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Zeit Freiräume Selbstwirksamkeit Ressourcen- orientierung Nieder

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Jahresbericht<br />

2010<br />

Psychologische Beratungsstelle<br />

für Eltern, Kinder und Jugendliche<br />

Herbstmühle 3<br />

51688 Wipperfürth<br />

Träger:<br />

Verband der Katholischen Kirchengemeinden im Oberbergischen Kreis


Inhaltsangabe<br />

Vorwort: <strong>Zeit</strong> zum Trödeln? 3<br />

Rückblick auf die Beratungsarbeit 2010 5<br />

Das Team der Beratungsstelle 6<br />

Unsere Arbeit im Überblick 7<br />

Erziehungsberatung vor Ort 8<br />

Beratung in Familienzentren 9<br />

Beratung in Schulen 10<br />

Mobbing in Schulen 11<br />

Frühe Hilfen: Projekt „Baby im Blick“ 13<br />

Muttersprachliche Beratung 14<br />

Gesamtstatistik 15<br />

Prävention und Vernetzung 18<br />

Redaktionsteam dieser Ausgabe:<br />

Claudia Allstadt<br />

Norbert Dörper<br />

Ansgar Nowak<br />

2


Vorwort<br />

<strong>Zeit</strong> zum Trödeln?<br />

In dem wundervollen Kinderbuch „Pu der Bär― von Alan Alexander Milne<br />

starrt eines Tages der traurige Esel I-Aah vor sich auf drei Äste, die er<br />

sorgsam drapiert hat und sinniert zu Ferkel: „Das ist ein A, weißt du was<br />

das bedeutet? Es heißt Lernen, es heißt Bildung – all das, was Pu und dir<br />

fehlt―. Das kleine Ferkel, das seine <strong>Zeit</strong> gerne mit Trödeln, Träumen und<br />

Herumschlumpeln verbringt, schaut sehr betreten.<br />

Da kommen Eltern zu uns, die ihren Fünfjährigen voller Sorgen anmelden,<br />

weil er keine Lust auf den Englischkurs habe. Die Mutter eines<br />

Grundschulkindes bricht in Tränen aus über die schlechte Note ihres<br />

Viertklässlers, dass er doch bloß noch den Übergang zum Gymnasium<br />

schaffe. Oder schon in der 1.Grundschulklasse muss das Kind zusätzlich<br />

zu seinen Aufgaben die Rechenaufgaben der zweiten Klasse „vorüben―,<br />

damit es gut abschneidet.<br />

Zunehmend mehr Eltern haben Bedenken, dass ihr Kind im Wettbewerb<br />

mit anderen Kindern zurückbleibe. Kinder werden zu einer Art Vorzeigeobjekt<br />

für die hervorragenden Leistungen der Eltern, die sich tagein und<br />

tagaus abmühen. Sie lassen sich „nichts zu schulden― kommen, wollen<br />

jede Möglichkeit und Förderung ausschöpfen, nichts unversucht lassen.<br />

Dieses Leistungsklima ist nicht genährt von einer klaren Überzeugung,<br />

sondern steht auf dem Boden von Unsicherheit und Lebensangst. Die<br />

Angst in dieser globalen Welt zu bestehen, die Angst etwas zu verpassen,<br />

die Angst irgendetwas „nicht richtig― gemacht zu haben. Kleine Krisen<br />

werden zum großen Problem und größere Krisen werfen einen schnell aus<br />

der Bahn. Vor allem die Zukunftsängste von Eltern wirken sich auf die<br />

Kinder aus, sie schwächen das Selbstvertrauen und fördern Unsicherheit<br />

bei den Kindern.<br />

Und auf der anderen Seite gibt es immer mehr Kinder, denen es an alltäglicher<br />

normaler Förderung und Alltagsritualen fehlt, sei es in der Familie<br />

miteinander zu essen oder zu spielen, zu erzählen und vorzulesen, überhaupt<br />

miteinander zu sprechen. Sie wachsen in Beziehungen auf, die ihnen<br />

nicht die nötige Sicherheit geben. Vieles müssen sie viel zu früh alleine<br />

entscheiden, sind viel zu früh sich selbst überlassen und damit überfordert.<br />

Besonders häufig erleben wir das bei immer jüngeren Jugendlichen deren<br />

Eltern meinen „die lassen sich sowie nichts mehr sagen―. Hilflose Eltern<br />

holen sich keine Hilfe, sondern überlassen die Jugendlichen ihrem<br />

Schicksal.<br />

Kinder brauchen in erster Linie positive Beziehungen und in zweiter Linie<br />

erst Regeln. Denn Grenzen, Verbote und Gebote, die nicht auf dem Boden<br />

einer vertrauensvollen Beziehung stehen, führen zu Verwirrung, bloßer<br />

Anpassung, Kadavergehorsam oder Aggression.<br />

3<br />

Rivalität<br />

Leistung<br />

Zukunftsangst<br />

Desinteresse<br />

Hilflosigkeit<br />

Beziehung vor<br />

Regeln


Sehr eindrucksvoll wird dies im Film „Das weiße Band― dargestellt. Es<br />

braucht auf jeden Fall ein ausgewogenes Maß von einerseits liebevoller<br />

personaler Zuwendung und Regeln und Kontrolle andererseits.<br />

Für die Kinder ist es enorm wichtig, positive und emotional stabile Beziehungen<br />

zu erleben. Sie lernen am Modell, indem sie abschauen wie sich<br />

die Erwachsenen und die Gesellschaft verhalten. Und in ihrer Lebenswelt<br />

brauchen sie Anerkennung und Respekt, statt einer Reduzierung auf das<br />

Leistungsprinzip und bloße Honorierung von Leistung.<br />

Kinder brauchen <strong>Zeit</strong>, freie <strong>Zeit</strong>en die nicht verplant und organisiert sind,<br />

vor allem auch gemeinsam erlebte <strong>Zeit</strong> und die Erfahrung selbst aktiv und<br />

wirksam sein zu können. Damit können sie ein Selbstbewusstsein herausbilden<br />

und die eigene Überzeugung stärken, ihr Leben selbst in die Hand<br />

nehmen und steuern zu können.<br />

Was bedeutet das für unsere Beratungsarbeit, für den Boom von Anmeldungen<br />

und die immer weiter steigende Nachfrage?<br />

1. Wir richten unseren Blick ganz deutlich auf die <strong>Ressourcen</strong> und nicht<br />

auf die Defizite, das heißt wir aktivieren in einem Prozess mit den Ratsuchenden<br />

die eigenen Stärken und Fähigkeiten von Kindern, Jugendlichen<br />

und Eltern. Das was gut läuft, gilt es zu verstärken und auszuweiten, die<br />

vorhandenen Fähigkeiten auch für die Problemsituationen zu nutzen. Wir<br />

wenden uns ausdrücklich gegen eine Therapeutisierung der Kindheit, sondern<br />

stärken die Eigenkräfte und nehmen Kinder nur nach sehr ausführlicher<br />

Überprüfung und Diagnostik in Behandlung. Dabei ist uns immer<br />

wichtig mit zu beachten, welche indirekten Auswirkungen dies für das<br />

Kind und auch die Eltern hat.<br />

2. Wir bemühen uns weiterhin um eine besondere Hinwendung zu den<br />

nicht überbehütenden sondern eher hilflosen Familien durch ortsnahe und<br />

extrem niederschwellige Beratungsangebote vor Ort in Familienzentren<br />

und Schulen, sowie eine qualifizierte Netzwerkarbeit. Besonders letztere<br />

bewährt sich immer mehr durch direkte und unbürokratische Vermittlung<br />

von Ratsuchenden, die sich nicht alleine auf den Weg machen um sich<br />

Hilfe zu holen.<br />

4<br />

<strong>Zeit</strong><br />

<strong>Freiräume</strong><br />

<strong>Selbstwirksamkeit</strong><br />

<strong>Ressourcen</strong>-<br />

<strong>orientierung</strong><br />

<strong>Nieder</strong>-<br />

Schwelligkeit<br />

Orientierung am<br />

Sozialraum<br />

„Das Leben ist kein Problem, dass man lösen, sondern eine Wirklichkeit, die man erfahren muss“<br />

Kierkegaard, Sören: Kierkegaards Philosophische Schriften, Frankfurt a.M. 2007


Mit dem vorliegenden 34. Tätigkeitsbericht möchten wir Ihnen einen kleinen Einblick in unsere<br />

Arbeit geben. Schwerpunkt war und ist die Einzelfallarbeit mit Familien in Beratung und Therapie.<br />

Bei 1172 Familien leisteten wir im vergangenen Jahr Hilfe und Unterstützung. Die Zahl liegt<br />

etwas über dem Vorjahr. Der größte Teil der Arbeit findet bei uns in der Herbstmühle statt.<br />

Die zugehende Beratung entwickelt sich zu einem immer größeren Bereich, in dem wir vor Ort Beratung<br />

anbieten, dort wo sich die Ratsuchenden aufhalten. Bei den großen Entfernungen im Oberbergischen<br />

Kreis bedeutet dies eine Zunahme der Fahrtzeiten und Kosten und bringt einen hohen Organisationsaufwand<br />

mit sich. Für die MitarbeiterInnen bringen diese Veränderungen oft große Belastungen<br />

mit sich.<br />

Im personellen Bereich hat uns Anfang 2010 Frau Andrea Paskamp im Sekretariat verlassen und wir<br />

konnten Frau Anne Brochhaus dafür neu gewinnen. Ab Mitte des Jahres hat Herr Ali Güngör bei uns<br />

als zusätzliche Honorarkraft begonnen, um für türkische Familien ein muttersprachliches Beratungsangebot<br />

zu bieten.<br />

Wir bedanken uns bei allen Kolleginnen und Kollegen, die mit uns im vergangenen Jahr zum Nutzen<br />

der Kinder, Jugendlichen und Ihren Familien zusammengearbeitet haben. Wir danken auch allen Ratsuchenden<br />

für das Vertrauen, die Offenheit und Kooperationsbereitschaft, die uns entgegengebracht<br />

wurde. Und wir danken auch für die finanzielle Unterstützung des Erzbistums Köln, dem Diözesancaritasverband<br />

Köln, dem Land NRW und dem Oberbergischen Kreis, sowie den Städten Wipperfürth,<br />

Radevormwald und Lindlar.<br />

Besonderer Dank gilt den Sponsoren, allen voran der Hans Hermann Voss Stiftung, durch deren Hilfe<br />

wir den Fachbereich „Frühe Hilfen― überhaupt erst entwickeln und nun weiterentwickeln können.<br />

Dank auch dem Ehe– und Familienfond des Erzbistums Köln, der Sonderförderung des Diözesan-<br />

Caritasverbandes, der Sozialstiftung der Kreissparkasse Köln und dem Rotary Club Wipperfürth-<br />

Lindlar.<br />

Zuletzt bedanken wir uns auch noch bei den privaten Spendern, die uns damit unterstützen.<br />

Ohne all diese finanzielle Unterstützung wäre es nicht möglich auf aktuelle Bedarfe zeitnah zu reagieren<br />

und neue Arbeitsbereiche qualifiziert zu entwickeln.<br />

Für das Team<br />

Rückblick auf unsere Beratungsarbeit 2010<br />

Dank<br />

Ansgar Nowak<br />

Leiter der Beratungsstelle<br />

»Wenn Du ein Schiff bauen willst, erkläre deinen Mannen nicht die Baupläne, sondern wecke in<br />

ihnen die Sehnsucht nach dem großen, weiten Meer, und sie bauen das richtige Schiff. «<br />

Augustinus<br />

5


Das Team der Beratungsstelle:<br />

Hauptamtliche Mitarbeiter/innen<br />

Claudia ALLSTADT Diplom-Sozialpädagogin (32 Std.)<br />

Norbert BROICH Diplom-Sozialarbeiter<br />

Stefanie DAHM Diplom-Sozialpädagogin (32 Std.)<br />

Matthias KÖLN Diplom-Heilpädagoge<br />

Renate NEU Diplom-Psychologin<br />

Ansgar NOWAK Diplom-Psychologe, Diplom-Theologe, Leiter der Stelle<br />

Petra REINERS Diplom-Heilpädagogin (19,5 Std.)<br />

Fachbereich Courage:<br />

Norbert DÖRPER Diplom-Sozialpädagoge<br />

Dagmar THOMALLA Diplom-Psychologin (22,5 Std.)<br />

Beraterinnen auf Honorarbasis<br />

Ali GÜNGÖR Heilpädagoge (8 Std.; ab 01.07.2010)<br />

Petra KIßMER-KARISCH Sonderpädagogin (8 Std.)<br />

Brigitte KÜSTER Diplom-Heilpädagogin (8 Std.)<br />

Dorothee RUPPRECHT Diplom-Heilpädagogin (8 Std.)<br />

Annette VOSSEN Diplom-Heilpädagogin (8 Std.)<br />

Projekt Mitarbeiter/innen<br />

Projekt Baby im Blick:<br />

Birgit LANGER Diplom-Sozialarbeiterin<br />

Elterncafe BiB<br />

Ursula GENAU Diplom-Sozialarbeiterin (ab 01.02.10; 5 Std.)<br />

Sekretariat<br />

Anne BROCHHAUS Verwaltungsfachkraft (ab 01.03.10; 19,5 Std.)<br />

Helga DÖRPINGHAUS Verwaltungsfachkraft (22,5 Std.)<br />

Andrea PASKAMP Verwaltungsfachkraft (bis 31.01.10; 19,5 Std.)<br />

Heike ZILLIGEN Verwaltungsfachkraft (22,5 Std.)<br />

Supervision<br />

Brigitte BÜCHLER-SCHÄFER Supervisorin DGSv, SG; Psychotherapeutin HPG<br />

Dr. Dorle WEYERS Supervisorin DGSv, systemisches Coaching<br />

Qualitätssicherung: Die hohe Qualität unserer Arbeit wird gesichert durch<br />

regelmäßig wöchentliche Fallbesprechungen in multidisziplinären Teams<br />

regelmäßige externe Supervision<br />

regelmäßige Überprüfung und Weiterentwicklung der Organisation<br />

Klientennachbefragungen<br />

Entwicklung eines unabhängigen Beschwerdemanagements<br />

regelmäßige Fort– und Weiterbildung aller MitarbeiterInnen zu methodischtherapeutischen<br />

Kompetenzen und zu aktuellen sozialen Themen und Problemlagen.<br />

6


Außenstelle Lindlar<br />

Psychodrama-<br />

kindergruppe<br />

Trennungs-/<br />

Scheidungs-<br />

gruppe<br />

Beratung für Fachkräfte<br />

und Multiplikatoren<br />

Unsere Arbeit im Überblick:<br />

Frühe Hilfen<br />

Online-Beratung<br />

7<br />

Außenstelle RADE<br />

Beratung und Therapie<br />

für Eltern, Kinder<br />

und Jugendliche<br />

Courage -<br />

Fachbereich<br />

gegen<br />

sexualisierte<br />

Gewalt<br />

Familienzentren<br />

Netzwerkarbeit<br />

Commit<br />

Beratung an Schulen<br />

Offene<br />

Sprechstunde


Familien in ihrer Lebenswelt ansprechen:<br />

Erziehungsberatung vor Ort<br />

Sozialraum<strong>orientierung</strong> und Netzwerkarbeit sind wichtige Grundlagen für qualifizierte,<br />

effiziente und nachhaltige Arbeit und erfreuen sich immer größerer Beliebtheit. Insbesondere<br />

das Fachkonzept, das von Professor Wolfgang Hinte am ISSAB der Uni Duisburg-Essen entwickelt<br />

wurde, hat das Kreisjugendamt im OBK und damit auch die hiesige Jugendhilfe angeregt.<br />

Unsere Beratungsstelle hat dies noch einmal verstärkt in dem Bemühen unser Angebot zu dezentralisieren.<br />

Mit unseren beiden etablierten Außenstellen in Radevormwald und Lindlar und der großen<br />

Zahl von Sprechstunden vor Ort in 10 Familienzentren, 5 Schulen, Familienbüro, Elterncafe und Familienbildungsstätte<br />

bemühen wir uns um niedrigschwellige lebensweltnahe Hilfe und Problembearbeitung.<br />

in Radevormwald wurden 221 Familien beraten,<br />

151 wurden in 2010 neu aufgenommen, 82 Beratungen werden in 2011 fortgeführt.<br />

11 Kleinkinder unter 3 Jahren plus Eltern wurden durch Frau Langer betreut.<br />

62 % der Beratungen waren innerhalb von 3 Monaten beendet.<br />

9% hatten eine ausländische Staatsangehörigkeit.<br />

in Lindlar wurden 214 Familien beraten.<br />

147 wurden in 2010 neu aufgenommen, 64 Beratungen werden in 2011 fortgeführt.<br />

15 Kleinkinder unter 3 Jahren plus Eltern wurden durch Frau Langer betreut.<br />

65 % der Beratungen waren innerhalb von 3 Monaten beendet.<br />

6% hatten eine ausländische Staatsangehörigkeit.<br />

In den vielen Sprechstunden vor Ort zeigt sich, dass für etwa 80 % der Ratsuchenden diese zugehende<br />

Beratung damit der niedrigschwellige Zugang zu einer offensichtlich erforderlichen, weitergehenden<br />

Beratung und Hilfe ist, zu der sie aber ohne dieses Angebot gar nicht, später oder schwieriger<br />

Zugang gefunden hätten. Die in den Sprechstunden angesprochene Problematik wird von allen BeraterInnen<br />

mehrheitlich als akut bis sehr akut eingeschätzt. Häufig gibt es bei diesen Ratsuchenden<br />

Hinweise auf mangelndes Selbstwertgefühl und Ängste, die die Schwellenangst gegenüber<br />

„normalen“ Beratungsangeboten erklären können.<br />

Durch die hohe Aktualität der Anliegen der Ratsuchenden ist allerdings der Belastungsdruck auf die<br />

BeraterInnen oft recht hoch, da es sich mehr um Kriseninterventionen als um Beratungen mit präventiven<br />

Charakter handelt.<br />

Die Sprechstunden laufen besonders dann gut, wenn sie in eine positive örtliche Kooperationskultur<br />

eingebunden sind.<br />

Besonderen Wert legen wir auch auf die Vernetzung der vorhandenen Helfereinrichtungen. Mit großem<br />

Engagement haben wir zwei Netzwerke „Frühe Hilfen“ in den Sozialräumen Wipperfürth und<br />

Lindlar aufgebaut, in denen Gesundheitshilfe und Jugendhilfe unterschiedliche Ansätze koordiniert<br />

und gemeinsame Handlungsempfehlungen erarbeitet, um damit den jungen Familien schnelle und<br />

kompetente Hilfe zu ermöglichen und auch besonders benachteiligte Familien zu erreichen.<br />

Außerordentlich froh sind wir auch, dass es angesichts des neuen Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen<br />

(FamFG) gelungen ist, in einem Ende 2009 neu geschaffenen Netzwerk „Familie und<br />

Recht“ Juristen und Jugendhilfe in großer Zahl an einen Tisch zu bekommen. Familienrichter,<br />

Rechtsanwälte, Gutachter, Verfahrensbeistände, Jugendämter und Beratungsstelle bemühen sich mit<br />

Blick auf das Wohl der Kinder um eine Verbesserung der Verfahrensabläufe. Die nicht immer leichte<br />

Zusammenarbeit angesichts hochstrittiger Eltern hat sich schon deutlich bewährt und zu entspannteren<br />

Situationen vor Gericht geführt, was besonders den betroffenen Kindern zugute kommt.<br />

8


Familien mitten im Leben zu begleiten und in ihren Kompetenzen zu<br />

stärken: Erziehungsberatung in Familienzentren<br />

Unterstützung der Erzieherinnen in den Kindertagesstätten durch Fallberatung einzeln und<br />

im Team, diagnostische Hilfen, sowie fachliche Veranstaltungen gehörten schon immer zum<br />

Angebot unserer Erziehungsberatungsstelle. Seit der Entwicklung von Familienzentren sind<br />

wir als Beratungsstelle als Kooperationspartner gefragt.<br />

2006 haben wir mitgearbeitet bei der Entwicklung des Pilotprojekts Familienzentrum Wipperfürth<br />

zusammen mit der Familienbildungsstätte „Haus der Familie― und der Kita Don Bosco.<br />

Nach dieser Pilotphase haben sich in den darauffolgenden Jahren weitere Kooperationen mit<br />

Familienzentren ergeben.<br />

Als zentrales Angebot hat sich eine regelmäßige Sprechstunde für die Eltern bei Erziehungs–<br />

und Familienfragen bewährt und etabliert. Diese Sprechstunde kann auch von den Erzieherinnen<br />

genutzt werden, um sich für den Umgang mit auffälligen Kindern oder für schwierige Elterngespräche<br />

Hilfe und Unterstützung zu holen. In Absprache mit den Kitas nimmt der Berater/die<br />

Beraterin auch an Elterncafes oder Teamsitzungen teil. Für jedes Familienzentrum gilt<br />

es ein passendes Angebot zu entwickeln, um eine möglichst niedrigschwellige Beratung für<br />

Eltern zu ermöglichen.<br />

Grundlage für diese Beratungsangebote sind<br />

die Kostenfreiheit<br />

die Vertraulichkeit<br />

Einbezug der Erzieherinnen mit Zustimmung der Eltern<br />

ein verlässliches, regelmäßiges Angebot<br />

die Möglichkeit zur direkten Fortsetzung der Beratung in der Beratungsstelle - bis zu<br />

zwei Gesprächen werden einer Familie in dem Familienzentrum angeboten.<br />

Unsere Kooperationspartner in 2010:<br />

In Wipperfürth:<br />

DRK Kindertageseinrichtung Familienzentrum Rasselbande, Alte Kölner Straße 38<br />

Katholisches Familienzentrum Don Bosco, Don-Bosco-Weg 5<br />

Evangelisches Familienzentrum Sonnenkäfer, Lüdenscheider Straße 17<br />

Evangelisches Familienzentrum Klaswipper, Klaswipper 39<br />

In Radevormwald:<br />

Städtisches Familienzentrum Sprungbrett, Herderstraße 5<br />

Städtisches Familienzentrum Wupper, Auf der Brede 33<br />

In Hückeswagen:<br />

Katholisches Familienzentrum St. Maria Himmelfahrt, Am Kamp 11<br />

In Lindlar:<br />

Katholisches Familienzentrum St. Severin, Auf dem Heidchen 3<br />

In Engelskirchen:<br />

Katholisches Familienzentrum Herz Jesu / Loope, Bruchstraße 17<br />

In Marienheide:<br />

Katholisches Familienzentrum Arche, Klosterstraße 5<br />

9


Ein aufsuchendes Angebot für Kinder und Jugendliche<br />

Beratung in Schulen<br />

Bereits zum Schuljahr 1998/99 begannen wir in unserem Projekt „commit—Beratung an<br />

Schulen― tragfähige Kooperationsbeziehungen mit vier weiterführenden Schulen zu entwickeln.<br />

Schülerinnen und Schüler haben diese Beratung vor Ort in einer anfangs so nicht erwarteten<br />

Weise außerordentlich stark in Anspruch genommen. Dieses Projekt wurde über mehrere<br />

Jahre von der Sozialstiftung der Kreissparkasse Köln finanziert. Inzwischen hat sich dieser Arbeitsbereich<br />

fest etabliert.<br />

Durch den zunehmenden Ausbau der Ganztagsschule wird Schule noch mehr zum Lebensmittelpunkt<br />

von Kindern und Jugendlichen. Gleichzeitig berichten die Gymnasien von einer großen<br />

Bandbreite und Unterschiedlichkeit der neuaufgenommenen SchülerInnen hinsichtlich ihrer<br />

Entwicklung und psychosozialem Hintergrund. Dies stellt die Schulen vor zunehmende<br />

Probleme der Integration . Hinzu kommt ein enormer Leistungsdruck durch die verkürzte<br />

Schulzeit bis zum Abitur. Nicht ohne Besorgnis wird von verschiedenen Seiten in unserer Gesellschaft<br />

eine zunehmende psychische Belastung von Kindern und Jugendlichen wahrgenommen.<br />

Dennoch gibt es für eine Kooperation von Jugendhilfe und Schule bisher kaum Qualitätsstandards.<br />

Wichtig ist uns, eine für alle Beteiligten verbindlich eingerichtete Kooperationsstruktur<br />

zu schaffen, die somit vom persönlichen Engagement eines einzelnen Lehrers und eines Beraters/in<br />

weggeht hin zu einer institutionellen Absicherung. Um eine für beide Seiten effektive<br />

Zusammenarbeit zu erreichen ist es wichtig, dass die gesamte Schule mit Kollegium und Elternschaft<br />

sich zusammen mit der Beratungsstelle für eine solche Kooperation entscheidet. Dabei<br />

spielt auch die Kontinuität und Verlässlichkeit des Beratungsangebots eine sehr wichtige<br />

Rolle und benötigt daher auch eine verlässliche finanzielle Basis.<br />

Unsere Sprechstunden werden durch Plakate, Flyer, Elternbriefe, Ankündigung am „schwarzen<br />

Brett―, <strong>Zeit</strong>ungsartikel u.ä. publiziert und in Lehrerkonferenzen und Klassenbesuchen bekannt<br />

gemacht. Die Beratung findet wöchentlich innerhalb der Schulzeit statt. Notwendige weiterführende<br />

Gespräche werden dann in unsere eigenen Beratungsräume vermittelt, damit die Sprechstunde<br />

offen bleibt für schnelle Erstkontakte.<br />

Die beteiligten Schulen machen die Erfahrung, dass durch die regelmäßige Zusammenarbeit<br />

und den verlässlichen Ansprechpartner eine Vertrauensbasis entsteht, die SchülerInnen den Zugang<br />

zur Beratung erleichtert, von LehrerInnen bei pädagogischen Fragen gerne genutzt wird<br />

und bei akuten Krisen rasche Hilfe für SchülerInnen, LehrerInnen, Betreuungspersonal und<br />

Familien gewährleistet.<br />

Unsere Kooperationspartner in 2010:<br />

In Wipperfürth:<br />

Hermann-Voss-Realschule—Engelbert von Berg Gymnasium—St.-Angela-Gymnasium<br />

In Radevormwald:<br />

Theodor-Heuss-Gymnasium—Städtische Realschule<br />

Zur Verbesserung der Kooperation arbeiten wir mit in den Netzwerken:<br />

für soziales Verhalten an weiterführenden Schulen im Nordkreis Oberberg<br />

für soziales Verhalten an Grundschulen im Nordkreis Oberberg<br />

Wir halten diesen wachsenden präventiven Arbeitsbereich für sehr sinnvoll und effektiv. Er<br />

benötigt aber klare Kooperationsstrukturen und personelle <strong>Ressourcen</strong>.<br />

10


Mobbing in Schulen<br />

In den Schulsprechstunden gehört die Anfrage nach Hilfe gegen Mobbing zum Alltag und<br />

ist sicher bei den häufigsten Themen anzutreffen. Mal fragt eine Lehrkraft nach Unterstützung<br />

mal meldet sich der Schüler/in selber an.<br />

Zahlen zur Häufigkeit von Mobbing insgesamt sind schwer zu erfassen. Die Ergebnisse im<br />

Land Brandenburg (ländlicher Bereich) unterscheiden sich nicht von den Zahlen in Berlin<br />

(städtischer Bereich). An jeder Schule gibt es schätzungsweise 41% Täter und entsprechend<br />

viele Opfer. Dies verdeutlicht, dass die „kleine Gewalt― das große Problem ist. Die „große Gewalt",<br />

bei der Polizei und Arzt gerufen werden müssen und über die medienwirksam berichtet<br />

wird, beginnt oft mit der „kleinen Gewalt―.<br />

Ein Beispiel:<br />

Die Anfänge sind manchmal unscheinbar, versteckte Anspielungen, ein Unterton. Ironie spielt<br />

eine große Rolle. Was aber zählt, ist die Absicht. Alle spüren die Absicht, das gesagte Wort ist<br />

unangreifbar.<br />

Der Konflikt verfestigt sich und das gekränkte Kind fängt an, an sich zu zweifeln. Es wird alles<br />

unternehmen um es richtig zu machen und doch bleibt der Eintritt in die Gemeinschaft verwehrt.<br />

Es wird möglicherweise Kopf– oder Bauchschmerzen bekommen, unregelmäßig zur<br />

Schule kommen und schlechte Zensuren schreiben. Irgendwann wird es die Klasse verlassen.<br />

Sehr zur Überraschung aller.<br />

Eine Definition:<br />

Dan Olweus definiert Mobbing so: „Ein Schüler oder eine Schülerin ist Gewalt ausgesetzt oder<br />

wird gemobbt, wenn er oder sie wiederholt und über eine längere <strong>Zeit</strong> den negativen Handlungen<br />

eines oder mehrerer anderer Schüler und Schülerinnen ausgesetzt ist.―<br />

Nicht jeder Streit ist Mobbing:<br />

Gewöhnliche Konflikte entstehen und vergehen. Bei Mobbing wiederholt sich eine Feindseligkeit,<br />

meistens gegenüber einem einzelnen Kind und es entsteht so ein Dauerkonflikt. Einmalige,<br />

auch mehrmalige Unverschämtheiten sind noch kein Mobbing. Es muss das Systematische<br />

dazu kommen und die Dauer.<br />

Kennzeichen von Mobbing:<br />

eine asymmetrische Beziehung (= Viele gegen Einen)<br />

Macht der Gruppe und Ohnmacht des Einzelnen<br />

Willkür und Dauerhaftigkeit<br />

Mobbing vergeht nie von allein<br />

Mobbing ist immer ein Prozess<br />

Phase 1 Gemeinheiten werden platziert.<br />

Konflikte sind normale menschliche Lebensäußerungen. In Schulklassen geht es häufig um<br />

Macht und Einfluss. Es entstehen Ungerechtigkeiten und Parteilichkeiten. Einzelne Unverschämtheiten<br />

und Gemeinheiten werden platziert. Wenn dieser inszenierte Konflikt nicht beachtet<br />

und nicht bearbeitet wird, kann er sich zu Mobbing weiter entwickeln.<br />

Phase 2 Mobbing wird möglich durch Möglichmacher.<br />

Wichtiger Grund für das Entstehen von Mobbing ist das Sich-nicht-darum- Kümmern. Die Zuschauer<br />

werden zu Möglichmachern. In dieser Phase werden die sozialen Kontakte des Opfers<br />

manipuliert und das Opfer isoliert. Seine physische Verfassung wird immer schlechter und es<br />

gerät immer mehr in Verteidigungshaltung, wird immer auffälliger und liefert dadurch immer<br />

mehr Anlässe zum Ausgrenzen und Ärgern.<br />

11


Mobbing in Schulen<br />

Phase 3 Destruktives Handeln<br />

Die Person gerät endgültig in Unterlegenheit. Es tritt ein Gewöhnungseffekt ein, auftretendes<br />

Fehlverhalten und Fehlleistungen werden als selbstverschuldet gedeutet. Die Person beginnt,<br />

selbst zu glauben, was man ihr vorwirft. Sie kann sich aus eigener Kraft nicht mehr aus<br />

der Situation befreien. Oft treten gesundheitliche Schäden ein.<br />

Phase 4 Ausschluss<br />

Hilflos und demoralisiert wechseln gemobbte Kinder dann oft die Schule. Es kommt für Lehrkräfte<br />

sowie MitschülerInnen meistens überraschend, weil sie nichts bemerkt hatten. Aber die<br />

Täter haben ihr Ziel erreicht, den Ausschluss des Opfers.<br />

Mobbing macht Stress<br />

Wer gemobbt wird, gerät unter psychischen Stress. Stress entsteht, wenn wir glauben, mit dem,<br />

was um uns vorgeht, nicht umgehen zu können. Man greift auf drei elementare Verhaltensmuster<br />

zurück:: Flucht, Kampf oder Tot stellen. Der Körper reduziert seine Funktionen auf das Nötigste<br />

und aktiviert das Hormon Adrenalin, das mehrfach wirkt:<br />

Es schaltet die Verdauung ab, denn bei Gefahr muss man nicht essen. Die Folge ist ein komisches<br />

Gefühl im Magen. Es erhöht die Herzfrequenz, um dem Gehirn mehr Blut und Sauerstoff<br />

zuzuführen. Man spürt ein vermehrtes Herzklopfen. Der Denkapparat wird abgeschaltet, massive<br />

Denkblockaden sind die Folge. Wir können uns nicht besinnen (Blackout). Es schaltet das<br />

Immunsystem ab mit der Gefahr zu erkranken. Folgen sind Kopfschmerzen, Magenbeschwerden,<br />

Schlafstörungen und allgemeine Störung des vegetativen Nervensystems. Hält der Stress<br />

über Tage oder Wochen an, ist Krankheit die unvermeidliche Folge.<br />

Wieso kommt man nicht alleine aus der Mobbingfalle?<br />

Mobbing erzeugt Stress. Psychosomatische Symptome entstehen. Die Psyche wird geschwächt,<br />

es fällt schwer, klug zu reagieren. Dabei werden zwei zentrale Punkte außer Kraft gesetzt:<br />

1. Fehlendes Selbstvertrauen<br />

Das Selbstvertrauen wird vom Mobbing in Frage gestellt und attackiert. Sicherheit bietet nur<br />

noch die Person, die die Macht hat, das Mobbing einzustellen. Schon die Angst vor weiteren<br />

Angriffen verunsichert die betroffene Person.<br />

2. Fehlende soziale Unterstützung in der Umwelt<br />

Das Ansehen des Gemobbten nimmt rapide ab. Das Opfer beginnt zu verzweifeln und gleitet in<br />

ein Verteidigungsverhalten hinein, das die Umgebung als unangenehm empfindet. Hier liegt<br />

auch der Grund der falschen Annahme, dass das Opfer durch sein eigenes „komisches Opferverhalten―<br />

selbst schuld sei. Das Opfer wird stigmatisiert und seine Psyche wird geschwächt,<br />

da nun die Bestätigung der eigenen Person durch andere ausbleibt.<br />

Die Fähigkeit, sich in der Gesellschaft zu orientieren ist blockiert. Das Opfer weiß in seiner<br />

verunsicherten Lage nicht, wohin es sich wenden soll, weil sich alle bisherigen Kontakte als<br />

nicht vertrauenswürdig erweisen.<br />

Kennzeichnend ist, dass das Opfer zusehends vereinsamt. Mobbingopfer geraten verstärkt unter<br />

Stress und reagieren manchmal heftig. Diese Reaktionen werden dann als Beleg für die eigene<br />

ablehnende Haltung herangezogen. Dadurch entsteht ein Kreislauf, aus dem weder Täter<br />

noch Opfer ohne Hilfe von außen herauskommen.<br />

Fazit: An jeder Schule braucht es Lehrer, Schüler, Eltern und Kooperationspartner die<br />

hinsehen, die Mobbing erkennen, gemeinsam wirkungsvolle Handlungsstrategien entwickeln,<br />

so dass eine Schulkultur entsteht in der Mobbing keine Chance hat.<br />

12


Hilfe so früh wie möglich:<br />

„Frühe Hilfen“ in der Erziehungsberatung<br />

Projekt „Baby im Blick“<br />

Die Lebensbedingungen für Familien mit Kindern haben sich in den letzten Jahrzehnten drastisch verändert.<br />

Ein zunehmende Zahl von jungen Eltern ist aufgrund ihrer persönlichen Lebensumstände oder der<br />

eigenen biographischen Erfahrungen gegenüber dem Baby in ihrer Fürsorgefähigkeit und elterlichen<br />

Kompetenz eingeschränkt. Eine ausreichend gute Versorgung des Kindes ist nur teilweise oder gar nicht<br />

mehr gewährleistet. Dazu kommen fehlende familiäre und/oder soziale Netze, die die junge Familie<br />

stützen könnten. Damit wächst die Gefahr der Isolierung der jungen Familie, was zu einem Teufelskreis<br />

der Überforderung führt. Bildungs– und Beratungsangebote werden von sich aus nicht in Anspruch genommen.<br />

In Krisensituationen erhöht sich damit die Gefahr für die Kleinkinder vernachlässigt oder gar<br />

misshandelt zu werden. Gerade die kleinen Kinder sind aber besonders verletzlich und eine negative<br />

Umwelt wirkt sich besonders stark auf ihre Gesundheit aus.<br />

Durch die großzügige Unterstützung der Hans Hermann Voss Stiftung konnten wir bereits 2008 ein<br />

Projekt „Frühe Hilfen für Eltern mit Kleinkindern im Alter von 0 bis 3 Jahren― beginnen, das sich inzwischen<br />

ausgezeichnet bewährt hat und eine Vielzahl von Unterprojekten hervorgebracht hat.<br />

Schwerpunkt dieses Projektes Baby im Blick ist die Entwicklungspsychologische Beratung (EPB)<br />

durch unsere speziell ausgebildete Mitarbeiterin Frau Birgit Langer. EPB ist ein von der Uniklinik Ulm<br />

entwickeltes Unterstützungsangebot zur Förderung der elterlichen Feinfühligkeit in der frühen Kindheit.<br />

Es dient dem Aufbau einer gelungenen Eltern-Kind-Beziehung, und einer sicheren emotionalen Bindung<br />

beim Kind. (B.Bütow, B.Derksen, M.Fries, U.Ziegenhain, EPB für junge Eltern, 2006)<br />

Da es uns vorrangig um die oben beschriebenen Risikofamilien geht, stellt die Frage des Zugangsweges<br />

zur Beratung eine besondere Herausforderung dar. Wir setzen auf zwei Zugangswege:<br />

1. die direkte und unkomplizierte Vermittlung durch andere Helfer, die mit Säuglingen und jungen<br />

Müttern zu tun haben (z.B. Kinderärzte, Hebammen, Familienhelfer, Esperanza, Elternschule)<br />

und Nachbarschaftsempfehlung.<br />

Für diesen Zugangsweg legen wir besonderen Wert auf die Vernetzung der Helfer und haben bereits<br />

zwei Netzwerke „Frühe Hilfen― begründet. Zusätzlich versuchen wir mit Fachveranstaltungen die Zusammenarbeit<br />

und fachliche Aufmerksamkeit für Probleme der Kleinkinder zu verstärken. Zu der Fachveranstaltung<br />

„Seelische Misshandlung im Säuglings- und Kleinkindalter—Frühzeitiges Erkennen und<br />

die Auswirkungen verhindern als gemeinsame Aufgabe von Gesundheitshilfe und Jugendhilfe― mit Frau<br />

Dr. Tamara Jacubeit von der Kinder– und Jugendpsychiatrie Lüdenscheid kamen weit über 100 Fachleute<br />

aus Jugend– und Gesundheitshilfe.<br />

2. Niedrigschwellige Kontaktangebote vor Ort, vor allem in Elterncafes.<br />

In dem Elterncafe des Familienbüros Radevormwald, im Rastplatz Marienheide, in der Elternschule Josefine<br />

in Wipperfürth, in den Elterncafes der Familienzentren, gibt es regelmäßig Besuch von Frau Langer,<br />

die kleine Vorträge zu Schlaf– oder Alltagsproblemen von Kleinkindern hält und zu Gesprächen<br />

bereit ist. In Lindlar haben wir mit Hilfe des Rotary Clubs Wipperfürth-Lindlar und der Sozialstiftung<br />

der Kreissparkasse Köln ein eigenes Elterncafe in unseren Beratungsräumen eröffnet. Dort findet auch<br />

eine Krabbelgruppe statt und eine monatliche Hebammensprechstunde (in Kooperation mit Esperanza).<br />

Ende 2010 haben wir zusammen mit dem Katholischen Bildungswerk und mit Förderung des Ehe– und<br />

Familienfonds des Erzbistums Köln sieben Ehrenamtliche zu Familienpatinnen ausgebildet, die ab<br />

2011 von uns eingesetzt und begleitet werden.<br />

13


Die Familie ist der Ort wo Integration anfängt und kommuniziert wird:<br />

Muttersprachliche Beratung<br />

Erziehungsberatung in türkischer Sprache<br />

Seit vielen Jahren bieten wir Familien, Kindern und Jugendlichen Beratung und Therapie an und bemühen<br />

uns immer wieder für besondere Zielgruppen spezielle Angebote zu entwickeln. Besonders in den<br />

ortsnahen Sprechstunden in den Familienzentren erleben wir teilweise, dass unzureichend entwickelte<br />

deutsche Sprachkompetenz der Eltern oder kulturelle Barrieren die Inanspruchnahme unseres Beratungsangebots<br />

verhindern.<br />

Typische Hemmnisse bei Migranten für den Zugang zu unserer Beratung:<br />

Fehlende Information:<br />

- über die Existenz von Beratungsangeboten<br />

- über die Voraussetzungen zur Inanspruchnahme<br />

- über Ziel und Sinn eines Beratungsangebots<br />

Fehlendes Vertrauen<br />

- in sprachliche Verständigungsmöglichkeiten<br />

- in kulturelle Verstehensmöglichkeiten<br />

- in Akzeptanz und Wertschätzung bei öffentlichen Einrichtungen<br />

Scheu<br />

- vor allen Behörden und Institutionen<br />

- vor Vorurteilen negativer Art<br />

Unser familientherapeutisch ausgebildeter Mitarbeiter Herr Ali Güngör richtet sein Angebot speziell an<br />

Kinder, Jugendliche und ihre Eltern mit türkischer Muttersprache, die eine Beratung suchen und benötigen.<br />

Die zuerst gelernte Sprache hat für alle Menschen eine zentrale Bedeutung. Wenn es darauf ankommt<br />

einen Menschen mit seiner gesamten Lebensgeschichte zu verstehen, dann erschließt sich das<br />

oft nur in der Muttersprache. Diese ist viel gefühlsmäßiger besetzt, bestimmte Zwischentöne und Stimmungen<br />

lassen sich nur in ihr ausdrücken. Die gelernte Zweitsprache ist dagegen mehr verkopft und<br />

wird häufig auch unzureichend beherrscht. Das kann in der Beratung schnell zu Missverständnissen führen.<br />

Wenn belastende Erfahrungen in einer Zweitsprache geschildert werden sollen, klingen sie manchmal<br />

flach und leblos.<br />

Neben dem psychologischen Bedeutungskontext kann damit der wichtige kulturelle und gesellschaftliche<br />

Bedeutungskontext adäquat verstanden und einbezogen werden. Deutschtürkische Jugendliche berichten<br />

von der Zerrissenheit zwischen familiären Traditionen und der Freiheit außerhalb des Elternhauses,<br />

von Chancenlosigkeit und Ausgrenzung. Junge deutschtürkische Frauen wähnen sich oft in einer<br />

aussichtlosen Lage. Bis in die vierte Generation setzt der Wechsel von Land und Kultur Migranten unter<br />

Stress.<br />

Folgende Ziele verfolgt unsere türkischsprachige Beratung:<br />

Stärkung der Erziehungskompetenz der Eltern<br />

Klärung und Lösung familienbezogener Problemlagen<br />

Klärung und Lösung außerfamiliärer Problemlagen und Konflikte, z.B. zwischen Schule und Elternhaus<br />

Unterstützung bei Entwicklungsstörungen und Verhaltensauffälligkeiten<br />

Vermittlung (Schwellensenkung) von weitergehenden Hilfen im Jugendhilfe-, Schul-, Gesundheits-<br />

und Sozialsystem.<br />

14


Übersicht Fallzahlen 2010:<br />

Gesamtzahl der Fälle 2010 2009<br />

Gesamt 1172 1165<br />

davon übernommen aus<br />

dem Vorjahr<br />

15<br />

374 395<br />

Neuanmeldungen 798 770<br />

Abgeschlossene Fälle 778 779<br />

Online-Beratungen 27 39<br />

Jugendliche aus<br />

Schülersprechstunden<br />

Beratung in<br />

Familienzentren<br />

Courage gegen<br />

sexualisierte Gewalt<br />

113 136<br />

176 182<br />

115 136<br />

Projekt Baby im Blick 75 73<br />

Die Gesamtzahl der Beratungsfälle sowie die Neuanmeldungen sind wiederum<br />

leicht gestiegen.<br />

Herkunftsort der Ratsuchenden<br />

400<br />

350<br />

300<br />

250<br />

200<br />

150<br />

100<br />

50<br />

0<br />

Wipperfürth<br />

380<br />

Radevormwald<br />

221 214 195<br />

Lindlar<br />

Hückeswagen<br />

Marienheide<br />

Die Verteilung auf die Herkunftsorte ist in etwa gleich geblieben. Nicht nur aus<br />

Gründen der Anonymität kommen Ratsuchende von außerhalb, sondern auch weil es<br />

häufig eine Anbindung über die Schulen in unserem Zuständigkeitsbereich gibt.<br />

54<br />

Gummersbach<br />

15<br />

Engelskirchen<br />

23<br />

Außerhalb<br />

72


Wartezeiten bei Neuaufnahmen bis zum ersten Beratungsgespräch<br />

60%<br />

50%<br />

40%<br />

30%<br />

20%<br />

10%<br />

0%<br />

Dauer der Beratung<br />

60%<br />

50%<br />

40%<br />

30%<br />

20%<br />

10%<br />

0%<br />

bis 14 Tage bis 1 Monat bis 2 Monate länger als 2<br />

Monate<br />

Über 80 % der Ratsuchenden erhalten einen Termin innerhalb von einem Monat.<br />

Die anderen warten etwas länger auf den Termin. Manche Ratsuchende haben sehr<br />

bestimmte Terminwünsche, so dass sich die Wartezeit verlängert. Über die offenen<br />

Sprechstunden ist für jeden Ratsuchenden eine zeitnahe Beratung möglich.<br />

unter 3 Monate 3 bis 6 Monate 6 bis 12 Monate 12 bis 18<br />

Monate<br />

16<br />

länger als 18<br />

Monate<br />

Bei ca. 70 % der Ratsuchenden wird die Beratung innerhalb eines halben Jahres abgeschlossen.<br />

Eine kurze und lösungsorientierte Beratung ist hier wirkungsvoll . Eine<br />

Folge davon ist allerdings, dass es manchmal zu Wiederanmeldungen kommt. 30 %<br />

der Ratsuchenden benötigen eine längerfristige Beratung. Dabei ist die konstante Prozessbegleitung<br />

wichtig und erwünscht.


Vergleich der Altersgruppen 2009/ 2010<br />

180<br />

160<br />

140<br />

120<br />

100<br />

80<br />

60<br />

40<br />

20<br />

0<br />

bis 3<br />

Jahre<br />

3 bis 6<br />

Jahre<br />

Die Altersgruppen der angemeldeten Kinder sind in den letzten Jahren recht konstant<br />

geblieben. Im Vorschulalter werden etwa gleich viele Mädchen wie Jungen angemeldet.<br />

Ab einem Alter von 15 Jahren ist die Zahl der angemeldeten Jungen niedriger,<br />

weil sich mehr Mädchen selber anmelden.<br />

Anregung zur Beratung<br />

6 bis 9<br />

Jahre<br />

9 bis 12<br />

Jahre<br />

17<br />

12 bis<br />

15 Jahre<br />

7,2% 0,4% 4,6% 1,3% 0,9%<br />

3,5%<br />

11,6%<br />

Junger Mensch<br />

7,8%<br />

Eltern/Personensorgeberechtigte<br />

Schule<br />

Kindertagesstätte<br />

15 bis<br />

18 Jahre<br />

18 bis<br />

21 Jahre<br />

62,7%<br />

Soz. Dienst u. and. Institutionen wie Jugendamt etc.<br />

Gericht, Staatsanwaltschaft, Polizei<br />

Arzt, Klinik, Gesundheitsamt<br />

Ehemalige Klienten / Bekannte<br />

Sonstige<br />

21 bis<br />

27 Jahre<br />

2009<br />

2010<br />

Früher wurden die Kinder fast ausschließlich von ihren Eltern angemeldet, heute<br />

geschieht dies verstärkt durch die Jugendlichen selbst oder sie werden durch Schule<br />

und soziale Dienste dazu angeregt. Daran wird die gute Kooperation und Vernetzung<br />

mit anderen Institutionen deutlich.


Beratungs- und Problemschwerpunkte der angemeldeten Kinder u. Jugendlichen<br />

48 % der angemeldeten Kinder waren belastet durch gravierende familiäre<br />

Konflikte, wie hochstrittige Eltern, Trennungs- und Scheidungskonflikte, Eltern-Kind-Konflikte<br />

sowie migrationsbedingte Konfliktlagen.<br />

40 % der angemeldeten Kinder zeigen emotionale Auffälligkeiten wie Ängste,<br />

Selbstwertprobleme, depressive Verstimmungen bis hin zu Suizidgefährdung.<br />

25 % der angemeldeten Kind zeigten Auffälligkeiten im Sozialverhalten wie<br />

Rückzug oder gesteigerte Aggressivität, meist bedingt durch familiäre Konflikte,<br />

aber auch durch Schulkonflikte.<br />

Über 30 % der angemeldeten Kinder hatten schulische oder berufliche Probleme,<br />

wie Mobbing, Schulverweigerung, Unruhe und Konzentrationsprobleme.<br />

10 % der Kinder litten unter elterlichen Belastungen, wie Arbeitslosigkeit,<br />

Armut, psychische oder chronische Erkrankungen, Sucht oder Gewalt in der<br />

Familie.<br />

15 % der Kinder litten unter eingeschränkter Erziehungskompetenz der Eltern,<br />

vor allem Erziehungsunsicherheit und pädagogische Überforderung.<br />

Bei 45 Kindern ging es um die Gefährdung des Kindeswohls.<br />

Präventive Maßnahmen<br />

Beratungen in offenen Sprechstunden anderer Institutionen: 283<br />

Informationsveranstaltungen, Vorträge und Elternabende<br />

einmalig: 127 mit 1025 Teilnehmern insgesamt<br />

mehrtägige: 5 mit 33 Teilnehmern<br />

Fachliche Unterstützung und Supervision von Erzieherinnen, Lehrerinnen und<br />

andere Fachkräfte der Jugendhilfe: 56 Termine mit insgesamt 85 Teilnehmern.<br />

Nach Joseph Beuys<br />

Lass Dich fallen.<br />

Lerne Schlangen zu beobachten.<br />

Pflanze unmögliche Gärten.<br />

Lade jemand Gefährlichen zum Tee ein.<br />

Schaukle, so hoch Du kannst mit deiner Schaukel bei Mondlicht.<br />

Mache kleine Zeichen, die „ja“ sagen und verteile sie überall.<br />

Verweigere „verantwortlich zu sein“, tu es aus Liebe.<br />

Lache eine Menge, bade im Mondschein.<br />

Träume wilde, phantasievolle Träume.<br />

Stell dir vor, Du wärst verzaubert.<br />

Kichere mit Kindern, höre alten Leuten zu.<br />

18


Arbeitskreise und Vernetzungen<br />

Netzwerk Frühe Hilfen Wipperfürth<br />

Netzwerk Frühe Hilfen Lindlar<br />

Netzwerk Familie und Recht im Nordkreis Oberberg<br />

Arbeitskreis Familienzentren in Wipperfürth<br />

Arbeitskreis Kath. Familienzentren Oberberg<br />

Arbeitskreis der Kooperationspartner der kath. Familienzentren im Seelsorgebereich<br />

IV<br />

Netzwerk für soziales Verhalten an weiterführenden Schulen im Nordkreis<br />

Oberberg<br />

Netzwerk für soziales Verhalten an Grundschulen im Nordkreis Oberberg<br />

Netzwerk Jugend und Beruf<br />

Runder Tisch Jugend in Lindlar<br />

Jugendhilfeauschüsse Oberbergischer Kreis und Radevormwald<br />

PSAG Oberberg<br />

AK „Kinder und Jugendliche― der PSAG<br />

Expertenrunde „Frühkindliche Bildung― in Oberberg<br />

Arbeitskreis katholische Jugendhilfe Oberberg<br />

AK Leiter der Oberbergischen Beratungsstellen<br />

Leiterkonferenz der katholischen Erziehungsberatungsstellen im Erzbistum<br />

Köln<br />

Träger-Leiter-Konferenz : Trägervertreter und LeiterInnen der katholischen<br />

Erziehungsberatungsstellen im Erzbistum Köln<br />

AG der Mitarbeiter: offenes Treffen der MitarbeiterInnen der katholischen Erziehungsberatungsstellen<br />

im Erzbistum Köln<br />

Arbeitskreis „Sexueller Missbrauch― Radevormwald<br />

Kommission „Sexueller Missbrauch― im Erzbischöflichen Generalvikariat<br />

Köln<br />

Netzwerk „Beratung von Eltern und Bezugspersonen rechtsextrem orientierter<br />

Jugendlicher in NRW―<br />

Netzwerk des Informations– und Dokumentationszentrums Sekten/<br />

Psychokulte in NRW<br />

Daneben gibt es immer wieder Öffentlichkeitsarbeit durch die interessierte Gruppen<br />

über die Angebote unserer Beratungsstelle informiert werden:<br />

So gestalten wir regelmäßig einen festen Baustein im Ausbildungscurriculum der<br />

Tagesmütter, laden neue LehrerInnen von kooperierenden Schulen zu Infoveranstaltungen<br />

ein oder Schulklassen der Jahrgangsstufe 6 zu einem Unterrichtsgespräch bei<br />

uns im Hause. Ebenfalls Klassen des Berufskolleg Wipperfürth oder Erzieherinnenteams<br />

kommen immer wieder gerne zu ausführlichen Gesprächen zu uns.<br />

Auf Anfragen der Medien werden immer wieder Interviews zu speziellen Arbeitsbereichen<br />

und aktuellen Fragen gegeben oder Artikel geschrieben, soweit es die knappe<br />

<strong>Zeit</strong> zu lässt.<br />

19

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