Das Recht der Windenergie im Wandel - Zeitschrift für Umweltrecht
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ZUR<br />
<strong>Das</strong> Forum <strong>für</strong> Umwelt- und Planungsrecht<br />
Herausgeber:<br />
Verein <strong>für</strong> <strong>Umweltrecht</strong> e.V.<br />
Prof. Dr. Martin Beckmann, <strong>Recht</strong>sanwalt, Münster; Siegfried Breier, EU-Kommission,<br />
Brüssel; Prof. Dr. Matthias Dombert, <strong>Recht</strong>sanwalt, Potsdam; Dr. Günther-Michael<br />
Knopp, Ministerialrat, Bayerisches Umweltministerium, München; Prof. Dr. Hans-<br />
Joach<strong>im</strong> Koch, Universität Hamburg; Prof. Dr. Gertrude Lübbe-Wolff, Richterin des Bundesverfassungsgerichts,<br />
Karlsruhe; Dr. Frank Petersen, Ministerialrat, Bundesministerium<br />
<strong>für</strong> Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, Bonn; Dr. Renate Philipp, Richterin am<br />
Bundesverwaltungsgericht, Leipzig; Michael Sauthoff, Vizepräsident des Oberverwaltungsgerichts<br />
Greifswald; Prof. Dr. Reinhard Sparwasser, <strong>Recht</strong>sanwalt, Freiburg; Prof. Dr.<br />
Michael Uechtritz, <strong>Recht</strong>sanwalt, Stuttgart; Prof. Dr. Ludger-Anselm Versteyl, <strong>Recht</strong>sanwalt,<br />
Hannover; Prof. Dr. Andreas Voßkuhle, Universität Freiburg; Prof. Dr. Gerd Winter,<br />
Universität Bremen<br />
Schriftleitung: Prof. Dr. Wolfgang Köck, Dr. Moritz Reese, Dr. Sabine Schlacke<br />
Irene L. Heuser 1<br />
Effektive Rahmenbedingungen <strong>für</strong> den Schutz <strong>der</strong> europäischen Böden<br />
gegen eine Vielzahl von Beeinträchtigungen gewährleistet das EU-<strong>Recht</strong><br />
<strong>der</strong>zeit noch nicht. Wie bereits in Teil 1 dieses Aufsatzes (ZUR 2/2007,<br />
63 ff.) gezeigt wurde, befassen sich die Klärschlamm-Richtlinie, die<br />
WR-Richtlinie, die IPPC-Richtlinie, die FFH-Richtlinie und an<strong>der</strong>e<br />
Gemeinschaftsrechtsakte nur mit Teilaspekten des chemischen und des<br />
biologischen Bodenschutzes. Erfor<strong>der</strong>nisse zur Vorbeugung physikalischer<br />
Bedrohungen <strong>der</strong> Böden werden noch weniger durch rechtliche Vorgaben<br />
berücksichtigt. Einen Wendepunkt markiert die Verabschiedung<br />
des 6. Umweltaktionsprogramms »Our Future, our Choice« 2 , welches<br />
bis Juli 2005 eine »Thematische Strategie <strong>für</strong> den Bodenschutz« ankündigte.<br />
Diese wurde nach langen Diskussionen in <strong>der</strong> Europäischen<br />
Kommission schließlich am 22.9.2006 zusammen mit einem »Vorschlag<br />
<strong>für</strong> eine Richtlinie zur Schaffung eines Ordnungsrahmens <strong>für</strong> den<br />
Bodenschutz« 3 vorgelegt und bildet seitdem spätestens den Auftakt <strong>für</strong><br />
Diskussionen zur Reichweite des Bodenschutzrechts auf EU-Ebene. In<br />
Teil 2 des vorliegenden Beitrags werden – unter beson<strong>der</strong>er Berücksichtigung<br />
des von <strong>der</strong> Kommission vorgelegten Vorschlags – Prinzipien<br />
und Instrumente des EU-Bodenschutzes de lege ferenda als Elemente<br />
einer zielgerichteten Politik entwickelt und die kompetenzrechtlichen<br />
Grundlagen einschließlich des Subsidiaritätsprinzips betrachtet. Im<br />
Ergebnis kann eine Kombination von Instrumenten <strong>der</strong> Planung, <strong>der</strong><br />
direkten und indirekten Verhaltenssteuerung, <strong>der</strong> Betriebsorganisation<br />
<strong>Zeitschrift</strong> <strong>für</strong><br />
<strong>Umweltrecht</strong><br />
3/2007<br />
18. Jahrgang • Seiten 113-168<br />
und des Privatrechts einen effektiveren Schutz <strong>der</strong> Böden auf EU-Ebene<br />
bewirken.<br />
A. Ausgangspunkt<br />
AUFSÄTZE<br />
Überlegungen zur Gestaltung des EU-Bodenschutzrechts<br />
Teil 2: EU-Bodenschutz de lege ferenda<br />
Nach <strong>der</strong> Betrachtung des Bodenschutzes de lege lata besteht in<br />
<strong>der</strong> Europäischen Union ein erheblicher Novellierungsbedarf 4 . Die<br />
Kommission fasst dies so zusammen, dass zwar <strong>der</strong> gemeinschaftliche<br />
Besitzstand Bodenschutzbest<strong>im</strong>mungen umfasst, es aber<br />
keine spezifischen <strong>Recht</strong>svorschriften <strong>der</strong> Gemeinschaft zum Bodenschutz<br />
gibt 5 . Daher sind dringende Maßnahmen erfor<strong>der</strong>lich,<br />
um einen effektiven <strong>Recht</strong>srahmen zum Schutz <strong>der</strong> europäischen<br />
Böden zur Verfügung zu stellen. Eine lediglich integrierte Regelung<br />
(gemäß dem Ansatz <strong>der</strong> IPPC-Richtlinie) unter bloßer sekto-<br />
1 Dr. Irene L. Heuser, Staatskanzlei des Landes Brandenburg, Abteilung Europäische<br />
und Internationale Angelegenheiten, Potsdam. Die geäußerten<br />
Ansichten sind persönlicher Natur und geben nicht die Auffassung <strong>der</strong><br />
Staatskanzlei o<strong>der</strong> des Landes Brandenburg wie<strong>der</strong>.<br />
2 Der übersetzte Titel lautet: »Unsere Zukunft liegt in unserer Hand«. Es wurde<br />
mit Beschluss Nr. 1600/2002/EG vom 22. Juli 2002 angenommen, ABl. Nr. L<br />
242 vom 10.9.2002, 1 ff.<br />
3 KOM (2006) 232 endg. und KOM (2006) 231 endg., jeweils vom 22.9.2006,<br />
S. 1 ff. Im Folgenden wird die Abkürzung »KOM« <strong>für</strong> »Kommission <strong>der</strong> Europäischen<br />
Gemeinschaften« verwendet.<br />
4 Vgl. <strong>im</strong> Einzelnen: Teil 1 dieses Beitrags in ZUR 2007, 63 ff., 70.<br />
5 KOM (2006) 232, S. 1 ff., 2; Wägenbaur, EuZW 2007, 2.<br />
ZUR 3/2007 | 113
AUFSÄTZE | Heuser, Überlegungen zur Gestaltung des EU-Bodenschutzrechts – Teil 2<br />
raler Einbeziehung <strong>der</strong> Belange des Bodenschutzes würde dazu<br />
nicht ausreichen. Anregungen zur Gestaltung des Bodenschutzes<br />
de lege ferenda können die bereits vorhandenen Regelungsmodelle<br />
<strong>der</strong> Mitgliedstaaten o<strong>der</strong> des Europarates liefern. In<br />
den Mittelpunkt <strong>der</strong> Überlegungen rücken dazu insbeson<strong>der</strong>e die<br />
Prinzipien und Instrumente des EU-Bodenschutzrechts, die <strong>im</strong><br />
Folgenden angedeutet werden sollen 6 . Die Darstellung befasst sich<br />
in einem weiteren Schritt mit den Vorschlägen <strong>der</strong> Europäischen<br />
Kommission.<br />
B. Prinzipien des EU-Bodenschutzrechts<br />
Art. 174 Abs. 2 EGV stellt tragende Prinzipien des EG-<strong>Umweltrecht</strong>s<br />
auf, welche den Gemeinschaftsorganen be<strong>im</strong> Erlass von<br />
<strong>Recht</strong>sakten zumindest einen Orientierungsrahmen geben 7 .<br />
Danach bilden das Vorsorge- und Vorbeugungsprinzip, das Verursacherprinzip,<br />
<strong>der</strong> Grundsatz <strong>der</strong> vorrangigen Bekämpfung von<br />
Umweltbeeinträchtigungen an ihrem Ursprung sowie <strong>der</strong> Grundsatz<br />
des hohen Schutzniveaus die rechtliche Basis des Bodenschutzes<br />
auf EU-Ebene. Diese Prinzipien betont auch die Kommission in<br />
ihrem Vorschlag <strong>der</strong> Bodenschutz-Rahmenrichtlinie (BodSchRRL)<br />
vom 22. September 2006 8 . Während das Vorsorgeprinzip Verän<strong>der</strong>ungen<br />
<strong>der</strong> Bodenbeschaffenheit gerade bei naturwissenschaftlich<br />
ungewissen Kausalverläufen <strong>im</strong> Vorfeld ihrer Entstehung vermeiden<br />
will, zielt das Vorbeugeprinzip in ergänzen<strong>der</strong> Weise auf eine<br />
Vermeidung von Bodenbeeinträchtigungen ab, die bereits hinreichend<br />
wahrscheinlich o<strong>der</strong> konkret bekannt sind. Nach dem Verursacherprinzip<br />
hat <strong>der</strong> potentielle Verursacher grundsätzlich die<br />
Kosten <strong>für</strong> die Vermeidung, die Beseitigung und den Ausgleich<br />
von Bodenbelastungen zu tragen bzw. die Verantwortlichkeit <strong>für</strong><br />
Bodenbeeinträchtigungen zu übernehmen. Der Ursprungsgrundsatz<br />
schreibt die Bekämpfung von Umweltbeeinträchtigungen<br />
vorrangig an ihrer Quelle vor und füllt das Schutzprinzip <strong>der</strong><br />
IPPC-Richtlinie aus. Obwohl das Kooperationsprinzip Eingang in<br />
viele <strong>Recht</strong>sakte des sekundären Gemeinschaftsrechts 9 gefunden<br />
hat, bildet es kein Grundprinzip <strong>der</strong> gemeinschaftlichen Umweltpolitik<br />
10 . Im Rahmen <strong>der</strong> <strong>Umweltrecht</strong>setzung sind nach Art. 174<br />
Abs. 3, 2. SpStr. EGV als Abwägungskriterien die Umweltbedingungen<br />
in den einzelnen Regionen <strong>der</strong> Gemeinschaft zu berücksichtigen;<br />
insofern sollen bei <strong>der</strong> Ausrichtung <strong>der</strong> EU-Politik zum<br />
Schutz <strong>der</strong> Böden auch die – sehr unterschiedlichen – Bodentypen<br />
und -beschaffenheiten 11 einbezogen werden. Nach dem Grundsatz<br />
<strong>der</strong> nachhaltigen Entwicklung gemäß Art. 2, 1. SpStr.<br />
EUV/Art. 2 EGV und dem <strong>im</strong> Völkerrecht vertretenen Konzept <strong>der</strong><br />
»sustainable soils« 12 ist die nachhaltige Nutzung <strong>der</strong> Böden <strong>im</strong><br />
Hinblick auf ihre Tragekapazität sowie auf ein Gleichgewicht zwischen<br />
den Prozessen <strong>der</strong> Bodenbildung und <strong>der</strong> Bodendegradation<br />
zu konkretisieren.<br />
C. Instrumente des EU-Bodenschutzrechts<br />
Zur Umsetzung dieser Prinzipien bestehen <strong>im</strong> Bereich <strong>der</strong> EU-<br />
Umweltpolitik verschiedene instrumentelle Handlungsoptionen.<br />
Als Instrumente werden Maßnahmen verstanden, mit denen<br />
menschliches Verhalten zur Verwirklichung politisch gesetzter<br />
Ziele gesteuert werden soll 13 . In <strong>der</strong> Bodenschutz-Mitteilung <strong>der</strong><br />
Kommission vom 16. April 2002 wurde betont, dass sie die<br />
»schwierige Aufgabe« habe, »bessere Instrumente zum Bodenschutz<br />
zu entwickeln« 14 ; es käme ein breites Spektrum an Gemeinschaftsinstrumenten<br />
diesbezüglich zum Tragen 15 . Effektive<br />
Modelle <strong>für</strong> eine Entwicklung <strong>der</strong> Instrumente des Bodenschutzes<br />
können sich aus den Regelungen <strong>der</strong> EU-Mitgliedstaaten o<strong>der</strong> des<br />
Europarates ergeben 16 .<br />
114 | ZUR 3/2007<br />
I. Planungsinstrumente<br />
Planungsinstrumenten kommt <strong>im</strong> Vorfeld <strong>der</strong> Erteilung einer<br />
Genehmigung eine diese ergänzende bzw. opt<strong>im</strong>ierende Wirkung<br />
zu 17 . Durch Umweltplanung wird <strong>der</strong> vorhandene Ist-Zustand<br />
eines Umweltmediums festgestellt und bewertet, <strong>der</strong> angestrebte<br />
Soll-Zustand beschrieben und es werden die zu seiner Verwirklichung<br />
erfor<strong>der</strong>lichen Ziele und Strategien festgelegt 18 . Zum vorsorgenden<br />
Schutz <strong>der</strong> Böden können sowohl Bodenschutzpläne<br />
aufgestellt als auch Bodenschutzgebiete planerisch ausgewiesen<br />
werden. <strong>Das</strong> erstgenannte Instrument <strong>der</strong> Bodenschutzplanung<br />
wurde bisher nur in einzelnen Mitgliedstaaten eingeführt 19 . Bodenschutzpläne<br />
dienen <strong>der</strong> Bestandsanalyse und <strong>der</strong> Erfassung<br />
möglicher Beeinträchtigungen vor allem <strong>der</strong> natürlichen Bodenfunktionen<br />
und können bewirken, dass Bodenschutzziele konkretisiert<br />
und Anfor<strong>der</strong>ungs- und Maßnahmenkataloge erstellt werden.<br />
Während sich die Bodenschutzprogramme des Umweltministeriums<br />
und <strong>der</strong> Provinzen in den Nie<strong>der</strong>landen 20 umfassend mit<br />
Effekt- und Quellen-Orientierungen zum Schutz <strong>der</strong> Böden befassen,<br />
beschränken sich die Sanierungspläne gemäß den §§ 13, 14<br />
des deutschen BBodSchG 21 vorwiegend auf die Verhin<strong>der</strong>ung <strong>der</strong><br />
Gefährdung durch Altlasten; lei<strong>der</strong> war eine umfassende Bodenschutzplanung<br />
<strong>im</strong> Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens zum<br />
BBodSchG el<strong>im</strong>iniert worden 22 . Insofern wird häufig über die<br />
reinen Bodensanierungsmaßnahmen hinaus eine Bodenschutzstrategie<br />
mit Vorgaben zur belastungsorientierten Nutzungseinschränkung<br />
erfor<strong>der</strong>lich sein 23 . Auch sollten die bestehenden<br />
fachspezifischen Einzelplanungen <strong>der</strong> Mitgliedstaaten, z.B. Abfallwirtschaftsplanung,<br />
noch besser miteinan<strong>der</strong> verzahnt werden.<br />
Der gebietsbezogene Bodenschutz durch die Ausweisung von<br />
Schutzgebieten 24 – bisher z.B. <strong>im</strong> Rahmen <strong>der</strong> Fauna-Flora-Habitat-<br />
Richtlinie – zielt auf eine Erhaltung des Status Quo und eine plane-<br />
6 Vgl. <strong>im</strong> Einzelnen: Heuser, Europäisches Bodenschutzrecht, 2005, S. 432 ff.,<br />
453 ff.<br />
7 Zur gerichtlichen Nachprüfung vgl. allgemein: EuGH vom 14.7.1998, Rs. C-<br />
284/95, Slg. 1998, I-4301, Rn. 37, sowie Rs. C-341/95, Slg. 1999, I-4355,<br />
Rn. 35.<br />
8 Vgl. KOM (2006) 232 endg., S. 1 ff., 3.<br />
9 Zu nennen sind nur die EMAS-Verordnungen o<strong>der</strong> die Umweltinformationsrichtlinie.<br />
10 Di Fabio, NVwZ 1999, 1153 ff., 1154 f.<br />
11 Schrö<strong>der</strong>, in: Rengeling (Hrsg.), Handbuch zum europäischen und deutschen<br />
<strong>Umweltrecht</strong>, 1998 (<strong>im</strong> Folgenden zitiert: Rengeling, EUDUR), § 9, S. 181 ff.,<br />
203, Rn. 51.<br />
12 Hannam, Mitwirkung von Boer, Legal and Institutional Frameworks for Sustainable<br />
Soils, IUCN Environmental Policy and Law Paper Nr. 45/2002<br />
(zitiert: Hannam, Sustainable Soils), S. 21.<br />
13 Vgl. grundlegend Storm, <strong>Umweltrecht</strong>, S. 54.<br />
14 KOM (2002) 276 endg., S. 1 ff., 37.<br />
15 KOM (2002) 276 endg., S. 1 ff., 23.<br />
16 Die jeweiligen Regelungsmodelle wurden ausführlich in dem Son<strong>der</strong>heft<br />
zum Bodenschutz in JEEPL 3/2006 beschrieben, vgl. S. 204 ff. (Frankreich),<br />
S. 213 ff. (Irland), S. 227 ff. (Großbritannien), S. 240 ff. (Nie<strong>der</strong>lande), S. 250<br />
ff. (Deutschland). Vgl. ebenso Heuser, Europäisches Bodenschutzrecht,<br />
2005, S. 321 ff.<br />
17 Vgl. Kloepfer, Zur <strong>Recht</strong>sumbildung durch Umweltschutz, Schriftenreihe<br />
Juristische Studiengesellschaft Karlsruhe, Heft 189, S. 25.<br />
18 Brandt/Röckseisen, Konzeption <strong>für</strong> ein Stoffstromrecht, UBA-Forschungsbericht<br />
Band 7/00, 2001, S. 101; zu den verschiedenen Umweltplanungsmodellen:<br />
Hendler/He<strong>im</strong>lich, UTR (Schriftenreihe des Instituts <strong>für</strong> Umwelt- u.<br />
Technikrecht Trier) Bd. 54 (2000), S. 7 ff., 18 ff.<br />
19 Vgl. zur internationalen Ebene: Hannam, Sustainable Soils, S. 43, letzter<br />
Spiegelstrich.<br />
20 Ministry of Housing, Physical Planning and Environment, Progress Report<br />
1988/91, S. 27.<br />
21 Bundesbodenschutzgesetz (abgekürzt BBodSchG, Gesetz zum Schutz des<br />
Bodens) vom 17.3.1998, BGBl. I vom 24.3.1998, 502 ff.<br />
22 Bückmann/Damborg/Dreißigacker et al., Bodenschutz in Europa, 1997, S. 226.<br />
23 Wissenschaftlicher Beirat <strong>der</strong> Bundesregierung »Globale Umweltverän<strong>der</strong>ungen«,<br />
Welt <strong>im</strong> <strong>Wandel</strong>: die Gefährdung <strong>der</strong> Böden, Bonn 1994, S. 124.<br />
24 De Haan/van <strong>der</strong> Zee, Soil Protection, in: Kiss/Shelton, European Environmental<br />
Law, S. 213 ff., 217.
ische Gestaltungswirkung ab. Nach § 21 Abs. 3 des deutschen<br />
BBodSchG können Gebiete, in denen flächenhaft Beeinträchtigungen<br />
<strong>der</strong> Bodenfunktionen auftreten o<strong>der</strong> zu erwarten sind, als<br />
Bodenschutzgebiete ausgewiesen werden. An<strong>der</strong>e Bezeichnungen,<br />
die ebenfalls einen Gefahrenbezug voraussetzen, sprechen in diesen<br />
Fällen von Bodenbelastungsgebieten 25 . Umgekehrt besteht in<br />
den Nie<strong>der</strong>landen 26 die Möglichkeit, durch die Provinzen Bodenschutzgebiete<br />
auszuweisen, in denen best<strong>im</strong>mte Bodentypen vorkommen,<br />
die von menschlichen Aktivitäten und Zerstörungen<br />
noch nicht so berührt sind und einen speziellen Schutz (z.B. Verbote)<br />
erfor<strong>der</strong>n. Eine ähnliche Zielsetzung hat <strong>der</strong> nach Ziffer 6 lit.<br />
f. <strong>der</strong> revidierten Bodencharta des Europarates vom 28. Mai 2003<br />
gefor<strong>der</strong>te spezifische Bodenplanungsprozess 27 . Wesentlich ist,<br />
dass in dem jeweiligen Bodenschutzgebiet vorsorgebezogene Festsetzungen<br />
möglich sind 28 . Informatorische Grundlage <strong>der</strong> Ausweisung<br />
von Bodenschutzgebieten sollte die Erfassung von Bodenbeeinträchtigungen<br />
in einem Bodenbelastungskataster sein, welches<br />
<strong>im</strong> Zusammenhang mit <strong>der</strong> Einrichtung eines Bodeninformationssystems<br />
29 vorzusehen ist. Hilfreich könnte auch die routinemäßige<br />
Aufstellung eines Bodengutachtens entsprechend dem<br />
ungarischen <strong>Recht</strong> 30 <strong>für</strong> Bodenschutzgebiete sein. Insbeson<strong>der</strong>e<br />
sollte <strong>der</strong> spezifische Bodenplanungsprozess mit <strong>der</strong> Raumordnung<br />
koordiniert werden, da ansonsten beide Planungssysteme<br />
Überschneidungsaspekte unverknüpft lassen würden.<br />
II. Instrumente <strong>der</strong> direkten Verhaltenssteuerung<br />
Heuser, Überlegungen zur Gestaltung des EU-Bodenschutzrechts – Teil 2 | AUFSÄTZE<br />
Instrumente direkter Verhaltenssteuerung geben ihren Adressaten<br />
ein best<strong>im</strong>mtes Verhalten (Handeln, Dulden o<strong>der</strong> Unterlassen)<br />
direkt und zwingend auf 31 . Als solche kommen <strong>im</strong> Bereich des Bodenschutzes<br />
administrative Kontrollinstrumente, Ver- und<br />
Gebote und individuelle Pflichten in Betracht. Die Grenzen erlaubten<br />
Verhaltens werden vor allem <strong>im</strong> Bereich <strong>der</strong> direkten Verhaltenssteuerung<br />
durch Bodenqualitätsziele bzw. Bodenstandards<br />
abgesteckt. An<strong>der</strong>s als nationale Instrumente direkter Verhaltenssteuerung,<br />
welche mit Zwangsmitteln durchgesetzt werden können<br />
32 , steht zur Durchsetzung gemeinschaftlicher <strong>Recht</strong>sbefehle<br />
gegenüber säumigen Mitgliedstaaten nur die Möglichkeit des Vorgehens<br />
<strong>im</strong> Wege des Vertragsverletzungsverfahrens nach Art. 226<br />
EGV zur Verfügung, da nach Art. 228 Abs. 2 UAbs. 2 EGV die Sanktion<br />
<strong>der</strong> Verhängung eines Zwangsgeldes o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Zahlung eines<br />
Pauschalbetrages erst an das Nichtbefolgen eines Urteils des Gerichtshofes<br />
und nicht einer Anordnung <strong>der</strong> Gemeinschaft geknüpft<br />
werden kann.<br />
1. Administrative Kontrollinstrumente<br />
Administrative Kontrollinstrumente gewährleisten den <strong>Recht</strong>sund<br />
Planvollzug und haben ihren Ursprung <strong>im</strong> Ordnungsrecht.<br />
Als Grundtypen bestehen vor allem Anzeige- bzw. Anmeldepflichten<br />
sowie Erlaubnisvorbehalte und Überwachungsbefugnisse.<br />
33 Anzeige- bzw. Anmeldepflichten34 werden <strong>im</strong> europäischen<br />
<strong>Umweltrecht</strong> zumeist in den Fällen verwendet, in denen ein<br />
Einschreiten nur <strong>im</strong> Einzelfall zulässig ist, da die Annahme zu<br />
Grunde gelegt wird, dass die jeweilige Tätigkeit prinzipiell nicht<br />
gefährlich ist (wie bisher z.B. <strong>im</strong> Chemikalienrecht o<strong>der</strong> bei Störungen<br />
genehmigter Großfeuerungsanlagen). Im Bereich des Bodenschutzes<br />
könnte eine EG-weite Einführung einer Anzeigepflicht<br />
in den Fällen verbindlich vorgeschrieben werden, in denen<br />
die betreffende Tätigkeit – insbeson<strong>der</strong>e <strong>im</strong> Bereich <strong>der</strong> Landwirtschaft<br />
– nicht grundsätzlich zu einer Beeinträchtigung <strong>der</strong> natürlichen<br />
Bodenfunktionen führt. In Betracht käme etwa eine<br />
Anzeigepflicht <strong>für</strong> die Eröffnung (und ggf. Umstellung) landwirtschaftlicher<br />
Betriebe, um einerseits ein gewisses Kontrollmoment<br />
bezüglich <strong>der</strong> Bodennutzungen zu erlangen und an<strong>der</strong>erseits den<br />
Landwirt nicht als »Umweltsün<strong>der</strong> per se« abzustempeln, son<strong>der</strong>n<br />
seine Rolle als »Bodenpfleger« zu betonen. Um die Effektivität dieses<br />
Instruments durch konkrete Anzeigeninhalte (bewirtschaftete<br />
Bodentypen, Schadstoffeintrag etc.) und eine konstante Informationsübermittlung<br />
zu erhöhen, könnte die Anzeigepflicht mit<br />
einer betrieblichen Bodenschutzplanung verknüpft werden 35 .<br />
Weitergehend können durch gemeinschaftsrechtlich vorgeschriebene<br />
Genehmigungs- bzw. Erlaubnisvorbehalte best<strong>im</strong>mte<br />
gefährdende Verhaltensweisen verhin<strong>der</strong>t werden. 36 Im Bereich<br />
des Bodenschutzes ist vor allem die Genehmigung nach <strong>der</strong> IPPC-<br />
Richtlinie von Relevanz. Im Rahmen von genehmigungspflichtigen<br />
Tätigkeiten eröffnet das EG-<strong>Recht</strong> manchmal die Möglichkeit,<br />
Nebenbest<strong>im</strong>mungen festzulegen 37 . Im Vergleich etwa zu Abgaben<br />
o<strong>der</strong> Zertifikaten bieten sie jedoch keine Anreizwirkungen <strong>für</strong><br />
Belastungsreduzierungen, etwa durch Entwicklung von Innovationen<br />
38 . Insgesamt verbleiben den Mitgliedstaaten weite Umsetzungsspielräume<br />
in <strong>der</strong> Einführung spezieller bodenschutzrelevanter<br />
Genehmigungs- bzw. Erlaubnisvorbehalte. 39<br />
2. <strong>Recht</strong>liche Ge- und Verbote<br />
Eine Verhaltenssteuerung durch unmittelbare rechtliche Ge- und<br />
Verbote bietet sich an, wenn eine Umweltbelastung ausnahmslos<br />
unterbunden werden soll 40 . Bisher stellt dieser Bereich den<br />
Schwerpunkt <strong>der</strong> gemeinschaftlichen Maßnahmen mit Auswirkung<br />
auf den Bodenschutz dar, da Ge- und vor allem Verbote <strong>im</strong><br />
Vollzug leicht umzusetzen sind. Insbeson<strong>der</strong>e <strong>im</strong> EG-Pflanzenschutz-<br />
und Düngemittelrecht und <strong>im</strong> Chemikalienrecht 41 hat die<br />
Gemeinschaft von den Mitgliedstaaten 42 Impulse aufgenommen<br />
und diese teilweise in die EG-<strong>Recht</strong>sordnung übertragen. Mit <strong>der</strong><br />
kürzlich beschlossenen Chemikalienstrategie REACH 43 ist zu hoffen,<br />
dass die Prüfungen <strong>der</strong> jeweiligen Stoffeigenschaften schneller<br />
als bisher durchgeführt und in den Verbotsverfahren die speziellen<br />
Auswirkungen auf die Bodenorganismen genauer untersucht<br />
werden.<br />
3. Individuelle Umweltschutzpflichten<br />
Im europäischen <strong>Umweltrecht</strong> sind bisher an nur wenigen Stellen<br />
individuelle Umweltpflichten geregelt 44 . Grundsätzlich ist <strong>im</strong> Gemeinschaftsrecht<br />
<strong>der</strong> Mitgliedstaat Adressat einer zwingenden Anordnung<br />
und nur ausnahmsweise auch <strong>der</strong> Bürger 45 . Aus <strong>der</strong> Vorgabe,<br />
dass Richtlinien <strong>für</strong> die Mitgliedstaaten hinsichtlich ihres zu<br />
25 Dazu Giesberts/Reinhardt, BeckOK <strong>Umweltrecht</strong>, 2006, § 21 Rn. 1.1.<br />
26 »Wet Bodembescherming« (Bodenschutzgesetz, abgekürzt WBB) vom<br />
3.7.1986, Stb. Nr. 374 (mit Än<strong>der</strong>ungen).<br />
27 Dazu Heuser, Europäisches Bodenschutzrecht, 2005, S. 354 ff.<br />
28 Vgl. Sanden/Schöneck, Bundes-Bodenschutzgesetz, 1998, § 21 Rn. 11.<br />
29 Verordnung Nr. 2152/2003, ABl. Nr. L 324 vom 11.12.2003, 1 ff.<br />
30 Gemäß § 62 Abs. 1 lit. c) des ungarischen Bodengesetzes besteht die Pflicht,<br />
auf Flächen, auf denen <strong>der</strong> Boden mit fachgemäßer Anpflanzung und Bearbeitungsverfahren<br />
nicht hinreichend gegen Erosion geschützt werden kann,<br />
auf einem bodenkundlichen Gutachten beruhende Bodenschutzeingriffe<br />
anzuwenden. Vgl. auch § 62 Abs. 4.<br />
31 Kloepfer, <strong>Umweltrecht</strong>, 3. A. 2004, § 5 Rn. 36.<br />
32 Kloepfer, <strong>Umweltrecht</strong>, 3. A. 2004, § 5 Rn. 36 f.<br />
33 Kloepfer, <strong>Umweltrecht</strong>, 3. A. 2004, § 5 Rn. 40.<br />
34 Kloepfer, <strong>Umweltrecht</strong>, 3. A. 2004, § 5 Rn. 41 ff.<br />
35 Dazu Heuser, Europäisches Bodenschutzrecht, 2005, S. 325 ff.<br />
36 Einen Überblick geben: Kiss/Shelton, European Environmental Law, S. 55 f.<br />
37 Krämer, in: Rengeling, EUDUR, § 15, S. 411 ff., 416.<br />
38 Vgl. dazu die Analyse von Schaltegger, Wirtschaftswissenschaften, 2000,<br />
S. 106.<br />
39 Krämer, in: Rengeling, EUDUR, § 15, S. 411 ff., 417.<br />
40 Kiss/Shelton, European Environmental Law, S. 52.<br />
41 Vgl. Heuser, Europäisches Bodenschutzrecht, 2005, S. 83 ff., 175 ff.<br />
42 Vgl. die Regelungen in den Art. 6 bis 10 des nie<strong>der</strong>ländischen WBB (vgl. Fn.<br />
26).<br />
43 Vgl. REACH-Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 und REACH-Richtlinie Nr.<br />
2006/121/EG, jeweils vom 18. Dezember 2006, ABl. Nr. L 396 vom<br />
30.12.2006, 1 ff. und 852 ff. Sie werden am 1. Juni 2007 in Kraft treten.<br />
44 Kloepfer, <strong>Umweltrecht</strong>, 3. A. 2004, § 5 Rn. 141 ff.<br />
45 Krämer, in: Rengeling, EUDUR, § 15, S. 411 ff., 413.<br />
ZUR 3/2007 | 115
AUFSÄTZE | Heuser, Überlegungen zur Gestaltung des EU-Bodenschutzrechts – Teil 2<br />
erreichenden Ziels verbindlich sind und den innerstaatlichen Stellen<br />
die Wahl <strong>der</strong> Form und <strong>der</strong> Mittel überlassen bleibt, wird in<br />
ständiger <strong>Recht</strong>sprechung des Gerichtshofs gefolgert, dass eine<br />
Richtlinie nicht selbst Verpflichtungen <strong>für</strong> Gemeinschaftsbürger<br />
begründen kann 46 . Insofern besteht <strong>der</strong> verbindliche Charakter<br />
einer Richtlinie nur <strong>für</strong> jeden Mitgliedstaat, an den sie gerichtet<br />
wird 47 . Dies zeigen die Beispiele <strong>der</strong> Luftqualitätsrahmenrichtlinie<br />
48 , <strong>der</strong> Wasserrahmenrichtlinie 49 und <strong>der</strong> UVP-Richtlinie 50 .<br />
Gleichwohl können die Mitgliedstaaten in einer Richtlinie ausdrücklich<br />
verpflichtet werden, Umweltpflichten <strong>für</strong> Bürger zu begründen<br />
51 , wie etwa gemäß Art. 2 Abs. 1 Abs. 1, Art. 5 Abs. 1 i.V.m.<br />
Anhang I Seveso-II-Richtlinie 52 . Allerdings entsteht <strong>für</strong> den Bürger<br />
die in einer Richtlinie enthaltene Anordnung erst mit ihrer Umsetzung<br />
in nationales <strong>Recht</strong> 53 . Die einzige zum Schutz <strong>der</strong> Böden unmittelbar<br />
relevante materielle Pflichtenregelung <strong>im</strong> geltenden EG-<br />
<strong>Recht</strong> ist in Art. 3 Abs. 1 lit. a) bis f) <strong>der</strong> IPPC-Richtlinie 54 enthalten,<br />
wonach <strong>der</strong> Betreiber einer Anlage zur Einhaltung von –<br />
wenn auch nur allgemeinen – Grundpflichten verpflichtet wird,<br />
die die Vorsorge vor Bodenverschmutzungen und den Schutz vor<br />
erheblichen Bodenverschmutzungen sowie die erfor<strong>der</strong>lichen<br />
Maßnahmen nach Stilllegung zum Inhalt haben. Nach Art. 8 <strong>der</strong><br />
insoweit konkreteren Klärschlamm-Richtlinie hat die Verwendung<br />
<strong>der</strong> Schlämme so zu erfolgen, dass die Qualität des<br />
Bodens nicht beeinträchtigt wird; diese bodenschutzrelevante<br />
Leistungspflicht wurde in <strong>der</strong> Richtlinie jedoch nicht individualisiert.<br />
Zur Konkretisierung auf Gemeinschaftsebene bietet sich eine<br />
Pflichtenregelung an, welche von <strong>der</strong> bestehenden IPPC-Trias <strong>der</strong><br />
Vorsorge-, Schutz- und Nachsorgepflicht <strong>im</strong> Bodenschutz ausgeht<br />
und die Vermeidung von biologischen, physikalischen und chemischen<br />
Beeinträchtigungen des Bodens vorschreibt. Sie sollte<br />
nicht nur auf Anlagenbetreiber beschränkt sein, son<strong>der</strong>n umfassend<br />
alle – politisch einzubeziehenden – Akteure <strong>im</strong> Bereich des<br />
Bodenschutzes erfassen, z.B. Eigentümer, Landwirte o<strong>der</strong> Städteplaner.<br />
Aus dem Katalog <strong>der</strong> erwähnten Pflichtenregelungen einzelner<br />
mitgliedstaatlicher <strong>Recht</strong>sordnungen, die zumeist zwischen<br />
Vorsorge- und Schutzpflichten unterscheiden, könnten die nie<strong>der</strong>ländische<br />
Regelung nach Art. 6 ff. WBB sowie die Vorsorgepflicht<br />
nach § 7 des deutschen BBodSchG übertragbar sein. Insbeson<strong>der</strong>e<br />
durch die Vorgabe von konkreten Einzelpflichten zum<br />
Bodenschutz und einer ergänzenden Sorgfaltspflicht nach Art. 13<br />
Satz 1 WBB 55 würde ein hinreichendes Bindeglied zwischen den<br />
Grundpflichten <strong>der</strong> IPPC-Richtlinie und den – bislang nur bruchstückhaften<br />
– Konkretisierungen <strong>der</strong> Bodenschutzanfor<strong>der</strong>ungen<br />
in einzelnen EG-<strong>Recht</strong>sakten (wie <strong>der</strong> Klärschlamm-Richtlinie) geschaffen.<br />
Zudem könnte <strong>der</strong> Vorschlag gemäß Ziffer 6 lit. h. <strong>der</strong><br />
revidierten Europäischen Bodencharta in die Überlegungen zur<br />
Ausgestaltung einbezogen werden, <strong>für</strong> den landwirtschaftlichen<br />
Bereich Regeln <strong>der</strong> guten Praxis <strong>der</strong> Bodenbewirtschaftung aufzustellen<br />
56 ; diese Regeln sollten (in Ergänzung <strong>der</strong> »Regeln <strong>der</strong> guten<br />
fachlichen Praxis« nach <strong>der</strong> Nitrat-Richtlinie und ggf. orientiert an<br />
§ 17 BBodSchG) Einzelverhaltensanfor<strong>der</strong>ungen zur Verhin<strong>der</strong>ung<br />
insbeson<strong>der</strong>e von Bodenerosionen o<strong>der</strong> Bodenverdichtungen<br />
enthalten. Zur Erfüllung <strong>der</strong> Schutz- und <strong>der</strong> Nachsorgepflichten<br />
zum Bodenschutz ist zudem entsprechend dem deutschen<br />
BBodSchG jeweils die planungsrechtliche Zulässigkeit des<br />
Grundstücks und das sich daraus ergebende Schutzbedürfnis des<br />
Bodens zu beachten. Alle materiellen Bodenschutzpflichten müssten<br />
<strong>im</strong> Rahmen <strong>der</strong> behördlichen Befugnis, Anordnungen zur<br />
Erfüllung dieser Pflichten <strong>im</strong> Einzelfall zu erlassen, umgesetzt werden<br />
57 . Als ergänzende formelle Nebenpflicht könnte eine allgemeine<br />
Informations-, Duldungs- und Auskunftspflicht bezüglich<br />
möglicher Gefährdungen <strong>der</strong> Böden 58 insbeson<strong>der</strong>e <strong>für</strong> Verursacher,<br />
Eigentümer und Inhaber <strong>der</strong> tatsächlichen Gewalt eingeführt<br />
werden.<br />
116 | ZUR 3/2007<br />
4. Bodenqualitätsziele und Bodenstandards<br />
Umweltqualitäts- und Umwelthandlungsziele59 sind nach Art. 10<br />
<strong>der</strong> IPPC-Richtlinie einzuhalten und dienen nicht nur <strong>im</strong> Bereich<br />
<strong>der</strong> direkten Verhaltenssteuerung dazu, die Grenzen erlaubten<br />
Verhaltens abzustecken. Die Vorgabe von gemeinschaftsweiten<br />
Bodenwerten (etwa in Form von Maßnahme-, Prüf- und Vorsorgewerten)<br />
würde wertvolle Maßstäbe zur Beurteilung <strong>der</strong> Grenzen<br />
des Eintrags von Schadstoffen in die Böden und sonstigen Bodenschutzzielen60<br />
zur Verfügung stellen. Bei <strong>der</strong> Beurteilung von<br />
Gefahren durch bestehende Bodenverunreinigungen und Altlasten<br />
wird ein Bedarf zur Vereinheitlichung auf Gemeinschaftsebene<br />
gesehen61 . Ziffer 6 lit. h. <strong>der</strong> revidierten Europäischen Bodencharta<br />
for<strong>der</strong>t <strong>für</strong> den landwirtschaftlichen Bereich die Aufstellung<br />
von Bodenqualitätskriterien und Schwellenwerten zur<br />
Best<strong>im</strong>mung <strong>der</strong> Irreversibilität <strong>der</strong> Bodenbeeinträchtigung62 .<br />
Auch in <strong>der</strong> internationalen Literatur wird die Erfor<strong>der</strong>lichkeit<br />
von »Bodennachhaltigkeitsindikatoren« sowie von ökologischen<br />
Grenzwerten <strong>für</strong> den Boden hervorgehoben63 . Wegen <strong>der</strong> Komplexität<br />
<strong>der</strong> Wirkungsbedingungen des Bodens scheint aber ein starres<br />
System <strong>der</strong> Grenzwerte nicht den <strong>der</strong>zeitigen Rahmenbedingungen<br />
des Bodenschutzes gerecht zu werden. Insofern wäre aus<br />
<strong>der</strong>zeitiger Sicht zu bevorzugen, EU-weit zunächst Bodenqualitätsund<br />
Bodenhandlungsziele <strong>für</strong> den biologischen und vor allem den<br />
chemischen Bereich (evtl. <strong>für</strong> die physikalischen Aspekte durch<br />
aufzustellende »Regeln <strong>der</strong> guten Praxis <strong>der</strong> nachhaltigen<br />
Bodenbewirtschaftung«) abzust<strong>im</strong>men. Falls Bodenwerte eingeführt<br />
werden, sind jedoch die genannten Spezifika (Bodenart, Bodentyp,<br />
Vorbelastung, Schadstoffgehalt, Nutzung des Grundstücks<br />
etc.) und insbeson<strong>der</strong>e die je nach Bodentyp variierenden<br />
Filter- und Puffereigenschaften zu berücksichtigen. Für das EG-<br />
46 Vgl. EuGH »Marshall I«, Rs. 152/84, Slg. 1986, 723, Rn. 48; EuGH »Traen«,<br />
verb. Rs. 372 bis 374/85, Slg. 1987, 2141, Rn. 24; EuGH »Arcaro«, Rs. C-<br />
168/95, Slg. 1996, I-4705, Rn. 36 ff. Dazu m.w.N. Ruffert, in: Calliess/Ruffert,<br />
Art. 249 EGV Rn. 78, sowie Krämer, in: Rengeling, EUDUR, § 16, S. 430 ff.,<br />
444.<br />
47 Vgl. insbeson<strong>der</strong>e EuGH vom 26.2.1986 (»Marshall I«), Rs. 152/84, Slg. 1986,<br />
723, Rn. 48, und EuGH vom 14.7.1994 (»Paola Faccini Dori«), Rs. C-91/92,<br />
Slg. 1994, I-3325, Rn. 22.<br />
48 Art. 7 Abs. 1 (Luftqualitätsziele), Richtlinie 96/62/EG, ABl. Nr. L 296 vom<br />
21.11.1996, 55 ff.<br />
49 Art. 11 (Maßnahmenprogramme), Richtlinie 2000/60/EG, ABl. Nr. L 327<br />
vom 22.12.00, 1 ff.<br />
50 Art. 2 Abs. 1 UAbs. 1 (Prüfung <strong>der</strong> Umweltauswirkungen) <strong>der</strong> Richtlinie Nr.<br />
85/337/EWG, ABl. Nr. L 175 vom 5.7.1985, 40 ff. (mit zahlreichen Än<strong>der</strong>ungen).<br />
51 Vgl. dazu Krämer, in: Rengeling, EUDUR, § 15, S. 411 ff., 420.<br />
52 Betreiberpflicht u.a. zur Ergreifung <strong>der</strong> notwendigen Maßnahmen, vgl.<br />
Richtlinie Nr. 96/82/EG, ABl. Nr. L 10 vom 14.1.1997, 13 ff.<br />
53 Dazu Ruffert, in: Calliess/Ruffert, Art. 249 EGV Rn. 80; Krämer, in: Rengeling,<br />
EUDUR, § 15, S. 411 ff., 413.<br />
54 IPPC-Richtlinie Nr. 96/61/EG, ABl. Nr. L 257 vom 10.10.1996, 26 ff.<br />
55 Begrüßend: Bückmann/Damborg/Dreißigacker et al., Bodenschutz in Europa,<br />
1997, S. 91.<br />
56 Council of Europe, Committee for the activities of the Council of Europe in<br />
the field of biological and landscape diversity (CO-DBP), CO-DBP (2003) 10<br />
vom 17.7.2003, Revised European Charter for the Protection and Sustainable<br />
Management of Soil, S. 1 ff. (<strong>im</strong> Folgenden zitiert: Council of Europe,<br />
Revised Soil Charter), S. 1 ff., 13 f.<br />
57 Zu den Reaktionsmöglichkeiten des Normadressaten vgl. Hof, <strong>Recht</strong>sethologie,<br />
S. 463.<br />
58 Vgl. die Mitteilungspflicht nach Art. 6 lit. b) <strong>der</strong> Klärschlamm-Richtlinie Nr.<br />
86/278/EWG.<br />
59 Vgl. die Definition von »Umweltqualitätsnormen« gemäß Art. 2 lit. 7 <strong>der</strong><br />
IPPC-Richtlinie.<br />
60 Zum »Critical-Loads-Konzept« vgl. etwa Wissenschaftlicher Beirat (a.a.O.,<br />
Fn. 23), S. 61, sowie Rat von Sachverständigen <strong>für</strong> Umweltfragen (SRU),<br />
Umweltgutachten 2000, Ziff. 102, 2. Abs.<br />
61 Statement des Bundesverbandes Boden (BVB), Soil Protection Communication<br />
– DG ENV Draft October 2001, Bodenschutz 2002, S. 73 f., 74, Frage 2.<br />
62 Council of Europe, Revised Soil Charter, S. 1 ff., 13 f.<br />
63 Hannam, Sustainable Soils, S. 43.
<strong>Recht</strong> wäre die Anknüpfung an die deutsche BBodSchV 64 und teilweise<br />
auch das nie<strong>der</strong>ländische Bodenwertesystem 65 vollzugsgeeignet.<br />
Durch die Best<strong>im</strong>mung von Bodenwerten könnten effektive<br />
Bewertungsmaßstäbe zur Verfügung gestellt werden.<br />
III. Instrumente <strong>der</strong> indirekten Verhaltenssteuerung<br />
Heuser, Überlegungen zur Gestaltung des EU-Bodenschutzrechts – Teil 2 | AUFSÄTZE<br />
Neben verbindlichen Vorgaben <strong>im</strong> Wege <strong>der</strong> direkten Verhaltenssteuerung<br />
können die Böden auch durch indirekte, mittelbare Einwirkung<br />
<strong>der</strong> Gemeinschaft bzw. <strong>der</strong> Mitgliedstaaten geschützt<br />
werden, indem influenzierend und motivierend auf relevante Entscheidungen<br />
Einfluss genommen und dem Adressaten ein<br />
Entscheidungsspielraum belassen wird. Als Instrumente indirekter<br />
Verhaltenssteuerung <strong>im</strong> EU-Bodenschutz kommen vor allem<br />
informatorische und ökonomische Instrumente in Betracht. Konsensualen<br />
Instrumenten des Bodenschutzes 66 kommt <strong>im</strong> EG-<strong>Recht</strong><br />
eine untergeordnete Rolle zu, wenn auch in einigen Mitgliedstaaten<br />
relevante Vereinbarungen (z.B. Altlastensanierungsverträge)<br />
geschlossen werden.<br />
1. Informatorische Instrumente<br />
Derzeit gibt es (noch) kein EU-weites Bodenüberwachungsnetzwerk.<br />
In mehreren Mitgliedstaaten ist die Überwachung <strong>der</strong> Böden<br />
vorgeschrieben 67 . Um eine gemeinschaftsweite Vergleichbarkeit<br />
<strong>der</strong> Bodendaten zu erreichen, müssen nicht Detailerfassungen <strong>der</strong><br />
konkreten Bodenzustände vorgenommen werden, son<strong>der</strong>n es sind<br />
Kriterien <strong>für</strong> die Erhebung von Informationen, die Überwachung<br />
des Bodenzustands und die Erforschung bisher ungeklärter naturwissenschaftlicher<br />
Zusammenhänge 68 zu schaffen. Dazu könnten<br />
– basierend auf <strong>der</strong> groben Anregung des § 21 Abs. 4 BBodSchG 69 –<br />
die Mitgliedstaaten verpflichtet werden, Bodeninformations- und<br />
Bodenüberwachungssysteme <strong>für</strong> Teile ihres Hoheitsgebietes o<strong>der</strong><br />
den gesamten Mitgliedstaat einzurichten. Im Rahmen <strong>der</strong> Diskussionen<br />
zur Verordnung (EG) Nr. 2152/2003 »Forest Focus« 70 wurde<br />
bereits auf die »geplanten Maßnahmen zur Richtlinie über die Bodenüberwachung«<br />
hingewiesen 71 . Im Rahmen <strong>der</strong> Erarbeitung <strong>der</strong><br />
Bodenschutzstrategie sollte bis Mitte 2004 ein Vorschlag zur Einführung<br />
eines Bodeninformations- und Bodenüberwachungssystems<br />
vorgelegt werden 72 ; da <strong>im</strong> Zuge <strong>der</strong> »Working Group Monitoring«<br />
eine Einigung auf Gemeinschaftsebene nicht erreicht werden<br />
konnte, wird in dem BodSchRRL-Vorschlag auf dieses<br />
wichtige bodenschutzrechtliche Instrument lei<strong>der</strong> nicht mehr<br />
hingewiesen.<br />
2. Ökonomische Instrumente<br />
Ökonomische Instrumente wollen die Vorteile <strong>der</strong> Marktprinzipien<br />
<strong>für</strong> ihre Ziele verwenden und dazu Anreize <strong>für</strong> ein möglichst<br />
umweltgerechtes Verhalten schaffen 73 . Bei ihrem Einsatz<br />
verbleibt dem Betroffenen ein großer Entscheidungsspielraum, ob<br />
und wie er eine best<strong>im</strong>mte staatliche Zielvorgabe verwirklicht 74 .<br />
Bislang wurde in <strong>der</strong> EU von diesen Instrumenten zum Schutz des<br />
Bodens kaum Gebrauch gemacht 75 . Da es be<strong>im</strong> Einsatz ökonomischer<br />
Instrumente rechtlich zulässig ist, den in Aussicht<br />
gestellten wirtschaftlichen Vorteil (etwa eine Steuervergünstigung)<br />
nicht in Anspruch zu nehmen, sind diese zur Sicherstellung<br />
ökologischer Mindeststandards ausgeschlossen und wirken eher<br />
vorsorgend. 76 Zur Erreichung <strong>der</strong> Bodenschutzziele kommen Subventionen,<br />
Abgaben und Zertifikate in Betracht.<br />
a) Subventionen<br />
Umweltbezogene Subventionen o<strong>der</strong> Beihilfen 77 zählen zu den<br />
gängigen Instrumenten <strong>der</strong> EU zur Verfolgung umweltpolitischer<br />
Ziele 78 . Art. 87 Abs. 1 EGV erfasst als Beihilfen nicht nur zweckgebundene<br />
finanzielle Zuwendungen des Staates, son<strong>der</strong>n alle Arten<br />
unmittelbarer o<strong>der</strong> mittelbarer Begünstigung, wie etwa Steuerbe-<br />
freiungen, Zuschüsse usw. 79 . Sie werden ohne Gegenleistung des<br />
Begünstigten gewährt 80 . <strong>Das</strong>s auch spezifische Bodenschutzbeihilfen<br />
denkbar sind, zeigt Ziffer 5 lit. A. g. <strong>der</strong> revidierten Europäischen<br />
Bodencharta, wonach direkte Beihilfen, Zuschüsse etc. nur<br />
unter <strong>der</strong> Bedingung nachhaltiger Bodenbewirtschaftung <strong>im</strong> Zusammenhang<br />
mit spezifischen Qualitätszielen gezahlt werden sollen<br />
81 . Insofern sollten auf Gemeinschaftsebene die agrarrechtlich<br />
bestehenden Beihilfen zur Information, Ausbildung und Beratung<br />
82 um Aspekte des Bodenschutzes und die bestehenden EG-<br />
Agrarumweltbeihilfen um solche zur Bekämpfung <strong>der</strong> Bodenerosion<br />
in effektiver Weise ergänzt werden.<br />
b) Abgaben<br />
Gemeinschaftliche Abgaben scheiterten bislang an <strong>der</strong> grundsätzlichen<br />
Weigerung einiger Mitgliedstaaten 83 , obwohl seit den<br />
Än<strong>der</strong>ungen durch den Maastrichter Vertrag ihre wichtige Opt<strong>im</strong>ierungsfunktion<br />
anerkannt wird 84 . Gerade be<strong>im</strong> Schutz des Bodens<br />
mit seinen Puffer- und Regelungsfunktionen stößt die zumeist<br />
reaktive Umweltpolitik noch stärker als ohnehin an ihre<br />
Grenzen. In Umsetzung des Verursacherprinzips könnte durch die<br />
Einführung einer speziell auf den Schutz <strong>der</strong> Böden ausgerichteten<br />
Abgabe eine Internalisierung <strong>der</strong>jenigen Kosten 85 erfolgen, die bei<br />
<strong>der</strong> Verringerung <strong>der</strong> Bodenschäden entstehen 86 . Eine Umweltabgabe<br />
hat zum Ziel, dem Umweltverschmutzer einen Anreiz zu bieten,<br />
bei niedrigsten Kosten die erfor<strong>der</strong>lichen Maßnahmen zu treffen,<br />
um die von ihm verursachte Umweltverschmutzung zu verringern<br />
(Anreizfunktion) und/o<strong>der</strong> ihn an den Kosten <strong>für</strong><br />
kollektive Maßnahmen, z.B. Reinigungsausgaben, zu beteiligen<br />
(Umverteilungsfunktion). 87 Da <strong>im</strong> EG-<strong>Recht</strong> auch noch keine einheitliche<br />
Systematik <strong>der</strong> Umweltabgaben existiert 88 , ist ergänzend<br />
64 Bundes-Bodenschutz- und Altlastenverordnung (BBodSchV). Diese trat am<br />
17.7.1999 in Kraft, BGBl. 1999, Teil I, Nr. 36 vom 16.7.1999, 1554 ff.<br />
65 Vgl. zum nie<strong>der</strong>ländischen »Rundschreiben Ziel- und Interventionswerte«<br />
vom 4.2.2000 Bauw, Ars Aequi 1994/12, S. 810 ff., 812.<br />
66 Schrö<strong>der</strong>, NVwZ 1998, 1011 ff., 1011; KOM (2001) 31 endg., S. 18.<br />
67 European Environment Agency, Proposal for a European soil monitoring<br />
and assessment framework, 2001, S. 38 ff.; European Environment Agency,<br />
European soil monitoring and assessment framework, 2001, S. 34 ff.<br />
68 Hannam, Sustainable Soils, S. 44.<br />
69 Vgl. zum schweizerischen »NABO«: Art. 44 Abs. 1 USG (Schweizerisches<br />
Umweltschutzgesetz) i.V.m. Art. 3 und 4 VBBo (Verordnung über Bodenbelastungen),<br />
sowie Heuser, Europäisches Bodenschutzrecht, 2005, S. 417 ff.<br />
70 ABl. Nr. L 324 vom 11.12.2003, 1 ff.<br />
71 KOM (2002) 404 endg., S. 1 ff., 4.<br />
72 KOM (2002) 179 endg., S. 1 ff., 33-39. Vgl. dazu Fn. 114 dieses Beitrags.<br />
73 OECD, Environment and Economics: a survey of OECD work, 1992, S. 12.<br />
74 Kloepfer, <strong>Umweltrecht</strong>, 3. A. 2004, § 5 Rn. 178.<br />
75 Vgl. Hendler, UTR Bd. 53 (2000) 87 ff., 122 zum deutschen BBodSchG.<br />
76 Hendler, in: Eberle/Ibler/Lorenz (Hrsg.), Festschrift <strong>für</strong> Winfried Brohm,<br />
2002, S. 375 ff., 376; Döring, Subsidiarität und Umweltpolitik in <strong>der</strong> Europäischen<br />
Union, 1997, S. 297.<br />
77 Differenziert zum Verhältnis bei<strong>der</strong> Begriffe: Magiera, in: Rengeling, EUDUR,<br />
§ 37, S. 1193 ff., 1193. Cremer, Art. 87 EGV Rn. 7, in: Calliess/Ruffert, erläutert,<br />
dass <strong>der</strong> Beihilfenbegriff den Subventionsbegriff umfasst.<br />
78 Döring, Subsidiarität, a.a.O. (Fn. 76), S. 282.<br />
79 Schmid/Vollmöller, NJW 1998, 716 ff., 719; Oppermann, Europarecht,<br />
Rn. 1110.<br />
80 Cremer, in: Calliess/Ruffert, Art. 87 EGV Rn. 7; Schmid/Vollmöller, NJW 1998,<br />
716 ff., 719.<br />
81 Council of Europe, Revised Soil Charter, S. 1 ff., 11.<br />
82 Krämer, Casebook on Environmental Law, 2002, S. 117, Nr. 6.<br />
83 Krämer, ZUR 1998, 70 ff., 71.<br />
84 So auch das sechste Umweltaktionsprogramm, Beschluss Nr. 1600/2002/EG,<br />
Art. 3 Ziff. 4, 3. Spstr. i.V.m. Art. 5 Abs. 2 lit. vi) a), ABl. Nr. L 242 vom<br />
10.9.2002, 1 ff.; Hoppe/Kauch/Beckmann, <strong>Umweltrecht</strong>, § 9, Rn. 3.<br />
85 Vgl. KOM (2003) 354 endg., S. 1 ff., 33.<br />
86 Bundesminister <strong>für</strong> Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (Hrsg.), Agrarund<br />
Umweltpolitik, Agrarpolitische Berichte <strong>der</strong> Organisation <strong>für</strong> Wirtschaftliche<br />
Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD), Heft 27, 1991, 88;<br />
Wissenschaftlicher Beirat (a.a.O., Fn. 23), S. 123.<br />
ZUR 3/2007 | 117
AUFSÄTZE | Heuser, Überlegungen zur Gestaltung des EU-Bodenschutzrechts – Teil 2<br />
auf Elemente <strong>der</strong> mitgliedstaatlichen – etwa <strong>der</strong> deutschen – Klassifizierung<br />
zurückzugreifen 89 : Insofern könnte <strong>der</strong> Begriff <strong>der</strong> Abgaben<br />
Steuern, Vorzugslasten (Gebühren und Beiträge) sowie Son<strong>der</strong>abgaben<br />
umfassen 90 . Während Steuern und Vorzugslasten 91 <strong>für</strong><br />
die zuvor genannten Zwecke ausscheiden, wäre eine Son<strong>der</strong>abgabe<br />
zum Bodenschutz denkbar. Nach Art. 48 des nie<strong>der</strong>ländischen<br />
WBB a.F. gab es eine Abgabe auf bodenschädliche<br />
Stoffe bzw. auf Geräte zur Verwendung bei bodengefährdenden<br />
Tätigkeiten; sie fiel mit <strong>der</strong> Einglie<strong>der</strong>ung des »Inter<strong>im</strong>wet Bodemsanering«<br />
in das WBB weg. Als Inhalte einer Bodenschutzson<strong>der</strong>abgabe<br />
kommen insbeson<strong>der</strong>e die Bereiche des Bodenverbrauchs<br />
und des Dünge- und Pflanzenschutzmitteleinsatzes in<br />
Betracht. Insofern bieten sich die Einführung etwa einer Son<strong>der</strong>abgabe<br />
auf die Verwendung von Stickstoffdünger, welche hier nur<br />
als Option erwähnt werden soll 92 , sowie eine Bodenversiegelungsson<strong>der</strong>abgabe<br />
an, da sich bisherige ordnungsrechtliche Instrumente<br />
in einigen Mitgliedstaaten, wie die Entsiegelungspflicht<br />
nach § 5 BBodSchG, nicht als effektiv erwiesen haben 93 . Eine solche<br />
Abgabe 94 setzte bei <strong>der</strong> physikalischen Inanspruchnahme des<br />
Umweltmediums Boden an und würde den Kompensationszweck<br />
verfolgen, die vom Verursacher herbeigeführte Bodenversiegelung<br />
an an<strong>der</strong>er Stelle wie<strong>der</strong> auszugleichen. Der deutsche Rat von<br />
Sachverständigen <strong>für</strong> Umweltfragen schlug vor, Neuversiegelungen<br />
mit einer einmalig zu zahlenden Son<strong>der</strong>abgabe 95 und bereits<br />
versiegelte Flächen mit einer jährlich zu erhebenden Son<strong>der</strong>abgabe<br />
zu belegen 96 , um so Anreize zur Verringerung von Neuversiegelungen<br />
97 und zur Entsiegelung von Böden 98 zu schaffen. <strong>Das</strong><br />
Aufkommen aus den Abgaben könnte zur finanziellen För<strong>der</strong>ung<br />
von Entsiegelungsmaßnahmen zweckgebunden verwendet werden<br />
99 . Sie erscheinen gegenüber ordnungsrechtlichen Instrumenten<br />
als das effektivere Mittel, will die Kommune sich nicht auf<br />
jahrelange <strong>Recht</strong>sstreitigkeiten mit den Eigentümern/Nutzungsberechtigten<br />
zur Durchsetzung behördlicher Entsiegelungsanordnungen<br />
einlassen 100 . Da jedoch EU-weit eine erhebliche Reduzierung<br />
des Bodenverbrauchs erfor<strong>der</strong>lich und dazu die Festlegung<br />
sehr hoher Abgabensätze nötig wäre 101 , bestehen Bedenken an <strong>der</strong><br />
politischen Durchsetzbarkeit dieses Instruments. <strong>Das</strong>s die Verwirklichung<br />
verhaltenslenken<strong>der</strong> Zwecke nur schwer akzeptiert zu<br />
werden scheint, zeigt die Streichung <strong>der</strong> Bodenversiegelungsausgleichsabgabe<br />
durch Berlin vor ein paar Jahren 102 .<br />
c) Zertifikate<br />
Wenn es auch noch zu früh erscheint, um den Erfolg des CO2-<br />
Emissionshandelssystems auf EU-Ebene 103 abschließend zu bewerten,<br />
so legen die bisherigen Erfahrungen (trotz aller Diskussionen<br />
über den NAP II) doch nahe, dass <strong>der</strong> Handel mit Zertifikaten ein<br />
kosteneffizientes Instrument zur Verfolgung von Umweltschutzzielen<br />
sein kann. Umweltzertifikate sind handelbare Berechtigungsscheine,<br />
mit denen die ausstellenden Behörden das <strong>Recht</strong><br />
verleihen, ein Ökosystem, <strong>für</strong> welches die Gesamtbelastungsfähigkeit<br />
festgelegt worden ist, mit <strong>der</strong> <strong>im</strong> Schein angegebenen Teilmenge<br />
an Schadstoffen zu belasten 104 . In <strong>der</strong> hoheitlichen Festlegung<br />
einer Höchstgrenze einer best<strong>im</strong>mten Umweltbeeinträchtigung<br />
liegt ein großer Vorteil des Zertifikatmodells<br />
gegenüber dem Grenzwertmodell 105 . Insofern kommt ein Handel<br />
mit Flächenausweisungs- und Flächennutzungsrechten in Betracht<br />
106 , welcher nach den Vorstellungen des deutschen Rates<br />
von Sachverständigen <strong>für</strong> Umweltfragen zur Reduzierung <strong>der</strong> Bodenversiegelung<br />
beitragen könnte 107 . Dazu würden die max<strong>im</strong>al<br />
ausweisbaren Flächen auf mitgliedstaatlicher Ebene festgelegt,<br />
den Kommunen <strong>der</strong> jeweilige Anteil kostenlos zugewiesen und die<br />
Möglichkeit des Erwerbs o<strong>der</strong> Verkaufs weiterer Belastungszertifikate<br />
an einer einzurichtenden Börse eingeräumt. Der zwischen<br />
den Kommunen induzierte Handel würde eine ökonomisch op-<br />
118 | ZUR 3/2007<br />
t<strong>im</strong>ale Allokation <strong>der</strong> Flächenausweisungen bewirken 108 , so dass<br />
von diesem Instrument Anreize zur Vermeidung von Neuausweisungen,<br />
zur Ausweisung kleinerer Flächen und zu einer intensiveren<br />
Nutzung bereits ausgewiesener Flächen ausgehen würden.<br />
Zudem besteht die Möglichkeit, in zeitlichen Abständen die Zertifikate<br />
»abzuwerten« und damit vorsorgend die Bodenbelastungsmengen<br />
zu reduzieren 109 . Im Einzelnen sind zur Realisierung<br />
dieses Instruments <strong>der</strong> Modus <strong>der</strong> Erstverteilung <strong>der</strong> Flächenausweisungsrechte<br />
110 , <strong>der</strong> Mengensteuerung, <strong>der</strong> Befristung <strong>der</strong><br />
Ausweisungsrechte und <strong>der</strong> nutzungsspezifischen Differenzierung<br />
zu klären. 111 Mit dem Instrument des Handels mit Flächenausweisungsrechten<br />
in Kombination mit einer Bodenversiegelungsson<strong>der</strong>abgabe<br />
könnten in effektiver Weise weitere Bodenversiegelungen<br />
verhin<strong>der</strong>t und Entsiegelungen bzw. langfristig eine<br />
Trendumkehr <strong>im</strong> Flächenverbrauch erreicht werden.<br />
IV. Instrumente <strong>der</strong> Betriebsorganisation und des Privat- und Strafrechts<br />
Neben diesen speziellen Bodenschutz-Instrumenten könnten<br />
auch bereits bekannte Instrumente aus den Bereichen <strong>der</strong> Betriebsorganisation<br />
und des Privat- und Strafrechts zum Bodenschutz<br />
beitragen. Insbeson<strong>der</strong>e die EG-Umwelthaftungs-Richtlinie Nr.<br />
2004/35/EG erscheint als wichtige Ergänzung ökonomischer Instrumente,<br />
wenngleich zukünftig eine weitergehende Haftung <strong>für</strong><br />
Bodenschädigungen wünschenswert wäre. Daneben besteht kein<br />
Bedarf mehr an <strong>der</strong> Einführung zusätzlicher privatrechtlicher<br />
Instrumente auf Gemeinschaftsebene. Als Instrument aus dem<br />
Bereich <strong>der</strong> Betriebsorganisation könnte ein »Bodenprüfer« Land-<br />
87 So die Kommission <strong>im</strong> »Gemeinschaftsrahmen <strong>für</strong> staatliche Umweltschutzbeihilfen«,<br />
ABl. Nr. C 37 vom 3.2.2001, 3 ff., 4, KOM, ABl. C 224 vom<br />
23.7.1997, 6 ff., 7, und in <strong>der</strong> Empfehlung Nr. 75/436/Euratom, EGKS, EWG,<br />
ABl. Nr. L 194 vom 25.7.1975, 1 ff., 3 f.<br />
88 Vgl. <strong>im</strong> Einzelnen: Wasmeier, Umweltabgaben und Europarecht, 1995, S. 28<br />
ff.; Heuser, Europäisches Bodenschutzrecht, 2005, S. 492 ff.; Kloepfer, <strong>Umweltrecht</strong>,<br />
3. A. 2004, § 5, Rn. 217 ff., Kirchhof, in: Rengeling, EUDUR, § 38,<br />
S. 1226 ff., Rn. 6 ff.<br />
89 Kloepfer, <strong>Umweltrecht</strong>, 3. A. 2004, § 4 Rn. 241 ff.; Krämer, EuGRZ 1989, 353<br />
ff., 359.<br />
90 Vgl. die Begriffsbest<strong>im</strong>mungen bei Breuer, DVBl. 1992, 485 ff., 490 f., sowie<br />
Schrö<strong>der</strong>, Umweltabgaben, S. 87 ff., 95.<br />
91 KOM, ABl. C 224 vom 23.7.1997, 6 ff.<br />
92 Dazu Heuser, Europäisches Bodenschutzrecht, 2005, S. 500 ff.<br />
93 Hendler, Bodenschutz 2000, S. 12 ff., 13 ff.; Köck, ZUR 2002, 121 ff., 123.<br />
94 Von Haaren, Bodennutzung zwischen Flächen- und ökologischen Funktionsansprüchen,<br />
in: Blum, Neue Wege zu nachhaltiger Bodennutzung, 2002,<br />
S. 183 ff., 185.<br />
95 Fälschlicherweise wird die Bezeichnung »Steuer« verwendet, vgl. SRU,<br />
Umweltgutachten 2000, 2.4.2 Bodenschutz, Ziff. 89, 1. Abs.<br />
96 SRU, Umweltgutachten 2000, 2.4.2 Bodenschutz, Ziff. 89, 1. Abs.<br />
97 Z.B. durch För<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Planung mit geringerem Flächenverbrauch o<strong>der</strong><br />
Reduzierung von Wohn- und Gewerbeflächen.<br />
98 Z.B. Abdeckungen von Straßen, Parkplätzen etc., vgl. Michaelis, ZUR Son<strong>der</strong>heft<br />
2002, 129 ff., 131.<br />
99 Zu den Einzelkriterien vgl. Heuser, Europäisches Bodenschutzrecht, S. 498 ff.<br />
100 SRU, Umweltgutachten 2000, 2.4.2 Bodenschutz, Ziff. 90, 1. Abs.<br />
101 Michaelis, ZUR Son<strong>der</strong>heft 2002, 129 ff., 130.<br />
102 Hendler/He<strong>im</strong>lich, ZRP 2000, 325 ff., 329.<br />
103 KOM (2001) 581 endg. vom 23.10.2001, S. 1 ff.<br />
104 Kloepfer, <strong>Umweltrecht</strong>, 3. A. 2004, § 5 Rn. 283 ff.; Krämer, in: Rengeling,<br />
EUDUR, § 15, S. 411 ff., 425.<br />
105 Hendler, FS <strong>für</strong> Winfried Brohm, S. 375 ff., 381; Schaltegger, Wirtschaftswissenschaften,<br />
2000, S. 96.<br />
106 Vgl. Von Haaren, Bodennutzung (a.a.O. Fn. 94), S. 183 ff., 185. Ein<br />
Vergleichsmodell aus dem Vereinigten Königreich empfiehlt etwa den Handel<br />
mit Deponierungszertifikaten durch Abfallwirtschaftsbehörden.<br />
107 SRU, Umweltgutachten 2000, 2.4.2 Bodenschutz, Ziff. 87, 1. Abs.<br />
108 Michaelis, ZUR Son<strong>der</strong>heft 2002, 129 ff., 132. Vgl. zu den Wirkungen handelbarer<br />
Flächenausweisungsrechte: Bizer, Handelbare Flächenausweisungsrechte,<br />
in: Köhn/Welfens, Umweltökonomie, 1996, S. 367 ff. Zu den Bedenken<br />
gegen dieses Instrument: Krämer, in: Rengeling, EUDUR, § 15, S. 411 ff.,<br />
425.<br />
109 Kloepfer, <strong>Umweltrecht</strong>, 3. A. 2004, § 5 Rn. 295. Zum Umsetzungsaufwand<br />
vgl. Hendler, in: FS <strong>für</strong> Winfried Brohm, S. 375 ff., 385.<br />
110 Zu den Verfahren <strong>der</strong> Erstvergabe von Zertifikaten: Schaltegger, Wirtschaftswissenschaften,<br />
2000, S. 97.<br />
111 Vgl. dazu <strong>im</strong> Einzelnen Michaelis, ZUR Son<strong>der</strong>heft 2002, 129 ff., 132 f.
wirten auf freiwilliger, beraten<strong>der</strong> Basis Hinweise zur bodenschonenden<br />
Nutzung geben und die Einhaltung <strong>der</strong> materiellen<br />
Bodenschutzpflichten kontrollieren. Bezüglich <strong>der</strong> strafrechtlichen<br />
Instrumente könnte ein strafrechtlicher Mindeststandard<br />
in <strong>der</strong> Union den zukünftigen Aufbau eines gemeinschaftlichen<br />
Bodenschutzrechts ergänzen und insbeson<strong>der</strong>e Abschreckungswirkung<br />
entfalten; diese Instrumente bewegen sich<br />
<strong>im</strong> Bereich <strong>der</strong> dritten Säule <strong>der</strong> Europäischen Union 112 .<br />
V. Zwischenergebnis<br />
Heuser, Überlegungen zur Gestaltung des EU-Bodenschutzrechts – Teil 2 | AUFSÄTZE<br />
Durch eine Kombination von regulativen und nicht-regulativen<br />
Instrumenten, insbeson<strong>der</strong>e solchen <strong>der</strong> Planung, <strong>der</strong> direkten<br />
und indirekten Verhaltenssteuerung, <strong>der</strong> Betriebsorganisation<br />
und des Privatrechts, kann ein effektiver EU-Bodenschutz erreicht<br />
werden. Politisch erschiene es jedoch weltfremd, wollte man<br />
annehmen, es könnten alle skizzierten bodenschutzrechtlichen<br />
Instrumente – in Umsetzung <strong>der</strong> Prinzipien des EU-Bodenschutzrechts<br />
– gleichzeitig realisiert werden. Die Einführung einzelner<br />
Instrumente wird neben rechtlichen Vorgaben vor allem vom politischen<br />
Willen abhängen. Einen Einblick in die Prozesse <strong>der</strong> politischen<br />
Abst<strong>im</strong>mung bodenschutzrechtlicher Vorgaben zeigen die<br />
bisherigen Diskussionen über eine Bodenschutz-(Rahmen-)Richtlinie<br />
auf EU-Ebene.<br />
D. Vorschlag <strong>für</strong> eine Bodenschutz-Rahmen-Richtlinie<br />
Den Aspekten des Bodenschutzes schenkte das geltende sechste<br />
Umweltaktionsprogramm »Our Future, our Choice« 113 zum ersten<br />
Mal insoweit umfassende Beachtung, als es eine »spezifische Strategie<br />
<strong>für</strong> den Bodenschutz« ankündigte. Zur Konkretisierung<br />
wurde am 16. April 2002 die Mitteilung <strong>der</strong> Kommission mit dem<br />
Titel »Hin zu einer spezifischen Bodenschutzstrategie« 114 erlassen.<br />
Trotz ihres breiten und eher beschreibenden Ansatzes bildet sie<br />
den Ausgangspunkt <strong>für</strong> weitere Maßnahmen und wurde auf EU-<br />
Ebene – insbeson<strong>der</strong>e vom fe<strong>der</strong>führenden Umweltausschuss 115<br />
und vom Agrarausschuss des Europäischen Parlaments – <strong>im</strong> Wesentlichen<br />
positiv aufgenommen; Letzterer for<strong>der</strong>te eine Umgestaltung<br />
<strong>der</strong> geltenden <strong>Recht</strong>svorschriften <strong>der</strong> EU zu einem einzigen<br />
<strong>Recht</strong>srahmen <strong>für</strong> den Bereich des Bodenschutzes. Die »Thematische<br />
Strategie <strong>für</strong> den Bodenschutz« wurde nach langen<br />
Diskussionen 116 und Konsultationen am 22. September 2006 zusammen<br />
mit einem »Vorschlag <strong>für</strong> eine Richtlinie zur Schaffung<br />
eines Ordnungsrahmens <strong>für</strong> den Bodenschutz (...)« 117 von <strong>der</strong><br />
Kommission vorgelegt. Dazu gab es bereits allgemeine Diskussionen<br />
in den Sitzungen <strong>der</strong> Ratsgruppe Umwelt zu Beginn des Jahres<br />
2007 und Planungen <strong>für</strong> eine Orientierungsdebatte <strong>im</strong> Umweltrat.<br />
Die »Thematische Strategie <strong>für</strong> den Bodenschutz« beschreibt in<br />
sehr knappen Worten die Situation <strong>der</strong> Böden und <strong>der</strong> EU-Bodenschutzpolitik.<br />
Wesentlich ist, dass die avisierten Maßnahmen sich<br />
nicht nur auf die vorgeschlagene BodSchRRL beschränken, son<strong>der</strong>n<br />
auch <strong>Recht</strong>sakte in an<strong>der</strong>en Umweltbereichen einbeziehen,<br />
wie etwa die (überfällige) Überarbeitung <strong>der</strong> Klärschlamm-Richtlinie<br />
und <strong>der</strong> IPPC-Richtlinie o<strong>der</strong> die Betrachtung von Synergien<br />
mit dem Kl<strong>im</strong>awandel o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Wasserrahmenrichtlinie 118 . Zudem<br />
sollen die Aspekte des Bodenschutzes verstärkt <strong>im</strong> Rahmen <strong>der</strong><br />
Pläne <strong>für</strong> die ländliche Entwicklung und an<strong>der</strong>e agrarpolitische<br />
Maßnahmen sowie in an<strong>der</strong>e Politiken einbezogen werden.<br />
Schließlich setzt die Kommission auf die sinnvolle Schließung von<br />
Kenntnislücken und die Sensibilisierung <strong>der</strong> Öffentlichkeit 119 .<br />
Ziel des BodSchRRL-Vorschlags sind <strong>der</strong> Schutz und <strong>der</strong> Erhalt<br />
<strong>der</strong> Fähigkeiten des Bodens zur Erfüllung seiner ökologischen,<br />
wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Funktionen 120 . Obwohl<br />
die Bodenfunktionen in Art. 1 Abs. 1 UAbs. 1 ohne Hierarchie nur<br />
hintereinan<strong>der</strong> aufgezählt werden, wird in UAbs. 2 Satz 1 als<br />
Richtlinienzweck die Vermeidung <strong>der</strong> Bodenqualitätsverschlechterung<br />
und damit <strong>der</strong> Bereich des Schutzes <strong>der</strong> natürlichen Bodenfunktionen<br />
hervorgehoben. Schon auf <strong>der</strong> Ebene des Anwendungsbereichs<br />
werden die Maßnahmen nach UAbs. 2 Satz 2<br />
nutzungsbezogen relativiert 121 . Von den acht in <strong>der</strong> Kommissionsmitteilung<br />
von 2002 genannten Hauptgefährdungen <strong>der</strong> Böden 122<br />
werden in dem BodSchRRL-Vorschlag wegen des begrenzten Erkenntnisstandes<br />
bzw. eines eigenen Richtlinienvorschlags 123 nur<br />
<strong>der</strong> Rückgang <strong>der</strong> biologischen Vielfalt <strong>der</strong> Böden und die Vermeidung<br />
von Hochwasser nicht aufgegriffen 124 . Als ein wesentliches<br />
Instrument des BodSchRRL-Vorschlags sollen gemäß Kapitel II,<br />
Art. 6 und 8, durch Erosion, Verluste organischer Substanzen, Versalzung,<br />
Verdichtung und Erdrutsche gefährdete »Risikogebiete«<br />
nach gemeinsamen Kriterien (Anhang I: Bodentyp, Kl<strong>im</strong>a, Bodenbedeckung<br />
etc.) best<strong>im</strong>mt und dort einzelstaatliche Risikomin<strong>der</strong>ungsziele<br />
und Maßnahmenprogramme aufgestellt werden.<br />
Zunächst verbleibt den Mitgliedstaaten hier weitgehende Handlungsfreiheit;<br />
es können nach Ansicht <strong>der</strong> Kommission jedoch<br />
»<strong>im</strong> Laufe <strong>der</strong> Zeit (...) Überwachungskonzepte und Verfahren entwickelt<br />
werden, die stärker harmonisiert sind« 125 . Die Planungsinstrumente<br />
des Kapitels II basieren auf einer Vorsorgepflicht des<br />
Landnutzers gemäß Art. 4, Vorsorgemaßnahmen zu ergreifen, falls<br />
die Art <strong>der</strong> Bodennutzung die Bodenfunktionen deutlich beeinträchtigt,<br />
damit nachteilige Auswirkungen vermieden bzw. min<strong>im</strong>iert<br />
werden. Hier wäre eine präzisere und konsequentere Ausgestaltung<br />
(i.S.d. skizzierten materiellen Bodenschutzpflichten), ggf.<br />
unter Abstufung <strong>der</strong> Bodenfunktionen, zu begrüßen. Für den<br />
Bereich des Schutzes vor Bodenversiegelungen 126 wird in Art. 5<br />
BodSchRRL-Vorschlag lediglich festgestellt, dass die Mitgliedstaaten<br />
geeignete Maßnahmen zur Begrenzung <strong>der</strong> Versiegelung ergreifen.<br />
In Fällen, »in denen eine Versiegelung vorgenommen wer-<br />
112 Vgl. dazu den Rahmenbeschluss 2003/80/JI, insbeson<strong>der</strong>e Art. 2 mit <strong>der</strong> Umschreibung<br />
<strong>der</strong> vorsätzlichen Straftaten, die u.a. den Boden betreffen, ABl.<br />
Nr. L 29 vom 5.2.2003, 55 ff.<br />
113 Beschluss Nr. 1600/2002/EG vom 22.7.2002, vgl. ABl. Nr. L 242 vom 10.9.2002,<br />
1 ff. Der übersetzte Titel lautet: »Unsere Zukunft liegt in unserer Hand«. Zum<br />
Entwurf vgl. KOM (2001) 31 endg., S. 1 ff., 1 ff.<br />
114 Als Elemente einer zukünftig zu entwickelnden Bodenschutzstrategie nennt<br />
die Kommission erstens unmittelbare Initiativen <strong>im</strong> Umweltbereich (z.B.<br />
Än<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Klärschlamm-Richtlinie o<strong>der</strong> Erarbeitung einer Kompost-<br />
Richtlinie), zweitens die Einbeziehung des Bodenschutzes in an<strong>der</strong>e Politikbereiche,<br />
insbeson<strong>der</strong>e die gemeinsame Agrarpolitik, drittens ein noch<br />
vorzuschlagendes Bodenüberwachungssystem und viertens die künftige<br />
Entwicklung neuer Maßnahmen auf <strong>der</strong> Grundlage <strong>der</strong> Überwachungsergebnisse.<br />
Vgl. KOM (2002) 179 endg. vom 16.4.2002, S. 1 ff., 7, 33-39.<br />
115 Europäisches Parlament, Bericht des Ausschusses <strong>für</strong> Umweltfragen, Volksgesundheit<br />
und Verbraucherschutz über diese Mitteilung <strong>der</strong> Kommission<br />
(KOM (2002) 179 – C5-0328/2002 – 2002/2172 (COS)) vom 10.10.2003, S. 1<br />
ff., 6 f., Ziff. 1-3.<br />
116 Zur Gestaltung dieses Prozesses setzte die Generaldirektion Umwelt <strong>im</strong> April<br />
2003 fünf »technische Arbeitsgruppen« zu den Themen Monitoring, Erosion,<br />
organische Substanz, Kontamination und Forschung sowie ein beratendes<br />
»Advisory Forum« ein. Vgl. European Commission, Soil Protection –<br />
The story behind the strategy, Luxembourg 2006, S. 15 ff.<br />
117 KOM (2006) 232 endg. und KOM (2006) 231 endg., jeweils vom 22.9.2006,<br />
S. 1 ff.<br />
118 Vgl. KOM (2006) 231 endg., S. 1 ff., 13; European Commission, Soil Protection<br />
– The story behind the strategy, Luxembourg 2006, S. 9 ff.<br />
119 KOM (2006) 231 endg., S. 1 ff., 7, 10.<br />
120 Vgl. KOM (2006) 232 endg., S. 1 ff., 3.<br />
121 Im deutschen BBodSchG erfolgt eine vergleichbare nutzungsbezogene<br />
Modifikation erst <strong>im</strong> Rahmen <strong>der</strong> Gefahrenabwehrpflichten gemäß § 4 Abs.<br />
4 S. 1 und S. 2 BBodSchG.<br />
122 Vgl. KOM (2002) 179 endg., S. 1 ff. Dazu European Commission, Soil Protection<br />
– The story behind the strategy, Luxembourg 2006, S. 9 ff.<br />
123 Richtlinienvorschlag über die Bewertung und Bekämpfung von Hochwasser,<br />
vgl. KOM (2006) 15 endg. vom 18.1.2006, S. 1 ff.<br />
124 Vgl. zur Folgenabschätzung <strong>der</strong> thematischen Strategie zusammenfassend<br />
das Begleitdokument <strong>der</strong> Kommissionsdienststellen: SEK (2006) 1165 vom<br />
22.9.2006, S. 1 ff., 3 f.<br />
125 KOM (2006) 231 endg., S. 1 ff., 8. Zum Schaubild vgl. KOM (2006) 231<br />
endg./2 vom 27.9.2006, S. 1 ff., 8.<br />
126 Zur Definition vgl. Art. 2 Ziff. (1), KOM (2006) 232, S. 1 ff., 17.<br />
ZUR 3/2007 | 119
AUFSÄTZE | Heuser, Überlegungen zur Gestaltung des EU-Bodenschutzrechts – Teil 2<br />
den muss«, ergreifen die Mitgliedstaaten Maßnahmen, um <strong>der</strong>en<br />
Auswirkungen insbeson<strong>der</strong>e durch den Einsatz von Baumethoden<br />
und Bauprodukten abzuschwächen. Lei<strong>der</strong> werden in Art. 5 we<strong>der</strong><br />
die vorausgesetzte Versiegelungsnotwendigkeit noch das in diesem<br />
Falle bestehende Ziel <strong>der</strong> Aufrechterhaltung möglichst vieler<br />
Bodenfunktionen inhaltlich konkretisiert. Auch wenn es nachvollziehbare<br />
Gründe gibt, dies den Mitgliedstaaten zu überlassen,<br />
hätte auch hier eine Bezugnahme auf die natürlichen Bodenfunktionen<br />
<strong>für</strong> mehr Klarheit gesorgt. 127 Positiv ist anzumerken, dass<br />
sich <strong>der</strong> BodSchRRL-Vorschlag mit Einführung dieser Instrumente<br />
– wenn auch nur sehr zögerlich – mit den bisher vernachlässigten<br />
Bereichen des physikalischen und biologischen Bodenschutzes befasst.<br />
Der Schwerpunkt <strong>der</strong> BodSchRRL liegt auf den in Kapitel III des<br />
Vorschlags aufgeführten Instrumenten zum chemischen Bodenschutz.<br />
Art. 9 regelt eine Pflicht zur Vermeidung von Bodenverunreinigungen,<br />
welche sich jedoch durch »Aufbringung o<strong>der</strong> Einbringung<br />
gefährlicher Stoffe« manifestieren soll. Ausgenommen<br />
sind Ablagerungen aus <strong>der</strong> Luft und Stoffeinträge infolge eines<br />
unabwendbaren Naturereignisses – insoweit wird offensichtlich<br />
das Luftreinhaltereg<strong>im</strong>e als abschließend betrachtet. Durch die<br />
Definition <strong>der</strong> »gefährlichen Stoffe« als Stoffe o<strong>der</strong> Zubereitungen<br />
i.S.d. Gefahrstoff-Richtlinie bzw. <strong>der</strong> Zubereitungs-Richtlinie 128<br />
wird das chemikalienrechtliche Bewertungsreg<strong>im</strong>e auf den Bodenschutz<br />
angewandt und die Maßnahmen zur Begrenzung chemischer<br />
Beeinträchtigungen grundlegend beschränkt. Es soll eine<br />
Anreicherung vermieden werden, die die Bodenfunktionen beeinträchtigen<br />
o<strong>der</strong> eine erhebliche Gefahr <strong>für</strong> die menschliche Gesundheit<br />
o<strong>der</strong> die Umwelt darstellen könnte. Mit diesem Maßstab,<br />
<strong>der</strong> sich <strong>im</strong>merhin auch – sozusagen »ökozentrisch« – auf bloße<br />
Beeinträchtigungen <strong>der</strong> Bodenfunktionen stützt, wird über die<br />
insoweit restriktivere Umwelthaftungs-Richtlinie Nr.<br />
2004/35/EG 129 hinausgegangen. Mit den weiteren Instrumenten<br />
des Kapitels III knüpft die Kommission an die Ursprünge <strong>der</strong> forschungspolitischen<br />
Befassung mit Bodenschutzproblemen auf<br />
EU-Ebene an 130 . Unter Wettbewerbsgesichtspunkten wurde gerade<br />
die Unterschiedlichkeit <strong>der</strong> Altlastenbehandlung <strong>im</strong>mer als<br />
Hin<strong>der</strong>ungsgrund auf Gemeinschaftsebene angesehen, so dass es<br />
nunmehr konsequent erscheint, die Aufstellung eines Verzeichnisses<br />
verunreinigter Standorte gemäß Art. 10, die Erstellung eines<br />
Bodenzustandsberichts nach Art. 12 sowie die Festlegung einer nationalen<br />
Sanierungsstrategie gemäß den Art. 13, 14 (einschließlich<br />
<strong>der</strong> Finanzierung sog. »herrenloser« Standorte) usw. vorzusehen.<br />
Als Bezugspunkte dienen die in Anhang II genannten potentiell<br />
Boden verschmutzenden Tätigkeiten 131 . Neben weiteren informatorischen<br />
Instrumenten (Berichtspflichten, Ausschuss) legen die<br />
Mitgliedstaaten nach Art. 22 BodSchRRL-Vorschlag Sanktionen<br />
bei einem Verstoß gegen die innerstaatlichen Umsetzungsvorschriften<br />
fest.<br />
E. Formale Aspekte des EU-Bodenschutzrechts<br />
Neben den geschil<strong>der</strong>ten materiell-rechtlichen Überlegungen vor<br />
allem zur instrumentellen Ausformung hängt die Gestaltung des<br />
EU-Bodenschutzes de lege ferenda von formell-rechtlichen<br />
Voraussetzungen ab. Im Hinblick auf <strong>Recht</strong>sform und Reichweite<br />
eines <strong>Recht</strong>saktes ist zu beachten, dass die Bezeichnung als »Rahmen-Richtlinie«<br />
die normative Dichte <strong>der</strong> Best<strong>im</strong>mungen<br />
betrifft 132 und eventuell langfristig auf die Verwirklichung weiterer<br />
Instrumente hoffen lässt. Dies setzt voraus, dass die erheblichen<br />
Kritikpunkte einiger Mitgliedstaaten, die sich u.a. auf die Option<br />
»Strategie ohne Richtlinie« – welche so gut wie gar keinen Fortschritt<br />
bedeuten würde – beziehen, einer Klärung zugeführt werden.<br />
Vorliegend sollen die Instrumente des Bodenschutzes <strong>im</strong><br />
120 | ZUR 3/2007<br />
Hinblick auf die EU-Kompetenzen und das Subsidiaritätsprinzip<br />
betrachtet werden.<br />
I. Kompetenzen <strong>der</strong> EU <strong>im</strong> Bodenschutz<br />
Eine <strong>der</strong> wesentlichen Fragen <strong>im</strong> vorliegenden Zusammenhang ist<br />
diejenige nach den Kompetenzen <strong>der</strong> Europäischen Union <strong>im</strong> Vergleich<br />
zu den Mitgliedstaaten. Wie bereits gezeigt wurde, liegt <strong>der</strong><br />
Schwerpunkt <strong>der</strong> Gemeinschaftsregelungen zum Bodenschutz<br />
eindeutig <strong>im</strong> Bereich <strong>der</strong> Umweltpolitik, so dass auch kompetenziell<br />
pr<strong>im</strong>är Art. 175 EGV einschlägig ist. Im Rahmen <strong>der</strong> gemeinschaftlichen<br />
Umweltkompetenz ist <strong>im</strong> Ergebnis 133 zwischen Maßnahmen<br />
zum chemischen und biologischen Bodenschutz sowie<br />
zum physikalischen Schutz vor Bodenerosion und Bodenverdichtung<br />
gemäß Art. 175 Abs. 1 EGV einerseits und den<br />
Aspekten des Schutzes vor Boden- und Landschaftsverbrauch (inklusive<br />
des Schutzes vor Bodenversiegelungen) gemäß <strong>der</strong><br />
Ausnahmevorschrift des Art. 175 Abs. 2 UAbs. 1 lit. b), 3. Spstr.<br />
EGV an<strong>der</strong>erseits zu differenzieren. Anhaltspunkte <strong>für</strong> die Reichweite<br />
<strong>der</strong> »Maßnahmen, die die Bodennutzung berühren« i.S.d.<br />
letztgenannten Kompetenznorm ergeben sich aus <strong>der</strong> <strong>Recht</strong>sprechung<br />
des Gerichtshofs <strong>im</strong> »Danube«-Urteil 134 , wonach<br />
gemäß Art. 175 Abs. 2 UAbs. 1, 2. Spstr. EGV (i.d.F.d. Amsterdamer<br />
Vertrags; eine Korrektur erfolgte durch den Vertrag von Nizza) nur<br />
die mengenmäßige Bewirtschaftung <strong>der</strong> Wasserressourcen vom<br />
Einst<strong>im</strong>migkeitserfor<strong>der</strong>nis <strong>im</strong> Rat und <strong>der</strong> bloßen Parlamentsanhörung<br />
betroffen ist 135 . Für die »Ressourcen des Territoriums und<br />
des Landes <strong>der</strong> Mitgliedstaaten« kommt <strong>der</strong> Gerichtshof zu dem<br />
Schluss, dass Art. 175 Abs. 2 nur quantitative Maßnahmen, nicht<br />
aber solche zur Verbesserung und zum Schutz <strong>der</strong> Qualität dieser<br />
Ressourcen erfasst 136 . Diese Auslegung wird von <strong>der</strong> Literaturmeinung<br />
unterstützt, wonach <strong>der</strong> Begriff <strong>der</strong> Bodennutzung nicht<br />
Qualitätsnormen betrifft, die den chemischen Schutz des Bodens<br />
bezwecken 137 . Zumindest <strong>der</strong> chemische und <strong>der</strong> biologische Bodenschutz<br />
müsste daher systematisch Art. 175 Abs. 1 EGV zugeordnet<br />
werden. »Maßnahmen, die die Bodennutzung berühren«<br />
(in <strong>der</strong> englischen Sprachfassung »land use«) erfassen daher nicht<br />
den (kleinräumigen) Boden, so dass als Schutzpendant lediglich<br />
<strong>der</strong> Schutz vor Boden- und Landschaftsverbrauch von dieser Ausnahmevorschrift<br />
»berührt« sein könnte. Konsequenterweise<br />
müssten Regelungen zum Schutz vor Bodenversiegelungen<br />
danach dem Einst<strong>im</strong>migkeitserfor<strong>der</strong>nis unterfallen. 138 Dagegen<br />
wirkt sich <strong>der</strong> physikalische Schutz vor Erosion und Verdichtung<br />
des Bodens zunächst auch auf die Bodenqualität aus und weist kei-<br />
127 Wägenbaur begründet die diesbezügliche Zurückhaltung <strong>der</strong> Kommission damit,<br />
dass sie sich nicht in <strong>der</strong> Lage sehe, hier<strong>für</strong> allgemeine Vorschriften<br />
vorzuschlagen, vgl. EuZW 2007, 2.<br />
128 Richtlinie Nr. 67/548/EWG, vgl. ABl. Nr. L 196 vom 16.8.11967, 1 ff.; Richtlinie<br />
Nr. 1999/45/EG vgl. ABl. Nr. L 200 vom 30.7.1999, 1 ff. Dazu ZUR 2/2007, 63 ff.,<br />
67.<br />
129 Diese verlangt bei Bodenschäden nicht die Wie<strong>der</strong>herstellung des Ausgangszustandes,<br />
son<strong>der</strong>n nur die Herstellung von Bodenverhältnissen, bei denen<br />
Gesundheitsgefahren ausgeschlossen sind. Die Kommission hatte die unterschiedlichen<br />
Sanierungsziele mit den sehr heterogenen Sanierungskonzepten<br />
<strong>im</strong> <strong>Recht</strong> <strong>der</strong> Mitgliedstaaten begründet, ABl. Nr. L 143 vom 30.4.2004,<br />
56 ff., 58, 29. Erwägungsgrund.<br />
130 Vgl. Heuser, ZUR 2007, 63 ff., 70.<br />
131 Einschließlich <strong>der</strong> in Anhang I <strong>der</strong> IPPC-Richtlinie aufgelisteten Tätigkeiten.<br />
132 Ruffert, in: Calliess/Ruffert, Art. 249 EGV Rn. 45.<br />
133 Vgl. <strong>im</strong> Einzelnen Heuser, Europäisches Bodenschutzrecht, 2005, S. 538 ff.<br />
134 EuGH vom 30.1.2001 zum Donauschutzübereinkommen, Rs. C-36/98 (Spanien/Rat),<br />
Slg. I-779, Rn. 49 ff. (insb. Rn. 52).<br />
135 So auch die vom Rat verfolgte Praxis, vgl. Rat <strong>der</strong> Europäischen Union, Drs.<br />
9147/98 vom 04.6.1998, S. 3, Ziff. 5 (Juristischer Dienst zur Wasserrahmenrichtlinie).<br />
136 EuGH vom 30.1.2001, Rs. C-36/98 (Spanien/Rat), Slg. I-779, Rn. 52. Vgl.<br />
dazu Scheuing, EuR 2002, 619 ff., 638 f.<br />
137 Jahns-Böhm, in: Schwarze, Art. 175 EGV Rn. 17.<br />
138 <strong>Das</strong>s Maßnahmen <strong>der</strong> Bauleitplanung vom Begriff <strong>der</strong> Bodennutzung erfasst<br />
werden, wird auch in <strong>der</strong> Literatur vertreten, vgl. Calliess, in: Calliess/Ruffert,<br />
Art. 175 EGV Rn. 20.
ne stärkeren Bezüge zur Landnutzung auf als <strong>der</strong> chemische o<strong>der</strong><br />
biologische Bodenschutz; diese Aspekte werden daher ebenfalls<br />
von Art. 175 Abs. 1 EGV erfasst. Von dieser Abgrenzung geht wohl<br />
auch die Kommission aus, wenn sie in dem BodSchRRL-Vorschlag<br />
einerseits die Planungsinstrumente <strong>der</strong> Ausweisung von Risikogebieten<br />
und Maßnahmenprogramme ohne weitere Begründung auf<br />
Art. 175 Abs. 1 EGV stützt und an<strong>der</strong>erseits betont, dass die Gemeinschaft<br />
in Flächennutzungsfragen nur eine begrenzte Zuständigkeit<br />
besitzt 139 .<br />
Daher betreffen die meisten skizzierten Instrumente die<br />
Umweltkompetenz des Art. 175 Abs. 1 EGV, während lediglich die<br />
Bodenversiegelungsson<strong>der</strong>abgaben und das Instrument des Handels<br />
mit Flächenausweisungsrechten auf die abweichende Verfahrensvorschrift<br />
des Art. 175 Abs. 2 UAbs. 1 lit. b), 3. Spstr. EGV und<br />
die genannten Bodenschutzplanungsinstrumente auf Art. 175<br />
Abs. 2 UAbs. 1 lit. b), 1. Spstr. EGV zu stützen wären. Daneben<br />
kommen die ergänzenden Instrumentarien <strong>der</strong> Verbote von<br />
extrem bodengefährdenden Inhaltsstoffen in Dünge- und Pflanzenschutzmitteln,<br />
<strong>der</strong> Einführung eines »Bodenprüfers« o<strong>der</strong><br />
einer Anzeigepflicht <strong>für</strong> die Eröffnung landwirtschaftlicher<br />
Betriebe sowie <strong>der</strong> Verstärkung <strong>der</strong> bestehenden Agrarumweltbeihilfen<br />
um Bodenschutzziele nach Art. 37 Abs. 2 UAbs. 3<br />
EGV auf <strong>der</strong> Grundlage <strong>der</strong> Agrarkompetenz in Betracht. Bei einer<br />
Zusammenführung mehrerer Instrumente würde – in Abhängigkeit<br />
von <strong>der</strong> Ausgestaltung <strong>im</strong> Einzelnen – <strong>der</strong> Schwerpunkt auf<br />
Art. 175 Abs. 1 EGV liegen, so dass bei einer die Instrumente vereinenden<br />
Bodenschutz-(Rahmen-)Richtlinie diese <strong>Recht</strong>sgrundlage<br />
maßgebend wäre.<br />
II. Subsidiaritätsprinzip<br />
Heuser, Überlegungen zur Gestaltung des EU-Bodenschutzrechts – Teil 2 | AUFSÄTZE<br />
<strong>Das</strong> Subsidiaritätsprinzip gemäß Art. 5 Abs. 2 EGV dient als »Kompetenzausübungs-<br />
und Kompetenzabgrenzungsschranke« <strong>für</strong><br />
nicht in die ausschließliche Zuständigkeit <strong>der</strong> Gemeinschaft fallende<br />
Bereiche 140 . Entgegen seiner Bedeutung wird es häufig pauschal<br />
als Mittel zur Verhin<strong>der</strong>ung von Bodenschutzregelungen auf<br />
EU-Ebene herangezogen 141 . Derzeit haben neun von 27 Mitgliedstaaten<br />
spezifische und sehr unterschiedliche <strong>Recht</strong>svorschriften<br />
zum Bodenschutz erlassen 142 . Nach Art. 5 Abs. 2 EGV sind als<br />
kumulative Voraussetzungen <strong>für</strong> eine Zuständigkeit <strong>der</strong> Gemeinschaft<br />
sowohl eine Überfor<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Mitgliedstaaten mit <strong>der</strong> Regelung<br />
(sog. Test <strong>der</strong> vergleichenden Effizienz) als auch ein Regelungsbedürfnis<br />
aus <strong>der</strong> Sicht <strong>der</strong> Zielsetzungen <strong>der</strong> Gemeinschaft<br />
(Test des Mehrwerts <strong>der</strong> Gemeinschaftsregelung) erfor<strong>der</strong>lich 143 .<br />
Der Test <strong>der</strong> vergleichenden Effizienz wird positiv ausfallen, wenn<br />
die Problemlösung <strong>im</strong> Bereich des Bodenschutzes sinnvollerweise<br />
eine Kooperation voraussetzt 144 . Nach dem Test des Mehrwerts <strong>der</strong><br />
Gemeinschaftsregelung müssen zudem die Ziele einer Bodenschutz-(Rahmen-)Richtlinie<br />
wegen ihres Umfangs o<strong>der</strong> ihrer Wirkungen<br />
besser, d.h. effizienter 145 , auf Gemeinschaftsebene erreicht<br />
werden können; dabei kann eine bloße <strong>Recht</strong>s- und Verwaltungsvereinfachung<br />
durch Vereinheitlichung nicht ausreichen 146 . Nach<br />
den Leitlinien in Ziffer 5 des Protokolls zum Vertrag von Amsterdam<br />
über die Anwendung <strong>der</strong> Grundsätze <strong>der</strong> Subsidiarität und<br />
<strong>der</strong> Verhältnismäßigkeit ist ein Handeln <strong>der</strong> Gemeinschaft gerechtfertigt,<br />
wenn es um ein Sachgebiet geht, das transnationale<br />
Aspekte aufweist, wenn alleinige Maßnahmen <strong>der</strong> Mitgliedstaaten<br />
o<strong>der</strong> das Fehlen von Gemeinschaftsmaßnahmen gegen die Anfor<strong>der</strong>ungen<br />
des Vertrages verstoßen würden o<strong>der</strong> wenn Maßnahmen<br />
auf Gemeinschaftsebene wegen ihres Umfangs o<strong>der</strong> ihrer<br />
Wirkungen deutliche Vorteile mit sich bringen würden 147 . Obwohl<br />
Böden grundsätzlich ortsgebunden sind und standortspezifische<br />
Systeme bilden, ist eine grenzüberschreitende D<strong>im</strong>ension 148 nicht<br />
ausgeschlossen 149 , son<strong>der</strong>n besteht in seinen konkreten Gefährdungen<br />
durch Schadstoffeinträge über das Wasser und die Luft<br />
und Flächeneinwirkungen durch Wind- und Wassererosionen.<br />
Zudem besteht ein Zusammenhang zwischen dem Bodenschutz<br />
(»Boden als CO2-Senke«) und <strong>der</strong> gemeinschaftsweiten Kl<strong>im</strong>apolitik,<br />
bei <strong>der</strong> unzweifelhaft ein Regelungsbedürfnis besteht 150 . Insofern<br />
sprechen diese Zusammenhänge und die Bedeutung <strong>der</strong> organischen<br />
Bodensubstanz <strong>im</strong> Rahmen des Kohlenstoffkreislaufs <strong>für</strong><br />
einen europäischen Mehrwert zumindest <strong>im</strong> Bereich des biologischen<br />
und des chemischen und teilweise des physikalischen Bodenschutzes.<br />
Zudem sind wirtschaftspolitische Auswirkungen zu<br />
berücksichtigen 151 , da eine national unterschiedliche Auferlegung<br />
von Bodenschutzverpflichtungen zu erheblichen Wettbewerbsverzerrungen<br />
o<strong>der</strong> Investitionsverlagerungen führt 152 . Mit <strong>der</strong><br />
Sorge vor möglichen Investitionsbeschränkungen begründete Belgien<br />
in <strong>der</strong> Rats-Arbeitsgruppe Umwelt am 30. April 2002 153 die<br />
For<strong>der</strong>ung nach einer Rahmenrichtlinie zum Bodenschutz, da zumindest<br />
Flan<strong>der</strong>n ein Bodenschutz-<strong>Recht</strong>sinstrument entwickelt<br />
habe. Ohne gemeinschaftliche Maßnahmen könnten Wirtschaftsakteure<br />
das existierende Vakuum in einigen Mitgliedstaaten bezüglich<br />
Bodenschutzpflichten und sonstigen Vorsorge- o<strong>der</strong> Haftungsmaßnahmen<br />
ausnutzen 154 . Nachdem die beiden erstgenannten<br />
Leitlinien des Subsidiaritätsprotokolls <strong>für</strong> eine Regelung<br />
weitgehend aller Aspekte des Bodenschutzes auf Gemeinschaftsebene<br />
sprechen, werden zum Kriterium des Umfangs o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Wirkungen<br />
auch – z.B. aus nie<strong>der</strong>ländischer Sicht 155 – die Multifunktionalität<br />
<strong>der</strong> Böden, das Erfor<strong>der</strong>nis des Erhalts des sensiblen<br />
Gleichgewichts zwischen den Umweltmedien und <strong>der</strong> enge Zusammenhang<br />
zwischen Bodendegradation und an<strong>der</strong>en Umweltproblemen<br />
als Argumente genannt. 156 Die Voraussetzungen<br />
<strong>für</strong> eine Zuständigkeit <strong>der</strong> Gemeinschaft <strong>im</strong> Hinblick auf eine Bodenschutz-(Rahmen-)Richtlinie<br />
gemäß Art. 5 Abs. 2 EGV sind<br />
damit aus verschiedenen Gründen gegeben. Durch die Sperrwirkung<br />
zu Lasten ihrer Normierungskompetenz sind die Mitgliedstaaten<br />
an <strong>der</strong> Anwendung ihres innerstaatlichen <strong>Recht</strong>s durch<br />
auf dem gleichen Sachgebiet bestehendes Gemeinschaftsrecht gehin<strong>der</strong>t<br />
157 .<br />
139 Vgl. KOM (2006) 232, S. 1 ff., 4.<br />
140 Lienbacher, in: Schwarze, Art. 5 EGV Rn. 1; Sch<strong>im</strong>a, <strong>Das</strong> Subsidiaritätsprinzip <strong>im</strong><br />
Europäischen Gemeinschaftsrecht, 1994, S. 83 f.<br />
141 Vgl. den (mehrheitlichen) Beschluss des Bundesrates vom 15.12.2006, Drs.<br />
696/06 (Beschluss), insb. Ziff. 2, 3. Spstr. Vgl. auch die pauschale Aussage <strong>der</strong><br />
Kommission in: SEK (2006) 1165 vom 22.9.2006, S. 1 ff., 6.<br />
142 Vgl. Heuser, Europäisches Bodenschutzrecht, 2005, S. 335 ff., S. 362 ff.<br />
143 Vgl. KOM, SEK (92) 1990 endg., S. 1 ff., 10; Schrö<strong>der</strong>, in: Rengeling, EUDUR,<br />
§ 9 Rn. 72; Döring, Subsidiarität (a.a.O., Fn. 76), S. 265 ff.<br />
144 Pernice, RdE 1993, S. 45 ff., 49; Calliess, in: Calliess/Ruffert, Art. 5 EGV Rn.<br />
36.<br />
145 KOM, Explanatory Memorandum, Integrated Pollution Prevention and<br />
Control, 1993, S. 8.<br />
146 Schmidhuber/Hitzler, NVwZ 1992, 720 ff., 723.<br />
147 KOM (2001) 728, S. 1 ff. (Ziff. 2.1, dritter Spstr.).<br />
148 Zu diesem Kriterium vgl. KOM, Explanatory Memorandum IPPC (a.a.O. Fn.<br />
148), S. 8.<br />
149 So Engel, DVBl. 1999, 1069 ff., 1072.<br />
150 Vgl. Art. 5 des Beschlusses Nr. 1600/2002/EG vom 22.7.2002. Vgl. Wynen, A<br />
UN Convention on Soil Health or What Are the Alternatives?, 2002, S. 35.<br />
151 KOM (2001) 728, S. 1 ff. (Ziff. 2.1, dritter Spstr.).<br />
152 Vgl. Kloepfer, <strong>Umweltrecht</strong>, 3. A. 2004, § 9 Rn. 109.<br />
153 Rat <strong>der</strong> Europäischen Union, Dok. Nr. 8747/02, S. 1 ff., 9 Ziff. 26.1.<br />
154 Vgl. auch die Begründung zum Subsidiaritätsprinzip <strong>im</strong> Folgenabschätzungsbogen<br />
zum Kommissions-Vorschlag Umwelthaftung: KOM (2002) 17<br />
endg., S. 1 ff., 57 ff.<br />
155 Vgl. dazu Council of Europe, Rational Use of Land: basis and l<strong>im</strong>iting factor<br />
of our development (CEMAT (88) 5), Strasbourg 1988, S. 44 f.<br />
156 Vgl. zum Schutzgedanken des »common heritage of mankind«: Heuser,<br />
Europäisches Bodenschutzrecht, 2005, S. 247 ff. Vgl. auch die Argumente<br />
<strong>der</strong> Kommission: KOM (2006) 232 endg., S. 1 ff., 2, und KOM (2002) 17<br />
endg., S. 58.<br />
157 Vgl. Calliess, in: Calliess/Ruffert, Art. 5 EGV Rn. 28 ff.; EuGH, Rs. 804/79<br />
(KOM/VK) vom 05.5.1981, Slg. 1981, S. 1045 ff., 1075.<br />
ZUR 3/2007 | 121
AUFSÄTZE | Wustlich, <strong>Das</strong> <strong>Recht</strong> <strong>der</strong> <strong>Windenergie</strong> <strong>im</strong> <strong>Wandel</strong> – Teil 2<br />
F. Ausblick<br />
In den vorliegenden Überlegungen zur Gestaltung des EU-Bodenschutzrechts<br />
wurde gezeigt, welche Instrumente auf Gemeinschaftsebene<br />
eingeführt werden könnten und <strong>im</strong> Hinblick auf die<br />
EU-Kompetenzen und das Subsidiaritätsprinzip zulässig wären.<br />
Zudem wurde die von <strong>der</strong> Europäischen Kommission am 22. September<br />
2006 vorgeschlagene Rahmenrichtlinie untersucht und<br />
festgestellt, dass in rechtlicher Hinsicht die Schwerpunkte des chemischen<br />
und teilweise des physikalischen und biologischen<br />
Bodenschutzes ausgewählt werden konnten. Der herrschende Gegenwind<br />
selbst zu dieser eher »abgespeckten« Richtlinienfassung<br />
ist politisch nicht überraschend; gleichwohl könnte eine Versachlichung<br />
<strong>der</strong> Diskussion durch klarere Benennung <strong>der</strong> rechtlichen<br />
Vorgaben den Blick auf die zu erwartenden Chancen einer Gemeinschaftsregelung<br />
öffnen. Es wäre zu begrüßen, wenn aus <strong>der</strong><br />
Palette möglicher Bodenschutz-Instrumente die noch nicht o<strong>der</strong><br />
nicht hinreichend erfassten Gefährdungen <strong>im</strong> Verlaufe dieses<br />
<strong>Recht</strong>setzungsverfahren o<strong>der</strong> späterer Richtlinienergänzungen<br />
aufgenommen werden könnten. Langfristig wird ein Fehlen von<br />
Regelungen zum Schutz <strong>der</strong> Böden nicht nur die Nachhaltigkeit,<br />
son<strong>der</strong>n auch die Wettbewerbsfähigkeit <strong>der</strong> Europäischen Union<br />
unterminieren.<br />
Guido Wustlich *<br />
<strong>Das</strong> <strong>Recht</strong> <strong>der</strong> <strong>Windenergie</strong> <strong>im</strong> <strong>Wandel</strong><br />
Teil 2: <strong>Windenergie</strong> auf See<br />
Im Anschluss an die Darstellung <strong>der</strong> <strong>Windenergie</strong> an Land (»Onshore-<br />
<strong>Windenergie</strong>«) 1 wird nachfolgend die seeseitige Nutzung <strong>der</strong> <strong>Windenergie</strong><br />
(»Offshore-<strong>Windenergie</strong>«) skizziert, die sich sowohl in ihrer Bedeutung<br />
als auch in ihrer rechtlichen Befassung grundlegend von <strong>der</strong> landseitigen<br />
Nutzung unterscheidet. Im Blickfeld <strong>der</strong> juristischen<br />
Betrachtung steht die Abwägung <strong>der</strong> Offshore-<strong>Windenergie</strong> mit den<br />
Belangen <strong>der</strong> Meeresumwelt und <strong>der</strong> Sicherheit und Leichtigkeit des<br />
Schiffsverkehrs, aber auch die Bereitstellung stabiler wirtschaftlicher<br />
und finanzieller Rahmenbedingungen, die dem technischen und wirtschaftlichen<br />
Risiko dieser neuen Technologie entsprechen. Gerade hierzu<br />
haben sich in den vergangenen Monaten zahlreiche <strong>Recht</strong>sän<strong>der</strong>ungen<br />
ergeben, die nachfolgend beschrieben werden.<br />
A. Einleitung<br />
Die Erfolgsgeschichte, die die Nutzung <strong>der</strong> <strong>Windenergie</strong> bereits an<br />
Land geschrieben hat, 2 wird künftig auch auf See erwartet: Die Offshore-<strong>Windenergie</strong><br />
soll, wie die Bundesregierung <strong>im</strong> Jahr 2002 in<br />
ihrer sog. Offshore-Strategie als Ziel formuliert hat, <strong>im</strong> Jahr 2030<br />
bis zu 25.000 MW installierter Leistung umfassen und dadurch<br />
15% des deutschen Stromverbrauchs stellen, 3 insbeson<strong>der</strong>e da sie<br />
einen deutlich höheren Energieertrag durch stetigere und bessere<br />
Windverhältnisse verspricht als die landseitige Nutzung <strong>der</strong> <strong>Windenergie</strong>.<br />
4 Zusammen mit dem bis dann erwarteten Anteil <strong>der</strong> Onshore-<strong>Windenergie</strong><br />
von 10% würde die Nutzung <strong>der</strong> gesamten<br />
<strong>Windenergie</strong> 2030 ein Viertel des deutschen Stromverbrauchs<br />
bereitstellen und damit die Energieversorgungssicherheit deutlich<br />
122 | ZUR 3/2007<br />
Dr. Irene L. Heuser<br />
Staatskanzlei des Landes Brandenburg, Abteilung »Europa und Internationales«,<br />
zuständig <strong>für</strong> EU-Koordinierung und u.a. die EU-Umweltpolitik,<br />
EU-Verfassung, Erweiterung; daneben Mitglied <strong>der</strong> IUCN (The<br />
World Conservation Union) Commission on Environmental Law, Specialist<br />
Group on Sustainable Use of Soils and Desertification.<br />
Anschrift: Referat 51, Heinrich-Mann-Allee 107, 14473 Potsdam,<br />
Irene.Heuser@stk.brandenburg.de<br />
Tätigkeitsbereiche: <strong>Umweltrecht</strong>, Europa- und Völkerrecht, Agrarrecht,<br />
Technikrecht.<br />
Aktuelle Veröffentlichungen: «Europäisches Bodenschutzrecht - Entwicklungslinien<br />
und Maßstäbe <strong>der</strong> Gestaltung«, Schriftenreihe Umwelt- und<br />
Technikrecht, Band 80, Erich Schmidt Verlag, Berlin 2005; Kommentierung<br />
verschiedener Paragraphen des Bundes-Bodenschutzgesetzes, in:<br />
Giesberts, Ludger/Reinhardt, Michael (Hrsg.), Beck’scher Online-Kommentar<br />
zum <strong>Umweltrecht</strong>« (2. A. Anfang 2007); «Milestones of Soil Protection<br />
in EU Environmental Law«, Journal of European Environmental<br />
and Planning Law (JEEPL) 3 (2006), S. 190 ff.; «Bodenschutz als Ziel <strong>der</strong><br />
Gemeinsamen Agrarpolitik«, in: Calliess, Christian/Härtel, Ines/Veit,<br />
Barbara, Jahrbuch des Agrarrechts, Band VII, Köln 2006, S. 183-232.<br />
erhöhen und die Energie<strong>im</strong>portabhängigkeit verringern. Bereits<br />
heute hat das Bundesamt <strong>für</strong> Seeschifffahrt und Hydrographie<br />
(BSH) als zuständige Genehmigungsbehörde 15 Offshore-Windparks<br />
mit einer installierten Leistung von insgesamt rund 5.000<br />
MW genehmigt. 5<br />
Technisch ist die Offshore-<strong>Windenergie</strong> allerdings noch nicht so<br />
entwickelt wie ihr Pendant an Land. Im Gegenteil: Bislang ist kein<br />
einziger Windpark in <strong>der</strong> deutschen Nord- und Ostsee errichtet<br />
worden, son<strong>der</strong>n nur zwei Einzelanlagen in unmittelbarer Küstennähe,<br />
6 und auch international sind bisher erst knapp 1.000 MW<br />
Leistung offshore installiert worden. <strong>Das</strong> von <strong>der</strong> Bundesregierung<br />
in ihrer Offshore-Strategie festgelegte Ziel von ca. 500 MW instal-<br />
* Der Beitrag gibt ausschließlich die persönliche Auffassung des Verfassers wie<strong>der</strong>.<br />
Herrn Ministerialrat Udo Paschedag und Herrn Dipl-Geogr. Thorsten Falk<br />
wird <strong>für</strong> hilfreiche Anmerkungen gedankt.<br />
1 Wustlich, ZUR 2007, 16 ff.<br />
2 Siehe hierzu ausführlich Teil 1: ZUR 2007, 16 ff.<br />
3 Vgl. die Strategie <strong>der</strong> Bundesregierung zur <strong>Windenergie</strong>nutzung auf See, Jan.<br />
2002, abrufbar <strong>im</strong> Internet unter: http://www.erneuerbare-energien.de<br />
/inhalt/6890/20214/.<br />
4 Nach Ansicht <strong>der</strong> Bundesregierung (BT-Drs. 16/3781 vom 12.12.2006)<br />
haben die Messdaten <strong>der</strong> Forschungsplattform FINO1 <strong>für</strong> die Nordsee ergeben,<br />
dass Offshore-<strong>Windenergie</strong>anlagen bis zu 90% <strong>der</strong> Jahreszeit einspeisen<br />
können; <strong>für</strong> eine einzelne Anlage wurden bis zu 4.500 Volllaststunden<br />
errechnet. In <strong>der</strong> Ostsee stellt sich nach den bisher vorliegenden Daten die<br />
Lage vergleichbar dar.<br />
5 Zum aktuellen Stand vgl. <strong>im</strong> Internet unter: http://www.bsh.de/de/Meeresnutzung/Wirtschaft/Windparks/index.jsp.<br />
6 Vgl. die Übersicht <strong>im</strong> Internet unter http://www.offshore-wind.de.