />

wichtig, die christologische Dimension des Kreuzestodes<br />

Jesu stärker in den Unterricht einzubringen.<br />

Allerdings setzt sie bei ihren Überlegungen an den<br />

unterschiedlichen Vorstellungen von Jugendlichen<br />

zum Kreuzestod an, die sie empirisch erhoben hat.<br />

Die Aussagen Jugendlicher führen sie dazu, deren<br />

„Glaubensaussagen“ in drei Bereiche zu unterteilen:<br />

Kreuzestod als Rechtfertigungsgeschehen, Kreuzigung<br />

Jesu als Hoffnungszeichen, Kreuzesgeschehen<br />

als ethischer Impuls. Ihre Folgerungen daraus sind,<br />

dass im Unterricht Deutungsangebote in allen drei<br />

Bereichen gemacht werden sollen, um so die Möglichkeit<br />

zu eröffnen, durch das Beleuchten aller drei<br />

biblisch-theologisch legitimierten Zugänge einen<br />

Nutzen und eine Relevanz zu ziehen. Während im<br />

Lehrerband auf aktuelle Literatur auch aus dem Jahr<br />

2008 im Kapitel „Tod und Auferstehung“ verwiesen<br />

wird, fehlt leider der Hinweis auf Albrecht. Dabei<br />

wird es sicher in allen Kursen sehr unterschiedliche<br />

Zugänge geben. Damit wird den Lesenden nicht die<br />

Möglichkeit gegeben, jenseits des von den Autoren<br />

favorisierten Zugangs weiterzulesen und hier Impulse<br />

für den eigenen Unterricht zu gewinnen.<br />

Während in den anderen Lehrerbänden der Reihe<br />

der Versuch unternommen wurde, die Konzeption<br />

der jeweiligen Themen in den Kontext kompetenzorientierten<br />

Religionsunterrichts zu stellen, wird<br />

dies hier nicht thematisiert und ist auch nicht der<br />

Anspruch. Neben den oben genannten Defiziten können<br />

Lehrer- wie Schülerband aber mit einer Fülle<br />

von Anregungen in Bezug auf Texte und Bilder aufwarten<br />

und den Kauf auf jeden Fall rechtfertigen.<br />

Der Lehrerband bietet interessante theologische<br />

Hintergrundinformationen und Deutungsvorschläge<br />

zu den Bildern. Leider, das sei am Rande angemerkt,<br />

finden sich im Lehrerband viele Druckfehler, über<br />

die man, besonders als Deutschlehrerin, manchmal<br />

den Blick für den Inhalt vergessen kann.<br />

Birgit Menzel<br />

55


Markus Tomberg<br />

Religionsunterricht als Praxis der Freiheit<br />

Überlegungen zu einer religionsdidaktisch<br />

orientierten Theorie gläubigen Handelns<br />

Praktische Theologie in Wissenschaften; Bd. 7<br />

Berlin-New York: De Gruyter. 2010<br />

403 Seiten<br />

99,95 €<br />

ISBN 978-3-11-022197-8<br />

Ist der ständige Weiterbau am imposanten religionspädagogischen<br />

und religionsdidaktischen<br />

Gedankengebäude wirklich erforderlich? Er wäre<br />

dann entbehrlich, wenn Religionsdidaktik nicht als<br />

Hintergrundwissenschaft des Religionsunterrichts<br />

(RU) ständig angefragt wäre: Sie muss auf die didaktischen<br />

Diskussionen aller anderen Schulfächer,<br />

auf die Einführung von Bildungsstandards, auf die<br />

Fundamentalkritik am schulischen Religionsunterricht<br />

reagieren und den Stand des schulischen RU<br />

ständig aufs Neue rechtfertigen. Entbehrlich wäre<br />

der Weiterbau auf der religionspädagogischen und<br />

-didaktischen Baustelle auch dann, wenn dieser Bereich<br />

der Theologie es nicht (wie andere auch) an<br />

entscheidenden Stellen mit einem theologischen<br />

„Rollback“ zu tun hätte, das aus ganz anderen als<br />

den politisch-liberalen Motiven der siebziger Jahre<br />

das Ende und Scheitern des schulischen Religionsunterrichts<br />

proklamiert. Die zweifache Front<br />

des Religionsunterrichts lässt sich vereinfacht so<br />

beschreiben: schul- und bildungspolitisch muss er<br />

seinen guten und konfessionell erkennbaren Ort behaupten,<br />

wo die Gefahr der Vereinnahmung durch<br />

Funktionalisierung aller Bildung im Sinne einer arbeitsmarktorientierten<br />

Schulbildung besteht. Theologisch<br />

muss der RU identifizierbar bleiben als<br />

Sonderfall des Verhältnisses von Glaube und Gesellschaft<br />

(Synodenbeschluss), muss den Glauben<br />

immer wieder als rechenschaftsfähig gegenüber der<br />

(schulischen) Umwelt ausweisen und diese Rechenschaftslegung<br />

als vornehme theologische Aufgabe<br />

in Angriff nehmen.<br />

Genau in diesem Spannungsfeld bewegt sich die<br />

Arbeit von Markus Tomberg, die als Habilitationsschrift<br />

in Münster verfasst wurde. Ganz entschei-<br />

56<br />

dend geht es Tomberg um eine systematisch-theologische<br />

Fundierung der Religionsdidaktik. Tomberg<br />

hat seinen bisherigen theologischen Werdegang<br />

als Systematiker beschritten und steht dem Freiheitsdenken<br />

des Münsteraner Dogmatikers Thomas<br />

Pröpper nahe. Er versucht es für eine Theorie des<br />

christlichen Handelns fruchtbar zu machen und entwickelt<br />

diese Theorie gläubigen Handelns zum Paradigma<br />

des Religionsunterrichts. Dort wo die Dichotomie<br />

von Natur und Gnade religionspädagogisch<br />

wiederbelebt wird (David Bergers Arbeit von 1998<br />

dient Tomberg über weite Strecken als Kontrastfolie),<br />

betont der Vf. konsequent die Lösung dieser Dichotomie<br />

durch den Freiheitsbegriff: „Die Freiheit,<br />

die sich im Glauben als von Gott geliebte und gewollte<br />

erfährt und um ihr Sein-Dürfen weiß, kann<br />

sich weiterhin und aus ihrer theologalen Selbstgewissheit<br />

heraus im Diskurs mit anderer Freiheit<br />

verantworten – wissend um ihre Selbstentzogenheit:


Das Subjekt – Ich – ist kein Ort selbstsüchtiger, gegebenenfalls<br />

auf Kosten anderer agierender Willkür,<br />

sondern Vollzug (Symbol) einer komplexen sozialen<br />

Erfahrung von Freiheit, Fraglichkeit und Bestimmtheit.“<br />

(34) Damit, so Tomberg, liegt eine handlungsorientierte<br />

Reformulierung des Glaubens vor. Diese<br />

eher aus der Fundamentaltheologie abgeleitete religionsdidaktische<br />

Konzeption prüft Tomberg an unterschiedlichen<br />

religionsdidaktischen Konzeptionen;<br />

in der Entwicklung einer Lerntheorie des Glaubens<br />

als einer didaktisch tragfähigen Theorie gläubigen<br />

Handelns greift er wesentliche Impulse aus Lothar<br />

Kulds Newman-Rezeption auf: „Glaube und menschliches<br />

Selbstverständnis“ – so das Ergebnis dieser<br />

Auswertung – „stehen in engem Zusammenhang, und<br />

nur da, wo das Lernen des Glaubens der Grammatik<br />

dieses Selbstverständnisses entspricht, ist es auch<br />

der Glaube, der gelernt wird.“ (82)<br />

Dass an der zentralen Stelle des Glaubens Wert<br />

und Bedeutung der menschlichen Freiheit gelernt<br />

werden, erarbeitet Tomberg entlang des theologischen<br />

Freiheitsdenkens von Thomas Pröpper.<br />

Menschliche und göttliche Freiheit erscheinen aufeinander<br />

verwiesen und nur in dieser Verschränkung<br />

verständlich. Die Freiheit des Glaubens wird<br />

dadurch trennscharf abgrenzbar von einer rein säkular<br />

begründeten Freiheitsidee. Von dieser Konzeption<br />

her ist es verständlich und plausibel, den<br />

Religionsunterricht als „locus theologicus“ auszumachen,<br />

als einen Ort theologischer Erkenntnis und<br />

Entwicklung. Subjekte des Glaubenlernens im Sinne<br />

des Lernens einer Praxis der gläubigen Freiheit sind<br />

beide: Lehrende und Lernende – und sie können in<br />

diesem Prozess nicht auseinanderdividiert werden.<br />

Diese Einsicht ist leitend für die Bewertung der<br />

kirchlichen Äußerungen zum RU und der Praxis des<br />

Religionsunterrichts.<br />

In einem dritten Teil sichtet Tomberg das Panorama<br />

glaubensdidaktischer Entwürfe aus dieser<br />

erarbeiteten Perspektive und legt die Anschlussmöglichkeiten<br />

seines Konzepts dar: Im Panorama<br />

der Entwürfe finden sich Korrelations- und Symboldidaktik<br />

in ihren unterschiedlichen Ausprägungen,<br />

Norbert Mettes Entwurf einer Sprachschule der<br />

Freiheit (hier findet der Vf. eine große Nähe zu seinem<br />

eigenen Konzept) sowie Boschkis Konzept von<br />

Beziehung als Leitbegriff der Religionspädagogik.<br />

Dass sich der Vf. auch kritisch mit Thomas Rusters<br />

Überlegungen zum Religionsunterricht auseinandersetzt,<br />

ist deswegen besonders erwähnenswert, weil<br />

bei Ruster eben die Dichotomie von Natur und Gnade<br />

unter anderen Vorzeichen (Religionsunterricht<br />

als Einführung in die Fremd-Sprache der Schrift)<br />

eine Renaissance erlebt und eine Fundamentalkritik<br />

am kirchlich und schulisch praktizierten RU der<br />

letzten Jahrzehnte ermöglicht.<br />

Der Ansatz Tombergs überzeugt. Er überzeugt<br />

deswegen, weil er theologisch auf hohem Niveau<br />

deutlich macht, welche Konsequenzen theologische<br />

Konzepte, die gerne in der Dogmengeschichte verortet<br />

werden, auf die religionspädagogische und religionsdidaktische<br />

Arbeit im 21. Jahrhundert haben.<br />

Das ist zur Standortbestimmung des RU nicht unerheblich.<br />

Tomberg überzeugt auch deswegen, weil<br />

er dem Religionsunterricht durch das Freiheitsdenken<br />

ein bestechend klares Konzept anbietet. RU geschieht<br />

als Glaubenlernen dort, wo er sicherstellt,<br />

dass Freiheit als geschenkte Freiheit anderer Freiheit<br />

begegnet. Die Gründlichkeit in der Erarbeitung<br />

und der Überprüfung des Konzepts ist beachtlich.<br />

Tomberg bettet seinen Entwurf gut in die religionspädagogische<br />

Landschaft ein, deren Entwürfe sich<br />

in teilweise kleinen dialektischen Schritten entwickelt<br />

haben.<br />

Wenn es in Tombergs Absicht lag, eine Kernfrage<br />

der systematischen Theologie (Natur und Gnade) in<br />

ihrer Tragweite für das christliche Bewährungsfeld<br />

des Religionsunterrichts auszumessen und andererseits<br />

aus der Gestalt des gegenwärtigen Religionsunterrichts<br />

und seinen Erfordernissen heraus einen<br />

Eintrag in die Systematische Theologie hineinzubringen<br />

(Religionsunterricht als „locus theologicus“),<br />

dann ist ihm dieses Vorhaben in hohem Maß<br />

gelungen.<br />

Peter-Felix Ruelius<br />

57


Wolfram Weiße, Hans Martin Gutmann (Hg.)<br />

Religiöse Differenz als Chance?<br />

Positionen, Kontroversen, Perspektiven<br />

Religionen im Dialog; Bd. 3<br />

Münster: Waxmann Verlag. 2010<br />

244 Seiten<br />

24,90 €<br />

ISBN 978-3-8309-2342-8<br />

Wie der Untertitel „Positionen, Kontroversen,<br />

Perspektiven“ unschwer erkennen lässt, wird die<br />

Fragestellung der religiösen Differenz als Chance<br />

aus unterschiedlichster wissenschaftlicher und religiöser<br />

Sicht ins Zentrum des vorliegenden Bands<br />

gestellt, der in der Schriftreihe des Interdisziplinären<br />

Zentrums Weltreligionen im Dialog der Akademie<br />

der Weltreligionen der Universität Hamburg<br />

erschienen ist. Dabei kommen u.a. Autoren wie Peter<br />

L. Berger und Rainer Tetzlaff mit grundlegenden<br />

Aussagen zu Wort. Berger erteilt in einem kurzweilig<br />

zu lesenden Gespräch mit Weiße dem Paradigma der<br />

Säkularisierung eine Absage, betont die religiöse<br />

Pluralisierung in Europa mit der gegebenen Chance<br />

zum Dialog der Religionen, der in Toleranz auch<br />

die Differenzen beinhaltet. Sozialwissenschaftliche<br />

und politikwissenschaftliche Ausführungen finden<br />

eine Konkretisierung in unterschiedlichsten Beiträgen<br />

aus Perspektive der großen Weltreligionen.<br />

So nimmt Monika Kaminska in Bezug auf Franz<br />

Rosenzweig das jüdische Leben der 20er und 30er<br />

Jahre zum Ausgangspunkt ihrer Darlegung. Die islamische<br />

Perspektive vertritt Hamideh Mohagheghi,<br />

die buddhistische Ulrich Dehn.<br />

Aufschlussreiche Überlegungen aus christlicher<br />

Sicht bietet Helga Kuhlmann, indem sie die konfessorische<br />

Identität aus der Innenperspektive der<br />

christlichen Religion präsentiert. Von Taufe und<br />

Glaubensbekenntnis ausgehend beschreibt die<br />

Autorin die christliche Identität als Beginn eines<br />

Neuanfanges dessen, wie sich eine Person selbst<br />

versteht. Konfessorische Identität bedeutet das<br />

Bewusstwerden, dass die Person vom Göttlichen<br />

berührt ist und diesem Göttlichen in ihrem Leben<br />

Raum gibt. Kuhlmann vertritt die These, dass die<br />

Person „das Göttliche nicht unabhängig vom Rah-<br />

58<br />

men einer konfessionellen bzw. religiösen Tradition<br />

deuten kann“. Sie zeigt auf, dass der dem Christentum<br />

immanente Wahrheitsanspruch einer systematisch<br />

theologischen Anerkennung und Solidarität<br />

mit nicht und anders Glaubenden nicht entgegensteht.<br />

„Aus christlicher Perspektive gehören christologische<br />

Exklusivität und universale Inklusivität<br />

auch dann zusammen, wenn wahrgenommen wird,<br />

dass Andere die eigene Wahrheitserkenntnis nicht<br />

teilen können.“ Schlussendlich sieht Kuhlmann in<br />

religiösen Differenzen die Chance, sich sowohl über<br />

das Eigene als auch über das Verbindende und über<br />

das Trennende klar zu werden. Verstehen und Solidarität<br />

werden hier für den Dialog mit den anderen<br />

Religionen zu Schlüsselbegriffen.<br />

Katharina Sauer


Michael Felten<br />

Auf die Lehrer kommt es an!<br />

Für eine Rückkehr der Pädagogik in die Schule<br />

Gütersloh: Gütersloher Verlagshaus. 2. Aufl. 2010<br />

176 Seiten<br />

16,99 €<br />

ISBN 978-3-579-06882-4<br />

Lehren und Lernen müssen verändert werden,<br />

wenn Schule für Lernende zeitgemäß bleiben möchte.<br />

Oder anders gewendet: Schule muss die Zeichen<br />

der Zeit erkennen, um Lernende auf ihre beruflichen<br />

und gesellschaftlichen Aufgaben einschließlich<br />

der an sie gestellten Erwartungen vorbereiten zu<br />

können. Diese von weiten Teilen der bildungspolitischen<br />

Landschaft eingeforderte Veränderung von<br />

Schule wird dabei seit geraumer Zeit mit den Begriffen<br />

„Wandel der Lernkulturen“ oder „Neue Lernkultur“<br />

bezeichnet. Beide Begriffe sollen gleichermaßen<br />

als Kritik und Programm verstanden werden. Kritik,<br />

weil sie davon ausgehen, dass Schule bisher im Zuge<br />

eines permanenten Wissenszuwachses und einer damit<br />

verbundenen immer geringer werdenden Halbwertszeit<br />

von Wissen zu starr und unflexibel auf die<br />

Herausforderungen unserer Zeit reagiert hat, Programm,<br />

weil beide Begriffe für Konzepte stehen, die<br />

didaktisch-methodische Veränderungen auf allen<br />

Ebenen des Erziehungs- und Bildungswesens anstreben.<br />

Die Konzepte einer gewandelten oder neuen<br />

Lernkultur gehen davon aus, dass eigenverantwortliches,<br />

selbst organisiertes und nachhaltiges Lernen<br />

in Schule, Ausbildung und Weiterbildung vorangetrieben<br />

werden müssen, damit Lernende in sich stetig<br />

verändernden Berufs- und Gesellschaftsstrukturen<br />

kompetent agieren und reagieren können.<br />

Der „Wandel der Lernkulturen“ wurde in den<br />

letzten Jahren nicht nur lern- und bildungstheoretisch<br />

durch eine Vielzahl hirnphysiologischer und<br />

konstruktivistischer Erkenntnisse untermauert<br />

und vorangetrieben, sondern auch auf Basis von<br />

Ergebnissen internationaler wissenschaftlicher<br />

Vergleichsuntersuchungen im Bildungsbereich wie<br />

etwa PISA (Programme for International Student<br />

Assessment), TIMSS (Trends in International Mathematics<br />

and Science Study) und IGLU (Internationale<br />

Grundschul-Lese-Untersuchung) – so jedenfalls die<br />

bildungspolitische Administration – empirisch belegt.<br />

Mit der sogenannten Neuen Lernkultur ist auch<br />

die Lehrerrolle unter einer neuen Perspektive zu<br />

betrachten. Der Lehrer ist nicht mehr als eine den<br />

Unterricht leitende und lenkende Person zu denken,<br />

er nimmt vielmehr im Rahmen eines eigenverantwortlichen<br />

und selbst organisierten Lernens die<br />

Rolle eines Lernbegleiters, Moderators oder Lerncoachs<br />

ein. So startet er im besten Fall den Unterricht<br />

mit einem Impuls, worauf der nun weitgehend<br />

von den Lernern (nicht Schülern!) selbst gesteuerte<br />

und handlungsorientierte Unterricht seinen Verlauf<br />

nimmt. Ob nun im Rahmen dieser in erster Linie<br />

lernpsychologisch motivierten Überlegungen nicht<br />

die Pädagogik, historisch und systematisch verstanden<br />

als ein vom Pädagogen planvoll gestaltetes<br />

59


Erziehung- und Bildungsereignis, zu kurz oder gar<br />

nicht mehr vorkommt, damit beschäftigt sich Michael<br />

Felten in seinem Buch „Auf die Lehrer kommt<br />

es an“, ein Plädoyer für die Rückkehr der Pädagogik<br />

in die Schule.<br />

Zu Beginn des Buches räumt Felten mit der Einseitigkeit<br />

wissenschaftlicher Studien auf, die die<br />

Grundlagen für die Überzeugungen des selbst ernannt<br />

modernen, zeitgemäßen Unterrichts bilden.<br />

So etwa, dass nur das gemeinsame Lernen die<br />

Leistungsfähigkeit von Schüler steigere, dass die<br />

Gesamtschule mehr Bildungsgerechtigkeit als das<br />

gegliederte Bildungssystem schaffe, oder dass eine<br />

antihierarchische Struktur im Unterricht die Selbständigkeit<br />

von Schülern eher fördere als ein vom<br />

Lehrer gesteuerter Unterricht. Diesen „alten Zöpfen“<br />

werden von Felten andere empirische Untersuchungen<br />

und Erfahrungen entgegengestellt – übrigens<br />

auch aus den skandinavischen Ländern –,<br />

sodass zentrale Aussagen und Begründungen der<br />

Neuen Kultur ihre Alleinherrschaft verlieren.<br />

Die zentrale Kritik an der Neuen Lernkultur entfaltet<br />

Felten im weiteren Verlauf des Buches. Diese<br />

sieht er in der pädagogischen Deregulierung gegenwärtigen<br />

schulischen Reformierens. Der Lehrer<br />

tritt heute in einer nahezu pädagogischen Fahrlässigkeit<br />

aus dem Unterrichtsgeschehen zurück und<br />

wird durch eine übertriebene Autonomisierung des<br />

Schülers sowie durch eine Nivellierung des pädagogischen<br />

Rangunterschieds zur Randfigur seines<br />

eigenen Unterrichts. Felten möchte mit seiner Veröffentlichung<br />

daher ganz entschieden einen antiantipädagogischen<br />

Akzent setzen und vor den vielen<br />

didaktischen Euphorien der Neuen Lernkultur<br />

warnen. Diesen setzt er eine Wiedererinnerung für<br />

das Pädagogische im Sinne von Führungsfreude und<br />

Einfühlsamkeit entgegen, das im Übrigen auch von<br />

Schülern mittel- und langfristig eingefordert wird.<br />

60<br />

Fehlt eine starke Rückbindung des Unterrichts an<br />

den Lehrer nämlich, so wird dieser zur blassen Figur<br />

seines eigenen Unterrichts. Die Schüler gehen<br />

letztlich orientierungslos selbst gewählte Lernwege,<br />

die sie – logischerweise – erst einmal mit den<br />

geringsten Widerständen versehen. Resultat dieser<br />

begangenen Lernwege ist jedoch nur allzu oft eine<br />

„Ich-kann-alles-Haltung“, die sich mit einem überhöhten<br />

persönlichen und fachlichen Selbstbewusstsein<br />

vereint. Für ein echtes, nachhaltiges Lernen<br />

sind aber gerade Widerstände, Hürden und Anstrengungen<br />

von Nöten, die der Lehrer wohlüberlegt setzen<br />

und verlangen muss. Verantwortliches pädagogisches<br />

Unterrichten bedeutet also – so könnte ein<br />

Resümee aus Feltens Veröffentlichung lauten – die<br />

organisierte Einführung und Weitergabe kultureller<br />

Wissensbestände und Errungenschaften, die der<br />

Lehrer den Schülern auf einem der Sache angemessenen<br />

Niveau zumuten muss, auch wenn es diesen<br />

erst einmal unangenehm ist. Der Lehrer muss derjenige<br />

sein, der eine Lerngruppe mit Strenge, Anstrengung<br />

und Herzlichkeit führt und sich mit einem<br />

pädagogischen Weitblick über die momentane Bedürfnisbefriedigung<br />

der Schüler und eine falsch<br />

verstandene Liberalisierung des Pädagogischen erhebt.<br />

Lehrersein bedeutet die pädagogisch geplante<br />

und wohlüberlegte Belastung und Herausforderung<br />

von Schülern, da nur so ihr wirkliches Potenzial angesprochen<br />

werden kann und ihnen ein Leben unter<br />

ihren Möglichkeiten erspart bleibt.<br />

Thomas Schweikert


Hartmut Rupp / Christoph Th. Scheilke (Hg.)<br />

Bildung und Religionsunterricht<br />

Jahrbuch für kirchliche Bildungsarbeit; Bd. 5<br />

Stuttgart: Calwer Verlag. 2011<br />

290 Seiten<br />

29,90 €<br />

ISBN 978-3-7668-4165-0<br />

An religionspädagogischer Fachliteratur herrscht<br />

wahrlich kein Mangel. Doch nur wenige Publikationen<br />

nehmen die unterschiedlichen Felder kirchlicher<br />

Bildungsarbeit gemeinsam in den Blick. Zu<br />

diesen wenigen gehört der Band von Christoph<br />

Scheilke und Hartmut Rupp, die das Theologisch-<br />

Pädagogischen Zentrum in Stuttgart bzw. das Religionspädagogische<br />

Institut in Karlsruhe leiten.<br />

Beide Einrichtungen werden von den evangelischen<br />

Landeskirchen in Württemberg und Baden getragen.<br />

Entsprechend reflektieren die Autoren die Bildungsarbeit<br />

der evangelischen Kirche, und zwar konfessionsbewusst,<br />

kirchenverbunden und auf hohem Niveau.<br />

Wie der Titel schon vermuten lässt, sind die<br />

meisten Beiträge dem Religionsunterricht in der<br />

Schule gewidmet. Doch auch die Religionslehrerbildung,<br />

die Schulpastoral, die kirchliche Jugendarbeit<br />

und die Gemeindepädagogik werden in eigenen Artikeln<br />

bedacht. Zudem befassen sich zwei Aufsätze<br />

mit dem Religionsunterricht an Berufsbilden Schulen.<br />

Das ist positiv hervorzuheben, da zwar je nach<br />

Region 60 bis 70 % der Jugendlichen und jungen Erwachsenen<br />

eine Berufsschule besuchen. Dieses Faktum<br />

spiegelt sich jedoch kaum in der religionspädagogischen<br />

Forschung. Um so erfreulicher ist es, dass<br />

auf Anregung und mit Förderung der beiden badenwürttembergischen<br />

Landeskirchen an der Universität<br />

Tübingen ein Evangelisches Institut für berufsorientierte<br />

Berufspädagogik (EIBOR) eingerichtet<br />

werden konnte, das eng mit dem schon länger bestehenden<br />

Katholischen Institut für berufsorientierte<br />

Religionspädagogik (KIBOR) kooperiert. Ein Artikel<br />

im Jahrbuch stammt denn auch aus der Feder der<br />

Mitarbeiter des EIBOR.<br />

In seinem Grundsatzbeitrag entwirft der Marburger<br />

Religionspädagoge Bernhard Dressler einen<br />

bildungstheoretischen Rahmen des Religionsunterrichts<br />

in enger Anlehnung an die vier Modi der Weltbegegnung,<br />

die der ehemalige Chef des deutschen<br />

PISA-Konsortiums Jürgen Baumert prominent in die<br />

Diskussion eingebracht hatte. Für Baumert gehören<br />

die Fragen des Ultimaten, also die Fragen nach dem<br />

Woher, Wohin und Wozu des menschlichen Lebens,<br />

ebenso zum Schulcurriculum wie der mathematischnaturwissenschaftliche,<br />

der sprachlich-ästhetische<br />

und der normativ-evaluative Weltzugang. Profilbildend<br />

für den Religionsunterricht sind daher nicht<br />

Wertfragen, sondern Sinnfragen, näherhin die Frage<br />

nach Gott. Die Aufgabe des Religionsunterrichts ist<br />

eine doppelte. Er führt in einen bestimmten religiösen<br />

Weltzugang ein und setzt diesen Weltzugang in<br />

Beziehung zu den anderen drei Weltzugängen. Das<br />

61


hört sich sehr theoretisch an, ist aber von hoher<br />

praktischer Relevanz. Nur wer die unterschiedlichen<br />

Handlungslogiken in Politik, Wirtschaft, Recht, Wissenschaft<br />

und Kirche kennt und sie in einen sinnvollen<br />

Bezug zueinander setzen kann, wird der normativen<br />

Kraft des Faktischen widerstehen und sich<br />

als Autor seines Lebens behaupten können.<br />

Ein Religionsunterricht, der in einen bestimmten<br />

religiösen Weltzugang einführt, ist ein konfessioneller<br />

Religionsunterricht, für den Christoph Th.<br />

Scheilke in seinem Beitrag eine Lanze bricht. Auffallend<br />

ist jedoch, dass weder er noch die anderen Autoren<br />

auf die in Baden-Württemberg weit verbreitete<br />

und von den Kirchen unterstützte konfessionelle Kooperation<br />

im Religionsunterricht eingehen. Das ist<br />

bedauerlich. Denn wer könnte erfahrungsgesättigter<br />

über die Chancen und Grenzen eines konfessionellkooperativen<br />

Religionsunterrichts reflektieren als<br />

die Religionspädagogen in Baden-Württemberg?<br />

62<br />

Besondere Beachtung verdient schließlich der<br />

Beitrag von Karl Ernst Nipkow, dem Nestor der<br />

evangelischen Religionspädagogik und langjährigen<br />

Vorsitzenden der Bildungskammer der EKD. Nipkow<br />

zeichnet kenntnisreich und urteilssicher die Entwicklung<br />

der Gemeindepädagogik der letzten Jahrzehnte<br />

nach. Das ist für einen katholischen Leser<br />

von besonderem Interesse. Während sich in der Religionspädagogik<br />

in den vergangenen Jahrzehnten<br />

eine enge und fruchtbare Kooperation beider Konfessionen<br />

etabliert hat, bleiben die Vertreter der Katechese<br />

bzw. der Gemeindepädagogik meist unter<br />

sich. Dabei hätten sie, wie der Beitrag von Nipkow<br />

zeigt, einander viel zu sagen. Dass es gegenwärtig<br />

nicht nur eine Tradierungskrise, sondern auch eine<br />

Krise des Tradierten gibt, dürfte im katholischen<br />

Raum ebenso spürbar sein. Auch die Frage, wie katechetische<br />

Inhaltslosigkeit ebenso vermieden werden<br />

kann wie die hermetische Sprachwelt der Kerngemeinden,<br />

wie also die Offenheit der Glaubenskommunikation<br />

mit konfessionellem Profil verbunden<br />

werden kann, bewegt beide Kirchen. Gute Gründe<br />

also, den Blick über den katholischen Zaun in den<br />

evangelischen Nachbargarten zu werden.<br />

Andreas Verhülsdonk


Theologie<br />

64 Heil erfahren in den Sakramenten //<br />

66 Glauben macht den Unterschied. Das<br />

Credo // 67 Wie kann Gott in der Welt wirken?<br />

Überlegungen zu einer theologischen<br />

Hermeneutik des Sich-Gebens<br />

63


Helmut Hoping / Benedikt Kranemann u.a. (Hg.)<br />

Heil erfahren in den Sakramenten<br />

Theologische Module 9<br />

Freiburg u.a.: Verlag Herder. 2009<br />

206 Seiten<br />

17,95 €<br />

ISBN 978-3-451-30139-1<br />

Die Feier der Sakramente ist längst nicht mehr<br />

für alle Christen selbstverständlich. Von dieser<br />

Beobachtung ausgehend erschließen die Autoren<br />

dieses Sammelbandes, Dogmatiker, Liturgiewissenschaftler<br />

und Religionspädagogen, dem Leser nach<br />

der Art eines Lehrbuches den Sinn der Sakramente.<br />

Stefan Wahle trägt in dem Einleitungsbeitrag<br />

„Grundlegung einer Theologie der Sakramentenfeiern“<br />

überzeugend das Anliegen vor, die Lehre von<br />

den Sakramenten nicht von vornherein in der Dogmatik<br />

zu verankern, sondern als theologische Reflexion<br />

auf die Praxis der Sakramentenfeier zu betreiben.<br />

Der Leser wird Schritt für Schritt hingeführt zu<br />

dem, was Sakramente sind, was sie mit anderen lebensweltlichen<br />

Ritualen verbindet und was sie von<br />

diesen abgrenzt. Auf die biblische Fundierung folgt<br />

ein Überblick über die Entwicklung des Sakramentenverständnisses<br />

durch die Tradition. Auch die reformatorische<br />

Kritik erhält darin Raum. Ausgehend<br />

vom aktuellen Stand der Forschung eröffnet Wahle<br />

dann folgenden Zugang: Indem der Glaubende sich<br />

mit seiner ganzen Person in den Segen Gottes hineinstellt,<br />

begegnet er Gott, wird verwandelt und selbst<br />

zum Segen. Die Sakramente begleiten den Menschen<br />

auf seinem Lebensweg und führen ihn immer wieder<br />

in die Erfahrbarkeit des göttlichen Für-uns-Seins hinein.<br />

Diese Überlegungen werden zugleich anschaulich<br />

durch präzise Erläuterungen des liturgischen<br />

Aufbaus konkreter Sakramentenfeiern.<br />

Auf diesen grundlegenden Beitrag folgen Beiträge<br />

zu den Einzelsakramenten Taufe und Eucharistie.<br />

Benedikt Kranemann erläutert die Taufe als „Sakrament<br />

des Christwerdens wie des Christseins.“ Taufe<br />

ist damit als ein offener dialogischer Prozess verstanden,<br />

der „von Gott her für den Menschen eine<br />

neue Wirklichkeit“ erschafft, aus der er leben kann.<br />

64<br />

Auch dieser Beitrag gibt einen Überblick über<br />

wichtige Weichenstellungen der Tradition, die stets<br />

an den konkreten Gestalten der verschiedenen<br />

Taufliturgien deutlich gemacht werden – von der<br />

Spätantike (enge Zusammengehörigkeit der drei Initiationssakramente:<br />

Wassertaufe, Salbung, Eucharistie)<br />

über das Mittelalter (Auseinanderfallen der<br />

Einzelsakramente, Individualisierung), die unterschiedliche<br />

Entwicklung in der Ost- und Westkirche,<br />

das reformatorische Verständnis bis hin zu den ökumenischen<br />

Neuentwicklungen des 20. Jahrhunderts<br />

(Taufe als Grundgemeinsamkeit der christlichen<br />

Kirchen).<br />

Helmut Hoping profiliert die Eucharistie als „signum<br />

maxime caritatis“: Jesus gab dem Herumreichen<br />

von Wein und dem Brotbrechen als Ausdruck<br />

seiner Liebe bis zum Äußersten eine neue Bedeutung,<br />

die für die Identität der Kirche konstitutiv sei. Auf<br />

diese biblische Fundierung folgt eine Erläuterung<br />

der weiteren Entwicklung vom Herrenmahl des Urchristentums<br />

über die Eucharistie als Darbringung


in Patristik und Mittelalter und deren Deutung als<br />

Transsubstantiation in der Scholastik, die schließlich<br />

zur Reformation und zu Trient führte, bis hin<br />

zur Liturgiereform des II. Vatikanums (Eucharistie<br />

als „Sakrament der Verwandlung“). Auch der tridentischen<br />

Messopferfeier ist ein ausführlicher Passus<br />

gewidmet.<br />

Der abschließende Beitrag von Norbert Weidinger<br />

nimmt die Problematik der praktischen Vermittlung<br />

sakramentaler Zeichen in Religionsunterricht und<br />

Gemeinden in den Blick. Angesichts einer Zeit des<br />

zunehmenden Pluralismus, in dem die Sakramente<br />

Gefahr laufen, nur noch als dekoratives Element<br />

des Glaubens verstanden zu werden, komme es darauf<br />

an, dass „sakramentale Symbol-Zeichen“ im<br />

Unterschied zu anderen Symbolen, Zeichen oder Metaphern<br />

den Menschen mit der Wahrheitsfrage konfrontieren<br />

und ihn zu existentieller Stellungnahme<br />

herausfordern.<br />

Das Buch ist als neunter Band der Reihe „Theologische<br />

Module“ im Herderverlag erschienen. Es<br />

bietet dem Theologiestudierenden und theologisch<br />

Interessierten eine fundierte, durchgängig gut verständliche<br />

Übersicht über den Sinn der Sakramente<br />

in einer manchmal mehr, manchmal weniger kritischen<br />

Vermittlung der Tradition mit der Gegenwart.<br />

Zitate, Zusammenfassungen und Tabellen sind<br />

im Schriftbild hervorgehoben und erleichtern die<br />

Orientierung.<br />

Christine Büchner<br />

65


Thomas Ruster<br />

Glauben macht den Unterschied. Das Credo<br />

München: Kösel-Verlag. 2010<br />

224 Seiten<br />

17,95 €<br />

ISBN 978-3-466-36891-4<br />

Sind gute Christen jene bahnfahrenden Veganer,<br />

die sich mit alternativen Währungen (zinslos!) bei<br />

„Attac“ für eine Politik des rechten Maßes einsetzen<br />

und gegen Massentierhaltung, genverseuchtes Gemüse,<br />

Stuttgart 21 und Hedgefonds demonstrieren<br />

– wissend, dass sie dabei Gott und ihrem Nächsten<br />

die Ehre erweisen? Man könnte schon auf diese Idee<br />

kommen, wenn Thomas Ruster das Apostolicum als<br />

Gegenentwurf zur „gegenwärtigen kapitalistischen<br />

Lebensform“ vorstellt.<br />

Seit seinem Diskussionsbeitrag „Die Welt verstehen<br />

gemäß den Schriften“ (2000), der die Debatte<br />

um Korrelationsdidaktik und Elementarisierung<br />

angeheizt und die Religionspädagogik über Monate<br />

beschäftigt hat, ist klar, dass man den Thesen des<br />

Dortmunder Systematikers zwar nicht unbedingt<br />

zustimmen muss, aber nicht umhin kann, ihm ein<br />

gewisses seismographisches Gespür für die brennenden<br />

Themen zu attestieren. Ähnlich verhält es<br />

sich mit seinem Buch zum Glaubensbekenntnis, das<br />

in der Spur von „Der verwechselbare Gott“ steht und<br />

mit der Grundannahme, dass Götter als die alles<br />

bestimmende Wirklichkeit (heute in Form des Kapitalismus)<br />

nicht mehr in eine vernünftige Beziehung<br />

zu Gott gesetzt werden können, den scheinbar „alten<br />

Hut“ Glaubensbekenntnis unversehens zu einem<br />

heißen Eisen macht.<br />

Dabei geht es mitunter ordentlich provokativ zur<br />

Sache: Auferstehung als Auswärtssieg gegen den<br />

Teufel, Krankensalbung als „Teufelsbetrug“, Autoverkehr<br />

als Form der Erbsünde, Fast Food als Sinnbild<br />

für den Turmbau zu Babel, Jesus als Opfer des<br />

Turbokapitalismus seiner Zeit und die Vermutung,<br />

Christen könnten heute nicht mehr guten Gewissens<br />

als Naturwissenschaftler tätig werden … Mancher<br />

Leser wird sich die Augen reiben und fragen,<br />

„meint der das ernst?“ Ja, offenbar, denn nach der<br />

66<br />

Selbstauskunft im Vorwort hat Ruster es „mit der<br />

nötigen Portion Unbeirrbarkeit“ unternommen, den<br />

christlichen Glauben in einem Zuge darzustellen.<br />

Und so präsentiert sich das Buch auch: Als Zeugnis<br />

entlang der Artikel des Apostolischen Glaubensbekenntnisses,<br />

das durch provokative Auslegungen<br />

und theologische Lektüren unterhält, wachhält und<br />

dabei immer wieder zu Nachfrage und Widerspruch<br />

reizt. Ob das Gerüst auch nach dem Abtragen der<br />

teils plakativen Ansätze trägt, wäre zu diskutieren:<br />

Sowohl die mitunter etwas naive Bibelhermeneutik<br />

(beispielsweise bei den Wundern und Speisevorschriften)<br />

als auch die Frage nach dem Verhältnis<br />

von Glauben und Vernunft (ausgeführt als Angriff<br />

auf die Unvernunft derer, die sich nicht der Realität<br />

der göttlichen Existenz stellen) rufen geradezu<br />

nach einer vertieften Auseinandersetzung. Im Idealfall<br />

wird ein Oberstufenkurs das leisten können<br />

und wäre dann gut gerüstet für eine Diskussion der<br />

Grundthese des Buches: „Das Glaubensbekenntnis<br />

will dazu anleiten zu glauben, was wirklich ist“<br />

(218).<br />

Sandra Hübenthal


Christine Büchner<br />

Wie kann Gott in der Welt wirken?<br />

Überlegungen zu einer theologischen<br />

Hermeneutik des Sich-Gebens<br />

Freiburg u. a.: Verlag Herder. 2010<br />

440 Seiten<br />

38,00 €<br />

ISBN 978-3-451-32283-9<br />

Wer an den Gott der biblischen Tradition glaubt,<br />

glaubt auch an ein Wirken dieses Gottes in der Geschichte<br />

– sowohl in den biblischen Zeiten als auch<br />

darüber hinaus. In Verbindung mit dem Untertitel<br />

deutet die im Titel gestellte Frage daraufhin, dass<br />

es im vorliegenden Buch darum geht, dieses Wirken<br />

unter einem ganz spezifischen Zugang verstehen zu<br />

wollen: Indem Gottes Präsenz in der Welt unter der<br />

Rücksicht des Sich-Gebens begriffen wird, hat man<br />

eine Erklärung zur Hand, wie der Gott der biblischen<br />

Tradition in der Welt wirken kann. Die vorgelegte<br />

Untersuchung erhebt damit einen Erklärungs- bzw.<br />

einen Begründungsanspruch für die Rede des Wirkens<br />

Gottes in der Welt, insofern eine Kategorie angeboten<br />

wird, durch die dieses Wirken begrifflich<br />

gefasst werden kann.<br />

Diese These entfaltet die Autorin in folgenden<br />

Schritten: Zunächst wird dem entsprechenden begründungstheoretischen<br />

Grundanliegen in der Einführung<br />

vor allem dadurch Ausdruck verliehen, dass<br />

zwischen dem Wirken und dem Handeln Gottes unterschieden<br />

wird; während der Begriff des Handelns<br />

ein Subjekt mit einem Objektbezug voraussetzt, der<br />

zudem am Menschen abgelesen ist, bietet der Begriff<br />

des Wirkens für die Autorin im Blick auf Gott<br />

den Vorteil, erstens uneindeutiger zu sein und zweitens<br />

sein Wirken in der Natur und in der Geschichte<br />

des Menschen besser zum Ausdruck bringen zu können.<br />

Nachdem der Gegenstand der Untersuchung<br />

definitorisch gefasst ist, wird in einem zweiten Kapitel<br />

die Kategorie vorgestellt, mit der dieser Gegenstand,<br />

das Wirken Gottes, begriffen werden soll:<br />

das Sich-Geben. Entscheidend ist hierbei die inhaltliche<br />

Bestimmung des Sich-Gebens, die im phänomenologischen<br />

Anschluss an J.-L. Marion zugleich<br />

eine ontologische Bedeutung hat: Die Gabe des Ge-<br />

gebenseins (1) ist eine Gabe (2), die zugleich so ein<br />

Sich-Hingeben (3) einschließt, dass die Wirklichkeit<br />

überhaupt unter diesen Aspekten begriffen wird;<br />

d.h. die Wirklichkeit überhaupt ist nicht anders als<br />

unter der Rücksicht zu begreifen, dass etwas als<br />

Gabe nur im Sich-Geben überhaupt existiert. Im folgenden<br />

dritten Kapitel wird Gottes Wirken „in der<br />

Pluralität der biblischen Zeugnisse untersucht“, die<br />

zugleich nach dem Grundansatz der Untersuchung<br />

(über den Titel dieses Kapitels im Sinne der bloßen<br />

Schriftinspiration hinaus) als Zeugnisse seines Wirkens<br />

als Sich-Geben begriffen werden. Das anschließende<br />

vierte Kapitel reflektiert das Wirken Gottes<br />

anhand ausgewählter Autoren aus der christlichen<br />

Tradition, die Gottes Wirken in der Welt im Rahmen<br />

ihrer jeweiligen theologischen Entwürfe zu begreifen<br />

suchen (Thomas von Aquin, Johannes Duns<br />

Scotus, Meister Eckhart und Teresa von Avila). Die<br />

Auslegung oder Übersetzung – wie man den Begriff<br />

der Hermeneutik im Untertitel unprätentiös wieder-<br />

67


geben kann – des Sich-Gebens in seiner Bedeutung<br />

für die Theologie wird von der Autorin im Blick auf<br />

gegenwärtige systematische Entwürfe der Theologie<br />

in einem fünften Kapitel untersucht, bevor ein<br />

sechstes Kapitel das Buch inhaltlich mit einem Resümee<br />

und Ausblick abschließt.<br />

Für das entscheidende Anliegen des vorliegenden<br />

Buches muss dabei festgehalten werden, dass die<br />

Denkmöglichkeit des Wirkens Gottes in der Welt<br />

aufgrund der real-materialen Erfahrung von Sich-<br />

Geben als (ontologischer) Wirklichkeitskategorie<br />

erstens grundsätzlich festgehalten und zweitens im<br />

Blick auf theologische Gehalte hin dekliniert werden<br />

kann bzw. muss, so dass eben mit dem Sich-<br />

Geben ein „hermeneutischer Schlüssel“ zum Wirken<br />

Gottes in der Welt gegeben ist. Das erste grundsätzliche<br />

Anliegen ist dadurch eingelöst, dass jedes<br />

Wirkliche als Erscheinendes gedacht wird, das sich<br />

(1) als Gabe (2) gibt (3). Indem mit dem Gegebensein<br />

des Etwas in der Erscheinung als Gabe damit aber<br />

zugleich ein Unterschied zwischen dem Etwas und<br />

seinem Gegebensein als Gabe festgehalten wird,<br />

ist eine (ontologische) Differenz aufgemacht, die<br />

theologisch für das Verhältnis von Gott (in seiner<br />

Differenz zur bzw. in seiner Funktion für die) Welt<br />

nutzbar gemacht werden kann. Durch diese grundsätzliche<br />

ontologische Differenz kann aber nicht nur<br />

das Gott-Welt-Verhältnis mittels der Kategorie des<br />

Sich-Gebens beschrieben werden, es können darüber<br />

hinaus (zweitens) noch weitere zentrale theologische<br />

Inhalte erklärt werden: Als Geber ist Gott in<br />

68<br />

seiner „Pro-präsenz“ der Geber der Gabe der Schöpfung,<br />

die so von ihm her gedacht werden kann. Gott<br />

ist als Geber der Gabe der Schöpfung zugleich in Jesus<br />

Christus aber selbst das Höchstmaß an Gabe,<br />

insofern er selbst sich als Liebe hingibt. In der gläubigen<br />

Annahme wird Gott vom Glaubenden in seinem<br />

Wirken als Gabe nicht nur der Schöpfung, sondern<br />

auch der Erlösung angenommen, insofern Gott<br />

selbst diese Annahme wirkt, indem der Hl. Geist<br />

mir innerlicher ist als ich mir selbst, wie Augustinus<br />

sagt. In dieser Form verbinden sich für die Autorin<br />

mit der ontologischen Theorie der Gabe nicht<br />

nur weitere theologische Inhalte des christlichen<br />

Glaubens, die Theorie der Gabe wird darüber hinaus<br />

auch zu der theologischen Basistheorie zum Begreifen<br />

des zentralen Inhalts der christlichen Theologie:<br />

der Trinität. Wie der Sohn die Gabe des Vaters an die<br />

Welt ist, so ist der Hl. Geist die Gabe des Vaters und<br />

des Sohnes an diejenigen, die an den Vater und den<br />

Sohn glauben und die mit dem Vater und dem Sohn<br />

damit eins sind.<br />

Auch wenn man mit der Autorin glaubt, jedes Einzelmoment<br />

oder jedes Individuum mit jener universalen<br />

(ontologischen) Theorie der Gabe erklärt zu<br />

haben und dabei die Theodizeefrage unbeantwortet<br />

bleibt, so bleibt jene Erklärung nach eigenem Eingeständnis<br />

eine analoge Theorie, weil die Trennung<br />

von Bezeichnetem und Bezeichnung für die Theorie<br />

konstitutiv ist. Ob damit dann aber der eigene hochgesteckte<br />

Begründungsanspruch eingelöst wird,<br />

scheint fraglich zu sein.<br />

Günter Kruck


Andere Religionen /<br />

Weltanschauungen<br />

70 Schöpfungsmythen // 71 Die kleinen Re-<br />

ligionen Europas. Woher sie kommen und<br />

welchen Einfluss sie haben // 73 Scientology.<br />

Wissen, was stimmt // 74 Religionen der<br />

Gegenwart // 75 Tora, Sabbat und Schalom.<br />

Alltag und Tradition im Judentum // 76 Der<br />

Koran // 80 Vampire. Mons-ter – Mythos –<br />

Medienstar // 82 „Nahe ist dir das Wort …“<br />

Schriftauslegung in Chris-tentum und Islam<br />

69


Monika und Udo Tworuschka<br />

Schöpfungsmythen<br />

Darmstadt: Primus Verlag. 2011<br />

100 Seiten<br />

14,95 €<br />

ISBN 978-3-89678-736-1<br />

Die Frage, wann und wie unsere Welt und mit ihr<br />

die Menschheit entstanden ist, beschäftigt die Menschen<br />

seit Anbeginn der Zeiten. Und so verwundert<br />

es auch nicht, dass in vielen Kulturen und Gegenden<br />

bereits vor langer Zeit eine Vielzahl von Schöpfungsmythen<br />

entstanden sind. Zusammen mit den Autoren<br />

des Buches können sich die Leserinnen und<br />

Leser nun auf eine Reise begeben, um verschiedene<br />

Schöpfungsmythen in ihren Überlieferungen kennenzulernen<br />

und nachzuspüren.<br />

Die Religionswissenschaftler Udo Tworuschka<br />

(Professor an der Friedrich-Schiller-Universität<br />

Jena) und seine Frau Monika Tworuschka versuchen<br />

mit diesem Text- und Bildband das Thema „Schöpfungsmythen“<br />

so aufzubereiten, dass es auch für<br />

Nicht-Fachleute verständlich und nachvollziehbar<br />

ist. Dabei bedienen sie sich der Herangehensweise<br />

der vergleichenden Religionswissenschaft. Die Autoren<br />

sehen in den Mythen zunächst Antworten der<br />

Menschen auf die Frage nach dem Ursprung ihrer<br />

Welt. Dabei sind diese „in Bezug auf klimatische<br />

Verhältnisse und natürliche Gegebenheiten entstanden,<br />

was bei den Völkern mitunter zu sehr unterschiedlichen<br />

Vorstellungen“ von der Entstehung der<br />

Welt geführt hat. Trotz dieser Unterschiede lassen<br />

sich in den Schöpfungsmythen dennoch zahlreiche<br />

Gemeinsamkeiten, vor allem hinsichtlich einzelner<br />

Schöpfungsmotive und eines gewissen Gesamtzusammenhangs,<br />

wiederfinden.<br />

70<br />

Die Gliederung der Schöpfungsmythen orientiert<br />

sich zunächst an den Kulturräumen ihrer Entstehung.<br />

So stellen die Autoren des Buches folgende,<br />

z.T. sehr divergierende Mythen von der Erschaffung<br />

der Welt vor: Aus Ägypten, dem Vorderen Orient,<br />

dem Iran und Indien, aus Germanien und Nordeuropa,<br />

Griechenland und Rom, China und Japan, Nord-,<br />

Mittel- und Südamerika, Polynesien, Ozeanien und<br />

Australien sowie schließlich aus Afrika. Anhand<br />

dieser Vielzahl an Kulturkreisen und der damit<br />

verbundenen Darstellung recht unterschiedlicher<br />

Schöpfungsmythen wird deutlich, dass hier keine<br />

ausführliche und vollständige Bearbeitung des<br />

Themas erfolgen kann. Im Zentrum der Darbietung<br />

steht vielmehr das Aufzeigen des Entwicklungsprozesses<br />

der unterschiedlichen Vorstellungen und der<br />

Bedeutung der verschiedenen Gottheiten, denen der<br />

Akt der Schöpfung – sei es durch Zeugung oder Gebären,<br />

Tanz oder Wort, Ekstase oder Askese, Gestaltung<br />

und Formen von unterschiedlichen Materien


oder aber durch Trennen und Teilen – zugeschrieben<br />

wird. Trotz der gerafften und teilweise sehr konzentrierten<br />

Darstellungsweise gelingt es den Autoren,<br />

durch die gezielte Einbindung von kleineren Auszügen<br />

in Übersetzung aus den jeweiligen Schöpfungstexten<br />

und den zahlreichen farbigen historischen<br />

Abbildungen und Fotos recht anschauliche<br />

Einblicke in die für heutige Leserinnen und Leser<br />

gewiss fremdartig anmutenden Vorstellungen und<br />

Kulturen zu geben.<br />

Das letzte Kapitel des Buches beinhaltet eine kurze<br />

„Geschichte“ der Mythenforschung und reflektiert<br />

dabei insbesondere über Merkmale und Deutungen<br />

des Mythos im Allgemeinen. Monika und Udo Tworuschka<br />

zeigen hier auf, wie ein Blick auf den Mythos<br />

im Wandel der Zeit zu einem besseren Verständnis<br />

religiöser Rituale und verschiedener anthropologischer<br />

Betrachtungsweisen führen kann. Zu guter<br />

Letzt lässt sich konstatieren, dass das vorliegende<br />

Buch überaus empfehlenswert für all diejenigen ist,<br />

die sich – sei es aus beruflichen oder privaten Gründen<br />

– für die Schöpfungsmythen verschiedenster<br />

Kulturen interessieren und gerne einen weitreichenden<br />

Überblick erwerben möchten.<br />

Annett Giercke-Ungermann<br />

Manfred Böckl<br />

Die kleinen Religionen Europas<br />

Woher sie kommen und welchen Einfluss<br />

sie haben<br />

Ostfildern: Patmos Verlag. 2011<br />

168 Seiten<br />

17,90 €<br />

ISBN 978-3-8436-0000-2<br />

"Heute ist Europa ein Kontinent, wo die religiöse<br />

Freiheit ähnlich wie einst in der toleranten Antike<br />

selbstverständlich ist. Gewisse Einschränkungen<br />

gibt es allerdings weiterhin. Die Großkirchen betrachten<br />

die kleinen Glaubensgemeinschaften oft mit<br />

Argwohn, was in Deutschland unter anderem durch<br />

die Existenz der katholischen und evangelischen<br />

Sektenbeauftragten deutlich wird, die Andersdenkende<br />

zu überwachen versuchen." Manfred Böckl<br />

beginnt sein Buch "Die kleinen Religionen Europas.<br />

Woher sie kommen und welchen Einfluss sie haben"<br />

gleich mit einem Paukenschlag. Gleichzeitig lässt er<br />

die Leserinnen und Leser seines Buches nicht über<br />

die Grundstimmung im Unklaren: Die sog. kleinen<br />

Religionen können durch ihre jüdisch-islamischchristlichen<br />

Wurzeln und Überschneidungen gerade<br />

für die Ökumene und den Dialog hilfreich sein,<br />

71


weil sie nicht die Institution vertreten, sondern in<br />

der Regel spirituelle Wege, sich auf die Wurzeln der<br />

verfassten Religionsgemeinschaften beziehen und<br />

im guten Sinne konservativ sind, auch und gerade<br />

weil sie von vielen Menschen heute neu entdeckt<br />

werden. Waldenser, Altkatholiken, Bahai, Aleviten<br />

oder Wicca mit vorchristlichen Wurzeln sieht er<br />

als Gegenentwurf zu einer Glaubenspraxis, die als<br />

verkrustet und verhierarchisiert wahrgenommen<br />

wurde und wird. Sie sind für ihn „Suche nach einem<br />

spirituellen Weg abseits der großen etablierten Religionen“.<br />

Hart ins Gericht geht er dabei mit den Sektenbeauftragten,<br />

die in den klassisch-theologischen<br />

Sektenbegriff auch „Neuapostolische Kirche“ und<br />

„Zeugen Jehovas“ aufnehmen und vor ihnen regelmäßig<br />

warnen. Das tut Böckel auch, mehr aber vor<br />

antidemokratischen Sektierern wie Moslembrüdern<br />

und fundamentalistischen Salafisten. Wo intolerante<br />

oder autoritäre Tendenzen am Werk sind, spart<br />

Böckl nicht mit Kritik, etwa bei der Sexualmoral der<br />

„Zeugen“, stellt aber auch deren Pazifismus positiv<br />

heraus. Ansonsten sieht er Chancen für ein Europa,<br />

„wo die religiöse Freiheit ähnlich wie einst in der<br />

toleranten Antike selbstverständlich ist“.<br />

72<br />

Nach einer knappen Einführung in die Religionsgeschichte<br />

Europas, stellt er die unterschiedlichen<br />

kleinen Religionen mit ihren Wurzeln und Einflüssen<br />

vor. Er führt in die interessantesten kleinen Religionen<br />

und Konfessionen unseres europäischen Kulturkreises<br />

ein, die in unserer Mitte leben. Er erzählt<br />

von ihrer Herkunft und Entwicklungsgeschichte,<br />

stellt ihre Begründer vor und skizziert die Glaubensinhalte<br />

einschließlich der Querverbindungen<br />

zu den großen Religionen. Das ist durchaus lesenswert,<br />

oft spannend, gerade da, wo es das Fremde<br />

um die Ecke betrifft. Wo sich der Vorhang zu religiösen<br />

Bewegungen und Riten öffnet, von denen wir<br />

schon gehört haben, aber kaum etwas wissen. Wer<br />

weiß schon, ob der Nachbar Bahai ist, was sich im<br />

Gotteshaus gegenüber bei den Adventisten abspielt.<br />

Viel Neues erfährt man über die Naturreligion der<br />

Samen, der Hussitischen Kirche oder über die Baptisten.<br />

Schon diese beispielhafte Aufzählung zeigt,<br />

wie vielfältig und schwer zu vergleichen die kleinen<br />

Religionen sind. Gerade auch vor dem Hintergrund<br />

ihrer Größe und ihres Einflusses, gerade auch vor<br />

der Wahrscheinlichkeit, mit ihnen im Alltag in Berührung<br />

zu kommen.<br />

Marcus C. Leitschuh


Dirk Ritter-Dausend<br />

Scientology. Wissen, was stimmt<br />

Herder Spektrum 6289<br />

Freiburg u.a.: Verlag Herder. 2010<br />

127 Seiten<br />

8,95 €<br />

ISBN 978-3-451-06289-6<br />

Wer in der Schule „Sekten“ zu behandeln hat,<br />

kommt am Thema „Scientology“ nicht vorbei. Ungeachtet<br />

der geringen Mitgliederzahl in Deutschland<br />

(5000-6000 laut Verfassungsschutz) liegt der<br />

amerikanische Psychokult an der Spitze medialer<br />

Aufmerksamkeit. Insofern ist solch ein kurzes, verständlich<br />

geschriebenes Nachschlagewerk überaus<br />

nützlich.<br />

In neun Kapiteln stellt Ritter-Dausend vor allem<br />

die Organisation und Praxis von Scientology dar. In<br />

knapper, eingängiger Sprache kann man nachlesen,<br />

was etwa das E-Meter misst, was ein „Clear“ oder<br />

„Operierender Thetan“ ist und in welcher Weise sich<br />

Scientology wirksam medial vermarktet. Gut werden<br />

die Strategien beschrieben, wie Scientology Kritik<br />

im Internet zu unterdrücken versucht oder durch<br />

scheinbar unabhängige Kampagnen wie „Jugend für<br />

Menschenrechte“ Sympathiewerbung betreibt. Der<br />

Autor, Extremismus-Fachmann im Innenministerium<br />

von Nordrhein-Westfalen, beschreibt die gesellschaftlich-politische<br />

Aktivität des Psychokults treffend<br />

und auf dem aktuellsten Stand. Zu kurz kommt<br />

allerdings die religionswissenschaftliche Verortung<br />

von Scientology, wie sie etwa der Gießener Theologe<br />

Linus Hauser unlängst vorgenommen hat (vgl. die<br />

Rezension von L. Hausers Buch „Scientology. Geburt<br />

eines Imperiums“ in EULENFISCH Literatur 1_2011).<br />

Die verschrobenen religiös-utopischen Elemente<br />

der Lehre von L. Ron Hubbard bleiben bei Ritter-<br />

Dausend randständig, während die mechanistische<br />

Psychologie des scientologischen Menschenbilds<br />

zutreffend charakterisiert wird. Ein kurzes Begriffslexikon<br />

beschließt den Überblick; auf Beratungsstellen<br />

wird nur summarisch und ohne Adressverzeichnis<br />

verwiesen.<br />

Dieses Buch provoziert ein geteiltes Fazit: Es ist<br />

gelungen als Einführung in die Organisation und<br />

Praxis von Scientology, die aufgrund ihrer klaren<br />

und einfachen Sprache auch Schüler ab der 9. Klasse<br />

verstehen sollten. Aber die politologische Sicht<br />

bedarf religionswissenschaftlicher Ergänzung, um<br />

dieses seltsame Mischgebilde aus Mythos, Kommerz<br />

und Erlösungswahn auch geistesgeschichtlich einzuordnen.<br />

Jenseits dieser Einschränkung ist dies ein<br />

auch für den Unterricht recht brauchbares Buch.<br />

Lutz Lemhöfer<br />

73


Monika und Udo Tworuschka<br />

Religionen der Gegenwart<br />

Münster: Verlag Aschendorf. 2011<br />

343 Seiten<br />

14,80 €<br />

ISBN 978-3-402-12859-6<br />

Der Einfluss der Religionen und ihrer Symbole<br />

auf die heutige Gesellschaft ist kaum zu übersehen.<br />

In allen Zeiträumen der Geschichte haben die Religionen<br />

mehr oder weniger stark versucht, eine besondere<br />

Wirkung auf ihre Umwelt auszuüben – und<br />

das nicht nur auf den Gebieten von Politik, Gesellschaft,<br />

Wissenschaft und Erziehung, sondern auch<br />

im alltäglichen Leben von der Arbeit bis zur Freizeit,<br />

vom Essen bis zur Gesundheit. Durch politische<br />

und wirtschaftliche Veränderungen haben sich die<br />

verschiedenen Religionen auf allen Kontinenten<br />

verändert und an unterschiedlicher Wirkungskraft<br />

gewonnen. Sie werden mehr und mehr wahrgenommen,<br />

weil sie sich bemühen, aus ihrer Sicht Antworten<br />

auf drängende Fragen unserer Zeit zu geben.<br />

Der vorliegende Band versucht, in dem nicht immer<br />

durchschaubaren Dickicht Klarheit zu schaffen,<br />

Orientierung zu geben. Es werden dabei nicht nur<br />

die fünf großen Weltreligionen Judentum, Christentum,<br />

Islam, Hinduismus, Buddhismus behandelt,<br />

sondern ebenso kleinere Religionstraditionen wie<br />

der Jansenismus, die chinesischen Religionen Daoismus<br />

und Konfuzianismus, der japanische Shintoismus,<br />

Zoroastrismus, Sikhismus und Bahaismus.<br />

Um den Vergleich der Religionen miteinander zu<br />

erleichtern, sind die jeweiligen Darstellungen – soweit<br />

möglich – nach derselben Gliederung aufgebaut:<br />

Ausgehend von (abgebildeten) Symbolen folgen eine<br />

Einführung, Grundbegriff, Heilige Schriften, Glaube,<br />

Heilige Zeiten, Feste im Jahreskreis, Heilige Orte, Religiöse<br />

Handlungen, Autoritäten, die Verbreitung der<br />

74<br />

Religion in Deutschland. Ein Abschnitt mit einem<br />

besonderen Stellenwert ist der dargestellten Religion<br />

„angesichts aktueller Probleme der Gegenwart“<br />

gewidmet, wobei u.a. Fragen wie „Todesstrafe“, „Umweltethik<br />

und Tierschutz“, „Gleichgeschlechtliche<br />

Liebe“, „Freizeit und Sport“ in ihrer Bedeutung für<br />

die einzelne Religion in eigenen ausgegliederten Abschnitten<br />

behandelt werden.<br />

Neben einem reichhaltigen Literaturverzeichnis<br />

wird der Band zusätzlich durch ein detailliertes<br />

Na men-/Personenregister und ein Sach-/Ort-/Stichwortregister<br />

hervorragend ergänzt. Ein vorzügliches<br />

Werk der Basisorientierung wird hier vorgelegt, das<br />

einen Einsatz gerade auch im Unterricht direkt herausfordert.<br />

Bernhard Merten


Alfred Pfaffenholz<br />

Tora, Sabbat und Schalom<br />

Alltag und Tradition im Judentum<br />

Ostfildern: Patmos Verlag. 2011<br />

192 Seiten<br />

14,90 €<br />

978-3-8436-0003-3<br />

Bei dieser Einführung handelt es sich um die aktualisierte<br />

Neuauflage eines Buchs von 1995. Der<br />

Autor, Radiojournalist, gliedert diese aus einem<br />

Geist kritischer geschichtsbewusster Zeitgenossenschaft<br />

geschriebene Einführung in sieben Kapitel.<br />

Einem knappen tabellarischen Überblick über die<br />

Geschichte Israels und des Judentums in Deutschland<br />

folgt das eindringlichste und informativste Kapitel<br />

zur jüdischen Bibel, dem Talmud und anderen<br />

rabbinischen Schriften: sachkundige Informationen,<br />

die in anderen Einleitungen für breitere Leserkreise<br />

so meist nicht zu finden sind. Ein eigenes Kapitel<br />

ist, der lebenspraktischen Bedeutung im Judentum<br />

durchaus angemessen, der Sabbatfeier gewidmet. Es<br />

dürfte auf ein Rundfunkfeature bzw. eine Reportage<br />

des Autors zurückgehen; denn er berichtet aus der<br />

Perspektive des Gastes in einer Synagoge und Familie.<br />

Das Kapitel wird ergänzt durch ein etwas ausführlicheres<br />

zu Festen und Feiertagen, die über die<br />

bekannten drei großen Wallfahrtsfeste Pesach, Wochenfest<br />

und Laubhüttenfest hinaus auch die weiteren<br />

nicht so bekannten Festtage vorstellen. „Von<br />

der Wiege bis zum Grab“ behandelt die „rites de<br />

passage“ wie Geburt und Beschneidung, Bar Mizwa,<br />

Heirat und Sterben, doch auch die Frage nach den<br />

Kriterien des Judeseins, von Gebet und Praxis wie<br />

die Speisevorschriften. Ein sechstes Kapitel greift<br />

direkt immer noch kursierende Vorurteile auf und<br />

bietet Hilfe, ihnen zu entgegnen, indem kurz und<br />

bündig Fragen und passende Antworten präsentiert<br />

werden. Ein Kapitel mit zentralen Stichworten zur<br />

Judenfeindschaft, im Ansatz angelegt wie ein Glossar,<br />

schließt den Band ab.<br />

Der Autor, ebenso engagiert für die Vermittlung<br />

von jüdischer Kultur wie kundig in der Sache, vereinigt<br />

in dem Band recht unterschiedliche Genres<br />

an Texten, die unterschiedliche Vertiefungsgrade<br />

aufweisen; das mindert den Gebrauchswert als Einführung.<br />

Mit Blick auf das 6. Kapitel, das sich nicht<br />

abnehmenden Vorurteilen entgegenstellt, sei hier<br />

allerdings auf Micha Brumliks Buch „Was stimmt?<br />

Judentum. Die wichtigsten Antworten“ verwiesen.<br />

Es bearbeitet die Vorurteile historisch, soziologisch<br />

und theologisch wesentlich gründlicher.<br />

Paul Petzel<br />

75


Der Koran<br />

Aus dem Arabischen neu übertragen von Hartmut Bobzin<br />

unter Mitarbeit von Katharina Bobzin<br />

Kalligraphische Gestaltung: Shahid Alam<br />

München: Verlag C. H. Beck. 2010<br />

831 Seiten<br />

38,00 €<br />

ISBN 978-3-406-58044-4<br />

Der Koran<br />

Vollständig und neu übersetzt von Ahmad Milad Karimi<br />

Mit einer Einführung v. Bernhard Uhde (Hg.)<br />

Freiburg u.a.: Verlag Herder. 2009<br />

575 Seiten<br />

49,95 €<br />

ISBN 978-3451-30292-3<br />

Zwei bemerkenswerte, im besten Sinn originelle,<br />

neue Übersetzungen des Korans ins Deutsche verdienen<br />

es, eingehend vorgestellt zu werden. Der<br />

Erlanger Gelehrte Hartmut Bobzin ist beides, ausgewiesener<br />

Philologe, der sich jahrelang akademisch<br />

vor allem mit den Originalsprachen heiliger<br />

Schriften befasst hat, einschließlich Sanskrit, der<br />

Sprache der Veden, und renommierter Islamkundler.<br />

Er kann schwierige Themen und Sachverhalte<br />

auf hohem wissenschaftlichen Niveau allgemein<br />

verständlich darstellen. Auch hat er sich seit vielen<br />

Jahren bemüht, Christen den Koran als Text<br />

und heilige Schrift nahezubringen. Dabei ist seine<br />

Arbeit von der Überzeugung geprägt, dass die Bedeutung<br />

und Wirkkraft des Phänomens Koran ohne<br />

die gebührende Berücksichtigung der ästhetischen<br />

Dimension kaum adäquat erfasst werden kann.<br />

Nicht zufällig stieß Bobzin schon früh auf den genialen<br />

Philologen, Übersetzer und Dichter Friedrich<br />

Rückert (1826-1841), dessen fragmentarische Koranübersetzung<br />

er im Jahr 1995 neu herausgegeben<br />

hat. Bobzin wurde jedoch bald klar: eine vollständige<br />

Neuübersetzung des Koran ins Deutsche war angesagt,<br />

die Streben nach Genauigkeit mit dem Bemühen<br />

um angemessene sprachliche Form verbinden<br />

76<br />

sollte. Es kam ihm bei dieser Koranübertragung vor<br />

allem auch darauf an, „neben den wichtigen Inhalten<br />

auch etwas von der Sprachform zu vermitteln,<br />

die von den meisten Muslimen als unnachahmlich<br />

schön empfunden wird.


Muslimische Benutzer dieser Übersetzung werden<br />

Bobzin auch dafür dankbar sein, dass er am<br />

Seitenrand die am weitesten verbreitete liturgische<br />

Aufteilung des Korantextes angibt und es so Muslimen<br />

leicht macht, diese Übersetzung, wie allgemein<br />

üblich während des Ramadanmonats, Abschnitt für<br />

Abschnitt zu lesen und zu meditieren. Im Bemühen<br />

um das Verständnis des Textes hat sich Bobzin nicht<br />

nur der üblichen Hilfsmittel der westlichen Koranphilologie<br />

bedient. Er greift auch ständig zurück auf<br />

die islamische Auslegungstradition und versucht<br />

auf diese Weise, sich den gedanklichen Reichtum<br />

der großen Tradition der islamischen Koranwissenschaft<br />

wenigstens ein wenig nutzbar zu machen.<br />

Bei der Übersetzung geht es Bobzin darum, wo<br />

immer möglich die Wiedergabe der Knappheit des<br />

arabischen Ausdrucks beizubehalten. Den Reim der<br />

koranischen Prosa hat er nur da nachgeahmt, wo es<br />

ohne größere Eingriffe in die Bedeutung möglich war.<br />

Die zeilenweise Anordnung des deutschen Kontextes<br />

erleichtert das Lesen und Verstehen spürbar. Dazu<br />

hat Bobzin den Text so rhythmisiert, „dass Wortakzent<br />

und Satzakzent ein möglichst harmonisches<br />

Miteinander bilden“. Zudem gelingt es ihm, die „feierliche“<br />

Form des arabischen Textes durch Übersetzung<br />

von inna mit „siehe“ und la- mit „wahrlich“<br />

oder „fürwahr“ zu erhalten. Bei den für den Koran<br />

typischen Vieldeutigkeiten von Worten hat er eine<br />

Auswahl getroffen, die dann im Vergleich mit anderen<br />

Übersetzungsmöglichkeiten in seinen Erläuterungen<br />

erklärt und erhärtet. Kenner des arabischen<br />

werden sich wünschen, eines Tages die Bobzin'sche<br />

Übertragung gleich neben dem arabischen Text lesen<br />

zu können so wie es der vom Gütersloher Verlagshaus<br />

veröffentlichte Band „Der Koran. Arabisch-<br />

Deutsch“ mit der Übertragung von Adel Theodore<br />

Khoury ermöglicht.<br />

Der Anhang macht ein Viertel des mehr als 800<br />

Seiten zählenden Bandes aus. Etwa 170 eng gedruckte<br />

Seiten bieten Erläuterungen mit Verweisen<br />

auf den angekündigten, wissenschaftlichen Kommentarband,<br />

der, das darf man schon jetzt sagen,<br />

für Studenten des Islam und der vergleichenden<br />

Theologie eine Fundgrube relevanter Informationen<br />

und Klärungen bieten wird. Allerdings steht der vorliegende<br />

Band ganz und gar auf eigenen Füßen. Ein<br />

vierzehnseitiges Glossar und das 290-seitige Stellenverzeichnis<br />

erweisen sich als äußerst hilfreich<br />

beim Auffinden der Eigennamen und der Erfassung<br />

der Begriffe und sachlichen Zusammenhänge. Der<br />

aus Pakistan stammende muslimische Künstler<br />

Shahid Alam hat für die vorliegende Ausgabe in sehr<br />

gelungener Weise die arabischen Namen der 114 Suren<br />

sowie weitere wichtige Elemente wie den Titel<br />

oder die Eröffnungssure kalligraphisch gestaltet.<br />

Bobzins Übertragung des Koran stellt ein umfassend<br />

gelungenes Meisterwerk dar. Die in jeglicher<br />

Hinsicht hohe Qualität der Produktion des Bandes<br />

und sein erschwinglicher Preis machen dem Verleger<br />

alle Ehre.<br />

Die neue deutsche Übersetzung des Koran aus<br />

dem Hause Herder ist die Frucht einer engen Zusammenarbeit<br />

des 1979 in Kabul geborenen Übersetzers<br />

und Schriftstellers Ahmad Milad Karimi mit<br />

dem Freiburger Religionswissenschaftler Bernhard<br />

Uhde. Karimi stellt Uhde als seinen Lehrer und Wegbegleiter<br />

vor und dankt ihm besonders für „seine<br />

scharfsinnigen Bemerkungen“ und „seine sprachlich–ästhetischen<br />

Hilfestellungen“. Uhde hat zu dem<br />

handlichen Band eine eingehende, dem Text des Koran<br />

nachgestellte Einführung beigesteuert, die sich<br />

als weit ausholende „religionswissenschaftliche<br />

Betrachtung“ mit „Unterscheidungen“, westlichen<br />

und christlichen „Missverständnissen“ in Bezug<br />

auf Koran und Islam (nicht jedoch auf solche in der<br />

umgekehrten Richtung) und mit dem Verhältnis von<br />

77


Christentum und Islam befasst. Uhde geht nicht auf<br />

die Fragen ein, die sich dem Hörer beziehungsweise<br />

Leser des Koran bei fast jedem Vers stellen.<br />

Karimi schreibt, dass sich frühere Übersetzungen<br />

des Koran, mit Ausnahme der Übersetzung<br />

Rückerts, in ihrer Vermittlung fast ausschließlich<br />

auf den Inhalt des Koran beziehen, ohne dabei die<br />

Form, das heißt die sprachliche und ästhetische Weise,<br />

wie der Inhalt jeweils vorgetragen wird, besonders<br />

hervorzuheben. Folglich versuche er mit dieser<br />

Übertragung sich dem Koran als dynamischem und<br />

offenem Kunstwerk „in religiöser Demut anzunähern“,<br />

„um zumindest in Ansätzen zeigen zu können,<br />

warum wir Muslime so entzückt und gerührt sind,<br />

wenn wir die ergreifende Stimme des Koran hören“.<br />

Die ästhetisch-poetische Erfahrung des Hörens<br />

des Koran bestimme die Religiosität der Muslime<br />

grundlegend. Er versucht also, in dieser Übersetzung<br />

die besonderen sprachlichen, poetischen bis<br />

hin zu musikalischen Charakteristika des Koran<br />

hervorzuheben. Dabei steht für ihn an erster Stelle<br />

das Ideal, möglichst nah am Koran zu sein, fern<br />

historisierender Auslegung, politischer Ideologie<br />

oder religiösem Eifer.<br />

Der vorliegende Band verzichtet auf Glossar, Stellenverzeichnis<br />

sowie auf jegliche Erläuterungen.<br />

Karimi hält letztere für „überflüssig“ oder auch „inhaltlich<br />

verengend.“ Arabische Worte, die den Inhalt<br />

ihres intendierten Gegenstandes in ihrem Begriff<br />

tragen, versucht er auch in dieser Weise zu übersetzen.<br />

So übersetzt er zum Beispiel masjid nicht mit<br />

Moschee, sondern mit „Niederwerfungstätte“; muschrikun,<br />

ein Begriff, der von Th. A. Khoury regelmäßig<br />

mit „Polytheisten“ und von Bobzin mit „Beigesellern“<br />

übertragen wird, übersetzt er durchgehend mit<br />

„die, die neben Gott Anderes stellen“.<br />

78<br />

Karimi ist sich bewusst, dass für den Hörer beziehungsweise<br />

Leser des Koran, sei er nun Araber oder<br />

nicht, ohne Erläuterungen zahlreiche koranische<br />

Aussagen schwer verständlich bleiben. Er betrachtet<br />

dies kaum als ein Manko, da ihn die Überzeugung<br />

leitet: „Dem Koran als einer Schrift zu begegnen,<br />

die an manchen Stellen unerklärlich bleibt,<br />

bedeutet eine Grundeigenschaft dieser Offenbarung<br />

zu respektieren.“ Und später fügt er hinzu: „Es ist<br />

ersichtlich, dass die Übertragung des Koran in eine<br />

andere Sprache scheitert, aber gerade dieses Scheitern<br />

zeigt sich als eine romantisch, ja göttliche Poesie<br />

im Sinne des Islam, die den Wundercharakter<br />

des Islam bewahrt. Der Koran ist unübersetzbar, gilt<br />

er doch als das Wort Gottes.“<br />

Um die Vorzüge dieser originellen Übertragung des<br />

Koran zu erleben, die, soweit der Rezensent es nachprüfen<br />

konnte, dem Original weithin getreu bleibt,<br />

sollte der Leser den Text laut deklamieren oder einem<br />

Vortrag dieser Übersetzung aufmerksam zuhören.<br />

Der Text ist durchlaufend, die Seiten füllend und ist<br />

auf hochwertigem Papier gut lesbar gedruckt. Allerdings<br />

sind die Versangaben im laufenden Text allzu<br />

klein ausgefallen. Außerdem verschwinden die jeweiligen<br />

Surenangaben nahe der oberen Ecke jeder Seite<br />

fast innerhalb des allzu kräftig gedruckten, gleich<br />

bleibenden Ornaments, das den Text jeder Seite auf<br />

allen Seiten einrahmt. So wird das Nachschlagen und<br />

Suchen nach Koranzitaten optisch erschwert. Karimi<br />

versucht nach Möglichkeit den Rhythmus und<br />

die Spannung wiederzugeben, die den Korangesang<br />

im Original auszeichnet, beispielsweise werden die<br />

Attribute den Substantiven nachgestellt. Ferner soll<br />

der Hörer den koranischen Rhythmus in Ansätzen<br />

nachempfinden. Deshalb hat Karimi „die jeweiligen<br />

Wortarten im Deutschen nachgebildet, so dass beim<br />

Vortrag des Textes eine Art Rhythmus entsteht, der<br />

durch Stimmabsatzzeichen (`) die gesamte Übersetzung<br />

begleitet.


Zum Schluss möge der Leser Sure 9:1-3 in Bobzins<br />

und Karimis Übersetzung auf sich wirken lassen und<br />

selbst miteinander vergleichen:<br />

Bobzin:<br />

1 Eine Aufkündigung von Seiten Gottes und seines<br />

Gesandten. An jene Beigeseller, mit denen ihr einen<br />

Bund geschlossen hattet.<br />

2 Zieht frei im Land umher, vier Monate! Doch wisst,<br />

dass ihr Gottes Tun nicht vereiteln könnt. Und dass<br />

Gott die Ungläubigen erniedrigen wird.<br />

3 Eine Ansage von Gott und seinem Gesandten an die<br />

Menschen. Am Tag der großen Wallfahrt: Gott und<br />

sein Gesandter haben sich von den Beigesellern losgesagt.<br />

Kehrt ihr um, dann ist es gut für euch. Doch<br />

wendet ihr euch ab, dann wisst, dass ihr Gottes Tun<br />

nicht vereiteln könnt. Verkünde denen, die ungläubig<br />

sind, schmerzhafte Strafe.<br />

Karimi:<br />

1 Eine Schutzerklärung von Gott und seinem Gesandten<br />

` für die, mit denen ihr einen Vertrag geschlossen,<br />

` unter denen, die neben Gott Anderes stellen.<br />

2 Zieht im Land umher vier Monate und wisst: ` Ihr<br />

haltet Gott nicht ab, ` Gott jedoch macht zuschanden<br />

die Leugner.<br />

3 Eine Kundgebung von Gott und Seinem Gesandten `<br />

an die Menschen am Tag der Wallfahrt, der großen:<br />

` Gott ist nicht gebunden an die, die neben Gott Anderes<br />

stellen, ` und nicht sein Gesandter. ` Wenn ihr<br />

umkehrt, ist das besser für euch. ` Wenn ihr abkehrt,<br />

dann wisst: ` Ihr haltet Gott nicht ab. ` Und verkünde<br />

denen, die leugnen, eine Strafe, eine schmerzliche.<br />

Christian W. Troll<br />

79


Florian Kührer<br />

Vampire. Monster – Mythos – Medienstar<br />

Kevelaer: Butzon & Bercker. 2010<br />

288 Seiten<br />

17,90 €<br />

ISBN 978-3-7666-1396-7<br />

Vom Monster aus der Mitte der Gesellschaft über<br />

eine Randfigur als fascinosum et tremendum zum<br />

Medienstar – so weit spannt Florian Kührer in seinem<br />

informativen und amüsanten Buch über die populären<br />

Untoten den Bogen.<br />

An einen volkskundlich-historischen Auftakt<br />

schließen sich die Ausführungen zur Genese des literarischen<br />

Vampirs mit byronesken Zügen. Das Ganze<br />

liest sich spannend wie ein guter Krimi. Der Vampir,<br />

der zunächst durchaus Beachtung auch von Seiten<br />

der Wissenschaft fand – vor allem insofern er für<br />

bestimmte medizinische Phänomene verantwortlich<br />

gemacht wurde – erstand nach seiner Verbannung<br />

aus der Seriosität in die Schmuddelecke als (literarisches)<br />

Kunstprodukt neu. Bram Stoker verschaffte<br />

dem Untoten endgültig Unsterblichkeit; er band<br />

divergierende Vorstellungen des Vampirs mit der<br />

Gestalt des Vlad Tepes, eines walachischen Fürsten<br />

aus dem 15. Jahrhundert, zusammen: die Geburtsstunde<br />

des transsilvanischen Grafen Dracula.<br />

Kührer bietet einen guten Überblick über die unterschiedlichen<br />

„Charakterzüge“ des Blutsaugers in<br />

der Geschichte. Das mythenschöpferische und ikonographische<br />

Potential dieser Kunstfigur erscheint<br />

so gewaltig, dass es sich mit beliebigen Projektionen<br />

verbinden lässt. Wohl nicht zufällig haben die meisten<br />

Vampire kein Spiegelbild, denn so können sie<br />

die Vorstellungen der Betrachtenden reflektieren.<br />

Die Vampir-Literatur und der Umgang mit ihr ist zugleich<br />

ein Spiegel der jeweiligen Gesellschaft. In der<br />

nationalsozialistischen Propaganda hat „der Jude“<br />

vampirische Züge, er saugt die arische Volksgemeinschaft<br />

aus. Für die Theologie ist der Vampir der Antichrist<br />

schlechthin; er gibt nicht sein Blut für die<br />

vielen, sondern er nimmt sich ihres. Als das Fremde<br />

und Andere verkörpert er Verlockung und Bedrohung<br />

zugleich. Nach Kührer ist es „die Sehnsucht<br />

80<br />

nach dem Außergewöhnlichen, das in unseren Alltag<br />

hereinbricht, die den Vampir so interessant erscheinen<br />

lässt“. Und so wird für eine hypersexualisierte<br />

Generation der omnipotente, aber beherrschte<br />

und enthaltsame Nobel-Vampir Edward Cullen<br />

(„Twilight“) zu einer Idealgestalt, die einen Harry-<br />

Potter-gleichen Hype auslöste. Durch die jüngsten<br />

Entwicklungen der Finanzmärkte hingegen drängt<br />

sich ein weniger schmeichelhafter Vampir-Vergleich<br />

auf: kein Edelmut und keine Zurückhaltung, sondern<br />

eine „unstillbare Gier“, wie es im Musical „Tanz<br />

der Vampire“ heißt. So naheliegend dieser Vergleich<br />

auch sein mag, Vorsicht ist geboten, um nicht in die<br />

Tradition antisemitischer Rhetorik abzugleiten.


Den stetig anwachsenden Film- und Buchmarkt<br />

zu Vampir-Themen charakterisiert Kührer in der ihm<br />

eigenen Weise, die sein Buch so vergnüglich macht: „<br />

Es entstehen im Humus des Vampir-Mythos … weitgehend<br />

inhaltsleere Textbaustein-Ruinen, die dazu<br />

verleiten, ihre Autoren selbst als Blutsauger zu bezeichnen,<br />

und dem Begriff des Schauerromans eine<br />

völlig neue Dimension zu verleihen.“<br />

„Vampire. Monster – Mythos – Medienstar“ ist<br />

auf jeden Fall nicht schauerlich; es reiht sich in die<br />

seit längerer Zeit erscheinenden Vampir-Veröffentlichungen,<br />

die das Phänomen sowohl literarisch als<br />

auch psychologisch ernst nehmen. Schließlich sind<br />

auch die Ausführungen zum Unterschied zwischen<br />

„Vampiren“ und „Vampyren“ nicht nur für Psychoanalytikerinnen<br />

und -analytiker interessant, gibt<br />

es doch eine sehr heterogene Szene von Menschen,<br />

die sich selbst als „Vampyre“ bezeichnen und es<br />

ernst meinen. Das Literaturverzeichnis am Ende des<br />

Buches zeugt von dieser Entwicklung.<br />

Florian Kührers Buch wird die Fans erfreuen und<br />

diejenigen, die bislang nichts, aber auch gar nichts<br />

mit Vampiren anfangen konnten, angenehm überraschen.<br />

Kornelia Siedlaczek<br />

81


Hansjörg Schmid / Andreas Renz / Bülent Ucar (Hg.)<br />

„Nahe ist dir das Wort …“<br />

Schriftauslegung in Christentum und Islam<br />

Reihe: Theologisches Forum Christentum – Islam<br />

Regensburg: Verlag Friedrich Pustet. 2010<br />

280 Seiten<br />

€ 19,90<br />

ISBN 978-3-7917-2256-6<br />

Im März 2009 diskutierten 125 christliche und islamische<br />

Theologen aus zwölf Ländern über hermeneutische<br />

Fragen der Auslegung von Koran und Bibel.<br />

Die Referate der Tagung und die dazugehörigen<br />

Beobachterberichte sind in der vorliegenden – anerkannten<br />

und wertgeschätzten – Publikationsreihe<br />

abgedruckt. Sechs Themenblöcke mit ihren je eigenen<br />

Fragestellungen bildeten das Gerüst der Tagung<br />

und somit die Gliederung bzw. das Inhaltsverzeichnis<br />

des Buches.<br />

Im ersten Teil „Hermeneutische Grundlagen“<br />

werden Grundlinien exegetischer Traditionen in<br />

Christentum und Islam herausgearbeitet. Zentraler<br />

Fragepunkt war, wie kann „die Kluft zwischen Geschichtlichkeit<br />

der Schrift und heutigem Lebensbezug<br />

überwunden werden“. Der zweite Teil ist überschrieben<br />

mit „Übersetzungen“. Die Übersetzbarkeit<br />

einer heiligen Schrift ist problembeladen und insgesamt<br />

keine leichte Aufgabe, wenn man nach der<br />

Funktion, den Möglichkeiten und den Grenzen von<br />

Übersetzungen fragt. Der dritte Teil ist „feministischen<br />

Auslegungen“ gewidmet. Im vierten Teil<br />

geht es um „Interdependente Interpretationen“ von<br />

Bibel und Koran. Hinter dieser sperrigen Überschrift<br />

verbirgt sich die Wahrnehmung, dass die Bibel<br />

Teil der Vorgeschichte des Korans ist, der Koran<br />

wiederum ist Teil der Wirkungsgeschichte der Bibel.<br />

Dieser Sachverhalt provoziert Fragen: „Wie und mit<br />

welchem Ziel können Christen den Koran, Muslime<br />

die Bibel lesen? Welche Konsequenzen ergeben sich<br />

dabei aus ihren unterschiedlichen Verständnisvoraussetzungen?“<br />

„Deutungsmonopole“ ist dann das<br />

nächste, fünfte Kapitel überschrieben. In den dort<br />

abgedruckten Beiträgen wird aufgezeigt, wie kon-<br />

82<br />

krete, zeitbezogene Auslegungen von Bibel- und Koranstellen<br />

ganz bestimmte Deutungstraditionen hervorrufen,<br />

die sich durchsetzten oder marginalisiert<br />

und verworfen werden. Konkret geht es in diesem<br />

Kontext um die Gestaltwerdung der verschiedenen<br />

Faktoren, die, prozessbezogen, zwischen Gottes<br />

Wort und menschlicher Antwort zusammenklingen<br />

und zusammenwirken: Heilige Schrift, Tradition,<br />

Lehramt, Theologie und Glaubenssinn des Gottesvolkes.<br />

Das sechste Kapitel behandelt abschließend<br />

die Frage nach einer „gemeinsamen Hermeneutik“.<br />

Dabei, so die Herausgeber in ihrem Vorwort, „geht es<br />

um zwei Blickrichtungen: Wie den eigenen Text vor<br />

dem Hintergrund der anderen Religion verstehen.<br />

Die Beiträge dieses Bandes der Reihe „Theologisches<br />

Forum Christentum – Islam“ geben weitreichende<br />

Verstehenshilfen und eine gute Orientierung<br />

im Themenfeld der Annäherung und Durchdringung<br />

in der Schriftauslegung der Religionen Christentum<br />

und Islam.<br />

Günter Riße


Albert Gerhards<br />

Wo Gott und Welt sich begegnen<br />

Kirchenräume verstehen<br />

160 Seiten | gebunden | mit Schutzumschlag |<br />

mit Lesebändchen<br />

� [D] 17,95 | � [A] 18,50 | SFr 25,90<br />

ISBN 978-3-7666-1545-9<br />

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Günter Ewald<br />

Auf den Spuren<br />

der Nahtoderfahrung<br />

Gibt es eine unsterbliche Seele<br />

176 Seiten | gebunden | mit Schutzumschlag |<br />

mit Lesebändchen<br />

� [D] 16,95 | � [A] 17,50 | SFr 24,50<br />

ISBN 978-3-7666-1544-2<br />

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Rudolf Lill<br />

Die Macht der Päpste<br />

Verlag Butzon & Bercker . Hoogeweg 71 . D - 47623 Kevelaer . Tel. 02832/929-293 . E-Mail: service@bube.de . www.bube.de<br />

288 Seiten | gebunden | mit Schutzumschlag |<br />

mit Lesebändchen<br />

� [D] 19,95 | � [A] 20,60 | SFr 28,50<br />

ISBN 978-3-7666-1543-5<br />

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Jürgen Holtkamp<br />

Das Erziehungs-Chaos<br />

Was Kinder heute brauchen<br />

208 Seiten | gebunden | mit Schutzumschlag |<br />

mit Lesebändchen<br />

� [D] 17,95 | � [A] 18,50 | SFr 25,90<br />

ISBN 978-3-7666-1472-8<br />

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<strong>Bistum</strong> <strong>Limburg</strong><br />

ISBN 978-3-921221-80-8

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