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Sozialorientierte Beschaffung: Ein Leitfaden für die ... - Europa

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<strong>Sozialorientierte</strong><strong>Beschaffung</strong><strong>Ein</strong> <strong>Leitfaden</strong>für <strong>die</strong> Berücksichtigungsozialer Belangeim öffentlichen<strong>Beschaffung</strong>swesen


Diese Veröffentlichung wird unterstützt durch das Programm der EU für Beschäftigung und SozialeSolidarität – PROGRESS (2007-2013).Dieses Programm wird von der Generaldirektion Beschäftigung, Soziale Angelegenheiten undChancengleichheit der Europäischen Kommission verwaltet. Es wurde zu dem Zweck geschaffen,einen finanziellen Beitrag zur Verwirklichung der Ziele der Europäischen Union in den BereichenBeschäftigung und Soziales – wie in der sozialpolitischen Agenda ausgeführt – und somit zum Erreichender einschlägigen Vorgaben der Lissabon-Strategie in <strong>die</strong>sen Bereichen zu leisten.Dieses auf sieben Jahre angelegte Programm richtet sich an alle maßgeblichen Akteure in den27Mitgliedstaaten, der EFTA, dem EWR sowie den Beitritts- und Kandidatenländern, <strong>die</strong> an derGestaltung geeigneter und effektiver Rechtsvorschriften und Strategien im Bereich Beschäftigung undSoziales mitwirken können.Mit PROGRESS wird das Ziel verfolgt, den EU-Beitrag zur Unterstützung des Engagements und derBemühungen der Mitgliedstaaten zu stärken. Daher <strong>die</strong>nt PROGRESS folgenden Zwecken:— Analyse und Strategieberatung in PROGRESS-Politikfeldern;— Überwachung der Umsetzung der EU Rechtsvorschriften und Strategien in PROGRESS-Politikfeldern und Berichterstattung hierüber;— Förderung des Strategietransfers, des Lernens von einander und der gegenseitigenUnterstützung auf der Ebene der Mitgliedstaaten im Zusammenhang mit den Zielen undPrioritäten der EU sowie— Weitergabe der Ansichten von Akteuren und breiter ÖffentlichkeitWeitere Informationen unter:http://ec.europa.eu/progress


<strong>Sozialorientierte</strong><strong>Beschaffung</strong><strong>Ein</strong> <strong>Leitfaden</strong>für <strong>die</strong> Berücksichtigungsozialer Belangeim öffentlichen<strong>Beschaffung</strong>swesenEuropäische KommissionGeneraldirektion Beschäftigung, Soziales und ChancengleichheitReferat D.2Generaldirektion Binnenmarkt und DienstleistungenReferat C.3Manuskript abgeschlossen im Oktober 2010


Dokument erstellt auf der Grundlage von SEK(2010) 1258 endg. Weder <strong>die</strong> Europäische Kommission noch Personen,<strong>die</strong> in ihrem Namen handeln, sind für <strong>die</strong> Verwendung der in <strong>die</strong>ser Veröffentlichung enthaltenen Informationenverantwortlich.Wichtiger HinweisObwohl <strong>die</strong> Informationen in dem <strong>Leitfaden</strong> sorgfältig geprüft wurden, übernimmt <strong>die</strong> Europäische Kommissionkeinerlei Haftung oder Verantwortung in Bezug auf Fallbeispiele, <strong>die</strong> in dem <strong>Leitfaden</strong> angeführt werden.Dieser <strong>Leitfaden</strong> <strong>die</strong>nt nur zur Information der Kommissions<strong>die</strong>nststellen und kann nicht als für <strong>die</strong>se Institution inirgendeiner Weise bindend betrachtet werden. Es ist auch zu berücksichtigen, dass das Handbuch der fortschreitendenArbeit der Kommission und der Rechtsprechung des Gerichtshofs unterliegt.© Umschlagfotos:43211: 123RF2: Getty Images3: 123RF4: 123RFFür <strong>die</strong> Benutzung oder den Nachdruck von Fotos, <strong>die</strong> nicht dem Copyright der Europäischen Union unterstellt sind,muss eine Genehmigung direkt bei dem/den Inhaber(n) des Copyrights eingeholt werden.Europe Direct soll Ihnen helfen,Antworten auf Ihre Fragenzur Europäischen Union zu findenGebührenfreie einheitliche Telefonnummer (*):00 800 6 7 8 9 10 11(*) <strong>Ein</strong>ige Mobilfunkanbieter gewähren keinen Zugangzu 00 800-Nummern oder berechnen eine Gebühr.Zahlreiche weitere Informationen zur Europäischen Union sind verfügbar über Internet, Server <strong>Europa</strong> (http://europa.eu).Katalogisierungsdaten und eine Inhaltsangabe befinden sich am Ende der Veröffentlichung.Luxemburg: Amt für Veröffentlichungen der Europäischen Union, 2011ISBN 978-92-79-18387-4doi:10.2767/1748© Europäische Union, 2011Nachdruck mit Quellenangabe gestattet.Printed in BelgiumGEDRUCKT AUF ELEMENTAR CHLORFREI GEBLEICHTEM PAPIER (ECF)


Inhalt<strong>Ein</strong>leitung ..........................................................................................................................................................................5I. <strong>Sozialorientierte</strong> <strong>Beschaffung</strong>: Kernfragen ............................................................................................71. Sozialverantwortliches öffentliches <strong>Beschaffung</strong>swesen (SRPP): Definition ............................ 72. Potenzielle Vorteile von SRPP ..................................................................................................................102.1. Förderung der <strong>Ein</strong>haltung von arbeits- und sozialrechtlichen Bestimmungen, einschließlich eineseinschlägigen nationalen und internationalen politischen Engagements und politischer Agendas ...............102.2. Förderung von sozialbewussten Märkten ...............................................................................................................................................102.3. Sozialverantwortliche Regierungsführung .............................................................................................................................................102.4. Integrationsförderung ..........................................................................................................................................................................................102.5. Erhöhung der Wirksamkeit öffentlicher Ausgaben ...........................................................................................................................103. SRPP und das Gesellschaftsmodell der EU ..........................................................................................104. Der rechtliche und politische SRPP-Ansatz in der EU .....................................................................114.1. Entwicklung der sozialen Dimension der Politik und Gesetzgebung der EU ...................................................................114.2. Der rechtliche und politische SRPP-Ansatz in der EU .......................................................................................................................124.3. Sozial<strong>die</strong>nstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse ....................................................................................134.4. Kleine und mittlere Unternehmen ..............................................................................................................................................................14II. <strong>Ein</strong>e Organisationsstrategie für sozialorientierte <strong>Beschaffung</strong> ..............................................151. Abstecken der Ziele für ein sozialverantwortliches öffentliches <strong>Beschaffung</strong>swesen .......152. Hochrangiges politisches Engagement und starke Führung für SRPP .....................................153. Messung der Risiken und Priorisierung der organisatorischen Ausgabenkategorienzur Förderung sozialer Belange ..............................................................................................................164. Sensibilisierung für sozialverantwortliches öffentliches <strong>Beschaffung</strong>swesen und<strong>Ein</strong>beziehung wichtiger Interessengruppen......................................................................................185. Umsetzung der SRPP-Strategie ...............................................................................................................196. Messung der effektiven Umsetzung .....................................................................................................197. Überblick über den <strong>Beschaffung</strong>sprozess ...........................................................................................197.1. Die Bedeutung rechtlicher Beratung ..........................................................................................................................................................207.2. Vorbereitung des Vergabeverfahrens ........................................................................................................................................................208. Phasen des Vergabeverfahrens und Konzepte für ein sozialverantwortlichesöffentliches <strong>Beschaffung</strong>swesen ............................................................................................................20III. Bedarfsfeststellung und <strong>Beschaffung</strong>splanung ..............................................................................231. Die Wichtigkeit der <strong>Ein</strong>schätzung der tatsächlichen Bedürfnisse ..............................................232. Festlegung des Auftragsgegenstands ..................................................................................................233. Verbesserung des Zugangs zu öffentlichen Aufträgen..................................................................253.1. Besserer Zugang zu öffentlichen Aufträgen ..........................................................................................................................................253.2. Vorbehalt für geschützte Werkstätten .......................................................................................................................................................273


IV. Der Auftrag .............................................................................................................................................................29A. Festlegung der Anforderungen des Auftrags ............................................................................................291. Erstellung der technischen Spezifikationen .......................................................................................292. Anwendung leistungsbezogener oder funktionsbezogener Spezifikationen ......................303. Anwendung von Varianten ......................................................................................................................304. Die Bedeutung von Soziallabeln für den fairen Handel .....................................................................315. Berücksichtigung sozialer Belange in Herstellungs- und Verarbeitungsverfahren .............336. Behinderung und technische Spezifikationen ..................................................................................33B. Auswahl von Warenlieferanten, Dienstleistungserbringern und Bauunternehmen ..................351. Ausschlusskriterien ......................................................................................................................................352. Technische Leistungsfähigkeit ................................................................................................................35C. Auftragsvergabe ...................................................................................................................................................371. Allgemeine Bedingungen für <strong>die</strong> Ausarbeitung von Vergabekriterienund für <strong>die</strong> Auftragsvergabes ..................................................................................................................371.1. Geltende Bedingungen für Vergabekriterien bei der Auswertung von Angeboten ....................................................381.2. Das „zusätzliche Kriterium“ ................................................................................................................................................................................402. Umgang mit „ungewöhnlich niedrigen Angeboten“ .....................................................................413. Abschließende Unterrichtung nicht berücksichtigter Bieter .......................................................42D. Vertragserfüllung .................................................................................................................................................431. Geltende Vorschriften für <strong>die</strong> Vertragserfüllungsklauseln ............................................................432. Beispiele für soziale Gesichtspunkte, <strong>die</strong> in <strong>die</strong> Vertragserfüllungsklausen eingehenkönnen .............................................................................................................................................................443. <strong>Ein</strong>haltung nationaler arbeitsrechtlicher Rahmenbedingungen ...............................................464. Lieferkettenmanagement ........................................................................................................................475. Vertragsmanagement und Überwachung der <strong>Ein</strong>haltung ..........................................................484


<strong>Ein</strong>leitungZiel eines sozialverantwortlichen öffentlichen <strong>Beschaffung</strong>swesens(socially-responsible public procurement =SRPP) ist es, ein Beispiel zu setzen und <strong>Ein</strong>fluss auf denMarkt zu nehmen. Durch Förderung von SRPP schaffenöffentliche Auftraggeber einen echten Anreiz für Unternehmen,ein sozialverantwortliches Management zuentwickeln. Öffentliche Auftraggeber können mittelskluger <strong>Beschaffung</strong>sstrategien Beschäftigungschancen,menschenwürdige Arbeit, soziale <strong>Ein</strong>gliederung, Barrierefreiheit,Design für alle, fairen Handel und <strong>die</strong> umfassendere<strong>Ein</strong>haltung von Sozialstandards fördern. Aufmanche Produkte, Vorhaben und Dienstleistungen wirktsich <strong>die</strong>s in besonderem Maße aus, da <strong>die</strong> öffentlichenAuftraggeber über einen großen Marktanteil verfügen,unter anderem im Baugewerbe sowie im Dienstleistungs-und IT-Bereich. Öffentliche Auftraggeber gehörentraditionell zu den größten Nachfragern in <strong>Europa</strong>.Ihre Investitionen belaufen sich auf rund 17 % des Bruttoinlandsproduktsder EU. Dies entspricht der Hälfte desBIP der Bundesrepublik Deutschland. Dementsprechendkönnen sie einen wichtigen Beitrag zur nachhaltigenEntwicklung leisten, indem sie ihre Kaufkraft in Güterund Dienstleistungen mit sozialverantwortlicher Ausrichtungstecken.Rechtliche Grundlage für das öffentliche <strong>Beschaffung</strong>swesenin der Europäischen Union bilden <strong>die</strong> Richtlinien2004/17/EG 1 und 2004/18/EG 2 (<strong>die</strong> „Richtlinien überöffentliche Aufträge“) 3 . Die Richtlinien bieten Spielraumfür soziale Erwägungen, sofern <strong>die</strong>se in Bezug zum Vertragsgegenstand4 sowie im Verhältnis zu den Vertragsanforderungenstehen und <strong>die</strong> Grundsätze eines ange-messenen Preis-Leistungs-Verhältnisses und des freienZugangs für alle EU-Lieferanten gewahrt sind.Dieses Thema entwickelte sich über einen längeren Zeitraumaus dem Fallrecht des Europäischen Gerichtshofs(EuGH), einer Mitteilung der Europäischen Kommissionaus dem Jahr 2001 5 sowie aus einer im Jahr 2003 durch<strong>die</strong> Kommission veröffentlichten Stu<strong>die</strong> über Vielfalt undGleichstellung im öffentlichen <strong>Beschaffung</strong>swesen(http://ec.europa.eu/employment_social/fundamental_rights/public/arc_en.htm#Leaflets).Der vorliegende <strong>Leitfaden</strong> soll (a) das Bewusstseinöffentlicher Auftraggeber für <strong>die</strong> potenziellen Vorteilevon SRPP schärfen und (b) auf praktische Art und Weise<strong>die</strong> Chancen erläutern, <strong>die</strong> <strong>die</strong> in der EU geltenden rechtlichenRahmenbedingungen den öffentlichen Behördenim Hinblick auf soziale Erwägungen im <strong>Beschaffung</strong>swesenbieten, damit sie sich neben dem Preis vor allem aufdas Preis-Leistungs-Verhältnis konzentrieren können.Die Kommission bezog <strong>die</strong> öffentlichen Behörden derMitgliedstaaten sowie zahlreiche Interessenvertreterund andere interessierte Beteiligte in <strong>die</strong> Ausarbeitung<strong>die</strong>ses <strong>Leitfaden</strong>s mit ein.Der vorliegende <strong>Leitfaden</strong> richtet sich zwar vornehmlichan öffentliche Auftraggeber, aber nicht ohne <strong>die</strong> Hoffnung,gleichermaßen der Privatwirtschaft als Anregungzu <strong>die</strong>nen.Aus praktischen Gründen wird das öffentliche Auftragswesenschrittweise behandelt.1Richtlinie 2004/17/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom31. März 2004 zur Koordinierung der Zuschlagserteilung durch Auftraggeberim Bereich der Wasser-, Energie- und Verkehrsversorgung sowie derPost<strong>die</strong>nste (im Folgenden „Richtlinie 2004/17/EG“).2Richtlinie 2004/18/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom31. März 2004 über <strong>die</strong> Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicherBau-, Liefer- und Dienstleistungsaufträge(im Folgenden „Richtlinie2004/18/EG“).3Die Richtlinien über öffentliche Aufträge sind an <strong>die</strong> Grundsätze desEU-Vertrags gebunden, insbesondere „den Grundsatz des freien Warenverkehrs,den Grundsatz der Niederlassungsfreiheit und den Grundsatz derDienstleistungsfreiheit sowie den davon abgeleiteten Grundsätzen, wie z. B.den Grundsatz der Gleichbehandlung, den Grundsatz der Nichtdiskriminierung,den Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung, den Grundsatz der Verhältnismäßigkeitund den Grundsatz der Transparenz“. Die Bestimmungender Richtlinien über öffentliche Aufträge sind in Übereinstimmung mitden zuvor genannten Vorschriften und Grundsätzen sowie sonstigen Vorschriftendes Vertrags auszulegen (siehe Erwägungsgrund 2 der Richtlinie2004/18/EG sowie Erwägungsgrund 9 der Richtlinie 2004/17/EG).4Oder alternativ in Erfüllung des Vertrages, sofern soziale Belange Bestandteilder Vertragsbestimmungen sind.5KOM(2001) 566 über <strong>die</strong> Auslegung des gemeinschaftlichen Vergaberechtsund <strong>die</strong> Möglichkeiten zur Berücksichtigung sozialer Belange beider Vergabe öffentlicher Aufträge.5


I. <strong>Sozialorientierte</strong> <strong>Beschaffung</strong>:KernfragenI. <strong>Sozialorientierte</strong> <strong>Beschaffung</strong>: Kernfragen1. Sozialverantwortliches öffentliches<strong>Beschaffung</strong>swesen (SRPP): Definition1.1 „SRPP“ bezeichnet <strong>Beschaffung</strong>smethoden, <strong>die</strong> aufmindestens einen der folgenden sozialen Belangeausgerichtet sind: Beschäftigungschancen, menschenwürdigeArbeit, <strong>Ein</strong>haltung von arbeitsrechtlichenund sozialen Bestimmungen, soziale <strong>Ein</strong>gliederung(einschließlich Menschen mit Behinderungen),Chancengleichheit, Barrierefreiheit und Design füralle, Berücksichtigung von Nachhaltigkeitskriterien,<strong>Ein</strong>beziehung von fairem Handel 6 und größerefreiwillige Selbstverpflichtung der Unternehmenzu sozialer Verantwortung (CSR) bei gleichzeitigerBeachtung der Grundsätze des Vertrags über <strong>die</strong>Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) undder Richtlinien über öffentliche Aufträge. SRPP kannein leistungsfähiges Medium sowohl für <strong>die</strong> Förderungvon nachhaltiger Entwicklung als auch für<strong>die</strong> Erreichung der Sozialziele der EU (sowie ihrerMitgliedstaaten) darstellen. SRPP deckt ein breitesSpektrum von sozialen Belangen ab, <strong>die</strong> von denöffentlichen Auftraggebern im jeweiligen Stadiumdes <strong>Beschaffung</strong>sprozesses beachtet werden können.Diese sozialen Gesichtspunkte lassen sich imHinblick auf einen ganzheitlichen Ansatz der Nachhaltigkeitim öffentlichen Auftragswesen zudemmit ökologischen Zielen verknüpfen. 71.2 In Unterstützung ihrer sozialen Prinzipien könnenöffentliche Auftraggeber sozialen Belangenin Vergabeverfahren auf vielfache Weise gerechtwerden. Im Folgenden wird aufgeführt, welchesozialen Belange von potenzieller Relevanz fürdas öffentliche <strong>Beschaffung</strong>swesen sind und inAbhängigkeit von den Richtlinien über öffentlicheAufträge sowie den Grundsätzen des AEUV stehen.Die Auflistung erhebt keinen Anspruch auf Voll-6Weitere <strong>Ein</strong>zelheiten siehe Kapitel IV Abschnitt 4 („Die Bedeutung vonSoziallabeln für den fairen Handel“).7<strong>Ein</strong>zelheiten zu umweltbezogenen Belangen im öffentlichen Auftragswesensiehe <strong>die</strong> Mitteilung der Kommission KOM (2008) 400/2 „UmweltorientiertesÖffentliches <strong>Beschaffung</strong>swesen“ (http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=COM:2008:0400:FIN:DE:PDF) sowie dasArbeitsdokument der Kommissions<strong>die</strong>nststellen „Umweltorientierte<strong>Beschaffung</strong> – <strong>Ein</strong> Handbuch für ein umweltorientiertes öffentliches<strong>Beschaffung</strong>swesen“ (http://ec.europa.eu/environment/gpp/guideline_de.htm). Das Handbuch für ein umweltorientiertes öffentliches <strong>Beschaffung</strong>swesenwurde im Jahr 2004 veröffentlicht und berücksichtigt dahernicht <strong>die</strong> aktuellen Entwicklungen der EU-Rechtsprechung.ständigkeit. Es ist zu beachten, dass viele dergenannten Punkte naturgemäß nur in bestimmtenSta<strong>die</strong>n des <strong>Beschaffung</strong>sprozesses berücksichtigtwerden können. 8 Daneben sollten <strong>die</strong>öffentlichen Auftraggeber in Abhängigkeit desVertragsgegenstandes und der Zielsetzungenvon Fall zu Fall entscheiden, welche Erwägungenzum Tragen kommen sollen. Soziale Belange vonmöglicher Relevanz für das <strong>Beschaffung</strong>swesen:• Förderung von „Beschäftigungschancen“, darunter:– Förderung der Jugendbeschäftigung;– Förderung der Gleichbehandlung der Geschlechter9 (z. B. Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben,Bekämpfung von branchenspezifischer undberuflicher Trennung usw.);– Förderung von Beschäftigungschancen für Langzeitarbeitsloseund ältere Arbeitnehmer;– Diversitätsstrategien und Beschäftigungschancenfür Angehörige benachteiligter Gruppen(z. B. Zuwanderer, ethnische und religiöse Minderheiten,Menschen mit geringem Bildungsniveauusw.);– Förderung der Beschäftigungschancen von Menschenmit Behinderung durch Schaffung einesbarrierefreien Arbeitsumfelds, das durch soziale<strong>Ein</strong>gliederung gekennzeichnet ist.• Förderung von „menschenwürdiger Arbeit“: 10Dieser unumstrittene Begriff basiert auf der Überzeugung,dass <strong>die</strong> Menschen das Recht auf eine pro-8So sollten soziale Belange hinsichtlich der Arbeitsbedingungen in derRegel besser in <strong>die</strong> Vertragserfüllungsklauseln aufgenommen werden,weil sie im Sinne der Richtlinien für öffentliche Aufträge gewöhnlich nichtals Leistungsbeschreibungen oder Auswahlkriterien gelten. Demgegenübersollten Überlegungen zur Barrierefreiheit eher Bestandteil der Leistungsbeschreibungensein.9Die Vorstellung von der Gleichbehandlung der Geschlechter bezieht sichnicht nur auf <strong>die</strong> Unterrepräsentation von Frauen in bestimmten Sektoren,sondern gleichermaßen auf <strong>die</strong> Unterrepräsentation von Männern in sogenannten „weiblichen“ Sektoren wie Kinderbetreuung und Primarausbildung.10Europäische Kommission, KOM(2006) 249 vom 24. Mai 2006, S. 2: „Die Verknüpfungvon wirtschaftlicher Wettbewerbsfähigkeit und sozialer Gerechtigkeitmacht das Wesen des europäischen Entwicklungsmodells aus.Aktiv einen Beitrag zur Förderung menschenwürdiger Arbeit zu leisten, istintegraler Bestandteil der europäischen Sozialagenda und der Bestrebungender Europäischen Union, <strong>die</strong> Werte, für <strong>die</strong> sie eintritt, zu verbreitenund ihre Erfahrungen und ihr Modell einer integrierten wirtschaftlichenund sozialen Entwicklung mit anderen zu teilen.“ Siehe auch das Arbeitsdokumentder Kommissions<strong>die</strong>nststellen „Report on the EU contributionto the promotion of decent work in the world“ (Bericht über den Beitragder EU zur Förderung menschenwürdiger Arbeit), SEK(2008) 2184 auf derGrundlage von KOM(2008) 412 endg., über <strong>die</strong> erneute Verpflichtung zurAgenda für menschenwürdige Arbeit.7


© iStockduktive Beschäftigung haben, <strong>die</strong> sie in freier Wahl,gleichberechtigt, unter sicheren Arbeitsverhältnissenund im <strong>Ein</strong>klang mit der Menschenwürde ausübenkönnen. Die Agenda für menschenwürdigeArbeit setzt sich aus vier gleichermaßen bedeutendenund miteinander in Wechselbeziehungstehenden Elementen zusammen: dem Recht aufproduktive Arbeit, <strong>die</strong> in freier Wahl ausgeübt wird,den Grundprinzipien und Rechten am Arbeitsplatz,einem fairen <strong>Ein</strong>kommen, Sozialschutz und demsozialen Dialog. Die Gleichstellung der Geschlechtersowie <strong>die</strong> Nichtdiskriminierung sind ebenfallswesentliche Bestandteile <strong>die</strong>ses Konzepts. Im Kontextvon SRPP sind unter anderem <strong>die</strong> folgendenAspekte als wichtige Faktoren anzusehen:– <strong>Ein</strong>haltung der Kern-Arbeitsstandards 11 ;– faire Bezahlung;– Sicherheit und Gesundheit am Arbeitsplatz;– sozialer Dialog;– Fortbildungsmöglichkeiten;– Gleichstellung der Geschlechter und Nichtdiskriminierung;– Anspruch auf soziale Grundsicherung.• Förderung der <strong>Ein</strong>haltung von „arbeitsrechtlichenund sozialen Bestimmungen“, darunter:– <strong>Ein</strong>haltung der nationalen Gesetzgebung sowievon Tarifverträgen, <strong>die</strong> dem EU-Recht entsprechen;– <strong>Ein</strong>haltung der Grundsätze der Gleichbehandlungvon Frauen und Männern, einschließlich desGrundsatzes der gleichen Vergütung für gleicheArbeit, sowie Förderung der Gleichstellung derGeschlechter;– <strong>Ein</strong>haltung der Gesetze zur Sicherheit undGesundheit am Arbeitsplatz;– Bekämpfung von Diskriminierung aus anderenGründen (Alter, Behinderung, Rasse, Religionoder Weltanschauung, sexuelle Ausrichtungusw.) und Schaffung von Chancengleichheit.• Unterstützung von „sozialer <strong>Ein</strong>gliederung“ und Förderungvon Organisationen der Sozialwirtschaft,darunter:– gleichberechtigter Zugang zu öffentlichen Aufträgenfür Unternehmen, <strong>die</strong> sich im Besitz vonAngehörigen ethnischer oder anderer Minderheitengruppenbefinden oder ethnische oder11Die Kern-Arbeitsstandards der ILO verbieten Zwangsarbeit (Konventionen29 und 105), Kinderarbeit (Konventionen 138 und 182) und etablierendas Recht auf Koalitionsfreiheit und Tarifautonomie (Konventionen 87und 98) sowie Antidiskriminierung in Arbeits- und Beschäftigungsfragen(Konventionen 100 und 111). Rechtliche Grundlage der Kern-Arbeitsstandardsbilden <strong>die</strong> zuvor genannten acht ILO-Konventionen, <strong>die</strong> von allen27 Mitgliedstaaten der EU ratifiziert wurden.8


I. <strong>Sozialorientierte</strong> <strong>Beschaffung</strong>: Kernfragenandere Minderheitengruppen beschäftigen(z. B. Genossenschaften, sozial orientierte undgemeinnützige Unternehmen);– Förderung der Beschäftigung von Menschen mitBehinderungen, einschließlich der Verbesserungihrer Beschäftigungsfähigkeit auf dem regulärenArbeitsmarkt.• Förderung von „Barrierefreiheit und Design für alle“ 12 ,darunter:– Aufnahme von verbindlichen Bestimmungen in<strong>die</strong> Leistungsbeschreibungen, <strong>die</strong> Menschen mitBehinderungen den sicheren Zugang zu öffentlichenDienstleistungen, öffentlichen Gebäuden,öffentlichen Verkehrsmitteln, öffentlichen Informationensowie zu IKT-Produkten und Dienstleistungen(Informations- und Kommunikationstechnologie)gewährleisten. Kernpunkt ist<strong>die</strong> Möglichkeit des Erwerbs von Produkten undDienstleistungen, <strong>die</strong> für alle Menschen zugänglichsind.• Berücksichtigung von Aspekten des „fairenHandels“ 13 , darunter:12Gemäß Artikel 3 des Übereinkommens über <strong>die</strong> Rechte von Menschenmit Behinderungen der Vereinten Nationen („das Übereinkommen“) stellt<strong>die</strong> Barrierefreiheit einen allgemeinen Grundsatz dar. Darüber hinaus verpflichtetArtikel 9 des Übereinkommens <strong>die</strong> Vertragsstaaten, geeigneteMaßnahmen mit dem Ziel, für Menschen mit Behinderungen den gleichberechtigtenZugang zur physischen Umwelt, zu Transportmitteln, Informationund Kommunikation, einschließlich Informations- und Kommunikationstechnologienund -systemen, sowie zu anderen <strong>Ein</strong>richtungen undDiensten, <strong>die</strong> der Öffentlichkeit in städtischen und ländlichen Gebietenoffenstehen oder für sie bereitgestellt werden, zu gewährleisten. Weiterhinwerden in dem Übereinkommen Maßnahmen zur Umsetzung eines„universellen Designs“ gefordert. In <strong>Europa</strong> ist <strong>die</strong>ses Konzept auch unterder Bezeichnung „Design für alle“ bekannt.Das Übereinkommen wurde von einer bedeutenden Anzahl von Mitgliedstaatender Vereinten Nationen unterzeichnet (darunter von der EuropäischenGemeinschaft und allen Mitgliedstaaten) und wird im Moment vonden Unterzeichnern ratifiziert. Im August 2008 legte <strong>die</strong> Kommission zweiVorlagen für Ratsbeschlüsse über den Abschluss des Übereinkommensder Vereinten Nationen sowie des dazugehörigen Fakultativprotokollsvor. Am 26. November 2009 verabschiedete der Rat einen Beschluss überden Abschluss des Übereinkommens der Vereinten Nationen über <strong>die</strong>Rechte von Menschen mit Behinderungen durch <strong>die</strong> Europäische Gemeinschaft:http://register.consilium.europa.eu/pdf/de/09/st15/st15540.de09.pdf.13Die Berücksichtigung von fairem Handel im öffentlichen <strong>Beschaffung</strong>swesenwird in der Mitteilung KOM(2009) 215 „Beitrag zu einer nachhaltigenEntwicklung: Die Rolle des Fairen Handels und handelsbezogener nichtstaatlicherNachhaltigkeitssicherungskonzepte“ vom 5. Mai 2009 angesprochen.– <strong>die</strong> Möglichkeit, Ausschreibungen und Verträgeunter bestimmten Voraussetzungen 14 auf denfairen Handel auszurichten.• <strong>Ein</strong>e größere freiwillige Selbstverpflichtung derUnternehmen zu „sozialer Verantwortung“ (SVU),d. h., dass Unternehmen bei der Umsetzung ökologischerund sozialer Ziele im Tagesgeschäft unaufgefordertüber <strong>die</strong> gesetzlichen Bestimmungen hinaushandeln, z. B.:– Zusammenarbeit mit Subunternehmern im Hinblickauf ein Bekenntnis zu den SVU-Wertvorstellungen.• Schutz vor Menschenrechtsverletzungen und Förderungder Achtung der Menschenrechte.• Förderung von „KMU“ im Hinblick auf eine Verbindungmit den oben genannten Erwägungen:– Schaffung von Anreizen, <strong>die</strong> KMU verstärkt anöffentlichen Ausschreibungen teilnehmen lassen,z. B. Kostensenkungen oder Abbau von Hürden,<strong>die</strong> der Verwirklichung von SRPP-Chancenentgegenstehen könnten. Dies lässt sich etwadurch möglichst überschaubare Verträge realisieren,<strong>die</strong> kein Teilnahmehindernis für KMUdarstellen, angemessen lange Ausschreibungsdauern,<strong>Ein</strong>haltung der Zahlungsziele, Wahrungder Verhältnismäßigkeit bei der Festlegung vonKompetenzen und wirtschaftlichen Erfordernissenusw.;– Chancengleichheit durch Förderung der Vergabevon Unteraufträgen.Das EU-Recht und <strong>die</strong> Rechtsprechungen der einzelnenMitgliedstaaten weichen hinsichtlich des Umsetzungsstatus<strong>die</strong>ser sozialpolitischen Zielsetzungen merklichvoneinander ab. So haben beispielsweise nur einigeMitgliedstaaten für bestimmte Branchen verbindlicheVorschriften zur Barrierefreiheit eingeführt, <strong>die</strong> über<strong>die</strong> Bestimmungen des EU-Rechts hinausgehen, anderejedoch nicht.14Diese Bedingungen finden Sie in Kapitel IV A („Festlegung derVertragsanforderungen“) und insbesondere in Abschnitt 4 („DieBedeutung von Soziallabeln für den fairen Handel“).9


I. <strong>Sozialorientierte</strong> <strong>Beschaffung</strong>: Kernfragenin den Geltungsbereich der genannten Richtlinien fallen,umso mehr Bestandteil von Aufträgen werden, <strong>die</strong> vonden Richtlinien nicht oder nur teilweise erfasst werden.4.3. Sozial<strong>die</strong>nstleistungen von allgemeinemwirtschaftlichen InteresseDer vorliegende <strong>Leitfaden</strong> ist nicht speziell auf <strong>die</strong> rechtlichenFragen der <strong>Beschaffung</strong> von Sozial<strong>die</strong>nstleistungenvon allgemeinem wirtschaftlichen Interesse ausgerichtet.Im November 2007 hat <strong>die</strong> Kommission eine Mitteilungüber Dienstleistungen von allgemeinem Interesse, einschließlichSozial<strong>die</strong>nstleistungen, vorgelegt. 21 Darinunterstreicht sie <strong>die</strong> Bedeutung maßgeschneiderterQualitätskriterien für <strong>die</strong> Erbringung von Sozial<strong>die</strong>nstleistungen.Sie soll als praktische Anleitung für <strong>die</strong>Anwendung der EU-Gesetze auf <strong>die</strong> genannten Dienstleistungen<strong>die</strong>nen. Der Mitteilung waren zwei Arbeitspapiereder Kommissions<strong>die</strong>nststellen beigefügt, <strong>die</strong>Antworten auf eine Reihe von Fragen über <strong>die</strong> Anwendungder Bestimmungen über Staatshilfen und über<strong>die</strong> Erbringung von Dienstleistungen von allgemei-© 123RF21Siehe Mitteilung der Kommission „Dienstleistungen von allgemeinemInteresse unter <strong>Ein</strong>schluss von Sozial<strong>die</strong>nstleistungen: <strong>Europa</strong>s neuesEngagement“ (KOM(2007) 725 endg. vom 20. November 2007).13


nem Interesse enthielten. 22 . Die meisten <strong>die</strong>ser Fragenwurden in den Jahren 2006 und 2007 im Rahmen vonumfangreichen Anhörungen über Sozial<strong>die</strong>nstleistungenzusammengetragen. Im Anschluss an <strong>die</strong> Mitteilungwurde im Januar 2008 zudem ein interaktiver Informations<strong>die</strong>nsteingerichtet, der sich sonstigen Fragen seitensder Bürger, öffentlichen Behörden und Dienstleistern zurAnwendung der EU-Gesetze widmete. 234.4. Kleine und mittlere Unternehmen 24In Bezug auf KMU (ertragsorientiert oder gemeinnützig)müssen verschiedene Themen beleuchtet werden.Besonders wichtig sind finanzielle Belastungen, 25 <strong>die</strong>den KMU bei der <strong>Ein</strong>führung von SRPP-Ansätzen entwe-der direkt (falls es sich um Hauptunternehmer handelt)oder indirekt (falls es sich um Subunternehmer handelt,denen ihrerseits vom Hauptunternehmer SRPP-Verpflichtungenübertragen wurden) entstehen können.Dieser direkten und indirekten Kosten sollten sich öffentlicheBehörden, <strong>die</strong> <strong>die</strong> <strong>Ein</strong>führung von SRPP erwägen,bewusst sein. Sie sollten bereits im Planungsstadiumfür <strong>die</strong> <strong>Ein</strong>beziehung sozialer Aspekte in <strong>die</strong> Auftragsvergabe26 berücksichtigt werden. Ferner müssen sichöffentliche Auftraggeber darüber im Klaren sein, dass<strong>die</strong> <strong>Ein</strong>führung von SRPP wahrscheinlich ganz unterschiedlicheAuswirkungen auf einzelne KMU hat. So sindmöglicherweise einige Unternehmen besser aufgestelltals andere, SRPP für sich zu nutzen und vor allem bei denVertragsbestandteilen konkurrenzfähig zu sein, in denenes um das Thema Sozialstandards geht.22http://ec.europa.eu/services_general_interest/faq_de.htm. Das Arbeitsdokumentder Kommissions<strong>die</strong>nststellen zur Anwendung der Bestimmungenüber <strong>die</strong> Vergabe öffentlicher Aufträge auf Sozial<strong>die</strong>nstleistungenvon allgemeinem Interesse stellt eine nützliche Anleitung für <strong>die</strong>Anwendung der Bestimmungen über <strong>die</strong> Vergabe öffentlicher Aufträgeauf Sozial<strong>die</strong>nstleistungen von allgemeinem Interesse dar.23http://ec.europa.eu/services_general_interest/registration/form_de.html.24Auf der Ebene der Europäischen Union werden KMU durch <strong>die</strong> Empfehlung2003/361/EG betreffend <strong>die</strong> Definition der Kleinstunternehmensowie der kleinen und mittleren Unternehmen (http://ec.europa.eu/enterprise/enterprise_policy/sme_definition/index_en.htm)definiert.25<strong>Ein</strong>en praktischer <strong>Leitfaden</strong> für <strong>die</strong> allgemeine Erleichterung des Zugangskleiner und mittlerer Unternehmen (KMU) zu öffentlichen Aufträgen bietetdas Arbeitsdokument der Kommissions<strong>die</strong>nststellen SEK(2008) 2193„Europäischer <strong>Leitfaden</strong> für bewährte Verfahren zur Erleichterung desZugangs kleiner und mittlerer Unternehmen (KMU) zu öffentlichen Aufträgen“unter:http://ec.europa.eu/internal_market/publicprocurement/docs/sme_code_of_best_practices_de.pdf.26Diese müssen selbstverständlich in Bezug zum Vertragsgegenstand stehen(bzw. zur Erfüllung des Vertrages, sofern sie Bestandteil der Vertragsbestimmungensind).14


II. <strong>Ein</strong>e OrganisationsstrategieII. <strong>Ein</strong>e Organisationsstrategie für sozialorientierte <strong>Beschaffung</strong>für sozialorientierte <strong>Beschaffung</strong>Öffentliche Behörden, <strong>die</strong> SRPP zur Erreichung sozialerZiele einsetzen möchten, benötigen eine Strategie, <strong>die</strong>exakt auf ihre spezifischen Vorstellungen ausgerichtet ist.1. Abstecken der Ziele für ein sozialverantwortlichesöffentliches <strong>Beschaffung</strong>swesenDie von einer Organisation für SRPP gewählten Strategienkönnen von deren sozialen Prioritäten auf nationaler,regionaler oder lokaler Ebene abhängen 27 undzugleich ausdrücklich <strong>die</strong> Rolle anerkennen, <strong>die</strong> <strong>die</strong><strong>Beschaffung</strong> bei der Verwirklichung ihrer Ziele spielt.Beispiel:Frankreich: Im Jahr 2003 wurde <strong>die</strong> „Stratégie nationale dudéveloppement durable“ (Nationale Strategie für nachhaltigeEntwicklung) ins Leben gerufen. 2007 folgte der „Plannational d’action pour des achats publics durables“ (NationalerAktionsplan für eine nachhaltige öffentliche <strong>Beschaffung</strong>).Die französische Regierung hat sich in umfangreichenAnhörungen mit den Sozialpartnern – dem „Grenelle del’environnement“ und dem „Grenelle de l’insertion“ – mit verschiedenenMaßnahmen befasst, <strong>die</strong> Auswirkungen auf <strong>die</strong>soziale Integration und das öffentliche <strong>Beschaffung</strong>swesenhaben. Ziel ist es, <strong>die</strong> zentrale Idee des „État exemplaire“ (desvorbildlichen Staates) zu erweitern. Das bedeutet, dass derStaat bzw. alle öffentlichen Körperschaften als Wegweiser inRichtung nachhaltige Entwicklung agieren sollen.2. Hochrangiges politisches Engagement undstarke Führung für SRPPDer Erfolg einer SRPP-Strategie steht und fällt mit demFührungsverhalten. Dazu gehören <strong>die</strong> Planung der erforderlichenVerwaltungsstruktur sowie <strong>die</strong> Ermittlung desRessourcenbedarfs (personell und finanziell). SRPP erforderteinen hierarchischen Führungsstil und politischesEngagement innerhalb der Managementebenen.Im Prinzip sollte einer öffentlichen Behörde <strong>die</strong> politischeEntscheidung für eine sozialorientierte <strong>Beschaffung</strong>leicht fallen. Ermutigen sollte sie, dass neben der Gesellschaftauch sie selbst und ihr Ansehen als öffentlicherAuftraggeber davon profitieren. In der Praxis erfordert<strong>die</strong> <strong>Ein</strong>führung einer sozialorientierten <strong>Beschaffung</strong>sstrategiein der Regel keine strukturellen Änderungenbei den öffentlichen Auftraggebern.Beispiel:Vereinigtes Königreich: Im April 2007 trat im Rahmen des Equality Act von 2006 (Gleichbehandlungsgesetz) eine Gleichstellungspflichtfür öffentliche Behörden in Kraft. Dieses neue Rechtsinstrument hat das Potenzial, <strong>die</strong> Gleichstellung derGeschlechter im öffentlichen Sektor deutlich zu verbessern und über <strong>die</strong> öffentliche Auftragsvergabe auch den privatenSektor profitieren zu lassen.Die Gleichstellungspflicht für öffentliche Behörden verpflichtet zur <strong>Ein</strong>haltung des Equal Pay Law (Gesetz über gleicheBezahlung). Die <strong>Ein</strong>führung von Systemen zur Gleichstellung der Geschlechter veranlasst öffentliche Behörden dazu, Zielezu formulieren, <strong>die</strong> auf <strong>die</strong> Ursachen der Lohnunterschiede zwischen Frauen und Männern eingehen und <strong>die</strong>se beseitigen,z. B. durch geänderte <strong>Ein</strong>stellungsverfahren, flexiblere Arbeitsverhältnisse und Lohnstatistiken.Die Gleichstellungspflicht hat Initiativen im öffentlichen Bereich in Gang gesetzt, <strong>die</strong> sich mittlerweile auch auf <strong>die</strong> Arbeitsbedingungender privaten Auftragnehmer auswirken. Zu <strong>die</strong>sem Zweck wurden <strong>Beschaffung</strong>sleitlinien für den öffentlichenSektor zur Aufklärung von Auftragnehmern über bewährte Methoden zum Thema Vielfalt und gleiche Bezahlung entwickelt.Die Leitlinien zur Förderung der Gleichstellung der Geschlechter im öffentlichen Auftragswesen wurden im Februar 2006veröffentlicht. Sie enthalten zahlreiche positive Maßnahmen, <strong>die</strong> öffentliche Behörden im Hinblick auf <strong>die</strong> <strong>Ein</strong>haltung derGleichstellungspflicht im <strong>Beschaffung</strong>swesen ergreifen können. Im Jahr 2007 wurde ein entsprechender Verhaltenskodexüber <strong>die</strong> Pflicht zur Gleichstellung der Geschlechter veröffentlicht.27Dies bedeutet jedoch keinesfalls, dass öffentliche Auftraggeber lokale,regionale oder nationale Produkte bevorzugen dürfen mit dem Ziel, ihrejeweiligen lokalen Arbeitsmärkte zu fördern.15


3. Messung der Risiken und Priorisierungder organisatorischen Ausgabenkategorienzur Förderung sozialer BelangeÖffentliche Auftraggeber müssen <strong>die</strong> sozialen Risikenund Auswirkungen ihrer <strong>Beschaffung</strong>sstrategie undihrer Lieferkette abschätzen können. Nur so können siesich auf <strong>die</strong> wichtigsten Ausgabenkategorien und auf <strong>die</strong>Umsetzung ihrer sozialen Ziele konzentrieren.Im Folgenden einige Empfehlungen an öffentliche Auftraggeberfür <strong>die</strong> Festlegung von Prioritäten für dasSRPP-Konzept:• Erarbeitung eines schrittweisen Ansatzes. Es solltemit einem überschaubaren Spektrum von Produktenund Dienstleistungen begonnen werden, <strong>die</strong>deutliche soziale Auswirkungen haben bzw. für <strong>die</strong>sich einfach und kostenneutral sozialverantwortlicheAlternativen finden lassen. Hier empfehlen sichProdukte (z. B. Fahrzeuge) oder Dienstleistungen(z. B. Reinigungsleistungen) aus Bereichen mit überdurchschnittlichvielen gefährdeten Arbeitnehmern(ethnische Minderheiten oder Menschen mit Behinderungen)oder einem hohen Frauenanteil.Beispiel:Schweden: Kleine und mittlere Unternehmen, sozialwirtschaftlichausgerichtete und freiwillige Organisationen,<strong>die</strong> mit sozial benachteiligten Gruppen arbeiten, werdenvon der schwedischen Sozialversicherungsagentur bisweilenan den Auftragsvergabestu<strong>die</strong>n beteiligt. So kannsie bei der Vorbereitung der Ausschreibungsunterlagengenauer auf <strong>die</strong> speziellen Probleme solcher Organisationeneingehen und ihnen damit den Zugang zu öffentlichenAufträgen erleichtern.Um eine Missachtung von Sozialstandards weitgehendauszuschließen, führt <strong>die</strong> Agentur bereits zu Beginn derAuftragsvergabe eine entsprechende Risikoanalyse durch.Beispielsweise bei der <strong>Beschaffung</strong> von Reinigungs<strong>die</strong>nstleistungenwird das Risiko eines Verstoßes gegen <strong>die</strong>Arbeitsbedingungen besonders hoch angesetzt.• Ferner muss gewährleistet sein, dass <strong>die</strong> Ausschreibungsbedingungender gesellschaftlichen Situationnicht schaden (z. B. durch Vergabe öffentlicherDienstleistungen an benachteiligte Gruppen in derPrivatwirtschaft), und bei der Auftragsvergabe solltenausreichend viele geschützte Werkstätten oderBeschäftigungsprogramme beachtet werden. 28Dabei ist deren jeweilige Produktionskapazität zuberücksichtigen.• Zu Beginn empfiehlt sich <strong>die</strong> Konzentration aufmindestens ein gesellschaftliches Problem, z. B.faire Löhne oder Gesundheit und Sicherheit.• Erwägung von sozial anspruchsvolleren Alternativenje nach Verfügbarkeit und Kosten sowie Sicherstellung,dass <strong>die</strong> Alternativen den geltenden Vorschriftenund Grundsätzen für öffentliche Aufträgeentsprechen. Gibt es <strong>Beschaffung</strong>smöglichkeiten,<strong>die</strong> der sozialen Verantwortung besser gerechtwerden? Erfüllen sie <strong>die</strong> Anforderungen des öffentlichenAuftraggebers, und sind sie bezahlbar? Essollte erwogen werden, welche Kosten ggf. bei derzusätzlichen Berücksichtigung sozialer Erwägungenentstünden und welche Auswirkungen Wettbewerbsbeschränkungenhätten.• Berücksichtigung der verfügbaren Daten. Hat deröffentliche Auftraggeber Zugriff auf <strong>die</strong> erforderlichenSozialdaten, <strong>die</strong> er für <strong>die</strong> <strong>Ein</strong>führung einersozial verantwortlichen <strong>Beschaffung</strong>sstrategiebenötigt? Wie kompliziert ist es für den öffentlichenAuftraggeber, eine Entscheidungen über <strong>die</strong> technischenAnforderungen zu treffen und <strong>die</strong>se in derAusschreibung zu formulieren?• Berücksichtigung der Kapazität des öffentlichenAuftraggebers und Umsetzung eines machbaren,wirksamen und effizienten SRPP-Aktionsprogramms.• Erwägung von alternativen Methoden des sozialverantwortlichenEngagements. Ist <strong>die</strong> öffentlicheAuftragsvergabe <strong>die</strong> ressourcengünstigsteMethode, oder lässt sich das sozialverantwortlicheEngagement mit anderen verfügbaren Instrumentenwirksamer demonstrieren?28Gemäß Artikel 19 der Richtlinie 2004/18/EG und Artikel 28 der Richtlinie2004/17/EG.16


II. <strong>Ein</strong>e Organisationsstrategie für sozialorientierte <strong>Beschaffung</strong>© 123RFBeispiele:Frankreich: Die Stadt Angers hat im Jahr 2005 eine interne Kontaktstelle (spezialisierte Rechtsberatung) für umweltbewusste<strong>Beschaffung</strong> eingerichtet. Sie war für <strong>die</strong> Ausarbeitung sozialverantwortlicher öffentlicher <strong>Beschaffung</strong>sstrategienverantwortlich mit dem Ziel, <strong>die</strong>se vollständig in <strong>die</strong> Auftragsvergabe der Stadtverwaltung zu integrieren. Der Rechtsberaterhielt interne Schulungen zum Thema nachhaltige <strong>Beschaffung</strong> ab. Weiterhin erhielten <strong>die</strong> Unternehmen in allen Ausschreibungsphasen,von der Bedarfsermittlung über <strong>die</strong> Vorbereitung und Durchführung der Ausschreibung bis zur Analyse undBewertung der eingegangenen Angebote, sowohl technische als auch rechtliche Unterstützung. Was <strong>die</strong> sozialen Aspektebetrifft, betrachtet <strong>die</strong> Stadt Angers öffentliche Arbeiten und Dienstleistungen, insbesondere den Hoch-, Tief- und Landschaftsbau,grundsätzlich als prioritär.Vereinigtes Königreich: Die im Mai 2005 eingesetzte Arbeitsgruppe für nachhaltige <strong>Beschaffung</strong> (Sustainable ProcurementTask Force, SPTF) ist für soziale und ökologische Aspekte zuständig. Ihren Aktionsplan veröffentlichte sie im Juni 2006. Dieserbefasst sich mit dem Geschäftsnutzen von nachhaltiger <strong>Beschaffung</strong>. Er schlägt Maßnahmen für sechs größere Themenbereichevor und stellt den Organisationen zwei fortschrittliche Instrumente zur Verfügung: <strong>die</strong> Methode zur Bestimmung derPrioritätsstufe und den flexiblen Rahmen. Die Methode zur Bestimmung der Prioritätsstufe ist ein risikobasierter Ansatz, der <strong>die</strong>Organisationen dabei unterstützt, sich auf angemessene Weise auf ihren Aufwand und ihre Ressourcen zu konzentrieren. DieseMethode legt nicht bloß Ausgabedaten zugrunde; vielmehr können Organisationen damit den ökologischen und sozioökonomischenRisiken Rechnung tragen, ihre Möglichkeiten der <strong>Ein</strong>flussnahme auf Anbieter ausloten und ermitteln, welchen Beitragsie effektiv zur Förderung der Nachhaltigkeit leisten. Der flexible Rahmen hilft ihnen, <strong>die</strong> organisationellen und prozessualenSchritte zur Optimierung des <strong>Beschaffung</strong>swesens und zur Realisierung von nachhaltiger <strong>Beschaffung</strong> zu verstehen.• Erhöhung der Sichtbarkeit. Wie gut wird das sozialverantwortlicheEngagement von der Öffentlichkeitund den Mitarbeitern wahrgenommen? GroßeBeachtung findet zum Beispiel <strong>die</strong> Umstellung aufnachhaltig erzeugte bzw. fair gehandelte Produktein Kantinen. Damit kann eine Sensibilisierung fürdas Thema gefördert und der Bogen zu anderensozialen Projekten gespannt werden.• Berücksichtigung des Potenzials für künftige Entwicklungen.Der Versuch, mit sozialverantwortlichen<strong>Beschaffung</strong>smethoden in jungen BranchenFuß zu fassen, <strong>die</strong> sich gerade am Anfang ihrer Entwicklungbefinden, ist unter Umständen eher vonErfolg gekrönt, als der Versuch, <strong>die</strong> sozialen Eigenschaftenbereits etablierter Branchen zu ändern.Die Umsetzung einer SRPP-Strategie erfordert also einestrategische Planung, d. h., es sind Prioritäten für <strong>die</strong>Auswahl der am besten geeigneten Aufträge zu setzen.<strong>Ein</strong>ige öffentliche Auftraggeber haben sich hier für einenkoordinierten und ganzheitlichen Ansatz in der Berücksichtigungsozialer Belange entschieden.17


4. Sensibilisierung für sozialverantwortlichesöffentliches <strong>Beschaffung</strong>swesen und <strong>Ein</strong>beziehungwichtiger InteressengruppenSRPP ist für eine ganze Reihe von Interessengruppen vonBedeutung, <strong>die</strong> in <strong>die</strong> Entwicklung eines SRPP-Konzeptseinbezogen werden müssen, damit sie Vertrauen in <strong>die</strong>sesKonzept gewinnen und sich für <strong>die</strong> Realisierung seinerZiele einsetzen. Wichtige Interessengruppen beimSRPP sind Zentral- und Regionalregierungen, Kommunen,potenzielle Warenlieferanten oder Auftragnehmer,<strong>die</strong> Zivilgesellschaft, Arbeitgeberorganisationen undGewerkschaften. Es sollten Workshops, Seminare undKonferenzen veranstaltet werden, um Auffassungenzum SRPP-Konzept zusammenzutragen. Sie sollten inverschiedenen Phasen des Entwicklungsprozesses veranstaltetwerden, d. h. zu Beginn des Prozesses, wennIdeen formuliert werden, sowie bei der Formulierungdes Konzepts und gegen Ende, wenn ein endgültigerEntwurf bereitgestellt werden kann.Nicht zuletzt ist auch eine effektive Kommunikation über<strong>die</strong> Vorzüge eines sozialverantwortlichen öffentlichen<strong>Beschaffung</strong>swesens, über bewährte Praktiken und überErfolgsbeispiele wichtig für das weitere Vorankommen.Es ist sehr wichtig, dass all <strong>die</strong>se Interessengruppen verstehen,worin <strong>die</strong> Aufgabe besteht und welche Rolleihnen zukommt. Mit einer ideenreichen und engagiertenPartnerschaft zwischen Auftraggebern und Auftragnehmernwerden bessere Ergebnisse erzielt werden.Beispiele:Schweden: Die Regionalverwaltung für Südwestschweden veranstaltet im Vorfeld von Ausschreibungen Zusammenkünfte,an denen alle potenziellen Bieter teilnehmen können, und erläutert <strong>die</strong> in den technischen Spezifikationen enthalteneAnforderungen im Hinblick auf ein „Design für alle“ (Barrierefreiheit).Vereinigtes Königreich: Das Finanzministerium und das Ministerium für Wirtschaft, Unternehmen und regulatorischeReform hat eine Online-Konsultation zu zentralen Fragen im Zusammenhang mit den Hindernissen für <strong>die</strong> Teilnahme kleinerund mittlerer Unternehmen an Ausschreibungen begonnen, um zu Empfehlungen zu gelangen, wie das öffentliche<strong>Beschaffung</strong>swesen im Vereinigten Königreich besser auf kleine und mittlere Unternehmen eingehen könnte. Die Konsultationwurde über eine Website durchgeführt, auf der Beschaffer, Interessengruppen und Anbieter um Reaktionen gebetenwurden. Anschließend wurde zur Umsetzung der daraus resultierenden Empfehlungen eine Stakeholder-Gruppe eingesetzt,<strong>die</strong> regelmäßig Kontakt zu den für <strong>die</strong> Umsetzung verantwortlichen Projektteams hält und Kommentare zu dem zuwählenden Ansatz abgeben kann.Die Zusammenarbeit zwischen <strong>Beschaffung</strong>sstellen istebenfalls eine Möglichkeit, um besseren Zugang zu sozialemSachverstand und Know-how zu erhalten und <strong>die</strong>Politik Außenstehenden zu vermitteln.Beispiel:Dänemark: Sozialverantwortliches öffentliches <strong>Beschaffung</strong>swesen ist eines der Themen in der Marktanalyse, <strong>die</strong> von NationalProcurement Ltd vor jeder Ausschreibung durchgeführt wird. Diese Organisation führt Schulungsprogramme und Workshopsfür alle Anbieter durch. Sie versucht <strong>die</strong> Ausschreibungsunterlagen so einfach wie möglich zu gestalten, damit auchkleine und mittlere Unternehmen <strong>die</strong> Mittel haben, ein Angebot einzureichen. Um Anbietern Gelegenheit zu geben, einAngebot einzureichen, werden Rahmenverträge oft in mehrere Lose aufgeteilt (z. B. auf geografischer Basis), unter Wahrungder in den Richtlinien über öffentliche Aufträge * vorgeschriebenen Schwellenwerte.*Artikel 9 (3) der Richtlinie 2004/18/EG und Artikel 16 (2) der Richtlinie 2004/17/EG.18


II. <strong>Ein</strong>e Organisationsstrategie für sozialorientierte <strong>Beschaffung</strong>5. Umsetzung der SRPP-StrategieDie SRPP-Strategie muss im <strong>Ein</strong>zelnen angeben, wiesozialverantwortliches öffentliches <strong>Beschaffung</strong>swesenumgesetzt werden soll und welche Maßnahmen ergriffenwerden müssen, um voranzukommen. Die Strategiemuss unter anderem folgende Faktoren berücksichtigen:• den rechtlichen Rahmen;• den institutionellen Rahmen;SRPP-Initiativen auf EU- und/oder nationalstaatlicherEbene beinhalten.Den in der <strong>Beschaffung</strong> tätigen Mitarbeitern sollte dasrechtliche, finanzbezogene und soziale Wissen vermitteltwerden, das sie brauchen, um zu entscheiden, in welchemMaße und wo soziale Faktoren in das Vergabeverfahren einbezogenwerden können oder sich am besten einbeziehenlassen, ob sie richtig eingesetzt sind, um das beste Preis-Leistungs-Verhältnis zu erhalten, und ob sie den sozialenPrioritäten des öffentlichen Auftraggebers entsprechen.• <strong>die</strong> Verwaltungsstruktur;• das Vorhandensein fachlicher Kompetenz und fachlicherRessourcen;• einen differenzierten sektorenspezifischen Ansatz,der <strong>die</strong> Besonderheiten jedes Bereichs berücksichtigt;• <strong>die</strong> <strong>Ein</strong>beziehung von Interessengruppen.Bezüglich der Umsetzung der Strategie müssen <strong>Ein</strong>zelheitenzu Zuständigkeiten, Zielvorgaben mit einem realistischenZeitplan für ihre Umsetzung, <strong>Ein</strong>zelheiten zurVerwaltungsstruktur für <strong>die</strong> Umsetzung, zu den benötigtenfachlichen und finanziellen Ressourcen und zuden Maßnahmen zur Kontrolle des Fortschritts und zurBerichterstattung darüber angegeben werden.Zu den zu unternehmenden Schritten könnte das <strong>Ein</strong>setzeneiner Arbeitsgruppe für sozialverantwortliche<strong>Beschaffung</strong>, <strong>die</strong> Ausarbeitung eines Aktionsplans, <strong>die</strong><strong>Ein</strong>beziehung des sozialverantwortlichen öffentlichen<strong>Beschaffung</strong>swesens in politische Konzepte und Verfahrenoder <strong>die</strong> Entwicklung vereinfachter Richtlinien fürBudgetinhaber und <strong>die</strong> für <strong>Beschaffung</strong> Zuständigen aufallen Ebenen gehören.Die Kompetenzbildung könnte Schulungsprogrammefür Führungskräfte, leitende Mitarbeiter und Personalumfassen. Außerdem könnte sie den Austausch bewährterVorgehensweisen, <strong>die</strong> Bereitstellung der Fachkompetenzenzur Realisierung des sozialverantwortlichenöffentlichen <strong>Beschaffung</strong>swesens (einschließlich SRPP-Kompetenzen bei den Kriterien für <strong>die</strong> Auswahl derBewerber) und <strong>die</strong> Bereitstellung von Informationen zu6. Messung der effektiven UmsetzungDie Messung der effektiven Umsetzung der SRPP-Strategieund ihrer Ergebnisse beinhaltet <strong>die</strong> <strong>Ein</strong>richtung internerund externer Kontrollen. Dabei sollten <strong>die</strong> Ergebnissemit den festgelegten Zielvorgaben und Qualitätsanforderungenverglichen werden.Interne Maßnahmen müssen mit bestehenden Berichterstattungssystemenverknüpft sein, <strong>die</strong> so angepasstwerden müssen, dass sie SRPP-Ziele berücksichtigen.Außerdem müssen sie mit internen Prüfverfahren verknüpftsein und könnten Sanktionen im Falle der Nichtbeachtungvon SRPP-Zielen umfassen.Externe Maßnahmen sollten eine unabhängige Prüfungder SRPP-Qualität beinhalten. Sie könnten auch einenLeistungsvergleich mit früheren Ergebnissen oder mitder Qualität anderer <strong>Ein</strong>richtungen umfassen.Die Ergebnisse von Prüfungen der SRPP-Qualität solltender Öffentlichkeit verfügbar gemacht werden und zurÜberprüfung und Aktualisierung von Konzepten, Zielenund Verfahren eines sozialverantwortlichen öffentlichen<strong>Beschaffung</strong>swesens beitragen.7. Überblick über den <strong>Beschaffung</strong>sprozessBei der Berücksichtigung der sozialen Erwägungen imöffentlichen <strong>Beschaffung</strong>swesen sollten Beschaffer stetszwei Hauptpunkte im Auge haben:19


Auftraggebers, <strong>die</strong> betreffenden Bieter davon zu unterrichten,weshalb ihre Angebote abgelehnt wurden.• bestes Preis-Leistungs-Verhältnis;• faires Handeln.Bestes Preis-Leistungs-Verhältnis: Öffentliche Auftraggebermüssen bei allem, was sie beschaffen, für das Geldder Steuerzahler <strong>die</strong> beste Qualität erhalten. BestesPreis-Leistungs-Verhältnis bedeutet nicht unbedingtimmer, dem billigsten Angebot den Zuschlag zu erteilen.Es bedeutet, dass der öffentliche Auftraggeber das besteAngebot im Rahmen seiner Vorgaben wählen muss. BestesPreis-Leistungs-Verhältnis könnte als optimales Verhältnisvon Lebenszykluskosten und Qualität im Hinblickauf <strong>die</strong> Anforderungen des Endanwenders definiert werden.Beim Preis-Leistungs-Verhältnis können auch sozialeErwägungen berücksichtigt werden.Faires Handeln: Faires Handeln bedeutet <strong>Ein</strong>haltung derGrundsätze des Binnenmarkts, <strong>die</strong> <strong>die</strong> Grundlage für <strong>die</strong>Richtlinien über öffentliche Aufträge und <strong>die</strong> darauf basierendennationalen Rechtsvorschriften bilden. Der wichtigsteGrundsatz ist dabei der Gleichbehandlungsgrundsatz,nach dem alle Wettbewerber gleiche Chancen in derBewerbung um den Auftrag haben sollen. Zur Gewährleistunggleicher Wettbewerbsbedingungen muss auch derGrundsatz der Transparenz angewendet werden.• Beispiele für Vorschriften, <strong>die</strong> den Gleichbehandlungsgrundsatzin den Richtlinien über öffentlicheAufträge anwenden, sind <strong>die</strong> zeitliche Befristungfür den Angebotseingang und für <strong>die</strong> Teilnahmeanträge,<strong>die</strong> einheitlichen Regeln für technische Spezifikationenund das Verbot der Diskriminierung vonUnternehmen aus anderen Mitgliedstaaten.• Beispiele für <strong>die</strong> Anwendung des Grundsatzes derTransparenz zeigen sich in den verschiedenen Vorschriftenfür <strong>die</strong> Veröffentlichung von Bekanntmachungenund in der Verpflichtung des öffentlichen© 123RF7.1. Die Bedeutung rechtlicher BeratungDie gemeinschaftlichen <strong>Beschaffung</strong>svorschriften legenfest, wie der <strong>Beschaffung</strong>sprozess abzuwickeln ist, damit<strong>die</strong> Grundsätze der Fairness, der Nichtdiskriminierungund der Transparenz gewahrt werden. Diese Vorschriftengestatten unter bestimmten Voraussetzungen <strong>die</strong><strong>Ein</strong>beziehung von Kriterien wie Nachhaltigkeit undChancengleichheit. Durch rechtzeitige rechtliche Beratungbei der Erstellung eines SRPP-Aktionsplans lassensich spätere Schwierigkeiten vermeiden.7.2. Vorbereitung des VergabeverfahrensDie Vorbereitungsphase des Vergabeverfahrens ist ganzwichtig, da jede Phase auf den vorhergehenden Phasenaufbaut. Deshalb sollte sich der öffentliche Auftraggebervor Beginn des Ausschreibungsverfahrens Zeit nehmen, umden Auftragsgegenstand und <strong>die</strong> Mittel zu definieren, <strong>die</strong>einzusetzen sind, um das Endergebnis zu erreichen. Die Vorbereitungsphaseist auch <strong>die</strong> beste Gelegenheit, zu bestimmen,welche sozialen Erwägungen relevant sind und in<strong>die</strong>sem konkreten Verfahren berücksichtigt werden sollten.8. Phasen des Vergabeverfahrens und Konzeptefür ein sozialverantwortliches öffentliches<strong>Beschaffung</strong>swesenEntsprechend der Logik <strong>die</strong>ses Prozesses gibt es heutemindestens vier Grundkonzepte für <strong>die</strong> Behandlungsozialer Aspekte im öffentlichen <strong>Beschaffung</strong>swesen.Beim ersten Konzept nimmt der Auftraggeber soziale Kriterienin den Auftragsgegenstand selbst und/oder in <strong>die</strong>technischen Spezifikationen auf, <strong>die</strong> von erfolgreichenAuftragnehmern unter Berücksichtigung sozialer Kriterienerfüllt werden müssen 29 . <strong>Ein</strong> Beispiel hierfür ist <strong>die</strong>29Die Voraussetzungen, unter denen soziale Erwägungen im Auftragsgegenstandund/oder in den technischen Spezifikationen berücksichtigt werdenkönnen, werden weiter unten in den Abschnitten „Festlegung des Auftragsgegenstands“und „Festlegung der Anforderungen des Auftrags“ erläutert.20


II. <strong>Ein</strong>e Organisationsstrategie für sozialorientierte <strong>Beschaffung</strong>Spezifikation, dass <strong>die</strong> Computerausstattung bestimmteZugänglichkeitsanforderungen erfüllen muss.Beim zweiten Konzept sind Bieter unter bestimmtenBedingungen 30 von öffentlichen Aufträgen ausgeschlossen,wenn sie eines früheren Fehlverhaltens für schuldigbefunden wurden. Damit soll verhindert werden, dassöffentliche <strong>Ein</strong>richtungen Verträge mit Bietern schließen,<strong>die</strong> einem gewissen Maßstab des sozialen Verhaltensnicht entsprochen haben.Dieses dritte Konzept versucht Bieter dazu zu bringen,sich bestimmten sozialen Maßstäben zu verpflichten,und berücksichtigt bei der Auftragsvergabe, ob sie <strong>die</strong>senMaßstäben tatsächlich gerecht werden. In der Praxiskann das beispielsweise so aussehen, dass <strong>die</strong> öffentliche<strong>Ein</strong>richtung in ihren Vergabekriterien bestimmte sozialeAspekte berücksichtigt 31 .Das vierte Konzept ist auf <strong>die</strong> Phase nach der Auftragsvergabeausgerichtet. Es verlangt, dass derjenige, anden der Auftrag vergeben wurde, bei der AusführungBeispiel:Spanien: Die Regierung des Baskenlandes hat eine Weisung zur Berücksichtigung sozialer, ökologischer und anderer Kriteriender öffentlichen Politik im Rahmen der <strong>Beschaffung</strong> durch ihre Verwaltung erlassen. In <strong>die</strong>ser Weisung ist festgelegt,welche sozialen und ökologischen Kriterien bei der öffentlichen <strong>Beschaffung</strong> in der Region berücksichtigt werden müssenund wie sie zu berücksichtigen sind.Hauptziel der Weisung: Die Verwaltung und öffentliche <strong>Ein</strong>richtungen im Baskenland sollen bei der öffentlichen <strong>Beschaffung</strong>soziale und ökologische Erwägungen (<strong>die</strong> beide Teil des Nachhaltigkeitskonzepts sind) sowie weitere Aspekte im Zusammenhangmit anderen Politikbereichen berücksichtigen.Bewertung und Überwachung: Die baskischen Ministerien für Beschäftigung, soziale <strong>Ein</strong>gliederung, soziale Angelegenheitenund Umwelt bewerten in regelmäßigen Abständen <strong>die</strong> Qualität im Vergabewesen. Bei der Bewertung werden <strong>die</strong> Formulierungder Spezifikationen, ihre Anwendung im Vergabeprozess und <strong>die</strong> Ausführung des Auftrags beurteilt.Technische Spezifikationen: Die Weisung empfiehlt, in <strong>die</strong> technischen Spezifikationen Zugänglichkeitsauflagen und Anforderungenentsprechend dem Konzept „Design für alle“ aufzunehmen.Vergabekriterien: Immer wenn es mehr als ein Vergabekriterium gibt, müssen <strong>die</strong> Kriterien vorsehen, dass <strong>die</strong> Produkte undDienstleistungen behindertengerecht sein müssen (wann immer <strong>die</strong>se Anpassung über das gesetzlich vorgeschriebeneMindestmaß hinausgeht). Immer wenn behinderte Gruppen unter den Nutznießern der im Auftragsgegenstand festgelegtenDienstleistungen sind, werden <strong>die</strong> mit der Erfüllung ihrer sozialen Bedürfnisse verbundenen Leistungsmerkmale in <strong>die</strong>Vergabekriterien aufgenommen.Vertragserfüllungsklauseln: Die Weisung verlangt, dass der Auftrag spezielle Vertragserfüllungsklauseln enthält (ökologisch,sozial und im Zusammenhang mit anderen Politikbereichen). Ziele der speziellen Vertragserfüllungsklauseln sind der Schutzder Umwelt sowie der Gesundheit und Sicherheit, <strong>die</strong> Förderung der Beschäftigung benachteiligter Gruppen, <strong>die</strong> Beseitigungder Chancenungleichheit von Frauen und Männern auf dem Arbeitsmarkt und <strong>die</strong> Bekämpfung der Arbeitslosigkeit.Beispiele für Vertragserfüllungsklauseln im Baskenland:1. Arbeitseingliederung schwer vermittelbarer Arbeitsloser: Hierzu legt <strong>die</strong> Weisung fest, dass ein gewisser Teil der Arbeitnehmer,<strong>die</strong> den Auftrag ausführen, benachteiligte Personen wie Arbeitslose, Menschen mit Behinderungen, langzeitarbeitsloseFrauen über 30, Opfer häuslicher Gewalt, Menschen mit psychischen Störungen, arbeitslose Alleinerziehende,Immigranten, <strong>die</strong> seit mindestens sechs Monaten arbeitslos sind, langzeitarbeitslose (seit über einem Jahr) und arbeitsloseJugendliche sein müssen.2. Beschäftigungsqualität und Arbeitnehmergrundrechte: Der Auftragnehmer muss im Hinblick auf <strong>die</strong> Arbeitnehmer, <strong>die</strong>entlang der Lieferkette <strong>die</strong> Produkte herstellen (<strong>die</strong> Gegenstand des Auftrags sind), garantieren, dass bei der Ausführungdes Auftrags <strong>die</strong> fundamentalen Arbeitsnormen der Internationalen Arbeitsorganisation eingehalten werden.3. Gesundheit und Arbeitssicherheit bei der Ausführung von Bauaufträgen und Aufträgen für technische Gebäudeausrüstung.30Die Voraussetzungen, unter denen öffentliche Auftraggeber einen Bietervom Vergabeverfahren ausschließen dürfen (oder in einigen Fällen müssen)werden weiter unten im Abschnitt „Ausschlusskriterien“ erläutert.31Die Voraussetzungen, unter denen soziale Erwägungen im Auftragsgegenstandund/oder in den technischen Spezifikationen berücksichtigt werdenkönnen, werden weiter unten in den Abschnitten „Festlegung des Auftragsgegenstands“und „Festlegung der Anforderungen des Auftrags“ erläutert.21


des Auftrags bestimmte Auflagen einhält 32 . Bei <strong>die</strong>semModell müssen sich alle Auftragnehmer zur Erfüllungder gleichen Anforderung verpflichten, auch wenn nichtbeurteilt wird, ob der Auftragnehmer in der Lage ist,bestimmte Bedingungen zu erfüllen.Diese vier Grundkonzepte sind nicht unbedingt einanderentgegengesetzte Konzepte, sondern werden in einund demselben öffentlichen Vergabeverfahren oft kombiniert.Strategische Ausarbeitung und Priorisierung von SRPP-Initiativen – ZUSAMMENFASSUNGBestimmen Sie nationale und lokale Prioritäten, <strong>die</strong> maßgeblich für SRPP sind.Überprüfen Sie <strong>die</strong> <strong>Beschaffung</strong>sstrategie der <strong>Ein</strong>richtungen und stellen Sie fest, wie SRPP an übergreifende Zielsetzungenund Konzepte anknüpft. Stellen Sie fest, wie SRPP zur Realisierung <strong>die</strong>ser Ziele beitragen und der <strong>Ein</strong>richtung eingutes Preis-Leistungs-Verhältnis liefern kann.Sorgen Sie für hochrangige politische Führung und hochrangiges politisches Engagement für SRPP.Bestimmen Sie <strong>die</strong> vom öffentlichen Auftraggeber beschafften Produkte und Dienstleistungen, <strong>die</strong> das größte sozialeRisiko darstellen und/oder am besten geeignet sind, das soziale Ergebnis zu verbessern.Arbeiten Sie Zielsetzungen und einen Aktionsplan zur Berücksichtigung sozialer Aspekte in der <strong>Beschaffung</strong> aus.Sensibilisieren Sie Interessengruppen für SRPP.Stellen Sie sicher, dass <strong>die</strong> <strong>Beschaffung</strong>spraktiken so gestaltet sind, dass sie auch für kleine und mittlere Unternehmen,sozialwirtschaftliche Unternehmen und für den gemeinnützigen und nichtkommerziellen Sektor offen sind, unabhängigvon der Rechtsform.32Die Voraussetzungen, unter denen soziale Erwägungen in den Vertragserfüllungsklauselnberücksichtigt werden können, werden weiter unten imAbschnitt „Vertragserfüllung“ erläutert.22


III. Bedarfsfeststellungund <strong>Beschaffung</strong>splanung1. Die Wichtigkeit der <strong>Ein</strong>schätzung der tatsächlichenBedürfnisse<strong>Ein</strong> wichtiger Schritt, den der öffentliche Auftraggeberin der Vorbereitungsphase noch vor der Festlegungdes Auftragsgegenstands durchführen muss, ist <strong>die</strong> <strong>Ein</strong>schätzungseiner tatsächlichen Bedürfnisse.So hat der öffentliche Auftraggeber vielleicht entschieden,dass <strong>die</strong> Öffentlichkeit mit Informationen versorgt werdensoll. Dies sollte möglichst in sozial integrativer Formgeschehen, zum Beispiel durch Verbreitung von Informationenin gut zugänglichen Formaten, <strong>die</strong> auch von Menschenmit Behinderungen genutzt werden können.Dies ist <strong>die</strong> Phase, in der der öffentliche Sektor am besten<strong>die</strong> sozialen Maßstäbe bestimmen kann, zu denen<strong>die</strong> <strong>Beschaffung</strong> beitragen kann. Die Beteiligten auf der„Kundenseite“, von politischen Entscheidungsträgernbis Fachleuten, müssen:• aktiv nach Möglichkeiten zur Förderung sozialerStandards suchen;• sicherstellen, dass <strong>die</strong> Möglichkeiten mit dem Auftragsgegenstandim Zusammenhang stehen undkosteneffizient sind;• auf <strong>die</strong> gewünschten Ergebnisse fokussiert sind;• eine gewisse Flexibilität einplanen, um geändertenAnforderungen während der Projektlaufzeit Rechnungzu tragen 33 ;• <strong>die</strong> Bedürfnisse aller Gruppen von Nutzern der zuvergebenden Dienstleistungen, Bauaufträge oderWarenlieferungen bestimmen.Deshalb sollte der öffentliche Auftraggeber, um erfolgreichzu sein, seine Bedürfnisse in funktionaler Hinsichtbetrachten, sodass auch etwaige soziale Effekte berücksichtigtwerden.2. Festlegung des AuftragsgegenstandsNachdem der öffentliche Auftraggeber seine Bedürfnisseeingeschätzt hat, kann er den Auftragsgegenstand leichterfestlegen. Beim „Auftragsgegenstand“ handelt es sichum das Produkt, <strong>die</strong> Dienstleistung oder <strong>die</strong> Bauarbeit,<strong>die</strong> der öffentliche Auftraggeber beschaffen möchte.Bei der Festlegung des Auftragsgegenstands haben öffentlicheAuftraggeber große Freiheit hinsichtlich dessen, wasbeschafft werden soll, einschließlich der Wahl von WarenBeispiele:Im Auftragsgegenstand eines Auftrags zum Bau einer Schule könnten Zugänglichkeitsanforderungen für Menschen mitBehinderungen enthalten sein, weil <strong>die</strong>se Anforderungen Teil der Beschreibung der Arbeiten sind, <strong>die</strong> der öffentliche Auftraggeberdurchführen lassen möchte und mit ihnen im Zusammenhang stehen.• Dagegen können <strong>die</strong> Arbeitsbedingungen der Arbeiter, <strong>die</strong> <strong>die</strong> Schule bauen, nicht Teil des Auftragsgegenstands sein,weil sie nicht mit dem Zweck des Auftrags im Zusammenhang stehen, sondern lediglich mit der Art und Weise seinerAusführung. Jedoch könnten Anforderungen in Bezug auf Arbeitsbedingungen unter bestimmten Voraussetzungen * in<strong>die</strong> Vertragserfüllungsklauseln aufgenommen werden.• In Dienstleistungsverträgen kann der öffentliche Auftraggeber im Auftragsgegenstand festlegen, dass <strong>die</strong> erbrachtenDienstleistungen den Bedürfnissen aller Nutzergruppen, einschließlich sozial benachteiligter oder ausgegrenzter Gruppen,gerecht werden müssen.*Alle Vertragserfüllungsklauseln, einschließlich derjenigen, <strong>die</strong> sich auf Arbeitsbedingungen beziehen, müssen im Zusammenhang mit der Ausführung desAuftrags stehen und aus Transparenzgründen im Voraus in der Veröffentlichung der Ausschreibung bekannt gegeben werden. Näheres im Abschnitt „GeltendeVorschriften für <strong>die</strong> Vertragserfüllungsklauseln“.33Vorausgesetzt, solche Änderungen an den ursprünglichen Bedingungendes <strong>Beschaffung</strong>sauftrags waren in der ursprünglichen Ausschreibungvorgesehen oder durch einen der Umstände gerechtfertigt, <strong>die</strong> in denRichtlinien über öffentliche Aufträge aufgeführt sind (insbesondere Artikel31 und 61 der Richtlinie 2004/18/EG über <strong>die</strong> Vergabe zusätzlicherWarenlieferungen, Dienstleistungen oder Bauaufträge), und verstoßennicht gegen etwaige zusätzliche nationale Vorschriften, <strong>die</strong> es hierzu gibt.23


© 123RFoder Dienstleistungen, <strong>die</strong> sozialen Maßstäben entsprechen.Diese sozialen Maßstäbe müssen nur im Zusammenhangmit den tatsächlichen Lieferungen, Dienstleistungenoder Bauarbeiten stehen, <strong>die</strong> beschafft werden sollen (undGegenstand des Auftrags sind).Zugänglichkeit beispielsweise wird oft als Leistungsmerkmalder beschafften Waren oder Dienstleistungen vorgeschrieben.Solche <strong>Beschaffung</strong>en sollten durchgeführt werden,ohne den Markt zu verzerren, d. h. ohne den Zugangzum Markt zu beschränken oder zu behindern. Der Prozessder Festlegung des Auftragsgegenstands wird in derRegel in <strong>die</strong> grundsätzliche Beschreibung des Produkts, derDienstleistung oder der Arbeit münden, kann aber auch <strong>die</strong>Form einer leistungsbezogenen Definition annehmen.Dagegen können Aspekte, <strong>die</strong> nicht im Zusammenhangmit den tatsächlichen Lieferungen, Bauarbeiten oderDienstleistungen stehen, <strong>die</strong> der öffentliche Auftraggeberbeschaffen möchte, nicht im Auftragsgegenstandberücksichtigt werden.Im Prinzip kann der öffentliche Auftraggeber den Auftragsgegenstandim Rahmen seiner Bedürfnisse freifestlegen. Die Rechtsvorschriften über <strong>die</strong> Vergabeöffentlicher Aufträge beschäftigen sich nicht so sehrdamit, was öffentliche Auftraggeber beschaffen, sondernvor allem damit, wie sie es beschaffen. Deshalbschränkt keine der Richtlinien über öffentliche Aufträgeden Auftragsgegenstand als solchen ein.Dennoch besteht keine uneingeschränkte Freiheitim Hinblick auf <strong>die</strong> Festlegung des Auftrags. In manchenFällen könnte <strong>die</strong> Wahl eines bestimmten Produkts,einer bestimmten Dienstleistung oder einer bestimmtenArbeit den fairen Wettbewerb im öffentlichen <strong>Beschaffung</strong>swesenfür Unternehmen in der gesamten EU verzerren.Es muss Absicherungen geben. Diese Absicherungenbestehen vor allem darin, dass <strong>die</strong> Bestimmungendes AEUV zu Nichtdiskriminierung, zum freien Dienstleistungsverkehrund zum freien Warenverkehr in allen Fällengelten und daher auch für öffentliche Aufträge, <strong>die</strong>unter den in den Richtlinien über öffentliche Aufträgevorgesehenen Schwellenwerten liegen, wie auch fürbestimmte Auftragsaspekte, <strong>die</strong> nicht ausdrücklich von<strong>die</strong>sen Richtlinien abgedeckt werden.In der Praxis bedeutet <strong>die</strong>s, dass der öffentliche Auftraggeberin jedem Fall sicherzustellen hat, dass bei dem Auftragder Zugang zum nationalen Markt für Unternehmenaus anderen EU-Staaten oder aus Ländern mit gleichenRechten 34 nicht eingeschränkt wird. Bei Verträgen, <strong>die</strong>unter <strong>die</strong> Richtlinien für öffentliche Aufträge fallen, gehtder Grundsatz der Nichtdiskriminierung über <strong>die</strong> Nationalitäthinaus und verlangt strikte Gleichbehandlung vonallen Bewerbern/Bietern in allen Aspekten des Verfahrens.<strong>Ein</strong>e zweite Absicherung, <strong>die</strong> im nächsten Kapitel behandeltwird, besteht darin, dass entsprechend den Vorschriftenfür <strong>die</strong> Vergabe öffentlicher Aufträge <strong>die</strong> zur Definitiondes Auftrags verwendeten technischen Spezifikationen34Zum Beispiel Unternehmer aus Ländern, <strong>die</strong> an das Government ProcurementAgreement der Welthandelsorganisation gebunden sind.24


III. Bedarfsfeststellung und <strong>Beschaffung</strong>splanungnicht diskriminierend formuliert sein dürfen und mit demAuftragsgegenstand im Zusammenhang stehen müssen.Außerdem könnten bestehendes EU-Recht und nationalesRecht, das vereinbar mit Rechtsvorschriften der EU insozialen oder anderen Angelegenheiten ist, ebenso <strong>die</strong>Wahlfreiheit im Hinblick auf den Auftragsgegenstandeinschränken oder beeinflussen.3. Verbesserung des Zugangs zu öffentlichen Aufträgen3.1. Besserer Zugang zu öffentlichen AufträgenManchen Bietergruppen (z. B. kleinen und mittlerenUnternehmen) wird der Zugang zum öffentlichen<strong>Beschaffung</strong>smarkt vielleicht schwerer fallen als anderen.Auftraggeber dürfen <strong>die</strong>sen Schwierigkeiten zwar Rechnungtragen, aber nicht bestimmte Bietergruppen bevorzugen.Das EU-Recht gestattet den Auftraggebern positiveMaßnahmen, nicht aber positive Diskriminierung 35 .Stattdessen sollen gleiche Wettbewerbsbedingungengewährleistet werden, sodass der Auftraggeber unterrepräsentiertenUnternehmen <strong>die</strong> gleichen Chancenim Wettbewerb um öffentliche Aufträge einräumt wieanderen qualifizierten Anbietern. Auf <strong>die</strong>se Weise kannder Wettbewerb gefördert werden, und es nehmenmöglicherweise mehr Firmen an der Ausschreibung teil.In <strong>die</strong>sem Rahmen können verschiedene Maßnahmenergriffen werden:• Große Firmen können ermuntert werden, auf freiwilligerBasis etwas zur Anbietervielfalt beizutragen,indem sie einem breitgefächerten Spektrum vonAnbietern gleiche Chancen als Subunternehmerbieten und Chancengleichheit und Vielfalt fördern 36 .Was nicht erlaubt ist – Beispiele• Abgesehen von den Sondervorschriften für geschützte Werkstätten * und Programme für geschützte Beschäftigungsverhältnissedürfen Auftraggeber <strong>die</strong> Ausführung von Aufträgen nicht bestimmten Kategorien von Firmen vorbehalten, da<strong>die</strong>s gegen <strong>die</strong> Gleichbehandlungsvorschriften des EU-Rechts verstoßen würde.Im Bereich der sozialen Dienstleistungen ist es aber in Ausnahmefällen, wenn bestimmte Voraussetzungen erfüllt werden,möglich, <strong>die</strong> Ausführung bestimmter Aufträge gemeinnützigen Unternehmen vorzubehalten ** . Dies setzt das Vorhandenseineines nationalen Gesetzes voraus, das <strong>die</strong>sen besonderen Tätigkeitsbereich regelt und den Zugang zur Erbringungbestimmter Dienstleistungen zugunsten gemeinnütziger Unternehmen einschränkt. Trotzdem würde ein solches nationalesGesetz eine <strong>Ein</strong>schränkung der Artikel 49 und 56 des AEUV über <strong>die</strong> Niederlassungsfreiheit und den freien Dienstleistungsverkehrbedeuten und müsste in jedem einzelnen Fall begründet werden. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofsder Europäischen Union könnte eine solche <strong>Ein</strong>schränkung insbesondere dann gerechtfertigt sein, wenn sie notwendig undverhältnismäßig für <strong>die</strong> Realisierung bestimmter sozialer Ziele des nationalen Wohlfahrtssystems ist.• Wenn <strong>die</strong> Vertragserfüllungsklauseln verlangen, dass der erfolgreiche Bieter eine Niederlassung oder Geschäftsstelle ineinem bestimmten geografischen Gebiet eröffnet, und <strong>die</strong>s im Interesse einer erfolgreichen Auftragserfüllung gerechtfertigtist (zum Beispiel zur Koordinierung eines komplexen Bauauftrags vor Ort), darf der öffentliche Auftraggeber denWettbewerb nicht auf Bieter begrenzen, <strong>die</strong> bereits eine Geschäftsstelle in <strong>die</strong>sem Gebiet haben.1Die aufgrund ihrer Besonderheiten möglicherweise nicht in der Lage sind, unter normalen Wettbewerbsbedingungen Aufträge zu erhalten (siehe Kapitel III,Abschnitt 3.2, „Vorbehalt für geschützte Werkstätten“.2Siehe Entscheidung des Gerichtshofs vom 17. Juni 1997 in der Rechtssache C-70/95 (Sodemare) [1997] ECR I-3395. Siehe auch <strong>die</strong> Antwort auf Frage 2.7im Arbeitsdokument der Kommissions<strong>die</strong>nststellen „Frequently asked questions concerning application of public procurement rules to social services ofgeneral interest“, das bereitgestellt wird unter: //ec.europa.eu/services_general_interest/docs/sec_2007_1514_en.pdf.35Mit der in Artikel 28 der Richtlinie 2004/17/EG und Artikel 19 der Richtlinie2004/18/EG vorgesehenen Ausnahme, <strong>die</strong> es unter bestimmtenVoraussetzungen gestattet, dass Aufträge geschützten Werkstättenvorbehalten werden oder <strong>die</strong> Ausführung eines Auftrags geschütztenBeschäftigungsprogrammen vorbehalten werden kann.36Da aber positive Diskriminierung nicht zulässig ist, dürfen öffentliche Auftraggeberin der Vergabephase Bieter, <strong>die</strong> eine bestimmte Kategorie von Zulieferernoder Subunternehmern einsetzen (z. B. KMU), nicht bevorzugen. Ebensowenig dürfen öffentliche Auftraggeber in den Vertragserfüllungsklauseln vorschreiben,dass ein bestimmter Prozentsatz der Zulieferer oder Subunternehmerdes Auftragnehmers KMU oder andere besondere Kategorien sein sollen.25


• Die Teilnahme eines breitgefächerten Spektrumsvon Anbietern kann durch Bekanntgabe der Vorausplanungfür große <strong>Beschaffung</strong>sprojekte gefördertwerden. In der Bekanntmachung können Großaufträgeangegeben werden, <strong>die</strong> in den nächstenzwölf Monaten ausgeschrieben werden sollen.• Es können Zusammenkünfte mit dem Auftraggeber,<strong>die</strong> für alle potenziellen Bewerber offen sind, veranstaltetwerden, um <strong>die</strong> Bewerber für <strong>die</strong> Bedürfnisseund grundsätzlichen Prioritäten des öffentlichenAuftraggebers zu sensibilisieren und so <strong>die</strong> Transparenzund den Zugang zum <strong>Beschaffung</strong>sprozesszu verbessern.• Es können Unternehmensunterstützungsprogrammeerarbeitet werden, um <strong>die</strong> Leistungsfähigkeit einesbreitgefächerten Spektrums kleiner Anbieter zu verbessernund eine Orientierungshilfe im Hinblick aufden öffentlichen <strong>Beschaffung</strong>sprozess zu bieten.Beispiele:Vereinigtes Königreich: Die Greater London Authority (GLA) betreibt eine Politik zur Förderung größerer Vielfalt unter ihrenAnbietern aus dem Privatsektor. Damit sollen gleiche Wettbewerbsbedingungen geschaffen werden, sodass unterrepräsentiertenUnternehmen <strong>die</strong> gleichen Chancen im Wettbewerb um Aufträge der GLA Group eingeräumt werden wie anderen qualifiziertenAnbietern * . Die GLA unterscheidet zwischen positiven Maßnahmen (<strong>die</strong> sie anwendet) und positiver Diskriminierung(<strong>die</strong> sie ablehnt). Die GLA Group hat eine Überprüfung ihrer Vergabeverfahren begonnen, um Hindernisse für KMU und für einbreites Spektrum von Anbietern im Wettbewerb um Aufträge der GLA Group zu beseitigen. Für Großaufträge sind Vergabeverfahrenentwickelt worden, <strong>die</strong> zur Anbietervielfalt beitragen, indem sie einem breitgefächerten Spektrum von Anbieterngleiche Chancen als Subunternehmer bieten und Chancengleichheit und Vielfalt fördern. Die GLA Group beobachtet regelmäßig,wie viel ihrer Ausgaben auf KMU und ein breites Spektrum von Anbietern entfallen, um Trends zu erkennen und um überweitere Informationen im Hinblick auf Maßnahmen zur Verbesserung ihrer Vergabeverfahren zu verfügen.<strong>Ein</strong>e Überprüfung der Vergabeverfahren mit dem Ziel, <strong>die</strong> Möglichkeiten kleiner und mittlerer Unternehmen zur Beteiligungan Ausschreibungen zu erkennen, hat begonnen, und aktuelle Leistungserbringer wurden gebeten, zu den Vergabeverfahrender GLA Stellung zu nehmen, um Möglichkeiten auszuloten, wie einem breiteren Kreis <strong>die</strong> Teilnahme an Vergabeverfahrenermöglicht werden kann.Außerdem verbindet <strong>die</strong> GLA Group über <strong>die</strong> London Development Agency (LDA) ihre Vergabeverfahren mit Unternehmensunterstützungsprogrammen,<strong>die</strong> <strong>die</strong> Fähigkeit eines breitgefächerten Spektrums kleiner Anbieter, sich an Ausschreibungender öffentlichen Hand zu beteiligen, verbessern. Dieses Verfahren kann <strong>die</strong> Chancen der Unternehmen verbessern,sich Aufträge der GLA Group zu sichern, und der GLA Group einen breiteren, wettbewerbsfördernden Stamm von Anbieternbescheren, <strong>die</strong> sich um Aufträge bewerben.Irland: Das Go-Tender Programme von InterTrade Ireland sollte durch das Angebot zielgruppenorientierter regionalerWorkshops grenzüberschreitende Geschäftsmöglichkeiten für kleine und mittlere Unternehmen auf dem öffentlichen<strong>Beschaffung</strong>smarkt der gesamten Insel schaffen. Die Ziele des Programms bestanden darin, Anbieter insbesondere fürgrenzüberschreitende Aufträge zu sensibilisieren und grenzüberschreitende Möglichkeiten für KMU auf dem öffentlichen<strong>Beschaffung</strong>smarkt der Insel zu schaffen, KMU über den Markt für öffentliche Aufträge auf der Insel zu informieren, <strong>die</strong>Kompetenzen aufzubauen, <strong>die</strong> erforderlich sind, um sich öffentliche Aufträge zu sichern, und sachkundige <strong>Ein</strong>s-zu-eins-Unterstützung bei der Bewerbung um Aufträge zu leisten. In den letzten drei Jahren fanden im Rahmen von 30 Workshops,<strong>die</strong> von über 400 KMU besucht wurden, Präsentationen statt. Viele <strong>die</strong>ser Anbieter haben sich in der Folge erfolgreich umöffentliche Aufträge in Irland, Nordirland und im übrigen <strong>Europa</strong> beworben.1ITC-ILO, „Study on the incorporation of social considerations in public procurement in the EU“, 21. Juli 2008.• Das Aufteilen von Aufträgen in Lose erleichtert kleinenund mittleren Unternehmen offenkundig denZugang, und zwar sowohl in quantitativer Hinsicht(der Auftragsumfang entspricht besser der Produktionskapazitätvon KMU) als auch in qualitativerHinsicht (der Gegenstand der Lose entsprichtbesser den Arbeitsfeldern von KMU). <strong>Ein</strong>e solcheAufteilung kann durchaus vorgenommen werden,vorausgesetzt, <strong>die</strong> Aufträge werden nicht mit demZiel gestückelt, <strong>die</strong> Anwendung der Richtlinien überöffentliche Aufträge zu umgehen 37 .37Artikel 9 (3) und (5) der Richtlinie 2004/18/EG und Artikel 17 (2) und (6) derRichtlinie 2004/17/EG.26


III. Bedarfsfeststellung und <strong>Beschaffung</strong>splanungBeispiel:Frankreich: Um für größtmöglichen Wettbewerb zu sorgen, sollten Aufträge in der Regel in Form gesonderter Lose vergebenwerden. Öffentliche Auftraggeber können aber durchaus Globalaufträge vergeben, wenn sie meinen, dass <strong>die</strong> Aufteilungin Lose den Wettbewerb einschränken würde oder <strong>die</strong> Durchführung des Auftrags technisch schwierig oder teuermachen könnte, oder wenn sie nicht in der Lage sind, <strong>die</strong> Durchführung des Auftrags zu koordinieren.3.2. Vorbehalt für geschützte WerkstättenDie Richtlinien über öffentliche Aufträge 38 enthalten eineKlausel, <strong>die</strong> besagt, dass „Mitgliedstaaten das Recht, anVerfahren zur Vergabe öffentlicher Aufträge teilzunehmen,derartigen Werkstätten oder <strong>die</strong> Ausführung einesAuftrags geschützten Beschäftigungsprogrammen vorbehaltenkönnen“.Dies wird damit begründet, dass „geschützte Werkstättenund geschützte Beschäftigungsprogramme wirksamzur <strong>Ein</strong>gliederung oder Wiedereingliederung von Menschenmit Behinderungen in den Arbeitsmarkt“ beitra-gen. „Derartige Werkstätten sind jedoch möglicherweisenicht in der Lage, unter normalen WettbewerbsbedingungenAufträge zu erhalten“ 39 .’ Daher ist es angemessen,dass Mitgliedstaaten Vergünstigungen gewährenkönnen, damit solche Werkstätten ohne Wettbewerb mitanderen Wirtschaftsteilnehmern bestehen können.Nach den oben genannten Bestimmungen der Richtlinienüber öffentliche Aufträge, ist ein solcher Vorbehaltnur unter bestimmten Voraussetzungen zulässig:• Er muss von den Mitgliedstaaten im Rahmen derGesetzgebung initiiert werden und darf von öffent-Beispiele:Deutschland: Der Bundeserlass vom 10. Mai 2005 über Aufträge für Behindertenwerkstätten schreibt den <strong>Beschaffung</strong>sstellendes Bundes vor, einen Teil ihres Budgets für Aufträge zu reservieren, <strong>die</strong> an Behindertenwerkstätten vergeben werdenkönnen. Dies kann sogar große Liefer- und Dienstleistungsaufträge betreffen. Die Teilnahme ist auf Behindertenwerkstättenbegrenzt * . Trotzdem müssen sich <strong>die</strong>se Werkstätten im Rahmen der Vergabeverfahren dem Wettbewerb stellen und wirtschaftlichvernünftige Angebote einreichen. Außerdem müssen <strong>die</strong> öffentlichen Auftraggeber <strong>die</strong> allgemeinen Transparenzvorschriftender Richtlinien über öffentliche Aufträge einhalten. Viele Kommunen scheinen eine <strong>Beschaffung</strong>spolitikzugunsten von Behindertenwerkstätten anzuwenden. Diese Behindertenwerkstätten sind oft teilweise oder ganz im Besitzder Kommunen, <strong>die</strong> <strong>die</strong> Aufträge vergeben.Frankreich: Artikel L323-1 des französischen Code du travail (Arbeitsgesetzbuch) sieht vor, dass private und öffentliche Arbeitgeber(mit über 25 Beschäftigten) mindestens 6 % der Arbeitsstellen an Menschen mit Behinderungen vergeben müssen.Nach Artikel L323-8 des Arbeitsgesetzbuchs können Arbeitgeber – insbesondere <strong>Beschaffung</strong>sstellen – <strong>die</strong>ser Verpflichtungteilweise genügen, indem sie Aufträge an Unternehmen vergeben, <strong>die</strong> Arbeit für Personen mit Behinderungen schaffen. ImZusammenhang mit dem öffentlichen <strong>Beschaffung</strong>swesen bedeutet <strong>die</strong>s, dass bestimmte Aufträge gemäß Artikel 19 der Richtlinie2004/18 Unternehmen vorbehalten sind, bei denen über 50 % der Beschäftigten Menschen mit Behinderungen sind.*Die Voraussetzungen, unter denen öffentliche Auftraggeber Aufträge Behindertenwerkstätten vorbehalten können, sind in Artikel 19 der Richtlinie 2004/18/EG und in Artikel 28 der Richtlinie 2004/17/EG festgelegt.38Artikel 28 der Richtlinie 2004/17/EG und Artikel 19 der Richtlinie 2004/18/EG beziehen sich auf „geschützte Werkstätten“ und „geschützte Beschäftigungsprogramme“,in denen „<strong>die</strong> Mehrheit der Arbeitnehmer Behindertesind“. Solche <strong>Ein</strong>richtungen können in den verschiedenen Mitgliedstaatenunterschiedliche Bezeichnungen tragen. Es sei hier bemerkt, dass Artikel28 der Richtlinie 2004/17/EG und Artikel 19 der Richtlinie 2004/18/EG alle derartigen <strong>Ein</strong>richtungen abdecken (unabhängig von ihrerBezeichnung), vorausgesetzt, (a) mindestens 50 % der Beschäftigten sindBehinderte und (b) sie erfüllen <strong>die</strong> übrigen in den oben genannten Artikelnvorgeschriebenen Voraussetzungen39Erwägungsgrund 28 der Richtlinie 2004/18/EG und Erwägungsgrund 39der Richtlinie 2004/17/EG.27


lichen <strong>Ein</strong>richtungen nicht ad hoc angewendet werden,wenn nationale Rechtsvorschriften fehlen, <strong>die</strong>einen solchen Vorbehalt zulassen.• Mindestens 50 % der Beschäftigten solchergeschützter Werkstätten oder der im Rahmensolcher geschützter BeschäftigungsprogrammeBeschäftigten müssen Menschen mit Behinderungensein.• Aufgrund der Art und der Schwere ihrer Behinderungkönnen <strong>die</strong> betreffenden Beschäftigten keine Berufstätigkeitunter normalen Bedingungen ausüben.Falls Mitgliedstaaten von <strong>die</strong>sen BestimmungenGebrauch machen, muss <strong>die</strong>s in der Bekanntmachungangegeben werden. Außerdem muss in den Vorabinformationenund Bekanntmachungen der Anwendungsbereichder Bevorzugungen angegeben sein 40 .Bedarfsfeststellung und <strong>Beschaffung</strong>splanung – ZUSAMMENFASSUNGIn einzelnen Vergabeverfahren:Stellen Sie <strong>die</strong> Bedürfnisse des öffentlichen Auftraggebers fest, und formulieren Sie sie entsprechend.Überlegen Sie, wie und in welchem Umfang mögliche sozialpolitische Ziele oder Verpflichtungen in das Vergabeverfahrenpassen.Prüfen Sie <strong>die</strong> Bezahlbarkeit und Wirtschaftlichkeit. Hierzu gehört auch, dass Kosten und Nutzen bewertet werden, <strong>die</strong>damit verbunden sind, dass <strong>die</strong> <strong>Beschaffung</strong> zur Verfolgung sozialer Zwecke genutzt wird.Stellen Sie den Auftragsgegenstand fest, und stellen Sie fest, inwieweit <strong>die</strong> sozialen Ziele als Teil des Auftragsgegenstandsangegeben werden sollen oder können.Verbessern Sie den Zugang zu öffentlichen Aufträgen durch Schaffung gleicher Wettbewerbsbedingungen, sodass unterrepräsentierteUnternehmen <strong>die</strong> gleichen Chancen im Wettbewerb um öffentliche Aufträge haben wie andere qualifizierteAnbieter.Überlegen Sie, wie <strong>die</strong> Grundsätze des öffentlichen Auftraggebers Außenstehenden am besten vermittelt werden könnenund größtmögliche Transparenz für potenzielle Lieferer oder Dienstleister und für <strong>die</strong> Bürger, denen der öffentliche Auftraggeber<strong>die</strong>nt, hergestellt werden kann.40Richtlinie 2004/18/EG, Anhang VII und Richtlinie 2004/17/EG, Anhang XIII:In der Vorabinformation und in der Bekanntmachung muss gegebenenfallsangegeben werden, „dass es sich um eine Ausschreibung handelt, <strong>die</strong>geschützten Werkstätten vorbehalten ist oder bei der <strong>die</strong> Auftragsausführungnur im Rahmen von Programmen für geschützte Beschäftigungsverhältnisseerfolgen darf“.28


IV. Der AuftragIV. Der AuftragA. Festlegung der Anforderungendes Auftrags1. Erstellung der technischen SpezifikationenNachdem der öffentliche Auftraggeber den Auftragsgegenstandfestgelegt hat, muss er <strong>die</strong>s in konkrete,messbare technische Spezifikationen umsetzen, <strong>die</strong>unmittelbar in einem öffentlichen Vergabeverfahrenangewendet werden können.Die technischen Spezifikationen haben daher drei Funktionen:• Sie beschreiben <strong>die</strong> <strong>Beschaffung</strong>sanforderungen,aufgrund deren Unternehmen entscheiden können,ob sie an der Ausschreibungsteilnahme interessiertsind. Auf <strong>die</strong>se Weise bestimmen <strong>die</strong> technischenSpezifikationen den Grad des Wettbewerbs.• Sie bieten messbare Anforderungen, anhand derenAngebote bewertet werden können.• Sie stellen Mindestkriterien dar, <strong>die</strong> zu erfüllen sind.Wenn sie nicht klar und korrekt sind, werden sieunweigerlich zu unbrauchbaren Angeboten führen.Angebote, <strong>die</strong> nicht den technischen Spezifikationenentsprechen, müssen abgelehnt werden.Nach den EU-Vorschriften für <strong>die</strong> Vergabe öffentlicher Aufträgedarf der öffentliche Auftraggeber <strong>die</strong> Angebote derBieter nur anhand der Anforderungen in den technischenSpezifikationen bewerten und vergleichen. Ebenso darf deröffentliche Auftraggeber nur bewerten, ob der Bieter zur Lieferungdes in den Spezifikationen Genannten in der Lage ist.Die Spezifikationen werden am Anfang des Ausschreibungsverfahrensherausgegeben. Deshalb muss der Auftraggeberseine Anforderungen schon ganz zu Beginn kennen.Die technischen Spezifikationen müssen im Zusammenhangmit dem Auftragsgegenstand stehen. Anforderungen,<strong>die</strong> keinen Bezug zum Produkt oder zur Dienstleistungselbst haben, wie etwa eine Anforderung, <strong>die</strong>sich darauf bezieht, wie ein Unternehmen geführt wird,sind keine technischen Spezifikationen im Sinne derRichtlinien über öffentliche Aufträge. Anforderungenetwa zur <strong>Ein</strong>stellung von Mitarbeitern aus bestimmtenGruppen (Menschen mit Behinderungen, Frauen usw.)wären also keine technischen Spezifikationen. Ebensowenig kann ein Label, das sich auf <strong>die</strong> „soziale Leistung“eines Unternehmens bezieht, als technische Spezifikationim Sinne der Richtlinien über öffentliche Aufträge gelten.Darüber hinaus sehen <strong>die</strong> Richtlinien über öffentlicheAufträge vor, dass technische Spezifikationen den Wettbewerbnicht einschränken 41 dürfen, transparent 42sein müssen und mögliche Auftragnehmer von außerhalbdes Mitgliedstaats des öffentlichen Auftraggebersnicht diskriminieren dürfen 43 .Was erlaubt ist – einige Beispiele• Zum Schutz der Gesundheit und Sicherheit der Arbeitnehmer bei einem Bauauftrag Maßnahmen zur Verhütung vonArbeitsunfällen und spezielle Bedingungen für <strong>die</strong> Lagerung gefährlicher Stoffe vorschreiben.• Verlangen, dass Produkte bestimmte ergonomische Eigenschaften haben, um allen Nutzergruppen den Zugang zuermöglichen, einschließlich Menschen mit Behinderungen * .Was nicht erlaubt ist – einige Beispiele• Verlangen, dass ein ausgelagertes Kontaktzentrum, das Online- und Telefonsupport leistet (der eigentlich von jedem Ortaus geleistet werden könnte), in einer bestimmten Stadt sein soll.• Spezifikationen für einen Hausverwaltungsauftrag herausgeben, aber dann Bieter daraufhin auswählen, dass sie auch inder Lage sein könnten, <strong>die</strong> Häuser zu einem späteren Zeitpunkt zu erwerben, falls beschlossen werden sollte, <strong>die</strong> Wohnungenzu privatisieren.*Siehe Artikel 23 der Richtlinie 2004/18/EG und Artikel 34 der Richtlinie 2004/17/EG.41Artikel 23 (2) der Richtlinie 2004/18/EG.42Artikel 23 (1) der Richtlinie 2004/18/EG.43Artikel 23 (3) der Richtlinie 2004/18/EG.29


2. Anwendung leistungsbezogeneroder funktionsbezogener SpezifikationenDie Richtlinien über öffentliche Aufträge lassen öffentlichenAuftraggebern ausdrücklich <strong>die</strong> Wahl zwischen Spezifikationennach technischen Maßstäben und Spezifikationenaufgrund von leistungs-/funktionsbezogenen Anforderungen44 . <strong>Ein</strong> leistungs-/funktionsbezogener Ansatz lässt in derRegel einen größeren Spielraum für kreative Entwicklungendes Marktes zu und wird in manchen Fällen den Markt dazuanregen, innovative technische Lösungen zu entwickeln.Wenn der öffentliche Auftraggeber sich für <strong>die</strong>sen Ansatzentscheidet, braucht er in den technischen Spezifikationennicht zu sehr ins Detail zu gehen.Wenn <strong>die</strong> Möglichkeit besteht, technische Spezifikationenanhand von Leistungs- oder Funktionsanforderungen zudefinieren, können öffentliche Auftraggeber nach innovativenLösungen suchen, <strong>die</strong> besser ihren Bedürfnissen entsprechen.Zum Beispiel können Zugänglichkeitsanforderungenfür ein Produkt entweder durch Festlegung sehr detailliertertechnischer Anforderungen oder durch Festlegung vonMaßstäben, <strong>die</strong> auf funktionsbezogenen Zugänglichkeitsanforderungenbasieren, definiert werden. Die letztereMöglichkeit kann für Unternehmen ein Anreiz sein, in ihrenAngeboten innovative Lösungen vorzuschlagen.Da bei Angabe von leistungsbasierten Spezifikationen derMarkt sehr unterschiedliche Lösungen bieten kann, sollteder öffentliche Auftraggeber sicherstellen, dass seine Spezifikationenklar genug sind, dass er eine sachgerechteund zu rechtfertigende Bewertung vornehmen kann.Bei größeren oder komplexeren Projekten gibt es möglicherweisemehr Spielraum für <strong>die</strong> Berücksichtigungsozialer Aspekte. Aber unabhängig vom Umfang desProjekts gilt Folgendes:• Die Spezifikationen müssen präzise hinsichtlich derverlangten Wirkungen und Ergebnisse sein und<strong>die</strong> Bieter dazu motivieren, ihre Fachkenntnis undErfahrung einzusetzen, um Lösungen zu finden.• Die Spezifikationen dürfen nicht zu eng gefasst sein,damit Bieter einen Zusatznutzen bieten können,dürfen aber auch nicht so vage sein, dass sich <strong>die</strong>Bieter schwer kalkulierbaren Risiken ausgesetzt fühlenund deshalb ihre Preise entsprechend anheben.44Artikel 23 (3) der Richtlinie 2004/18/EG.• Die Spezifikationen müssen mit dem Auftragsgegenstandzusammenhängen, gleichzeitig aber aucheinschlägige politische Zielvorgaben, einschließlichbereichsübergreifender Konzepte und gesetzlicherVerpflichtungen, berücksichtigen und sich an demorientieren, was der Markt liefern kann.3. Anwendung von VariantenDer Dialog mit potenziellen Bietern vor Abschluss derSpezifikationen kann helfen, Möglichkeiten zur Förderungvon Chancengleichheit und Nachhaltigkeit zuerkennen. In solchen Gesprächen können sinnvolleAbsprachen hinsichtlich der Risikoverteilung und desRisikomanagements getroffen werden. So lässt sich sehrgut der Rahmen für Anforderungen abstecken, sodass<strong>die</strong> Anforderungen dann auch wirtschaftlich praktikabelsind. Der Vergleich aktueller Dienstleistungen mit dem,was andernorts geleistet wird, kann ebenfalls hilfreichsein. Bei Anwendung <strong>die</strong>ser Methoden ist darauf zu achten,dass kein Anbieter bevorteilt wird.Es ist möglich, dass sich der öffentliche Auftraggeberauch nach einer solchen Son<strong>die</strong>rung des Markts immernoch nicht darüber im Klaren ist, wie sich soziale Anforderungenam besten in konkrete technische Spezifikationeneinbeziehen lassen. In einem solchen Fall könntees sinnvoll sein, potenzielle Bieter zu bitten, sozialverantwortlicheVarianten vorzulegen. Dies bedeutet, dass deröffentliche Auftraggeber ein Mindestmaß an technischenSpezifikationen für das anzuschaffende Produkt festlegensollte, <strong>die</strong> sowohl für das neutrale Angebot als auch für<strong>die</strong> sozialverantwortliche Variante gelten. Im letzteren Fallwird der öffentliche Auftraggeber <strong>die</strong> technischen Spezifikationenum eine soziale Vorgabe ergänzen 45 .Nach <strong>Ein</strong>reichung der Angebote kann der öffentlicheAuftraggeber dann <strong>die</strong> Angebote (sowohl <strong>die</strong> neutralenals auch <strong>die</strong> sozialverantwortlichen) anhand identischerVergabekriterien vergleichen. So kann der öffentlicheAuftraggeber (anhand der gleichen technischen Standardanforderungen)einen Vergleich zwischen Stan-45Diese soziale Vorgabe muss natürlich mit dem Auftragsgegenstand(d. h. mit den tatsächlichen Warenlieferungen, Dienstleistungen oderBauleistungen, <strong>die</strong> der öffentliche Auftraggeber beschaffen möchte) imZusammenhang stehen und im <strong>Ein</strong>klang mit allen EU-Vorschriften und-Grundsätzen sein, <strong>die</strong> für technische Spezifikationen im öffentlichen<strong>Beschaffung</strong>swesen gelten.30


IV. Der Auftragdardlösungen und sozialen Alternativen ziehen und Variantenverwenden, <strong>die</strong> sozialen Anforderungen genügen.Sofern der öffentliche Auftraggeber nichts Gegenteiligesvorschreibt, können <strong>die</strong> Unternehmen ihre Angebotesowohl auf der Grundlage der Standardlösung als auchauf der Grundlage der Variante einreichen.Um in einem öffentlichen Vergabeverfahren Variantenakzeptieren zu können 46 , muss der öffentliche Auftraggeberin den Ausschreibungsunterlagen im Voraus angeben:• dass Varianten akzeptiert werden;• <strong>die</strong> sozialen Mindestspezifikationen, <strong>die</strong> <strong>die</strong> Variantenerfüllen müssen (z. B. besserer sozialer Nutzeffekt);© 123RF• konkrete Vorschriften für <strong>die</strong> Vorlage von Variantenin Angeboten (zum Beispiel einen gesondertenUmschlag unter Angabe der Variante verlangen oderangeben, dass eine Variante nur in Verbindung miteinem neutralen Angebot vorgelegt werden kann).Beschaffer, <strong>die</strong> Varianten zulassen, können <strong>die</strong> neutralenAngebote mit den sozialverantwortlichen Varianten vergleichen– auf der Basis ein und derselben Vergabekriterien– und <strong>die</strong> Angebote der Bieter im Hinblick auf dasErreichen zusätzlicher sozialer Anforderungen bewertenund entscheiden, ob sie finanziell tragbar sind.Beispiel:<strong>Ein</strong> Beispiel ist <strong>die</strong> <strong>Beschaffung</strong> von Cateringleistungen füreine öffentliche Verwaltung, bei der der öffentliche AuftraggeberAnbieter bitten könnte, zusätzlich zum neutralen(Standard-)Angebot eine Variante vorzulegen, <strong>die</strong> einensozialen Aspekt berücksichtigt (kalorienarme, ungesalzeneund koschere Lebensmittel, um den medizinischen oder religiösenBedürfnissen aller Nutzergruppen zu entsprechen).4. Die Bedeutung von Soziallabeln für den fairen Handel<strong>Ein</strong> öffentlicher Auftraggeber möchte vielleicht Warenbeschaffen, <strong>die</strong> zu einer nachhaltigen Entwicklungbeitragen (im Folgenden „Waren aus fairem Handel“46Siehe Artikel 24 der Richtlinie 2004/18/EG und Artikel 36 der Richtlinie2004/17/EG.genannt). In <strong>die</strong>sem Fall kann er entsprechende Erwägungenin <strong>die</strong> Ausschreibungsspezifikationen einfließenlassen, aber er kann nicht verlangen, dass <strong>die</strong> Produkteein bestimmtes Label oder Gütezeichen für fairen Handeltragen 47 , denn <strong>die</strong>s würde Produkte, <strong>die</strong> nicht zertifiziertsind, aber dennoch vergleichbaren Maßstäben des fairenHandels entsprechen, ausschließen. Dies ist ein allgemeinerGrundsatz, der nicht nur für Label für fairen Handelgilt, sondern für alle Label, <strong>die</strong> eine vorherige Zertifizierungder Unternehmen oder ihrer Produkte erfordern.Ebenso kann ein öffentlicher Auftraggeber, der Bioproduktebeschaffen möchte, kein bestimmtes Ökolabelverlangen. Er kann aber in den Ausschreibungsunterlagenfestlegen, dass <strong>die</strong> Produkte bestimmten Kriteriendes biologischen Anbaus entsprechen sollen.(a)In <strong>die</strong> technischen Spezifikationen einer öffentlichenAusschreibung können Nachhaltigkeitsanforderungenaufgenommen werden, vorausgesetzt, dass<strong>die</strong>se Kriterien im Zusammenhang mit dem Auftragsgegenstandstehen 48 und im <strong>Ein</strong>klang mit ande-47Im Rahmen <strong>die</strong>ses <strong>Leitfaden</strong>s bezeichnet „Label/Gütezeichen für fairen Handel“jedes handelsbezogene nichtstaatliche Nachhaltigkeitssicherungskonzept(zum Beispiel Fair Trade, Fairtrade, Max Havelaar, Utz, RainforestAlliance usw.). Für nähere <strong>Ein</strong>zelheiten zu Fair Trade und anderen handelsbezogenennichtstaatlichen Nachhaltigkeitssicherungskonzepten sieheMitteilung der Kommission KOM(2009) 215 endg. vom 5. Mai 2009 „Beitragzu einer nachhaltigen Entwicklung: Die Rolle des Fairen Handels und handelsbezogenernichtstaatlicher Nachhaltigkeitssicherungskonzepte“ aufhttp://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=CELEX:52009DC0215:DE:HTML.48Gemäß Artikel 53 der Richtlinie 2004/18/EG und Artikel 55 der Richtlinie2004/17/EG.31


en maßgeblichen EU-Vorschriften für <strong>die</strong> Vergabevon öffentlichen Aufträgen 49 sowie mit dem Gleichbehandlungs-und Transparenzgrundsatz sind.<strong>Ein</strong> öffentlicher Auftraggeber, der Waren aus fairemHandel beschaffen möchte, kann dazu in seinentechnischen Spezifikationen für <strong>die</strong> Waren <strong>die</strong>entsprechenden Nachhaltigkeitskriterien festlegen.Nachdem der öffentliche Auftraggeber den Auftragsgegenstandfestgelegt hat (welche Art vonProdukten beschafft werden soll), kann er <strong>die</strong> technischenSpezifikationen <strong>die</strong>ser Produkte festlegen 50 .Die Anforderungen müssen sich aber auf <strong>die</strong> Eigenschaftenoder Leistungsmerkmale der Produkte (z. B.aus Recyclingmaterial) oder auf ihren Herstellungsprozess(z. B. aus biologischem Anbau) beziehen.Anforderungen in Bezug auf <strong>die</strong> Arbeitsbedingungender Arbeitnehmer, <strong>die</strong> an der Herstellung der zubeschaffenden Waren beteiligt sind, können nichtin den technischen Spezifikationen berücksichtigtwerden, weil es sich dabei nicht um technische Spezifikationenim Sinne der Richtlinien für öffentlicheAufträge handelt. Unter bestimmten Voraussetzungenkönnen sie aber in <strong>die</strong> Auftragserfüllungsklauselnaufgenommen werden 51 .Öffentliche Auftraggeber, <strong>die</strong> Waren aus fairem Handelbeschaffen möchten, sollten nicht einfach alletechnischen Spezifikationen eines Labels oder einesGütezeichens für fairen Handel in <strong>die</strong> technischenSpezifikationen für <strong>die</strong> <strong>Beschaffung</strong> übernehmen 52 ,und noch weniger sollten sie ein bestimmtes Labeloder Gütezeichen für fairen Handel bestimmen.Stattdessen sollten sie auf <strong>die</strong> einzelnen Unterkriterienachten, <strong>die</strong> dem Label oder Gütezeichen für fairenHandel zugrunde liegen, und dürfen nur solcheKriterien verwenden, <strong>die</strong> im Zusammenhang mitdem Auftragsgegenstand ihrer <strong>Beschaffung</strong> stehen.Öffentliche Auftraggeber können festlegen, welcheLabel/Gütezeichen für fairen Handel als Label/Gütezeichen gelten, <strong>die</strong> <strong>die</strong>se Kriterien erfüllen,aber es müssen immer auch andere Möglichkeitendes Nachweises zugelassen werden. Bieter solltenimmer <strong>die</strong> Wahl haben, entweder durch Verwendungentsprechender Labels/Gütezeichen für fairenHandel oder mit anderen Mitteln nachzuweisen,dass sie <strong>die</strong> festgelegten Anforderungen erfüllen.(b) Nachhaltigkeitskriterien (einschließlich sozialer Kriterien)können auch in <strong>die</strong> Vertragserfüllungsklauselnaufgenommen werden, vorausgesetzt, sie stehenmit der Ausführung des betreffenden Auftragsim Zusammenhang 53 (z. B. Mindestentlohnung undmenschenwürdige Arbeitsbedingungen für <strong>die</strong> an derAusführung des Auftrags beteiligten Arbeitnehmer),entsprechen sinngemäß den übrigen in Abschnitt (a)weiter oben genannten Anforderungen und erfül-Beispiele:Wenn ein öffentlicher Auftraggeber Kaffee oder Obst aus fairem Handel beschaffen möchte, kann er beispielsweise in <strong>die</strong>Vertragserfüllungsklauseln des <strong>Beschaffung</strong>sauftrags eine Klausel einbauen, <strong>die</strong> vom Lieferanten verlangt, dass er denErzeugern einen Preis zahlt, der ihre Kosten für nachhaltige Erzeugung deckt (z. B. angemessene Löhne und menschenwürdigeArbeitsbedingungen für <strong>die</strong> betreffenden Arbeitnehmer, umweltfreundliche Produktionsmethoden und Verbesserungendes Produktionsprozesses und der Arbeitsbedingungen).Deutschland: Stadt DüsseldorfPunkt 7.3 der Vergabeordnung für <strong>die</strong> Stadtverwaltung Düsseldorf über <strong>die</strong> Ausführung von Aufträgen schreibt vor, dass „keineProdukte aus ausbeuterischer Kinderarbeit beschafft werden“. „Als Nachweis gilt eine unabhängige Zertifizierung (z. B. einTransFair-Siegel oder Rugmark-Siegel). Existiert für <strong>die</strong> betreffenden Produkte keine Zertifizierung, gilt <strong>die</strong> Erklärung durch<strong>die</strong> Anerkennung der zusätzlichen Vertragsbedingungen für <strong>die</strong> Ausführung von Bauleistungen bzw. <strong>die</strong> Anerkennung derzusätzlichen Vertragsbedingungen VOL.“49Näheres siehe Abschnitt „Festlegung der Anforderungen des Auftrags“.50Die technischen Spezifikationen dürfen aber nicht diskriminierend sein.51Siehe Absatz (b) weiter unten über Vertragserfüllungsklauseln bei der<strong>Beschaffung</strong> nachhaltiger Produkte sowie den allgemeinen Abschnitt„Geltende Vorschriften für <strong>die</strong> Vertragserfüllungsklauseln“.52Weil bestimmte Spezifikationen <strong>die</strong>ser Labels/Gütezeichen für fairen Handelvielleicht nicht im Zusammenhang mit dem Auftragsgegenstand stehen.Deshalb würde es den Grundsätzen der Richtlinien über öffentliche Aufträgewidersprechen, sie in <strong>die</strong> Ausschreibungsbedingungen aufzunehmen.53In den Vertragserfüllungsklauseln enthaltene Bedingungen müssen nichtunbedingt mit dem Vertragsgegenstand im Zusammenhang stehen, sondernnur mit der Vertragserfüllung.32


IV. Der Auftraglen ganz allgemein <strong>die</strong> Voraussetzungen, <strong>die</strong> in demAbschnitt „Geltende Vorschriften für <strong>die</strong> Vertragserfüllungsklauseln“<strong>die</strong>ses <strong>Leitfaden</strong>s genannt werden.5. Berücksichtigung sozialer Belange in HerstellungsundVerarbeitungsverfahrenWoraus ein Produkt hergestellt ist und wie es hergestellt ist,kann im Hinblick auf seine sozialen Effekte eine wichtige Rollenspielen. Nach den Richtlinien über öffentliche Aufträgekönnen Herstellungsverfahren bei der Definition der technischenSpezifikationen ausdrücklich berücksichtigt werden 54 .Beispiel:In <strong>die</strong> technischen Spezifikationen von öffentlichen Bauaufträgenkönnen technische Anforderungen aufgenommenwerden, <strong>die</strong> auf Unfallverhütung auf der Baustelle abzielen.Solche Maßnahmen (z. B. Beschilderung, Vorschriften für<strong>die</strong> Lagerung gefährlicher Stoffe oder Transportwege fürGerätschaften) sind Teil des ausgeschriebenen Projekts.In einem Auftrag zur Erbringung von Cateringleistungenfür ein Krankenhaus kann der öffentliche Auftraggeber inden technischen Spezifikationen im Interesse des Wohlbefindensder Patienten verlangen, dass <strong>die</strong> Speisen nachbestimmten Methoden zuzubereiten sind, <strong>die</strong> den Ernährungsanforderungenund den medizinischen Anforderungenbestimmter Gruppen von Patienten entsprechen.Da aber alle technischen Spezifikationen im Zusammenhangmit dem Auftragsgegenstand stehen müssen, kannder öffentliche Auftraggeber nur soziale Anforderungenaufnehmen, <strong>die</strong> tatsächlich mit dem Auftragsgegenstandzusammenhängen.6. Behinderung und technische SpezifikationenDie Richtlinien über öffentliche Aufträge 55 schreiben vor,dass <strong>die</strong> in den Auftragsunterlagen angegebenen technischenSpezifikationen das Kriterium der Zugänglichkeitder Bauten, Waren oder Dienstleistungen, <strong>die</strong> Gegenstanddes Auftrags sind, berücksichtigen sollen. Artikel 23(1) derRichtlinie 2004/18/EG sieht vor: „Wo immer <strong>die</strong>s möglichist, sollten <strong>die</strong>se technischen Spezifikationen so festgelegtwerden, dass den Zugangskriterien für Behinderteoder der Konzeption für alle Benutzer Rechnung getragenwird.“ Wie bereits weiter oben erläutert, müssen im Auftragsgegenstandobligatorische nationale Anforderungen,<strong>die</strong> in den einschlägigen Rechtsvorschriften über <strong>die</strong>„Zugänglichkeit für alle“ vorgesehen sind, berücksichtigtwerden. Beschaffer müssen <strong>die</strong>se besonderen nationalenRechtsanforderungen in Bezug auf Zugänglichkeit undKonzeption für alle Benutzer unbedingt kennen und invollem Umfang in <strong>die</strong> Ausschreibungsunterlagen einbeziehen,vor allem in Form von technischen Spezifikationen.Öffentliche Auftraggeber können kaum Experten aufjedem sozialen Feld sein. Öffentliche Auftraggeber soll-Beispiel:Italien: Das Gesetz Stanca schreibt zwingend vor, dass alle öffentlichen Websites allgemein zugänglich sein müssen. DasGesetz legt eine Reihe von Anforderungen fest, <strong>die</strong> bei der öffentlichen <strong>Beschaffung</strong> für Websites anzuwenden sind. Die Verordnungzur Festlegung technischer Vorschriften für Gesetz 4/2004 besteht hauptsächlich aus Anhängen, <strong>die</strong> <strong>die</strong> technischenAnforderungen für Webzugänglichkeit, <strong>die</strong> Methode zur Bewertung von Websites und <strong>die</strong> Anforderungen für barrierefreieHardware und Software enthalten. Hauptinspirationsquellen waren dabei <strong>die</strong> Web Accessibility Initiative des World Wide WebConsortium (W3C) und <strong>die</strong> positiven Erfahrungen mit Section 508 des US Rehabilitation Act. Das CNIPA (nationales Zentrum fürInformatik in der öffentlichen Verwaltung) bewertet große öffentliche IKT-Ausschreibungen, um zu erkennen, ob sie auch <strong>die</strong>in den Rechtsvorschriften festgelegten Zugänglichkeitsanforderungen erfüllen. Das Gesetz 4/2004 weist <strong>die</strong> Zuständigkeit für<strong>die</strong> Überwachung der Ausführung des Gesetzes dem Vorsitz des Ministerrats (Abteilung für Innovation und Technologie) unddem CNIPA zu. 2006 wurden 15 große <strong>Beschaffung</strong>sprojekte (im Wert von 71 Millionen €) bewertet, um ihre Konformität mitden Rechtsvorschriften über Zugänglichkeit zu beurteilen oder zu verbessern. Die meisten <strong>die</strong>ser Projekte, <strong>die</strong> von zehn verschiedenenzentralen Verwaltungen durchgeführt wurden, konzentrierten sich auf Websites und Hardwarebeschaffung.54Anhang VI zu Richtlinie 2004/18/EG und Anhang XXI zu Richtlinie 2004/17/EG.55Artikel 23 (1) der Richtlinie 2004/18/EG und Artikel 34 (1) der Richtlinie2004/17/EG.33


ten beachten, dass <strong>die</strong> Praktiken in einigen Nicht-EU-Ländern ihre Arbeit zur Entwicklung von Zugänglichkeitsstandardserleichtern könnten. In den USA verlangtSection 508 des Rehabilitation Act von öffentlichen Auftraggebernauf Bundesebene, dass sie in ihrer öffentlichen<strong>Beschaffung</strong> Zugänglichkeitsstandards anwenden.Dies hat auch ein Echo in verschiedenen EU-Mitgliedstaatengefunden und <strong>die</strong> industrielle Praxis beeinflusst.In der EU hat <strong>die</strong> Europäische Kommission ein Normungsmandatzur Festlegung europäischer Anforderungenfür <strong>die</strong> Barrierefreiheit im öffentlichen Auftragswesenin Bezug auf IKT-Produkte und Dienstleistungen 56sowie zur Festlegung europäischer Anforderungenfür Barrierefreiheit in Ausschreibungen für öffentlicheBauaufträge 57 erteilt. Die Ergebnisse der ersten Phasevon Mandat 376 liegen vor. Es wurden eine Reihe vonAnforderungen für Barrierefreiheit sowie verschiedeneMethoden zur Bewertung der Konformität mit <strong>die</strong>senAnforderungen bei der <strong>Beschaffung</strong> von InformationsundKommunikationstechnologie aufgezeigt 58 .Festlegung der Anforderungen des Auftrags in den technischen Spezifikationen – ZUSAMMENFASSUNGStellen Sie klare und präzise technische Spezifikationen auf. Stellen Sie sicher, dass <strong>die</strong> Spezifikationen mit dem Auftragsgegenstandim Zusammenhang stehen, alle einschlägigen sozialen Anforderungen wiedergeben und transparent sowienicht diskriminierend sind.Bauen Sie auf den „bewährten Vorgehensweisen“ anderer öffentlicher Auftraggeber auf. Setzen Sie Vernetzung als Mittelein, um Informationen zu erhalten und zu verbreiten.Verwenden Sie leistungsbezogene oder funktionsbezogene Spezifikationen, um <strong>die</strong> Abgabe innovativer sozialverantwortlicherAngebote zu fördern. Denken Sie daran, in Herstellungs- und Verarbeitungsverfahren soziale Belange zu berücksichtigen.Wenn Sie unsicher hinsichtlich des tatsächlichen Vorhandenseins, des Preises oder der Qualität von sozialverantwortlichenProdukten oder Dienstleistungen sind, können Sie um sozialverantwortliche Varianten bitten.Denken Sie gegebenenfalls daran, den Auftrag geschützten Werkstätten vorzubehalten, oder sehen Sie gegebenenfallseine Ausführung des Auftrags im Rahmen von geschützten Beschäftigungsprogrammen vor.Stellen Sie sicher, dass alle beabsichtigten Ergebnisse berücksichtigt sind – sie können nicht nachträglich in den Prozesseingebracht werden.© iStock56Europäische Kommission, Normungsmandat an das Europäische Komiteefür Normung (CEN), das Europäische Komitee für elektrotechnische Normung(CENELEC) und das Europäische Normungsinstitut für Telekommunikation(ETSI) zur Festlegung europäischer Anforderungen für <strong>die</strong> Barrierefreiheitim öffentlichen Auftragswesen in Bezug auf IKT-Produkte und-Dienstleistungen, M/376 EN, 7. Dezember 2005.57Europäische Kommission, Normungsmandat an das Europäische Komitee fürNormung (CEN), das Europäische Komitee für elektrotechnische Normung(CENELEC) und das Europäische Normungsinstitut für Telekommunikation(ETSI) zur Festlegung europäischer Anforderungen für Barrierefreiheit in Ausschreibungenfür öffentliche Bauaufträge, M/420 EN, 21. Dezember 2007.58Europäische Anforderungen für <strong>die</strong> Barrierefreiheit im öffentlichen Auftragswesenin Bezug auf IKT-Produkte und -Dienstleistungen (Mandat der EuropäischenKommission M 376, Phase 1); CEN/BT WG 185 und CLC/BT WG 101-5, Bericht„Conformity assessment systems and schemes for accessibility requirements“.34


IV. Der AuftragB. Auswahl von Warenlieferanten,Dienstleistungserbringern undBauunternehmenDie Auswahlkriterien sind fokussiert auf <strong>die</strong> Fähigkeit derFirmen, den Auftrag auszuführen, um den sie sich bewerben.Die Richtlinien über öffentliche Aufträge enthaltenzwei Gruppen von Auswahlvorschriften: Ausschlusskriterienund Vorschriften zur technischen und wirtschaftlichenLeistungsfähigkeit.1. AusschlusskriterienDie Richtlinien über öffentliche Aufträge enthalten eineabschließende Auflistung von Fällen, in denen <strong>die</strong> persönlicheLage eines Bewerbers oder Bieters zu seinemAusschluss aus dem Vergabeverfahren führen kann 59 .<strong>Ein</strong>ige <strong>die</strong>ser Defizite können sozialer Art sein. Bewerberoder Bieter können beispielsweise in den folgenden Fällenausgeschlossen werden:• wegen Nichtzahlung von Sozialbeiträgen 60 oder• wenn sie „aufgrund eines nach den Rechtsvorschriftendes betreffenden Landes rechtskräftigen Urteilswegen eines Deliktes bestraft worden sind, das ihreberufliche Zuverlässigkeit in Frage stellt“ 61 oder „imRahmen ihrer beruflichen Tätigkeit eine schwereVerfehlung begangen haben, <strong>die</strong> vom öffentlichenAuftraggeber nachweislich festgestellt wurde“ 62(auf der Grundlage des Begriffs der schweren beruflichenVerfehlung, wie er im nationalen Recht definiertist) 63 .Was ist erlaubt – Beispiele• Ausschluss eines Bieters, der wegen Verletzung nationalerRechtsvorschriften zur Bekämpfung der Schwarzarbeit,nationaler Vorschriften zu Gesundheitsschutz undSicherheit am Arbeitsplatz oder nationaler Vorschriftengegen Diskriminierung aus den verschiedenen Gründen(aufgrund der Rasse, des Geschlechts, einer Behinderung,des Alters, der sexuellen Ausrichtung, der religiösenÜberzeugung usw.) rechtskräftig verurteilt worden ist.• Ausschluss eines Bieters, der keine Gleichstellungsgrundsätzeeingeführt hat, wie es <strong>die</strong> nationalen Rechtsvorschriftendes Mitgliedstaats vorsehen, in dem der öffentlicheAuftraggeber ansässig ist, vorausgesetzt, dass <strong>die</strong> Verletzungder Rechtsvorschriften in dem betreffenden Mitgliedstaatals schwere berufliche Verfehlung eingestuft wird.Was nicht erlaubt ist – ein Beispiel• Ausschluss eines potenziellen Bieters aufgrund politischeroder persönlicher Überzeugungen des Bieters, <strong>die</strong>nichts mit einer beruflichen Verfehlung zu tun haben.2. Technische Leistungsfähigkeit 64Das Auswahlverfahren ermöglicht es den öffentlichenAuftraggebern, <strong>die</strong> Fähigkeit der Bewerber zur Erfüllungder im Auftrag festgelegten Anforderungen zu beurteilen.Die Richtlinien über öffentliche Aufträge enthalteneine abschließende Auflistung von Auswahlkriterien inBezug auf <strong>die</strong> technische Leistungsfähigkeit, mit denen<strong>die</strong> Auswahl von Bewerbern begründet werden kann.Auswahlkriterien, <strong>die</strong> von denen abweichen, <strong>die</strong> in denBeispiel:Im Fall Beentjes * befand der Gerichtshof, dass eine Klausel,<strong>die</strong> <strong>die</strong> Beschäftigung von Langzeitarbeitslosen verlangte,nichts zu tun hatte mit der Überprüfung der Eignung derBieter auf der Grundlage ihrer wirtschaftlichen und finanziellenLage sowie ihrer technischen Fachkenntnis undLeistungsfähigkeit (Punkt 28 der Entscheidung) ** .*EuGH-Entscheidung vom 20. September 1988 in der Rechtssache 31/87.59Artikel 45 der Richtlinie 2004/18/EG sowie Artikel 53 (3) und 54 (4) derRichtlinie 2008/17/EG. In besonders schweren kriminellen Fällen kann derAusschluss von Bietern sogar obligatorisch sein.60Artikel 45 (2) (e) der Richtlinie 2004/18/EG.61Artikel 45 (2) (c) der Richtlinie 2004/18/EG.**Es könnte aber eine Bedingung, <strong>die</strong> <strong>die</strong> Beschäftigung von Langzeitarbeitslosenverlangt, in <strong>die</strong> Vertragserfüllungsklauseln aufgenommenwerden, vorausgesetzt, dass <strong>die</strong>s im <strong>Ein</strong>klang mit den EU-Vorschriftenist, <strong>die</strong> für <strong>die</strong> Ausführungsphase gelten (Näheres siehe Abschnitt„Vertragserfüllung“).62Artikel 45 (2) (d) der Richtlinie 2004/18/EG.63„Schwere berufliche Verfehlung“ ist im europäischen Recht oder in derEU-Rechtsprechung noch nicht definiert. Es liegt daher an den Mitgliedstaaten,<strong>die</strong>sen Begriff in ihrem nationalen Recht zu definieren und festzulegen,ob <strong>die</strong> Nichterfüllung bestimmter sozialer Verpflichtungen eineschwere berufliche Verfehlung darstellt.64In <strong>die</strong>sem <strong>Leitfaden</strong> werden mit der wirtschaftlichen und finanziellen Lagezusammenhängende Auswahlkriterien nicht untersucht, da es in Anbetrachtder Art der Referenzunterlagen, <strong>die</strong> zur Beurteilung der wirtschaftlichenund finanziellen Lage von Bietern benötigt werden, nicht möglichist, soziale Erwägungen in sie einzubeziehen.35


Richtlinien über öffentliche Aufträge genannt werden,wären daher nicht im <strong>Ein</strong>klang mit den Richtlinien.Außerdem dürfen <strong>die</strong> Auswahlkriterien nicht diskriminierendsein und müssen mit dem Auftragsgegenstandzusammenhängen und ihm angemessen sein.Zur Herstellung eines solchen Zusammenhangs dürfensoziale Erwägungen nur dann in <strong>die</strong> technischen Auswahlkriterienaufgenommen werden, wenn <strong>die</strong> Ausführung desAuftrags ein besonderes „Know-how“ im sozialen Bereicherfordert. In Abhängigkeit vom Auftragsgegenstand kannder öffentliche Auftraggeber verschiedene Aspekte dertechnischen Leistungsfähigkeit des Bewerbers prüfen:• Beschäftigt <strong>die</strong> an der Ausschreibung teilnehmendeFirma Mitarbeiter bzw. kann sie auf Arbeitskräftezurückgreifen, <strong>die</strong> <strong>die</strong> erforderliche Fachkenntnisund Erfahrung für <strong>die</strong> Bewältigung der sozialenAspekte des Auftrags haben (z. B. ausgebildetes Personalund spezielle Führungserfahrung bei einemAuftrag für einen Kinderhort oder Ingenieure undArchitekten, <strong>die</strong> in Fragen der Barrierefreiheit beimBau eines öffentlichen Gebäudes qualifiziert sind)?• Besitzt <strong>die</strong> an der Ausschreibung teilnehmendeFirma <strong>die</strong> für den sozialen Schutz erforderliche technischeAusstattung oder hat sie Zugang dazu (z. B.Ausrüstung für ältere Menschen bei einem Auftragzum Betrieb eines Seniorenheims)?• Verfügt <strong>die</strong> an der Ausschreibung teilnehmendeFirma über fachgemäße technische <strong>Ein</strong>richtungen,um <strong>die</strong> sozialen Aspekte abzudecken (z. B. beieinem Auftrag über <strong>die</strong> Anschaffung von Computerhardwaremit Zugänglichkeitsanforderungen fürMenschen mit Behinderungen)?Die technische Leistungsfähigkeit des Wirtschaftsteilnehmerskann durch eines der in den Richtlinienabschließend aufgezählten Mittel nachgewiesen werden65 , zum Beispiel:• durch Nachweis früher ausgeführter Aufträge unterAngabe der technischen Fachkräfte oder technischenStellen;• durch eine Beschreibung der verwendeten technischenAusrüstung und der vom Unternehmerergriffenen entsprechenden Maßnahmen;• durch Stu<strong>die</strong>nnachweise und Bescheinigungenüber <strong>die</strong> berufliche Befähigung der Mitarbeiter desUnternehmers (<strong>die</strong>se Qualifikationen sind besonderswichtig bei Aufträgen, bei denen <strong>die</strong> sozialenZiele nur bei entsprechender Ausbildung des Personalserreicht werden können);• durch Angaben zu den Arbeitskräften des Dienstleistungserbringersund zur Zahl der Führungskräfte;• durch Angabe des Anteils des Auftrags, der unterUmständen als Unterauftrag vergeben wird.Es muss ein Mittelweg gefunden werden zwischendem Erfordernis des öffentlichen Auftraggebers, ausreichendeNachweise zu besitzen, dass der Auftragnehmerin der Lage sein wird, den Auftrag auszuführen, und derNotwendigkeit, eine übermäßige Belastung des Auftragnehmerszu vermeiden.Auswahl von Warenlieferanten, Bauunternehmen und Dienstleistungserbringern — ZUSAMMENFASSUNGBerücksichtigen Sie <strong>die</strong> Fähigkeit des potenziellen Auftragnehmers, den betreffenden Auftrag zu erfüllen. Legen Sie <strong>die</strong> Auswahlkriterienanhand der abschließenden Auflistung fest, <strong>die</strong> in den Richtlinien über öffentliche Aufträge genannt wird.Erfordert der Auftrag soziale Fähigkeiten oder Kompetenzen (z. B. besondere Fachkenntnisse, Ausbildung oder geeigneteAusrüstung, um <strong>die</strong> sozialen Aspekte des Auftrags zu bewältigen)? Wenn ja, berücksichtigen Sie soziale Kriterien zum Nachweisder fachlichen Fähigkeit zur Ausführung des Auftrags.Die Bewertung der fachlichen Fähigkeit muss sich auf <strong>die</strong> Fähigkeit des Bewerbers zur Erfüllung des Auftrags beziehen.Berücksichtigen Sie gegebenenfalls im Zusammenhang mit den verlangten sozialen Anforderungen <strong>die</strong> Bilanz des Leistungserbringersbei vergleichbaren Aufträgen in der Vergangenheit. Erwägen Sie <strong>die</strong> Möglichkeit, Bieter auszuschließen, wenn <strong>die</strong>Voraussetzungen für einen solchen Ausschluss nach den Richtlinien über öffentliche Aufträge erfüllt sind.65Artikel 48 der Richtlinie 2004/18/EG.36


IV. Der AuftragC. Auftragsvergabe1. Allgemeine Bedingungen für <strong>die</strong> Ausarbeitung vonVergabekriterien und für <strong>die</strong> AuftragsvergabesSoziale Vergabekriterien können angewandt werden,wenn <strong>die</strong>se 66 :• in Bezug zum Vertragsgegenstand stehen,• dem öffentlichen Auftraggeber keine uneingeschränkteWahlfreiheit einräumen,• ausdrücklich in der Vergabebekanntmachung undden Ausschreibungsunterlagen erwähnt werden und• den Grundprinzipien des EU-Rechts entsprechen.Bei der Auswertung der Angebotsqualität wählt deröffentliche Auftraggeber anhand von vorgegebenenund im Vorfeld veröffentlichten Vergabekriterien dasbeste Angebot aus. Gemäß den Richtlinien über öffentlicheAufträge hat der öffentliche Auftraggeber zwei Optionen:entweder vergleicht er <strong>die</strong> Angebote ausschließlichauf Grundlage des Preises 67 oder er entscheidet sichbei der Auftragsvergabe für das „wirtschaftlich günstigste“Angebot und berücksichtigt damit neben demPreis auch andere Vergabekriterien.Da das „wirtschaftlich günstigste Angebot“ immer zweioder mehr Teilkriterien kombiniert, können <strong>die</strong>se auchsoziale Kriterien umfassen. Tatsächlich enthält <strong>die</strong> nichtausschließliche Beispielliste in den Richtlinien überöffentliche Aufträge 68 , anhand derer <strong>die</strong> öffentlichen66Weitere Informationen zu den oben genannten Bedingungen finden Sieim nächsten Abschnitt „Geltende Bedingungen für Vergabekriterien beider Auswertung von Angeboten“. Siehe auch Erwägungsgründe 1 und 2der Richtlinie 2004/18/EG und Erwägungsgründe 1 und 9 der Richtlinie2004/17/EG;67Bei Verträgen, <strong>die</strong> auf Grundlage des niedrigsten Preises vergeben werden,kann <strong>die</strong> Nichtbeachtung anderer Vergabekriterien (wie etwa qualitativeoder soziale Gesichtspunkte) zu einem gewissen Grad durch <strong>die</strong> <strong>Ein</strong>führungvon hohen Qualitätsstandards in den technischen Spezifikationendes Vertrags kompensiert werden (sodass nur Angebote, <strong>die</strong> allen Qualitätsstandardsin den Spezifikationen entsprechen, in der Vergabephaseberücksichtigt werden) oder durch <strong>die</strong> Aufnahme sozialer Erwägungen (jenach Art) in <strong>die</strong> technischen Spezifikationen (wenn solche Erwägungen inBezug zum Vertragsgegenstand stehen) oder in <strong>die</strong> Vertragserfüllungsklauseln(wenn sie lediglich <strong>die</strong> Erfüllung des Vertrags betreffen).68Erwägungsgrund 46 und Artikel 53 der Richtlinie 2004/18/EG.Auftraggeber das wirtschaftlich günstigste Angebotfeststellen können, <strong>die</strong> Kriterien Qualität, Preis, technischeVorzüge, ästhetische und funktionale Merkmale,soziale Eigenschaften, Betriebskosten, Wirtschaftlichkeit,Kunden<strong>die</strong>nst, technische Unterstützung, Liefertermin,Lieferzeit und Ausführungszeit.Da das beste Angebot auf Grundlage mehrerer verschiedenerTeilkriterien ermittelt wird, kann der öffentlicheAuftraggeber mehrere Verfahren anwenden, um <strong>die</strong> verschiedenenTeilkriterien zu vergleichen und abzuwägen.Zu <strong>die</strong>sen gehören Vergleichsmatrizen, relative Gewichtungenund „Bonus-Malus“-Systeme. Es liegt in der Verantwortungder öffentlichen Auftraggeber, <strong>die</strong> Kriterienzur Auftragsvergabe und <strong>die</strong> relative Gewichtung fürjedes <strong>die</strong>ser Kriterien rechtzeitig zu spezifizieren und zuveröffentlichen, damit <strong>die</strong> Anbieter <strong>die</strong>se bei Angebotserstellungberücksichtigen können.Die einzelnen Kriterien, anhand derer das wirtschaftlichgünstigste Angebot (MEAT, Most Economically AdvantageousTender) ermittelt wird, müssen so formuliert werden,dass:• sie in Bezug zum Vertragsgegenstand stehen(gemäß den Leistungsbeschreibungen).Die Leistungsbeschreibungen definieren den erforderlichenLeistungsumfang (z. B. Zugänglichkeitsstandardsin den Leistungsbeschreibungen). Aberder öffentliche Auftraggeber kann entscheiden, dassjedes Produkt/jede Leistung oberhalb des Mindeststandardsin der Vergabephase zusätzliche Punkteerhält. Wenn etwa ein Hinweis auf einen Zugänglichkeitsstandardgemacht wird, zum Beispiel aufdas Web, wie bei Standard UNE 139803 ‘Requisitosde accesibilidad para contenidos Web’ („Zugriffsanforderungfür Webinhalte“, Spanien), so kann <strong>die</strong>serden Anforderungen auf drei Niveaus entsprechen— A, AA oder AAA. Dem Angebot mit dem höchstenNiveau können zusätzliche Punkte verliehen werden.• Dadurch können <strong>die</strong> Angebote auf Grundlage ihrergesamten wirtschaftlichen und qualitativen Kriterienbewertet werden, um das Angebot mit dem37


Was ist erlaubt – Beispiele• In einem Vertrag über <strong>die</strong> Pflege von behinderten Personen können bei den Vergabekriterien Erfordernisse berücksichtigtwerden, <strong>die</strong> sich auf <strong>die</strong> Bedürfnisse aller Kategorien von Nutzern beziehen (z. B. Personalisierung des Service, je nachAlter, Geschlecht oder sozialen Schwierigkeiten der Nutzer usw.).• In einem Vertrag über <strong>die</strong> Bereitstellung von <strong>Ein</strong>stellungstests und Leistungen für den öffentlichen Dienst kann der öffentlicheAuftraggeber <strong>die</strong> Bieter auffordern, <strong>die</strong> <strong>Ein</strong>stellungstests und Leistungen so zu gestalten, dass <strong>die</strong> Chancengleichheit füralle Teilnehmer gewährleistet ist, unabhängig von ihrem Alter, Geschlecht oder ethnischem oder religiösem Hintergrund.• In einem Vertrag über <strong>die</strong> <strong>Beschaffung</strong> von Software oder Hardware kann ein Vergabekriterium eingefügt werden, das<strong>die</strong> zu vergebenden Punkte mit den Niveaus der Verfügbarkeit oder mit speziellen Verfügbarkeitsmerkmalen für verschiedenePersonengruppen mit Behinderungen in Verbindung setzt. Dazu gehört beispielsweise <strong>die</strong> Verfügbarkeit desProdukts oder der Leistung für sehbehinderte oder blinde Personen, für Schwerhörige oder Taube, für geistig Behinderte,für Personen mit eingeschränkter Mobilität und Fingerfertigkeit usw.Was ist nicht erlaubt – Beispiele• Verwenden von Vergabekriterien bezüglich lokaler Anschaffungen von Ausrüstung durch den Auftragnehmer (z. B. ineinem Vertrag zum Bau eines Krankenhauses), um damit <strong>die</strong> Schaffung neuer Arbeitsstellen auf dem lokalen Markt zufördern. <strong>Ein</strong> solches Kriterium steht erstens in keinem Bezug zum Vertragsgegenstand (Bau des Krankenhauses). Danebenist es auch diskriminierend, denn damit haben Anbieter, <strong>die</strong> ihre Ausrüstung auf dem lokalen Markt kaufen, einen unangemessenenVorteil gegenüber den Anbietern, <strong>die</strong> anderswo einkaufen.• Verwenden von Vergabekriterien, <strong>die</strong> im letzten Moment eingebracht werden und nicht in den Ausschreibungsunterlagenenthalten sind.• Verwenden von Vergabekriterien, <strong>die</strong> dem öffentlichen Auftraggeber einen übermäßigen Ermessensspielraum gewähren.Dies wäre z. B. der Fall, wenn ein Vergabekriterium für einen Vertrag über IT-Ausrüstung lautete, dass Bieter zwischen1 und 20 Punkten für <strong>die</strong> technischen Werte hinsichtlich der Verfügbarkeit der vorgeschlagenen Produkte erhalten, ohnedass <strong>die</strong> Parameter oder Merkmale genannt werden, welche der öffentliche Auftraggeber bei der Ermittlung der genauenPunktzahl für jeden Fall berücksichtigt. Dies kann dem öffentlichen Auftraggeber übermäßigen Ermessensspielraum beider Evaluierung der technischen Werte der Angebote einräumen.besten Preis-Leistungs-Verhältnis zu ermitteln 69 . Inder Praxis bedeutet <strong>die</strong>s, dass nicht jedes einzelneVergabekriterium dem öffentlichen Auftraggebereinen wirtschaftlichen Vorteil bringen muss, sonderndass <strong>die</strong> Vergabekriterien zusammengenommen(z. B. wirtschaftliche und soziale) es dem Auftraggeberermöglichen müssen, das Angebot mitdem besten Preis-Leistungs-Verhältnis zu ermitteln.1.1. Geltende Bedingungen für Vergabekriterienbei der Auswertung von AngebotenDie Richtlinien über öffentliche Aufträge erlauben ausdrücklich<strong>die</strong> Berücksichtigung sozialer Erwägungenin den Vergabekriterien. Diese Gesetzgebung beruhtauf dem Fallrecht des Europäischen Gerichtshofs. DieGrundregel für <strong>die</strong> sozialen Vergabekriterien basiertauf den Fällen C-513/99 (Concordia Bus) und C-448/0169Siehe Erwägungsgrund 46 der Richtlinie 2004/18/EG und Erwägungsgrund55 der Richtlinie 2004/17/EG.(Wienstrom) und auf den Richtlinien über öffentlicheAufträge, welche sich in ihrem ersten Erwägungsgrundinsbesondere auf <strong>die</strong>ses Urteil beziehen. Alle Vergabekriterienmüssen den vier Bedingungen entsprechen, <strong>die</strong>am Anfang von Abschnitt C 1, oben aufgeführt sind 70 .(a) Vergabekriterien müssen in Bezugzum Vertragsgegenstand stehenDies ist unabdingbar. Es gewährleistet, dass Vergabekriterienden Bedürfnissen des öffentlichen Auftraggebersgemäß Vertragsgegenstand entsprechen. Im Urteilin der „Rechtssache Wienstrom“ 71 bot der EuropäischeGerichtshof weitere Informationen darüber, wie derBezug zum Vertragsgegenstand auszulegen ist.70Urteil des Europäischen Gerichtshofs in der Rechtssache 513/99. DiesesUrteil betrifft ökologische Vergabekriterien, <strong>die</strong>selben Prinzipien könnenjedoch sinngemäß bei sozialen Vergabekriterien im öffentlichen Auftragswesenangewandt werden.71Urteil des Europäischen Gerichtshofs in der Rechtssache 448/01.38


IV. Der AuftragBeispiele:Rechtssache Wienstrom: Im vorliegenden Fall entschiedder Gerichtshof, dass ein Kriterium in einer Ausschreibungfür Energieversorgung, welches sich nur auf <strong>die</strong> Menge desaus erneuerbaren Quellen produzierten Stroms bezieht,<strong>die</strong> über den erwarteten Verbrauch des öffentlichen Auftraggebershinaus produziert wird (<strong>die</strong>ser war Vertragsgegenstand),nicht als in Bezug zum Vertragsgegenstandstehend gilt. Um einen solchen Bezug zum Vertragsgegenstandherzustellen, hätte das Kriterium, welches sich auf<strong>die</strong> produzierte Strommenge aus erneuerbaren Quellenbezieht, lediglich <strong>die</strong> tatsächlich an den öffentlichen Auftraggebergelieferte Menge betreffen müssen.Bauauftrag: Wenn ein Vertrag soziale Erwägungen beinhaltetund ein Bauauftrag, dessen Vertragsgegenstandder Bau einer Schule ist, ein Vergabekriterium enthält, dassich auf <strong>die</strong> Summe bezieht, welche der Bauunternehmeraußerhalb des Vertrags an <strong>die</strong> lokale Gemeinde übermittelnwürde, ist <strong>die</strong>s rechtlich nicht zulässig, da es nicht inBezug zum Vertragsgegenstand steht.(b) Vergabekriterien müssen spezifisch und objektivquantifizierbar seinAuf Grundlage der vorherigen Urteile hat der EuropäischeGerichtshof entschieden, dass Vergabekriterien denöffentlichen Auftraggebern nie uneingeschränkte Wahlfreiheiteinräumen dürfen. Sie müssen <strong>die</strong>se Wahlfreiheitdurch <strong>die</strong> Festlegung spezifischer, produktbezogenerund messbarer oder, wie der Europäische Gerichtshofes bezeichnete, „angemessen spezifischer und objektivquantifizierbarer“ Kriterien einschränken. Der EuropäischeGerichtshof lieferte weitere Verdeutlichungen inden Rechtssachen Wienstrom and Concordia Bus 72 .Beispiele:Die fehlende Klarheit und Objektivität der Vergabekriterienin der Rechtssache Wienstrom:In der Rechtssache Wienstrom befand der EuropäischeGerichtshof, dass der öffentliche Auftraggeber den Bieterngleiche Chancen bei der Formulierung der Bedingungenihrer Angebote einräumen und daher <strong>die</strong> Vergabekriterienderart formulieren muss, dass „alle durchschnittlich fachkundigenBieter sie bei Anwendung der üblichen Sorgfaltin der gleichen Weise auslegen können“ * . <strong>Ein</strong> weitererAspekt für <strong>die</strong> notwendige Klarheit und Messbarkeit derVergabekriterien war gemäß Europäischem Gerichtshof,dass der öffentliche Auftraggeber nur Kriterien einsetzenkann, <strong>die</strong> anhand der von den Bietern erbrachten Informationentatsächlich überprüft werden können.Die Spezifität und Messbarkeit der Vergabekriterien inder Rechtssache Concordia Bus:In der Rechtssache Concordia Bus hatte <strong>die</strong> Stadt Helsinkisich vor der Bewertung der Angebote für ein Systementschieden, in dem zusätzliche Punkte für bestimmteLärm- und Emissionswerte vergeben wurden, und <strong>die</strong>sesveröffentlicht. ** . Der Europäische Gerichtshof entschied,dass <strong>die</strong>ses System angemessen spezifiziert und messbar ist.*In <strong>die</strong>sem Fall legte der öffentliche Auftraggeber keinen genauenZeitraum fest, für den <strong>die</strong> Bieter den Umfang angeben sollten, den Sieliefern können.**In <strong>die</strong>sem Fall wurden u. a. zusätzliche Punkte für <strong>die</strong> Verwendungvon Bussen vergeben, deren „Stickstoffemissionen unter 4 g/kWh(+ 2,5 Punkte/Bus) oder unter 2 g/kWh (+ 3,5 Punkte/Bus) lagen und <strong>die</strong>über einen externen Lärmpegel von unter 77 dB (+1 Punkt/Bus)“ lagen.(c) Vergabekriterien müssen im Vorfeld veröffentlicht werdenGemäß den Richtlinien über öffentliche Aufträge mussin den Vergabebekanntmachungen mitgeteilt werden,ob der öffentliche Auftraggeber den Auftrag auf Grundlagedes „niedrigsten Preises“ oder des „wirtschaftlichgünstigsten Angebots“ vergibt. Das Kriterium, welcheszur Ermittlung des wirtschaftlich günstigsten Angebotsverwendet wird, muss in der Vergabebekanntmachungoder zumindest in den Ausschreibungsdokumentengenannt werden.72Beide Fälle betreffen ökologische Vergabekriterien, aber <strong>die</strong> aus <strong>die</strong>senUrteilen hervorgehenden Grundsätze können sinngemäß auch für sozialeVergabekriterien angewandt werden.39


© 123RF(d) Vergabekriterien müssen der EU-Gesetzgebung (inklusiveden Grundsätzen des AEUV) entsprechenDie letzte Bedingung basiert auf dem AEUV und denRichtlinien über öffentliche Aufträge und besagt, dassVergabekriterien allen Grundprinzipien des EU-Rechtsentsprechen müssen.Der Europäische Gerichtshof hat ausdrücklich <strong>die</strong> Wichtigkeitdes Grundsatzes der Nichtdiskriminierung hervorgehoben.Dieser stellt <strong>die</strong> Basis anderer Grundsätze, wieetwa den freien Dienstleistungsverkehr und <strong>die</strong> Niederlassungsfreiheit,dar. Das Thema Diskriminierung kamexplizit in der Rechtssache Concordia Bus zum Tragen 73 .Beispiel:<strong>Ein</strong>er der <strong>Ein</strong>wände von Concordia Bus war, dass <strong>die</strong> vonder Stadt Helsinki festgelegten Kriterien diskriminierendseien, da nur das der Stadt Helsinki gehörende UnternehmenHKL gasbetriebene Fahrzeuge hat, welche <strong>die</strong>festgelegten Emissionswerte einhalten konnten. Der EuropäischeGerichtshof entschied, dass <strong>die</strong> Tatsache, dasseines von mehreren durch den öffentlichen Auftraggeberauferlegten Vergabekriterien lediglich von einer geringenAnzahl von Unternehmen erfüllt werden konnte, <strong>die</strong>sesKriterium nicht automatisch als diskriminierend herausstellt.Daher müssen für <strong>die</strong> Bestimmung einer möglichenDiskriminierung alle Fakten des betreffenden Falls berücksichtigtwerden.1.2. Das „zusätzliche Kriterium“In der Rechtssache C-225/98 entschied der EuropäischeGerichtshof, dass öffentliche Auftraggeber einen Vertragauf Grundlage einer Bedingung vergeben können, <strong>die</strong>z. B. im Zusammenhang mit der Bekämpfung der Arbeitslosigkeitsteht, wenn <strong>die</strong>se Bedingung allen Grundprinzipiendes EU-Rechts entspricht, jedoch nur, wenn<strong>die</strong> Behörden zwei oder mehr gleichwertige Bieterberücksichtigen müssen. Der betroffene Mitgliedstaatsah <strong>die</strong>se Bedingung als ein zusätzliches, nicht entscheidendesKriterium an und berücksichtigte es erst,nachdem <strong>die</strong> Angebote auf Grundlage anderer Vergabekriterienverglichen worden waren. Schließlich erklärteder Europäische Gerichtshof, dass <strong>die</strong> Anwendungdes Vergabekriteriums bezüglich der Bekämpfung derArbeitslosigkeit keinen direkten oder indirekten <strong>Ein</strong>flussauf <strong>die</strong> Angebote anderer EU-Mitgliedstaaten habendarf und ausdrücklich in der Vergabebekanntmachungmitgeteilt werden muss, damit potenzielle Vertragsnehmervon <strong>die</strong>ser Bedingung erfahren können.Daher kann ein Kriterium bezüglich der Bekämpfungder Arbeitslosigkeit (sowie andere Kriterien, <strong>die</strong> nicht inBezug zum Vertragsgegenstand stehen) in der Vergabephasenur als „ein zusätzliches Kriterium“ berücksichtigtwerden, um zwischen zwei gleichwertigen Bietern zuentscheiden. Alle anderen Vergabekriterien (außer demzusätzlichen Kriterium) müssen, gemäß dem Urteil desGerichtshofs aus dem Jahre 2001 im „Fall Wienstrom“,zum Vertragsgegenstand in Bezug stehen 74 (s. oben).73Urteil des Europäischen Gerichtshofs in der Rechtssache 513/99.74Urteil des Europäischen Gerichtshofs in der Rechtssache 448/01.40


IV. Der Auftrag2. Umgang mit „ungewöhnlich niedrigenAngeboten“Gemäß den Richtlinien über öffentliche Aufträge müssen<strong>die</strong> öffentlichen Auftraggeber zunächst um Erklärungenbitten, bevor sie ein Angebot ablehnen, dasihnen ungewöhnlich niedrig erscheint. Laut den Richtlinienkönnen sich <strong>die</strong>se Erklärungen (neben anderenFaktoren) auch auf <strong>die</strong> <strong>Ein</strong>haltung der „Richtlinien zumBeschäftigungsschutz und der Arbeitsbedingungen, <strong>die</strong>dort gelten, wo <strong>die</strong> Arbeit, Dienstleistung oder Lieferungstattfinden muss“ beziehen 75 . Daher bringen <strong>die</strong> Richtlinienüber öffentliche Aufträge <strong>die</strong> Frage der ungewöhnlichniedrigen Angebote speziell mit den Fragen desBeschäftigungsschutzes und der Arbeitsbedingungenin Verbindung. <strong>Ein</strong>ige Praktiken, wie etwa das Ignorierenvon rechtlich erforderlichen Arbeitsbedingungen, stellenmöglicherweise einen unlauteren Wettbewerb dar.Was ist erlaubt – ein Beispiel<strong>Ein</strong> Bieter kann ausgeschlossen werden, wenn <strong>die</strong> Befragunggemäß den oben genannten Punkten der Richtlinienüber öffentliche Aufträge stattgefunden hat und darausresultiert, * dass das Angebot ungewöhnlich niedrig ist, dader Bieter <strong>die</strong> geltenden Regeln in folgenden Bereichennicht eingehalten hat: Arbeitsschutz, Zahlung von Sozialleistungenoder Überstunden, Sicherheit am Arbeitsplatzoder das Verbot nicht angemeldeter Erwerbstätigkeit.Was ist nicht erlaubt – ein Beispiel• Der öffentliche Auftraggeber kann keinen Bieter vollständigund automatisch ausschließen, dessen Angebotunter einen festgelegten Satz (z. B. 80 %) des Durchschnittspreisesaller erhaltenen Angebote fällt.*Artikel 55 der Richtlinie 2004/18/EG und Artikel 57 der Richtlinie2004/17/EG.Beispiele:Frankreich: Die Stadt Angers stellte fest, dass <strong>die</strong> Arbeitnehmerim Reinigungssektor straffe Arbeitszeiten haben.Daher gilt ein Angebot, das wirtschaftlich sehr attraktivist, da es weniger Arbeitnehmer vorsieht, als für <strong>die</strong> zureinigende Fläche angemessen ist und auf durchschnittlichenWerten basiert, als ungewöhnlich niedrig und wirdabgelehnt, wenn der Anbieter nicht erklären kann, wie ersolch einen niedrigen Preis garantieren kann, ohne dabeigeltende Gesetze zu verletzen (Wie etwa solche, <strong>die</strong> <strong>die</strong>maximalen Anzahl von Arbeitsstunden pro Tag betreffen).In den Richtlinien über öffentliche Aufträge sind <strong>die</strong> Verfahrenfestgelegt, welche der öffentliche Auftraggebereinhalten muss, bevor er ein Angebot ablehnt, das ihmungewöhnlich niedrig erscheint. 76 . Jeder Fall sollte aufseine Vorteile hin untersucht werden, ohne einen automatischenAusschluss. Bieter müssen eine Gelegenheithaben, den gegen ihn gerichteten Sachverhalt zu widerlegen,und <strong>die</strong> Bedingung der Nichtdiskriminierungmuss eingehalten werden.Der öffentliche Auftraggeber kann schriftlich <strong>die</strong> Detailserfragen, <strong>die</strong> ihm wichtig erscheinen, um zu beurteilen,ob es sich um ein ungewöhnlich niedriges Angebothandelt. Diese können den Beschäftigungsschutzund <strong>die</strong> Arbeitsbedingungen betreffen. Dies scheintnicht allein auf <strong>die</strong> Anforderung <strong>die</strong>ser Details von demAnbieter beschränkt zu sein. Im Falle der Arbeitsbedingungenkann es z. B. angemessen sein, Informationenvon Gewerkschaften einzuholen. Erhält der öffentlicheAuftraggeber Informationen aus anderen Quellen, ist ernach den Richtlinien über öffentliche Aufträge jedochdazu verpflichtet, „in Rücksprache mit dem Bieter <strong>die</strong>betreffende Zusammensetzung zu überprüfen unddabei <strong>die</strong> gelieferten Nachweise zu berücksichtigen.“ Diepraktischen Modalitäten einer solchen Überprüfung sinddurch <strong>die</strong> nationale Gesetzgebung zu regeln, wobei klarist, dass es sich um ein kontradiktorisch ausgestaltetesVerfahren handeln muss.Ergibt <strong>die</strong> Befragung, dass das Angebot ungewöhnlichniedrig erscheint, kann der öffentliche Auftraggeber esablehnen (obgleich er nach den Richtlinien über öffentli-75Artikel 55 (1) (d) der Richtlinie 2004/18/EG und Artikel 57 (1) (d) der Richtlinie2004/17/EG.76Artikel 55 der Richtlinie 2004/18/EG und Artikel 57 der Richtlinie 2004/17/EG.41


che Aufträge nicht dazu verpflichtet ist). In Mitgliedstaatenmit einer entsprechende Gesetzgebung können <strong>die</strong>öffentlichen Auftraggeber jedoch verpflichtet sein, solcheAngebote abzulehnen.3. Abschließende Unterrichtungnicht berücksichtigter Bieterkann eine nützliche Gelegenheit sein, um sich mit dennicht berücksichtigten Bietern allgemein auszutauschenund besonders auf <strong>die</strong> Richtlinien des öffentlichen Auftraggebershinsichtlich sozialer Erwägungen einzugehen.Wurde der Bieter auch dadurch nicht berücksichtigt,weil er <strong>die</strong> sozialen Kriterien nicht eingehalten hat,können ihm entsprechende Details genannt werden,damit er zukünftig erfolgreicher ist.Der öffentliche Auftraggeber muss den Bietern Rückmeldunggeben, wenn der Auftrag vergeben wurde. DiesAuftragsvergabe: Auswertung von Angeboten – ZUSAMMENFASSUNGEntwicklung von Vergabekriterien: wurde das Kriterium „wirtschaftlich günstigstes Angebot“ ausgewählt, können relevantesoziale Kriterien entweder als Vergleichswert eingefügt werden, um sozial verantwortliche Angebote miteinanderzu vergleichen oder um ein soziales Element einzufügen, dem eine bestimmte Gewichtung zukommt.Soziale (und auch wirtschaftliche und ökologische) Vergabekriterien müssen• in Bezug zum Vertragsgegenstand stehen,• verhindern, dass dem öffentlichen Auftraggeber uneingeschränkte Wahlfreiheit eingeräumt wird,• ausdrücklich in der Vergabebekanntmachung und den Ausschreibungsunterlagen erwähnt werden,• der EU-Gesetzgebung (inklusive den Grundsätzen des AEUV: Transparenz, Gleichbehandlung und Nichtdiskriminierung)entsprechen,• dabei helfen, das Angebot mit dem besten Preis-Leistungs-Verhältnis für den öffentlichen Auftraggeber zu ermitteln und• den geltenden Richtlinien über öffentliche Aufträge entsprechen.Es ist zu prüfen, ob ein Angebot „ungewöhnlich niedrig“ ist, weil der Bieter Sozialstandards nicht einhält.42


IV. Der AuftragD. VertragserfüllungZunächst ist zu erwähnen, dass Aufträge gemäß denRichtlinien über öffentliche Aufträge stets allen geltendenzwingenden Vorschriften entsprechen müssen,inklusive den sozialen und gesundheitlichen Verordnungen.Möchte der öffentliche Auftraggeber danebenzusätzliche soziale Ziele erreichen 77 , kann er entsprechendeVertragserfüllungsklauseln verwenden.Vertragserfüllungsklauseln beschreiben, wie der Auftragerfüllt werden muss. Soziale Gesichtspunkte können in<strong>die</strong> Vertragserfüllungsklausen eingehen, wenn sie (i) inBezug zur Vertragserfüllung stehen, (ii) in der Vergabebekanntmachungveröffentlicht sind und (iii) dem EU-Recht (inklusive den Grundsätzen des AEUV) entsprechen.Die Erfüllungsklauseln sollten zwar weder eine Rolle beider Ermittlung des Angebots spielen, das den Zuschlagerhält, noch sollten sie versteckte Leistungsbeschreibungen,Vergabekriterien oder Auswahlkriterien darstellen.Es ist jedoch erlaubt, gesonderte Vertragsbedingungenaufzusetzen, <strong>die</strong> zusätzlich zu Beschreibungen, AuswahlundVergabekriterien erscheinen 79 . Diese können sozialeund ökologische Bedingungen enthalten. Möchte deröffentliche Auftraggeber also zusätzliche soziale Zieleerreichen, <strong>die</strong> nicht in Bezug zu den Leistungsbeschreibungenstehen, kann er zusätzliche Vertragsbedingungenaufsetzen. Diese betreffen nur <strong>die</strong> Vertragserfüllung.Bieter müssen darlegen, dass ihre Angebote den Leistungsbeschreibungenentsprechen. <strong>Ein</strong> Nachweis derErfüllung von Vertragserfüllungsklauseln sollte währenddes Vergabeverfahrens jedoch nicht gefordert werden.Daneben müssen Vertragserfüllungsklauseln:1. Geltende Vorschriftenfür <strong>die</strong> VertragserfüllungsklauselnVertragserfüllungsklauseln sind Verpflichtungen, <strong>die</strong>der erfolgreiche Bieter akzeptieren muss und welche <strong>die</strong>Vertragserfüllung betreffen. Daher genügt es grundsätzlich,dass sich Bieter mit der <strong>Ein</strong>reichung ihrer Angebotedazu verpflichten, <strong>die</strong>se Bedingungen zu erfüllen, wennsie den Auftrag erhalten. Angebote von Bietern, <strong>die</strong><strong>die</strong>se Bedingungen nicht akzeptiert haben, entsprechennicht den Vertragsdokumenten und können daher nichtzugelassen werden 78 . Die Vertragsbedingungen müssenjedoch nicht bereits bei Angebotseinreichung erfülltwerden.Wenn <strong>die</strong> geforderten Sozialstandards schriftlich in <strong>die</strong>Ausschreibung eingehen, sind <strong>die</strong> Erwartungen desöffentlichen Auftraggebers klar. <strong>Ein</strong>e strikte Herangehensweisewährend der Planungs- und Ausschreibungsphasenerleichtert <strong>die</strong> klare Formulierung <strong>die</strong>ser Absichten.Dies kann das Leistungsmanagement beeinflussen.• in Bezug zur Vertragserfüllung stehenDies bedeutet, dass <strong>die</strong> Vertragserfüllungsklauselnmit den Aufgaben in Verbindung stehen, <strong>die</strong> zurProduktion der Güter/Erbringung der Dienstleistungen/Ausführungder ausgeschriebenen Arbeitennotwendig sind. <strong>Ein</strong>e Bedingung stünde nicht inVerbindung mit der „Erfüllung“ des Vertrags, wennz. B.– der Auftragnehmer einen festgelegten Anteilvon Arbeitnehmern mit Behinderungen in einemanderen Vertrag beschäftigen muss 80 oder inHandlungen beschränkt wird, <strong>die</strong> er gemäßeinem anderen Vertrag ausführen darf,– der Auftragnehmer sich finanziell beteiligenmuss, z. B ein Zentrum für benachteiligte Menschenzu bauen.– der Auftragnehmer gemäß einem Arbeitsvertragin einer Kinderkrippe für Kinder der Belegschaftarbeiten muss. Derartige Leistungen stehen nichtin Bezug zu den für <strong>die</strong> Durchführung der Tätig-77z. B. Ziele, <strong>die</strong> über <strong>die</strong> verbindlich geltende Gesetzgebung hinausgehenund <strong>die</strong> sich nicht auf technische Spezifikationen, Auswahl- oder Vergabekriterienbeziehen.78Das Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 22. Juni 1992 in der Rechtssache243/89 (Storebaelt) befand, dass ein öffentlicher AuftraggeberAngebote ablehnen muss, <strong>die</strong> nicht der Ausschreibungsbedingung entsprechenund den Grundsatz der Gleichbehandlung von Bietern verletzen,welcher den Kern der Richtlinien über öffentliche Aufträge bildet.79Fall Beentjes, Urteil des Europäischen Gerichtshofs in der Rechtssache31/87.80Die Bedingung, einen festgelegten Anteil von Arbeitnehmern mit Behinderungenzur Erfüllung des betreffenden Vertrags zu beschäftigen (undnicht für einen anderen Vertrag) stünde jedoch in Bezug zur Erfüllung desbetreffenden Vertrags.43


keit notwendigen Aufgaben. Möchte der öffentlicheAuftraggeber solche Leistungen beschaffen,sollte er sie ebenfalls ausschreiben.• Veröffentlichung in der VergabebekanntmachungObgleich <strong>die</strong> Vertragserfüllungsklauseln nicht alsBestandteil des Verfahrens zur Auftragsvergabegelten, müssen sie eindeutig in der Ausschreibungdargelegt werden. Die Bieter sollten sich über alleVertragsverpflichtungen im Klaren sein, um ihrePreise entsprechend gestalten zu können 81 . Der Bieter,der den Zuschlag erhält, muss den aus seinemAngebot resultierenden Verpflichtungen nachkommen,indem er <strong>die</strong> Vertragsbedingungen erfüllt.• <strong>Ein</strong>haltung des EU-Rechts (inklusive der Grundsätzedes AEUV)Die Vertragsbedingungen dürfen z. B. keine unfaireBenachteiligung potenzieller Auftragnehmer andererMitgliedstaates beinhalten, grundsätzlich alsozu keiner ungleichen Behandlung zwischen potenziellenBietern führen. Es ist jedoch ebenso wichtig,dass <strong>die</strong> Vertragsbedingungen auch dem allgemeinenEU-Recht entsprechen, inklusive dem EU-Sozialrecht.Und schließlich müssen Aufträge gemäß den Richtlinienüber öffentliche Aufträge in jedem Fall allen anwendbarenRegeln entsprechen, inklusive den sozialen undgesundheitlichen Verordnungen.2. Beispiele für soziale Gesichtspunkte, <strong>die</strong> in <strong>die</strong>Vertragserfüllungsklausen eingehen könnenDie Erwägungen der Richtlinie 2004/18/EG (mit geringenAbweichungen in der Richtlinie 2004/17/EG) 82 gebenBeispiele für soziale Erwägungen, <strong>die</strong> in <strong>die</strong> Vertragserfüllungsklausenaufgenommen werden können:„Sie können insbesondere dem Ziel <strong>die</strong>nen, <strong>die</strong> beruflicheAusbildung auf den Baustellen sowie <strong>die</strong> Beschäftigungvon Personen zu fördern, deren <strong>Ein</strong>gliederung besondereSchwierigkeiten bereitet, <strong>die</strong> Arbeitslosigkeit zu bekämpfen.... Langzeitarbeitslose einzustellen oder Ausbildungsmaßnahmenfür Arbeitnehmer oder Jugendliche durchzuführen,oder <strong>die</strong> Bestimmungen der grundlegenden Übereinkommender Internationalen Arbeitsorganisation (IAO) einzuhalten83 ... und mehr behinderte Personen einzustellen ....“Vertragserfüllungsklausen sind grundsätzlich am bestengeeignet, um bei der <strong>Beschaffung</strong> soziale Erwägungenhinsichtlich der Beschäftigung und der Arbeitsbedingungender in <strong>die</strong> Vertragserfüllung eingebundenenArbeitnehmer einzubringen 84 .81Artikel 26 der Richtlinie 2004/18/EG und Artikel 38 der Richtlinie 2004/17/EG.82Erwägungsgrund 33 der Richtlinie 2004/18/EG und Erwägungsgrund 44der Richtlinie 2004/17/EG.83Die grundlegenden ILO-Konventionen, auf <strong>die</strong> in den Richtlinien überöffentliche Aufträge Bezug genommen wird, sind <strong>die</strong> acht Kernkonventionen,<strong>die</strong> von allen Mitgliedstaaten ratifiziert wurden (weitere Informationensiehe Fußnote 11).84Wie in den vorherigen Abschnitten ausgeführt wurde, sind Arbeitsbedingungender Arbeitnehmer, <strong>die</strong> an der Vertragserfüllung beteiligt sind,keine technischen Spezifikationen oder Auswahlkriterien im Sinne derRichtlinien für öffentliche Aufträge. Außerdem ist es schwierig, solche sozialenErwägungen mit dem Vertragsgegenstand in Bezug zu bringen undes wäre generell nicht möglich, sie in <strong>die</strong> Vergabekriterien für den Auftrageinzubringen (außer als ein „zusätzliches Kriterium“, um zwischen zweigleichwertigen Bietern zu unterscheiden, wie es der Europäische Gerichtshofin der Rechtssache 225/98 bestätigt und wie es auch im Abschnitt„Auftragsvergabe“ dargelegt wird).44


IV. Der AuftragIn ihrer Mitteilung über <strong>die</strong> Auslegung des Vergaberechts von 2001 legt <strong>die</strong> Europäische Kommission dar, dass „öffentlicheAuftraggeber über eine breite Palette von Möglichkeiten verfügen, um Vertragsklauseln im sozialen Bereich festzulegen“und nennt „einige Zusatzbedingungen, <strong>die</strong> ein öffentlicher Auftraggeber dem Auftragnehmer auferlegen könnte“. Dabeihandelt es sich um Folgende:• „Die Verpflichtung, Arbeitsuchende, insbesondere Langzeitarbeitslose, einzustellen oder bei der Ausführung des AuftragsSchulungsmaßnahmen durchzuführen“• „Die Verpflichtung, bei der Ausführung des Auftrags Maßnahmen zur Förderung der Chancengleichheit zwischen Mannund Frau oder der ethnischen und rassischen Vielfalt durchzuführen oder Menschen mit Behinderungen gleichberechtigtenZugang zu gewähren,• „Die Verpflichtung, bei der Ausführung des Auftrags grundlegende Menschenrechte einzuhalten (wie etwa das Verbotvon Zwangs- und Kinderarbeit), welche durch <strong>die</strong> grundlegenden Übereinkommen der Internationalen Arbeits-Organisation(IAO) garantiert werden, falls <strong>die</strong>se nicht bereits im nationalen Recht verankert sind“• „Die Verpflichtung, zur Auftragsausführung eine größere Zahl von Behinderten einzustellen, als von der nationalen Gesetzgebungdes Mitgliedstaates, in dem der Auftrag ausgeführt wird oder der Auftragnehmer ansässig ist, verlangt wird“.Öffentliche Aufträge für Arbeiten und Dienstleistungen, in denen <strong>die</strong> Art der Vertragserfüllung dargelegt werden kann,bieten dem öffentlichen Auftraggeber <strong>die</strong> beste Möglichkeit, um sozialen Erwägungen in den VertragserfüllungsbedingungenRechnung zu tragen. Es wäre schwieriger, Vertragsbedingungen hinsichtlich der Ausführungsart von Lieferverträgenvorzusehen, denn <strong>die</strong> Auferlegung von Bedingungen, <strong>die</strong> Änderungen der Organisation, Struktur oder Politik eines in einemanderen Mitgliedstaat ansässigen Unternehmens könnte als diskriminierend angesehen werden oder eine unberechtigteHandelsbeschränkung darstellen.Andere Beispiele:Schweden: Bauaufträge, <strong>die</strong> vom Nationalen Straßenbauamt vergeben werden, enthalten eine Standardklausel, mit dersich <strong>die</strong> Auftragnehmer zur <strong>Ein</strong>haltung bestimmter (Kern-ILO-) Konventionen verpflichten, wenn sie Aufträge in Schwedenausführen. Dieselbe Klausel fordert den Auftragnehmer dazu auf, bestimmte Bedingungen der Berichterstattung einzuhalten,um sicherzustellen, dass <strong>die</strong> zur Vertragsausführung verwendeten Waren und Produkte in einer sicheren Umgebunghergestellt wurden und den Anforderungen der genannten Konventionen entsprechen. Wird festgestellt, dass Waren <strong>die</strong>serBedingung nicht entsprechen, müssen <strong>die</strong>se auf Kosten des Auftragnehmers ausgetauscht werden. Der Auftragnehmermuss sicherstellen, dass Subunternehmer <strong>die</strong>selben Verpflichtungen konsequent befolgen. Für jeden Verstoß gegen <strong>die</strong>sesozialen Verpflichtungen hat der Auftragnehmer eine Strafgebühr zu entrichten.Vereinigtes Königreich: Im Jahre 2004 entwickelte Transport for London (TfL) ein Investitionsprogramm für einen Zeitrahmenvon fünf Jahren und mit einer Investitionssumme von 10 Milliarden £. Damit sollten große Bauprojekte in Londondurchgeführt werden, u. a. eine Erweiterung zur East London Line Railway. Gleichbehandlung und <strong>Ein</strong>gliederung galten alsHerzstück des Programms und integraler Bestandteil der Aufträge. Das East London Line Project (ELLP) wurde mit 500 Millionen£ für <strong>die</strong> Hauptarbeiten und 350 Millionen £ für <strong>die</strong> Schienenfahrzeuge und den Eisenbahnservice bewertet.Die Strategie für das Projekt zielte auf <strong>die</strong> Verwendung der optimierten Bahnverbindungen ab, um <strong>die</strong> wirtschaftlicheErneuerung um <strong>die</strong> erweiterten Gebiete herum zu stimulieren. Zu <strong>die</strong>sen gehören einige der am meisten benachteiligtenGebiete Londons. In <strong>die</strong>sen Gegenden leben zahlreiche Gemeinschaften mit kulturellen und wirtschaftlichen Unterschieden,es gibt eine hohe Zahl von Arbeitslosen und soziale Ausgrenzung. Es gab während der Konstruktionsphase auch einenBedarf nach Förderung positiver Beziehungen innerhalb der Gemeinschaft, um <strong>die</strong> Auswirkungen der Bauaktivitäten zuminimieren und ein positives Umfeld für den Betrieb der neuen Eisenbahn zu schaffen. Angesichts <strong>die</strong>ser Umstände stelltensich Gleichberechtigung und <strong>Ein</strong>gliederung als zwei wichtige soziale Ziele heraus. Daher führte TfL eine Reihe von Anforderungenfür <strong>die</strong> Bieter ein, <strong>die</strong> bei der Projektausführung eingeführt werden sollten: einen Gleichberechtigungsgrundsatz fürdas Projekt, einen Schulungsplan zum Thema Vielfalt für <strong>die</strong> Projektmitarbeiter und einen Plan zum Thema Vielfalt für Lieferanten(um sicherzustellen, dass ein breites Spektrum von Bietern als Subunternehmer für Tätigkeiten infrage kommen, <strong>die</strong>sich aus dem Projekt ergeben). Diese Anforderungen gingen in <strong>die</strong> Angebotsanfragen und in <strong>die</strong> Vertragsbedingungen ein.45


Die <strong>Ein</strong>beziehung sozialer Anforderungen in <strong>die</strong> Vertragsbedingungensollten gegen <strong>die</strong> praktische Möglichkeitabgewogen werden, deren Erfüllung währendder Ausführung des Vertrags zu überwachen. Dadurchsoll vermieden werden, dass zusätzliche Anforderungengestellt werden, <strong>die</strong> nicht effektiv überwacht werden(können). Dies erfordert Vertragsmanagement undÜberwachung der <strong>Ein</strong>haltung.3. <strong>Ein</strong>haltung nationaler arbeitsrechtlicherRahmenbedingungenBeide Richtlinien über öffentliche Aufträge 85 machenklar, dass „<strong>die</strong> im Bereich der Arbeitsbedingungen undder Sicherheit am Arbeitsplatz geltenden nationalenund gemeinschaftlichen Gesetze, Regelungen und Tarifverträgewährend der Ausführung eines öffentlichenAuftrags anwendbar sind, sofern derartige Vorschriftensowie ihre Anwendung mit dem Gemeinschaftsrechtvereinbar sind 86 .“<strong>Ein</strong>ige Beispiele für den Umgang der Mitgliedstaatenmit <strong>die</strong>sem Thema haben zu internen Kontroversen inden Mitgliedstaaten geführt. <strong>Ein</strong> Beispiel ist der Fall Rüffert87 .Hervorzuheben ist, dass <strong>die</strong>ses Urteil zwar im Zusammenhangmit einem öffentlichen Auftrag stand, jedochkeine Auswirkungen auf <strong>die</strong> Möglichkeiten hat, welchedurch <strong>die</strong> Richtlinien über öffentliche Aufträge ange-Beispiel:Entsandte Arbeitnehmer in der EU: Der Fall RüffertDie Gesetzgebung des Bundeslandes Niedersachsen entschied hinsichtlich der Vergabe von öffentlichen Aufträgen, dassöffentliche Arbeiten nur an Auftragnehmer vergeben werden, <strong>die</strong> schriftlich versichern, ihre Angestellten mindestens in derHöhe zu vergüten, wie es durch <strong>die</strong> anwendbaren (regionalen) Tarifverträge geregelt ist. Der Auftragnehmer muss <strong>die</strong>selbeVerpflichtung seinen Subunternehmern auferlegen und <strong>die</strong> entsprechende Befolgung überprüfen. Die Nichteinhaltung <strong>die</strong>serVerpflichtung führte zu Erhebung einer Vertragsstrafe.Die Rechtsgültigkeit <strong>die</strong>ser Bedingungen wurde vor einem regionalen deutschen Gericht geprüft. Hintergrund war <strong>die</strong> Ausführungeines Arbeitsvertrags zwischen einem deutschen öffentlichen Auftraggeber und der Firma Objekt und Bauregie,(O&B) für den Bau des Gefängnisses in Göttingen-Rosdorf. Der öffentliche Auftraggeber hatte den Vertrag beendet und O&Bzur Zahlung einer Vertragsstrafe aufgefordert, da sich herausstellte, dass der polnische Subunternehmer von O&B seinen aufder Baustelle in Deutschland beschäftigten Arbeitnehmern nur 46,57 % des durch den geltenden Tarifvertrag vorgeschriebenenMindestlohns zahlte.Da nicht sicher war, ob <strong>die</strong> Bedingungen für eine Vertragsstrafe in <strong>die</strong>sem Fall gesetzesmäßig sind, gab das Landgericht denFall an den Europäischen Gerichtshof weiter. Dieser sollte eine Vorabentscheidung über <strong>die</strong> Interpretation der für <strong>die</strong>sen Fallrelevanten Aspekte des EU-Rechts treffen.Der Europäische Gerichtshof befand, dass der Tarifvertrag rechtlich nicht von allgemeiner Gültigkeit ist (wenngleichDeutschland ein System hatte, nachdem Tarifverträge als allgemein anwendbar gelten) und deckt nur einen Teil des Bausektorsab, da das relevante Gesetz den Tarifvertrag „Baugewerbe“ bindend macht, welcher nur für öffentliche und nicht fürprivate Aufträge gilt. Daher stand der im Tarifvertrag „Baugewerbe“ festgelegte Mindestlohn nicht in Übereinstimmungmit einem der Verfahren gemäß Artikel 3 der Richtlinie 96/71/EG über <strong>die</strong> Entsendung von Arbeitnehmern (“Richtlinie zurEntsendung von Arbeitnehmern”) * .Demzufolge befand das Urteil des Gerichtshofs im Fall Rüffert <strong>die</strong> infrage stehenden Bedingungen als nicht kompatibel mitder Richtlinie zur Entsendung von Arbeitnehmern.*Richtlinie 96/71/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 1996 über <strong>die</strong> Entsendung von Arbeitnehmern im Rahmen der Bereitstellungvon Dienstleistungen.85Erwägungsgrund 34 der Richtlinie 2004/18/EG und Erwägungsgrund 45der Richtlinie 2004/17/EG.86<strong>Ein</strong> Beispiel für eine solche Entsprechung mit dem EU-Recht ist <strong>die</strong> <strong>Ein</strong>haltungder Vorschriften in der Richtlinie 96/71/EG über <strong>die</strong> Entsendung vonArbeitnehmern im öffentlichen Auftragswesen mit grenzübergreifendenSituationen, in denen Arbeitnehmer eines Mitgliedstaates Leistungen ineinem anderen Mitgliedstaat erbringen, um einen öffentlichen Auftragauszuführen.87Urteil des Europäischen Gerichtshofs in der Rechtssache 346/06 (Dirk Rüffertgegen Land Niedersachsen).46


IV. Der Auftragboten werden, um soziale Erwägungen im öffentlichenAuftragswesen zu berücksichtigen. Es verdeutlicht lediglich,dass soziale Erwägungen (im öffentlichen Auftragswesen)hinsichtlich der entsandten Arbeitnehmer auchdem EU-Recht entsprechen muss, besonders den Richtlinienzur Entsendung von Arbeitnehmern 88 .Die Richtlinien über öffentliche Aufträge sehen vor, dass<strong>die</strong> öffentlichen Auftraggeber den Beschäftigungsschutzim Ausschreibungsverfahren auf zwei spezielle Arteneinbringen können:© iStockZunächst können <strong>die</strong> öffentlichen Auftraggeber in denAusschreibungsdokumenten aufführen, wo Bieter Informationenüber <strong>die</strong> Verpflichtung hinsichtlich Beschäftigungsschutzund Arbeitsbedingungen des Mitgliedstaats,der Region oder des Ortes erhalten können, indem bzw. in der <strong>die</strong> Arbeiten ausgeführt oder <strong>die</strong> Dienstleistungenerbracht werden sollen 89 .Daneben sollte jeder öffentliche Auftraggeber, der<strong>die</strong>se Informationen liefert, <strong>die</strong> Bieter auffordern zubestätigen, dass sie bei Erstellung ihres Angebot <strong>die</strong>Verpflichtungen hinsichtlich des Beschäftigungsschutzes90 und der Arbeitsbedingungen an dem Ort, wo <strong>die</strong>Arbeiten stattfinden oder <strong>die</strong> Leistung erbracht werdensollen, berücksichtigt haben 91 . Dies hängt mit der Sorgezusammen, dass Auftragnehmer versuchen könnten, dasNiveau ihres Beschäftigungsschutzes zu senken, um einniedrigeres Angebot vorlegen zu können.4. LieferkettenmanagementÖffentliche Auftraggeber können in den Vertragserfüllungsbedingungenauch soziale Erwägungen für Subunternehmereinfügen, z. B. im Hinblick auf das Verbotvon Kinder- und Zwangsarbeit, Gesundheits- und Sicher-Beispiel:Ville de Paris: Das Amt für Bekleidung der Stadtverwaltungvon Paris muss Kleidung für 29 000 Angestellte zurVerfügung stellen. In <strong>die</strong>sem Amt werden 300 000 Bekleidungsartikelund jährlich 300 Aufträge verwaltet. Esbezieht soziale und ökologische Faktoren in das <strong>Beschaffung</strong>sverfahrenein. Gemäß den sozialen Verpflichtungenfordert <strong>die</strong> Stadtverwaltung Paris ihre Lieferanten zurUnterzeichnung einer Erklärung auf, in der sie sich dazuverpflichten, bei der Vertragserfüllung bestimmte grundlegendeArbeitsrechte zu respektieren (<strong>die</strong>s beinhalteteinen ausdrücklichen Hinweis auf das Mindestalter vonArbeitnehmern), <strong>die</strong> zum Beispiel von der InternationalenArbeitsorganisation definiert werden. Die Stadtverwaltungvon Paris fordert ihre Lieferanten auch dazu auf, sichdurch eine unabhängige, von der Stadtverwaltung beauftragteStelle kontrollieren zu lassen und alle daraus resultierendenEmpfehlungen einzuführen.heitsbedingungen, Mindestlohn- und Sozialversicherungsvorschriftensowie, allgemeiner formuliert, menschenwürdigeArbeitsbedingungen. <strong>Ein</strong>ige öffentlicheAuftraggeber haben auch damit begonnen, Bedingungenhinsichtlich Kinder- und Zwangsarbeit für Subunternehmereinzuführen, wenn anzunehmen ist, dass <strong>die</strong>Lieferkette Produktions- oder Verarbeitungsschritte enthält,in denen <strong>die</strong>se Probleme vorkommen.88Richtlinie 96/71/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom16. Dezember 1996 über <strong>die</strong> Entsendung von Arbeitnehmern im Rahmender Bereitstellung von Dienstleistungen.89Artikel 27 (1) der Richtlinie 2004/18/EG.90Daneben müssen solche Bestimmungen allen relevanten EU-Gesetzenentsprechen.91Artikel 27 (2) der Richtlinie 2004/18/EG.47


Dies hat besondere Bedeutung für Geschäfte in und mitLändern außerhalb der EU. So wächst beispielsweise beiöffentlichen Auftraggebern <strong>die</strong> Besorgnis über <strong>die</strong> Legalitätund Nachhaltigkeit in der Holzbranche, besondersin Bezug auf Importe aus Drittländern mit besonderenProblemen in <strong>die</strong>sem Bereich. Es wird immer mehr anerkannt,dass legaler und nachhaltiger Holzhandel nichtnur wirtschaftliche und ökologische Kriterien beinhaltet,sondern auch soziale Kriterien (wie etwa menschenwürdigeEntlohnung und Arbeitsbedingungen, Gesundheits-und Sicherheitsbedingungen sowie <strong>die</strong> Respektierungvon Besitzansprüchen und Nutzungsrechtenlokaler und indigener Gemeinschaften).Wenn solche Anforderungen auch Subunternehmernauferlegt werden, sollte der öffentliche Auftraggeberden Hauptauftragnehmer zur Lieferung eines <strong>Ein</strong>haltungsnachweisesauffordern. Dies kann entweder durcheine Referenz auf bestimmte Zertifikationssysteme (falls<strong>die</strong>se existieren) oder durch andere zuverlässige Mittelerfolgen 92 .In der Forstwirtschaft wurden z. B verschiedene Zertifizierungssystemeentwickelt, <strong>die</strong> einen unabhängigenNachweis dafür bilden, dass <strong>die</strong> <strong>Beschaffung</strong>squelledes Holzes einen bestimmten Nachhaltigkeitsstandarderfüllt (wie etwa Umwelt- und soziale Kriterien). SolcheSysteme gelten jedoch nicht als ausschließliche Nachweisefür nachhaltige Holzwirtschaft, da auch andereäquivalente Beweisformen akzeptiert werden müssen.5. Vertragsmanagement und Überwachungder <strong>Ein</strong>haltungDas Leistungsmanagement regelt <strong>die</strong> Bedingungen für<strong>die</strong> Leistungsbewertung und entsprechende Maßnahmen.Dies kann bedeuten, dass Auftragnehmer für guteLeistungen ausgezeichnet werden, nicht ausreichendeLeistungen thematisiert werden oder gemeinsam aneiner Verbesserung der Lieferleistungen gearbeitet92Öffentliche Auftraggeber sollten Auftragnehmern stets erlauben, alternativeNachweise zu bringen (wie z. B Zertifikate, <strong>die</strong> von einer Behörde odervon Dritten ausgestellt wurden, Prüfungsberichte von Dritten, Kopien derArbeitsverträge, Kopien aller relevanten Dokumente, Nachweise von Kontrollbesuchenusw.). Der öffentliche Auftraggeber kann dennoch zusätzlicheNachweise verlangen, wenn der erste durch den Auftragnehmer gelieferteNachweis (gemäß den Umständen in dem Fall) nicht ausreichendoder unzuverlässig erscheint.wird. Anhand von Leistungsindikatoren werden Zielein messbare Zielvorgaben übersetzt, und so wird einakzeptables Leistungsniveau festgelegt. Die Kontrollevon Vereinbarungen sollte sicherstellen, dass <strong>die</strong> richtigenLeistungsdaten zusammengetragen und effektivanalysiert werden. Die Zahlungsbedingungen (<strong>die</strong> imVertrag spezifiziert sein sollten) bilden <strong>die</strong> Grundlage für<strong>die</strong> Sicherstellung, dass der Auftragnehmer den erforderlichenLieferstandard erfüllt. Sie können finanzielleFehlanreize für mangelhafte Leistungen und Anreize fürLeistungen enthalten, <strong>die</strong> über <strong>die</strong> Basisziele hinausreichen.Diese finanziellen Bedingungen müssen in der Vergabebekanntmachungveröffentlicht worden sein.Der Anreiz für eine Leistungsverbesserung könnte durchmangelhafte Ergebnisse der Leistungsindikatoren oderaber durch den <strong>Ein</strong>druck erfolgen, dass <strong>die</strong> Ziele zwarerreicht sind, es aber noch Spielraum für einen Leistungsanstieggibt. In jedem Fall sollten Auftragnehmerund Auftraggeber wissen, wie aktuelle LeistungsniveausBeispiel:UK: Zur Verbesserung der Cateringleistungen für <strong>die</strong>Gesundheitsbehörde von Nordirland führt der Auftragnehmereine jährliche Zufriedenheitsumfrage unter denPatienten durch und analysiert <strong>die</strong> Daten nach Alter, ethnischerZugehörigkeit und Geschlecht. Die Behörde hatauch eine Bewertung des Mahlzeitenservice initiiert, nachdem<strong>die</strong> Presse über mangelhafte Ernährung in Altenpflegestationenberichtet hatte. Die zusammengefasstenErgebnisse führten zu vertraglichen Änderungen, um denService in den Altenpflegestationen zu verbessern, indemgeholfen wird, <strong>die</strong> Patienten zu füttern.Beispiel:Frankreich: Öffentliche <strong>Ein</strong>richtungen, <strong>die</strong> sich um soziale<strong>Ein</strong>gliederung kümmern, halfen bei der <strong>Ein</strong>führungder Sozialklauseln in Verträgen, zum Beispiel durch <strong>die</strong>Bereitstellung von Vermittlern, <strong>die</strong> erfolgreichen Bieternin einem <strong>Ein</strong>führungskurs helfen, <strong>die</strong> involvierte Belegschaftdurch <strong>die</strong> <strong>Ein</strong>führung zu begleiten, und <strong>die</strong> auchals Bestätiger für <strong>die</strong> <strong>Ein</strong>haltung der sozialen Klauseln <strong>die</strong>nen.Die Agglomération de Rouen verwendete Gelder ausdem Europäischen Sozialfond zur Mitfinanzierung einesProjektmanagers für <strong>die</strong> Durchsetzung der Klauseln fürsoziale <strong>Ein</strong>gliederung in den verschiedenen vergebenenAufträgen. Die Stadt Arles beauftragte einen spezialisiertenRechtsberater zur Aufsetzung und Verwaltung vonVertragsdokumenten mit sozialen Klauseln.48


IV. Der Auftragerstellt werden, und sich darüber verständigen, wieErgebnisse verbessert werden können. Bei dauerhaftemScheitern des Auftragnehmers sollte gelten, dass gegen<strong>die</strong> Vertragsbedingungen verstoßen wurde, wenngleichalle ergriffenen Maßnahmen angemessen sein müssen.Ebenso kann <strong>die</strong> Analyse zu vertraglichen Variationen,einer Neugestaltung der Leistung oder zu Innovationenführen.<strong>Ein</strong>e „Partnerkultur“ sollte das Vertragsmanagementuntermauern. Kunden und Auftragnehmer können nurdurch ideenreiche und engagierte Teamarbeit Schädenverhindern und <strong>die</strong> besten Ergebnisse erreichen.Grundsätzlich reagieren <strong>die</strong> besten Auftragnehmer gutin solchen Partnerschaften und übernehmen freiwilligzusätzliche Verpflichtungen, wie etwa <strong>die</strong> Teilnahmean Basic-Skills-Programmen, ökologische Innovationenoder <strong>die</strong> Unterstützung von kleinen Firmen in ihrer Lieferkette.Vertragsbedingungen, Vertragsmanagement und Überwachung der <strong>Ein</strong>haltung – ZUSAMMENFASSUNGVertragserfüllungsklausen sind grundsätzlich am besten geeignet, um bei der <strong>Beschaffung</strong> soziale Erwägungen hinsichtlichder Beschäftigungs- und der Arbeitsbedingungen der in <strong>die</strong> Vertragserfüllung eingebundenen Arbeitnehmer einzubringen.Es muss gewährleistet sein, dass <strong>die</strong> Vertragserfüllungsklauseln:• in Bezug zur Vertragserfüllung stehen,• auf das beste Preis-Leistungs-Verhältnis abzielen;• in den Ausschreibungsunterlagen enthalten sind und• dem EU-Recht (inklusive den Grundsätzen des AEUV) entsprechen.Es ist sicherzustellen, dass <strong>die</strong> <strong>Ein</strong>haltung der Vertragsbedingungen effektiv kontrolliert werden kann.Arbeiten Sie mit dem Lieferanten zusammen an der Leistungsverwaltung, der maximalen Erreichung der Ziele und der<strong>Ein</strong>haltung der Vertragsbedingungen.Führen Sie angemessene Aufzeichnungen über <strong>die</strong> Leistung von Lieferanten, Auftragnehmern und Dienstleistern.Verwenden Sie unterschiedliche Klauseln, um vertraglichen Wechseln zu begegnen, <strong>die</strong> im Laufe der Zeit notwendig seinkönnen. Voraussetzung dafür ist, dass sie den Bestimmungen der Richtlinien über öffentliche Aufträge und dem Prinzipder Transparenz entsprechen.Arbeiten Sie mit den Lieferanten an einer kontinuierlichen Verbesserung – auf freiwilliger Grundlage – und seien Sie stetsgrundsätzlich über <strong>die</strong> Entwicklungen auf dem Markt informiert. Arbeiten Sie besonders mit Lieferanten, um <strong>die</strong> Erfüllungder Prinzipien menschenwürdiger Arbeit und unternehmerischer sozialer Verantwortung in der gesamten Lieferkette zugewährleisten.49


Europäische Kommission<strong>Sozialorientierte</strong> <strong>Beschaffung</strong>: ein <strong>Leitfaden</strong> für <strong>die</strong> Berücksichtigung sozialer Belangeim öffentlichen <strong>Beschaffung</strong>swesenLuxemburg: Amt für Veröffentlichungen der Europäischen Union2011– 49 S. – 21 x 29,7 cmISBN 978-92-79-18387-4doi:10.2767/1748Rund 17 % des Bruttoinlandsprodukts der EU entfallen auf <strong>die</strong> öffentliche <strong>Beschaffung</strong>.Sie hat folglich in Bereichen wie Sozialpolitik eine beachtliche Hebelwirkung. Mit ihrem“Guide to Taking Account of Social Considerations in Public Procurement” (<strong>Leitfaden</strong> zurBerücksichtigung sozialer Belange bei der Vergabe öffentlicher Aufträge) will <strong>die</strong> EuropäischeKommission daraus Nutzen ziehen, indem sie (a) den Vergabebehörden vorAugen führt, dass es vorteilhaft ist, sich für Güter und Dienstleistungen zu entscheiden,<strong>die</strong> positive soziale Ergebnisse bringen, und (b) erläutert, welche Möglichkeiten es unterdem bestehenden EU-Rechtsrahmen gibt, bei der Vergabe öffentlicher Aufträge sozialeBelange zu berücksichtigen. In dem <strong>Leitfaden</strong> wird gezeigt, was unter einem sozial verantwortlichen<strong>Beschaffung</strong>swesen (SRPP) zu verstehen ist, und anschließend sein Nutzenerklärt. SRPP wird vor dem Hintergrund des Sozialmodells der EU und des rechtlichenund politischen Ansatzes zu dem Thema in der Union untersucht. Ferner wird in dem<strong>Leitfaden</strong> eine SRPP-Strategie entwickelt und erläutert, wie man Erfordernisse erkenntund <strong>Beschaffung</strong>sverfahren plant. Nicht zuletzt wird aus rechtlicher Sicht erklärt, wiesoziale Belange in den verschiedenen Sta<strong>die</strong>n des <strong>Beschaffung</strong>sprozesses (von der Festlegungtechnischer Spezifikationen und Auswahlkriterien bis zur Vertragsvergabe undder Überwachung der darauf folgenden Leistungen) berücksichtigt werden können. ZurVeranschaulichung verschiedener Schritte in <strong>die</strong>sem Prozess werden nationale Beispieleherangezogen.Die elektronische Ausgabe <strong>die</strong>ser Veröffentlichung ist in allen Amtssprachen der EUerhältlich.


Wo erhalte ich eu-veröffentlichungen?Kostenlose Veröffentlichungen:• über den EU Bookshop (http://bookshop.europa.eu);• bei den Vertretungen und Delegationen der Europäischen Union.Die entsprechenden Kontaktdaten finden sich unter http://ec.europa.eu/ oder könnenper Fax unter der Nummer +352 2929-42758 angefragt werden.Kostenpflichtige Veröffentlichungen:• über den EU Bookshop (http://bookshop.europa.eu).Kostenpflichtige Abonnements (wie z. B. das Amtsblatt der Europäischen Unionoder <strong>die</strong> Sammlungen der Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Union):• über eine Vertriebsstelle des Amts für Veröffentlichungen der Europäischen Union(http://publications.europa.eu/eu_bookshop/index_de.htm).


KE-32-10-584-DE-CFalls Sie an den Veröffentlichungen der Generaldirektion Beschäftigung, Sozialesund Chancengleichheit interessiert sind, können Sie sie unter folgender Adresseherunterladen oder kostenfrei abonnieren:http://ec.europa.eu/social/publicationsUnter der folgenden Adresse können Sie sich auch gerne für den kostenlosenE-Newsletter der Europäischen Kommission Social Europe anmelden:http://ec.europa.eu/social/e-newsletterhttp://ec.europa.eu/socialwww.facebook.com/socialeuropeISBN 978-92-79-18387-4

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