Arthur Guttmann – Ein Pionier bei der Nutzung von EisenhüttenschlackenDr.-Ing. A. EhrenbergAm 4. Dezember 1948 verstarb imLondoner Exil Professor Dr. phil. ArthurGustav Guttmann. Der 60. Jahrestag seinesTodes ist Anlass, an diesen Pionier bei derNutzung von Eisenhüttenschlacken, insbesonderebei der Nutzung von Hüttensandals Bestandteil von Eisenportlandzement, zuerinnern.Ausbildung in BreslauArthur Gustav Guttmann (Bild 1) wurde am14.04.1881 in Breslau, dem heutigenWroclaw, als Sohn des Fabrikanten LouisGuttmann geboren. Familie Guttmann warjüdischen Glaubens. Im Oktober 1901erhielt Arthur Guttmann das "Zeugnis derReife" und widmete sich an den UniversitätenBreslau und München (Sommersemester1902) dem Studium der Naturwissenschaften,insbesondere dem der Chemie.1903-1905 leitete er in Vertretung dasFabrikgeschäft ätherischer Öle und Essenzenseines Bruders, bestand 1906 das Vorexamenund 1908 das Examen rigorosum.Danach war er Assistent am agrikulturchemischenund bakteriologischen Institut. Am26.06.1908 verteidigte er seine Inaugural-Dissertation zur Erlangung der philosophischenDoktorwürde "Über Wismutoxydulverbindungen"[2].Der EisenportlandzementVom 01.06.1909 bis zum 31.12.1911war Arthur Guttmann 2., dann 1. AssistentDr. Hermann Passows in dessen Chemisch-Technischer Versuchsstation in Blankenese[3]. Passows Versuchsstation wargleichzeitig Laboratorium des 1901 gegründetenVereins Deutscher Eisenportlandzement-Werke(VDEPZ), der zunächst besondersum die Gleichberechtigung desEisenportlandzements mit dem Portlandzementkämpfen musste [4]. Die Arbeit inBlankenese dürfte Arthur Guttmann zumersten Mal mit den Eisenhüttenschlackenund insbesondere mit dem Hüttensand inVerbindung gebracht haben. Im Januar 1912zog Arthur Guttmann von Blankenese nachDüsseldorf, um die neu gegründete eigenePrüfungsanstalt des VDEPZ zu leiten.Dieses Vereinslaboratorium hatte zunächstdie Aufgabe, "die von den Vereinswerkenhergestellten Eisenportlandzemente auf ihrenormgemäße Beschaffenheit laufend zuuntersuchen und die Ergebnisse dieser Prüfungenmit denen anderer Bindemittel zuvergleichen" [5]. Der Standort des Laboratoriumswechselte bereits nach 1 Jahr zumSitz des Vereins Deutscher EisenhüttenleuteVDEh. 1919 wurde Arthur Guttmann auchGeschäftsführer des VDEPZ. 1922 wurde inder Roßstrasse 107 gemeinsam mit dem1913 gegründeten Verein Deutscher Hochofenzementwerke(VDHZ) das gemeinsame"Forschungsinstitut der Hüttenzement-Industrie" gegründet (Bild 2). 2 Geschäftsführerteilten sich die Leitung des Instituts:Dr. Arthur Guttmann für den VDEPZ undBild 1: Arthur Gustav Guttmann [1]die Abteilung Eisenportlandzement sowieDr. Richard Grün, vormals ebenfalls Assistentdes 1919 verstorbenen Passow unddessen Schwiegersohn, für den VDHZ unddie Abteilung Hochofenzement. Guttmanndefinierte in seiner Eröffnungsrede als Zieldes Instituts "die Erforschung der gesamtenSchlacken der Eisenindustrie und ihrerNutzbarmachung für das Baugewerbe" [6].Heute befindet sich auf dem Gelände Roß-,Ecke Tannenstrasse das Forschungsinstitutdes Vereins Deutscher Zementwerke.Offenbar gelang die Kooperation aber nichtim erhofften Maß. "Um seinem Institut ...eine selbständige Entwicklung zu sichern"[5] wurde im Januar 1926 in der DüsseldorferEckstrasse 17 wieder ein separatesForschungsinstitut des VDEPZ geschaffen(Bild 3 und Bild 4). Seit März 1927 warFamilie Guttmann dort gemeldet.Die wissenschaftliche ArbeitDer Schwerpunkt der wissenschaftlichenArbeit Arthur Guttmanns und seiner Mitarbeiterlag bei zement- und betontechnischenFragestellungen. Aber auch Fragen zurHochofenstückschlacke für Straßen- undGleisbau, zu Schlackenmauer- und Schlackenpflastersteinen,zur Schlackenwolle undzum Hüttenbims wurde nachgegangen. DieArbeit trug erheblich dazu bei, den Eisenportlandzementzu etablieren, für denbereits 1909 erstmals die "Deutschen Normenfür einheitliche Prüfung und Lieferung"erschienen waren. Im Runderlassdes preußischen Ministers der öffentlichenArbeiten vom 18.01.1915 heißt es: "...Versuche haben ergeben, daß Eisenportlandzementund Portlandzement im allgemeinenals gleichwertig zu erachten sind.Gegen deren wahlweise Verwendung beiöffentlichen Bauten ist daher nichts einzuwenden"[5].Arthur Guttmann publizierte zwischen1912 [9] und 1938 [10] mehr als 70 Veröffentlichungen.Dazu zählen die "Berichteder Prüfungsanstalt des Vereins DeutscherEisenportlandzement-Werke" in den Jahren1913, 1914 und 1915, zahlreiche Beiträge inFachzeitschriften wie z. B. "Zement", "Stahlund Eisen", "Tonindustrie-Zeitung" (auchals "Mitteilungen aus dem Forschungsinstitutdes Vereins Deutscher Eisenportlandzement-Werke")sowie die Broschüre"Eisenportlandzement und Eisenbeton". Inseinen Beiträgen beschäftigte sich ArthurGuttmann z. B. mit dem "Zementbazillus"[11], mit einem "Betonkomparator" zurBewertung des Betonschwindens [12], mitDünensand für Betonbauten im Meerwasser[13] oder mit dem "Eisenzerfall" der Hochofenstückschlacke[14].Insbesondere muss das 1919 in 1. Auflageerschienene Buch "Die Verwendung derHochofenschlacke im Baugewerbe" erwähntwerden, in dem zum ersten Mal ein umfangreicherÜberblick über die verschiedenenAnwendungsbereiche der Hochofenschlackegegeben wurde (Bild 5) [15]. 1934 konnteReport des <strong>FEhS</strong>-Instituts 2/2008 10
1922Bild 2:Forschungsinstitut derHüttenzement-Industrie,Düsseldorf, Roßstr. 107 [7]noch eine erweiterte 2. Auflage erscheinen,die u. a. zahlreiche konkrete Anwendungsbeispieledokumentierte [16]. Weiteste Verbreitungdürften die Eisenportlandzement-Taschenbücher gefunden haben. Hatte die1. Ausgabe von 1903 lediglich 46 Seitenund erläuterte im Wesentlichen die grundlegendenEigenschaften des Eisenportlandzements,so erreichte die 6. Ausgabe von1931 340 Seiten, auf denen alle wesentlichenFragestellungen zum Thema diskutiertund viele Referenzobjekte zusammengetragenwurden. Mindestens 12 Patentesind seit 1917 unter Guttmanns Namen registriert,die sich z. B. auf öldichten Beton[17] oder auf Düngemittel aus Hochofenschlacke[18] beziehen.Arthur Guttmann war Mitglied in zahlreichenwissenschaftlichen Gremien, soz. B. im VDEh-Ausschuss für Verwertungder Hochofenschlacke, im Deutschen Ausschussfür Stahlbeton oder im Zementnormungsausschuss[1]. Auch internationalwar er in die Aktivitäten zur Schlackenforschungeingebunden, z. B. bei derNational Slag Association in den USA.Mit Schreiben vom 25.02.1930 beantragteder Dekan der Fakultät für Stoffwirtschaftder Technischen Hochschule Aachen mitZustimmung des Rektors und des Senatsbeim Preußischen Minister für Wissenschaft,Kunst und Volksbildung "die Ernennungvon Herrn Dr. phil. Arthur Guttmann... zum Honorarprofessor" und bezeichnetihn als einen "der bedeutendsten Fachleuteund Wissenschaftler auf dem Gebiet derSchlackenverwertung, der Zementherstellungund -verwertung". Mit Schreiben vom07.05.1930 wird dem Antrag stattgegeben.In seinem Dankschreiben an den Ministerbetont Guttmann, dass seine Berufung derEisenportlandzementindustrie "ein weitererAnsporn sein wird im Streben nach steterVervollkommnung ihres Erzeugnisses aufwissenschaftlicher Grundlage zum Nutzender Allgemeinheit" [19].Die VertreibungArthur Guttmann war verheiratet mitHelene Stuckmann aus Langenfeld undVater der am 19.09.1915 in Düsseldorfgeborenen Tochter Hildegard. Unmittelbarnach der Machtergreifung der Nationalsozialistenim März 1933 begann die Verfolgungder Bürger jüdischen Glaubens. Sowurde am 07.04.1933 das "Gesetz zurWiederherstellung des Berufsbeamtentums"erlassen, um politisch missliebige sowiejüdische Beamte aus dem Dienst vertreibenzu können. Auch an der TH Aachen wurdenumgehend Fragebögen an den Lehrkörperverteilt, die kurzfristig bis um 22.04.1933ausgefüllt werden mussten und u. a. Fragenzur "Rassenzugehörigkeit" der 4 Großelternbeinhalteten.Zunächst versuchte Arthur Guttmann, dieAusfüllung des Fragebogens zu vermeiden,da er, wie er in seinem Brief an den Rektorvom 04.05.1933 schrieb, "als nichtbeamteterHonorarprofessor, der auchkeinen Lehrauftrag hat, nicht zu den in demSchreiben des Herrn Ministers vom12. April 33 und im Fragebogen einzelnaufgeführten Kategorien des Lehrkörpersgehöre" [20]. Er wurde jedoch hierzugezwungen, was er offenbar zunächst nichtauf dem "amtlichen Formular" und nur"teilweise" tat, wie im Schreiben desRektors an das Ministerium vom01.08.1933 bekundet wird. Um demsicheren Entzug der Professur zuvorzukommen,stellte Arthur Guttmann im September1933 beim Ministerium den Antrag,die Lehrbefugnis zurückzuziehen. Dieserfolgte umgehend mit dem Hinweis, dass"Ihre Auffassung, dass Sie die Frage 4 e desFragebogens [Anm: Sind Sie arischer Abstammung...?] nicht zu beantwortenbrauchten" nicht zutreffend sei. Sogar dasTragen des Professorentitels erregte Anstoß,wie ein Schreiben des Düsseldorfer OberbürgermeistersWagenführ vom 02.12.1933an den Rektor der TH Aachen belegtmit dem Hinweis: "Von verschiedenen Seitenhöre ich nun über Guttmann außerordentlichungünstige Urteile und denWunsch um Aufklärung, ob es ihm erlaubtsei, sich noch weiterhin als Professor zubezeichnen ...". Im Januar 1934 versuchteArthur Guttmann, beim Ministerium dieWiedererteilung der Lehrbefugnis zuerreichen. Hierzu verlangte das Ministeriumaber den Nachweis "arischer Abstammung"[21]. An der TH Aachen verloren inder Zeit von 1933 bis 1938 u. a. zwölfProfessoren wegen ihrer jüdischen Abstammungoder aus politischen Gründenihre Ämter, zum Beispiel die ProfessorenBlumenthal, Kármán, Pick oder Salmang[22].1926 1943 1950Bild 3: Institut des VDEPZ, Düsseldorf, Eckstr. 17 [5, 8]Im April 1933 folgte der erste Boykottjüdischer Firmen und Geschäfte. 1935wurden die berüchtigten Nürnberger Rassengesetzeerlassen. Im Dezember 1936musste Arthur Guttmann aus der Geschäftsführungdes Vereins Deutscher Eisenportlandzement-Werkeausscheiden, begleitetvon den Glückwünschen zum 25jährigenDienstjubiläum am 01.01.1937 [23]. ImJanuar 1937 musste Familie Guttmann dieEckstrasse 17 verlassen.1926Bild 4:Chemielabor des Forschungsinstitutsdes VDEPZ [5]Report des <strong>FEhS</strong>-Instituts 2/2008 11