INDUSTRIEEMISSIONENAbbildung 4: NO X -Grenzwerte (Tagesmittel) für bestehende Kohlekraftwerke (ab 300 MW)gemäß bisher gültiger 13. BImSchV im Vergleich mit dem Regierungsentwurf <strong>und</strong> demBVT-Bereich des EU-Merkblatts von 2006 für bestehende Groß feuerungsanlagenStickstoff mindern, ist laut der UBA-Studie durch SNCR-Anlagenein Jahresmittel von 120 mg/Nm 3 realistisch. Das würde bei Kraftwerkenmit einer Leistung von mehr als 300 Megawatt (MW) zu einerHalbierung der NO X -Emissionen <strong>und</strong> einer Minderung um31,3 kt führen, allerdings bei einem ungünstigeren Kosten-Nutzen-Verhältnisals bei Steinkohlekraftwerken [5].In der Anhörung wurde festgestellt, dass der Regierungsentwurftrotz dringend notwendiger Minderungsmaßnahmen <strong>und</strong> dervom Umweltb<strong>und</strong>esamt aufgezeigten hohen Potenziale für bestehendegroße Kohlekraftwerke (größer 300 MW) weder eine Senkungdes aktuellen NO X -Tagesmittelwertes von 200 mg/Nm 3 nocheinen emissionsmindernden Jahresmittelwert vorsieht.Dabei zeigen die Angaben des europäischen BVT-Merkblattesfür Großfeuerungsanlagen, dessen Datengr<strong>und</strong>lagen schon zehnJahre alt sind, dass in bestehenden Anlagen Emissionswerte von 50beziehungsweise 90 mg/Nm 3 (je nach Feuerungstechnik) zur bestenverfügbaren Technik zählen (siehe Abbildung 4). Wenn der bereits2006 dokumentierte Stand der Technik als Grenzwert in bestehendenAnlagen gefordert würde, könntendie Emissionen um circa 70 Prozent gemindertwerden.Die Anhörung machte deutlich, dass sichdie Betreiber der großen Kohlekraftwerkebei dem Regierungsentwurf zur Novelle der13. BImSchV zurücklehnen können. Auf derAnhörung wurde bemängelt, dass die Betreiberdamit für viele weitere Jahre eine Verschmutzungslizenzbei einem Schadstoff erhalten,dessen Minderung in Deutschlandaus Ges<strong>und</strong>heitsschutzgründen <strong>und</strong> aufgr<strong>und</strong>der EU-Verpflichtungen oberstes Gebotsein sollte[6]. Dabei könnte eine Verteuerungder Kohleverstromung auch ein Betragzur Energiewende sein, da sich effizientereGaskraftwerke eher lohnen würden. Die besserregelbaren Kraftwerke würden wieder attraktiver,<strong>und</strong> Deutschland würde erheblicheStromexporte aus klima- <strong>und</strong> ges<strong>und</strong>heitsschädlichenQuellen abbauen, die in diesemJahr während hoher Einspeiseraten von regenerativerzeugtem Strom entstanden sind,weil Kohlekraftwerke unverändert weiter betriebenwurden [7].Abbildung 5: Verursacheranteile der Feinstaub-Emissionen in Deutschland in2000 <strong>und</strong> 2007Abbildung 6: Entwicklung der Feinstaub(PM10)-Emissionen aus der Energiewirtschaft1995 – 20105 FeinstaubIn der Anhörung wurde hervorgehoben, dassin Deutschland nicht nur die Langzeitgrenzwerteder Europäischen Union, sondern auchdie Kurzzeitwerte für ges<strong>und</strong>heitsschädlichenFeinstaub an zahlreichen Messpunkten regelmäßigüberschritten werden. Wie bei Stickoxidenist auch hier keine Besserung in Sicht– im Gegenteil: Die Überschreitungen schwankenje nach Wetterlage <strong>und</strong> können schnell –wie in 2003 – zu Extremen führen [8].Hauptverursacher für Feinstaub-Emissionen(siehe Abbildung 5) sind die in der TALuft geregelten Industrieprozesse, der Verkehr,Güterumschlag <strong>und</strong> die Landwirtschaft.Die Energiewirtschaft war in den vergangenenJahren für einen Anteil von 5 bis 6Prozent verantwortlich. In 2010 lagen die Feinstaub-Emissionenbei 11.500 Tonnen.Vor 15 Jahren sind die Feinstaub-Emissionen der Energiewirtschaftum circa 50 Prozent gesunken. Seit zwölf Jahren sind jedochnahezu keine Minderungen mehr zu verzeichnen (Abbildung 6).Es wurde betont, dass bei den Feinstaub-Emissionen aus Kohlekraftwerkenzu beachten ist, dass diese auch mit der Emissionkrebserzeugender Stoffe wie Cadmium, Nickel <strong>und</strong> PAK (polyaromatischeKohlenwasserstoffe) einhergeht. Allein die wenigen Kohlekraftwerke,die 2008 Schwermetalle im Emissionsregister PRTRabschätzen <strong>und</strong> berichten mussten, nannten mehr als 2800 KilogrammNickel- <strong>und</strong> mehr als 150 kg Cadmium-Emission [9].Eine weitere Minderung wurde daher nicht nur bezogen aufFeinstaub als ein wichtiger Beitrag zum Ges<strong>und</strong>heitsschutz gesehen.Allerdings plant die Regierungsvorlage zur 13.BImSchV-Novellefür alle bestehenden Kraftwerke ab 100 MW Leistung, denderzeitigen Grenzwert von 20 mg/Nm 3 im Tagesmittel für dasnächste Jahrzehnt zu belassen. Auch hier konnte dargelegt werden,ReSource 4/20127
INDUSTRIEEMISSIONENdass dies nicht dem Stand der Technik entspricht.Schon im europäischen BVT-Merkblattwurde auf Basis von inzwischen zehnJahre alten Daten dokumentiert, dass bestehendeAnlagen Emissionswerte von 5 mg/Nm 3 mit ökonomisch zumutbarem Aufwanderreichen können. Ein entsprechenderGrenzwert kann im Tagesmittelwert mit Gewebefilternsicher eingehalten werden.Zwar plant die B<strong>und</strong>esregierung, einen zusätzlichenJahresmittelwert von 10 mg/Nm 3einzuführen. Wir haben darauf hingewiesen,dass die Festlegung eines Grenzwertes von 5mg/Nm 3 als Tagesmittelwert entsprechenddem Stand der Technik die Feinstaubemission aus bestehendenKohlekraftwerken um 50 Prozent mindern könnte - wobei erhöhterGes<strong>und</strong>heitsschutz auch daraus resultieren würde, dass die mitFeinstaub einhergehenden krebserzeugenden Substanzen gemindertwürden.6 QuecksilberWie ausgeführt, wurden alle geplanten Absenkungen der Kurzzeitgrenzwerte(Halbst<strong>und</strong>enmittelwert, Tagesmittelwert) für Quecksilberim Verlauf der regierungsinternen Verhandlungen gestrichen<strong>und</strong> sind im Kabinettbeschluss nicht mehr enthalten. Folglichnahm die Diskussion zum Komplex Quecksilber auf der Anhörungeinen breiten Raum ein. Und es war erkennbar, dass gewisseErkenntnisfortschritte eingetreten sind. So ist mittlerweile unstreitig,dass es in den USA für Kraftwerke sehr strenge Anforderungenvon beispielsweise nur 1,5 Mikrogramm je Kubikmeter (im Normalzustand,trocken, bei 6 Volumenprozent Sauerstoff) gibt, dieim Bestand bis 2016 einzuhalten sind. Es gab zwar wieder den Versuch,die in den USA gebräuchliche energiebezogene Einheit (lbHg/TBtu) als Unterschied zu problematisieren. Es konnte aber gezeigtwerden, dass man mit Hilfe einfacher Umrechnungen (Dreisatz)<strong>und</strong> der höchst exakten Kohleelementaranalyse (Gehalte anC, H, S, N <strong>und</strong> O) schulmäßig eine Berechnung des Kohlebrennwertswie auch des spezifischen Abgasvolumens bei entsprechenderO 2 -Konzentration vornehmen kann <strong>und</strong> somit zu dem Ergebniskommt, dass der US-Grenzwert für existierende Kohlekraftwerkein der in Europa üblichen Einheit 1,5 Mikrogramm jeKubikmeter (im Normalzustand, trocken, bei 6 VolumenprozentSauerstoff) beträgt. Der Grenzwert ist als Monatsmittelwert (gleitendes30-Tage-Mittel) festgelegt, weil das Regelungsziel eine Absenkungder emittierten Fracht ist <strong>und</strong> einzelne Konzentrationsspitzenkeine herausragende Bedeutung haben.Weiter ist auch klar geworden, dass es zur Einhaltung diesesGrenzwertes in den USA eine ganze Toolbox an verfügbaren Technologienwie die Activated Carbon Injection (ACI) <strong>und</strong>/oder dieBoiler Bromide Addition (BBA) gibt <strong>und</strong> dass in den USA mittlerweileeine beachtliche Anzahl an Kraftwerken diesen Grenzwertbereits im Routinebetrieb einhält (vergl. Tabelle1 <strong>und</strong> Vosteen et al.) [10].Regelmäßig wird kritisiert, man könnediese niedrigen Konzentrationen nicht mehrmessen. Für den oben genannten Grenzwertvon 1,5 Mikrogramm je Kubikmeter für bestehende,mit Steinkohle befeuerte Anlagentrifft diese Behauptung nicht zu. In den USAunterliegt die Gesetzgebung einer sehr starkenöffentlichen Beteiligung <strong>und</strong> Kontrolle.Abbildung 7: Grenzwerte für Feinstaub(PM10)-Emissionen aus Kohlekraftwerken mit m100 MW Leistung gemäß bisheriger 13.BImSchV sowie Regierungsentwurf mit Tages- <strong>und</strong>Jahresmittelwert im Vergleich mit BVT-Werten von 2006.Wie soll dort ein Grenzwertvorschlag bestehen können, den mannicht messtechnisch überwachen kann? Aus Sicht der Technik isthinzuzufügen, dass es Verfahren gibt, mit denen man sicher bis hinunterzu 0,1 Mikrogramm je Kubikmeter messen kann, bei vertretbarerFehlerbreite. Allerdings sind für diese Nachweisgrenzendann längere Probenahmezeiten erforderlich. Und natürlich würdeman bei einer Absenkung der Grenzwerte in Deutschland beziehungsweiseEuropa auch die heutigen bei uns geltenden Messvorschriftenanpassen müssen.Ein Schwerpunkt der Argumentation der Wirtschaft war die Unterschiedlichkeitder Kraftwerke in Deutschland <strong>und</strong> den USA. Sosoll der Anteil der Kraftwerke mit Gewebefiltern in den USA höhersein. Hierzu ist jedoch festzustellen, dass auch die Steinkohlekraftwerkemit Elektrofiltern, die es in den USA ebenfalls gibt, denQuecksilbergrenzwert von 1,5 Mikrogramm je Kubikmeter einhaltenmüssen. In der Diskussion wurde auch darauf hingewiesen,dass die behördlich zugelassene Ausnahmemöglichkeit für solcheEinzelfälle besteht, bei denen mit der genannten Toolbox der US-Grenzwert nicht einhaltbar ist.Ein beachtenswertes Argument ist die mit einer verbessertenQuecksilberabscheidung verb<strong>und</strong>ene Verlagerung in die Reststoffe(Flugstaub <strong>und</strong> Gips). Die Quecksilbereinbindung in den Flugstaubist an die Gegenwart von kohlestämmigen Sorbentien geb<strong>und</strong>en(Rest-C aus der Kohleverbrennung beziehungsweise injizierteAktivkohle). Wenn die Kohle gut ausbrennt (wenig Restkohlenstoff)<strong>und</strong> keine Aktivkohle injiziert wird, ist auch der Quecksilber-Eintragin die Flugasche sehr gering. Im Übrigen ist dieQuecksilber-Bindung an die kohlestämmigen Sorbentien thermischsehr stabil, so dass normalerweise kaum eine Freisetzung zubefürchten wäre. Eine verstärkte Einbringung in den Gips kannmittels neu entwickelter Verfahren nachweislich weitgehend unterdrücktwerden, so zum Beispiel durch Zugabe <strong>und</strong> Wiederabtrennunggeringer Mengen an Aktivkohle in den REA-Wäscher.Man kann also mit relativ einfachen technischen Ergänzungen dasQuecksilber aus den Reststoffen der REA abtrennen <strong>und</strong> gesondertabscheiden <strong>und</strong> dadurch einen getrennten kleinen Abfallstromschaffen, der alle Schadstoffe hochkonzentriert aussondert,die dann zu deponieren sind.Tabelle 1: Übersicht über Kraftwerke, die erfolgreich ihre Emissionen an Quecksilber (Hg)durch ACI <strong>und</strong> BBA gesenkt haben [13]8 ReSource 4/2012