Dokumentation über den Fachtag ... - Familie erleben!
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<strong>Dokumentation</strong> <strong>über</strong> <strong>den</strong> <strong>Fachtag</strong> „Schulsozialarbeit <strong>erleben</strong>“ am 05.09.2011<br />
Der <strong>Fachtag</strong> „Schulsozialarbeit <strong>erleben</strong>“ war eine Kooperationsveranstaltung vom<br />
Deutschen <strong>Familie</strong>nverband Landesverband Sachsen-Anhalt e.V. mit der<br />
Netzwerkstelle „Schulerfolg“ Magdeburg, dem Jugendamt der Landeshauptstadt<br />
Magdeburg, der Hochschule Magdeburg-Stendal und <strong>den</strong> SchulsozialarbeiterInnen<br />
der Stadt Magdeburg.<br />
Grußwort zum <strong>Fachtag</strong> Schulsozialarbeit am 5.9.2011<br />
Herr Professor Wendt, sehr geehrte Frau Schulz<br />
Eröffnet wurde der <strong>Fachtag</strong> von Herr Brüning /<br />
Sozialbeigeordneter der Stadt Magdeburg. Er<br />
sprach begrüßende Worte zu <strong>den</strong> Gästen aus<br />
Politik, Verwaltung, Schule und anderen<br />
Interessierten.<br />
ich möchte alle, die zum heutigen <strong>Fachtag</strong> gekommen sind, auch im Namen der<br />
Landeshauptstadt Magdeburg, ihres Oberbürgermeisters, herzlich begrüßen. Es sind<br />
viele gekommen, begonnen bei <strong>den</strong> Schülern der Thomas-Müntzer-Schule,
Lehrerinnen und Lehrern, Schulsozialarbeiterinnen und Schulsozialarbeitern,<br />
Vertreterinnen und Vertreter von Trägern bis hin zu <strong>den</strong> Mitgliedern des Stadtrates<br />
Frau Biedermann (SPD, Tierschutz, future!) und Herrn Schindehütte (CDU,<br />
BfM).Dieses breite Interesse am <strong>Fachtag</strong> zur Schulsozialarbeit ist bemerkenswert.<br />
Viele von Ihnen kennen und schätzen die Schulsozialarbeit aus eigener Erfahrung.<br />
Eine gute Voraussetzung dafür, dass der heutige Tag für alle eine Bereicherung wird<br />
und uns weiter voranbringt. Unsere Stadt braucht mehr Schulsozialarbeit, eine hohe<br />
Qualität und vor allem auch Kontinuität auf diesem wichtigen Gebiet. Dafür spricht<br />
vieles.<br />
Das Land unterstützt mit seinem Programm gegen Schulversagen die<br />
Zusammenarbeit von Schule, Jugendhilfe und weiteren Kooperationspartnern.<br />
Allerdings war es bisher nicht das Ziel, an allen Schulen Schulsozialarbeiterinnen<br />
und Schulsozialarbeiter einzusetzen. Wir organisieren im Rahmen des Programms<br />
„Berufliche und soziale Integration Benachteiligter“ Netzwerk- und<br />
Kooperationsstrukturen. Jährlich setzt die Landeshauptstadt Magdeburg für diese<br />
Arbeit <strong>über</strong> 1,7 Millionen Euro ein; planmäßig bis 2013. Eine bemerkenswerte Arbeit<br />
wird dadurch in Jugendwerkstätten, im Jugendkompetenzzentrum, an Sekundar- und<br />
Förderschulen und Projekten verschie<strong>den</strong>er freier Träger ermöglicht. Das alles reicht<br />
aber noch nicht.<br />
Beispiel Schulverweigerung: Im Jahr 2010 musste das „Ordnungsamt“ 633 Verfahren<br />
zur Ahndung von Schulverweigerung durchführen. Schulerfolg beschränkt sich längst<br />
nicht darauf, je<strong>den</strong> Tag zur Schule gegangen zu sein. Jugendliche müssen die<br />
Sekundarschule ausbildungsfähig been<strong>den</strong>. Im vergangenen Jahr schafften in<br />
Magdeburg von 1415 Schulabgängern 141 einen Hauptschulabschluss und 87<br />
erhielten ein Abgangszeugnis. Nicht enthalten sind die 63 Abschlüsse der<br />
Lernbehinderten und 15 Abschlüsse von geistig behinderten Kindern.
Kinder und Jugendliche brauchen noch mehr Unterstützung an <strong>den</strong> Schulen, oft auch<br />
Beistand gegen<strong>über</strong> Lehrern und Eltern. Denn all die Hilfen, die das Jugendamt oder<br />
das Jobcenter für erwerbsfähige jugendliche Hilfebedürftige aufbringen, sind sehr<br />
teuer, aufwendig und kaum dauerhaft zu leisten. Botschaften, die uns aus Träger-<br />
Projekten mit solchen jungen Leuten erreichen, sind erschütternd: Vielen, so heißt<br />
es, mangelt es an Motivation, Grundeigenschaften wie Pünktlichkeit, Höflichkeit und<br />
normalen Umgangsformen.<br />
Wann und wo sollen Kinder und Jugendliche elementare Verhaltenseigenschaften<br />
annehmen? Ich <strong>den</strong>ke Eltern und Schule müssen noch stärker zusammengebracht<br />
wer<strong>den</strong>. Ein Schwerpunkt von Schulsozialarbeit.<br />
Für Bemerkenswert halte ich schließlich folgendes Problem: Wer unter 25 Jahre und<br />
erwerbsfähig ist und sich arbeitslos meldet, hat nach SGB II Rechtsanspruch auf<br />
sofortige Vermittlung in Arbeit, in Ausbildung oder mindestens in eine<br />
Beschäftigungsmaßnahme. Seit zwei Jahren gehört die Überwindung der<br />
Jugendarbeitslosigkeit zu <strong>den</strong> prioritären Aufgaben des Jobcenters. Mit viel Mühe<br />
konnten wir die Zahl der arbeitslosen Jugendlichen auf durchschnittlich 1300 im Jahr<br />
senken.<br />
Der <strong>Fachtag</strong> findet zu einem Zeitpunkt statt, an dem sich die Stadtverwaltung intensiv<br />
mit der Frage befasst, wie es auf diesem wichtigen Gebiet sozialpädagogischer<br />
Arbeit mit Kindern und Jugendlichen vorangeht. Das Bildungs- und Teilhabepaket<br />
des Bundes gibt uns nämlich zeitlich begrenzt umfangreiche Mittel in die Hand, mit<br />
<strong>den</strong>en wir neue Stellen für Schulsozialarbeiterinnen und –arbeiter schaffen.<br />
Nachdem in <strong>den</strong> vergangenen Monaten durch die Verwaltungen des Landes und der<br />
Stadt die wichtigsten Voraussetzungen geschaffen wor<strong>den</strong> sind, haben wir im August<br />
2011 erste Schritte zur Einrichtung neuer Stellen unternommen.<br />
Vom Standpunkt politischer Parteien oder auch kommunaler Vertretungen mag das<br />
Bildungs- und Teilhabepaket unterschiedlich bewertet wer<strong>den</strong>. Wir sehen uns in der
Verantwortung, <strong>den</strong> Nachweis anzutreten, dass die Hilfen benötigt wer<strong>den</strong> und zu<br />
positiven Veränderungen führen.<br />
Jährlich steht der Landeshauptstadt Magdeburg bis 2013 die Summe von etwa 1,5<br />
Millionen Euro für Schulsozialarbeit, für die Teilnahme am Schul- bzw. Hortessen<br />
oder Lernförderung zur Verfügung. Da die individuellen materiellen Leistungen<br />
vorrangig sind, kann ich heute noch nicht genau sagen, wie viel Geld für<br />
Schulsozialarbeit zur Verfügung stehen wird. Eins ist aber klar: Es wird nicht wenig<br />
und gut angelegtes Geld sein.<br />
Schwerpunkt ist für uns jetzt die Einrichtung von Schulsozialarbeit an <strong>den</strong><br />
Grundschulen. Das tun wir mit Unterstützung durch freie Träger der Jugendhilfe. Seit<br />
dem ersten September haben zwei Grundschulen Schulsozialarbeiterinnen, zwei<br />
weitere müssen noch bis zum 15. September 2011 warten. Es wer<strong>den</strong> 13<br />
Grundschulen und 9 Sekundarschulen sein, an <strong>den</strong>en wir künftig sozialpädagogische<br />
Arbeit vorhalten. Neu wird dabei die Umsetzung des Bildungs- und Teilhabepaketes<br />
sein.<br />
Natürlich wer<strong>den</strong> das Bildungs- und Teilhabepaket und die Schulsozialarbeit nicht all<br />
unsere Probleme lösen. Doch wenn wir das Wirkungsfeld der sozialpädagogischen<br />
Arbeit erweitern und sie systematisch verbessern, dann gewinnen alle: Die Kinder<br />
und Jugendlichen, die Eltern, die Schule und die ganze Stadt.<br />
Ich wünsche dem <strong>Fachtag</strong> also Erfolg und uns allen Aufschlüsse für die Arbeit mit<br />
dem Wertvollsten was wir haben: <strong>den</strong> Kindern.
Dr. Klaus vom Jugendamt der Landeshauptstadt Magdeburg hält für die Gäste <strong>den</strong><br />
Vortrag „Zwischen Notwendigkeit und Not?“<br />
Nadine Schulz / Netzwerkkoordinatorin der<br />
Netzwerkstelle „Schulerfolg“ Magdeburg begrüßte<br />
ebenfalls alle Beteiligten und leitete <strong>über</strong> zu <strong>den</strong><br />
Kurzvorträgen, die im Rahmen des <strong>Fachtag</strong>es,<br />
gehalten wur<strong>den</strong>.
Vortrag Dr. Klaus „Zwischen Notwendigkeit und Not?“<br />
Heute ist Praxistag der Schulsozialarbeit Magdeburg.<br />
10 Stellen im jugendpolitischen Programm BIB seit 2006, 12<br />
Schulsozialarbeiterstellen mit ESF-Förderung seit 2009, im September 2011 und<br />
Dank der Bundesförderung Bildung und Teilhabe (BUT) wer<strong>den</strong> bereits im<br />
September 2011 vier weitere SSA in MD eingesetzt! Ein weiterer deutlicher<br />
Aufwuchs ist zu erwarten.<br />
Am 26.07.11 verkün<strong>den</strong> in der Volksstimme (VST) Vertreter des Kultusministeriums<br />
(MK), der Martin-Luther-Uni Halle, die zentrale Koordinierungsstelle Schulsozialarbeit<br />
ebenfalls und in ungewohntem Tempo deutliche Erfolge des<br />
Schulsozialarbeitsprogramms. Was diese Erfolge im Einzelnen und Besonderen<br />
ausmacht und mit welchen notwendigen Überlegungen sie zu begleiten sind - darauf<br />
möchte ich insbesondere im Vortrag verweisen.<br />
Was hat das Thema Schulsozialarbeit (SSA) so anziehendes, wiederkehrendes,<br />
besonderes? Es gibt z. B. im BUT – keinen einschlägigen Leistungsparagraphen und<br />
trotzdem Bundesmittel in Höhe von 220 Mio. €, eine Förderung bis 2013 bzw. in<br />
Sachsen Anhalt absehbar sogar bis 2015!<br />
Der heutige Praxistag wird <strong>den</strong> Anspruch einer guten Bilanz noch viel besser<br />
untersetzen: konkrete Beispiel, an konkreten Schulen mit tatsächlichen Schülern und<br />
Lehrern! - Dies allein müsste alle Interessierten heute <strong>über</strong>zeugen und damit scheint<br />
die rhetorische Frage zur „Notwendigkeit“ von SSA auf einfachen Weg und nebenbei<br />
beantwortet.<br />
Gibt es bei so viel Aktivitäten, Programmen, veröffentlichten Erfolgen, Bereitschaften,<br />
praktizierten Notwendigkeiten dann noch Gründe von einer „Not“ bzgl. SSA?<br />
Ich meine „Ja“, auch wenn mein „Schulsozialarbeiter“, diese Selbsteinbringung sei<br />
gestattet, seit der Grundschule ausnahmslos und jeweils der Klassenlehrer war.
Gegen die zu schildernde „Not“ und für die SSA, für die I<strong>den</strong>tifikation und Notwendige<br />
Lösungen möchte ich 5 Positionslichter setzen:<br />
1. Schulsozialarbeit – Was ist SSA? Ist es ein Musterfall, das Kooperationsmodell<br />
Jugendhilfe und Schule?<br />
Das Thema ist ein altes. Bereits vor 100 Jahren gründete sich im Jugendamt<br />
Magdeburg eine eigene Kommission mit <strong>den</strong> Aufgaben Vermittlung in Schule und<br />
Berufsausbildung.<br />
SSA ist aber auch ein Musterfall für Tagespolitik, Landes-, Bundespolitische<br />
Zielstellungen, die erkennbar nicht <strong>den</strong> Status eines Modellprojektes verlassen. Sie<br />
kommen wellenförmig. Es gibt sie auch mal wieder nicht, unabhängig erreichter<br />
Zieleund Ergebnisse. Die nächste Welle erscheint finanziell immer höher ausgestattet.<br />
Aber steht dies auch für eine positive „ Diskontinuität“?<br />
Im täglichen Ringen, Umgang mit Förderbedarfen, auffälligen Schülern,<br />
Förderschülern des Jugendamtes und im Interesse des Kindeswohl spielt SSA für<br />
Gesamtheit der Hilfen zur Erziehung eher keine Rolle – sonst gehörte sie doch wohl in<br />
<strong>den</strong> Pflichtkanon des SGB VIII. Die Aufnahme in Hilfeplanverfahren und <strong>den</strong> Einzelfall<br />
ist eher die Ausnahme.<br />
Zuständigkeit für SSA hat zwischenzeitlich in das MK gewechselt; Fortschritt,<br />
Zusammenführung von dem was zusammengehört oder folgt nunmehr die Umsetzung<br />
des Spruches: was Schule anfasst wird zu Schule? Nach Aussage der in der VST<br />
zitierten Schulleiterin soll SSA Kinder auffangen, offensichtlich ein Beziehungsangebot<br />
machen. Gelingt dies auch in einer schulischen SSA, ein Blick auf die Förderperiode<br />
von 1998 – 2003 erscheint hierzu äußerst hilfreich.<br />
2. Schulsozialarbeit – Was soll SSA, ist es die Delegation eines gesellschaftlichen<br />
Reparaturauftrages?
Es liegt gesellschaftlich und tagesaktuell ein hoher Erwartungsdruck auf dem System<br />
Schule. Pisa, Schulabbrecherquoten, 12,3 % aller Abgänger 2009/10 haben nicht<br />
einmal einen Hauptschulabschluss, IHK und HWK stellen öffentlich die<br />
Ausbildungsreife in Frage/führen hohe nachschulische Bildungsbedarfe an, Amok-<br />
Fälle ehemaliger Schüler an Schulen, schuleigene Gewaltformen, Diskussion zu<br />
vorschulischen Bildung, Diskussion um schulische Gewaltpräventionen,<br />
Migrationsthemen. Große Personen- und Fachgruppen äußern fundierte und<br />
langzeitige Kritiken. Eltern bil<strong>den</strong> und suchen mit hohem Finanzaufwand gezielt freie<br />
vorschulische und schulische Betreuungsformen.<br />
Schule und Lehrer wehren sich in öffentlichen Diskursen und verweisen auf<br />
gesamtgesellschaftliche Entwicklungen, Verlust der Erziehungskompetenz,<br />
Nichterreichbarkeit der Eltern usw. gerät SSA nunmehr und als neuer letzter in der<br />
Reihe in die Gefahr, einen nahezu unlösbaren Reparaturauftrag stellvertretend erfüllen<br />
zu müssen? Die aus der VST ableitbaren schnellen, grundsätzlichen Erwartungen,<br />
aber auch Erfolgsmeldungen erscheinen vor <strong>den</strong> bestehen<strong>den</strong> Statistiken riesig.<br />
SSA ist keine Insel, an nur 207 von 1000 Schulen in LSA gab es SSA 2011. Eigentlich<br />
Problemschwerpunkte der Schulen bleiben die Berufsschulen. Wie zugänglich ist<br />
diese erwachsene, vielfach delegierte Zielgruppe?<br />
3. Schulsozialarbeit – Wo steht SSA zwischen Bildungs- und Erziehungsauftrag.<br />
Im systemischen Denken wird die Qualität eines Systems von der Gesamtheit und<br />
Funktionalität seiner Einzelteile bestimmt. Musterbeispiel Uhr. Was ist, was kann, was<br />
benötigt SSA. Wie viel Uhr ist der einzelne Schulsozialarbeiter an der Schule X? Oder<br />
tickt die Uhr noch, wenn das Programm (mal wieder) ausgelaufen ist?<br />
Schulstruktur ist in Deutschland eine persönliche Glaubensangelegenheit,<br />
wiederkehrendes Wahlkampfthema, Schlaginstrument, nicht greifbare Konvention.<br />
Wie sehr, ist im neuen Deutschland einmalig z. B. an der Diskussion zum erklärten<br />
Ende des dreigliedrigen Schulsystems, hier der Hauptschule, durch die Initiative eines<br />
Parteipräsidiums einer großen Volkspartei erkennbar.
Mit der Systemfrage verbindet sich jedoch unverzichtbar auch die Frage zum eigenen,<br />
unverwechselbaren Beitrag, <strong>den</strong> Arbeitsmetho<strong>den</strong> der SSA.<br />
(Herbeigerufene) Metho<strong>den</strong> bieten Teillösungen, nicht die Lösung eines Problems (der<br />
Grundprobleme). Einerseits bleibt es in Sachsen-Anhalt strukturell völlig offen warum<br />
hier der größte Anteil an Förderschülern, meisten Klassenwiederholungen, höchste<br />
Raten an zusätzlichen privaten Förderunterricht, Unterrichtsausfallzeiten, ungenutzte<br />
Übergänge in weiterführende Schulformen u. ä. bestehen.<br />
Andererseits innerhalb der Prozessebene hoch be<strong>den</strong>klich Schulbummelei mit dem<br />
Begriff „Schulabsentismus ... Störung ... Phobie ... beziehungsunfähig (1)“ in die Nähe<br />
von Arzt, Medizin zu bringen, zu pathologisieren. Aus dieser Blickrichtung<br />
abzuleitende Metho<strong>den</strong> wie Heilmaßnahmen, Therapien liegen nicht in der<br />
Zuständigkeit der SSA.<br />
Der Einsatz sonderpädagogischer Diagnostik in der Schule ist einmalig und<br />
entscheidet allein <strong>über</strong> die Delegation als oder Rückführung von Förderschülern.<br />
Zentrales Kriterium bleibt dabei eine sonderpädagogisch fundierte<br />
Defizitbeschreibung, vielfach vorfindliche „Störungsbetrachtung“. Diese diagnostische<br />
Hoheits- und Handlungsentscheidung ist einerseits für Sozial- und Jugendhilfe<br />
un<strong>den</strong>kbar. Andererseits können sich die Diagnostiker in Sachsen-Anhalt gleichzeitig<br />
nicht die <strong>über</strong>proportionalen bundesweiten Ergebnisse erklären, bestätigen sie (zum<br />
Abbau des Spitzenplatzes?) ab 2009 vermehrt sonderpädagogisch diagnostisch<br />
eingeordnete Schüler für die „normale“ Grundschulbetreuung vor.<br />
Ergo Schule ist ein hoch spezialisiertes, binnengesteuertes, zeitstabiles System.<br />
Jedes Schulfach hat seinen hierzu didaktisch und fachlich qualifizierten Lehrer. Die<br />
Leistung z. B. eines Sportlehrers ist in Noten pro Schüler, Vergabe der 1.<br />
Schwimmstufe abrechenbar.
Die Grundausrichtung des laufen<strong>den</strong> ESF-SSA-Programs auf „Halbierung“ erfolgloser<br />
Schulabgängerraten darf kein Entscheidungskriterium zur Qualitätsbestimmung SSA<br />
sein.<br />
Wie speziell oder allgemein ist SSA? Welche Freiheits- und Gestaltungsgrade folgen<br />
daraus für <strong>den</strong> in 3. und nachfolgend 4. skizzierten Schulalltag? „Verlängerter Arm“<br />
„Mädchen für alles“, Beziehungsspezialist, Vertrauensperson?<br />
4. Schulsozialarbeit – Wie viel Sozialarbeit verträgt, stützt, will das System<br />
Schule?<br />
Ist heutige Schule in Umsetzung des originären Bildungs- und Erziehungsauftrages<br />
ohne Schulsozialarbeit <strong>den</strong>k- und machbar? Originär ist und bleibt Schulsozialarbeit<br />
strukturell, personell nicht vorgesehen, schei<strong>den</strong> sich bereits am Einsatz „für alle“ oder<br />
„schwierige Schüler“ bereits Lehrer, Eltern, Geister und Konzepte.<br />
Schule ist unter vereinfachender Betrachtung frontalen Unterrichts, der<br />
Zensurengebung, Segregations- und Delegationsmöglichkeiten, gesetzliche<br />
Zugangsbeschränkungen, Zeugnisnote, Bedeutung der Abschlussqualitäten für <strong>den</strong><br />
Start ins Leben auch - ein Machtsystem.<br />
Seine Auswirkungen gelten auch unabhängig vom bewussten oder willentlichen<br />
Einsatz der Verantwortlichen. Schlechte Noten, kein Schulabschluss schränken<br />
Lebensbewältigung, Lebensziele, Selbstverwirklichung ein. Der von<br />
sozialpädagogischer Seite gern vorgetragene Vorwurf: „falsch“ verstan<strong>den</strong>e Schule<br />
fokussiert die „Marktverwertung“ junger Menschen, verliert vor der vorgenannten<br />
Pflicht einer grundsätzlichen individuellen Befähigung zur eigenständigen<br />
Lebensbewältigung.<br />
Eine auch für Deutschland wünschenswerte Diskussion zum Wert, Umfang, Qualität<br />
von Bildung ist damit noch nicht einmal in Ansätzen erreicht.<br />
Die uralten und immer wieder aktuellen Themen: Schulwege, Gewicht des Ranzen,<br />
Förderunterricht, Klassenwiederholungen, Stun<strong>den</strong>ausfall, Wechsel- und
Aufstiegsmöglichkeiten verweisen auf <strong>den</strong> wohl wichtigsten Prädiktor des Erfolges von<br />
SSA: Wie sehr will unterstützt der Schulleiter, das Kollegium die Arbeit?<br />
Eine mögliche und wohl beste Antwort findet sich im Grundgedanken der Sozial- und<br />
Jugendhilfe: Alle Rechte liegen bei <strong>den</strong> Bedürftigen, <strong>den</strong> Kindern, der <strong>Familie</strong>. Schule<br />
und SSA verbindet der Dienstleistungscharakter.<br />
5. Schule - Die großen und aktuellen Herausforderungen: Segregation, individuelle<br />
Förderbedarfe, Bildungs- und Ausbildungsreife, Kindeswohl, Integration, Inklusion,<br />
Demographie, neue Eltern.<br />
Wie gut ist Schule selbst auf diese originären Anforderungen in Umsetzung des<br />
Rechtes auf Bildung vorbereitet und eingestellt?<br />
Die öffentlich vorgetragene Klage von Schulleitern und Lehrern am 04.05.11 im<br />
Landtag zum <strong>Fachtag</strong> „Inklusion“ des DPWV baulich, personell und inhaltlich durch die<br />
Schulverwaltung nicht auf die Inklusion vorbereitet zu sein erscheint unberücksichtigt.<br />
Im Schuljahr 2011/12 wer<strong>den</strong> 1000 Schüler mit einem diagnostizierten<br />
sonderpädagogischen Bedarf als „normale“ Schüler an <strong>den</strong> Schulklassen des Landes<br />
eingeschult.<br />
Dieser Anspruch auf schulische Bildung Benachteiligter im Wert der UNO-<br />
Menschenrechtskonvention, des Grundgesetztes, der sich an das Bundesland<br />
Sachsen-Anhalt richtet wird derzeit allein auf der Erlassebene verwaltet.<br />
Gelingt die Erreichung des Schulergebnisses im ersten Jahr nicht, so eine der<br />
Schlussfolgerungen, kann schließlich die erste Klasse wiederholt wer<strong>den</strong>. In welchen<br />
Konflikt gerät ein SSA, der genau dieses Kind in dem „formalen“ Versagen, seinem<br />
realen Abwertungs- und Verlust<strong>erleben</strong> begleiten muss?<br />
Weitere formale Verfahrensmöglichkeiten, wie Delegation in Förderschule, Aufnahme<br />
in Horte nach KiFöG liegen jeweils außerhalb einer individuellen und auf die<br />
Gesamtpersönlichkeit bezogenen Hilfestellung.
Ähnliche bleibende, grundsätzliche und traditionelle Herausforderungen fin<strong>den</strong> sich im<br />
Bereich der Lernförderung bei Dyskalkulie, Legasthenie und anderen<br />
Teilleistungsschwächen.<br />
SSA und damit auch Jugendhilfe erscheint vielfach als Ausfallbürge, der in der<br />
Verantwortung des Kindeswohls originäre Aufgaben und Zuständigkeiten eines<br />
gültigen Bildungsauftrages <strong>über</strong>nimmt und sichert.<br />
Diese nunmehr kurz und themenbezogen beschriebenen „Nöte“ wur<strong>den</strong> mit<br />
Positionslichtern versehen, die hoffentlich einer gelingen<strong>den</strong> und tragen<strong>den</strong><br />
Diskussion, <strong>den</strong> Herausforderungen täglicher SSA hilfreich sind.<br />
Der heutige Praxistag bietet dazu die Wege, Verfahren und Möglichkeiten im Interesse<br />
der Schulkinder, der Eltern, einer gelingen<strong>den</strong> Erziehung, die jedem Kind und unserer<br />
älter wer<strong>den</strong><strong>den</strong> Gesellschaft die Zukunft sichert. Dr. Klaus<br />
Literatur: Volksstimme 26.07.2011, A. Stein:“ Ich bin jemand, ich kann etwas“, Lehrer<br />
und Wissenschaftler wollen Schulsozialarbeit nicht mehr missen.<br />
Im Anschluss daran hält Prof.<br />
Dr. Wendt von der Hochschule<br />
Magdeburg-Stendal <strong>den</strong><br />
Fachvortrag „Wächst da was<br />
zusammen, was zusammen<br />
gehören könnte? Nähe und<br />
Distanz im Verhältnis von<br />
Jugendhilfe und Schule“. Die<br />
Gäste hören interessiert zu<br />
und wer<strong>den</strong> zum Nach<strong>den</strong>ken<br />
angeregt.
Frau Doß und Frau Wiedemann, Lehrerinnen der Ganztagssekundarschule „Thomas<br />
Müntzer“ sprechen <strong>über</strong> ihre jahrelangen Erfahrungen mit Schulsozialarbeit.
Nadine Schulz stellt die ReisebegleiterInnen vor, <strong>den</strong>en sich die Gäste zuordnen<br />
wer<strong>den</strong> auf ihren 2 Rundgängen durch die 9 „Erlebnisräume“.<br />
Im Raum „Hilfe im Einzelfall“ konnten die Gäste eine szenische Darstellung der<br />
Arbeit der SchulsozialarbeiterInnen <strong>erleben</strong>. Hier wurde mit Hilfe von engagierten<br />
SchülerInnen gezeigt, mit wem im Bedarfsfall Kooperationen eingegangen wer<strong>den</strong>
(z.B. Jugendamt, Gesundheitsamt, Sozialamt, Psychatrie, SonderpädagogInnen…).<br />
Sonja Steinke, die Schulsozialarbeiterin der Sekundarschule „O.Linke“ sagt, dass die<br />
„Hilfe im Einzelfall“ einen sehr großen Platz in ihrer Arbeit einnimmt, aber nur wenn<br />
alle Akteure rund um <strong>den</strong> Einzelfall eine Veränderung wollen und miteinander<br />
arbeiten, kann auch etwas erreicht wer<strong>den</strong>.<br />
Anhand von Wollfä<strong>den</strong> die von einem zum anderen Kooperationspartner gehen,<br />
wurde die Wichtigkeit der vernetzen<strong>den</strong> Arbeit bei der Hilfe im Einzelfall dargestellt.<br />
Zum Abschluss der 10 minütigen „Reise“ wurde von <strong>den</strong> SchülerInnen die Frage in<br />
<strong>den</strong> Raum gestellt „Wie lange seid ihr noch da?“. Die Schulsozialarbeiterinnen in<br />
diesem Raum waren Kristin Strähler und Sonja Steinke.
Im „Lehrerzimmer“ stan<strong>den</strong> LehrerInnen <strong>den</strong> Gästen Rede und Antwort. Z.B.<br />
beantworteten sie Fragen wie, wann sie die Schulsozialarbeit an ihrer Schule nutzen,<br />
oder wie ihre persönlichen Erfahrungen mit der Schulsozialarbeit sind und wie sich<br />
die Kooperation zwischen LehrerInnen und SchulsozialarbeiterInnen gestalten. Die<br />
Antworten waren sehr vielfältig, liefen aber alle darauf hinaus, dass die<br />
SchulsozialarbeiterInnen nicht mehr aus dem Schulalltag wegzu<strong>den</strong>ken sind und sie<br />
eine Bereicherung für die Schulkultur darstellen.<br />
Die Gäste hören <strong>den</strong> LehrerInnen<br />
gespannt zu, wie ihre Fragen<br />
beantwortet wer<strong>den</strong>. Der<br />
Schulsozialarbeiter Matthias Witter<br />
moderiert die Runde.
Im Raum „Eltern und Schule“ stellten die SchulsozialarbeiterInnen Anja Bendler und<br />
Christian Jüdicke ihr Projekt „Gesunde Pause“ vor. Die Gäste wur<strong>den</strong> hier mit einer<br />
kleinen Kostprobe frischem Obst und Gemüse verwöhnt und konnten sich in einem<br />
Film Elterninterviews anschauen. Die Eltern wur<strong>den</strong> dazu befragt, wie sie die<br />
Schulsozialarbeit <strong>erleben</strong>.<br />
Eltern gaben <strong>den</strong> Gästen Auskunft dar<strong>über</strong>, warum es für sie wichtig ist, sich an der<br />
Schule zu engagieren und mit <strong>den</strong> SchulsozialarbeiterInnen zusammen zu arbeiten.
Im „Kooperationszimmer“ machten die Gäste einerseits mit dem Sozialpädagogen<br />
Volker Knopf eine Kooperationsübung. Auch hier symbolisiert das Spinnennetz was<br />
entsteht, durch die Zusammenarbeit vieler verschie<strong>den</strong>er Partner.
Das Ergebnis: ein tragbares und stabiles Haltesystem.<br />
Andererseits stellten sich im „Kooperationszimmer“ ganz unterschiedliche<br />
Kooperationspartner von Schulsozialarbeit mit ihrer Arbeit vor, z.B. Produktives<br />
Lernen, RIK-H Reintegrationsprojekt mit besonderem Hortangebot, BIZ- Agentur für<br />
Arbeit und das Bunte Werkstatt-Projekt.
Im „Raum zum Streiten“ bekamen die Gäste einen Eindruck davon, wie die<br />
StreitschlichterInnen in der Schule arbeiten. SchülerInnen der Sekundarschule
„Wilhelm Weitling“ und der IGS „Regine Hildebrand“ stellten im Rollenspiel<br />
verschie<strong>den</strong>en Streitszenen dar, die von <strong>den</strong> MediatorInnen geschlichtet wur<strong>den</strong>.
Im „Raum zum Streiten“ für alle ersichtlich aufgehängt, die 5 Phasen des<br />
Mediationsgespräches. Desweiteren ist der Raum von der Schulsozialarbeiterin<br />
Monique Stolte mit vielen Bildern der Mediationsprojekte ausgestaltet wur<strong>den</strong>.
Im „Planungszimmer Zukunft“ stellen SchülerInnen der IGS „Regine Hildebrand“ ihre<br />
Arbeit in der Schülerfirma „Reisebüro“ vor.<br />
Während der Pausen versorgt die Schülerfirma der Ganztagssekundarschule<br />
„Thomas Müntzer“ die Gäste mit einem leckeren Speise- und Getränkeangebot.
Die Schülerfirma „Pick up !“ ist beheimatet an der Sekundarschule „Wilhelm Weitling“<br />
und existiert seit 2010. In ihr produzieren 15 fleißige Handwerker aus <strong>den</strong><br />
Klassenstufen 5 bis 10 praktische Dinge für <strong>den</strong> Gartenfreund in Holz, Ton und Filz.<br />
Die Firma hat eine ständige Verkaufsausstellung in der Galerie „Life“ im<br />
Hundertwasserhaus, verkauft auf Garten- und Weihnachtsmärkten und sie<br />
präsentiert sich unter : www.pick-up2010@gmx.de. Auf dem <strong>Fachtag</strong> bietet sie <strong>den</strong><br />
Gästen Handgemachtes aus der Töpferei zum Verkauf an.
Im Raum „Zahlen / Statistiken / Presse“ stellen Daniela Diestelberg vom Jugendamt<br />
Magdeburg und Michael Stage von der Deutschen Kinder- und Jugendstiftung,<br />
Regionalstelle Sachsen-Anhalt, die Arbeit der SchulsozialarbeiterInnen aus einer<br />
anderen Perspektive dar und verdeutlichen damit die Arbeitsschwerpunkte.
Die Gäste erhalten mittels verschie<strong>den</strong>er Presseveröffentlichungen zur<br />
Schulsozialarbeit und der Netzwerkstellenarbeit nochmals einen Eindruck von der<br />
Arbeit vor Ort.<br />
Im Raum „Patenschaften und SchülervertreterInnen“ stellen Nicole Stöwer und<br />
Carola Böttger-Schmidt <strong>den</strong> Gästen mittels Filmbeitrag das Patenschaftsprogramm<br />
„Balu und Du“ vor. In diesem Programm <strong>über</strong>nehmen Stu<strong>den</strong>tInnen der Hochschule<br />
Magdeburg-Stendal, Fachbereich Sozial- und Gesundheitswesen je <strong>über</strong> 1 Kind die<br />
Patenschaft für ein Jahr und begleiten es mit dem Ziel, Gewalt vorzubeugen,<br />
Kommunikation, Integrations-<br />
und Konfliktfähigkeit zu fördern.
…und der SchülerInnenrat berichtet <strong>über</strong> seine Arbeit in der Schule.<br />
SchülerInnen der<br />
Sekundarschule „Gottfried<br />
Wilhelm Leibniz“ und der<br />
Ganztagssekundarschule<br />
„Thomas Müntzer“ stellen<br />
ihre „Telenovela“ vor…
Im Raum „Soziales Lernen“ stellen Simone Breitschafter und René Heine vom Albert-<br />
Einstein-Gymnasium und Katja Flümer von der Sekundarschule „Ernst Wille“ <strong>den</strong><br />
Gästen ein „Angelspiel“ zu neofaschistischen Symbolen vor. Hier erfahren die Gäste<br />
<strong>über</strong> das Lernen und Erleben in der Gruppe hinaus, noch etwas <strong>über</strong> das Thema<br />
„Rechtsextremismus“.
Zum Abschluss des <strong>Fachtag</strong>es und <strong>den</strong> Rundgängen durch die „Erlebnisräume“<br />
gaben die Gäste <strong>den</strong> VeranstalterInnen ein kurzes Feedback und sie beantworteten<br />
die Frage, „mit welchem Anliegen sie sich in ihrer Schulzeit an die<br />
SchulsozialarbeiterInnen gewandt hätten?“.