download - Eulenfisch - Bistum Limburg
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EULENFISCH Literatur
Autorinnen und Autoren<br />
Bauer, Manfred / Frankfurt/M.<br />
Büchner, Dr. Christine / Frankfurt/M.<br />
Giercke-Ungermann, Annett / Aachen<br />
Heidrich, Dr. Christian / Nußloch<br />
Heuser, Prof. Dr. August / Frankfurt/M.<br />
Hübenthal, Dr. Sandra / Frankfurt/M.<br />
Jaschinski, Prof. P. Dr. Eckhard / St. Augustin<br />
Jungnitsch, Reiner / Münster<br />
Kasalo, Danijela / Frankfurt/M.<br />
Kobold, Claudia / Holler<br />
Kramp, Sr. Dr. Igna / Frankfurt/M.<br />
Kruck, PD Dr. Günter / Frankfurt/M.<br />
Lahner-Ahnert, Brigitta / Frankfurt/M<br />
Leitschuh, Marcus C. / Kassel<br />
Lemhöfer, Lutz / Frankfurt/M.<br />
Menges, Thomas / <strong>Limburg</strong><br />
Menzel, Birgit / Offenbach<br />
Merten, Bernhard / Frankfurt/M.<br />
Müller, Dr. Helmut / Vallendar<br />
Novian, Michael / Hundsangen<br />
Petzel, Dr. Paul / Andernach<br />
Riße, Prof. Dr. Günter / Bonn<br />
Ruelius, Dr. Peter-Felix / Wiesbaden-Naurod<br />
Sauer, Katharina / <strong>Limburg</strong><br />
Schmiedl, Prof. P. Dr. Joachim ISch / Vallendar<br />
Schneider, PD Dr. Sebastian / Eppstein<br />
Schweikert, Dr. Thomas / Koblenz<br />
Seiler, Dr. Jörg / Frankfurt/M.<br />
Siedlaczek, Dr. Kornelia / Frankfurt/M.<br />
Troll, Prof. P. Dr. W. Christian SJ / Frankfurt/M.<br />
Verhülsdonk, Dr. Andreas / Düsseldorf<br />
2<br />
Impressum<br />
EULENFISCH Literatur 2/2011 Nr. 6<br />
Herausgeber<br />
Andreas von Erdmann<br />
Chefredakteur<br />
Martin W. Ramb<br />
Redaktion<br />
Harald Kern, Ute Lonny-Platzbecker, Thomas Menges,<br />
Martin W. Ramb, Andreas Thelen-Eiselen, Matthias Werner<br />
Verlag<br />
Verlag des Bischöflichen Ordinariats <strong>Limburg</strong><br />
Roßmarkt 12, 65549 <strong>Limburg</strong><br />
verlag@bistumlimburg.de<br />
Grafisches Konzept / Cornelia Steinfeld<br />
Grafik / Die Hinterhofagentur, www.hinterhofagentur.de<br />
Druck<br />
Merkur Druck GmbH & Co. KG, Detmold<br />
Redaktionsanschrift<br />
Bischöfliches Ordinariat <strong>Limburg</strong><br />
Dezernat Bildung und Kultur<br />
Roßmarkt 12, 65549 <strong>Limburg</strong><br />
Fon 06431-295-424, Fax 06431-295-237<br />
E-Mail eulenfisch@bistumlimburg.de<br />
ISBN<br />
978-3-921221-80-8<br />
© Verlag des Bischöflichen Ordinariats,<br />
<strong>Limburg</strong>/Lahn 2011
Bibel<br />
4 Bibel (kompakt) // 6 Die Gleichnisse Jesu<br />
– und wie wir uns darin wiederfinden //<br />
7 Paulus. Sein Leben, sein Wirken, seine Zeit<br />
// Petrus. Sein Leben, sein Wirken, seine Zeit //<br />
9 KleineUndGroßeLeutePsalmen // 10 Mose.<br />
Der Mann, der zum Buch wurde // 11 Maria<br />
aus Magdala. Die Jüngerin, die Jesus liebte //<br />
12 Der Bibel-TÜV. Das Buch der Bücher – rostig<br />
oder Richtschnur // 13 Das Buch zur Bibel.<br />
Die Geschichten – Die Menschen – Die Hintergründe<br />
3
4<br />
Dorothee Boss<br />
Bibel (kompakt)<br />
Würzburg: Echter Verlag. 2010<br />
78 Seiten<br />
5,00 €<br />
ISBN 978-3-429-03208-1<br />
Die katholische Theologin Dorothee Boss legt<br />
mit ihrem Buch Bibel (kompakt) nach Gottesdienst<br />
(kompakt), Glaube (kompakt), Hochzeit (kompakt)<br />
und Kirche (kompakt) ein weiteres kleines Büchlein<br />
dieser Reihe vor, in welchem sie versucht, den Lesern<br />
„eine zeitgemäße Bedeutung des ‚Buchs der Bücher’<br />
(zu) erschließen“.<br />
Zu Beginn ihrer Einführung geht sie auf die Frage<br />
nach der Entstehung der Bibel ein und erläutert<br />
recht allgemein und leicht verständlich mögliche<br />
Motivationen und geschichtliche Hintergründe, die<br />
zur Entstehung der Schriften führten, ohne sich<br />
in Details zu verlieren. Obwohl die Autorin auf die<br />
Vielfältigkeit und diversen Probleme bei der Adressatenbestimmung<br />
der Schriften hinweist, vermeidet<br />
sie es, dies an Beispielen zu konkretisieren oder auf<br />
mögliche Konsequenzen einzugehen.<br />
Die Bibel als ein Buch aus vielen Büchern bzw.<br />
Schriften ist das Thema des zweiten Kapitels. Neben<br />
einer Begriffserklärung des Wortes „Bibel“ und einer<br />
Erläuterung der Papyrusherstellung widmet sie sich<br />
dem Tradierungsprozess von Handschriften und der<br />
Notwendigkeit der Entstehung von Bibelübersetzungen.<br />
Gleichwohl die Autorin durchaus gängige<br />
neue deutsche Bibelübersetzungen anführt, geht sie<br />
leider nicht auf ihre jeweiligen Charakteristika ein<br />
und führt keine neueren Bibelübersetzungen, wie<br />
z.B. Bibel in gerechter Sprache, an. Es folgt eine kurze<br />
Darstellung des Kanonisierungsprozesses und<br />
der unterschiedlichen Kanones in den einzelnen Traditionen,<br />
wobei sie den Schwerpunkt auf den katholischen<br />
Kanon legt.<br />
Der dritte Teil des Buches wendet sich den biblischen<br />
Schriften zu, wobei die Autorin die mittlerweile<br />
unübliche und irreführende Bezeichnung vom<br />
Zweiten für das Neue Testament verwendet. Bei der<br />
Vorstellung der Bücher des Ersten Testaments (AT)<br />
hält sie sich an die klassische Aufteilung in Pentateuch,<br />
deuteronomistisches Geschichtswerk, chronistisches<br />
Geschichtswerk, Dichtungen, poetische<br />
Literatur und Prophetenbücher. Hier versucht sie<br />
zentrale Linien und Gedanken der einzelnen übergeordneten<br />
„Sammlungen“ darzustellen, ohne detaillierter<br />
z.B. auf Eigenarten, Inhalte, Adressaten oder<br />
Entstehungshypothesen der einzelnen Bücher einzugehen.<br />
Auch für das Zweite Testament (NT) stellt<br />
sie zentrale Linien und Gedanken vor, wobei sie hier<br />
etwas genauer auf die einzelnen Schriften eingeht.<br />
Dabei wird suggeriert, dass die Autorenschaft immer<br />
als bewiesen gilt, was jedoch nicht unbedingt<br />
der Fall ist. Prägnant und sehr verständlich erläutert<br />
sie die Entstehungsprozesse sowie die Hintergründe<br />
der einzelnen neutestamentlichen Schriften.
Das vierte Kapitel beschäftigt sich mit der Bedeutung<br />
der Bibel, wobei die Autorin diese vornehmlich<br />
als ein Geschichtsbuch und ein Werk der Weltliteratur<br />
betrachtet. Hier wendet Frau Boss sich ausdrücklich<br />
gegen ein Verständnis, welches die Bibel<br />
als ein „von Gott persönlich diktiertes Geschichtsbuch“<br />
ansieht, das „irrtumslos und unfehlbar ist“.<br />
Am Ende des Büchleins zeigt sie Möglichkeiten für<br />
einen zeitgemäßen Umgang mit der Bibel sowohl<br />
auf individueller als auch auf gemeinschaftlicher<br />
Ebene. Dabei skizziert sie Möglichkeiten der Umsetzung<br />
und gibt einige Hinweise zu begleitenden Materialien.<br />
Dorothee Boss konzentriert sich bei ihren Darstellungen<br />
stets auf den kleinsten wissenschaftlich<br />
vertretbaren Konsens und verliert sich nicht in unnötigen<br />
Details oder Fachdiskussionen. Gleichwohl<br />
ist kritisch anzumerken, dass die Autorin recht einseitig<br />
nur die historisch-kritische Methode als eine<br />
Möglichkeit der Bibelauslegung in den Blick nimmt<br />
und die Leser mit weitergehenden Literaturempfehlungen<br />
alleine lässt. Das Büchlein eignet sich als<br />
eine erste Hinführung in die Welt der Bibel, weil es<br />
notwendiges Hintergrundwissen vermittelt und zu<br />
weitergehenden Fragestellungen anregt. Es kann<br />
gut als begleitendes Material für Bibelkreise oder<br />
für die Erwachsenenkatechese verwendet werden.<br />
Annett Gierke-Ungermann<br />
5
6<br />
Felix Schlösser<br />
Die Gleichnisse Jesu –<br />
und wie wir uns darin wiederfinden<br />
Würzburg: Echter Verlag. 2010<br />
138 Seiten<br />
12,00 €<br />
ISBN 978-3-429-03216-6<br />
Die Gleichnisse Jesu sind faszinierende Texte:<br />
scheinbar leicht verständlich und eingängig, bei näherem<br />
Hinsehen oft überraschend widerständig und<br />
herausfordernd. Es sind Texte, zu denen man immer<br />
wieder zurückkehren kann und mit denen man doch<br />
nie fertig wird. So lohnt beim Blick auf Gleichnisse<br />
auch immer wieder der Perspektivwechsel. Lehrende<br />
an Schule und Hochschule sind genauso wie Katechetinnen<br />
und Prediger dazu aufgerufen, sich die<br />
spirituelle Dimension der Parabeln zu erschließen.<br />
Dazu leistet das Büchlein von Felix Schlösser, lange<br />
Zeit Leiter des Exerzitien- und Bildungshauses<br />
„Kloster Sternburg“ und bis heute Exerzitienleiter<br />
und geistlicher Begleiter in Bonn, einen Beitrag.<br />
Zwar finden sich im einführenden Teil Hinweise<br />
auf Begrifflichkeit und Phänomenologie der Gleichnisse<br />
Jesu sowie ihre Auslegung, doch die Heimat<br />
des Autors ist nicht die Wissenschaft, sondern die<br />
geistliche Lektüre. So entfaltet sich der Charme der<br />
„Gleichnisse Jesu – und wie wir uns darin wiederfinden“<br />
eher in den vierzehn Einzelmeditationen,<br />
die einzelne Gleichnisse zum Ausgangspunkt für<br />
theologisch-spirituelle Erörterungen nehmen. Hier<br />
finden sich tiefgründige Reflexionen zu den unterschiedlichsten<br />
Themen christlichen Lebens von der<br />
Taufe über die Gastfreundschaft bis zum Gottesbild.<br />
Gedanken und lyrische Interpolationen aus der<br />
christlichen Tradition runden die Beiträge zu einem<br />
stimmigen Ganzen ab. Die einzelnen Beiträge sind<br />
teilweise bereits online als Predigten publiziert, hier<br />
jedoch noch einmal neu angeordnet und gerahmt.<br />
Der Schlussteil fasst zusammen, wie die Gleichnisse<br />
die Botschaft vom Reich Gottes in den Begegnungen<br />
Jesu mit den Menschen leichter begreifbar machen.<br />
Als Begleiter für die eigene spirituelle Auseinandersetzung<br />
mit den besprochenen Gleichnissen und<br />
die Frage nach dem eigenen Verständnis des Reiches<br />
Gottes sind Schlössers Ausführungen gut geeignet.<br />
Für eine schnelle Wiederbegegnung mit den Texten<br />
oder zur Vorbereitung von Katechese und Unterricht<br />
sind sie weniger zu empfehlen, da vieles nicht mehr<br />
auf dem heutigen Stand der Bibelwissenschaft ist<br />
und bei ungeprüfter Weitergabe zu Schieflagen bei<br />
der Auslegung führen kann.<br />
Sandra Hübenthal
Claus-Peter März<br />
Paulus. Sein Leben, sein Wirken, seine Zeit<br />
Leipzig: St. Benno-Verlag. 2008<br />
120 Seiten<br />
5,00 €<br />
ISBN 978-3-7462-2402-2<br />
Petrus. Sein Leben, sein Wirken, seine Zeit<br />
Leipzig: St. Benno-Verlag. 2011<br />
101 Seiten<br />
5,00 €<br />
ISBN 978-3-7462-2974-4<br />
Petrus mit dem Schlüssel der Binde- und Lösegewalt<br />
der Kirche auf der einen Seite, Paulus mit dem<br />
Schwert als Zeichen für sein Martyrium auf der anderen<br />
Seite – wem wäre dieses Diptychon aus der<br />
christlichen Kunst nicht vertraut? Hier freilich soll<br />
es um ein solches Diptychon in literarischer Form<br />
gehen, nämlich die beiden neu erschienenen Kurzbiographien<br />
von Petrus und Paulus aus der Feder des<br />
Erfurter Neutestamentlers Claus-Peter März. Beide<br />
Biographien weisen zwei Vorzüge für den Gebrauch<br />
im Religionsunterricht auf: sie sind kurz gefasst<br />
und leicht verständlich. Gibt man das eine oder das<br />
andere Buch Schülern an die Hand, um selbstständig<br />
ein Referat vorzubereiten oder ein im Unterricht<br />
behandeltes Thema zu vertiefen, dürften diese relativ<br />
problemlos damit zurechtkommen. Damit zeigt<br />
Claus-Peter März, dass ihm als Fachgelehrten die<br />
Fähigkeit, in verständlicher Weise Unwissende zu<br />
lehren, keineswegs fremd ist. Die stilistische Einfachheit<br />
der beiden Bücher überzeugt dabei umso<br />
mehr, als sie in keiner Weise die wissenschaftliche<br />
Prägnanz der Darstellung beeinträchtigt. Wer nicht<br />
weiß, wer Petrus oder wer Paulus war, kann sich gut<br />
auf diese Weise einen Eindruck von ihrem Leben<br />
verschaffen.<br />
Die beiden Biographien sind in der gleichen Reihe<br />
mit nahezu identischem Titel, vergleichbarem<br />
Anspruch und ähnlichem Klappentext erschienen.<br />
Dennoch haben die beiden Bände nahezu so unter-<br />
schiedlichen Charakter wie Petrus und Paulus selbst.<br />
Die etwas knappere Biographie des Petrus folgt<br />
chronologisch dessen Leben durch die Schriften des<br />
Neuen Testaments, wobei Zitate aus den entsprechenden<br />
Perikopen die Kapitelüberschriften bilden.<br />
Die etwas umfangreichere Biographie des Paulus<br />
umfasst drei Teile: 1. den Weg des Paulus, 2. eine<br />
Hinführung zur Lektüre des ersten Korintherbriefs<br />
und 3. eine Einführung in die authentischen und<br />
pseudepigraphischen Paulusbriefe. Im ersten Teil<br />
findet sich darüber hinaus ein Exkurs, der die Mis-<br />
7
8<br />
sionsstrategie des Paulus am Beispiel von Korinth<br />
näher beschreibt. Der Zugang der beiden Bücher ist<br />
vermutlich auch aufgrund der Quellenlage so unterschiedlich:<br />
Während wir über kaum einen antiken<br />
Menschen so gut Bescheid wissen wie über Paulus,<br />
und dies sogar aus erster Hand durch autobiographische<br />
Bemerkungen in seinen Briefen, bleibt<br />
einem Biograph des Apostels Petrus kaum etwas anderes<br />
übrig, als fachkundig die Evangelien und Teile<br />
der Apostelgeschichte nachzuerzählen. So schreibt<br />
auch März, „dass eine wirkliche Biographie, die die<br />
Umstände seines Lebens vom Anfang bis zum Ende<br />
erfasst, nicht geschrieben werden kann“. Ein mit<br />
den Evangelien vertrauter Leser wird daher vieles<br />
in dieser Petrusmonographie schon kennen und sich<br />
vielleicht sogar lieber aus den Quellen der Schrift<br />
sein eigenes Bild machen. Schülern jedoch kann das<br />
Buch als Schlüssel dienen, sich dem Originaltext des<br />
Evangeliums anzunähern.<br />
Die Paulusbiographie hingegen bietet mit dem<br />
scharfen Schwert des Geistes selbst dem exegetisch<br />
kundigen Leser noch neue Anregungen, etwa durch<br />
die systematisierte Darstellung der Missionsstrategie<br />
des Paulus. Doch auch dem noch wenig mit der<br />
Schrift vertrauten Leser hilft sie dreifach: durch die<br />
knappe Biographie des Paulus zum Kennenlernen<br />
seines Lebens und seiner Zeit; durch die Einführung<br />
in die Lektüre seiner Briefe zu einer eigenen Lektürepraxis;<br />
und schließlich durch die Vermittlung<br />
exegetischer Grundkenntnisse zum Verständnis der<br />
Paulusbriefe. Besonders im zweiten Teil führt der<br />
Verfasser den Leser auch spirituell in die Tiefe, indem<br />
er den geistlichen Gehalt der im 1 Kor behandelten<br />
Themen erschließt. Im dritten Teil erklärt<br />
er dem Leser auf sanfte Weise die Problematik der<br />
Pseudepigraphie und geht dabei sogar auf konkrete<br />
Erklärungen zu Schreibmaterial und -technik in der<br />
Antike ein.<br />
Das literarische Diptychon dieser beiden Biographien<br />
spiegelt in seinem Gesamtduktus das Ikonographische<br />
der beiden Apostel wieder: Petrus als<br />
einfacher Fischer aus Galiläa hat eine eher chronologische<br />
Erzählung seines Lebens bekommen, die<br />
die literarische Einfachheit und Tiefe des Evangeliums<br />
spiegelt; Paulus als Schriftgelehrter und Verfasser<br />
rhetorisch hochkomplexer Briefe dagegen<br />
eine eher systematische, theologisch zuspitzende<br />
Darstellung seines Lebens.<br />
Wird ein Schüler diese Bücher mit Gewinn lesen?<br />
Das wird er vermutlich dann tun, wenn er sich bereits<br />
für das Leben des Petrus bzw. des Paulus interessiert<br />
oder die Bücher für eine entsprechende<br />
Hausarbeit heranziehen soll. Um Schülerinteresse<br />
neu zu wecken, bräuchte es meines Erachtens<br />
Mitreißenderes als diese beiden Biographien. Ich<br />
möchte die Hoffnung nicht aufgeben, dass einmal<br />
ein Theologe ein Buch über eine biblische Gestalt<br />
schreibt, für das Schüler selbst den neuesten<br />
Harry-Potter-Band gelangweilt in der Ecke stehen<br />
lassen.<br />
Igna Kramp
Peter Spangenberg<br />
KleineUndGroßeLeutePsalmen<br />
Ostfildern: Schwabenverlag. 2010<br />
89 Seiten mit III. v. Fariba Gholizadeh<br />
12,90 €<br />
ISBN 978-3-7966-1514-4<br />
Die Psalmen sind das Gebetbuch der Bibel. Es sind<br />
kleine Dichtungen, deren Kraft noch heute spürbar<br />
ist und deren Poesie uns aus dem Alten Testament<br />
herüberleuchtet. Aber wie kann es gelingen, auch<br />
Kinder und Jugendliche an religiöse Traditionen heranzuführen<br />
und ihnen das Verstehen der Psalmen<br />
und damit des christlichen Glaubens zu erschließen?<br />
Dies hat sich der Autor Peter Spangenberg in<br />
seinem Buch „KleineUndGroßeLeutePsalmen“ zur<br />
Aufgabe gemacht. Auf 89 Seiten in einem Hardcoverbüchlein<br />
hat er 40 Psalmen und deren Botschaft<br />
einfühlsam und lebendig in eine kindgerechte Sprache<br />
übersetzt und dabei die Erlebniswelt der Kinder<br />
aufgegriffen. In allen ausgewählten Psalmen werden<br />
menschliche Grunderfahrungen angesprochen – Erfahrungen<br />
der Angst, der Schuld, des Leidens ebenso<br />
wie Erfahrungen des Vertrauens, der Hoffnung und<br />
der Freude. Begeleitet werden die Texte von ansprechenden<br />
Illustrationen von Fariba Gholizadeh.<br />
Das Büchlein ist als Gebetbuch zum Vorlesen für<br />
Kinder ab fünf Jahren oder zum Selbstlesen bis in<br />
das Jugendalter hinein geeignet. Dem Autor gelingt<br />
es gut, die bildreiche, archaische Sprache der Psalmen<br />
so zu verändern, dass sie heute gehört und verstanden<br />
werden kann. Auf diesem Weg ermöglicht<br />
er den Kindern einen persönlichen Zugang zu den<br />
ansonsten nur schwer erschließbaren Texten. Auch<br />
wenn dabei – wie bei jedem Versuch einen 2500 Jahre<br />
alten Text an die sprachlichen und didaktischen<br />
Gewohnheiten des 21. Jahrhundert anzupassen – die<br />
Poesie der geistlichen Dichtung und die liturgische<br />
Psalmsprache teilweise verloren gehen, ist das Buch<br />
gelungen und empfehlenswert.Bieger hat ein Lexikon<br />
vorgelegt, das Verständnis und Sympathie für<br />
die christliche Tradition zu wecken weiß. Er macht<br />
deutlich, dass Pluralität im künstlerischen Ausdruck<br />
von Theologie zum Grundbestand des Christentums<br />
gehört. Sein Lexikon ist ein Plädoyer dafür, dieser<br />
Vielfalt auch in Zukunft eine Chance zu geben.<br />
Birgitta Lahner-Ahnert<br />
9
Christoph Dohmen<br />
Mose. Der Mann, der zum Buch wurde<br />
Leipzig: Evangelische Verlagsanstalt. 2011<br />
288 Seiten<br />
18,80 €<br />
ISBN 978-3-374-02847-4<br />
Mit zwei Leitfragen beginnt Christoph Dohmen<br />
seine Ausführungen über Mose: Wer ist Mose? Wer<br />
war Mose? Die erste Frage richtet sich auf die Bedeutung<br />
des Mose als Religionsstifter, als Prophet, auf<br />
das mit ihm verbundene „kulturelle Gedächtnis“ (Jan<br />
Assmann), das ihn sowohl als Ägypter wie als Hebräer<br />
deutet und mit dem sich als „mosaische Unterscheidung“<br />
das Kriterium der Wahrheit als Grundlage der<br />
biblischen monotheistischen Religion verbindet. Die<br />
zweite Frage ist die nach der historischen Person des<br />
Mose nach den biblischen und den (fehlenden eindeutigen)<br />
außerbiblischen Quellen.<br />
Auf diesem Hintergrund geht Dohmen zunächst<br />
der Biographie des Mose nach, wie sie im Pentateuch<br />
überliefert ist, in dem die Glaubensgeschichte Israels<br />
mit dem Ziel der Landverheißung aufgezeichnet<br />
wurde. Dohmen exegetisiert zentrale Stellen, wie die<br />
ersten Kapitel des Exodus-Buches mit den Ursprüngen<br />
des Mose, seine Mittlerstellung zwischen Gott<br />
und dem Volk, der Nähe des Mose zu Jahwe, dem<br />
leuchtenden Angesicht des Mose, und dem offenen<br />
Schluss des Pentateuchs. In verständlicher Sprache<br />
wird auf gut 100 Seiten ein theologisches Porträt<br />
des Mose gezeichnet.<br />
Dessen Nachwirkung ist Gegenstand des dritten<br />
Abschnitts. Dohmen konzentriert sich vor allem auf<br />
Mose-Darstellungen in der Kunst, um das Motiv der<br />
Gesetzestafeln, der Hörner auf dem Kopf des Mose<br />
(die ihren Ursprung in einer Übersetzungsvariante<br />
des Hieronymus hat), des Goldenen Kalbs, des Dornbuschs<br />
und des Offenbarungszeltes als Visualisierungsversuche<br />
biblischer Texte vorzustellen. Leider<br />
sind die Bilder der besprochenen Kunstwerke sehr<br />
klein geraten, so dass keine Einzelheiten zu erkennen<br />
sind.<br />
10<br />
Die anschließenden Kapitel gehen zunächst der<br />
Mose-Gestalt in frühchristlichen und poetischen<br />
Schriften nach, um dann drei Rezeptionsweisen<br />
des 20. Jahrhunderts zu behandeln, nämlich die<br />
analytische Deutung Sigmund Freuds, die zeitgenössisch-ethische<br />
Deutung Thomas Manns und die<br />
musikalische Umsetzung durch Arnold Schönberg.<br />
Die filmische Umsetzung auf der Grundlage des biblischen<br />
Drehbuchs beurteilt Dohmen eher kritisch.<br />
Für ihn bleibt die zentrale Interpretationskategorie<br />
für Mose die des Mittlers des göttlichen Gesetzes.<br />
Wie andere Bücher der Reihe „Biblische Gestalten“<br />
der Evangelischen Verlagsanstalt kann auch<br />
das Mose-Buch für den Religionsunterricht und verwandte<br />
Fächer empfohlen werden.<br />
Joachim Schmiedl
Silke Petersen<br />
Maria aus Magdala. Die Jüngerin, die Jesus liebte<br />
Leipzig: Evangelische Verlagsanstalt. 2011<br />
296 Seiten<br />
18,80 €<br />
ISBN 978-3-374-02840-5<br />
Der 23. Band in der ökumenisch ausgerichteten<br />
Reihe „Biblische Gestalten“ ist Maria aus Magdala<br />
gewidmet. Die Hamburger Privatdozentin Silke Petersen<br />
geht den Spuren jener Frau nach, die in den<br />
Evangelien als Erstzeugin der Auferstehung Jesu<br />
erscheint, deren Spuren in vielen frühchristlichen<br />
Schriften auch heterodoxer Provenienz auftauchen<br />
und die bis heute Gegenstand von Spekulationen<br />
und Verschwörungstheorien sind.<br />
Petersen stellt in einem ersten Teil die unterschiedlichen<br />
Personen dar, die in den Evangelien<br />
und den apokryphen Schriften des frühen Christentums<br />
mit Maria Magdalena identifiziert und in eins<br />
gesetzt wurden: die Zeugin der Kreuzigung Jesu und<br />
der Begegnung mit dem Auferstandenen, die „Sünderin“<br />
(Lk 8) sowie Maria aus Bethanien. Ausführlich<br />
diskutiert sie den Realitätsgehalt der apokryphen<br />
Evangelien und der Nag Hammadi-Texte. Erhellend<br />
für das Verständnis aktueller Magdalenen-Literatur<br />
ist der Exkurs über Küsse im frühen Christentum.<br />
Der zweite Hauptteil widmet sich der Nachwirkung<br />
Marias aus Magdala. Petersen analysiert Quellen<br />
aus Literatur, Kunst und Musik, die sich mit den<br />
verschiedenen „Marias“ beschäftigen. Dabei ergeben<br />
sich interessante Konstellation, etwa zwischen<br />
Maria Magdalena, Petrus und der Mutter Jesu, zwischen<br />
der Braut aus dem Hohelied, der Stammmutter<br />
Eva und Maria als „Apostelin der Apostel“, zwischen<br />
der Sünderin und der Büßerin. Maria wird<br />
als Jüngerin, die Jesus liebte, präsentiert. Und alle<br />
diese Konstellationen finden sich in Bestsellerromanen<br />
und ihren Verfilmungen der letzten Jahre. Dan<br />
Browns „Sakrileg“, verfilmt als „Da Vinci-Code“, ist<br />
dabei nur ein Beispiel für viele, zu denen unter anderem<br />
José Saramago, Nikos Kazantzakis und die<br />
Rockoper „Jesus Christ Superstar“ zu zählen sind.<br />
Petersen stellt für diese und weitere künstlerische<br />
und pseudo-wissenschaftliche Erzeugnisse des 20.<br />
Jahrhunderts die frühchristlichen Textbelege bereit,<br />
weist aber gleichzeitig auf Fehlinterpretationen und<br />
Verkürzungen hin. Das Buch erweist sich so nicht<br />
nur als eine profunde biblische Untersuchung der<br />
Magdalenen-Gestalt, sondern kann auch für die Interpretation<br />
aktueller Umsetzungen eine gute Hilfe<br />
bieten.<br />
Joachim Schmiedl<br />
11
Thomas Hartmann<br />
Der Bibel-TÜV<br />
Das Buch der Bücher – rostig oder Richtschnur<br />
Ostfildern: Patmos Verlag. 2011<br />
144 Seiten<br />
16,90 €<br />
ISBN 978-3-491-72566-9<br />
Die Grundidee dieses Buches geht von einem Vergleich<br />
aus: Die Bibel ist ein „Auto“ und der Verfasser<br />
der selbst ernannte „TÜV“, zu dem „das Auto“<br />
gebracht wird, „um festzustellen, wo es rostig ist<br />
und die Bibel nicht mehr fahrtüchtig – oder wo wir<br />
einfach begeistert sind, wie fit und neuwertig unser<br />
Bibel-Wagen nach so langer Zeit noch unterwegs ist“.<br />
Dieser „Bibel-Wagen“ wird auf folgende „Teile“ hin<br />
geprüft: „Kinder & Erziehung: Von Jesus lernen?“;<br />
„Alkohol und Drogen: Mit der Bibel berauscht“;<br />
„Homosexualität – dürfen Christinnen lesbisch und<br />
Christen schwul sein?“; Wirtschaft und Finanzen:<br />
Geld stinkt auch in der Bibel nicht!“; „Vegetarismus:<br />
Fleisch essen oder nur Pflanzen?“; „Sterbehilfe: Mit<br />
ärztlicher Hilfe aus dem Leben scheiden?“; „Vom Umgang<br />
mit ‚Promis‘ – damals und heute“; „Darf Krieg<br />
nach Gottes Willen sein?“; „Glücksspiel – erlaubt<br />
oder strikt verboten?“; „Tod: Ein Licht in der Finsternis?“;<br />
„Liebe und Sexualität: Wie prüde ist die Bibel?“;<br />
„Gleichberechtigung oder: Das Weib dem Manne<br />
untertan?“; „Umwelt und Natur: Gehört die Erde<br />
uns?“; „Alternativmedizin: Zulässige Heilung oder<br />
unchristliche Zauberei?“, gefolgt von „Anmerkungen“<br />
und Hinweisen zu „Ausgewählter Literatur“.<br />
Bei all diesen „Teiluntersuchungen“ geht der TÜV<br />
auf dieselbe Weise vor: Er stellt zunächst das Thema<br />
und die darin angeschnittenen Probleme, wie<br />
sie sich heute stellen, vor und leitet dann über zum<br />
biblischen Befund. Daran schließt sich „ein aktueller<br />
Abriss“ an, und, wie beim echten TÜV, das Urteil,<br />
das sich in unterschiedlichen „TÜV-Plaketten“<br />
niederschlägt: Grün („‚kann weiterfahren’, ist also<br />
uneingeschränkt verkehrs- und meinungstauglich“),<br />
wenn „die biblische Hilfestellung unter heutigem<br />
Gesichtspunkt“ akzeptabel ist; Gelb („‚bedingt verkehrstüchtig’,<br />
kann weiterfahren, muss aber bald<br />
wieder geprüft werden“), wenn „die biblische Erörte-<br />
12<br />
rung für uns zumindest zweifelhaft und nur teilweise<br />
eine Unterstützung für die zeitgemäße Meinungsbildung“<br />
ist; Rot („‚schrottreif’, durchgefallen, muss<br />
aus dem Verkehr gezogen werden“) für den Fall, dass<br />
„die Ausführungen der Bibel für uns schlicht unannehmbar<br />
erscheinen.“<br />
Bringt man dieses Buch, seine Grundidee aufgreifend,<br />
selbst zum „TÜV“ ergibt sich folgendes: Es<br />
steht wie ein neuer Cabrio recht schnittig da und<br />
macht einen modernen, guten Eindruck. Auch ist<br />
dem Autor – Pardon! dem Konstrukteur – darin zuzustimmen,<br />
dass die Bibel als Wort Gottes, das von<br />
Menschen in einer bestimmten historischen Situation<br />
geschrieben wurde, nicht wie im Fundamentalismus<br />
wörtlich genommen werden darf, sondern<br />
durchaus kritisch auf das hin befragt werden muss,<br />
was Gott in ihm uns heute (und bei bestimmten<br />
Aussagen auch für alle Zeiten) sagen will. Der erste<br />
Augenschein stimmt also. Doch kann er den Grundfehler<br />
dieses „Wagens“ verbergen – seine Räder befinden<br />
sich auf dem Dach. Denn, wenn die Bibel Wort<br />
Gottes ist, kann nie und nimmer ein Mensch sich als<br />
„TÜV“ über Gottes Werk stellen und entscheiden,<br />
was daran gut oder schlecht ist, sondern die Bibel
als Wort Gottes ist der „TÜV“, von dem wir moderne<br />
Menschen uns trotz des notwendigen kritischen<br />
Umgangs mit ihr prüfen lassen müssen. Dazu gehört,<br />
dass wir uns bemühen, unverständliche, uns<br />
fremde oder sogar anstößige Aussagen im Hören<br />
zuerst einmal in ihrem historischen und geistlichen<br />
Kontext zu verstehen, um dann in der Gemeinschaft<br />
der Glaubenden, also der Kirche, im Geist zu prüfen,<br />
auf welche Weise dieses Wort Gottes für uns heute<br />
verstanden werden kann. Das geschieht in diesem<br />
„Bibel-TÜV“ kaum; was unmodern ist, wird vielmehr<br />
aussortiert.<br />
Aber auch die Arbeitsweise dieses „Bibel-TÜVs“<br />
ist völlig unangemessen. Er prüft das „Bibel-Auto“<br />
wie ein modernes Kraftfahrzeug, ohne zu berücksichtigen,<br />
dass da höchstens ein Ochsenkarren vor ihm<br />
stehen kann. Die Problemstellungen, die der Autor<br />
an die Bibel heranträgt, gab es vor 2000 Jahren oder<br />
früher nämlich nicht (Drogenmissbrauch, Sterbehilfe,<br />
Glücksspiel, Alternativmedizin) oder kommen in<br />
einem so völlig anderen Kontext vor (Homosexualität),<br />
dass hier ein unmittelbarer Vergleich gar nicht<br />
möglich ist. Bei den abenteuerlichen Phantastereien,<br />
mit denen dann doch etwas Passendes in die Bibel<br />
hineingelesen wird (z. B.: Jesus und die Jünger als<br />
„Kiffer“, Rut und Noomi als lesbisch), hätte ein Blick<br />
in den Kontext und in einen Kommentar genügt,<br />
um ihre Absurdität aufzuweisen. Hinzu kommen<br />
inhaltliche Fehler (Boas war nicht der verstorbene<br />
Mann Ruts, sondern der Verwandte Noomis, den sie<br />
erst heiraten wird; dass Frauen in der Gemeinde<br />
schweigen sollen, steht nicht in 1 Kor 11,5, sondern<br />
in 1 Kor 14,34), eine himmelschreiende theologische<br />
Unkenntnis (Wortgottesdienste als „Ausnahmen“<br />
der hl. Messe?; „das [gemeint ist der!] Zölibat“ sei<br />
„Frauen verachtend, weil der sexuelle Umgang mit<br />
ihnen den Geistlichen ‚unrein’“ mache, statt zu sehen,<br />
dass Ehelosigkeit eine Berufung Gottes ist (vgl.<br />
1 Kor 7) und eine häufig unmögliche Sprache („wir …<br />
fummeln … herum, gucken unter die Haube …“ [Hervorhebung<br />
vom Rezensenten]), die ich in einem Buch<br />
nicht lesen mag. Die abschließende Bewertung mag,<br />
wie im Märchen, der selbsternannte TÜV über sich<br />
selbst formulieren: „‚schrottreif’, das heißt durchgefallen,<br />
muss aus dem Verkehr gezogen werden“.<br />
Sebastian Schneider<br />
Detlef Dieckmann / Bernd Kollmann<br />
Das Buch zur Bibel. Die Geschichten –<br />
Die Menschen – Die Hintergründe<br />
Gütersloh: Gütersloher Verlagshaus. 2010<br />
640 Seiten, farb. Abb.<br />
49,95 €<br />
ISBN 978-3-579-08047-5<br />
Mit diesem Buch wollen die Autoren „auf allgemeinverständliche<br />
Weise einem breiten Kreis von<br />
Leserinnen und Lesern einen Zugang zum ‚Buch der<br />
Bücher’ eröffnen und sie zur Lektüre der biblischen<br />
Texte anregen“. Dabei scheint bei den Adressaten an<br />
Menschen gedacht zu sein, die noch nie eine Bibel in<br />
der Hand gehabt haben, und entsprechend umfassend<br />
sind die Informationen, die in diesem Buch zur<br />
Bibel gegeben werden. Es gliedert sich in die drei<br />
Hauptteile „Die Bibel und ihre Geschichte“, „Altes<br />
Testament“ und „Neues Testament“ und wird abgeschlossen<br />
durch einen „Abbildungsnachweis“.<br />
Der erste Hauptteil ist im Blick auf die Informationen<br />
der interessanteste, da er die grundlegenden<br />
und wesentlichen Hintergrundinformationen zur<br />
Bibel gibt. Das beginnt bei der Bedeutung des Namens<br />
„Bibel“, geht über verschiedene Bibelausgaben,<br />
die im Blick auf ihre Zielgruppen vorgestellt<br />
werden, Erläuterungen zur Frage, wie man die Bibel<br />
lesen kann, bis hin zu Hilfsmitteln für die Bi-<br />
13
ellektüre. Außerdem wird der ganze Bereich der<br />
Textkritik und die Kanonbildung dargestellt und ein<br />
geschichtlicher Überblick über die Entwicklung hin<br />
zur historisch-kritischen Exegese gegeben, das Thema<br />
Inspiration und Irrtumslosigkeit der Schrift besprochen<br />
und beschrieben, welchen Stellenwert die<br />
Bibel im Judentum und im Islam hat.<br />
Der zweite Hauptteil beginnt mit einer historischen<br />
Einführung in das Umfeld des AT, dem sich<br />
in der Reihenfolge heutiger Bibelausgaben eine<br />
Darstellung jedes alttestamentlichen Buches anschließt.<br />
Ganz ähnlich geschieht das im NT. Da das<br />
ganze Buch reich mit Karten und Bildern, die einen<br />
Eindruck von der heutigen biblischen Landschaft,<br />
aber auch von archäologischen Funden aus der Zeit<br />
des AT und NT, geben, bestückt ist und außerdem zu<br />
einzelnen Themen oder Stichworten farblich hervorgehobene,<br />
inhaltliche Zusammenfassungen enthält,<br />
gibt das Buch tatsächlich eine Fülle von Informationen,<br />
die auch in aller Regel verständlich dargeboten<br />
werden. Insofern erfüllt das Buch durchaus<br />
seinen eigenen Anspruch.<br />
Dass bei einer derartigen Fülle nicht immer alles<br />
ganz gelingt, liegt fast in der Natur der Sache.<br />
So stellt sich etwa die Frage, ob es sinnvoll ist, die<br />
Information zur Inspiration der Bibel so von der Erklärung<br />
zur Irrtumslosigkeit der Bibel zu trennen,<br />
obwohl beides doch eng zusammengehört. Außerdem<br />
wäre eine ausführlichere theologische Begründung<br />
sicher hilfreich gewesen. Und ob sich, wenn in<br />
der farblich hervorgehobenen Darlegung zum Thema<br />
„Irrtumslosigkeit der Bibel?“ nur die fundamentalistische<br />
Sicht zu Wort kommt, bei den Adressaten<br />
nicht doch der Eindruck einstellt, diese falsche Verstehensweise<br />
der Bibel sei, trotz anderslautender<br />
Darlegung im Haupttext, die richtige? Aber das sind<br />
seltene Anfragen, die den genannten Informationsreichtum<br />
und damit den Wert des Buches kaum mindern.<br />
Schwerer ins Gewicht fallen meines Erachtens<br />
jedoch zwei Punkte: Auf der einen Seite wird gerade<br />
beim Thema Bibel die schmerzliche Tatsache der<br />
Kirchenspaltung deutlich, auch wenn die Autoren<br />
sich darum bemühen, ihren protestantischen Standpunkt,<br />
von dem sie ausgehen, durch das Benennen<br />
14<br />
der katholischen Sichtweise durchaus ökumenisch<br />
zu mildern (Klappentext). Das wird bei dem Thema<br />
„Die Apokryphen“ überdeutlich (in der katholischen<br />
Tradition heißen sie jedoch nicht „Deuterokanonen“,<br />
sondern deuterokanonische Bücher, und treten außerhalb<br />
theologischer Kreise auch nie als solche in<br />
Erscheinung, weil sie eben ganz normale Bücher<br />
des AT sind) und ist auch bei dem Thema Inspiration<br />
und Irrtumslosigkeit zu spüren. Wieder die angesprochenen<br />
Adressaten im Blick, könnte man das<br />
Buch daher kaum katholischen Lesern oder Schülern<br />
empfehlen, da ihnen dafür das Selbstverständnis<br />
und das Wissen um ihre eigene Tradition fehlt,<br />
um hier sachgerecht unterscheiden zu können. Aber,<br />
und dies sei betont, das liegt nicht an den Autoren,<br />
sondern an dem Ärgernis der Kirchenspaltung, das<br />
aber doch zu einer Einschränkung des Adressatenkreises<br />
führt. Auf der anderen Seite habe ich den<br />
Eindruck, dass das Buch gerade dadurch leidet, dass<br />
es zu viel will. Dieses Zuviel kommt dadurch zustande,<br />
dass nicht etwa nur zu jedem biblischen Buch<br />
Hintergrundinformationen gegeben werden, sondern<br />
dass jedes biblische Buch in der Regel Kapitel<br />
für Kapitel nacherzählt wird. Das führt nicht nur zu<br />
manch skurrilem Ergebnis (Die Darlegung z. B. zu Ps<br />
117 [263] ist länger als der Psalm an sich!), sondern<br />
dazu, dass das Buch so umfangreich geworden ist.<br />
Dadurch wird es unhandlich und unübersichtlich,<br />
weil man die hinführende Information zu einem biblischen<br />
Buch, das man in seiner Bibel lesen möchte,<br />
erst suchen muss. Außerdem ist die Schriftgröße,<br />
wohl um einen noch größeren Umfang zu vermeiden,<br />
so klein geraten, dass das Lesen auch für Menschen<br />
mit guten Augen mühsam ist, weil man den Hauptteil<br />
der Aufmerksamkeit dem Lesevorgang statt dem<br />
Inhalt widmen muss. Das ist schade. Hier wäre weniger<br />
tatsächlich mehr gewesen, da man dann ein<br />
kurzes, handliches Arbeitsbuch zur Bibel in den<br />
Händen hielte und nicht ein Buch, das in der Gefahr<br />
steht, zu einem Bibel-Ersatz zu werden. Zumindest<br />
bei Schülern wäre das wohl meist der Fall. Denn<br />
welcher Schüler machte sich heute noch die Mühe,<br />
ein biblisches Buch oder einen Abschnitt aus ihm zu<br />
lesen, wenn er in diesem „Buch zur Bibel“ so schöne<br />
Zusammenfassungen mundgerecht dargereicht bekommt?<br />
Sebastian Schneider
Kirche<br />
16 Auf Seiner Spur. Texte gläubiger Zuver-<br />
sicht // 17 Glauben feiern mit Symbolen.<br />
Gottesdienste, Gruppenstunden, Aktionen<br />
// 18 Die Päpstin Johanna. Biographie einer<br />
Legende // 19 Erinnerungsorte des Christentums<br />
// 21 Ein Laien-„Messbuch“. Eine Einführung<br />
in das Wertvollste der katholischen<br />
Christen: die heilige Messe // 23 Liturgie<br />
und Poesie. Zur Sprache des Gottesdienstes<br />
// 24 Crashkurs Christentum. In 60 Minuten<br />
Glaube & Religion verstehen // 25 Ins Leben<br />
geschrieben. Partnerschaftliche Exerzitien<br />
für Menschen mit und ohne Behinderung<br />
// 26 Herders großes Buch der Gebete // 27<br />
Die sieben Sakramente der katholischen<br />
Kirche. Eine Orientierung nicht nur für Fernstehende<br />
// 28 Die Rückkehr der Verantwortung.<br />
Kleine Christliche Gemeinschaften als<br />
Kirche in der Nähe // 29 Maximilian Kolbe.<br />
Märtyrer der Nächstenliebe // 30 Das goldene<br />
Zeitalter des Christentums. Die vergessene<br />
Geschichte der größten Weltreligion<br />
15
Lothar Zenetti<br />
Auf Seiner Spur. Texte gläubiger Zuversicht<br />
Ostfildern: Matthias-Grünewald-Verlag. 2011<br />
208 Seiten<br />
14,90 €<br />
ISBN 978-3-7867-2878-8<br />
Wer sich auf die sprachliche Spur von Lothar Zenetti<br />
begibt, der erlebt eine Jonglage von Worten einer<br />
brillanten Feder. Ob Gedicht, Gebet, Meditation<br />
oder Liedtext – der ehemalige Frankfurter Gemeinde-<br />
und Stadtjugendpfarrer beherrscht die Präzision,<br />
Dinge des christlichen Lebens mittels eines tiefsinnigen<br />
und zugleich spitzfindigen Sprachstils auf<br />
den Punkt zu bringen. Das Schöne daran ist, dass die<br />
Texte nahezu alle zeitlos sind. Im persönlichen Gespräch<br />
als auch in den niedergeschriebenen Gedanken<br />
spürt man seinen tiefgründigen Humor, von dem<br />
eine hoffnungsvolle Glaubensbejahung ausgeht. Die<br />
vielfältige Begegnung und Auseinandersetzung mit<br />
dem Glauben ist im betitelten Buch in verschiedene<br />
Kategorien gefasst u.a. in „Sieben Farben hat das<br />
Licht“, „Man müsste was ändern“, „Mit Fragezeichen<br />
gepflastert“ usw. Allein schon die knappe Betitelung<br />
der Texte regt den Leseappetit an. Zenettis Texte, wie<br />
z.B. das Gottesloblied „Das Weizenkorn muss sterben“,<br />
sind mittlerweile zum Teil in verschiedenen<br />
Sprachen millionenfach veröffentlicht und vertont<br />
worden.<br />
Der frühere Hörfunkbeauftragte des Hessischen<br />
Rundfunks und mit dem Preis „Humor in der Kirche“<br />
ausgezeichnete Geistliche ist ein Meister des<br />
Wortspiels, dessen Texte auch in Religionsbüchern<br />
zu finden sind und sich hervorragend als Einstiegs-<br />
16<br />
impuls anbieten, lassen sich doch seine geflügelten<br />
Wortspielereien in andere Sinnzusammenhänge<br />
bringen. Besonders in einer Zeit der Glaubensermattung<br />
setzen Zenettis Worte einen Kontrapunkt<br />
und ermutigen, voll Zuversicht auf Gottes Spur zu<br />
wandeln. Um es mit den Worten seines Gedankenganges<br />
„Reibung“ auszudrücken: „Denn woran man<br />
sich reibt – nun, das lässt einen nicht kalt.“<br />
Manfred Bauer
Norbert Dudek / Jeremias Müller (Hg.)<br />
Glauben feiern mit Symbolen<br />
Gottesdienste, Gruppenstunden, Aktionen<br />
Freiburg u. a.: Verlag Herder-Verlag. 2010<br />
199 Seiten mit CD-ROM<br />
17,95 €<br />
ISBN 978-3-451-32701-8<br />
Dieses praxiserprobte Buch des langjährigen<br />
Schulpfarrers Pater Jeremias Müller und des<br />
früheren Jugendverbandseelsorgers Norbert Dudek<br />
bietet eine große Palette an symbolischen und<br />
zeichenhaften Gestaltungsmöglichkeiten für Aktionen,<br />
Gruppenstunden und Gottesdienste, die nicht<br />
an einen Kirchenraum gebunden sind und zugleich<br />
eine große Chance sind, unterschiedliche Orte glaubensvoll<br />
zu bespielen. In einem ersten kleineren Teil<br />
des Buches geht es um die Begriffsklärung von Zeichen,<br />
Symbolen und Sakramenten. Das Kernstück<br />
des Buches bilden 44 Gestaltbausteine, bei denen<br />
die Anleitung und Umsetzung für zeichenhaftes<br />
Handeln im Mittelpunkt stehen. Sämtliche Elemente<br />
sind zudem als Kopiervorlage auf einer beigefügten<br />
CD-ROM zusammengestellt. Jeder Baustein enthält<br />
folgenden Aufbau: Themenbezüge, Symboleinsatz,<br />
Zielgruppe (von Kindern bis Erwachsene), Zeitpunkt,<br />
Dauer, inhaltliches Ziel, Bibelstelle, Material, Lied-<br />
und Musikvorschläge sowie eine exakte Vorbereitungsbeschreibung.<br />
Kreativität ist gefragt, denn Rollenspiele, Phantasiereisen,<br />
Bastel- und Malvorlagen, Back- und<br />
Kochrezepte, eine Schreibwerkstatt und Interviews<br />
wollen sinnstiftend umgesetzt werden. Beim Baustein<br />
„Er hat den Schuldschein getilgt“ sollen sich<br />
die Teilnehmer beispielsweise mit der Thematik<br />
Schuld und Versöhnung auseinandersetzen. Schließlich<br />
gehen die belastenden Dinge des Alltags, die<br />
auf „Schuldscheinen“ verfasst sind, in Flammen auf.<br />
Eine sehr anschauliche Art, den Glauben zum Ausdruck<br />
zu bringen.<br />
Manfred Bauer<br />
17
Max Kerner / Klaus Herbers<br />
Die Päpstin Johanna. Biographie einer Legende<br />
Herder Spektrum 6332<br />
Freiburg u.a.: Verlag Herder. 2011<br />
176 Seiten<br />
9,99 €<br />
ISBN 978-3-451-06332-9<br />
Die „Päpstin“ Johanna – oder wie auch immer sie<br />
geheißen haben mag: Jutta, Gilberta, Agnes – führt<br />
ein unverwüstliches Eigenleben, jedoch nicht im<br />
10., 11. oder 12. Jahrhundert. Sie geistert seit dem<br />
Mittelalter als Legende durch historiographische,<br />
theologische, polemische und apologetische Werke<br />
jener Zeitgenossen, die wohl ein bestimmtes Interesse<br />
gehabt haben mussten oder sich durch die<br />
Tradition gebunden fühlten, über sie zu berichten.<br />
Seit der 2. Hälfte des 18. Jahrhunderts belebt sie<br />
die Phantasie eines Publikums, das über das Medium<br />
„Roman“ Bildung zu erlangen hofft. Neuerdings<br />
schleicht sich jedoch der Aufklärungsteufel in historische<br />
Romane. „Was hier berichtet wird, ist nicht<br />
reine Fiktion, es beschreibt auch historische Wahrheit“<br />
– so sein Mantra, das, einmal als irritierendes<br />
Virus ins eigene Denken gepflanzt, die Skepsis des<br />
Verdachts als Geschwür generiert: „Haben wir nicht<br />
immer schon geahnt, dass ganze Heerscharen kurialer<br />
Inquisitoren europaweit kirchenkritische Dokumente<br />
aufspür(t)en und deren Wissen vernichten?“<br />
Oder im O-Ton: „Im siebzehnten Jahrhundert jedoch<br />
unternahmen verschiedene Einrichtungen der katholischen<br />
Kirche … einen gemeinschaftlichen Versuch,<br />
die peinlichen historischen Unterlagen über<br />
Johanna zu vernichten … Wie wirkungsvoll diese<br />
Maßnahmen waren, wird schon dadurch ersichtlich,<br />
daß Johanna aus dem heutigen Bewußtsein praktisch<br />
verschwunden ist“ (Donna W. Cross, Die Päpstin,<br />
Berlin 2011, 560). Doch eine „Päpstin“ lässt sich<br />
so leicht nicht unterkriegen! Von daher war ihre Biographie<br />
überfällig – nicht jedoch die Biographie einer<br />
Person, sondern die „Biographie einer Legende“.<br />
Den Mediävisten Max Kerner und Klaus Herbers –<br />
beide überragende Kenner der Materie, der Zeitkontexte<br />
und für den Bereich historischer Mythen – ist<br />
mit dieser Biographie ein allgemeinverständliches<br />
18<br />
Meisterwerk gelungen. Sie gehen von einer kurzen<br />
kritischen Sichtung der Argumente von Cross gleich<br />
zu den bahnbrechenden Untersuchungen Döllingers<br />
von 1863 über, der die Motive der „Sage“ um eine<br />
„Päpstin“ historisch rekonstruiert hat. Anschließend<br />
nehmen die Autoren das 9. Jahrhundert in den Blick,<br />
in dem Johanna nach Meinung der meisten Textbelege<br />
gelebt haben soll. „Die zeitgenössischen Quellen<br />
selbst ergeben jedoch keinen konkreten Hinweis<br />
auf eine Päpstin, lassen auch in der Chronologie keinen<br />
Spielraum für sie, handschriftliche Besonderheiten<br />
sind ohne die Figur eines weiblichen Papstes<br />
erklärbar.“ Allerdings machte es Sinn, ihr Phantom<br />
in jene Zeit zu platzieren. Seit dem 13. Jahrhundert<br />
finden sich die ersten Textquellen, die über eine<br />
„Päpstin“ berichten. Fortschreitend wird deren „Biographie“<br />
ausgeschmückt. Fazit für diese Zeit: „Als<br />
eine zunächst vornehmlich stadtrömische Lokalsage<br />
ist sie ab etwa 1250 vor allem im Umkreis der<br />
Bettelorden … als eine papst- und kirchenkritische<br />
Fabel geschaffen worden, die dann in ihrer weiteren<br />
Wirkung und Ausgestaltung als eine vielgestaltige
Geschichte zu gelten hat …, als eine durchaus eigenständige<br />
Quelle, die schon bald als Waffe in den<br />
kirchenpolitischen Auseinandersetzungen des 14.<br />
und 15. Jahrhunderts genutzt wurde.“ Die Konziliaristen<br />
funktionalisierten die „Päpstin“ ebenso wie<br />
die Reformatoren in ihren jeweiligen Debatten um<br />
das kirchliche Amt und die Amtsvollmachten. Abwertung<br />
oder Hochschätzung der Frau kamen hinzu.<br />
Anschaulich wird, „dass die einen (die Protestanten)<br />
mit der Historizität der Päpstin die Verderbtheit der<br />
Papstkirche und deren uneingeschränkte apostolische<br />
Sukzession bezeugen, die anderen (die Katholiken)<br />
mit dem historischen Gegenbeweis, also der<br />
geschichtlichen Nicht-Existenz dieser Johanna, das<br />
Papsttum als kontinuierliche und von Gott gewollte<br />
Wahrheitsinstitution aufweisen wollten – wobei die<br />
Päpstin Johanna in dem einen wie anderen Fall zu<br />
einem moralischen bzw. historischen Monstrum<br />
wurde.“ Diese Monstrosität hatte verheerende Auswirkungen<br />
auf das Frauenbild, wie wir seit den Untersuchungen<br />
von Elisabeth Gössmann (1994) wissen.<br />
Parallel zu den Johanna-Werken erkennen die<br />
Autoren jeweilige Krisenzeiten. Für die heutige Rezeption<br />
reklamieren sie „die Rufe nach Ordinationen<br />
von Frauen“. Mindestens ebenso wichtig erscheint<br />
dem Rezensenten der jüngste Inquisitionshype und<br />
die damit verbundene Lust am Aufdecken vermeintlicher<br />
dunkler Geheimnisse der Kirche.<br />
„Gegen Vereinfachungen oder Mythen lassen<br />
sich kaum Bücher schreiben“, und es stimmt auch,<br />
dass „Dekonstruktionen Mythen keineswegs aus der<br />
Welt“ schaffen. Vielleicht aber machen sie immun<br />
gegen allzu plumpe Ideologisierungen. Als Ergänzung<br />
zur „Biographie einer Legende“ sei Michel Imhof<br />
(Die Päpstin Johanna. Wahrheit und Mythos, Petersberg<br />
2011) empfohlen, der über Kerner/Herbers<br />
hinaus v.a. das Frauenbild im Mittelalter zur Päpstinlegende<br />
in Beziehung setzt. Manches unglaublich<br />
„Moderne“ unserer Heldin zeigt sich dadurch als<br />
mittelalterlich gut verankert – Weihwasser für den<br />
Aufklärungsteufel!<br />
Joachim Schmiedl<br />
Christoph Markschies / Hubert Wolf (Hg.)<br />
Erinnerungsorte des Christentums<br />
München: Verlag C.H. Beck. 2010<br />
800 Seiten mit 126 Abb.<br />
38,00 €<br />
ISBN 978-3-406-60500-0<br />
Auch eine himmlische Botschaft braucht irdische<br />
Erinnerungsorte. „Tut dies zu meinem Gedächtnis“,<br />
heißt es an einer zentralen Stelle des Neuen Testamentes,<br />
und dieses Tun ist auf Orte angewiesen, die<br />
der Gedächtnisfeier einen Raum und eine Dauer<br />
schenken. So lässt sich die Geschichte des Christentums<br />
auch als eine Ortsgeschichte ansehen, als<br />
eine Vergegenwärtigung der Botschaft Jesu in Jerusalem<br />
und in Rom, in Wittenberg, Krakau und Konstantinopel.<br />
Der stattliche Band „Erinnerungsorte<br />
des Christentums“ sucht eine solche Geschichte zu<br />
schreiben. Er knüpft damit an das Projekt des französischen<br />
Historikers Pierre Nora, der schon vor<br />
drei Jahrzehnten mit seinem Konzept der „Erinnerungsorte“<br />
und des „Kollektiven Gedächtnisses“ eine<br />
veritable Welle an topologischen Erinnerungen auslöste<br />
(so veröffentlichten u.a. Etienne François und<br />
Hagen Schulze im Jahre 2001 den sehr erfolgreichen<br />
Band „Deutsche Erinnerungsorte").<br />
19
Christoph Markschies und Hubert Wolf, als Kirchenhistoriker<br />
bestens ausgewiesen, fassen den Begriff<br />
des christlichen Erinnerungsortes großzügig<br />
auf. Sie und ihre Mitarbeiter stellen „Zentralorte“<br />
wie Jerusalem, Genf oder Rom vor, doch ebenso<br />
„Reale Orte“ wie Assisi, Köln oder Trient (über die<br />
Zuteilung lässt sich sicherlich disputieren). Hinzu<br />
kommen „Übertragene Orte“ wie Bibel, Kreuz oder<br />
Inquisition, in denen sich die lange Geschichte des<br />
Christentums auf eine symbolische, verdichtete<br />
Weise spiegelt. Insgesamt werden gut 40 Orte vorgestellt,<br />
und dies fügt sich, das sei vorausgeschickt,<br />
zu einem so anregenden wie lehrreichen Leseabenteuer.<br />
Dass die Auswahl aus dem riesigen Stoff stets<br />
eine umstrittene bleiben muss, ist den Herausgebern<br />
klar. Gleichwohl wäre eine weiträumigere Verteilung<br />
wünschenswert gewesen. Insbesondere die<br />
zweite Abteilung führt eine übergroße Anzahl an<br />
deutschsprachigen Orten auf, die die Dynamik des<br />
Christentums nur unzureichend widerspiegeln. Bei<br />
aller Wertschätzung von Altötting, Dresden, Bethel<br />
oder Regensburg, wäre wohl ein Blick auf den polnische<br />
Wallfahrtsort Tschenstochau, auf Oxford<br />
oder Paris weiterführender gewesen. Und auch das<br />
orthodoxe Christentum erhielt mit Konstantinopel<br />
lediglich eine explizite Erwähnung, und damit entschieden<br />
zu wenig. Ein Blick auf Alexandria oder,<br />
ja, Moskau, hätte den Blick auf die Farbigkeit des<br />
Christentums sinnvoll erweitert.<br />
Sieht man von der dornigen Auswahlfrage ab, so<br />
kann sich der Leser in eine Reihe glänzender Artikel<br />
vertiefen, die zu Meditation und Auseinandersetzung<br />
einladen. So bietet Rudolf Smend mit Sinai – auch<br />
hier wäre die Zuordnung zu reflektieren! – einen<br />
konstruktiven Blick in die Tiefen der biblischen Geschichte<br />
und zugleich auch der alttestamentlichen<br />
Exegese. „Im Fall des Sinai lässt sich gar nichts be-<br />
20<br />
weisen“, stellt Smend fest und führt dann doch eine<br />
Reihe von Erkenntnissen über die „theologische<br />
Größe“ dieses (Nicht-)Ortes auf. Und auch über Taizé,<br />
eine scheinbar harmlose, jugendbewegte Stätte,<br />
erfährt der Leser Staunenswertes: „Wir verbrennen<br />
alles. Wir bewahren nichts auf“ – dieses Motto<br />
der Communauté entzieht jedem archivalischem<br />
Begehren, jeder „Erinnerung“ den Boden unter den<br />
Füßen. Warum Taizé dennoch oder gerade deshalb<br />
weit über die lokalen Grenzen ausstrahlt, das weiß<br />
Christian Albrecht überzeugend zu begründen. Auf<br />
einer ganz anderen Ebene als der „Erwartungsort“<br />
Taizé hallt die 1968 veröffentlichte Enzyklika Humanae<br />
Vitae nach, die die Herausgeber den symbolischen,<br />
den „übertragenen“ Orten zuordnen. In einer<br />
fast schmerzhaft klaren Sprache schildert der Kirchenrechtler<br />
Norbert Lüdecke die Dramatik, die mit<br />
dieser Publikation verbunden war, ihre Intention<br />
und ihre Reichweite. „Es geht um alles“ – so beginnt<br />
Lüdecke seinen Beitrag und spielt damit zunächst<br />
auf die beiden Anfangsworte der Enzyklika, auf<br />
ihren Namen an. Folgt man seinen Ausführungen,<br />
so wird deutlich, dass dieses „alles“ den gesamten<br />
Inhalt des päpstlichen Rundschreibens prägt. „Die<br />
Kernnorm der Enzyklika ist so Nano-Ekklesiologie,<br />
sie selbst eine ekklesiologische Ikone der normativ<br />
restituierten Gnadenanstalt und ein Kaleidoskop<br />
katholischer Soll-Identität.“ Wer diesen Satz als Fazit<br />
versteht, wird zunächst durchatmen müssen, um<br />
dann Lüdeckes Beitrag noch einmal zu studieren.<br />
Das mag, trotz mancher Einwände im Einzelnen, für<br />
das gesamte Werk gelten. Der Rezensent jedenfalls<br />
behält den Erinnerungsband in bester Erinnerung –<br />
und in Reichweite.<br />
Christian Heidrich
Michael Kunzler<br />
Ein Laien-„Messbuch“<br />
Eine Einführung in das Wertvollste der<br />
katholischen Christen: die heilige Messe<br />
Paderborn: Bonifatius Verlag. 2011<br />
272 Seiten<br />
22,90 €<br />
ISBN 978-3-89710-480-8<br />
Der in Paderborn lehrende Liturgiewissenschaftler<br />
Michael Kunzler hat sich in seinem umfangreichen<br />
Oeuvre immer wieder bemüht, auch für<br />
theologische Laien verständlich zu schreiben, angefangen<br />
1989 mit „Berufen, dir zu dienen. 15 ‚Lektionen’<br />
Liturgik für Laienhelfer im Gottesdienst“ über<br />
eine Laiendogmatik (1998) wie auch Laienliturgik<br />
(1999) bis zum vorliegenden Band. Die Anführungszeichen<br />
bei „Messbuch“ deuten an, dass es hier um<br />
keinen neuen „Schott“ geht. Das Buch könnte auch<br />
„Kunst des Mitfeierns“ heißen, ein Gegenstück zum<br />
2007 erschienenen Werk „Liturge sein. Entwurf einer<br />
Ars Celebrandi“.<br />
In einem ersten Kapitel „Theologie des Gottesdienstes“<br />
werden liturgiepraktische Fragen behandelt,<br />
wird unter anderem der tridentinische mit<br />
dem nachvatikanischen Messritus verglichen. Ein<br />
weiteres Kapitel vermittelt einen Überblick über die<br />
Geschichte der Eucharistietheologie. Nach weiteren<br />
Kapiteln über Bezeichnungen und Formen der Messfeier<br />
sowie über in der Sakristei befindliche Utensilien<br />
(Bücher, Gefäße, Weihrauch, Gewänder) folgen<br />
ausführliche Erläuterungen zu den Hauptteilen der<br />
Messe (Eröffnung – Wortgottesdienst – Gabenbereitung<br />
– Hochgebet – Kommunion – Schluss) mit ihren<br />
jeweiligen Einzelelementen. Ein letztes Kapitel bietet<br />
auf vier Seiten einen Überblick über den rituellen<br />
Verlauf.<br />
In lockerem Stil gehalten und immer wieder Fachbegriffe<br />
erläuternd, lässt das Buch deutlich spüren,<br />
wie sehr der Autor einfache Christgläubige im Blick<br />
hat. Auch der Verzicht auf Kapitelnummern trägt zu<br />
einem weniger akademischen Aussehen bei. Freilich<br />
hätte ein sorgfältigeres Korrekturlesen dem Leser so<br />
manchen fehlerhaften Stolperstein erspart.<br />
Beim Bemühen um Verständlichkeit stellt sich<br />
auch die Frage, wann eine Vereinfachung zur Verengung<br />
führt. Welche – auch kontroversen – Probleme<br />
sind den Lesern zuzumuten? Dazu zwei Beispiele:<br />
Das Evangelium als „Originalton Jesu“ zu bezeichnen<br />
klingt zwar modern. Doch das Bemühen von<br />
Bibelwissenschaftlern um die „ipsissima verba“<br />
(ureigenen Worte) Jesu lässt sich nicht einfach als<br />
„fruchtloser Streit“ abtun. Es gilt als allgemeiner<br />
Konsens, dass etwa das Johannesevangelium kaum<br />
ein Wort des historischen Jesus enthält – was diesen<br />
(unechten) Worten keineswegs ihren Wert nimmt.<br />
Aber sollte man das bei einer Liturgieerklärung<br />
nicht auch offen ansprechen? Häufig kommen die<br />
Begriffe „Wandlung“ und „Wandlungsworte“ vor. Dahinter<br />
steckt wohl die Auffassung westlicher Theologie,<br />
wonach Brot und Wein mit dem Sprechen der<br />
Worte Jesu „Das ist mein Leib ... mein Blut ...“ eben<br />
zu Leib und Blut Christi werden. Im theologischen,<br />
speziell ökumenischen Diskurs dagegen geht man<br />
davon aus – nach jüdischer Gebetstradition –, die<br />
Konsekration werde vom Hochgebet als Ganzem<br />
bewirkt, und nicht punktuell an einer bestimmten<br />
Stelle. Der Autor weist ja auch darauf hin, das Hochgebet<br />
bilde „zur Gänze als konsekratorisches Gebet<br />
eine Einheit“.<br />
21
Beizupflichten ist dem Autor, wenn er willkürliche<br />
Eingriffe in den Ritus seitens wohlmeinender<br />
Priester als Missbrauch brandmarkt. Allerdings<br />
müsste man dann auch der Kirchenleitung vorhalten,<br />
sie habe einen liturgischen „Reformstau“ zu verantworten.<br />
Seit 1988 hat eine Studienkommission<br />
an der Revision des Messbuchs langjährig, intensiv<br />
und mit hoher Sachkompetenz gearbeitet. 23 Jahre<br />
danach wartet man immer noch auf das neue Messbuch!<br />
Alles in allem ist es ein Buch für kirchliche Insider<br />
wie auch solche, die über eine gewisse Neugier<br />
verfügen. Sie können hier aus einem reichhaltigen<br />
Informationsangebot schöpfen. Skeptikern oder<br />
Fernstehenden hingegen dürfte manches zu glatt<br />
und harmonisierend behandelt vorkommen. So wäre<br />
ein weiteres lohnendes Projekt eine „Fundamental-Liturgik“<br />
für Laien. Diese würde nicht einfach<br />
traditionelle Frömmigkeit absegnen, sondern auf<br />
alternative Modelle aufmerksam machen – mehr argumentativ<br />
als bekennerfreudig.<br />
22<br />
Eckhard Jaschinski
Alex Stock<br />
Liturgie und Poesie. Zur Sprache des Gottesdienstes<br />
Kevelaer: Verlag Butzon & Bercker. 2010<br />
272 Seiten<br />
17,90 €<br />
ISBN 978-3-7666-1357-8<br />
Der emeritierte Kölner katholische Theologe Alex<br />
Stock hat im vorliegenden Band „Liturgie und Poesie“<br />
Aufsätze eines Zeitraums von über zwanzig<br />
Jahren (1985-2006) zusammengetragen. Im Nachweisverzeichnis<br />
fehlt nur die Quelle von B. VI. Gabenbereitung:<br />
Liturgisches Jahrbuch 53 (2003) 33-<br />
51. Die Aufsätze sind nun in zwei Blöcken („Dichten<br />
und Denken“ / „Römische Tradition“) zu je acht Abschnitten<br />
angelegt. Dabei geht der Autor auf seine<br />
ihm eigene Art vor, die sich vom theologischen Mainstream<br />
deutlich abhebt. Sein theologisch-ästhetischer<br />
Ansatz ist in der achtbändigen „Poetischen<br />
Dogmatik“ breit entfaltet, bekundet sich aber auch<br />
durch zahlreiche Beiträge in Sammelbänden. So hat<br />
er im „Geistlichen Wunderhorn“, einer großangelegten<br />
Studie über fünfzig Kirchenlieder, neun dieser<br />
Gesänge behandelt.<br />
In sprachlicher Analyse lotet der Autor den Gehalt<br />
von Schlüsselbegriffen in Gesangs- und Gebetstexten<br />
aus. Dabei lässt er seine besondere Liebe zum<br />
Latein durchblicken und zeigt ein feines Gespür für<br />
sinngerechte Übersetzungen. Das demonstriert er<br />
im Einzelnen etwa an ausgewählten Tagesgebeten.<br />
Insgesamt kommt er zu dem Schluss, neuere Textproduktionen<br />
setzten – aus vermeintlich pastoraler<br />
Rücksicht – einseitig auf Allgemeinverständlichkeit.<br />
Dem hält er andere Kriterien entgegen wie: poetisch<br />
reizvoll, traditionell-volkstümlich bewährt,<br />
sprachrhythmisch und -klanglich gelungen. Sprachlich<br />
elegant wirkt überhaupt sein Schreibstil im<br />
ganzen Buch.<br />
Hinsichtlich der nachkonziliaren Liturgiereform<br />
weiß der Autor zu differenzieren. Auf Martin<br />
Mosebachs „Häresie der Formlosigkeit“ eingehend,<br />
greift er drei strittige Punkte heraus und formuliert<br />
vorsichtige Anfragen: 1. Lateinische Messe mit<br />
gregorianischem Choral: „Könnte ein ‚Ave verum’<br />
nach der Wandlung das Kirchenvolk vielleicht mehr<br />
zur Sache bewegen als das theologisch gewiss korrekte,<br />
aber emotional etwas trockene ‚Deinen Tod, o<br />
Herr, verkünden wir...’?“ 2. Priester mit Gesicht zur<br />
Gemeinde: „Wäre vielleicht jenseits ideologischer<br />
Verkrampfungen das topologische Empfinden des<br />
sakralen Raumes noch einmal vor Ort genau zu<br />
überlegen und in eine weniger starre Begehung der<br />
Liturgie zu übertragen?“ 3. Liturgie mit starker Interaktion:<br />
„Wohin soll der homo religiosus gehen,<br />
wenn er nicht die Gemeinschaft fröhlicher Gotteskinder<br />
sucht, sondern den Ernst des Mysteriums?“<br />
Im Hinblick auf eine „Reform der Reform“ mahnt<br />
der Autor, beim liturgischen Vollzug die Kunst und<br />
das Heilige gebührend zu respektieren.<br />
Liturgische Texte kommen und gehen. Welche auch<br />
immer amtlich vorgelegt werden – sie verdienten zunächst<br />
Respekt. Was aber nützen die besten Texte,<br />
wenn sie nicht gekonnt dargeboten werden. Eine<br />
Liturgiereform, die vor allem auf Verständlichkeit<br />
setzt, verlange eine hohe Kompetenz von allen, die<br />
Texte präsentieren. Der Vorsteher müsse ein Gebet<br />
wirklich – in Tonfall und Blickrichtung – betend voll-<br />
23
ziehen und nicht als bloße Verlesung eines Textes.<br />
Der Lektor oder die Lektorin müssen eine Lesung –<br />
in Intonation, Artikulation, Sprechtempo – von allen<br />
mitvollziehbar vortragen. Das verlange ständige Arbeit<br />
am Detail.<br />
Alex Stock liefert hier so etwas wie Bausteine für<br />
eine „Fundamental-Liturgik“. Diese kommt weniger<br />
bekennerfreudig daher und glorifiziert auch nicht<br />
einfach eine rituelle Vergangenheit als wertvolles<br />
Kulturerbe, sondern geht den liturgischen Dingen<br />
(Texte, Bilder, Metaphern, Figuren) auf den „Grund“.<br />
24<br />
Eckhard Jaschinski<br />
Thomas R. Karmann / Reinhard Lettmann /<br />
Clemens Stroetmann / Hans-Jürgen Vogelpohl<br />
Crashkurs Christentum<br />
In 60 Minuten Glaube & Religion verstehen<br />
Mit einem Vorwort von Abtprimas Notker Wolf OSB<br />
Leipzig: St. Benno-Verlag. 2011<br />
96 Seiten<br />
6,50 €<br />
ISBN 978-3-7462-3054-2<br />
Für Neugierige, Suchende und Fragende ist mit<br />
diesem kompakten, gebundenen Taschenbuch der<br />
Versuch gemacht worden, den christlichen Glauben<br />
in 60 Minuten zu erläutern. Mit Geschichten, Zitaten<br />
berühmter Personen, passenden Bibelversen,<br />
Anekdoten, aber auch Beispielen aus der Werbung,<br />
erweitert durch erläu ternde Texte, hat das Autoren-<br />
Team um den em. Bischof von Münster, Reinhard<br />
Lettmann, sich die Aufgabe gestellt, zentrale Themen<br />
des Christentums zeitgemäß zu erläutern: Der<br />
Sonntag, die christlichen Hauptfeste Weihnachten,<br />
Ostern, Pfingsten, Glaubensbekenntnis, Vaterunser,<br />
die 10 Gebote sind die einzelnen An schnitte überschrieben.<br />
Unterhaltsam in die reiche Welt des<br />
christlichen Glaubens einzuführen, das Sichtbarmachen<br />
dieses gelebten Glaubens in Kirche, Gemeinde<br />
und Ökumene ist mit diesem Buch gelungen.<br />
Bernhard Merten
Christoph Beuers / Jochen Straub<br />
Ins Leben geschrieben<br />
Partnerschaftliche Exerzitien für Menschen mit und<br />
ohne Behinderung<br />
Kevelaer: Verlag Butzon & Bercker. 2010<br />
96 Seiten mit zahlr. SW-Abb.<br />
12,90 €<br />
ISBN 978-3-7666-1354-7<br />
„Wir wollen aufsteh´n, aufeinander zugeh´n, voneinander<br />
lernen miteinander umzu geh´n...“ Unter<br />
das Motto könnte das hier vorgestellte Konzept<br />
partnerschaftlicher Exerzitien von Menschen mit<br />
und ohne geistige Behinderung gestellt werden. Entwickelt<br />
wurde es in der Kooperation der Fach schule<br />
für Heilpädagogik der Marienschule in <strong>Limburg</strong>, des<br />
St. Vincenzstiftes in Aulhausen und des Referates<br />
Seelsorge für Menschen mit Behinderung im <strong>Bistum</strong><br />
<strong>Limburg</strong>. Inzwi schen ist es fester Bestandteil<br />
der Arbeit dieser Institutionen, insbesondere der<br />
Ausbildung angehender Heilpädagogen, Heilerziehungspfleger<br />
und Sozialassistenten. In den beiden<br />
Tagen der Exerzitien gehen jeweils zwei Menschen<br />
einen partnerschaftli chen Weg miteinander, begegnen<br />
sich in ihrer Verschiedenheit und entdecken,<br />
was sie miteinander verbindet. Diese Verschiedenheit<br />
wird zur Bereicherung.<br />
Im vorliegenden Buch wird ein Kurs exemplarisch<br />
vorgestellt und praxisnah in seinen ein zelnen Elementen<br />
methodisch und theologisch reflektiert. Dabei<br />
wird deutlich, wie eine von Menschen mit und<br />
ohne Behinderung gemeinsam erlebte Spiritualität<br />
aussehen kann. Es gibt Impulse und Austausch in<br />
der Groß grup pe und im mer wie der die Begegnung<br />
zu zweit. Dabei steht zu nächst die Betrachtung dessen,<br />
was das Schöne im ei genen Le ben ausmacht, im<br />
Zentrum. In einem weiteren Schritt wird der Blick<br />
auf das Traurige im Leben gerichtet. Immer wieder<br />
wird dabei deut lich, dass das Erleben von Freude<br />
und Trauer Erfahrungen sind, die zu je dem Le ben<br />
gehören. Es entsteht Achtung vor der Kraft, mit der<br />
manch ei ner sein Leben gerade unter erschwerten<br />
Bedingungen meistert. Am En de der Tage steht der<br />
gemeinsame Gottesdienst, in dem die Nähe des lieben<br />
den Gottes in den Erfahrungen von Freude und<br />
Trauer gefeiert wird, verbunden mit einem persönlichen<br />
Se gen für die Teilnehmer. Bei der Schilderung<br />
dieser Erfahrungen kommen die Teilnehmer ausführlich<br />
selbst zu Wort.<br />
Im abschließenden Kapitel werden richtungsweisende<br />
Visionen formuliert: Menschen mit und ohne<br />
Behinderung sind gemeinsam zur Spiritualität berufen,<br />
wobei die Behinderung als unterscheidendes<br />
Merkmal keine größere Rolle spielt als Augen- oder<br />
Haarfarbe. Die Behinderung wird nicht abgespalten,<br />
sondern sie ist ein Teil der zu bewältigenden Lebensaufgabe.<br />
Im Zentrum steht die tragende Beziehung.<br />
So schreiben die Autoren: „Part nerschaftliche<br />
Exerzitien verlangen nach Reflexion. Sie wollen den<br />
Rollentausch und die Empathie zur Basis jeglichen<br />
Handelns machen.“<br />
Das Buch bietet wichtige Anregungen für alle in<br />
der religiösen und pädagogischen Be gleitung behinderter<br />
Menschen Tätigen sowie für entsprechende<br />
Ausbildungsstätten. Aber es kann darüber hinaus<br />
für jeden Interessierten Impulse geben zu einem<br />
„integrativen Le bensstil“, entsprechend dem von Bischof<br />
Franz Kamphaus in seinem Fastenhirtenbrief<br />
von 2002 zitierten Satz von Ulrich Bach: „Eine Gemeinde<br />
ohne Behinderte ist eine behinderte Gemeinde.“<br />
Dem Buch vorangestellt ist ein ausführliches<br />
Geleitwort von Franz Kamphaus.<br />
Claudia Kobold<br />
25
26<br />
Herders großes Buch der Gebete<br />
Hg. v. Gundula Kühneweg<br />
Freiburg u.a.: Verlag Herder. 2009<br />
479 Seiten<br />
24,95 €<br />
ISBN 978-3-451-32177-1<br />
Bereits ein erster Blick in das Inhaltsverzeichnis<br />
oder auf eines der Register, besser jedoch ein ruhiges<br />
Durch blättern dieses umfangreichen Bandes<br />
Seite für Seite macht sehr schnell deutlich, welche<br />
Fülle an unter schiedlichen Gebetstexten für vielfältige<br />
Anlässe und Möglichkeiten er zu bieten hat;<br />
eine Schatzsammlung des Betens, in Jahrhunderten<br />
gewachsen, wird vor dem Leser ausgebreitet.<br />
Es sind mehr als 500 Gebetstexte, die die Herausgeberin<br />
zusammengetragen hat, Texte aus der<br />
reichen christlichen Tradition des Betens von den<br />
Anfängen in der Bibel bis in die unmittelbare Gegenwart.<br />
Betrach tet man das Verzeichnis der rund 130<br />
Autorinnen und Autoren, findet man die Namen von<br />
Heiligen, Kir chenvätern, großen Persönlichkeiten<br />
der Kirchengeschichte ebenso wie bedeutende evangelische<br />
und katho lische Theologen der Gegenwart,<br />
Dichter und Denker, Schriftsteller und Künstler, d. h.<br />
Beterinnen und Beter aller Zeiten und Altersstufen<br />
bis in die jüngste Zeit.<br />
Der Grundstein des Bandes wird gelegt mit<br />
den Grundgebeten der Kirche, beginnend mit dem<br />
Kreuzzeichen, über das Vaterunser, das Ave Maria<br />
bis zum Großen Glaubensbekenntnis. Die folgenden<br />
18 Textzusammen stellungen spiegeln das Leben<br />
des Menschen wider mit Gebeten zum Tageslauf, in<br />
schönen und schweren Stunden, Gebete mit Kindern<br />
und für alte Menschen, dem Jahreskreis folgend, Gebete<br />
zu Maria, den Engeln und Heiligen, des Glaubens<br />
und Vertrauens, der Umkehr und Vergebung.<br />
Abgeschlossen wird die Sammlung durch eine Reihe<br />
Gebete des Segens.<br />
Eine wichtige Ergänzung des Bandes sind das Bibelstellenverzeichnis,<br />
eine Zusammenstellung wichtiger<br />
Ge bete und ein Verzeichnis aller Gebete, zu<br />
einem großen Teil sowohl mit der Gebetsüberschrift<br />
wie auch mit dem Gebetsanfang zitiert. Abschließend<br />
folgen ein Autoren- und ein Quellenverzeichnis,<br />
wobei das letztge nannte zugleich eine Sammlung<br />
weiterführender Literatur beinhaltet.<br />
Was bleibt, ist die Frage nach dem Sinn, dem praktischen<br />
Nutzen einer solchen Gebete-Sammlung.<br />
Eine solche Sammlung kann sicher Wegbereiter und<br />
Wegbegleiter des eigenen Betens sein, in dem „ein<br />
anderer uns die Sprache und die Worte leiht, mit denen<br />
wir unser Herz Gott öffnen können … Manchmal<br />
müssen unsere Lippen auch unserem Herzen zuvor<br />
kommen – dann drücken die gelesenen und gesprochenen<br />
Ge bete die Sehnsucht danach aus, beten zu<br />
können“ (S. 8). In diesem Sinne ist das Große Buch<br />
der Gebete nicht nur ein Kompendium des Sprechens<br />
mit Gott, sondern kann in seiner Fülle eine<br />
ergiebige Quelle sein für alle, die nach alten und<br />
neuen Möglichkeiten suchen, um dem eigenen Beten<br />
neue Wege zu weisen, neue Impulse zu geben, oder<br />
um diese in ihrer beruflichen Tätigkeit als Geistliche,<br />
Pastorale Mitarbeiter/-innen, Religionslehrer/-innen<br />
zu nutzen.<br />
Bernhard Merten
Thomas Dornseifer / Christian Schlichter (Hg.)<br />
Die sieben Sakramente der katholischen Kirche<br />
Eine Orientierung nicht nur für Fernstehende<br />
Paderborn: Bonifatius Verlag. 2009<br />
114 Seiten mit 21 Farbabb.<br />
18,90 €<br />
ISBN 978-3-89710-437-2<br />
Sicher, die sieben Sakramente können die meisten<br />
noch aufzählen (ob jedoch immer in der richtigen<br />
Rei henfolge?), aber wenn es um die Frage nach der<br />
Bedeutung des einzelnen Sakramentes als solchem<br />
und in seinem Bezug für den Einzelnen geht, fehlen<br />
auf entsprechende Fragen häufig die Antworten,<br />
bzw. man ist diesbezüglich auf den „Fachmann“ als<br />
Erklärer angewiesen. Hier setzt das Büchlein an, das<br />
aus einer erfolg reichen Serie der Paderborner Kirchenzeitung<br />
DER DOM hervorgegangen ist. In einem<br />
Dreischritt will es den Sakramenten auf den Grund<br />
gehen: 1. „Wo sind die historischen, biblischen Wurzeln<br />
des Sakramentes, was ist seine dogmatische<br />
Bedeutung?“ Hier antworten Praktiker mit entsprechend<br />
theologisch fundiertem Hin tergrund. 2. Die<br />
Frage: „Wie geht die Kirche mit diesem Sakrament<br />
um?“ beantworten Seelsorger, die fak tisch aus ihrem<br />
Alltag berichten. 3. Der dritte Fragenkomplex „Was<br />
kann ein Sakrament für den Einzelnen, aber auch<br />
für die Gemeinschaft der Gläubigen bedeuten? Wie<br />
wird seine Spendung aufgenommen?“ lässt den Sakramentenempfänger<br />
selbst zu Worte kommen.<br />
Diese Form der Vorstellung der einzelnen Sakramente<br />
ist neu. Ihre Methodik kann damit zu einem<br />
Schlüssel für ein modernes Sakramentenverständnis<br />
– eben „nicht nur für Fernstehende“, wie es der<br />
Untertitel aus drückt –, sondern ebenso für den gestandenen<br />
Sakramentenempfänger werden. Neben<br />
der fachlichen und theologischen Fundierung zeichnet<br />
eine gute sprachliche Verständlichkeit die Darstellungen<br />
aus, verknüpft und ergänzt übrigens mit<br />
ganz praktischen Hinweisen zur Vor- und Nachbereitung<br />
und dem Verlauf der jeweiligen Sakramentenspendung.<br />
Eine Lektüre, die sich gerade auch im<br />
Blick auf den Religionsunterricht und die Katechese<br />
lohnt.<br />
Bernhard Merten<br />
27
Christian Hennecke / Mechthild Samson-Ohlendorf (Hg.)<br />
Die Rückkehr der Verantwortung<br />
Kleine Christliche Gemeinschaften<br />
als Kirche in der Nähe<br />
Würzburg: Echter Verlag. 2011<br />
156 Seiten<br />
12,80 €<br />
ISBN 978-3-429-03381-1<br />
Der Hildesheimer Regens und Fokolarpriester<br />
Christian Hennecke gehört zu den Propagandisten<br />
der Kleinen Christlichen Gemeinschaften (KCG) in<br />
Deutschland. Er legt mit seiner Mitarbeiterin Mechthild<br />
Samson-Ohlendorf die Ergebnisse des zweiten<br />
Symposiums über die KCG vor. Die Hauptfrage ist<br />
nach wie vor die Möglichkeit der Umsetzung ekklesiologischer<br />
Erfahrungen aus Afrika und Asien auf<br />
die europäische und deutsche Situation. Eine Piste<br />
eröffnet dabei der Wittener Psychiater Klaus Dörner.<br />
Er beobachtet eine neue Wertschätzung der Nachbarschaft<br />
und sieht darin eine bislang verpasste<br />
Chance der Kirchengemeinden. Hans-Jürgen Marcus<br />
doppelte nach, indem er caritative Einrichtungen als<br />
Lebens- und Lernorte der Kirche mit unterschiedlichen<br />
pastoralen und diakonischen Schwerpunkten<br />
in großräumigen Pfarreiengemeinschaften stark<br />
machte. Damit die KCG nicht nur eine verdeckte Ausgabe<br />
einer neuen Gemeindetheologie seien, müssten<br />
nach Rainer Bucher die Netzwerkstrukturen ernst<br />
genommen werden, Gemeinschaft und Freiheit ausbalanciert<br />
sein sowie eine konsequente pastorale<br />
Aufgabenorientierung angestrebt werden. Das wird<br />
konkret in der auf Handlung angelegten Form der<br />
gemeinsamen Bibellektüre.<br />
28<br />
So faszinierend allerdings die Erfahrungen aus<br />
Asien sind, wie sie in den Beiträgen der philippinischen<br />
Protagonisten der KCG zur Sprache gebracht<br />
werden, so ernst muss auch die Anfrage Bernhard<br />
Spielbergs genommen werden, dass „pastorale<br />
Südfrüchte nicht einfach zu importieren sind“. Sie<br />
müssen in unserer pastoralen Situation inkulturiert<br />
werden. Den Blick auf die Chancen verstellen aber<br />
zur Zeit die Strukturdebatten in den Bistümern. Gegen<br />
eine zu starke Professionalisierung müsste das<br />
Ehrenamt neu gewertet werden. Und man brauche<br />
den Mut dazu, Projekte auch zu beenden, um wieder<br />
Platz für Experimente zu bekommen. Gemeinde<br />
gründen und entwickeln („Ekklesiogenesis“) in den<br />
Lebensräumen der Menschen – das ist die Vision<br />
Henneckes und seiner Mitstreiter. Man kann nur<br />
hoffen und beten, dass diese Vision nicht im Getriebe<br />
technokratischer Umsetzungen von Fusionen und<br />
Neustrukturierungen untergeht.<br />
Joachim Schmiedl
Andreas Murk / Konrad Schlattmann<br />
Maximilian Kolbe. Märtyrer der Nächstenliebe<br />
Würzburg: Echter Verlag. 2011<br />
176 Seiten mit zahlr. SW-Abb.<br />
19,90 €<br />
ISBN 978-3-429-03421-4<br />
Zum 70. Jahrestag des Todes ihres Mitbruders<br />
haben zwei Franziskaner-Konventualen eine Gedenkschrift<br />
über den heiligen Maximilian Maria<br />
Kolbe herausgebracht. Den Hauptteil nimmt eine<br />
biographische Skizze von Andreas Murk ein. Reich<br />
bebildert, gibt sie einen leicht lesbaren Überblick<br />
über die Jugendjahre Kolbes im russischen Polen,<br />
das Studium und die Gründung der „Militia Immaculatae“<br />
in Rom, die mit gesundheitlichen Problemen<br />
belasteten Anfangsjahre als Dozent und Seelsorger<br />
in seiner Heimat, den Aufbau der „Stadt der<br />
Unbefleckten“ Niepokalanów bei Warschau, die Jahre<br />
in Japan, die Schwierigkeiten durch die deutsche<br />
Besatzung und die Vollendung des Lebens im Hungerbunker<br />
des Vernichtungslagers Auschwitz.<br />
Der zweite Teil des Buches nimmt die im Vorwort<br />
des Bamberger Erzbischofs Schick genannten Leitlinien<br />
von Kolbes Leben auf. Ein Kapitel ist der im<br />
Deutschen jetzt „Marianische Initiative“ genannten<br />
Gründung gewidmet, eine Frucht der intensiven Marienfrömmigkeit<br />
Kolbes. Eine knappe Auswahl an<br />
Quellentexten lässt den geistlichen Schriftsteller<br />
Kolbe zu Wort kommen. Der Bericht über den Verlauf<br />
des Selig- und Heiligsprechungsprozesses bekommt<br />
seinen besonderen Wert durch den Abdruck der Ansprachen<br />
der Päpste Paul VI. und Johannes Paul II.<br />
bei diesen Gelegenheiten. Maximilian Kolbe, über<br />
den auch einige geistliche Lieder getextet wurden,<br />
wirkt insbesondere in der deutsch-polnischen Versöhnung<br />
weiter.<br />
Weiterführend sind die Gedanken des jungen<br />
Franziskaners Konrad Schlattmann über die Aktualität<br />
des Heiligen. Maximilian Kolbe war jemand,<br />
der Mut zum Wagnis hatte, der sich ganz einsetzte,<br />
dabei Stetigkeit und Ausdauer bewies, sich als<br />
Werkzeug verstand und selbst Werkzeuge wie die<br />
Kommunikationsmittel gebrauchte, sein Leben als<br />
Märtyrer der Nächstenliebe für einen Familienvater<br />
beendete und deshalb zu einer Leitfigur der Versöhnung<br />
wurde. Das vorliegende Büchlein lässt sich in<br />
Unterricht und Pastoral vielfältig einsetzen.<br />
Joachim Schmiedl<br />
29
Philip Jenkins<br />
Das goldene Zeitalter des Christentums<br />
Die vergessene Geschichte der größten Weltreligion<br />
Freiburg u.a.: Verlag Herder. 2010<br />
379 Seiten<br />
24,95 €<br />
ISBN 978-3-451-30276-3<br />
Wir brauchen eine Theologie des Untergangs, so<br />
der Religionswissenschaftler Philip Jenkins. Denn<br />
das Sterben von Kirchen und Religionen sei eine Tatsache<br />
der Geschichte. Unbefriedigende Erklärungen<br />
würden hierfür Glaubensschwäche oder Kollision<br />
mit dem göttlichen Plan verantwortlich machen. Bedenkenswerter<br />
sei hingegen die Tatsache, dass eine<br />
Religion selten als „ausgelöscht“ zu gelten habe.<br />
Oftmals feiere sie fröhliche Urständ in der dominanten<br />
Religion (und Kultur) oder lebe später wieder<br />
auf. Andere Religionen hätten gerade auch als<br />
Konkurrenten eine Funktion im Plan Gottes – sofern<br />
dieser existiere. Ein Beispiel: Möglicherweise sei<br />
die historische Ausbreitung des Islam eine „andere<br />
Form göttlicher Offenbarung …; eine, die die christliche<br />
Botschaft ergänzt, sie aber nicht ersetzt“. In<br />
30<br />
jedem Fall sei es ein „Aberwitz, den Glauben an eine<br />
bestimmte Staats- und Gesellschaftsordnung zu<br />
koppeln“. Hier spricht ein Religionswissenschaftler,<br />
der sich auf fundamentaltheologisches Gebiet<br />
(Stichwort „Theologie der Religionen“) wagt und angesichts<br />
der mangelnden systematischen Reflexion<br />
über die beschriebenen historischen Phänomene angreifbar<br />
wird.<br />
In seinem Werk über die Suryoye (west- und ostsyrische<br />
Kirchen), die orientalischen Kirchen, die<br />
syro-malabarische Kirche (Thomaschristen) und die<br />
afrikanischen Kirchen (koptische und äthiopische<br />
Kirche) verbindet der britische Historiker Philip<br />
Jenkins historische Darstellung mit einer Analyse<br />
darüber, was Kirchen überlebensfähig macht bzw.<br />
zu ihrem Untergang führt. Er macht hierbei moderne<br />
Analyseperspektiven (Inkulturation, Globalisierung,<br />
Dechristianisierung) für die Beschreibung<br />
der Bedeutung der monophysitischen Kirchen („Nestorianer“<br />
und „Jakobiten“), die im 5. Jahrhundert<br />
von der Orthodoxie getrennt wurden, fruchtbar. In<br />
westkirchlicher und orthodoxer Wahrnehmung –<br />
man könnte auch sagen: eurozentrischer Perspektive<br />
– spielt die Geschichte dieser Kirchen keine Rolle.<br />
Weit gefehlt! Bis ins 13. Jahrhundert hinein waren<br />
die christlichen Kirchen in jenem riesigen Gebiet von<br />
Armenien über den syrisch-palästinensischen Raum<br />
und Mesopotamien, über den Iran und Zentralasien<br />
bis nach Indien und China mit ihrem geistlichen<br />
und theologischen Potential und ihrem Selbstverständnis<br />
als authentische Zeugen der christlichen<br />
Botschaft die größte Weltreligion (Untertitel). Hinzu<br />
kämen die orientalischen Kirchen (hauptsächlich:<br />
Kopten und Äthiopier). Ein Beispiel für die Bedeutung<br />
jener Kirchen: Der Patriarch („Katholikos“) der<br />
Kirche des Ostens, Timotheus (Amtszeit: 780-823),<br />
war als Oberhaupt von einem Viertel der Weltchristenheit<br />
wohl der „bedeutendste geistliche Führer<br />
seiner Zeit“. Ihm unterstanden 19 Metropoliten
und 85 Bischöfe. Zum Vergleich: Zeitgleich gab es in<br />
England lediglich zwei Metropoliten. Papst Leo III.<br />
kommt ihm nicht nahe. Abgesehen davon, dass auch<br />
das römische Christentum bis zur Verbindung mit<br />
dem Frankenreich östlich geprägt war. „In ihrer Gelehrsamkeit<br />
und in ihrem Zugang zu klassischer Bildung<br />
und Wissenschaft waren die östlichen Kirchen<br />
um 800 auf einem Stand, den das lateinische Europa<br />
nicht vor dem 13. Jahrhundert erreichte“.<br />
Der wesentliche Unterschied beider Christentümer<br />
lag in der Verflochtenheit mit den politischen<br />
Systemen. Zunächst im Herrschaftsbereich des oströmischen<br />
und des persischen Reiches, gerieten die<br />
syrischen (und nordafrikanischen) Kirchen ab dem<br />
7. Jahrhundert unter muslimische Herrscher. Sowohl<br />
unter persischer als auch unter muslimischer<br />
Herrschaft – weiter östlich auch in buddhistischer<br />
und taoistischer Kultur – hatten sie sich in die jeweilige<br />
Gesellschaft, Kultur und Regierungsform inkulturiert.<br />
Sie „boten ihren Glauben in der Sprache<br />
der Kultur dar, der sie begegneten, und verwendeten<br />
deren künstlerische und literarische Ausdrucksformen“.<br />
Der Kontakt zur dominanten Religion<br />
(zunächst: Judentum, dann: Islam, Zoroastrismus;<br />
weiter östlich auch Buddhismus und Taoismus)<br />
war selbstverständlich. Die kulturelle Verwobenheit<br />
war derart eng, dass die Vorstellung, der Islam<br />
habe das Wissen der Antike in den Westen gebracht,<br />
ungenau ist. „Es waren Christen – Nestorianer, Jakobiten,<br />
Orthodoxe und andere –, die das kulturelle<br />
Erbe der Antike – Naturwissenschaft, Philosophie,<br />
Medizin – bewahrten und übersetzten und in Zentren<br />
wie Bagdad und Damaskus brachten. Vieles<br />
von dem, was wir arabische Gelehrsamkeit nennen,<br />
war in Wirklichkeit syrisch, persisch, koptisch; es<br />
war nicht notwendig muslimisch“. In diesem Kontext<br />
betont Jenkins immer wieder, dass die Wurzeln<br />
des Islam nicht zuletzt in der christlich-syrischen<br />
Tradition lägen. „Es dauerte viele Jahrhunderte, bis<br />
der Islam als eigenständige Religion klare Konturen<br />
gewonnen hatte“. Anscheinend typisch „islamische“<br />
Eigenheiten (architektonische Formen wie Moschee,<br />
Minarett und Kanzel; strenge Fastenzeit; Niederwerfung;<br />
Separierung der Frauen; mystische Religiosität;<br />
repetierende Gebetsformen) waren christlich<br />
vorgegeben.<br />
Ihre Blütezeit erlebte dieses Christentum zwischen<br />
dem 3. und dem 13. Jahrhundert. Bis ins<br />
11. Jahrhundert hinein gab es nur lokale und sporadische<br />
Verfolgungen. Innerkirchlich blieb man rechtlich<br />
autonom und befähigt, missionarisch außerhalb<br />
muslimischen Herrschaftsgebiets, also weiter<br />
nach Osten, zu wirken. Dies habe jedoch nicht viel<br />
mit einem „toleranten Islam“ zu tun. Erst seit dem<br />
14. Jahrhundert sei es zu systematischen Christenverfolgungen<br />
gekommen. Ähnliches ist auch für China<br />
(Ming-Dynastie) belegt. „Wohl nur mit Ausnahme<br />
Indiens war es nach 1300 schwierig, außerhalb des<br />
Schutzes eines christlichen Staates den christlichen<br />
Glauben zu praktizieren“. Überlebt hatte in jenen Gebieten<br />
lediglich eine kleine christliche Minderheit.<br />
Der Bevölkerungsanteil von Christen sank in Asien<br />
und Afrika von ca. 34% (um 1200) auf 6% (um 1500).<br />
Diese Minderheiten fielen den nationalistisch motivierten<br />
Verfolgungen des 19. und 20. Jahrhunderts<br />
größtenteils zum Opfer. Diese werden ausführlich<br />
erörtert (u.a. der Genozid an den Armeniern).<br />
Das vorliegende Werk ist eine lesenswerte, auch<br />
für den historischen Laien verständliche Einführung<br />
in Geschichte und Bedeutung der syrischen und orientalischen<br />
Kirchen. Es bietet Hilfestellungen für<br />
das Verständnis heutiger religiös motivierter Konflikte<br />
(etwa in Ägypten, im Irak oder im Libanon) und<br />
rückt unsere westkirchliche Perspektive global zurecht.<br />
Allerdings erschließt sich die Gliederung nicht<br />
ohne weiteres, was ein fehlendes Register umso gravierender<br />
macht. Als Ergebnis bleibt der Eindruck<br />
31
zurück, dass nicht der Kampf von Kulturen oder<br />
gar Religionen zum Tod einer Kirche führt. Weitaus<br />
wichtiger sind (macht-)politische Erwägungen. Was<br />
bedeutet dies vor dem Hintergrund der von Jenkins<br />
beschriebenen und faszinierenden Inkulturationsprozesse<br />
einerseits, andererseits angesichts seiner<br />
Warnungen vor einer zu weitgehenden Assimilation<br />
(gerade auch im Politischen)? Bedarf das Christentum<br />
in christlich geprägten, jedoch säkularen Gesellschaften<br />
einer größeren Widerstandskraft und<br />
Bereitschaft zum Martyrium? Was genau ist hier<br />
dem Untergang geweiht: die säkulare Anbiederung<br />
oder das inkarnatorische Vertrauen in die Präsenz<br />
des Reiches Gottes, das nicht von dieser Welt ist?<br />
Mit welcher kritischen Distanz kommentiert Theologie<br />
in beiden Fällen das Politische, das ihr zum<br />
Verhängnis werden mag? Welcher Religionsersatz<br />
prägt (oder: prägte dann) Kultur? Möge Jenkins<br />
solche Fragen hin zu einer „Religionswissenschaft<br />
des Untergangs“ systematisch durchdenken und dadurch<br />
theologisch diskursfähig werden.<br />
32<br />
Jörg Seiler
Kunst<br />
34 Hauptwerke der Kunstgeschichtsschreibung<br />
// 36 <strong>Limburg</strong> an der Lahn // <strong>Limburg</strong><br />
an der Lahn. Der Dom // 38 Das Bilderlexikon<br />
der christlichen Symbole<br />
33
Paul von Naredi-Rainer / Johann Konrad Eberlein /<br />
Götz Pochat (Hg.)<br />
Hauptwerke der Kunstgeschichtsschreibung<br />
Kröners Taschenausgabe; Bd. 364<br />
Stuttgart: Alfred Kröner Verlag. 2010<br />
532 Seiten<br />
49,90 Euro<br />
ISBN 978-3-520-36401-2<br />
Was sind Hauptwerke der Kunstgeschichtsschreibung<br />
aus sechs Jahrhunderten? Wer beurteilt das?<br />
Wenn man das Buch aufschlägt, ist man u. U. schon<br />
enttäuscht, findet man doch die Hauptwerke nicht<br />
selbst – die füllen einige Zehn-Meter Bücherregal –,<br />
sondern deren Zusammenfassung und Kommentierung<br />
mit Literaturangaben. Einhundertsechsundsechzig<br />
Hauptwerke sind aufgeführt und auf 532<br />
Seiten dargestellt, d.h. für jedes Hauptwerk bleiben<br />
zur Darstellung desselben ca. drei Buchseiten. Reicht<br />
das aus, um z.B. Beltings „Bild und Kult“, Jantzens<br />
„Kunst der Gotik“, Panofskys „Studies in Iconology“<br />
oder Winckelmanns „Geschichte der Kunst des Altertums“<br />
ausreichend darzustellen?<br />
Achtundvierzig Autorinnen und Autoren haben<br />
sich zu diesem Unternehmen bereiterklärt, d.h. jeder<br />
von ihnen übernahm durchschnittlich drei Aufsätze,<br />
hier Essay genannt, die immer auch persönliche Ansichten,<br />
Wertungen und subjektive Einsichten enthalten.<br />
Die Veröffentlichungsdaten der Hauptwerke<br />
sind sorgfältig ediert. Hilfreich ist der bibliographische<br />
Anhang zu den besprochenen Werken, der<br />
einen raschen Zugriff und die Einordnung der Werke<br />
ermöglicht und erste Hinweise auf Hilfen zum Verständnis<br />
bietet. Die zahlreichen Literaturhinweise<br />
verweisen auf neue und neuere Sekundärliteratur.<br />
34<br />
Nun, das Buch richtet sich nach dem Vorwort<br />
vor allem an Studierende der Kunstgeschichte! Die<br />
Darstellungen suchen einen „erfolgreich erprobten<br />
Mittelweg zwischen Anthologie und lexikalischem<br />
Nachschlagewerk“. Ob der Mittelweg zwischen Originaltext<br />
und einem lexikalischen Artikel die vorliegenden<br />
Essays sind, sei dahingestellt. Gibt es<br />
überhaupt eine Alternative zum Studium der Originaltexte<br />
(ggf. in Übersetzungen) für Studentinnen<br />
und Studenten der Kunstgeschichte, falls sie sie<br />
wirklich studieren wollen oder müssen? Die Textsammlung<br />
ist Fast Food für Studierende, an den<br />
reich gedeckten Tisch der kunstgeschichtlichen Literatur<br />
lädt sie nicht ein. Sie tut so, als ob der verzichtbar<br />
sei. Die Sammlung verspricht den schnellen<br />
Konsum. Studium ist aber gerade die lang anhaltende,<br />
eventuell mühevolle Arbeit am Text, die in den<br />
Texten und besonders im Vorwort nicht gefordert<br />
wird. Einige Einwände zum Verfahren nehmen die<br />
Autoren im Vorwort auf. Sie sind sich deren „natürlich<br />
bewusst“. Manche Einwände freilich kommen<br />
nicht vor und sind wohl nicht bedacht oder leider<br />
verschwiegen. Cui bono?
Das Buch kann man getrost als einen „Reader´s<br />
Digest“ der Kunstgeschichtsschreibung bezeichnen.<br />
Der vorliegende Band ersetzt nicht die selbständige<br />
Lektüre wichtiger Werke der Kunstgeschichtsschreibung<br />
für die fleißige Studentin und den eifrigen Studenten.<br />
Zu diesem Faktum wären im Buch wenigstens<br />
einige Zeilen anzuführen. Natürlich muss man nicht<br />
all die als Hauptthemen vorgeschlagenen Werke<br />
als angehender Kunsthistoriker gelesen haben. Die<br />
Lektüre der Originaltexte ist aber Voraussetzung<br />
jedes Studiums. Der vorliegende Band verwischt<br />
diese Forderung und trägt dazu bei, das Studium<br />
Second Hand zu verstehen. Die Folgen davon sind<br />
auch durch den leichtfertigen Umgang mit Zitaten in<br />
Seminar- und Doktorarbeiten in der Vergangenheit<br />
deutlich geworden. So kann wissenschaftliches Arbeiten<br />
nicht gelernt werden und gelingen. Wikipedia<br />
lässt grüßen!<br />
August Heuser<br />
35
Christoph Waldecker<br />
<strong>Limburg</strong> an der Lahn<br />
Großer Kunstführer; Bd. 251<br />
Regensburg: Verlag Schnell & Steiner in Kooperation mit<br />
dem Verlag des Bischöflichen Ordinariates <strong>Limburg</strong>. 2010<br />
48 Seiten<br />
44 Fotos, 1 Karte<br />
9,90 €<br />
ISBN 978-3-7954-2332-2<br />
Matthias Th. Kloft<br />
<strong>Limburg</strong> an der Lahn. Der Dom<br />
Kunstdenkmäler im <strong>Bistum</strong> <strong>Limburg</strong>; Bd. 1<br />
Regensburg: Verlag Schnell & Steiner in Kooperation mit<br />
dem Verlag des Bischöflichen Ordinariates <strong>Limburg</strong>. 16.,<br />
neu bearb. Auflage 2010<br />
31 Seiten, ill. mit zahlr. Farbfotos<br />
3,00 €<br />
ISBN 978-3-7954-4365-8<br />
In der Reihe seiner Großen Kunstführer legt der<br />
Verlag Schnell & Steiner in Kooperation mit dem<br />
Verlag des Bischöflichen Ordinariates <strong>Limburg</strong> den<br />
von Christoph Waldecker erarbeiteten geschichtlichen<br />
und kunstgeschichtlichen Überblick über die<br />
Entwicklung der Stadt <strong>Limburg</strong> an der Lahn vor. Anlass<br />
für dieses Buch ist die am 10. Februar 910, also<br />
vor 1100 Jahren, erstmals erfolgte Erwähnung der<br />
Stadt in einer (noch vorhandenen) in Frankfurt ausgestellten<br />
Schenkungsurkunde, in der König Ludwig<br />
das Kind (901-911) dem Niederlahngauer Gaugrafen<br />
Konrad Kurzbold aus dem Hause der Konradiner einen<br />
Herrenhof in Oberbrechen schenkt, damit er auf<br />
„dem Berge namens Lintburk im Lahngau“ eine Kirchen<br />
errichten könne.<br />
36<br />
Ausgehend von diesem Ereignis verfolgt der Autor<br />
in sieben Zeitschritten die geschichtliche Entwicklung<br />
der Stadt bis in die Gegenwart: Vor- und<br />
Frühgeschichte; Die Entwicklung <strong>Limburg</strong>s vom 10.<br />
bis zum Anfang des 13. Jahrhunderts; <strong>Limburg</strong> unter<br />
der Herrschaft der Isenburger (1219-1406); <strong>Limburg</strong><br />
in Kurtrier (1406-1802/3), <strong>Limburg</strong> im Herzogtum<br />
Nassau (1806-1866); Die preußische Stadt <strong>Limburg</strong><br />
(1866-1945); <strong>Limburg</strong> seit 1945.
Jeder dieser Abschnitte umfasst nicht allein eine<br />
Aufzählung geschichtlicher Ereignisse, sondern ist<br />
illustriert mit ausgezeichneten Farbfotos derjenigen<br />
öffentlichen und privaten Bauten, die in der jeweiligen<br />
Epoche entstanden sind. Jedes Foto ist dabei in<br />
einer kurzen Bildunterschrift erläutert, wird darüber<br />
hinaus in die einzelnen Zeitabschnitte innerhalb<br />
des Textes hineingestellt und ihnen zugeordnet. So<br />
werden die wichtigsten Gebäude – neben dem Dom<br />
und anderen Kirchen und Klöstern vor allem auch<br />
Wohnhäuser – aus ihrer zeitgenössischen Bauform<br />
heraus lebendig und erzählen ein interessantes<br />
Stück <strong>Limburg</strong>er Stadtgeschichte.<br />
Man sollte diesen Band, der seinen Schwerpunkt<br />
in der Altstadt und ihrer Architektur hat, einfach in<br />
die Hand nehmen und mit ihm einen Spaziergang<br />
durch die Stadt <strong>Limburg</strong> machen. Die auf der Innenseite<br />
des rückwärtigen Deckblatts dazu gelieferte<br />
Karte kann, nimmt man etwa den Dom als Ausgangspunkt,<br />
eine gute Hilfe sein.<br />
Parallel zum Erscheinen der Stadtgeschichte hat<br />
Matthias Th. Kloft den Kleinen Kunstführer über den<br />
das Bild der Stadt beherrschenden <strong>Limburg</strong>er Dom<br />
einer eingehenden Überarbeitung unterzogen. Ausgehend<br />
von der Lage der Kirche, ihren Gründern und<br />
Stiftern, ihrer Entstehung führt er den Betrachter<br />
durch das Innere dieses imposanten Bauwerkes,<br />
das um 1190 seinen Ursprung hat. Der Besucher<br />
lernt dabei nicht allein die ins Auge springenden<br />
Kunstwerke wie das Grabmal Konrad Kurzbolds,<br />
den figurenreichen Taufstein (beide aus dem Anfang<br />
des 13. Jh.), die unterschiedlichen Zeitepochen<br />
entstammenden Wandmalereien in detaillierter<br />
Erläuterung kennen und verstehen, sondern wird<br />
auch auf versteckte oder unauffällig angebrachte<br />
Gemälde, Heiligendarstellungen, Grabmale oder<br />
baulich interessante Gegebenheiten hingewiesen.<br />
Aufschlussreich und wichtig ist dabei immer wieder<br />
die Einordnung in die Geschichte des Domes<br />
ausgehend von der ursprünglichen Stifts- und<br />
Pfarrkirche hin zur jetzigen Bischofskirche, wobei<br />
der abschließende Abschnitt auch auf diese Kirche<br />
als Begräbnisort gesondert eingeht. Eine kurze<br />
Zeittafel am Schluss des handlichen Heftes ergänzt<br />
zusammenfassend das vorher Gesagte.<br />
Ergänzend sei in diesem Zusammenhang noch<br />
einmal auf den ebenfalls von Matthias Th. Kloft erarbeiteten<br />
Schnell & Steiner Kunstführer Nr. 2665<br />
Domschatz und Dommuseum <strong>Limburg</strong> an der Lahn<br />
(Regensburg 2008) hingewiesen (vgl. dazu Rezension<br />
in „<strong>Eulenfisch</strong> Literatur“ Nr. 1/2009, S. 16).<br />
Bernhard Merten<br />
37
Eckhard Bieger<br />
Das Bilderlexikon der christlichen Symbole<br />
Leipzig: St. Benno-Verlag. 2011<br />
288 Seiten mit farb. Abb.<br />
9,95 €<br />
ISBN 978-3-7462-3107-5<br />
Eckhard Bieger, Jesuitenpater mit jahrzehntelanger<br />
Erfahrung in katholischer Fernseh- und Internetarbeit,<br />
weiß um die Schwierigkeiten der Vermittlung<br />
christlicher Tradition in die Medien- und Informationsgesellschaft<br />
der Gegenwart. Sein „Bilderlexikon<br />
der christlichen Symbole“ will Zugänge zu dem verschaffen,<br />
was den Bilderreichtum des Christentums<br />
ausmacht. So beginnt er das Lexikon mit einem Kapitel<br />
über symbolisches Sehen. Die Beobachtung der<br />
Natur und die im Mittelalter praktizierten allegorischen<br />
Auslegungen der Bibel mitsamt ihrer Umsetzung<br />
in Sakralräume stellen dafür die materielle<br />
Grundlage. Wie sich der Kirchenbau im Laufe der<br />
Jahrhunderte in seinen verschiedenen Stilepochen<br />
von den Katakomben bis in die späte Moderne verändert<br />
hat und kulturprägend geworden ist, ist Gegenstand<br />
der Schlusskapitel. Biegers Resümee: „Ein<br />
neuer Stilwille ist gefragt.“ Dazu allerdings brauche<br />
es eine neue liturgische Bewegung.<br />
Das Material dazu findet sich im lexikalischen<br />
Teil des Buches, der von Abakus bis Zwickel reicht.<br />
Erklärt werden biblische Symbole, die in Bildern<br />
und im Kirchenbau verwendet werden. Bieger führt<br />
in die Struktur der Liturgie und ihrer Zeichen, die<br />
liturgischen Geräte und Gewänder, ebenso ein wie<br />
in architektonische, künstlerische und theologische<br />
Bedeutung der Umsetzung dieser Symbolik in den<br />
Kirchen der großen Bauepochen. Nicht behandelt<br />
werden die Attribute der Heiligen, mit Ausnahme<br />
einiger biblischer Personen. Unterstützt wird die<br />
textliche Erläuterung durch eine umfangreiche farbige<br />
Bebilderung mit Beispielen vorwiegend aus<br />
dem europäischen Raum. Obwohl die Abbildungen<br />
der lexikalischen alphabetischen Anordnung folgen,<br />
zeigen sie doch einen Querschnitt durch die Perioden<br />
der Christentumsgeschichte, was auch in der<br />
Berücksichtigung verschiedener Konfessionen zum<br />
Ausdruck kommt.<br />
38<br />
Bieger hat ein Lexikon vorgelegt, das Verständnis<br />
und Sympathie für die christliche Tradition zu<br />
wecken weiß. Er macht deutlich, dass Pluralität im<br />
künstlerischen Ausdruck von Theologie zum Grundbestand<br />
des Christentums gehört. Sein Lexikon ist<br />
ein Plädoyer dafür, dieser Vielfalt auch in Zukunft<br />
eine Chance zu geben.<br />
Joachim Schmiedl
Philosophie / Ethik<br />
40 Atlas der wirklichen Welt. So haben Sie<br />
die Erde noch nie gesehen // 42 Zentrale<br />
Fragen christlicher Ethik. Für Schule und Erwachsenenbildung<br />
// 43 Endlich unsterblich.<br />
Zwischen Körperkult und Cyberworld // 45<br />
Heilige Einfalt. Über die politischen Gefahren<br />
entwurzelter Religionen<br />
39
Daniel Dorling / Mark Newman / Anna Barford (Hg.)<br />
Atlas der wirklichen Welt<br />
So haben Sie die Erde noch nie gesehen<br />
Aus d. Engl. übers. v. Susan Haynes-Huber / Verena Küster /<br />
Gabi Weichert / Inge Deventer<br />
Darmstadt: Primus Verlag. Neuauflage 2010<br />
400 Seiten mit ca. 382 farb. Karten<br />
49,90 €<br />
ISBN 978-3-89678-708-8<br />
„So haben Sie die Erde noch nie gesehen“ – dieser<br />
Untertitel ist keineswegs übertrieben. Sicher –<br />
dieser Atlas – 2008 erstmalig aufgelegt – ist gewöhnungsbedürftig.<br />
Er zeigt die Welt in einer Form, wie<br />
wir sie bisher zumeist nur in Einzeldarstellungen<br />
oder -ausschnitten etwa im Wirtschaftsteil einer<br />
Zeitung kennengelernt haben. Ergebnisse neuester<br />
und neuartiger digitaler Kartografiemög lichkeiten<br />
werden in Verbindung mit prägnanten Wirtschaftsanalysen<br />
ausgenutzt, um die in der jeweiligen Kartenübersicht<br />
dargestellten Sachverhalte eingängig<br />
zu machen. Um sich mit der Farb- und Formgebung<br />
des Kartenmaterials und dessen Aussage vertraut<br />
zu machen, ist es wichtig, die entsprechenden Hinweise<br />
in der Einführung zu beachten und sich mit<br />
der Seite „Regionen und Staaten“ eingehender zu<br />
beschäftigen. Die Kartogramme lassen, was gewöhnungsbedürftig<br />
ist, die einzelnen Länder zwar<br />
jeweils in derselben Farbe erscheinen, wobei die<br />
Staaten dabei in zwölf Re gionen gruppiert sind, die<br />
ebenfalls farblich gekennzeichnet sind, um so großflächige<br />
geografische Zusammenhänge zu verdeutlichen.<br />
Die Kartogramme lassen dabei z.B. einzelne<br />
Länder umso grö ßer erscheinen, je mehr sie von dem<br />
dargestellten Thema beeinflusst werden. Geht es<br />
also etwa um das Gesundheitssystem, wirkt Europa<br />
stark aufgebläht, während Afrika zu einer schmalen<br />
Linie zusammenschrumpft.<br />
Sechs Großthemen mit zahlreichen Untergliederungen<br />
entschlüsseln detailliert die gewählten<br />
Schwerpunkte: Menschen und Ressourcen; Die Welt<br />
des Handels; Die Welt der Wirtschaft; Die sozi ale<br />
Welt; Die Welt der Gefahren; Die Welt des Glaubens.<br />
Jede einzelne der 382 Karten wird ergänzt durch<br />
eine knappe Erläuterung und eine Tabelle, die zu-<br />
40<br />
meist jeweils zehn Länder mit dem höchsten und<br />
dem niedrigsten Wert zum jeweiligen Aspekt angibt.<br />
Zusätzlich betrachten Diagramme die Daten der<br />
Karten aus einem anderen Blickwinkel. Interessant<br />
und besonders aussagekräftig sind dabei Doppelseiten,<br />
die unmittelbare Zusammenhänge paarweise<br />
aufschlüsseln, z.B. Export – Im port; Verbesserung<br />
des Entwicklungsstandards – Verschlechterung des<br />
Entwicklungsstandards; Armut – Reichtum; Katholische<br />
Christen – Protestantische Christen u.ä.<br />
Das Gleiche gilt von Kar tenfolgen wie die 6 Karten<br />
umfassende Übersicht „Wohlstandsverteilung im<br />
Jahr 1“ bis „Wohl standsverteilung im Jahr 2015“.<br />
Gerade diese Gegenüberstellungen verdeutlichen<br />
wirtschaftliche, politische, soziale, ökologische, religiöse<br />
Zusammenhänge, aber auch Gegensätze und<br />
ermöglichen Vergleiche.<br />
Es würde zu weit führen, im Rahmen dieser Besprechung<br />
auf einzelne Karten einzugehen. Jede<br />
steht für sich allein mit ihrer Aussage, aber sie will<br />
und muss immer wieder im Zusammenhang des<br />
ganzen Bandes gesehen werden. Sucht man eine<br />
bestimmte Position, wird man über das Inhaltsverzeichnis<br />
leicht fündig. Ein Verzeichnis der Abkürzungen<br />
und ein detailliertes Quellenverzeichnis
unden den Band ab. Man kann ohne Übertreibung<br />
sagen, dass hier ein vielfältig neues Weltbild vermittelt<br />
wird, das uns in eindrucksvoller Weise die<br />
globale Unverhältnismäßigkeit vor Augen führt, zum<br />
Nachdenken anregt und nachdenken lässt über die<br />
Welt um uns und unseren Platz darin. Und gerade<br />
deswegen ist dieser Atlas in seiner Reichhaltigkeit<br />
der Aussagen ein ausgezeichnetes Arbeitsmittel für<br />
viele unterschiedliche Unterrichtsfächer und -stunden.<br />
Bernhard Merten<br />
41
Konrad Hilpert<br />
Zentrale Fragen christlicher Ethik<br />
Für Schule und Erwachsenenbildung<br />
Regensburg: Verlag F. Pustet. 2009<br />
272 Seiten<br />
22,00 €<br />
ISBN 978-3-7917-2180-4<br />
Das Buch, das Konrad Hilpert vorlegt, zeigt, dass<br />
es sich einer langjährigen Erfahrung in Schule und<br />
Erwachsenenbildung verdankt. Der Aufbau des<br />
Buches ist einfach und aufschlussreich. Drei Kapiteln<br />
Grundfragen (Verantwortung, ethisches Urteilen,<br />
Moralvorstellungen und Lebensformen Jugendlicher)<br />
folgen drei Kapitel zum Thema Orientierung<br />
(Dekalog, Schuld, das Böse). Daran schließen sich<br />
wieder drei Kapitel Handlungsfelder an (Gestaltungen<br />
von Beziehungen, Bioethik, Menschenrechte).<br />
Das Buch endet mit wiederum drei Kapiteln Kontexte<br />
(Werte in der Schule, nichttheologische Ethikansätze,<br />
Moralische Pluralität als Herausforderung).<br />
Hilpert erörtert außerordentlich differenziert das<br />
Für und Wider der angesprochenen Themen. Beispielhaft<br />
scheint mir dafür seine Argumentation<br />
im letzten Kapitel zu sein. Wer nicht gerade Fundamentalist<br />
oder Relativist ist, wird von der Ausgewogenheit<br />
der Argumentation beeindruckt sein. Da<br />
aber das komplexe und filigrane Argumentationsmuster<br />
an keinem strittigen Beispiel getestet werden<br />
kann, wird doch nicht klar, wie die vorgestellte<br />
Argumentation zum Ziel führt. Hilpert weist zwar<br />
Fundamentalismus und Relativismus eindeutig in<br />
ihre Schranken. Da das Wortfeld Hilperts aber am<br />
liberalen Pol der Auseinandersetzung reichhaltiger<br />
ist, richtigerweise Pluralismus auch eindeutig befürwortet,<br />
dagegen am anderen Ende aber nur von<br />
Fundamentalismus spricht und ein Begriff wie<br />
konservativ gar nicht vorkommt, haben Tradition,<br />
Lehramt, Schrift vielleicht ungewollt einen Drive ins<br />
Fundamentalistische. Leider wendet er die wirklich<br />
beeindruckende Matrix seiner Argumentation nicht<br />
auf konkrete Fälle an, so dass Orientierungen und<br />
Positionierungen nicht erkennbar sind.<br />
42<br />
Dem Untertitel „Für Schule und Erwachsenenbildung“<br />
werden seine Ausführungen voll gerecht. Alle<br />
Kapitel eignen sich ausnahmslos für einen Einstieg<br />
in die jeweilige Thematik und geben einen guten<br />
Überblick.<br />
Helmut Müller
Klaus Müller<br />
Endlich unsterblich<br />
Zwischen Körperkult und Cyberworld<br />
Kevelaer: Verlag Butzon & Bercker. 2011<br />
200 Seiten<br />
17,90 €<br />
ISBN 978-3-7666-1479-7<br />
Der Körper ist Objekt eines beständigen Kultes!<br />
Von dieser historisch triftigen Grundthese ausgehend<br />
beleuchtet der Münsteraner Religionsphilosoph<br />
Klaus Müller in seiner Bestandsaufnahme<br />
„Endlich unsterblich. Zwischen Körperkult und<br />
Cyberworld“ geistreich und illustrativ gegenwärtige<br />
körperkultische Erscheinungsformen, die nach<br />
Müller mit den immer neuen Errungenschaften der<br />
plastischen Chirurgie, der chemischen Stimulation<br />
und der Biotechnologie immer „extremer“ werden<br />
und den menschlichen Körper letztlich zu einer<br />
„Frage des Designs“ entwerten. In jenem Körperkult<br />
äußere sich nach Müller das anthropologische Bedürfnis<br />
nach einer spezifischen Form von Selbsterhaltung,<br />
die gleichsam nach Möglichkeiten der Entgrenzung<br />
aus „substantieller Endlichkeit“ suche. Wo<br />
diese Suche früher allein im mythischen Verweis auf<br />
eine heilermöglichende Transzendenz als gelingend<br />
erzählt werden konnte, entfalte sich im „Skandal der<br />
Spätmoderne“ die wachsende Sicherheit, „dass der<br />
Mensch bald als sein eigener Schöpfer agieren könne“.<br />
In diesem weltanschaulichen Standpunkt werde<br />
der Mensch nach Müller vor allem auch durch die<br />
Körperkonzepte, die in der Cyberworld propagiert<br />
werden, bestärkt. Hier finde man in Projekten wie<br />
z.B. „Second Life“ die Möglichkeit, sich virtuell zu<br />
entgrenzen. Mit Müller lässt sich die Cyberworld als<br />
eine Fortentwicklung in jenem „dritten Zeitalter“ begreifen,<br />
das Joachim von Fiore bereits um das Jahr<br />
1200 „als [ein] Reich des Geistes“ ausrief, „das alte<br />
Regeln und Grenzen hinter sich lässt, durch nichts<br />
aufzuhalten ist und eine ins Hier und Heute gezogene<br />
Erlösung gewährt“. Auch die postmodernen Philosophien<br />
eines Jean Baudrillard oder Peter Sloterdijk<br />
wiesen daraufhin, dass man Virtualität keinen Mangel<br />
an Wirklichkeit zuspreche, sondern vielmehr an<br />
ihr eher den Mangel des Nichtvirtuellen propagiere.<br />
Wo auf diese Weise die Anerkennung substantieller<br />
Endlichkeit suspendiert werde, gehe nach Müller<br />
auch die Vernunftgemäßheit in den entsprechenden<br />
Selbsterhaltungsprozessen und „ein konstitutives<br />
Moment bewusster Lebensführung“ verloren. Die<br />
Wiederentdeckung einer ars moriendi und der „antiästhetische<br />
Impetus der Christusgestalt“ entfaltet<br />
der Religionsphilosoph als zentrale Momente eines<br />
notwendig auszurufenden christlichen Widerworts.<br />
So reich das Material ist, das Müller aus populären<br />
und hochphilosophischen Körper-Geist-Konzepten<br />
der Gegenwart wie der Vergangenheit heranzieht,<br />
um den unbedingt bedenkenswerten Gedankengang<br />
43
zu illustrieren, so geistreich und hellsichtig Müllers<br />
Kommentierungen und Thesen zumeist auch sind, so<br />
mag den Leser bei gewissenhafter Lektüre eine anhaltende<br />
Verstörung begleiten. Eine Verstörung über<br />
das unzweckmäßige Heischen nach der Aufmerksamkeit<br />
des Lesers, über die zum Selbstzweck geratende<br />
Lust an der Provokation. Verstörung auch über<br />
die zynische Kommentierung von klischeehaften Erfahrungen<br />
im Umgang mit den eigenen Altersgenossen:<br />
„Darum lassen sich ältere Damen die Lippen<br />
mit Botox aufspritzen und den Busen vergrößern<br />
und schlucken alte Männer mit Hängebauch Viagra,<br />
um Zeugungsgebaren zu simulieren, statt ihren Enkeln<br />
Geschichten zu erzählen. Weil sich die Sterblichkeit<br />
nicht abschütteln lässt, wird beschleunigt.“<br />
Die nachhaltigste Verstörung stellt sich aber gerade<br />
da ein, wo Müller die für zukünftige, ethische Diskurse<br />
berechtigte und zentrale Forderung nach einer<br />
menschengemäßen Selbsterhaltung formuliert, die<br />
sich fern der Extreme „auf einen endlichen Umfang<br />
in Mitteln wie Zielen einlässt“: Hier verfällt Müller<br />
selbst der von ihm als unheilvolles Menetekel gezeichneten<br />
Rhetorik „brutaler Eugenik-Diskussion“,<br />
wenn er mit Blick auf die medizinischen Errungenschaften<br />
der Gegenwart kommentiert: „Schon jetzt<br />
wird durch die Erfolge der Medizin die Evolution<br />
der menschlichen Gattung im Sinne Darwins abgeschwächt:<br />
Je mehr körperliche Schwächen technisch<br />
ausgeglichen werden können, desto häufiger<br />
werden diese Schwächen in der Erbfolge weitergegeben<br />
werden, weil sie den ohne künstliche Hilfe<br />
Stärkeren nicht mehr unterlegen sind (das ist heute<br />
schon Realität durch den Erfolg der Rettung Früh-<br />
und Frühstgeborener). Solcher Selektionsmangel [!]<br />
wird mittelfristig zu einer statistischen Zunahme<br />
genetischer Mängel führen.“<br />
44<br />
Michael Novian
Olivier Roy<br />
Heilige Einfalt<br />
Über die politischen Gefahren<br />
entwurzelter Religionen<br />
München: Siedler Verlag. 2010<br />
336 Seiten<br />
22,95 €<br />
ISBN 978-3-88680-933-2<br />
Erinnern Sie sich noch an Samuel Huntington? Der<br />
2008 verstorbene Politikwissenschaftler aus Harvard<br />
hatte mit seinen Thesen zum „Kampf der Kulturen“,<br />
die er 1993 in der renommierten Zeitschrift<br />
„Foreign Affairs“ und drei Jahre später in Buchform<br />
veröffentlichte, eine internationale Debatte entfacht,<br />
die bis heute nachhallt. Huntington stellte die These<br />
auf, dass nach dem Ende des Ost-West-Gegensatzes<br />
nicht etwa das Zeitalter globaler Demokratie und<br />
Markwirtschaft ausbreche, wie sein Kollege Francis<br />
Fukuyama (Das Ende der Geschichte, 1992) prophezeite,<br />
sondern ältere religiös-kulturelle Konfliktlinien<br />
sichtbar werden, an denen die politischen und<br />
militärischen Auseinandersetzungen der Zukunft<br />
stattfinden. Die Bürgerkriege im ehemaligen Jugoslawien<br />
und im Sudan, die zunehmenden Spannungen<br />
zwischen Hindus und Muslimen in Indien und der<br />
Nahost-Konflikt schienen die These vom „Clash of<br />
Civilizations“ zu bestätigen, und zwar nicht nur in<br />
den Augen der politischen „Falken“, sondern auch<br />
der „Tauben“. Letztere zogen aus Huntingtons Analyse<br />
den Schluss, dass politisch-militärische Maßnahmen<br />
zur Friedenssicherung langfristig nur erfolgreich<br />
sein werden, wenn sie durch Bemühungen<br />
um einen interkulturellen und interreligiösen Dialog<br />
unterstützt werden. Dabei wird vorausgesetzt, dass<br />
Religion und Kultur unentwirrbar miteinander verbunden<br />
sind. Genau diese Voraussetzung bestreitet<br />
Olivier Roy in seinem Buch „Heilige Einfalt“.<br />
Der französische Religions- und Islamwissenschaftler<br />
zeigt an einer beeindruckenden Fülle von<br />
Beispielen aus nahezu allen Religionen und Erdteilen,<br />
dass wir gegenwärtig Zeugen der Trennung von<br />
Religion und Kultur werden. Der neuzeitliche Säkularisierungsprozess<br />
habe die Religion nicht zerstört,<br />
sondern von Politik, Wirtschaft, Kunst und Kultur<br />
getrennt und damit die Voraussetzung für die viel<br />
diskutierte „Rückkehr der Religionen“ geschaffen.<br />
Mit der Trennung von Religion und Kultur wird es<br />
möglich, dass ein Deutscher Muslim oder Buddhist<br />
ist, ein Schwarzafrikaner Mormone, ein Japaner<br />
sich zum evangelikalen Christentum bekehrt oder<br />
ein Engländer Jude wird. In der Folge werden nicht<br />
nur die westlichen Gesellschaften multireligiös, was<br />
die Trennung von Religion und Kultur wiederum<br />
fördert. Gleichzeitig werden religiöse und kulturelle<br />
Marker neu kombiniert, wofür „Mekka-Cola“ oder<br />
„halal McDonald’s“ nur augenfällige Beispiele sind.<br />
Nun weiß natürlich auch Roy, dass Religion und<br />
Kultur auch in früheren Zeiten selten identisch waren.<br />
Das Christentum, der Islam und der Buddhismus<br />
sind gerade jenseits ihrer kulturellen Entstehungskontexte<br />
erfolgreich und ihrerseits kulturbildend<br />
geworden. In prägnanten Abhandlungen zur katholischen<br />
und protestantischen Mission der Neuzeit<br />
zeigt Roy auf, wie im katholischen Missionsdiskurs<br />
seit der Eroberung Lateinamerikas höchst differen-<br />
45
zierte und innerkirchlich nicht selten umstrittene<br />
Deutungen des Verhältnisses von Christentum und<br />
Kultur (Stichwort: Inkulturation) entwickelt wurden,<br />
während der Protestantismus, der erst im 18.<br />
Jahrhundert missionarische Aktivitäten entfaltete,<br />
sich weitgehend indifferent gegenüber dieser Frage<br />
verhält. Leider vernachlässigt er in diesem Kapitel<br />
die bis heute wirksamen Theorien des deutschen<br />
Kulturprotestantismus.<br />
Die gegenwärtig missionarisch höchst erfolgreichen<br />
Religionen wie das evangelikale Christentum,<br />
die Pfingstkirchen oder der salafitische Islam<br />
lehnen hingegen jede Inkulturation als Abfall von<br />
der vermeintlich reinen Ursprungsreligion ab. Ihr<br />
Erfolg beruht Roy zufolge gerade auf ihrer dekontextualisierten<br />
religiösen Botschaft. Was damit<br />
gemeint ist, verdeutlicht die fundamentalistische<br />
Bibellektüre. Ihr Kennzeichen ist nicht, dass die<br />
Bibel wörtlich gelesen wird. Im Unterschied zur<br />
historisch-kritischen Exegese, die den Bibeltext im<br />
Entstehungskontext deutet, und der traditionellen<br />
Exegese, deren Schriftdeutung sich an den Rezeptionskontexten<br />
orientiert, lösen Evangelikale und andere<br />
die Schrift aus allen Kontexten und behaupten<br />
eine Unmittelbarkeit des Lesers zum Text ohne jede<br />
Rücksicht auf dessen sprachliche, historische und<br />
kulturelle Vermittlung. Die radikalste Form dieser<br />
Dekontextualisierung stellen zweifellos die Pfingstkirchen<br />
mit ihrer hohen Wertschätzung der Glossolalie<br />
dar. Ihre „Botschaft“ trennt sich konsequent<br />
von jeder Sprache und Kultur und wird dadurch universal<br />
„verständlich“, in Los Angeles ebenso wie in<br />
Burkina Faso oder Rio de Janeiro.<br />
Olivier Roy hält es deshalb für missverständlich,<br />
von einer „Rückkehr der Religionen“ zu sprechen,<br />
denn erfolgreich sind gegenwärtig nicht etwa die<br />
traditionellen Formen von Religion, sondern jene<br />
neuen religiösen Bewegungen innerhalb wie außer-<br />
46<br />
halb der traditionellen Gemeinschaften, die ganz auf<br />
Erfahrung und Gefühl setzen; Religionen ohne Tradition<br />
und Institution, ohne Theologie und Vernunft.<br />
Für den Siegeszug der „Heiligen Einfalt“ findet Roy<br />
erschreckend viele Beispiele in allen Religionen und<br />
Regionen dieser Welt. Die Lektüre seines kenntnisreichen<br />
Buches ist vor allem Religionslehrerinnen<br />
und Religionslehrern zu empfehlen. Ihre Aufgabe ist<br />
es, der Ausbreitung der frommen Einfalt durch religiöse<br />
Bildung wenigstens Grenzen zu setzen.<br />
Andreas Verhülsdonk
Religionspädagogik<br />
48 Kompetenzorientiert unterrichten. Das<br />
Praxisbuch für den Religionsunterricht // 49<br />
Das hat Sinn. Methodenwerkstatt rund um<br />
die Bibel // 50 Hört Gott uns, wenn wir beten?<br />
Wenn Kinder mehr wissen wollen // 51<br />
Brenn-Punkte. Religionssensible Erziehung<br />
in der Praxis // 52 Literarische Texte im Religionsunterricht.<br />
Ein Handbuch für die Praxis //<br />
Gestatten: Gott! Religion in der Kinder- und<br />
Jugendliteratur der Gegenwart // 54 Oberstufe<br />
Religion Neuausgabe. Jesus Christus<br />
Schülerheft // Lehrerband // 56 Religionsunterricht<br />
als Praxis der Freiheit. Überlegungen<br />
zu einer religionsdidaktisch orientierten Theorie<br />
gläubigen Handelns // 58 Religiöse Differenz<br />
als Chance? Positionen, Kontroversen,<br />
Perspektiven // 59 Auf die Lehrer kommt es<br />
an! Für eine Rückkehr der Pädagogik in die<br />
Schule // 61 Bildung und Religionsunterricht<br />
47
Wolfgang Michalke-Leicht (Hg.)<br />
Kompetenzorientiert unterrichten<br />
Das Praxisbuch für den Religionsunterricht<br />
München: Kösel-Verlag. 2011<br />
240 Seiten<br />
17,99 €<br />
ISBN 978-3-466-37013-9<br />
Das deutsche Bildungswesen befindet sich derzeit<br />
in einem gewaltigen Umbruch – weg von den<br />
Lehrplänen mit ihren primären Vorgaben über unterrichtliche<br />
Inhalte und hin zu den Bildungsstandards.<br />
Zukünftig geht es darum, was Lernende zu<br />
bestimmten Zeitpunkten ihres schulischen Bildungsgangs<br />
können sollen. Diese Schülerleistungen<br />
sind Erwartungen an eine Befähigung und werden<br />
als Kompetenzen bezeichnet. Stand einst noch der<br />
zu vermittelnde Inhalt im Vordergrund, gilt nunmehr<br />
das Augenmerk dem Lernen aus der Sicht des<br />
Schülers. Damit einher geht ein Umdenken in der<br />
Lernkultur. Der Gymnasiallehrer und Mitherausgeber<br />
des kompetenzorientierten Unterrichtswerks<br />
„Mittendrin – Lernlandschaften Religion“ geht in<br />
diesem Buch der Frage nach, was kompetenzorientierter<br />
Unterricht bedeutet und wie dieser in der<br />
Praxis gelingen kann. Dabei unterstreicht er, dass<br />
Kompetenzen an Inhalten erworben werden. Beim<br />
im Buch vorgestellten fachdidaktischen Kompetenzmodell<br />
des katholischen Religionsunterrichts geht<br />
es um die Befähigung von Schülern, religiöse Phänomene<br />
wahrzunehmen, religiöse Texte zu verstehen,<br />
religiöse Sprache zu verstehen und anzuwenden, in<br />
religiösen Fragen begründet zu urteilen, sich über<br />
religiöse Fragen und Überzeugungen zu verständigen,<br />
aus religiöser Motivation zu handeln und letztlich<br />
religiöses Wissen darzustellen. Schließlich geht<br />
es um die Vernetzung von Lernanlässen, Lern- und<br />
Sozialformen und geeignete Methoden, denen ein<br />
selbstorganisiertes als auch begleitendes Lernen<br />
zugrunde liegt. Dabei gilt es, Räume und Möglichkeiten<br />
zu schaffen, die den Lernenden eigene Wege<br />
des Fähigkeitserwerbs ermöglichen, unterstützt<br />
durch eine Kultur der Wertschätzung in Form von<br />
Feedback, Evaluation und einer transparenten Leistungsmessung.<br />
48<br />
In einem umfassenden Praxisteil werden 24 modellhafte<br />
Lernsequenzen für die Sekundarstufen<br />
I und II vorgestellt. Beispielsweise geht es beim<br />
Modell „Heilige Räume – Kirchenerkundung“ der<br />
Jahrgangsstufen 5/6 hinsichtlich des Kompetenzerwerbs<br />
u.a. um die Befähigung zur Wahrnehmung<br />
und Reflexion religiöser Ausdrucksformen in ihrer<br />
ästhetischen Qualität. Das Lernen wird hierbei als<br />
außerschulisches Lernen arrangiert, bei dem das<br />
Kirchengebäude als Lerngegenstand im Mittelpunkt<br />
steht. Der Lernweg (Lernprozess) beginnt mit<br />
Beobachtungsaufträgen, die in Kleingruppen unter<br />
dem Motto „Ich sehe was, was du nicht siehst“ erarbeitet<br />
werden. Als weitere vertiefende Lernoption<br />
könnte sich ein virtueller Rundgang lernförderlich<br />
anbieten. Das Modell „Biblische Motive in der Werbung“<br />
der Jahrgangsstufe 11/12 knüpft an der Lebenswelt<br />
der Lernenden an, indem diese zu Experten<br />
im Umgang mit ihren medialen Welten werden.<br />
Dabei geht es um die Aktualisierung der bibelpropädeutischen<br />
Kenntnisse und die Auseinandersetzung<br />
mit biblischen Bezügen im Hinblick auf die gegenwärtige<br />
Verwendung im Medienzeitalter.
Abschließend bleibt anzumerken, dass dieses<br />
Werk ein Vorreiter in Sachen kompetenzorientierter<br />
Religionsunterricht ist und einen festen Platz im<br />
didaktischen Bücherschuber von Referendaren und<br />
Religionslehrern haben sollte. Dringend anzuschaffen!<br />
Manfred Bauer<br />
Ingrid Penner / Franz Kogler (Hg.)<br />
Das hat Sinn<br />
Methodenwerkstatt rund um die Bibel<br />
Stuttgart: Verlag Kath. Bibelwerk. 2. Aufl. 2010<br />
144 Seiten<br />
14,90 €<br />
ISBN 978-3-460-32580-7<br />
Das ganzheitliche Lernen steht im Mittelpunkt<br />
der Religionsdidaktik, das auch die beiden Autoren<br />
Franz Kogler und Ingrid Penner bei ihrer biblischen<br />
Methodenwerkstatt mit dem Namen „Das hat Sinn“<br />
zugrunde legten. Mit über 40 praxiserprobten Ideen<br />
gelingt es den Leitern des Katholischen Bibelwerkes<br />
Linz, Jugendliche mit allen Sinnen an das Buch der<br />
Bücher heranzuführen. Das handliche Buch schüttet<br />
ein Füllhorn an ansprechenden und gut umsetzbaren<br />
Methoden aus. Das Angebot, das alle Altersgruppen<br />
berücksichtigt, reicht von einer Schreibwerkstatt<br />
über Rollenspiele, Rap-Komposition, Quiz bis hin<br />
zum Bibelfußball. Die ansprechenden und schnell<br />
anwendbaren Methoden machen die Jugendliche<br />
neugierig und animieren zu einer sinnhaften Beschäftigung<br />
mit der Bibel. Es ist das Anliegen der<br />
Autoren, dass sich die Lernenden bewusst und intensiv<br />
mit dem Buch der Bücher auseinandersetzen,<br />
vor allem darin gezielt nachschlagen und sich letztlich<br />
darin zurechtfinden. Im Buch sind alle erforderlichen<br />
Kopiervorlagen bereitgestellt. Der Apostel<br />
Paulus dürfte seine wahre Freude daran haben,<br />
wenn er die in heutiger jugendlicher Sprache verfassten<br />
Briefe an die Gemeinde in Sulzbach am Taunus<br />
lesen könnte. Ein gelungener Weg, Jugendliche<br />
für Gottes Wort zu begeistern.<br />
Manfred Bauer<br />
49
Albert Biesinger / Edeltraud und Ralf Gaus<br />
Hört Gott uns, wenn wir beten?<br />
Wenn Kinder mehr wissen wollen<br />
Freiburg u.a.: Verlag Herder. 2009<br />
96 Seiten, ill.<br />
9,95 €<br />
ISBN 978-3-451-31563-3<br />
Um eine häufig von Kindern gestellte Frage, warum<br />
wir eigentlich beten, beantworten zu können,<br />
muss die Frage nach der Beziehung zwischen Gott<br />
und Mensch vorausgehen. Von was lebt sie, diese<br />
Beziehung? Eine lebendige Beziehung zwischen Gott<br />
und dem Menschen muss gepflegt werden. Der einfachste<br />
Weg, eine Beziehung zu pflegen, ist die Kommunikation,<br />
das Gespräch. Gottesbeziehung lebt<br />
vom Dialog. Beten bedeutet nicht, dass der Betende<br />
einen Monolog hält, sondern gleichsam die Haltung<br />
des Hörens und des Achtsam-Werdens einnimmt.<br />
Beten ist also keineswegs nur eine religiöse Sprachschule,<br />
sondern auch eine Schule der Wahrnehmung.<br />
Im Gespräch mit Gott, welches nicht unbedingt immer<br />
vieler Worte bedarf, kann sich der Betende Gott<br />
mitteilen und zugleich Botschaften empfangen. Die<br />
Thematik der Gottesbeziehung stellt somit den Ausgangspunkt<br />
aller Kinderfragen rund um Gott, den<br />
Glauben und das Beten dar.<br />
Dieser kompakte Ratgeber greift viele dieser Kinderfragen<br />
auf. Oft sind es diese scheinbar einfachen<br />
Fragen der Kinder wie „Muss ich beim Beten die<br />
Hände falten?“ oder „Darf ich Gott alles sagen?“, die<br />
uns Erwachsene nicht selten in Antwortnot bringen.<br />
Sind vielen doch Handlungsformen wie das<br />
Händefalten beim Beten selbstverständlich, wollen<br />
Kinder den Sinn dieser Gebetshaltung genau erforschen,<br />
um sie verstehen zu können. Albert Biesinger,<br />
50<br />
Edeltraud und Ralf Gaus haben sich in diesem Band<br />
solchen Fragen gestellt. Die Beantwortung dieser<br />
Fragen nimmt dabei stets Bezug auf die Lebenswelt<br />
der Kinder. Zudem enthält das Buch viele praktische<br />
Vorschläge für das Beten mit Kindern und das Einüben<br />
von Ritualen. Es kann aber auch Erwachsenen<br />
dazu verhelfen, das Beten für sich neu zu entdecken<br />
und erfahrbar zu machen.<br />
Danijela Kasalo
Martin Lechner / Angelika Gabriel (Hg.)<br />
Brenn-Punkte<br />
Religionssensible Erziehung in der Praxis<br />
München: Don Bosco Medien. 2011<br />
104 Seiten, Farbfotos<br />
14,90 €<br />
ISBN 978-3-7698-1832-1<br />
Der Hintergrund dieser Praxisreflexionen ist das<br />
Forschungsprojekt „Religion in der Jugendhilfe“<br />
(2005-2008), bei dem die „Ausgangssituation religiöser<br />
Erziehung in der (teil-)stationären Jugendhilfe“<br />
empirisch analysiert wurde. Daraus entwickelte<br />
sich eine „sozialräumlich orientierte, religionspädagogische<br />
Handlungstheorie“, konkretisiert in Zielen,<br />
kreativen Methoden und Arbeitsformen.<br />
Religionssensible Erziehung basiert auf der Einsicht,<br />
dass „religiöse Erziehung und Bildung nicht<br />
mehr ausschließlich auf eine Weitergabe des christlich-konfessionellen<br />
Glaubens“ abzielen kann, sondern<br />
„vielmehr als eine pädagogisch initiierte und<br />
begleitete Auseinandersetzung mit dem Gegenstand<br />
Religion – d.h. mit der Welt des Religiösen – konzipiert<br />
werden“ muss. Sie wird daher primär als<br />
ein „Teilgebiet der (Sozial-)Pädagogik verstanden.<br />
Eine religionssensible Erziehung versteht sich u.a.<br />
als ein integrierender Aspekt der allgemeinen Erziehung,<br />
nimmt sensibel und respektvoll religiöse<br />
Biographien, Bedürfnisse und Artikulationen von<br />
Kindern und Jugendlichen wahr und will einen spezifischen<br />
Beitrag zu deren Persönlichkeitsentwicklung<br />
leisten. Sie hat eben verstanden, dass man „Religion<br />
und religiöse Menschen nicht einfach durch<br />
Erziehung „machen“ kann und schützt dadurch auch<br />
die Erzieher/-innen vor einem Leistungsdruck in religiöser<br />
Hinsicht.<br />
Das Konzept setzt also beim subjektiven Glauben<br />
der Jugendlichen an und praktiziert einen differenzierten<br />
Religionsbegriff: Existenzglaube – Transzendenzglaube<br />
– Konfessionsglaube. Diese Weiträumigkeit<br />
ermöglicht es dann, „dass Jugendliche eine sehr<br />
intensive Auseinandersetzung mit „ihrem“ Glauben<br />
zulassen, wenn man die traditionellen Wege der<br />
Glaubensvermittlung verlässt und sich den jungen<br />
Leuten öffnet“. Die vielen in diesem Band dokumentierten<br />
und reich bebilderten Erfahrungsberichte<br />
bezeugen die Fruchtbarkeit dieses Ansatzes, der<br />
eben nicht nur bei den jungen Menschen das Gespräch<br />
über Glaube und Religion wieder salonfähig<br />
zu machen vermag.<br />
Reiner Jungnitsch<br />
51
Georg Langenhorst<br />
Literarische Texte im Religionsunterricht<br />
Ein Handbuch für die Praxis<br />
Freiburg u.a.: Verlag Herder. 2011<br />
295 Seiten<br />
19,95 €<br />
ISBN 987-3-451-31727-9<br />
Georg Langenhorst (Hg.)<br />
Gestatten: Gott!<br />
Religion in der Kinder- und Jugendliteratur<br />
der Gegenwart<br />
München: Verlag Sankt Michaelisbund. 2011<br />
224 Seiten<br />
12,90 €<br />
ISBN 978-3-939905-82-0<br />
Ein zwar zaghaftes, aber durchaus wahrnehmbares<br />
Comeback lässt sich auf dem deutschen Büchermarkt<br />
beobachten: Seit etwa 20 Jahren erscheinen<br />
literarische Werke, die sich aus einer Haltung<br />
„nachkritisch neuer Offenheit“ mit religiösen Fragestellungen<br />
und der Gottesfrage beschäftigen. Das<br />
Anliegen Georg Langenhorsts ist es, diese Werke für<br />
das religiöse Lernen fruchtbar zu machen.<br />
Der mit dem Aufkommen der Korrelationsdidaktik<br />
selbstverständlich gewordene Einsatz von (nicht<br />
nur gut gemeinter katechetischer, sondern) autonomer<br />
Literatur im Religionsunterricht kann durchaus<br />
im Sinne einer Selbstvergewisserung kritisch<br />
hinterfragt werden: Wird nicht die für den Religionsunterricht<br />
wesentliche Differenz zwischen „sakralen“<br />
und „profanen“ Texten eingeebnet? Werden<br />
literarische Texte nicht funktionalisiert und – die<br />
ästhetische Gestalt ignorierend – auf ihre bloße<br />
Aussage reduziert? Sollte ihre Analyse nicht besser<br />
dem Deutschunterricht überlassen werden? Welchen<br />
didaktischen Gewinn verspricht eigentlich<br />
der Einsatz von Literatur im Religionsunterricht?<br />
In seinem „Handbuch für die Praxis“ stellt sich der<br />
Verfasser diesen Anfragen.<br />
52<br />
Sein nachdrücklicher Appell zur Nutzung literarischer<br />
Texte will keinesfalls der Bibel und den Texten<br />
der kirchlichen Tradition ihren Vorrang streitig<br />
machen. Lediglich im didaktisch und methodisch gut<br />
begründeten Einzelfall soll ein literarisches Werk in<br />
den Mittelpunkt des Lernprozesses rücken.
Ein Leser liest ein Buch, weil es ihm Freude macht.<br />
Wenn es zum Gegenstand von Unterricht gemacht<br />
wird, dann wird es stets unter didaktischen Auspizien<br />
traktiert – was gerade für die Textanalyse im<br />
Deutschunterricht gilt! Wenn aber eine Lehrkraft darüber<br />
Rechenschaft gibt, im Kontext des Religionsunterrichts<br />
mit einem literarischen Text unter einer<br />
bestimmten Fragestellung und unter Berücksichtigung<br />
seiner literarischen Form zu arbeiten, wird, so<br />
Langenhorts Überzeugung, der Einwand des Funktionalismus<br />
hinfällig. Und weil sich der Religionsunterricht<br />
nicht zum verlängerten Deutschunterricht<br />
machen sollte, schlägt der Verfasser vor, das Augenmerk<br />
weniger auf die Textanalyse zu legen, sondern<br />
eher handlungs- und produktionsorientierte Methoden<br />
zur „ganzheitlichen“ Erschließung zu nutzen.<br />
Literarische Texte können dann religiöse Lernprozesse<br />
anregen, wenn den in ihnen enthaltenen<br />
Bezügen auf biblische Figuren und Themen oder<br />
auf Texte der religiösen Tradition nachgespürt wird<br />
(Textspiegelung). Damit wird natürlich auch die<br />
Sensibilität für die sprachlichen Ausdrucksmöglichkeiten<br />
geschult (Sprachsensibilisierung). Probeweise<br />
können Schülerinnen und Schüler die Welt<br />
aus der Perspektive fiktiver Personen betrachten<br />
(Erfahrungserweiterung). Auf diese Weise wird die<br />
Vielschichtigkeit von Wirklichkeit erlebbar (Wirklichkeitserschließung)<br />
und die Fähigkeit gefördert,<br />
die vorgegebene Realität neu zu sehen, ja zu transzendieren<br />
(Möglichkeitsandeutung).<br />
Im umfangreichen zweiten Teil seines „Handbuchs“<br />
stellt Langenhorst 30 literarische Texte,<br />
darunter sind 12 Gedichte, überwiegend aus der<br />
deutschsprachigen Literatur, vor; 18 Werke sind<br />
nach dem Jahr 2000 erschienen. Der Verfasser stellt<br />
zunächst die Autorin/den Autor vor; dann wird<br />
der abgedruckte Text(auszug) interpretiert und abschließend<br />
eine Fülle methodischer Anregungen für<br />
den Unterricht gegeben. Nicht ganz überzeugt hat<br />
mich die Einteilung in die sechs Rubriken Biblische<br />
Botschaft, Christlicher Glaube und christliche Weltdeutung,<br />
Christliche Spiritualität, Kirchliches Leben<br />
verstehen, Ethik und Lebensbewältigung sowie Interkulturalität<br />
und Interreligiosität. Hier wäre eine<br />
Orientierung an den sechs Gegenstandsbereichen<br />
der „Kirchlichen Richtlinien zu Bildungsstandards“<br />
(2004) hilfreicher gewesen. Und natürlich kann man<br />
sich darüber streiten, ob das eine oder andere Werk<br />
nicht besser in eine andere Rubrik gepasst hätte. Wer<br />
indes nach neuen und unverbrauchten literarischen<br />
Texten für den Religionsunterricht Ausschau hält –<br />
und nach Tipps für die eigene Lektüre sucht –, der<br />
wird mit dem „Handbuch“ bestens bedient und wird<br />
viele Neuentdeckungen machen!<br />
Dieses Urteil gilt auch für das Nachschlagewerk<br />
„Gestatten: Gott!“, einer von Langenhorst herausgegebenen<br />
Aufsatzsammlung, die den Themen Religion<br />
und Gott im Kinder- und Jugendbuch seit den<br />
1980er Jahren nachspürt und sie an eindrücklichen<br />
Werken exemplifiziert. Grundsätzliche Probleme wie<br />
etwa die einer kindgerechten Darstellung des sich<br />
offenbarenden und entziehenden Gottes in Wort<br />
und Bild werden diskutiert. Dabei fällt auf, dass die<br />
Gottesfrage stets im Zusammenhang von Krisensituationen<br />
zur Sprache kommt und um tragfähige<br />
Lebensorientierungen gerungen wird. Eine eigenartige<br />
Rolle spielt das Judentum auf dem deutschen<br />
Büchermarkt: Es sind nicht-jüdische Autoren, die<br />
einen in der eigenen Religion nicht verwurzelten jüdischen<br />
Protagonisten ihren nicht-jüdischen Lesern<br />
präsentieren; eine selbstverständliche Darstellung<br />
jüdischen Lebens hingegen kommt so gut wie nicht<br />
vor.<br />
Die Literaturwissenschaft, die Religionspädagogik<br />
und die Religionslehrkräfte fordert Langenhorst<br />
dazu auf, sich ernsthaft mit der religiösen<br />
Dimension in Kinder- und Jugendbüchern, selbstverständlich<br />
auch in Büchern für Erwachsene auseinanderzusetzen.<br />
Dazu geben seine beiden Bücher<br />
vorzügliche Anstöße.<br />
Thomas Menges<br />
53
Veit-Jakobus Dieterich / Hartmut Rupp (Hg.)<br />
Oberstufe Religion Neuausgabe. Jesus Christus<br />
Schülerheft<br />
Stuttgart: Calwer Verlag. 2008<br />
80 Seiten, DIN A4 mit 60 farb. Abb.<br />
12,95 €<br />
ISBN 978-3-7668-4043-1<br />
Lehrerband<br />
Stuttgart: Calwer Verlag. 2011<br />
164 Seiten, DIN A4 mit 4 SW-Abb.<br />
17,90 €<br />
ISBN 978-3-7668-4044-8<br />
Die Strukturierung des Jesus-Christus-Bandes ist<br />
originell – folgt sie im Aufbau der „Christologie des<br />
Kirchenjahres“, beginnend mit „Advent“ und endend<br />
mit „Himmelfahrt und Wiederkunft“. Damit wird<br />
die Schwerpunktsetzung der Autoren deutlich – der<br />
ethische Aspekt von Jesu Botschaft wird Jesus, dem<br />
Messias, dem Christus, dem Erlöser nachgeordnet.<br />
Die Autoren wollen, anknüpfend an die Metaphorik<br />
des Johannesevangeliums dessen Christologie ins<br />
Zentrum der Überlegungen rücken. Die Frage „Wer<br />
rettet die Welt?“ ist die Ausgangsleitfrage für alle Kapitel.<br />
Folgerichtig finden sich im Schülerband viele<br />
Kreuzigungsdarstellungen (wie immer in dieser Reihe<br />
in hervorragender Qualität) und weniger Impulse<br />
für den Aspekt der Nachfolge Jesu heute. Legitimiert<br />
wird dieser Ansatz u.a. damit, dass Sehnsucht<br />
nach Erlösung bei Jugendlichen weit verbreitet ist<br />
und daran angesetzt werden soll. Obwohl als Zielsetzung<br />
für jedes Kapitel neben der systematischtheologischen<br />
und historischen Dimension auch die<br />
Lebenswelt der Schüler/-innen benannt wird, findet<br />
letztere nur marginale Umsetzung, zum großen Teil<br />
fehlen in den Anregungen für den Unterricht fast<br />
durchweg Fragen zur eigenen Lebenswirklichkeit<br />
und Anregungen, sich selbst zu positionieren.<br />
Schade ist, dass nirgends auf die Chancen außerschulischer<br />
Lernorte gerade bei diesem Thema hingewiesen<br />
wird. Eine Auseinandersetzung mit Menschen<br />
zu Fragen: Was gibt mir Halt im Leben? Was<br />
54<br />
trägt mich in meinem caritativ-gesellschaftlichen<br />
Handeln? usw. könnte für Jugendliche die Relevanz<br />
dessen, was mit Erlösung und dem „pro me“ für das<br />
eigene Leben gemeint ist, vielleicht greifbarer werden<br />
lassen als das Lesen von Texten. Wobei, das sei<br />
positiv angemerkt, die Auswahl der durchweg anspruchsvollen<br />
literarischen, fachwissenschaftlichen<br />
(teilweise englischen) Texte im Schülerband sehr gelungen<br />
ist.
2008 ist zusammen mit dem Schülerband das<br />
Buch „Vom Kreuz reden im Religionsunterricht“<br />
von Michaela Albrechts erschienen. Auch ihr ist es<br />
wichtig, die christologische Dimension des Kreuzestodes<br />
Jesu stärker in den Unterricht einzubringen.<br />
Allerdings setzt sie bei ihren Überlegungen an den<br />
unterschiedlichen Vorstellungen von Jugendlichen<br />
zum Kreuzestod an, die sie empirisch erhoben hat.<br />
Die Aussagen Jugendlicher führen sie dazu, deren<br />
„Glaubensaussagen“ in drei Bereiche zu unterteilen:<br />
Kreuzestod als Rechtfertigungsgeschehen, Kreuzigung<br />
Jesu als Hoffnungszeichen, Kreuzesgeschehen<br />
als ethischer Impuls. Ihre Folgerungen daraus sind,<br />
dass im Unterricht Deutungsangebote in allen drei<br />
Bereichen gemacht werden sollen, um so die Möglichkeit<br />
zu eröffnen, durch das Beleuchten aller drei<br />
biblisch-theologisch legitimierten Zugänge einen<br />
Nutzen und eine Relevanz zu ziehen. Während im<br />
Lehrerband auf aktuelle Literatur auch aus dem Jahr<br />
2008 im Kapitel „Tod und Auferstehung“ verwiesen<br />
wird, fehlt leider der Hinweis auf Albrecht. Dabei<br />
wird es sicher in allen Kursen sehr unterschiedliche<br />
Zugänge geben. Damit wird den Lesenden nicht die<br />
Möglichkeit gegeben, jenseits des von den Autoren<br />
favorisierten Zugangs weiterzulesen und hier Impulse<br />
für den eigenen Unterricht zu gewinnen.<br />
Während in den anderen Lehrerbänden der Reihe<br />
der Versuch unternommen wurde, die Konzeption<br />
der jeweiligen Themen in den Kontext kompetenzorientierten<br />
Religionsunterrichts zu stellen, wird<br />
dies hier nicht thematisiert und ist auch nicht der<br />
Anspruch. Neben den oben genannten Defiziten können<br />
Lehrer- wie Schülerband aber mit einer Fülle<br />
von Anregungen in Bezug auf Texte und Bilder aufwarten<br />
und den Kauf auf jeden Fall rechtfertigen.<br />
Der Lehrerband bietet interessante theologische<br />
Hintergrundinformationen und Deutungsvorschläge<br />
zu den Bildern. Leider, das sei am Rande angemerkt,<br />
finden sich im Lehrerband viele Druckfehler, über<br />
die man, besonders als Deutschlehrerin, manchmal<br />
den Blick für den Inhalt vergessen kann.<br />
Birgit Menzel<br />
55
Markus Tomberg<br />
Religionsunterricht als Praxis der Freiheit<br />
Überlegungen zu einer religionsdidaktisch<br />
orientierten Theorie gläubigen Handelns<br />
Praktische Theologie in Wissenschaften; Bd. 7<br />
Berlin-New York: De Gruyter. 2010<br />
403 Seiten<br />
99,95 €<br />
ISBN 978-3-11-022197-8<br />
Ist der ständige Weiterbau am imposanten religionspädagogischen<br />
und religionsdidaktischen<br />
Gedankengebäude wirklich erforderlich? Er wäre<br />
dann entbehrlich, wenn Religionsdidaktik nicht als<br />
Hintergrundwissenschaft des Religionsunterrichts<br />
(RU) ständig angefragt wäre: Sie muss auf die didaktischen<br />
Diskussionen aller anderen Schulfächer,<br />
auf die Einführung von Bildungsstandards, auf die<br />
Fundamentalkritik am schulischen Religionsunterricht<br />
reagieren und den Stand des schulischen RU<br />
ständig aufs Neue rechtfertigen. Entbehrlich wäre<br />
der Weiterbau auf der religionspädagogischen und<br />
-didaktischen Baustelle auch dann, wenn dieser Bereich<br />
der Theologie es nicht (wie andere auch) an<br />
entscheidenden Stellen mit einem theologischen<br />
„Rollback“ zu tun hätte, das aus ganz anderen als<br />
den politisch-liberalen Motiven der siebziger Jahre<br />
das Ende und Scheitern des schulischen Religionsunterrichts<br />
proklamiert. Die zweifache Front<br />
des Religionsunterrichts lässt sich vereinfacht so<br />
beschreiben: schul- und bildungspolitisch muss er<br />
seinen guten und konfessionell erkennbaren Ort behaupten,<br />
wo die Gefahr der Vereinnahmung durch<br />
Funktionalisierung aller Bildung im Sinne einer arbeitsmarktorientierten<br />
Schulbildung besteht. Theologisch<br />
muss der RU identifizierbar bleiben als<br />
Sonderfall des Verhältnisses von Glaube und Gesellschaft<br />
(Synodenbeschluss), muss den Glauben<br />
immer wieder als rechenschaftsfähig gegenüber der<br />
(schulischen) Umwelt ausweisen und diese Rechenschaftslegung<br />
als vornehme theologische Aufgabe<br />
in Angriff nehmen.<br />
Genau in diesem Spannungsfeld bewegt sich die<br />
Arbeit von Markus Tomberg, die als Habilitationsschrift<br />
in Münster verfasst wurde. Ganz entschei-<br />
56<br />
dend geht es Tomberg um eine systematisch-theologische<br />
Fundierung der Religionsdidaktik. Tomberg<br />
hat seinen bisherigen theologischen Werdegang<br />
als Systematiker beschritten und steht dem Freiheitsdenken<br />
des Münsteraner Dogmatikers Thomas<br />
Pröpper nahe. Er versucht es für eine Theorie des<br />
christlichen Handelns fruchtbar zu machen und entwickelt<br />
diese Theorie gläubigen Handelns zum Paradigma<br />
des Religionsunterrichts. Dort wo die Dichotomie<br />
von Natur und Gnade religionspädagogisch<br />
wiederbelebt wird (David Bergers Arbeit von 1998<br />
dient Tomberg über weite Strecken als Kontrastfolie),<br />
betont der Vf. konsequent die Lösung dieser Dichotomie<br />
durch den Freiheitsbegriff: „Die Freiheit,<br />
die sich im Glauben als von Gott geliebte und gewollte<br />
erfährt und um ihr Sein-Dürfen weiß, kann<br />
sich weiterhin und aus ihrer theologalen Selbstgewissheit<br />
heraus im Diskurs mit anderer Freiheit<br />
verantworten – wissend um ihre Selbstentzogenheit:
Das Subjekt – Ich – ist kein Ort selbstsüchtiger, gegebenenfalls<br />
auf Kosten anderer agierender Willkür,<br />
sondern Vollzug (Symbol) einer komplexen sozialen<br />
Erfahrung von Freiheit, Fraglichkeit und Bestimmtheit.“<br />
(34) Damit, so Tomberg, liegt eine handlungsorientierte<br />
Reformulierung des Glaubens vor. Diese<br />
eher aus der Fundamentaltheologie abgeleitete religionsdidaktische<br />
Konzeption prüft Tomberg an unterschiedlichen<br />
religionsdidaktischen Konzeptionen;<br />
in der Entwicklung einer Lerntheorie des Glaubens<br />
als einer didaktisch tragfähigen Theorie gläubigen<br />
Handelns greift er wesentliche Impulse aus Lothar<br />
Kulds Newman-Rezeption auf: „Glaube und menschliches<br />
Selbstverständnis“ – so das Ergebnis dieser<br />
Auswertung – „stehen in engem Zusammenhang, und<br />
nur da, wo das Lernen des Glaubens der Grammatik<br />
dieses Selbstverständnisses entspricht, ist es auch<br />
der Glaube, der gelernt wird.“ (82)<br />
Dass an der zentralen Stelle des Glaubens Wert<br />
und Bedeutung der menschlichen Freiheit gelernt<br />
werden, erarbeitet Tomberg entlang des theologischen<br />
Freiheitsdenkens von Thomas Pröpper.<br />
Menschliche und göttliche Freiheit erscheinen aufeinander<br />
verwiesen und nur in dieser Verschränkung<br />
verständlich. Die Freiheit des Glaubens wird<br />
dadurch trennscharf abgrenzbar von einer rein säkular<br />
begründeten Freiheitsidee. Von dieser Konzeption<br />
her ist es verständlich und plausibel, den<br />
Religionsunterricht als „locus theologicus“ auszumachen,<br />
als einen Ort theologischer Erkenntnis und<br />
Entwicklung. Subjekte des Glaubenlernens im Sinne<br />
des Lernens einer Praxis der gläubigen Freiheit sind<br />
beide: Lehrende und Lernende – und sie können in<br />
diesem Prozess nicht auseinanderdividiert werden.<br />
Diese Einsicht ist leitend für die Bewertung der<br />
kirchlichen Äußerungen zum RU und der Praxis des<br />
Religionsunterrichts.<br />
In einem dritten Teil sichtet Tomberg das Panorama<br />
glaubensdidaktischer Entwürfe aus dieser<br />
erarbeiteten Perspektive und legt die Anschlussmöglichkeiten<br />
seines Konzepts dar: Im Panorama<br />
der Entwürfe finden sich Korrelations- und Symboldidaktik<br />
in ihren unterschiedlichen Ausprägungen,<br />
Norbert Mettes Entwurf einer Sprachschule der<br />
Freiheit (hier findet der Vf. eine große Nähe zu seinem<br />
eigenen Konzept) sowie Boschkis Konzept von<br />
Beziehung als Leitbegriff der Religionspädagogik.<br />
Dass sich der Vf. auch kritisch mit Thomas Rusters<br />
Überlegungen zum Religionsunterricht auseinandersetzt,<br />
ist deswegen besonders erwähnenswert, weil<br />
bei Ruster eben die Dichotomie von Natur und Gnade<br />
unter anderen Vorzeichen (Religionsunterricht<br />
als Einführung in die Fremd-Sprache der Schrift)<br />
eine Renaissance erlebt und eine Fundamentalkritik<br />
am kirchlich und schulisch praktizierten RU der<br />
letzten Jahrzehnte ermöglicht.<br />
Der Ansatz Tombergs überzeugt. Er überzeugt<br />
deswegen, weil er theologisch auf hohem Niveau<br />
deutlich macht, welche Konsequenzen theologische<br />
Konzepte, die gerne in der Dogmengeschichte verortet<br />
werden, auf die religionspädagogische und religionsdidaktische<br />
Arbeit im 21. Jahrhundert haben.<br />
Das ist zur Standortbestimmung des RU nicht unerheblich.<br />
Tomberg überzeugt auch deswegen, weil<br />
er dem Religionsunterricht durch das Freiheitsdenken<br />
ein bestechend klares Konzept anbietet. RU geschieht<br />
als Glaubenlernen dort, wo er sicherstellt,<br />
dass Freiheit als geschenkte Freiheit anderer Freiheit<br />
begegnet. Die Gründlichkeit in der Erarbeitung<br />
und der Überprüfung des Konzepts ist beachtlich.<br />
Tomberg bettet seinen Entwurf gut in die religionspädagogische<br />
Landschaft ein, deren Entwürfe sich<br />
in teilweise kleinen dialektischen Schritten entwickelt<br />
haben.<br />
Wenn es in Tombergs Absicht lag, eine Kernfrage<br />
der systematischen Theologie (Natur und Gnade) in<br />
ihrer Tragweite für das christliche Bewährungsfeld<br />
des Religionsunterrichts auszumessen und andererseits<br />
aus der Gestalt des gegenwärtigen Religionsunterrichts<br />
und seinen Erfordernissen heraus einen<br />
Eintrag in die Systematische Theologie hineinzubringen<br />
(Religionsunterricht als „locus theologicus“),<br />
dann ist ihm dieses Vorhaben in hohem Maß<br />
gelungen.<br />
Peter-Felix Ruelius<br />
57
Wolfram Weiße, Hans Martin Gutmann (Hg.)<br />
Religiöse Differenz als Chance?<br />
Positionen, Kontroversen, Perspektiven<br />
Religionen im Dialog; Bd. 3<br />
Münster: Waxmann Verlag. 2010<br />
244 Seiten<br />
24,90 €<br />
ISBN 978-3-8309-2342-8<br />
Wie der Untertitel „Positionen, Kontroversen,<br />
Perspektiven“ unschwer erkennen lässt, wird die<br />
Fragestellung der religiösen Differenz als Chance<br />
aus unterschiedlichster wissenschaftlicher und religiöser<br />
Sicht ins Zentrum des vorliegenden Bands<br />
gestellt, der in der Schriftreihe des Interdisziplinären<br />
Zentrums Weltreligionen im Dialog der Akademie<br />
der Weltreligionen der Universität Hamburg<br />
erschienen ist. Dabei kommen u.a. Autoren wie Peter<br />
L. Berger und Rainer Tetzlaff mit grundlegenden<br />
Aussagen zu Wort. Berger erteilt in einem kurzweilig<br />
zu lesenden Gespräch mit Weiße dem Paradigma der<br />
Säkularisierung eine Absage, betont die religiöse<br />
Pluralisierung in Europa mit der gegebenen Chance<br />
zum Dialog der Religionen, der in Toleranz auch<br />
die Differenzen beinhaltet. Sozialwissenschaftliche<br />
und politikwissenschaftliche Ausführungen finden<br />
eine Konkretisierung in unterschiedlichsten Beiträgen<br />
aus Perspektive der großen Weltreligionen.<br />
So nimmt Monika Kaminska in Bezug auf Franz<br />
Rosenzweig das jüdische Leben der 20er und 30er<br />
Jahre zum Ausgangspunkt ihrer Darlegung. Die islamische<br />
Perspektive vertritt Hamideh Mohagheghi,<br />
die buddhistische Ulrich Dehn.<br />
Aufschlussreiche Überlegungen aus christlicher<br />
Sicht bietet Helga Kuhlmann, indem sie die konfessorische<br />
Identität aus der Innenperspektive der<br />
christlichen Religion präsentiert. Von Taufe und<br />
Glaubensbekenntnis ausgehend beschreibt die<br />
Autorin die christliche Identität als Beginn eines<br />
Neuanfanges dessen, wie sich eine Person selbst<br />
versteht. Konfessorische Identität bedeutet das<br />
Bewusstwerden, dass die Person vom Göttlichen<br />
berührt ist und diesem Göttlichen in ihrem Leben<br />
Raum gibt. Kuhlmann vertritt die These, dass die<br />
Person „das Göttliche nicht unabhängig vom Rah-<br />
58<br />
men einer konfessionellen bzw. religiösen Tradition<br />
deuten kann“. Sie zeigt auf, dass der dem Christentum<br />
immanente Wahrheitsanspruch einer systematisch<br />
theologischen Anerkennung und Solidarität<br />
mit nicht und anders Glaubenden nicht entgegensteht.<br />
„Aus christlicher Perspektive gehören christologische<br />
Exklusivität und universale Inklusivität<br />
auch dann zusammen, wenn wahrgenommen wird,<br />
dass Andere die eigene Wahrheitserkenntnis nicht<br />
teilen können.“ Schlussendlich sieht Kuhlmann in<br />
religiösen Differenzen die Chance, sich sowohl über<br />
das Eigene als auch über das Verbindende und über<br />
das Trennende klar zu werden. Verstehen und Solidarität<br />
werden hier für den Dialog mit den anderen<br />
Religionen zu Schlüsselbegriffen.<br />
Katharina Sauer
Michael Felten<br />
Auf die Lehrer kommt es an!<br />
Für eine Rückkehr der Pädagogik in die Schule<br />
Gütersloh: Gütersloher Verlagshaus. 2. Aufl. 2010<br />
176 Seiten<br />
16,99 €<br />
ISBN 978-3-579-06882-4<br />
Lehren und Lernen müssen verändert werden,<br />
wenn Schule für Lernende zeitgemäß bleiben möchte.<br />
Oder anders gewendet: Schule muss die Zeichen<br />
der Zeit erkennen, um Lernende auf ihre beruflichen<br />
und gesellschaftlichen Aufgaben einschließlich<br />
der an sie gestellten Erwartungen vorbereiten zu<br />
können. Diese von weiten Teilen der bildungspolitischen<br />
Landschaft eingeforderte Veränderung von<br />
Schule wird dabei seit geraumer Zeit mit den Begriffen<br />
„Wandel der Lernkulturen“ oder „Neue Lernkultur“<br />
bezeichnet. Beide Begriffe sollen gleichermaßen<br />
als Kritik und Programm verstanden werden. Kritik,<br />
weil sie davon ausgehen, dass Schule bisher im Zuge<br />
eines permanenten Wissenszuwachses und einer damit<br />
verbundenen immer geringer werdenden Halbwertszeit<br />
von Wissen zu starr und unflexibel auf die<br />
Herausforderungen unserer Zeit reagiert hat, Programm,<br />
weil beide Begriffe für Konzepte stehen, die<br />
didaktisch-methodische Veränderungen auf allen<br />
Ebenen des Erziehungs- und Bildungswesens anstreben.<br />
Die Konzepte einer gewandelten oder neuen<br />
Lernkultur gehen davon aus, dass eigenverantwortliches,<br />
selbst organisiertes und nachhaltiges Lernen<br />
in Schule, Ausbildung und Weiterbildung vorangetrieben<br />
werden müssen, damit Lernende in sich stetig<br />
verändernden Berufs- und Gesellschaftsstrukturen<br />
kompetent agieren und reagieren können.<br />
Der „Wandel der Lernkulturen“ wurde in den<br />
letzten Jahren nicht nur lern- und bildungstheoretisch<br />
durch eine Vielzahl hirnphysiologischer und<br />
konstruktivistischer Erkenntnisse untermauert<br />
und vorangetrieben, sondern auch auf Basis von<br />
Ergebnissen internationaler wissenschaftlicher<br />
Vergleichsuntersuchungen im Bildungsbereich wie<br />
etwa PISA (Programme for International Student<br />
Assessment), TIMSS (Trends in International Mathematics<br />
and Science Study) und IGLU (Internationale<br />
Grundschul-Lese-Untersuchung) – so jedenfalls die<br />
bildungspolitische Administration – empirisch belegt.<br />
Mit der sogenannten Neuen Lernkultur ist auch<br />
die Lehrerrolle unter einer neuen Perspektive zu<br />
betrachten. Der Lehrer ist nicht mehr als eine den<br />
Unterricht leitende und lenkende Person zu denken,<br />
er nimmt vielmehr im Rahmen eines eigenverantwortlichen<br />
und selbst organisierten Lernens die<br />
Rolle eines Lernbegleiters, Moderators oder Lerncoachs<br />
ein. So startet er im besten Fall den Unterricht<br />
mit einem Impuls, worauf der nun weitgehend<br />
von den Lernern (nicht Schülern!) selbst gesteuerte<br />
und handlungsorientierte Unterricht seinen Verlauf<br />
nimmt. Ob nun im Rahmen dieser in erster Linie<br />
lernpsychologisch motivierten Überlegungen nicht<br />
die Pädagogik, historisch und systematisch verstanden<br />
als ein vom Pädagogen planvoll gestaltetes<br />
59
Erziehung- und Bildungsereignis, zu kurz oder gar<br />
nicht mehr vorkommt, damit beschäftigt sich Michael<br />
Felten in seinem Buch „Auf die Lehrer kommt<br />
es an“, ein Plädoyer für die Rückkehr der Pädagogik<br />
in die Schule.<br />
Zu Beginn des Buches räumt Felten mit der Einseitigkeit<br />
wissenschaftlicher Studien auf, die die<br />
Grundlagen für die Überzeugungen des selbst ernannt<br />
modernen, zeitgemäßen Unterrichts bilden.<br />
So etwa, dass nur das gemeinsame Lernen die<br />
Leistungsfähigkeit von Schüler steigere, dass die<br />
Gesamtschule mehr Bildungsgerechtigkeit als das<br />
gegliederte Bildungssystem schaffe, oder dass eine<br />
antihierarchische Struktur im Unterricht die Selbständigkeit<br />
von Schülern eher fördere als ein vom<br />
Lehrer gesteuerter Unterricht. Diesen „alten Zöpfen“<br />
werden von Felten andere empirische Untersuchungen<br />
und Erfahrungen entgegengestellt – übrigens<br />
auch aus den skandinavischen Ländern –,<br />
sodass zentrale Aussagen und Begründungen der<br />
Neuen Kultur ihre Alleinherrschaft verlieren.<br />
Die zentrale Kritik an der Neuen Lernkultur entfaltet<br />
Felten im weiteren Verlauf des Buches. Diese<br />
sieht er in der pädagogischen Deregulierung gegenwärtigen<br />
schulischen Reformierens. Der Lehrer<br />
tritt heute in einer nahezu pädagogischen Fahrlässigkeit<br />
aus dem Unterrichtsgeschehen zurück und<br />
wird durch eine übertriebene Autonomisierung des<br />
Schülers sowie durch eine Nivellierung des pädagogischen<br />
Rangunterschieds zur Randfigur seines<br />
eigenen Unterrichts. Felten möchte mit seiner Veröffentlichung<br />
daher ganz entschieden einen antiantipädagogischen<br />
Akzent setzen und vor den vielen<br />
didaktischen Euphorien der Neuen Lernkultur<br />
warnen. Diesen setzt er eine Wiedererinnerung für<br />
das Pädagogische im Sinne von Führungsfreude und<br />
Einfühlsamkeit entgegen, das im Übrigen auch von<br />
Schülern mittel- und langfristig eingefordert wird.<br />
60<br />
Fehlt eine starke Rückbindung des Unterrichts an<br />
den Lehrer nämlich, so wird dieser zur blassen Figur<br />
seines eigenen Unterrichts. Die Schüler gehen<br />
letztlich orientierungslos selbst gewählte Lernwege,<br />
die sie – logischerweise – erst einmal mit den<br />
geringsten Widerständen versehen. Resultat dieser<br />
begangenen Lernwege ist jedoch nur allzu oft eine<br />
„Ich-kann-alles-Haltung“, die sich mit einem überhöhten<br />
persönlichen und fachlichen Selbstbewusstsein<br />
vereint. Für ein echtes, nachhaltiges Lernen<br />
sind aber gerade Widerstände, Hürden und Anstrengungen<br />
von Nöten, die der Lehrer wohlüberlegt setzen<br />
und verlangen muss. Verantwortliches pädagogisches<br />
Unterrichten bedeutet also – so könnte ein<br />
Resümee aus Feltens Veröffentlichung lauten – die<br />
organisierte Einführung und Weitergabe kultureller<br />
Wissensbestände und Errungenschaften, die der<br />
Lehrer den Schülern auf einem der Sache angemessenen<br />
Niveau zumuten muss, auch wenn es diesen<br />
erst einmal unangenehm ist. Der Lehrer muss derjenige<br />
sein, der eine Lerngruppe mit Strenge, Anstrengung<br />
und Herzlichkeit führt und sich mit einem<br />
pädagogischen Weitblick über die momentane Bedürfnisbefriedigung<br />
der Schüler und eine falsch<br />
verstandene Liberalisierung des Pädagogischen erhebt.<br />
Lehrersein bedeutet die pädagogisch geplante<br />
und wohlüberlegte Belastung und Herausforderung<br />
von Schülern, da nur so ihr wirkliches Potenzial angesprochen<br />
werden kann und ihnen ein Leben unter<br />
ihren Möglichkeiten erspart bleibt.<br />
Thomas Schweikert
Hartmut Rupp / Christoph Th. Scheilke (Hg.)<br />
Bildung und Religionsunterricht<br />
Jahrbuch für kirchliche Bildungsarbeit; Bd. 5<br />
Stuttgart: Calwer Verlag. 2011<br />
290 Seiten<br />
29,90 €<br />
ISBN 978-3-7668-4165-0<br />
An religionspädagogischer Fachliteratur herrscht<br />
wahrlich kein Mangel. Doch nur wenige Publikationen<br />
nehmen die unterschiedlichen Felder kirchlicher<br />
Bildungsarbeit gemeinsam in den Blick. Zu<br />
diesen wenigen gehört der Band von Christoph<br />
Scheilke und Hartmut Rupp, die das Theologisch-<br />
Pädagogischen Zentrum in Stuttgart bzw. das Religionspädagogische<br />
Institut in Karlsruhe leiten.<br />
Beide Einrichtungen werden von den evangelischen<br />
Landeskirchen in Württemberg und Baden getragen.<br />
Entsprechend reflektieren die Autoren die Bildungsarbeit<br />
der evangelischen Kirche, und zwar konfessionsbewusst,<br />
kirchenverbunden und auf hohem Niveau.<br />
Wie der Titel schon vermuten lässt, sind die<br />
meisten Beiträge dem Religionsunterricht in der<br />
Schule gewidmet. Doch auch die Religionslehrerbildung,<br />
die Schulpastoral, die kirchliche Jugendarbeit<br />
und die Gemeindepädagogik werden in eigenen Artikeln<br />
bedacht. Zudem befassen sich zwei Aufsätze<br />
mit dem Religionsunterricht an Berufsbilden Schulen.<br />
Das ist positiv hervorzuheben, da zwar je nach<br />
Region 60 bis 70 % der Jugendlichen und jungen Erwachsenen<br />
eine Berufsschule besuchen. Dieses Faktum<br />
spiegelt sich jedoch kaum in der religionspädagogischen<br />
Forschung. Um so erfreulicher ist es, dass<br />
auf Anregung und mit Förderung der beiden badenwürttembergischen<br />
Landeskirchen an der Universität<br />
Tübingen ein Evangelisches Institut für berufsorientierte<br />
Berufspädagogik (EIBOR) eingerichtet<br />
werden konnte, das eng mit dem schon länger bestehenden<br />
Katholischen Institut für berufsorientierte<br />
Religionspädagogik (KIBOR) kooperiert. Ein Artikel<br />
im Jahrbuch stammt denn auch aus der Feder der<br />
Mitarbeiter des EIBOR.<br />
In seinem Grundsatzbeitrag entwirft der Marburger<br />
Religionspädagoge Bernhard Dressler einen<br />
bildungstheoretischen Rahmen des Religionsunterrichts<br />
in enger Anlehnung an die vier Modi der Weltbegegnung,<br />
die der ehemalige Chef des deutschen<br />
PISA-Konsortiums Jürgen Baumert prominent in die<br />
Diskussion eingebracht hatte. Für Baumert gehören<br />
die Fragen des Ultimaten, also die Fragen nach dem<br />
Woher, Wohin und Wozu des menschlichen Lebens,<br />
ebenso zum Schulcurriculum wie der mathematischnaturwissenschaftliche,<br />
der sprachlich-ästhetische<br />
und der normativ-evaluative Weltzugang. Profilbildend<br />
für den Religionsunterricht sind daher nicht<br />
Wertfragen, sondern Sinnfragen, näherhin die Frage<br />
nach Gott. Die Aufgabe des Religionsunterrichts ist<br />
eine doppelte. Er führt in einen bestimmten religiösen<br />
Weltzugang ein und setzt diesen Weltzugang in<br />
Beziehung zu den anderen drei Weltzugängen. Das<br />
61
hört sich sehr theoretisch an, ist aber von hoher<br />
praktischer Relevanz. Nur wer die unterschiedlichen<br />
Handlungslogiken in Politik, Wirtschaft, Recht, Wissenschaft<br />
und Kirche kennt und sie in einen sinnvollen<br />
Bezug zueinander setzen kann, wird der normativen<br />
Kraft des Faktischen widerstehen und sich<br />
als Autor seines Lebens behaupten können.<br />
Ein Religionsunterricht, der in einen bestimmten<br />
religiösen Weltzugang einführt, ist ein konfessioneller<br />
Religionsunterricht, für den Christoph Th.<br />
Scheilke in seinem Beitrag eine Lanze bricht. Auffallend<br />
ist jedoch, dass weder er noch die anderen Autoren<br />
auf die in Baden-Württemberg weit verbreitete<br />
und von den Kirchen unterstützte konfessionelle Kooperation<br />
im Religionsunterricht eingehen. Das ist<br />
bedauerlich. Denn wer könnte erfahrungsgesättigter<br />
über die Chancen und Grenzen eines konfessionellkooperativen<br />
Religionsunterrichts reflektieren als<br />
die Religionspädagogen in Baden-Württemberg?<br />
62<br />
Besondere Beachtung verdient schließlich der<br />
Beitrag von Karl Ernst Nipkow, dem Nestor der<br />
evangelischen Religionspädagogik und langjährigen<br />
Vorsitzenden der Bildungskammer der EKD. Nipkow<br />
zeichnet kenntnisreich und urteilssicher die Entwicklung<br />
der Gemeindepädagogik der letzten Jahrzehnte<br />
nach. Das ist für einen katholischen Leser<br />
von besonderem Interesse. Während sich in der Religionspädagogik<br />
in den vergangenen Jahrzehnten<br />
eine enge und fruchtbare Kooperation beider Konfessionen<br />
etabliert hat, bleiben die Vertreter der Katechese<br />
bzw. der Gemeindepädagogik meist unter<br />
sich. Dabei hätten sie, wie der Beitrag von Nipkow<br />
zeigt, einander viel zu sagen. Dass es gegenwärtig<br />
nicht nur eine Tradierungskrise, sondern auch eine<br />
Krise des Tradierten gibt, dürfte im katholischen<br />
Raum ebenso spürbar sein. Auch die Frage, wie katechetische<br />
Inhaltslosigkeit ebenso vermieden werden<br />
kann wie die hermetische Sprachwelt der Kerngemeinden,<br />
wie also die Offenheit der Glaubenskommunikation<br />
mit konfessionellem Profil verbunden<br />
werden kann, bewegt beide Kirchen. Gute Gründe<br />
also, den Blick über den katholischen Zaun in den<br />
evangelischen Nachbargarten zu werden.<br />
Andreas Verhülsdonk
Theologie<br />
64 Heil erfahren in den Sakramenten //<br />
66 Glauben macht den Unterschied. Das<br />
Credo // 67 Wie kann Gott in der Welt wirken?<br />
Überlegungen zu einer theologischen<br />
Hermeneutik des Sich-Gebens<br />
63
Helmut Hoping / Benedikt Kranemann u.a. (Hg.)<br />
Heil erfahren in den Sakramenten<br />
Theologische Module 9<br />
Freiburg u.a.: Verlag Herder. 2009<br />
206 Seiten<br />
17,95 €<br />
ISBN 978-3-451-30139-1<br />
Die Feier der Sakramente ist längst nicht mehr<br />
für alle Christen selbstverständlich. Von dieser<br />
Beobachtung ausgehend erschließen die Autoren<br />
dieses Sammelbandes, Dogmatiker, Liturgiewissenschaftler<br />
und Religionspädagogen, dem Leser nach<br />
der Art eines Lehrbuches den Sinn der Sakramente.<br />
Stefan Wahle trägt in dem Einleitungsbeitrag<br />
„Grundlegung einer Theologie der Sakramentenfeiern“<br />
überzeugend das Anliegen vor, die Lehre von<br />
den Sakramenten nicht von vornherein in der Dogmatik<br />
zu verankern, sondern als theologische Reflexion<br />
auf die Praxis der Sakramentenfeier zu betreiben.<br />
Der Leser wird Schritt für Schritt hingeführt zu<br />
dem, was Sakramente sind, was sie mit anderen lebensweltlichen<br />
Ritualen verbindet und was sie von<br />
diesen abgrenzt. Auf die biblische Fundierung folgt<br />
ein Überblick über die Entwicklung des Sakramentenverständnisses<br />
durch die Tradition. Auch die reformatorische<br />
Kritik erhält darin Raum. Ausgehend<br />
vom aktuellen Stand der Forschung eröffnet Wahle<br />
dann folgenden Zugang: Indem der Glaubende sich<br />
mit seiner ganzen Person in den Segen Gottes hineinstellt,<br />
begegnet er Gott, wird verwandelt und selbst<br />
zum Segen. Die Sakramente begleiten den Menschen<br />
auf seinem Lebensweg und führen ihn immer wieder<br />
in die Erfahrbarkeit des göttlichen Für-uns-Seins hinein.<br />
Diese Überlegungen werden zugleich anschaulich<br />
durch präzise Erläuterungen des liturgischen<br />
Aufbaus konkreter Sakramentenfeiern.<br />
Auf diesen grundlegenden Beitrag folgen Beiträge<br />
zu den Einzelsakramenten Taufe und Eucharistie.<br />
Benedikt Kranemann erläutert die Taufe als „Sakrament<br />
des Christwerdens wie des Christseins.“ Taufe<br />
ist damit als ein offener dialogischer Prozess verstanden,<br />
der „von Gott her für den Menschen eine<br />
neue Wirklichkeit“ erschafft, aus der er leben kann.<br />
64<br />
Auch dieser Beitrag gibt einen Überblick über<br />
wichtige Weichenstellungen der Tradition, die stets<br />
an den konkreten Gestalten der verschiedenen<br />
Taufliturgien deutlich gemacht werden – von der<br />
Spätantike (enge Zusammengehörigkeit der drei Initiationssakramente:<br />
Wassertaufe, Salbung, Eucharistie)<br />
über das Mittelalter (Auseinanderfallen der<br />
Einzelsakramente, Individualisierung), die unterschiedliche<br />
Entwicklung in der Ost- und Westkirche,<br />
das reformatorische Verständnis bis hin zu den ökumenischen<br />
Neuentwicklungen des 20. Jahrhunderts<br />
(Taufe als Grundgemeinsamkeit der christlichen<br />
Kirchen).<br />
Helmut Hoping profiliert die Eucharistie als „signum<br />
maxime caritatis“: Jesus gab dem Herumreichen<br />
von Wein und dem Brotbrechen als Ausdruck<br />
seiner Liebe bis zum Äußersten eine neue Bedeutung,<br />
die für die Identität der Kirche konstitutiv sei. Auf<br />
diese biblische Fundierung folgt eine Erläuterung<br />
der weiteren Entwicklung vom Herrenmahl des Urchristentums<br />
über die Eucharistie als Darbringung
in Patristik und Mittelalter und deren Deutung als<br />
Transsubstantiation in der Scholastik, die schließlich<br />
zur Reformation und zu Trient führte, bis hin<br />
zur Liturgiereform des II. Vatikanums (Eucharistie<br />
als „Sakrament der Verwandlung“). Auch der tridentischen<br />
Messopferfeier ist ein ausführlicher Passus<br />
gewidmet.<br />
Der abschließende Beitrag von Norbert Weidinger<br />
nimmt die Problematik der praktischen Vermittlung<br />
sakramentaler Zeichen in Religionsunterricht und<br />
Gemeinden in den Blick. Angesichts einer Zeit des<br />
zunehmenden Pluralismus, in dem die Sakramente<br />
Gefahr laufen, nur noch als dekoratives Element<br />
des Glaubens verstanden zu werden, komme es darauf<br />
an, dass „sakramentale Symbol-Zeichen“ im<br />
Unterschied zu anderen Symbolen, Zeichen oder Metaphern<br />
den Menschen mit der Wahrheitsfrage konfrontieren<br />
und ihn zu existentieller Stellungnahme<br />
herausfordern.<br />
Das Buch ist als neunter Band der Reihe „Theologische<br />
Module“ im Herderverlag erschienen. Es<br />
bietet dem Theologiestudierenden und theologisch<br />
Interessierten eine fundierte, durchgängig gut verständliche<br />
Übersicht über den Sinn der Sakramente<br />
in einer manchmal mehr, manchmal weniger kritischen<br />
Vermittlung der Tradition mit der Gegenwart.<br />
Zitate, Zusammenfassungen und Tabellen sind<br />
im Schriftbild hervorgehoben und erleichtern die<br />
Orientierung.<br />
Christine Büchner<br />
65
Thomas Ruster<br />
Glauben macht den Unterschied. Das Credo<br />
München: Kösel-Verlag. 2010<br />
224 Seiten<br />
17,95 €<br />
ISBN 978-3-466-36891-4<br />
Sind gute Christen jene bahnfahrenden Veganer,<br />
die sich mit alternativen Währungen (zinslos!) bei<br />
„Attac“ für eine Politik des rechten Maßes einsetzen<br />
und gegen Massentierhaltung, genverseuchtes Gemüse,<br />
Stuttgart 21 und Hedgefonds demonstrieren<br />
– wissend, dass sie dabei Gott und ihrem Nächsten<br />
die Ehre erweisen? Man könnte schon auf diese Idee<br />
kommen, wenn Thomas Ruster das Apostolicum als<br />
Gegenentwurf zur „gegenwärtigen kapitalistischen<br />
Lebensform“ vorstellt.<br />
Seit seinem Diskussionsbeitrag „Die Welt verstehen<br />
gemäß den Schriften“ (2000), der die Debatte<br />
um Korrelationsdidaktik und Elementarisierung<br />
angeheizt und die Religionspädagogik über Monate<br />
beschäftigt hat, ist klar, dass man den Thesen des<br />
Dortmunder Systematikers zwar nicht unbedingt<br />
zustimmen muss, aber nicht umhin kann, ihm ein<br />
gewisses seismographisches Gespür für die brennenden<br />
Themen zu attestieren. Ähnlich verhält es<br />
sich mit seinem Buch zum Glaubensbekenntnis, das<br />
in der Spur von „Der verwechselbare Gott“ steht und<br />
mit der Grundannahme, dass Götter als die alles<br />
bestimmende Wirklichkeit (heute in Form des Kapitalismus)<br />
nicht mehr in eine vernünftige Beziehung<br />
zu Gott gesetzt werden können, den scheinbar „alten<br />
Hut“ Glaubensbekenntnis unversehens zu einem<br />
heißen Eisen macht.<br />
Dabei geht es mitunter ordentlich provokativ zur<br />
Sache: Auferstehung als Auswärtssieg gegen den<br />
Teufel, Krankensalbung als „Teufelsbetrug“, Autoverkehr<br />
als Form der Erbsünde, Fast Food als Sinnbild<br />
für den Turmbau zu Babel, Jesus als Opfer des<br />
Turbokapitalismus seiner Zeit und die Vermutung,<br />
Christen könnten heute nicht mehr guten Gewissens<br />
als Naturwissenschaftler tätig werden … Mancher<br />
Leser wird sich die Augen reiben und fragen,<br />
„meint der das ernst?“ Ja, offenbar, denn nach der<br />
66<br />
Selbstauskunft im Vorwort hat Ruster es „mit der<br />
nötigen Portion Unbeirrbarkeit“ unternommen, den<br />
christlichen Glauben in einem Zuge darzustellen.<br />
Und so präsentiert sich das Buch auch: Als Zeugnis<br />
entlang der Artikel des Apostolischen Glaubensbekenntnisses,<br />
das durch provokative Auslegungen<br />
und theologische Lektüren unterhält, wachhält und<br />
dabei immer wieder zu Nachfrage und Widerspruch<br />
reizt. Ob das Gerüst auch nach dem Abtragen der<br />
teils plakativen Ansätze trägt, wäre zu diskutieren:<br />
Sowohl die mitunter etwas naive Bibelhermeneutik<br />
(beispielsweise bei den Wundern und Speisevorschriften)<br />
als auch die Frage nach dem Verhältnis<br />
von Glauben und Vernunft (ausgeführt als Angriff<br />
auf die Unvernunft derer, die sich nicht der Realität<br />
der göttlichen Existenz stellen) rufen geradezu<br />
nach einer vertieften Auseinandersetzung. Im Idealfall<br />
wird ein Oberstufenkurs das leisten können<br />
und wäre dann gut gerüstet für eine Diskussion der<br />
Grundthese des Buches: „Das Glaubensbekenntnis<br />
will dazu anleiten zu glauben, was wirklich ist“<br />
(218).<br />
Sandra Hübenthal
Christine Büchner<br />
Wie kann Gott in der Welt wirken?<br />
Überlegungen zu einer theologischen<br />
Hermeneutik des Sich-Gebens<br />
Freiburg u. a.: Verlag Herder. 2010<br />
440 Seiten<br />
38,00 €<br />
ISBN 978-3-451-32283-9<br />
Wer an den Gott der biblischen Tradition glaubt,<br />
glaubt auch an ein Wirken dieses Gottes in der Geschichte<br />
– sowohl in den biblischen Zeiten als auch<br />
darüber hinaus. In Verbindung mit dem Untertitel<br />
deutet die im Titel gestellte Frage daraufhin, dass<br />
es im vorliegenden Buch darum geht, dieses Wirken<br />
unter einem ganz spezifischen Zugang verstehen zu<br />
wollen: Indem Gottes Präsenz in der Welt unter der<br />
Rücksicht des Sich-Gebens begriffen wird, hat man<br />
eine Erklärung zur Hand, wie der Gott der biblischen<br />
Tradition in der Welt wirken kann. Die vorgelegte<br />
Untersuchung erhebt damit einen Erklärungs- bzw.<br />
einen Begründungsanspruch für die Rede des Wirkens<br />
Gottes in der Welt, insofern eine Kategorie angeboten<br />
wird, durch die dieses Wirken begrifflich<br />
gefasst werden kann.<br />
Diese These entfaltet die Autorin in folgenden<br />
Schritten: Zunächst wird dem entsprechenden begründungstheoretischen<br />
Grundanliegen in der Einführung<br />
vor allem dadurch Ausdruck verliehen, dass<br />
zwischen dem Wirken und dem Handeln Gottes unterschieden<br />
wird; während der Begriff des Handelns<br />
ein Subjekt mit einem Objektbezug voraussetzt, der<br />
zudem am Menschen abgelesen ist, bietet der Begriff<br />
des Wirkens für die Autorin im Blick auf Gott<br />
den Vorteil, erstens uneindeutiger zu sein und zweitens<br />
sein Wirken in der Natur und in der Geschichte<br />
des Menschen besser zum Ausdruck bringen zu können.<br />
Nachdem der Gegenstand der Untersuchung<br />
definitorisch gefasst ist, wird in einem zweiten Kapitel<br />
die Kategorie vorgestellt, mit der dieser Gegenstand,<br />
das Wirken Gottes, begriffen werden soll:<br />
das Sich-Geben. Entscheidend ist hierbei die inhaltliche<br />
Bestimmung des Sich-Gebens, die im phänomenologischen<br />
Anschluss an J.-L. Marion zugleich<br />
eine ontologische Bedeutung hat: Die Gabe des Ge-<br />
gebenseins (1) ist eine Gabe (2), die zugleich so ein<br />
Sich-Hingeben (3) einschließt, dass die Wirklichkeit<br />
überhaupt unter diesen Aspekten begriffen wird;<br />
d.h. die Wirklichkeit überhaupt ist nicht anders als<br />
unter der Rücksicht zu begreifen, dass etwas als<br />
Gabe nur im Sich-Geben überhaupt existiert. Im folgenden<br />
dritten Kapitel wird Gottes Wirken „in der<br />
Pluralität der biblischen Zeugnisse untersucht“, die<br />
zugleich nach dem Grundansatz der Untersuchung<br />
(über den Titel dieses Kapitels im Sinne der bloßen<br />
Schriftinspiration hinaus) als Zeugnisse seines Wirkens<br />
als Sich-Geben begriffen werden. Das anschließende<br />
vierte Kapitel reflektiert das Wirken Gottes<br />
anhand ausgewählter Autoren aus der christlichen<br />
Tradition, die Gottes Wirken in der Welt im Rahmen<br />
ihrer jeweiligen theologischen Entwürfe zu begreifen<br />
suchen (Thomas von Aquin, Johannes Duns<br />
Scotus, Meister Eckhart und Teresa von Avila). Die<br />
Auslegung oder Übersetzung – wie man den Begriff<br />
der Hermeneutik im Untertitel unprätentiös wieder-<br />
67
geben kann – des Sich-Gebens in seiner Bedeutung<br />
für die Theologie wird von der Autorin im Blick auf<br />
gegenwärtige systematische Entwürfe der Theologie<br />
in einem fünften Kapitel untersucht, bevor ein<br />
sechstes Kapitel das Buch inhaltlich mit einem Resümee<br />
und Ausblick abschließt.<br />
Für das entscheidende Anliegen des vorliegenden<br />
Buches muss dabei festgehalten werden, dass die<br />
Denkmöglichkeit des Wirkens Gottes in der Welt<br />
aufgrund der real-materialen Erfahrung von Sich-<br />
Geben als (ontologischer) Wirklichkeitskategorie<br />
erstens grundsätzlich festgehalten und zweitens im<br />
Blick auf theologische Gehalte hin dekliniert werden<br />
kann bzw. muss, so dass eben mit dem Sich-<br />
Geben ein „hermeneutischer Schlüssel“ zum Wirken<br />
Gottes in der Welt gegeben ist. Das erste grundsätzliche<br />
Anliegen ist dadurch eingelöst, dass jedes<br />
Wirkliche als Erscheinendes gedacht wird, das sich<br />
(1) als Gabe (2) gibt (3). Indem mit dem Gegebensein<br />
des Etwas in der Erscheinung als Gabe damit aber<br />
zugleich ein Unterschied zwischen dem Etwas und<br />
seinem Gegebensein als Gabe festgehalten wird,<br />
ist eine (ontologische) Differenz aufgemacht, die<br />
theologisch für das Verhältnis von Gott (in seiner<br />
Differenz zur bzw. in seiner Funktion für die) Welt<br />
nutzbar gemacht werden kann. Durch diese grundsätzliche<br />
ontologische Differenz kann aber nicht nur<br />
das Gott-Welt-Verhältnis mittels der Kategorie des<br />
Sich-Gebens beschrieben werden, es können darüber<br />
hinaus (zweitens) noch weitere zentrale theologische<br />
Inhalte erklärt werden: Als Geber ist Gott in<br />
68<br />
seiner „Pro-präsenz“ der Geber der Gabe der Schöpfung,<br />
die so von ihm her gedacht werden kann. Gott<br />
ist als Geber der Gabe der Schöpfung zugleich in Jesus<br />
Christus aber selbst das Höchstmaß an Gabe,<br />
insofern er selbst sich als Liebe hingibt. In der gläubigen<br />
Annahme wird Gott vom Glaubenden in seinem<br />
Wirken als Gabe nicht nur der Schöpfung, sondern<br />
auch der Erlösung angenommen, insofern Gott<br />
selbst diese Annahme wirkt, indem der Hl. Geist<br />
mir innerlicher ist als ich mir selbst, wie Augustinus<br />
sagt. In dieser Form verbinden sich für die Autorin<br />
mit der ontologischen Theorie der Gabe nicht<br />
nur weitere theologische Inhalte des christlichen<br />
Glaubens, die Theorie der Gabe wird darüber hinaus<br />
auch zu der theologischen Basistheorie zum Begreifen<br />
des zentralen Inhalts der christlichen Theologie:<br />
der Trinität. Wie der Sohn die Gabe des Vaters an die<br />
Welt ist, so ist der Hl. Geist die Gabe des Vaters und<br />
des Sohnes an diejenigen, die an den Vater und den<br />
Sohn glauben und die mit dem Vater und dem Sohn<br />
damit eins sind.<br />
Auch wenn man mit der Autorin glaubt, jedes Einzelmoment<br />
oder jedes Individuum mit jener universalen<br />
(ontologischen) Theorie der Gabe erklärt zu<br />
haben und dabei die Theodizeefrage unbeantwortet<br />
bleibt, so bleibt jene Erklärung nach eigenem Eingeständnis<br />
eine analoge Theorie, weil die Trennung<br />
von Bezeichnetem und Bezeichnung für die Theorie<br />
konstitutiv ist. Ob damit dann aber der eigene hochgesteckte<br />
Begründungsanspruch eingelöst wird,<br />
scheint fraglich zu sein.<br />
Günter Kruck
Andere Religionen /<br />
Weltanschauungen<br />
70 Schöpfungsmythen // 71 Die kleinen Re-<br />
ligionen Europas. Woher sie kommen und<br />
welchen Einfluss sie haben // 73 Scientology.<br />
Wissen, was stimmt // 74 Religionen der<br />
Gegenwart // 75 Tora, Sabbat und Schalom.<br />
Alltag und Tradition im Judentum // 76 Der<br />
Koran // 80 Vampire. Mons-ter – Mythos –<br />
Medienstar // 82 „Nahe ist dir das Wort …“<br />
Schriftauslegung in Chris-tentum und Islam<br />
69
Monika und Udo Tworuschka<br />
Schöpfungsmythen<br />
Darmstadt: Primus Verlag. 2011<br />
100 Seiten<br />
14,95 €<br />
ISBN 978-3-89678-736-1<br />
Die Frage, wann und wie unsere Welt und mit ihr<br />
die Menschheit entstanden ist, beschäftigt die Menschen<br />
seit Anbeginn der Zeiten. Und so verwundert<br />
es auch nicht, dass in vielen Kulturen und Gegenden<br />
bereits vor langer Zeit eine Vielzahl von Schöpfungsmythen<br />
entstanden sind. Zusammen mit den Autoren<br />
des Buches können sich die Leserinnen und<br />
Leser nun auf eine Reise begeben, um verschiedene<br />
Schöpfungsmythen in ihren Überlieferungen kennenzulernen<br />
und nachzuspüren.<br />
Die Religionswissenschaftler Udo Tworuschka<br />
(Professor an der Friedrich-Schiller-Universität<br />
Jena) und seine Frau Monika Tworuschka versuchen<br />
mit diesem Text- und Bildband das Thema „Schöpfungsmythen“<br />
so aufzubereiten, dass es auch für<br />
Nicht-Fachleute verständlich und nachvollziehbar<br />
ist. Dabei bedienen sie sich der Herangehensweise<br />
der vergleichenden Religionswissenschaft. Die Autoren<br />
sehen in den Mythen zunächst Antworten der<br />
Menschen auf die Frage nach dem Ursprung ihrer<br />
Welt. Dabei sind diese „in Bezug auf klimatische<br />
Verhältnisse und natürliche Gegebenheiten entstanden,<br />
was bei den Völkern mitunter zu sehr unterschiedlichen<br />
Vorstellungen“ von der Entstehung der<br />
Welt geführt hat. Trotz dieser Unterschiede lassen<br />
sich in den Schöpfungsmythen dennoch zahlreiche<br />
Gemeinsamkeiten, vor allem hinsichtlich einzelner<br />
Schöpfungsmotive und eines gewissen Gesamtzusammenhangs,<br />
wiederfinden.<br />
70<br />
Die Gliederung der Schöpfungsmythen orientiert<br />
sich zunächst an den Kulturräumen ihrer Entstehung.<br />
So stellen die Autoren des Buches folgende,<br />
z.T. sehr divergierende Mythen von der Erschaffung<br />
der Welt vor: Aus Ägypten, dem Vorderen Orient,<br />
dem Iran und Indien, aus Germanien und Nordeuropa,<br />
Griechenland und Rom, China und Japan, Nord-,<br />
Mittel- und Südamerika, Polynesien, Ozeanien und<br />
Australien sowie schließlich aus Afrika. Anhand<br />
dieser Vielzahl an Kulturkreisen und der damit<br />
verbundenen Darstellung recht unterschiedlicher<br />
Schöpfungsmythen wird deutlich, dass hier keine<br />
ausführliche und vollständige Bearbeitung des<br />
Themas erfolgen kann. Im Zentrum der Darbietung<br />
steht vielmehr das Aufzeigen des Entwicklungsprozesses<br />
der unterschiedlichen Vorstellungen und der<br />
Bedeutung der verschiedenen Gottheiten, denen der<br />
Akt der Schöpfung – sei es durch Zeugung oder Gebären,<br />
Tanz oder Wort, Ekstase oder Askese, Gestaltung<br />
und Formen von unterschiedlichen Materien
oder aber durch Trennen und Teilen – zugeschrieben<br />
wird. Trotz der gerafften und teilweise sehr konzentrierten<br />
Darstellungsweise gelingt es den Autoren,<br />
durch die gezielte Einbindung von kleineren Auszügen<br />
in Übersetzung aus den jeweiligen Schöpfungstexten<br />
und den zahlreichen farbigen historischen<br />
Abbildungen und Fotos recht anschauliche<br />
Einblicke in die für heutige Leserinnen und Leser<br />
gewiss fremdartig anmutenden Vorstellungen und<br />
Kulturen zu geben.<br />
Das letzte Kapitel des Buches beinhaltet eine kurze<br />
„Geschichte“ der Mythenforschung und reflektiert<br />
dabei insbesondere über Merkmale und Deutungen<br />
des Mythos im Allgemeinen. Monika und Udo Tworuschka<br />
zeigen hier auf, wie ein Blick auf den Mythos<br />
im Wandel der Zeit zu einem besseren Verständnis<br />
religiöser Rituale und verschiedener anthropologischer<br />
Betrachtungsweisen führen kann. Zu guter<br />
Letzt lässt sich konstatieren, dass das vorliegende<br />
Buch überaus empfehlenswert für all diejenigen ist,<br />
die sich – sei es aus beruflichen oder privaten Gründen<br />
– für die Schöpfungsmythen verschiedenster<br />
Kulturen interessieren und gerne einen weitreichenden<br />
Überblick erwerben möchten.<br />
Annett Giercke-Ungermann<br />
Manfred Böckl<br />
Die kleinen Religionen Europas<br />
Woher sie kommen und welchen Einfluss<br />
sie haben<br />
Ostfildern: Patmos Verlag. 2011<br />
168 Seiten<br />
17,90 €<br />
ISBN 978-3-8436-0000-2<br />
"Heute ist Europa ein Kontinent, wo die religiöse<br />
Freiheit ähnlich wie einst in der toleranten Antike<br />
selbstverständlich ist. Gewisse Einschränkungen<br />
gibt es allerdings weiterhin. Die Großkirchen betrachten<br />
die kleinen Glaubensgemeinschaften oft mit<br />
Argwohn, was in Deutschland unter anderem durch<br />
die Existenz der katholischen und evangelischen<br />
Sektenbeauftragten deutlich wird, die Andersdenkende<br />
zu überwachen versuchen." Manfred Böckl<br />
beginnt sein Buch "Die kleinen Religionen Europas.<br />
Woher sie kommen und welchen Einfluss sie haben"<br />
gleich mit einem Paukenschlag. Gleichzeitig lässt er<br />
die Leserinnen und Leser seines Buches nicht über<br />
die Grundstimmung im Unklaren: Die sog. kleinen<br />
Religionen können durch ihre jüdisch-islamischchristlichen<br />
Wurzeln und Überschneidungen gerade<br />
für die Ökumene und den Dialog hilfreich sein,<br />
71
weil sie nicht die Institution vertreten, sondern in<br />
der Regel spirituelle Wege, sich auf die Wurzeln der<br />
verfassten Religionsgemeinschaften beziehen und<br />
im guten Sinne konservativ sind, auch und gerade<br />
weil sie von vielen Menschen heute neu entdeckt<br />
werden. Waldenser, Altkatholiken, Bahai, Aleviten<br />
oder Wicca mit vorchristlichen Wurzeln sieht er<br />
als Gegenentwurf zu einer Glaubenspraxis, die als<br />
verkrustet und verhierarchisiert wahrgenommen<br />
wurde und wird. Sie sind für ihn „Suche nach einem<br />
spirituellen Weg abseits der großen etablierten Religionen“.<br />
Hart ins Gericht geht er dabei mit den Sektenbeauftragten,<br />
die in den klassisch-theologischen<br />
Sektenbegriff auch „Neuapostolische Kirche“ und<br />
„Zeugen Jehovas“ aufnehmen und vor ihnen regelmäßig<br />
warnen. Das tut Böckel auch, mehr aber vor<br />
antidemokratischen Sektierern wie Moslembrüdern<br />
und fundamentalistischen Salafisten. Wo intolerante<br />
oder autoritäre Tendenzen am Werk sind, spart<br />
Böckl nicht mit Kritik, etwa bei der Sexualmoral der<br />
„Zeugen“, stellt aber auch deren Pazifismus positiv<br />
heraus. Ansonsten sieht er Chancen für ein Europa,<br />
„wo die religiöse Freiheit ähnlich wie einst in der<br />
toleranten Antike selbstverständlich ist“.<br />
72<br />
Nach einer knappen Einführung in die Religionsgeschichte<br />
Europas, stellt er die unterschiedlichen<br />
kleinen Religionen mit ihren Wurzeln und Einflüssen<br />
vor. Er führt in die interessantesten kleinen Religionen<br />
und Konfessionen unseres europäischen Kulturkreises<br />
ein, die in unserer Mitte leben. Er erzählt<br />
von ihrer Herkunft und Entwicklungsgeschichte,<br />
stellt ihre Begründer vor und skizziert die Glaubensinhalte<br />
einschließlich der Querverbindungen<br />
zu den großen Religionen. Das ist durchaus lesenswert,<br />
oft spannend, gerade da, wo es das Fremde<br />
um die Ecke betrifft. Wo sich der Vorhang zu religiösen<br />
Bewegungen und Riten öffnet, von denen wir<br />
schon gehört haben, aber kaum etwas wissen. Wer<br />
weiß schon, ob der Nachbar Bahai ist, was sich im<br />
Gotteshaus gegenüber bei den Adventisten abspielt.<br />
Viel Neues erfährt man über die Naturreligion der<br />
Samen, der Hussitischen Kirche oder über die Baptisten.<br />
Schon diese beispielhafte Aufzählung zeigt,<br />
wie vielfältig und schwer zu vergleichen die kleinen<br />
Religionen sind. Gerade auch vor dem Hintergrund<br />
ihrer Größe und ihres Einflusses, gerade auch vor<br />
der Wahrscheinlichkeit, mit ihnen im Alltag in Berührung<br />
zu kommen.<br />
Marcus C. Leitschuh
Dirk Ritter-Dausend<br />
Scientology. Wissen, was stimmt<br />
Herder Spektrum 6289<br />
Freiburg u.a.: Verlag Herder. 2010<br />
127 Seiten<br />
8,95 €<br />
ISBN 978-3-451-06289-6<br />
Wer in der Schule „Sekten“ zu behandeln hat,<br />
kommt am Thema „Scientology“ nicht vorbei. Ungeachtet<br />
der geringen Mitgliederzahl in Deutschland<br />
(5000-6000 laut Verfassungsschutz) liegt der<br />
amerikanische Psychokult an der Spitze medialer<br />
Aufmerksamkeit. Insofern ist solch ein kurzes, verständlich<br />
geschriebenes Nachschlagewerk überaus<br />
nützlich.<br />
In neun Kapiteln stellt Ritter-Dausend vor allem<br />
die Organisation und Praxis von Scientology dar. In<br />
knapper, eingängiger Sprache kann man nachlesen,<br />
was etwa das E-Meter misst, was ein „Clear“ oder<br />
„Operierender Thetan“ ist und in welcher Weise sich<br />
Scientology wirksam medial vermarktet. Gut werden<br />
die Strategien beschrieben, wie Scientology Kritik<br />
im Internet zu unterdrücken versucht oder durch<br />
scheinbar unabhängige Kampagnen wie „Jugend für<br />
Menschenrechte“ Sympathiewerbung betreibt. Der<br />
Autor, Extremismus-Fachmann im Innenministerium<br />
von Nordrhein-Westfalen, beschreibt die gesellschaftlich-politische<br />
Aktivität des Psychokults treffend<br />
und auf dem aktuellsten Stand. Zu kurz kommt<br />
allerdings die religionswissenschaftliche Verortung<br />
von Scientology, wie sie etwa der Gießener Theologe<br />
Linus Hauser unlängst vorgenommen hat (vgl. die<br />
Rezension von L. Hausers Buch „Scientology. Geburt<br />
eines Imperiums“ in EULENFISCH Literatur 1_2011).<br />
Die verschrobenen religiös-utopischen Elemente<br />
der Lehre von L. Ron Hubbard bleiben bei Ritter-<br />
Dausend randständig, während die mechanistische<br />
Psychologie des scientologischen Menschenbilds<br />
zutreffend charakterisiert wird. Ein kurzes Begriffslexikon<br />
beschließt den Überblick; auf Beratungsstellen<br />
wird nur summarisch und ohne Adressverzeichnis<br />
verwiesen.<br />
Dieses Buch provoziert ein geteiltes Fazit: Es ist<br />
gelungen als Einführung in die Organisation und<br />
Praxis von Scientology, die aufgrund ihrer klaren<br />
und einfachen Sprache auch Schüler ab der 9. Klasse<br />
verstehen sollten. Aber die politologische Sicht<br />
bedarf religionswissenschaftlicher Ergänzung, um<br />
dieses seltsame Mischgebilde aus Mythos, Kommerz<br />
und Erlösungswahn auch geistesgeschichtlich einzuordnen.<br />
Jenseits dieser Einschränkung ist dies ein<br />
auch für den Unterricht recht brauchbares Buch.<br />
Lutz Lemhöfer<br />
73
Monika und Udo Tworuschka<br />
Religionen der Gegenwart<br />
Münster: Verlag Aschendorf. 2011<br />
343 Seiten<br />
14,80 €<br />
ISBN 978-3-402-12859-6<br />
Der Einfluss der Religionen und ihrer Symbole<br />
auf die heutige Gesellschaft ist kaum zu übersehen.<br />
In allen Zeiträumen der Geschichte haben die Religionen<br />
mehr oder weniger stark versucht, eine besondere<br />
Wirkung auf ihre Umwelt auszuüben – und<br />
das nicht nur auf den Gebieten von Politik, Gesellschaft,<br />
Wissenschaft und Erziehung, sondern auch<br />
im alltäglichen Leben von der Arbeit bis zur Freizeit,<br />
vom Essen bis zur Gesundheit. Durch politische<br />
und wirtschaftliche Veränderungen haben sich die<br />
verschiedenen Religionen auf allen Kontinenten<br />
verändert und an unterschiedlicher Wirkungskraft<br />
gewonnen. Sie werden mehr und mehr wahrgenommen,<br />
weil sie sich bemühen, aus ihrer Sicht Antworten<br />
auf drängende Fragen unserer Zeit zu geben.<br />
Der vorliegende Band versucht, in dem nicht immer<br />
durchschaubaren Dickicht Klarheit zu schaffen,<br />
Orientierung zu geben. Es werden dabei nicht nur<br />
die fünf großen Weltreligionen Judentum, Christentum,<br />
Islam, Hinduismus, Buddhismus behandelt,<br />
sondern ebenso kleinere Religionstraditionen wie<br />
der Jansenismus, die chinesischen Religionen Daoismus<br />
und Konfuzianismus, der japanische Shintoismus,<br />
Zoroastrismus, Sikhismus und Bahaismus.<br />
Um den Vergleich der Religionen miteinander zu<br />
erleichtern, sind die jeweiligen Darstellungen – soweit<br />
möglich – nach derselben Gliederung aufgebaut:<br />
Ausgehend von (abgebildeten) Symbolen folgen eine<br />
Einführung, Grundbegriff, Heilige Schriften, Glaube,<br />
Heilige Zeiten, Feste im Jahreskreis, Heilige Orte, Religiöse<br />
Handlungen, Autoritäten, die Verbreitung der<br />
74<br />
Religion in Deutschland. Ein Abschnitt mit einem<br />
besonderen Stellenwert ist der dargestellten Religion<br />
„angesichts aktueller Probleme der Gegenwart“<br />
gewidmet, wobei u.a. Fragen wie „Todesstrafe“, „Umweltethik<br />
und Tierschutz“, „Gleichgeschlechtliche<br />
Liebe“, „Freizeit und Sport“ in ihrer Bedeutung für<br />
die einzelne Religion in eigenen ausgegliederten Abschnitten<br />
behandelt werden.<br />
Neben einem reichhaltigen Literaturverzeichnis<br />
wird der Band zusätzlich durch ein detailliertes<br />
Na men-/Personenregister und ein Sach-/Ort-/Stichwortregister<br />
hervorragend ergänzt. Ein vorzügliches<br />
Werk der Basisorientierung wird hier vorgelegt, das<br />
einen Einsatz gerade auch im Unterricht direkt herausfordert.<br />
Bernhard Merten
Alfred Pfaffenholz<br />
Tora, Sabbat und Schalom<br />
Alltag und Tradition im Judentum<br />
Ostfildern: Patmos Verlag. 2011<br />
192 Seiten<br />
14,90 €<br />
978-3-8436-0003-3<br />
Bei dieser Einführung handelt es sich um die aktualisierte<br />
Neuauflage eines Buchs von 1995. Der<br />
Autor, Radiojournalist, gliedert diese aus einem<br />
Geist kritischer geschichtsbewusster Zeitgenossenschaft<br />
geschriebene Einführung in sieben Kapitel.<br />
Einem knappen tabellarischen Überblick über die<br />
Geschichte Israels und des Judentums in Deutschland<br />
folgt das eindringlichste und informativste Kapitel<br />
zur jüdischen Bibel, dem Talmud und anderen<br />
rabbinischen Schriften: sachkundige Informationen,<br />
die in anderen Einleitungen für breitere Leserkreise<br />
so meist nicht zu finden sind. Ein eigenes Kapitel<br />
ist, der lebenspraktischen Bedeutung im Judentum<br />
durchaus angemessen, der Sabbatfeier gewidmet. Es<br />
dürfte auf ein Rundfunkfeature bzw. eine Reportage<br />
des Autors zurückgehen; denn er berichtet aus der<br />
Perspektive des Gastes in einer Synagoge und Familie.<br />
Das Kapitel wird ergänzt durch ein etwas ausführlicheres<br />
zu Festen und Feiertagen, die über die<br />
bekannten drei großen Wallfahrtsfeste Pesach, Wochenfest<br />
und Laubhüttenfest hinaus auch die weiteren<br />
nicht so bekannten Festtage vorstellen. „Von<br />
der Wiege bis zum Grab“ behandelt die „rites de<br />
passage“ wie Geburt und Beschneidung, Bar Mizwa,<br />
Heirat und Sterben, doch auch die Frage nach den<br />
Kriterien des Judeseins, von Gebet und Praxis wie<br />
die Speisevorschriften. Ein sechstes Kapitel greift<br />
direkt immer noch kursierende Vorurteile auf und<br />
bietet Hilfe, ihnen zu entgegnen, indem kurz und<br />
bündig Fragen und passende Antworten präsentiert<br />
werden. Ein Kapitel mit zentralen Stichworten zur<br />
Judenfeindschaft, im Ansatz angelegt wie ein Glossar,<br />
schließt den Band ab.<br />
Der Autor, ebenso engagiert für die Vermittlung<br />
von jüdischer Kultur wie kundig in der Sache, vereinigt<br />
in dem Band recht unterschiedliche Genres<br />
an Texten, die unterschiedliche Vertiefungsgrade<br />
aufweisen; das mindert den Gebrauchswert als Einführung.<br />
Mit Blick auf das 6. Kapitel, das sich nicht<br />
abnehmenden Vorurteilen entgegenstellt, sei hier<br />
allerdings auf Micha Brumliks Buch „Was stimmt?<br />
Judentum. Die wichtigsten Antworten“ verwiesen.<br />
Es bearbeitet die Vorurteile historisch, soziologisch<br />
und theologisch wesentlich gründlicher.<br />
Paul Petzel<br />
75
Der Koran<br />
Aus dem Arabischen neu übertragen von Hartmut Bobzin<br />
unter Mitarbeit von Katharina Bobzin<br />
Kalligraphische Gestaltung: Shahid Alam<br />
München: Verlag C. H. Beck. 2010<br />
831 Seiten<br />
38,00 €<br />
ISBN 978-3-406-58044-4<br />
Der Koran<br />
Vollständig und neu übersetzt von Ahmad Milad Karimi<br />
Mit einer Einführung v. Bernhard Uhde (Hg.)<br />
Freiburg u.a.: Verlag Herder. 2009<br />
575 Seiten<br />
49,95 €<br />
ISBN 978-3451-30292-3<br />
Zwei bemerkenswerte, im besten Sinn originelle,<br />
neue Übersetzungen des Korans ins Deutsche verdienen<br />
es, eingehend vorgestellt zu werden. Der<br />
Erlanger Gelehrte Hartmut Bobzin ist beides, ausgewiesener<br />
Philologe, der sich jahrelang akademisch<br />
vor allem mit den Originalsprachen heiliger<br />
Schriften befasst hat, einschließlich Sanskrit, der<br />
Sprache der Veden, und renommierter Islamkundler.<br />
Er kann schwierige Themen und Sachverhalte<br />
auf hohem wissenschaftlichen Niveau allgemein<br />
verständlich darstellen. Auch hat er sich seit vielen<br />
Jahren bemüht, Christen den Koran als Text<br />
und heilige Schrift nahezubringen. Dabei ist seine<br />
Arbeit von der Überzeugung geprägt, dass die Bedeutung<br />
und Wirkkraft des Phänomens Koran ohne<br />
die gebührende Berücksichtigung der ästhetischen<br />
Dimension kaum adäquat erfasst werden kann.<br />
Nicht zufällig stieß Bobzin schon früh auf den genialen<br />
Philologen, Übersetzer und Dichter Friedrich<br />
Rückert (1826-1841), dessen fragmentarische Koranübersetzung<br />
er im Jahr 1995 neu herausgegeben<br />
hat. Bobzin wurde jedoch bald klar: eine vollständige<br />
Neuübersetzung des Koran ins Deutsche war angesagt,<br />
die Streben nach Genauigkeit mit dem Bemühen<br />
um angemessene sprachliche Form verbinden<br />
76<br />
sollte. Es kam ihm bei dieser Koranübertragung vor<br />
allem auch darauf an, „neben den wichtigen Inhalten<br />
auch etwas von der Sprachform zu vermitteln,<br />
die von den meisten Muslimen als unnachahmlich<br />
schön empfunden wird.
Muslimische Benutzer dieser Übersetzung werden<br />
Bobzin auch dafür dankbar sein, dass er am<br />
Seitenrand die am weitesten verbreitete liturgische<br />
Aufteilung des Korantextes angibt und es so Muslimen<br />
leicht macht, diese Übersetzung, wie allgemein<br />
üblich während des Ramadanmonats, Abschnitt für<br />
Abschnitt zu lesen und zu meditieren. Im Bemühen<br />
um das Verständnis des Textes hat sich Bobzin nicht<br />
nur der üblichen Hilfsmittel der westlichen Koranphilologie<br />
bedient. Er greift auch ständig zurück auf<br />
die islamische Auslegungstradition und versucht<br />
auf diese Weise, sich den gedanklichen Reichtum<br />
der großen Tradition der islamischen Koranwissenschaft<br />
wenigstens ein wenig nutzbar zu machen.<br />
Bei der Übersetzung geht es Bobzin darum, wo<br />
immer möglich die Wiedergabe der Knappheit des<br />
arabischen Ausdrucks beizubehalten. Den Reim der<br />
koranischen Prosa hat er nur da nachgeahmt, wo es<br />
ohne größere Eingriffe in die Bedeutung möglich war.<br />
Die zeilenweise Anordnung des deutschen Kontextes<br />
erleichtert das Lesen und Verstehen spürbar. Dazu<br />
hat Bobzin den Text so rhythmisiert, „dass Wortakzent<br />
und Satzakzent ein möglichst harmonisches<br />
Miteinander bilden“. Zudem gelingt es ihm, die „feierliche“<br />
Form des arabischen Textes durch Übersetzung<br />
von inna mit „siehe“ und la- mit „wahrlich“<br />
oder „fürwahr“ zu erhalten. Bei den für den Koran<br />
typischen Vieldeutigkeiten von Worten hat er eine<br />
Auswahl getroffen, die dann im Vergleich mit anderen<br />
Übersetzungsmöglichkeiten in seinen Erläuterungen<br />
erklärt und erhärtet. Kenner des arabischen<br />
werden sich wünschen, eines Tages die Bobzin'sche<br />
Übertragung gleich neben dem arabischen Text lesen<br />
zu können so wie es der vom Gütersloher Verlagshaus<br />
veröffentlichte Band „Der Koran. Arabisch-<br />
Deutsch“ mit der Übertragung von Adel Theodore<br />
Khoury ermöglicht.<br />
Der Anhang macht ein Viertel des mehr als 800<br />
Seiten zählenden Bandes aus. Etwa 170 eng gedruckte<br />
Seiten bieten Erläuterungen mit Verweisen<br />
auf den angekündigten, wissenschaftlichen Kommentarband,<br />
der, das darf man schon jetzt sagen,<br />
für Studenten des Islam und der vergleichenden<br />
Theologie eine Fundgrube relevanter Informationen<br />
und Klärungen bieten wird. Allerdings steht der vorliegende<br />
Band ganz und gar auf eigenen Füßen. Ein<br />
vierzehnseitiges Glossar und das 290-seitige Stellenverzeichnis<br />
erweisen sich als äußerst hilfreich<br />
beim Auffinden der Eigennamen und der Erfassung<br />
der Begriffe und sachlichen Zusammenhänge. Der<br />
aus Pakistan stammende muslimische Künstler<br />
Shahid Alam hat für die vorliegende Ausgabe in sehr<br />
gelungener Weise die arabischen Namen der 114 Suren<br />
sowie weitere wichtige Elemente wie den Titel<br />
oder die Eröffnungssure kalligraphisch gestaltet.<br />
Bobzins Übertragung des Koran stellt ein umfassend<br />
gelungenes Meisterwerk dar. Die in jeglicher<br />
Hinsicht hohe Qualität der Produktion des Bandes<br />
und sein erschwinglicher Preis machen dem Verleger<br />
alle Ehre.<br />
Die neue deutsche Übersetzung des Koran aus<br />
dem Hause Herder ist die Frucht einer engen Zusammenarbeit<br />
des 1979 in Kabul geborenen Übersetzers<br />
und Schriftstellers Ahmad Milad Karimi mit<br />
dem Freiburger Religionswissenschaftler Bernhard<br />
Uhde. Karimi stellt Uhde als seinen Lehrer und Wegbegleiter<br />
vor und dankt ihm besonders für „seine<br />
scharfsinnigen Bemerkungen“ und „seine sprachlich–ästhetischen<br />
Hilfestellungen“. Uhde hat zu dem<br />
handlichen Band eine eingehende, dem Text des Koran<br />
nachgestellte Einführung beigesteuert, die sich<br />
als weit ausholende „religionswissenschaftliche<br />
Betrachtung“ mit „Unterscheidungen“, westlichen<br />
und christlichen „Missverständnissen“ in Bezug<br />
auf Koran und Islam (nicht jedoch auf solche in der<br />
umgekehrten Richtung) und mit dem Verhältnis von<br />
77
Christentum und Islam befasst. Uhde geht nicht auf<br />
die Fragen ein, die sich dem Hörer beziehungsweise<br />
Leser des Koran bei fast jedem Vers stellen.<br />
Karimi schreibt, dass sich frühere Übersetzungen<br />
des Koran, mit Ausnahme der Übersetzung<br />
Rückerts, in ihrer Vermittlung fast ausschließlich<br />
auf den Inhalt des Koran beziehen, ohne dabei die<br />
Form, das heißt die sprachliche und ästhetische Weise,<br />
wie der Inhalt jeweils vorgetragen wird, besonders<br />
hervorzuheben. Folglich versuche er mit dieser<br />
Übertragung sich dem Koran als dynamischem und<br />
offenem Kunstwerk „in religiöser Demut anzunähern“,<br />
„um zumindest in Ansätzen zeigen zu können,<br />
warum wir Muslime so entzückt und gerührt sind,<br />
wenn wir die ergreifende Stimme des Koran hören“.<br />
Die ästhetisch-poetische Erfahrung des Hörens<br />
des Koran bestimme die Religiosität der Muslime<br />
grundlegend. Er versucht also, in dieser Übersetzung<br />
die besonderen sprachlichen, poetischen bis<br />
hin zu musikalischen Charakteristika des Koran<br />
hervorzuheben. Dabei steht für ihn an erster Stelle<br />
das Ideal, möglichst nah am Koran zu sein, fern<br />
historisierender Auslegung, politischer Ideologie<br />
oder religiösem Eifer.<br />
Der vorliegende Band verzichtet auf Glossar, Stellenverzeichnis<br />
sowie auf jegliche Erläuterungen.<br />
Karimi hält letztere für „überflüssig“ oder auch „inhaltlich<br />
verengend.“ Arabische Worte, die den Inhalt<br />
ihres intendierten Gegenstandes in ihrem Begriff<br />
tragen, versucht er auch in dieser Weise zu übersetzen.<br />
So übersetzt er zum Beispiel masjid nicht mit<br />
Moschee, sondern mit „Niederwerfungstätte“; muschrikun,<br />
ein Begriff, der von Th. A. Khoury regelmäßig<br />
mit „Polytheisten“ und von Bobzin mit „Beigesellern“<br />
übertragen wird, übersetzt er durchgehend mit<br />
„die, die neben Gott Anderes stellen“.<br />
78<br />
Karimi ist sich bewusst, dass für den Hörer beziehungsweise<br />
Leser des Koran, sei er nun Araber oder<br />
nicht, ohne Erläuterungen zahlreiche koranische<br />
Aussagen schwer verständlich bleiben. Er betrachtet<br />
dies kaum als ein Manko, da ihn die Überzeugung<br />
leitet: „Dem Koran als einer Schrift zu begegnen,<br />
die an manchen Stellen unerklärlich bleibt,<br />
bedeutet eine Grundeigenschaft dieser Offenbarung<br />
zu respektieren.“ Und später fügt er hinzu: „Es ist<br />
ersichtlich, dass die Übertragung des Koran in eine<br />
andere Sprache scheitert, aber gerade dieses Scheitern<br />
zeigt sich als eine romantisch, ja göttliche Poesie<br />
im Sinne des Islam, die den Wundercharakter<br />
des Islam bewahrt. Der Koran ist unübersetzbar, gilt<br />
er doch als das Wort Gottes.“<br />
Um die Vorzüge dieser originellen Übertragung des<br />
Koran zu erleben, die, soweit der Rezensent es nachprüfen<br />
konnte, dem Original weithin getreu bleibt,<br />
sollte der Leser den Text laut deklamieren oder einem<br />
Vortrag dieser Übersetzung aufmerksam zuhören.<br />
Der Text ist durchlaufend, die Seiten füllend und ist<br />
auf hochwertigem Papier gut lesbar gedruckt. Allerdings<br />
sind die Versangaben im laufenden Text allzu<br />
klein ausgefallen. Außerdem verschwinden die jeweiligen<br />
Surenangaben nahe der oberen Ecke jeder Seite<br />
fast innerhalb des allzu kräftig gedruckten, gleich<br />
bleibenden Ornaments, das den Text jeder Seite auf<br />
allen Seiten einrahmt. So wird das Nachschlagen und<br />
Suchen nach Koranzitaten optisch erschwert. Karimi<br />
versucht nach Möglichkeit den Rhythmus und<br />
die Spannung wiederzugeben, die den Korangesang<br />
im Original auszeichnet, beispielsweise werden die<br />
Attribute den Substantiven nachgestellt. Ferner soll<br />
der Hörer den koranischen Rhythmus in Ansätzen<br />
nachempfinden. Deshalb hat Karimi „die jeweiligen<br />
Wortarten im Deutschen nachgebildet, so dass beim<br />
Vortrag des Textes eine Art Rhythmus entsteht, der<br />
durch Stimmabsatzzeichen (`) die gesamte Übersetzung<br />
begleitet.
Zum Schluss möge der Leser Sure 9:1-3 in Bobzins<br />
und Karimis Übersetzung auf sich wirken lassen und<br />
selbst miteinander vergleichen:<br />
Bobzin:<br />
1 Eine Aufkündigung von Seiten Gottes und seines<br />
Gesandten. An jene Beigeseller, mit denen ihr einen<br />
Bund geschlossen hattet.<br />
2 Zieht frei im Land umher, vier Monate! Doch wisst,<br />
dass ihr Gottes Tun nicht vereiteln könnt. Und dass<br />
Gott die Ungläubigen erniedrigen wird.<br />
3 Eine Ansage von Gott und seinem Gesandten an die<br />
Menschen. Am Tag der großen Wallfahrt: Gott und<br />
sein Gesandter haben sich von den Beigesellern losgesagt.<br />
Kehrt ihr um, dann ist es gut für euch. Doch<br />
wendet ihr euch ab, dann wisst, dass ihr Gottes Tun<br />
nicht vereiteln könnt. Verkünde denen, die ungläubig<br />
sind, schmerzhafte Strafe.<br />
Karimi:<br />
1 Eine Schutzerklärung von Gott und seinem Gesandten<br />
` für die, mit denen ihr einen Vertrag geschlossen,<br />
` unter denen, die neben Gott Anderes stellen.<br />
2 Zieht im Land umher vier Monate und wisst: ` Ihr<br />
haltet Gott nicht ab, ` Gott jedoch macht zuschanden<br />
die Leugner.<br />
3 Eine Kundgebung von Gott und Seinem Gesandten `<br />
an die Menschen am Tag der Wallfahrt, der großen:<br />
` Gott ist nicht gebunden an die, die neben Gott Anderes<br />
stellen, ` und nicht sein Gesandter. ` Wenn ihr<br />
umkehrt, ist das besser für euch. ` Wenn ihr abkehrt,<br />
dann wisst: ` Ihr haltet Gott nicht ab. ` Und verkünde<br />
denen, die leugnen, eine Strafe, eine schmerzliche.<br />
Christian W. Troll<br />
79
Florian Kührer<br />
Vampire. Monster – Mythos – Medienstar<br />
Kevelaer: Butzon & Bercker. 2010<br />
288 Seiten<br />
17,90 €<br />
ISBN 978-3-7666-1396-7<br />
Vom Monster aus der Mitte der Gesellschaft über<br />
eine Randfigur als fascinosum et tremendum zum<br />
Medienstar – so weit spannt Florian Kührer in seinem<br />
informativen und amüsanten Buch über die populären<br />
Untoten den Bogen.<br />
An einen volkskundlich-historischen Auftakt<br />
schließen sich die Ausführungen zur Genese des literarischen<br />
Vampirs mit byronesken Zügen. Das Ganze<br />
liest sich spannend wie ein guter Krimi. Der Vampir,<br />
der zunächst durchaus Beachtung auch von Seiten<br />
der Wissenschaft fand – vor allem insofern er für<br />
bestimmte medizinische Phänomene verantwortlich<br />
gemacht wurde – erstand nach seiner Verbannung<br />
aus der Seriosität in die Schmuddelecke als (literarisches)<br />
Kunstprodukt neu. Bram Stoker verschaffte<br />
dem Untoten endgültig Unsterblichkeit; er band<br />
divergierende Vorstellungen des Vampirs mit der<br />
Gestalt des Vlad Tepes, eines walachischen Fürsten<br />
aus dem 15. Jahrhundert, zusammen: die Geburtsstunde<br />
des transsilvanischen Grafen Dracula.<br />
Kührer bietet einen guten Überblick über die unterschiedlichen<br />
„Charakterzüge“ des Blutsaugers in<br />
der Geschichte. Das mythenschöpferische und ikonographische<br />
Potential dieser Kunstfigur erscheint<br />
so gewaltig, dass es sich mit beliebigen Projektionen<br />
verbinden lässt. Wohl nicht zufällig haben die meisten<br />
Vampire kein Spiegelbild, denn so können sie<br />
die Vorstellungen der Betrachtenden reflektieren.<br />
Die Vampir-Literatur und der Umgang mit ihr ist zugleich<br />
ein Spiegel der jeweiligen Gesellschaft. In der<br />
nationalsozialistischen Propaganda hat „der Jude“<br />
vampirische Züge, er saugt die arische Volksgemeinschaft<br />
aus. Für die Theologie ist der Vampir der Antichrist<br />
schlechthin; er gibt nicht sein Blut für die<br />
vielen, sondern er nimmt sich ihres. Als das Fremde<br />
und Andere verkörpert er Verlockung und Bedrohung<br />
zugleich. Nach Kührer ist es „die Sehnsucht<br />
80<br />
nach dem Außergewöhnlichen, das in unseren Alltag<br />
hereinbricht, die den Vampir so interessant erscheinen<br />
lässt“. Und so wird für eine hypersexualisierte<br />
Generation der omnipotente, aber beherrschte<br />
und enthaltsame Nobel-Vampir Edward Cullen<br />
(„Twilight“) zu einer Idealgestalt, die einen Harry-<br />
Potter-gleichen Hype auslöste. Durch die jüngsten<br />
Entwicklungen der Finanzmärkte hingegen drängt<br />
sich ein weniger schmeichelhafter Vampir-Vergleich<br />
auf: kein Edelmut und keine Zurückhaltung, sondern<br />
eine „unstillbare Gier“, wie es im Musical „Tanz<br />
der Vampire“ heißt. So naheliegend dieser Vergleich<br />
auch sein mag, Vorsicht ist geboten, um nicht in die<br />
Tradition antisemitischer Rhetorik abzugleiten.
Den stetig anwachsenden Film- und Buchmarkt<br />
zu Vampir-Themen charakterisiert Kührer in der ihm<br />
eigenen Weise, die sein Buch so vergnüglich macht: „<br />
Es entstehen im Humus des Vampir-Mythos … weitgehend<br />
inhaltsleere Textbaustein-Ruinen, die dazu<br />
verleiten, ihre Autoren selbst als Blutsauger zu bezeichnen,<br />
und dem Begriff des Schauerromans eine<br />
völlig neue Dimension zu verleihen.“<br />
„Vampire. Monster – Mythos – Medienstar“ ist<br />
auf jeden Fall nicht schauerlich; es reiht sich in die<br />
seit längerer Zeit erscheinenden Vampir-Veröffentlichungen,<br />
die das Phänomen sowohl literarisch als<br />
auch psychologisch ernst nehmen. Schließlich sind<br />
auch die Ausführungen zum Unterschied zwischen<br />
„Vampiren“ und „Vampyren“ nicht nur für Psychoanalytikerinnen<br />
und -analytiker interessant, gibt<br />
es doch eine sehr heterogene Szene von Menschen,<br />
die sich selbst als „Vampyre“ bezeichnen und es<br />
ernst meinen. Das Literaturverzeichnis am Ende des<br />
Buches zeugt von dieser Entwicklung.<br />
Florian Kührers Buch wird die Fans erfreuen und<br />
diejenigen, die bislang nichts, aber auch gar nichts<br />
mit Vampiren anfangen konnten, angenehm überraschen.<br />
Kornelia Siedlaczek<br />
81
Hansjörg Schmid / Andreas Renz / Bülent Ucar (Hg.)<br />
„Nahe ist dir das Wort …“<br />
Schriftauslegung in Christentum und Islam<br />
Reihe: Theologisches Forum Christentum – Islam<br />
Regensburg: Verlag Friedrich Pustet. 2010<br />
280 Seiten<br />
€ 19,90<br />
ISBN 978-3-7917-2256-6<br />
Im März 2009 diskutierten 125 christliche und islamische<br />
Theologen aus zwölf Ländern über hermeneutische<br />
Fragen der Auslegung von Koran und Bibel.<br />
Die Referate der Tagung und die dazugehörigen<br />
Beobachterberichte sind in der vorliegenden – anerkannten<br />
und wertgeschätzten – Publikationsreihe<br />
abgedruckt. Sechs Themenblöcke mit ihren je eigenen<br />
Fragestellungen bildeten das Gerüst der Tagung<br />
und somit die Gliederung bzw. das Inhaltsverzeichnis<br />
des Buches.<br />
Im ersten Teil „Hermeneutische Grundlagen“<br />
werden Grundlinien exegetischer Traditionen in<br />
Christentum und Islam herausgearbeitet. Zentraler<br />
Fragepunkt war, wie kann „die Kluft zwischen Geschichtlichkeit<br />
der Schrift und heutigem Lebensbezug<br />
überwunden werden“. Der zweite Teil ist überschrieben<br />
mit „Übersetzungen“. Die Übersetzbarkeit<br />
einer heiligen Schrift ist problembeladen und insgesamt<br />
keine leichte Aufgabe, wenn man nach der<br />
Funktion, den Möglichkeiten und den Grenzen von<br />
Übersetzungen fragt. Der dritte Teil ist „feministischen<br />
Auslegungen“ gewidmet. Im vierten Teil<br />
geht es um „Interdependente Interpretationen“ von<br />
Bibel und Koran. Hinter dieser sperrigen Überschrift<br />
verbirgt sich die Wahrnehmung, dass die Bibel<br />
Teil der Vorgeschichte des Korans ist, der Koran<br />
wiederum ist Teil der Wirkungsgeschichte der Bibel.<br />
Dieser Sachverhalt provoziert Fragen: „Wie und mit<br />
welchem Ziel können Christen den Koran, Muslime<br />
die Bibel lesen? Welche Konsequenzen ergeben sich<br />
dabei aus ihren unterschiedlichen Verständnisvoraussetzungen?“<br />
„Deutungsmonopole“ ist dann das<br />
nächste, fünfte Kapitel überschrieben. In den dort<br />
abgedruckten Beiträgen wird aufgezeigt, wie kon-<br />
82<br />
krete, zeitbezogene Auslegungen von Bibel- und Koranstellen<br />
ganz bestimmte Deutungstraditionen hervorrufen,<br />
die sich durchsetzten oder marginalisiert<br />
und verworfen werden. Konkret geht es in diesem<br />
Kontext um die Gestaltwerdung der verschiedenen<br />
Faktoren, die, prozessbezogen, zwischen Gottes<br />
Wort und menschlicher Antwort zusammenklingen<br />
und zusammenwirken: Heilige Schrift, Tradition,<br />
Lehramt, Theologie und Glaubenssinn des Gottesvolkes.<br />
Das sechste Kapitel behandelt abschließend<br />
die Frage nach einer „gemeinsamen Hermeneutik“.<br />
Dabei, so die Herausgeber in ihrem Vorwort, „geht es<br />
um zwei Blickrichtungen: Wie den eigenen Text vor<br />
dem Hintergrund der anderen Religion verstehen.<br />
Die Beiträge dieses Bandes der Reihe „Theologisches<br />
Forum Christentum – Islam“ geben weitreichende<br />
Verstehenshilfen und eine gute Orientierung<br />
im Themenfeld der Annäherung und Durchdringung<br />
in der Schriftauslegung der Religionen Christentum<br />
und Islam.<br />
Günter Riße
Albert Gerhards<br />
Wo Gott und Welt sich begegnen<br />
Kirchenräume verstehen<br />
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Günter Ewald<br />
Auf den Spuren<br />
der Nahtoderfahrung<br />
Gibt es eine unsterbliche Seele<br />
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Jürgen Holtkamp<br />
Das Erziehungs-Chaos<br />
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ISBN 978-3-921221-80-8