Restaurator im Handwerk – Ausgabe 2/2010 - Kramp & Kramp
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Wi l l i Be n d e r<br />
Karl Friedrich Schinkel und sein Einfluß auf die Technologie<br />
der Backstein- und Bauterrakottenherstellung<br />
Karl Friedrich Schinkel (1781-1841), seit 1810 in<br />
preußischem Staatsdienst, war Gehe<strong>im</strong>er Oberbaurat und<br />
Architekt des Königs. Er war einer der bedeutendsten Baumeister<br />
seiner Zeit und Hauptvertreter des Klassizismus.<br />
Schinkel verhalf der Renaissance einer Backstein-Architektur<br />
zum Durchbruch, die bis heute vorbildlich und prägend ist.<br />
Der über Jahrhunderte unter Putz und Stuck verschwundene<br />
Backstein wurde wieder sichtbar und konnte seine architektonischen<br />
Möglichkeiten zur Geltung bringen. Bei seinen<br />
Bauten setzte Schinkel auch wieder Bauterrakotten als dekorativ-ornamentale<br />
Elemente ein. Den Anstoß für den nachfolgenden<br />
Beitrag gab Rainer W. Leonhardt. Er wollte ein<br />
Thema aufgreifen, dem seiner Ansicht nach in der umfangreichen<br />
Schinkel-Literatur bisher zuwenig Aufmerksamkeit<br />
zuteil wurde, nämlich der Rolle Schinkels als „Ziegeltechnologe“.<br />
Leonhardt war aufgefallen, dass über die Schinkelschen<br />
Ziegelbauten zwar sehr viel geschrieben worden ist, aber nur<br />
wenig darüber, dass die dafür erforderliche Ziegelqualität<br />
mit der damals in unserem Kulturkreis üblichen Produktionstechnik<br />
nicht realisierbar gewesen wäre. Leonhardts These<br />
lautet daher, dass Schinkel Einfluß auf den Herstellungsprozeß<br />
genommen haben muß, um Ziegel und Terrakotten in der<br />
Qualität zu erhalten, die er für seine Ziegelsichtbauten benötigte.<br />
So soll sich Schinkel für die Einführung der Technik des<br />
Tonschlämmens eingesetzt haben. Auch müsse er sich intensiv<br />
mit dem Schwindverhalten des Tons be<strong>im</strong> Trocknen und<br />
Brennen beschäftigt haben, da sonst die passgenauen Mauerwerksverbände<br />
und Terrakotta-Reliefs an seinen Bauten<br />
nicht möglich gewesen wären. Die folgenden Ausführungen<br />
gehen der These von Leonhardt nach und beleuchten dazu<br />
in einem Überblick den Stand der Backsteintechnologie vor,<br />
während und nach der Ära Schinkel.<br />
Backstein und Bauterrakotta vor Schinkels Zeit<br />
Durch das Fehlen von Natursteinvorkommen entstand<br />
in Norddeutschland mit der Backsteingotik (13.-16. Jh.)<br />
eine Sonderentwicklung der Gotik, in der die Backsteinarchitektur<br />
zur höchsten Blüte kam.<br />
Die Herstellung der Backsteine erfolgte in Holzformen,<br />
in die der aufbereitete, plastische Ton eingestrichen<br />
wurde. Getrocknet wurde meist <strong>im</strong> Freien, selten unter<br />
Dach. Das Brennen erfolgte in Meilern oder einfachen<br />
Fachbeiträge<br />
Kammeröfen. Die Formate der Backsteine in der Gotik<br />
sind etwa 28-30 cm lang, 13-14 cm breit und 8,5-10 cm<br />
hoch, mit Lagerfugen von durchschnittlich 1,5 cm Dicke.<br />
Bei den mittelalterlichen Backsteinmauern waren<br />
Hüllen- und Kernmauerwerk eine Einheit. Allerdings<br />
wurden Mauern nicht durchgehend mit Ziegelsteinen<br />
gleicher Qualität ausgeführt. Dies war schon deshalb<br />
nicht möglich, weil es die Brenntechnik den mittelalterlichen<br />
Zieglern unmöglich machte, <strong>im</strong>mer gleich gut<br />
gebrannte Ziegel herzustellen. Daher benutzte man für<br />
die Außen- und Innenschale die gargebrannten, guten<br />
Steine und für das Kernmauerwerk die schwachgebrannten<br />
und die zerbrochenen Ziegel sowie große Mengen<br />
von Kalkmörtel.<br />
Durch die Einführung von Formsteinen konnten<br />
Portal- und Fensterprofile, Rippen, Sockel, Kapitelle<br />
und Zierformen wie Maßwerke hergestellt werden.<br />
Diese Formen wurden mit einem Messer oder einem<br />
Draht über eine Schablone aus den vorgeformten Normalsteinen<br />
geschnitten. Die Formziegel wurden zum<br />
Teil in einem zweiten, zusätzlichen Glasurbrand auch<br />
grün, braun, schwarz und gelb glasiert. Es wird vermutet,<br />
daß die Verwendung der Glasuren aus dem Orient<br />
übernommen wurde, da zur Zeit ihrer Anwendung bei<br />
den Backsteinbauten Norddeutschlands die Kreuzzüge<br />
(1096 <strong>–</strong> 1291) stattfanden, bei denen die Kreuzfahrer<br />
auch die morgenländischen glasierten Backsteinbauten<br />
kennenlernten.<br />
Auch die figürlichen Darstellungen der Bauterrakotten,<br />
wie Fensterrosen, Fialen, Krabben (Kriechblumen),<br />
Kreuzblumen und menschliche Halbfiguren, wurden in<br />
Backstein übertragen und bildhauerartig individuell aus<br />
vorgeformten, lederhart getrockneten Tonblöcken geschnitzt.<br />
Ab 1350 kamen in Holzmodeln gepreßte ornamentierte<br />
Terrakottaplatten hinzu, welche zu Friesen gereiht<br />
wurden. Nach 1550 geriet die Terrakotta-Architektur in<br />
Norddeutschland aber allmählich in Vergessenheit.<br />
Mit den Architekturstilen der Renaissance (1520-<br />
1660) und des Barocks (1660-1780) kam die Zeit des<br />
verputzten Ziegelbaus. Die Backsteine verschwanden<br />
unter Putz und Stuck, womit man den Ziegelbauten<br />
<strong>Restaurator</strong> <strong>im</strong> <strong>Handwerk</strong> <strong>–</strong> <strong>Ausgabe</strong> 2/<strong>2010</strong> 5<br />
Großes geteiltes<br />
Terrakotta-Formstück,<br />
Teilung in<br />
den Schattenpartien<br />
bei b-b, um<br />
möglichst nicht<br />
sichtbar zu sein