U - Kontorhausviertel in
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zwei Stunden Schlaf und jede Menge harte Arbeit. Es hieß,<br />
es solle gut für uns se<strong>in</strong>, aber das war schon krass“, resümiert<br />
Christian, der <strong>in</strong> Mexiko schließlich ausbüchst. Dort beg<strong>in</strong>nt<br />
der Absturz: In Hafenkneipen schnupft er mit 16 Jarhen<br />
zum ersten Mal Koks. Die Mexikaner schicken ihn zurück. In<br />
Hamburg steuert er ziellos umher. Als 18-jähriger „macht er<br />
Platte“, heißt, er schläft irgendwo draußen im Schlafsack auf<br />
Zeitungen. Er verschuldet sich, klaut, um sich se<strong>in</strong> tägliches<br />
Hero<strong>in</strong> leisten zu können. Dann kommt nach fünf Jahren<br />
auf der Straße wie aus dem Nichts der H<strong>in</strong>weis auf „H<strong>in</strong>z &<br />
Kunzt“.<br />
Endlich was zu tun. E<strong>in</strong> bisschen zum<strong>in</strong>dest. Arbeit br<strong>in</strong>gt<br />
Struktur, gibt Halt. Der gebürtige Niedersachse lebt seit drei<br />
Jahren nicht mehr auf der Straße, sondern <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Zweibettzimmer<br />
<strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Wohnheim <strong>in</strong> Stell<strong>in</strong>gen, Bornmoor.<br />
Täglich steht er bis nachmittags im <strong>Kontorhausviertel</strong>, teilweise<br />
nach e<strong>in</strong>er kurzen Pause bis zum frühen Abend. Dann fährt<br />
er nach Hause, kocht sich Nudeln mit Soße und tr<strong>in</strong>kt e<strong>in</strong> oder<br />
zwei Bier. Dazu e<strong>in</strong> bisschen Fernsehen. So läuft jeder Tag ab.<br />
Christian lebt von 359 Euro im Monat, Hartz 4. Davon zahlt er<br />
Ausgabe Sommer 2010<br />
Menschen und Geschichten<br />
se<strong>in</strong> HVV-Ticket, se<strong>in</strong> Polamidon, Tr<strong>in</strong>ken, Essen, Arzt, Klei- Christian Busemann<br />
Den letzten Weg geme<strong>in</strong>sam gehen<br />
dung, e<strong>in</strong>fach alles. Dazu summieren sich noch Altlasten, jede<br />
Menge Schulden aus se<strong>in</strong>er beschaffungskrim<strong>in</strong>ellen Zeit,<br />
die er monatlich abzahlt. Se<strong>in</strong>er Verantwortung ist er sich<br />
bewusst. Vom Arbeitsamt hat er lange nichts mehr gehört,<br />
Funkstille <strong>in</strong> der Realität, Gärtner oder Tierpfleger ist er dafür<br />
<strong>in</strong> se<strong>in</strong>en Träumen.<br />
Was <strong>in</strong> „Und täglich grüßt das Murmeltier“ Bill Murray allmählich<br />
verrückt werden lässt und als Komödie geme<strong>in</strong>t ist,<br />
ist für Christian e<strong>in</strong> zerbrechliches Korsett, das ihn am Leben<br />
erhält. Kommen irgendwann noch e<strong>in</strong>e Wohnung und e<strong>in</strong> Job<br />
dazu, dann wird er vielleicht auch mal wieder lachen können.<br />
Wie man es bei Komödien tut: So herzhaft.<br />
All se<strong>in</strong>e Hoffnungen liegen erst e<strong>in</strong>mal weiterh<strong>in</strong> im Verkauf<br />
von „H<strong>in</strong>z & Kunzt“. „Jetzt kommt der Sommer. Da kaufen<br />
die Leute wieder mehr Hefte“, sagt Christian. Der W<strong>in</strong>d hat<br />
mittlerweile nachgelassen und die geschlossene Wolkendecke<br />
bricht stellenweise auf. Allmählich lässt sie wieder den blauen<br />
Himmel zum Vorsche<strong>in</strong> kommen. Es wird wärmer.<br />
Das K<strong>in</strong>der-Hospiz Sternenbrücke betreut unheilbar kranke K<strong>in</strong>der<br />
Es ist e<strong>in</strong>e Nachricht, die jede Familie bis <strong>in</strong>s Mark erschüttert<br />
und tiefe seelische Wunden schlägt: E<strong>in</strong> K<strong>in</strong>d ist unheilbar<br />
krank und wartet auf den Tod. Noch vor nicht e<strong>in</strong>mal zwei<br />
Jahrzehnten blieben die Betroffenen mit dieser schrecklichen<br />
Gewissheit und den psychischen und körperlichen Belastungen,<br />
die diese extremen Lebensumstände mit sich br<strong>in</strong>gen,<br />
sich selbst überlassen. In dieser Situation jedoch benötigen die<br />
gesamte Familie, die Eltern und auch die Geschwisterk<strong>in</strong>der des<br />
erkrankten K<strong>in</strong>des Hilfe und Unterstützung von entsprechend<br />
ausgebildeten Fachkräften. Heute gibt es für sie derartige Hilfsangebote.<br />
In K<strong>in</strong>der-Hospizen stehen K<strong>in</strong>derkrankenschwestern<br />
und –pfleger, Schmerztherapeuten, Trauerbegleiter und<br />
Sozialarbeiter bereit, um die unheilbar und lebensverkürzend<br />
erkrankten K<strong>in</strong>der sowie ihre Eltern auf ihrem schweren Weg zu<br />
begleiten und sie seelisch und körperlich zu entlasten. E<strong>in</strong> Hospiz,<br />
abgeleitet vom late<strong>in</strong>ischen Begriff hospitium (Herberge),<br />
ist e<strong>in</strong>e Pflegee<strong>in</strong>richtung der Sterbebegleitung, die Todkranke<br />
<strong>in</strong> ihrer letzten Lebensphase im S<strong>in</strong>ne der Palliativpflege umfassend<br />
versorgt. Es gibt ambulante, teilstationäre und stationäre<br />
Hospize<strong>in</strong>richtungen. Da die Erholung der Eltern und die Zuwendung<br />
an die Geschwisterk<strong>in</strong>der wegen der <strong>in</strong>tensiven Pflege<br />
des erkrankten Familienmitglieds häufig vernachlässigt werden,<br />
bieten K<strong>in</strong>der-Hospize den Eltern die Möglichkeit, sich vorübergehend<br />
aus der Pflege herauszunehmen und ihr K<strong>in</strong>d <strong>in</strong> die<br />
Obhut von professionellen Pflegern zu geben.<br />
Seit sieben Jahren hilft <strong>in</strong> Hamburg das K<strong>in</strong>der-Hospiz Sternenbrücke<br />
K<strong>in</strong>dern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen,<br />
die wegen der besonderen Schwere ihrer Krankheit stark<br />
Die Reportage<br />
Das Hospiz bietet Raum für den Abschied <strong>in</strong> Würde. Foto: Hospiz Sternbrücke<br />
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