2006 [2,4 MB] - Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur
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Erfahrungen in <strong>der</strong> täglichen Arbeit vor Ort. Es kann<br />
analysiert werden, wie sie auf Eingriffe <strong>der</strong> <strong>SED</strong> reagierte<br />
und welche Folgen diese Eingriffe in <strong>der</strong> Praxis<br />
hatten. Zudem: Konnte die Verwaltung den Spezifika<br />
<strong>der</strong> Infrastruktur entsprechen? Wie ist die eigene Leistung<br />
<strong>der</strong> Verwaltungssegmente zu beurteilen?<br />
Das Ministerium für Staatssicherheit (MfS) war in<br />
<strong>der</strong> DDR in allen gesellschaftlichen Sphären gegenwärtig,<br />
so auch im Verkehrswesen. Hierfür existierte<br />
beim MfS eine eigene Hauptabteilung (XIX), <strong>der</strong><br />
wie<strong>der</strong>um eine Abteilung speziell für die Deutsche<br />
Reichsbahn unterglie<strong>der</strong>t war. Ein weiteres Ziel des<br />
Projektes ist es, herauszuarbeiten, welche Erkenntnisse<br />
das MfS über die Lage bei <strong>der</strong> Infrastruktur <strong>der</strong> DR<br />
sammelte. Zudem wird danach gefragt, ob es möglicherweise<br />
auf diesem Gebiet selbst aktiv wurde, eigene<br />
Konzepte entwarf und ob es sich <strong>zur</strong> Verbesserung<br />
<strong>der</strong> Situation einschaltete. und ob diese Maßnahmen<br />
von Erfolg gekrönt waren<br />
Um dauerhaft eine leistungsfähige Infrastruktur sicherzustellen,<br />
sind Innovationen notwendig. Für die<br />
<strong>SED</strong>, die Verwaltung und das MfS soll am Beispiel<br />
<strong>der</strong> DR untersucht werden, inwieweit die DDR innovationsfähig<br />
war. Dabei soll die These aufgestellt<br />
werden, dass ein entscheiden<strong>der</strong> Grund für die un<strong>zur</strong>eichende<br />
Leistungsfähigkeit <strong>der</strong> Infrastruktur <strong>der</strong> DR<br />
in spezifischen Eigenschaften <strong>der</strong> nationalen Innovationskultur<br />
in <strong>der</strong> DDR begründet liegt. Hierzu rücken<br />
die Handlungs- und Orientierungsmuster in das Blickfeld,<br />
mit welchen diese Akteure auf wirtschaftliche<br />
und technische Probleme eingingen und welche kulturellen<br />
Umstände (z.B. Leitbil<strong>der</strong>, Gruppenidentitäten)<br />
dafür ausschlaggebend waren.<br />
Insgesamt kann mit <strong>der</strong> geplanten Studie beispielhaft<br />
die Funktionsweise und mögliche Grenzen <strong>der</strong><br />
<strong>SED</strong>-<strong>Diktatur</strong> weiter ausgelotet und können Einblicke<br />
in das „Innenleben“ dreier entscheiden<strong>der</strong> Stützen <strong>der</strong><br />
<strong>Diktatur</strong> gewonnen werden: <strong>der</strong> <strong>SED</strong>, <strong>der</strong> Verwaltung<br />
und des MfS.<br />
Als Quellenbasis dienen vorwiegend die Bestände<br />
des Bundesarchivs in Berlin. Für die schriftlichen Überlieferungen<br />
<strong>der</strong> <strong>SED</strong> betrifft das die Abteilung<br />
SAPMO, für die Verwaltung die Abteilung DDR.<br />
Darüber hinaus sind für die Bearbeitung des MfS die<br />
Akten <strong>der</strong> Beauftragten für die Stasi-Unterlagen zu<br />
nutzen. Im Rahmen eines solchen zeitgeschichtlichen<br />
Projektes sollen ergänzend in geringem Umfang Zeitzeugenbefragungen<br />
durchgeführt werden.<br />
RALPH KASCHKA, 1972 in Altenburg (Thüringen) geboren.<br />
1993–1995 Ausbildung zum staatlich geprüften<br />
Archivassistenten. 1996–2003 Studium <strong>der</strong> Neueren<br />
und Neuesten Geschichte, Wirtschafts- und Sozialgeschichte<br />
und Geographie an <strong>der</strong> TU Dresden.<br />
1999/2000 Studienaufenthalt an <strong>der</strong> heutigen London<br />
Metropolitan University (GB) mit Schwerpunkt auf<br />
<strong>der</strong> englischen und amerikanischen Geschichte sowie<br />
<strong>der</strong> Geschichte des europäischen Kommunismus seit<br />
1945.<br />
Zwischen Privileg und Anpassung. Arbeits-<br />
und Lebensbedingungen im Son<strong>der</strong>betrieb<br />
Uranerzbergbau Wismut <strong>der</strong><br />
DDR und die Rolle <strong>der</strong> Industriegewerkschaft<br />
im Spiegel <strong>der</strong> betrieblichen Sozialpolitik<br />
(1946–1989).<br />
VON<br />
JULIANE SCHÜTTERLE<br />
Als sowjetische Geheimdiensttruppen im Sommer 1945<br />
ins Erzgebirge kamen, um den entscheidenden Rohstoff<br />
im atomaren Rüstungswettbewerb aufzuspüren, ahnte<br />
wohl niemand, welche Ausmaße <strong>der</strong> kurz darauf gegründete<br />
Betrieb zum Uranerzabbau, die „Sowjetische<br />
Aktiengesellschaft Wismut“ annehmen würde.<br />
Nach Gründung <strong>der</strong> „Sächsischen Abbau- und Erkundungsexpedition“<br />
per Beschluss des Ministerrates<br />
<strong>der</strong> UdSSR 1946 und <strong>der</strong> Beschlagnahmung von Gruben<br />
und Betrieben durch die Besatzungsmacht waren<br />
die Weichen gestellt für die Bildung <strong>der</strong> Sowjetischen<br />
Aktiengesellschaft <strong>der</strong> Buntmetallindustrie „Wismut“,<br />
kurz SAG Wismut am 2. Juni 1947, die als Reparationsbetrieb<br />
arbeiten sollte. Sie hatte ihren Sitz in Moskau<br />
und eine Zweignie<strong>der</strong>lassung in Aue, die später<br />
nach Chemnitz verlegt wurde. Generaldirektor wurde<br />
<strong>der</strong> NKWD-Funktionär und ehemalige Chef eines sibirischen<br />
Arbeitslagers, Generalmajor Michail Malzew.<br />
Der Uranbergbau, <strong>der</strong> 1954 nicht wie die sonstigen<br />
Reparationsbetriebe durch die UdSSR an die DDR <strong>zur</strong>ückgegeben,<br />
son<strong>der</strong>n in eine Sowjetisch-Deutsche Aktiengesellschaft<br />
(SDAG) umgewandelt wurde, entwickelte<br />
ein in sich abgeschlossenes, unabhängig von <strong>der</strong><br />
DDR-Wirtschaft arbeitendes System, das oft auch als<br />
„Staat im Staate“ bezeichnet wird. Dazu gehörten neben<br />
einem lückenlosen Netz von Hilfs- und Nebenbetrieben<br />
(Transporteinrichtungen, Telekommunikationsnetzen,<br />
Ingenieurskapazitäten, Bau-, Montage- und<br />
Bohrbetrieben) auch eine eigene Gewerkschaft, ein eigenes<br />
Gesundheits- und Erholungswesen mit Ferienheimen<br />
und Kulturhäusern, die Handelsorganisation<br />
Wismut, eine Parteiorganisation <strong>der</strong> <strong>SED</strong>, Bildungseinrichtungen<br />
und eine Organisationseinheit <strong>der</strong> Staatssicherheit.<br />
Die ersten Aktivitäten des Bergbaubetriebes<br />
konzentrierten sich im Raum Johanngeorgenstadt, Aue,<br />
Schneeberg, Freiberg und Schlema und weiteten sich<br />
später auf den Ostthüringer Raum um Ronneburg und<br />
Gera aus.<br />
Da <strong>der</strong> schnelle und rücksichtslose Ausbau des Uranbetriebes<br />
in den ersten Jahren zu chaotischen und katastrophalen<br />
Arbeits- und Lebensbedingungen führte, in <strong>der</strong>en<br />
Folge viele <strong>der</strong> ohnehin meist zwangsrekrutierten<br />
Bergleute das Erzgebirge fluchtartig in Richtung Westen<br />
verließen, wurden sozial- und lohnpolitische Maßnahmen<br />
getroffen, die den Erzbergbau zu einem attraktiven<br />
weil privilegierten Industriezweig machten, <strong>der</strong> er bis zu<br />
seinem Ende 1989/90 im Wesentlichen bleiben sollte.<br />
Das vorliegende Dissertationsprojekt soll einen Einblick<br />
in den Arbeitsalltag dieses außergewöhnlichen<br />
DDR-Betriebes geben und vor dem Hintergrund <strong>der</strong> be-<br />
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