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Restaurator im Handwerk – Ausgabe 2/2010 - Kramp & Kramp

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Formziegel,<br />

Maßwerk und<br />

Rosettenstücke<br />

der Spätgotik<br />

6<br />

einen Werksteincharakter verleihen und Steinformen<br />

nachbilden wollte. Zwar wurde weiterhin und sogar in<br />

zunehmenden Maß mit Ziegeln gebaut, selbst die Säulen<br />

wurden aus Ziegeln aufgemauert, aber sie hatten nur<br />

statische und Massefunktionen und traten nicht mehr<br />

sichtbar in Erscheinung.<br />

Die Folge war, dass die Ziegeltechnologie stagnierte,<br />

da keine zwingende Notwendigkeit zu ihrer Weiterentwicklung<br />

bestand. Unter dem Putz waren Oberflächenbeschaffenheit<br />

und Maßhaltigkeit der Backsteine von<br />

untergeordneter Bedeutung und die Ziegel oft schlampig<br />

vermauert. Den speziell als Vormauer- oder Verblendziegel<br />

hergestellten Mauerziegel kannte man vor Schinkel<br />

noch nicht. Der Backstein, wie der historische Mauerziegel<br />

heute traditionell bezeichnet wird, wurde sowohl<br />

für Sicht- als auch für Hintermauerwerk verwendet. Die<br />

Art der Ziegelherstellung blieb über Jahrhunderte hinweg<br />

nahezu unverändert. Mit den dadurch beschränkten<br />

fertigungstechnischen Möglichkeiten der Ziegeleien,<br />

wovon der Großteil landwirtschaftliche Nebenbetriebe<br />

waren, sah sich Schinkel zu Beginn seiner Architektentätigkeit<br />

konfrontiert.<br />

Eines der größten Probleme war die Beherrschung der<br />

Schwindung, die <strong>im</strong>mer eine Gefährdung von Form und<br />

Endmaß der Formlinge bedeutet. Alle Formlinge der<br />

aus Tonmaterial hergestellten baukeramischen Produkte<br />

erfahren be<strong>im</strong> Trocknen und Brennen eine Volumenverminderung,<br />

die man als Trocken- und Brennschwindung<br />

bezeichnet und als lineare Gesamtschwindung auf die<br />

Längenänderung bezieht. Bei zu fetten Tonen muß die<br />

Schwindung durch Zugabe von Sand, Ziegelmehl oder<br />

Magerton herabgesetzt werden, um Risse am Formling<br />

zu vermeiden. Um ein Produkt mit best<strong>im</strong>mten Endmaßen<br />

herzustellen, muß es um das Maß der Gesamtschwindung<br />

größer ausgeformt werden. Die Schwindung<br />

ändert sich von Werk zu Werk und ist u.a. abhängig von<br />

Rohstoffart, Kornaufbau und Brenntemperatur. Deshalb<br />

<strong>Restaurator</strong> <strong>im</strong> <strong>Handwerk</strong> <strong>–</strong> <strong>Ausgabe</strong> 2/<strong>2010</strong><br />

ist es wichtig, die Schwindung genau zu kennen und<br />

auch dafür zu sorgen, dass diese Schwindung möglichst<br />

<strong>im</strong>mer gleich bleibt. Dies setzt aber eine gut aufbereitete<br />

Arbeitsmasse von stets gleicher Zusammensetzung<br />

und die Einhaltung der rohstoffspezifischen Garbrandtemperatur<br />

voraus. Genau diese Voraussetzungen waren<br />

aber kaum gegeben, als Schinkel begann, seine Ziegelbauten<br />

zu planen, die absolut maßgenaue Backsteine,<br />

Formziegel und Bauterrakotten erforderten. Ohne die<br />

Einführung des Tonschlämmens, der intensivsten Form<br />

der Tonaufbereitung, wäre dieses Ziel nicht erreichbar<br />

gewesen. Die eingangs getroffene Vermutung, dass für<br />

den „Ziegeltechnologen“ Schinkel die Schwindung und<br />

das Tonschlämmen von ausschlaggebender Bedeutung<br />

gewesen sein müssen, trifft insoweit also absolut zu.<br />

Die Herstellungstechnik in der Ära Schinkel<br />

Mitte des 18. Jahrhunderts setzt mit der Baukunst des<br />

Klassizismus eine Abwendung von der Formenfülle des<br />

Barock ein hin zur Nachahmung klassisch-antiker Bauformen.<br />

Der Einfluß der Aufklärung, die wachsende<br />

Rolle der Wissenschaften und ein zunehmendes Geschichts-<br />

und Nationalbewußtsein lösten eine Diskussion<br />

um die Ehrlichkeit von Material und Konstruktion<br />

aus, zusammen mit der Forderung nach der Ästhetik des<br />

echten Materials. Dies führte zu einer Aufwertung des<br />

Ziegels, der zudem in Preußen einfacher und kostengünstiger<br />

zu beschaffen war als in anderen Ländern.<br />

Bereits <strong>im</strong> ausgehenden 18. Jahrhundert befasste sich<br />

daher die preußische Bauverwaltung mit den Möglichkeiten<br />

der Verbesserung des Backsteinbaus. Eine maßgebliche<br />

Rolle spielten hierbei der Baumeister David<br />

Gilly (1748-1808) und sein Sohn, der Architekt Friedrich<br />

Gilly (1772-1818). Der junge Schinkel wurde ihr Schüler,<br />

und sie waren es auch, die ihm wichtige Grundlagen<br />

über die Verwendung des Backsteins vermittelten.<br />

In seinem „Handbuch der Landbaukunst“ von 1798<br />

gibt David Gilly nicht nur konkrete Anweisungen zum<br />

Einsatz des Baustoffs Backstein, sondern beschreibt auch<br />

ausführlich die Herstellung von Baustoffen, besonders<br />

die Ziegelherstellung. Gilly befaßte sich zudem mit der<br />

Brenntechnik, bekannt ist „Gilly’s Torfofen“, ein Kammerofen<br />

mit speziell zum Befeuern mit Torf konzipierten<br />

Schürherden.<br />

So hatte Schinkel mit David und Friedrich Gilly nicht<br />

nur Professoren, die ihm die architektonische und bautechnische<br />

Anwendung des Backsteins näher brachten,<br />

sondern auch Lehrmeister in Sachen Ziegeleitechnik.<br />

Die eigentliche Karriere als Architekt begann Schinkel<br />

1816 mit dem Bau der Neuen Wache in Berlin. Von<br />

da an bis 1840 entwarf er eine Reihe ganz in Backstein<br />

ausgeführter Gebäude, die für die spätere Backsteinarchitektur<br />

vorbildlich wurden. Zum ersten Mal setzte<br />

Schinkel die Backsteinfassade be<strong>im</strong> Bau der Militäranstalt<br />

und Kaserne der Lehreskadron in Berlin (1817-1818)<br />

ein, bei der jedoch noch keine Formziegel zur Verfügung<br />

standen. Be<strong>im</strong> Bau der Friedrichwerderschen Kirche<br />

(1825-1831) konnte Schinkel erstmals Formziegel und<br />

Bauterrakotten einsetzen. Verwendet wurden Backsteine<br />

des sog. mittleren preußischen Formats, die in etwa dem<br />

1872 eingeführten Reichsformat entsprachen. Weitere<br />

Backsteinbauten waren u.a. das Packhofgebäude auf der<br />

Museumsinsel (1829-1932) und das Feilnersche Wohnhaus<br />

in Berlin (1829), das als Vorläufer des Bauhauses

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