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THÜRINGER OBERVERWALTUNGSGERICHT Beschluss

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<strong>THÜRINGER</strong> <strong>OBERVERWALTUNGSGERICHT</strong><br />

- 1. Senat -<br />

1 VO 987/10<br />

Verwaltungsgericht Weimar<br />

- 2. Kammer -<br />

2 K 406/10 We<br />

In dem Verwaltungsstreitverfahren<br />

<strong>Beschluss</strong><br />

des Kindes _____ K_____,<br />

S_____, _____ E_____<br />

vertreten durch die Mutter Frau _____ K_____<br />

bevollmächtigt:<br />

Rechtsanwalt Lutz Petrowitz,<br />

Johannesstr. 176, 99084 Erfurt<br />

gegen<br />

die F_____ e. V.,<br />

vertreten durch den Vorstand,<br />

D_____, _____ E_____<br />

bevollmächtigt:<br />

Rechtsanwalt Klaus Müller,<br />

Michaelisstraße 30, 99084 Erfurt<br />

wegen<br />

Schulrecht,<br />

hier: sonstige Beschwerde im Klageverfahren<br />

Klägerin, Beschwerdeführerin und Beschwerdegegnerin<br />

Beklagte, Beschwerdeführerin und Beschwerdegegnerin


hat der 1. Senat des Thüringer Oberverwaltungsgerichts durch den Präsidenten des<br />

Oberverwaltungsgerichts Dr. Schwan, den Richter am Oberverwaltungsgericht<br />

Schneider und die an das Gericht abgeordnete Richterin am Verwaltungsgericht Pirk<br />

am 30. Juni 2010 beschlossen:<br />

Die Beschwerden der Klägerin und der Beklagten gegen den<br />

<strong>Beschluss</strong> des Verwaltungsgerichts Weimar vom 21. Mai 2010<br />

- 2 K 406/10 We - werden zurückgewiesen.<br />

Die Klägerin und die Beklagte haben die Kosten ihres Be-<br />

schwerdeverfahrens zu tragen.<br />

Die weitere Beschwerde wird nicht zugelassen.<br />

Gründe<br />

I.<br />

Die Beklagte, der Trägerverein einer staatlich anerkannten Ersatzschule, hat mit der<br />

Mutter der Klägerin am 09.10.2009 einen Schulvertrag geschlossen, auf den Bezug<br />

genommen wird. Diesen kündigte die Beklagte mit Schreiben vom 03.03.2010 inner-<br />

halb der Probezeit und bot der Mutter der Klägerin an, den Schulvertrag befristet bis<br />

zum Schuljahresende zu verlängern.<br />

Die Klägerin begehrt mit ihrer Klage festzustellen, dass die von der Beklagten er-<br />

klärte Kündigung des Schulverhältnisses unwirksam ist.<br />

Das Verwaltungsgericht Weimar hat sich nach Anhörung der Beteiligten mit Be-<br />

schluss vom 21. Mai 2010 - 2 K 406/10 We - für unzuständig erklärt und den Rechts-<br />

streit an das Amtsgericht Erfurt verwiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, hier<br />

liege kein Rechtsstreit im Sinne des § 40 VwGO vor. Rechtsgrundlage des Schulver-<br />

hältnisses zwischen den Beteiligten sei ein privatrechtlich geschlossener Schulver-<br />

trag. Für Streitigkeiten zwischen den Vertragsparteien, insbesondere um die Wirk-<br />

samkeit seiner Kündigung, seien die ordentlichen Gerichte zuständig. Dagegen<br />

spreche nicht der Umstand, dass die Beklagte eine anerkannte Ersatzschule sei. Nur<br />

1 VO 987/10 2


wenn von ihr über die Aufnahme, Versetzung oder Prüfung von Schülern entschie-<br />

den werde, werde sie hoheitlich tätig. Dies sei hier aber nicht der Fall.<br />

Gegen den der Klägerin am 02.06.2010 und der Beklagten am 01.06.2010 zuge-<br />

stellten <strong>Beschluss</strong> haben die Klägerin am 04.06.2010 und die Beklagte am<br />

14.06.2010 Beschwerde erhoben. Sie sind der näher dargelegten Auffassung, bei<br />

dem Rechtsstreit handele es sich um eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit.<br />

Sie beantragen sinngemäß,<br />

den <strong>Beschluss</strong> des Verwaltungsgerichts Weimar vom 21. Mai 2010<br />

- 2 K 406/10 We - aufzuheben.<br />

Der Berichterstatter hat die Bevollmächtigten der Beteiligten wegen der Dringlichkeit<br />

der Angelegenheit am 28.06.2010 fernmündlich angehört.<br />

Die Schulakte der Beklagten (eine Heftung) und die Gerichtsakte liegen dem Senat<br />

vor und waren Gegenstand der Beratung. Auf diese Unterlagen sowie auf den Inhalt<br />

der zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze wird zur Ergänzung des<br />

Sach- und Streitstandes Bezug genommen.<br />

Die Beschwerden sind zulässig.<br />

II.<br />

Sie sind insbesondere statthaft. Der <strong>Beschluss</strong> des Verwaltungsgerichts Weimar be-<br />

trifft nicht die sachliche oder örtliche Zuständigkeit, sondern den Rechtsweg. Mithin<br />

kommen nicht die Sätze 1 und 2 des § 83 VwGO zur Anwendung. Die Statthaftigkeit<br />

von Rechtsbehelfen gegen den <strong>Beschluss</strong> richtet sich vielmehr nach §§ 173 Satz 1<br />

VwGO in Verbindung mit 17a Abs. 4 Satz 3 GVG. Danach ist gegen den <strong>Beschluss</strong><br />

"die sofortige Beschwerde nach den Vorschriften der jeweils anzuwendenden Ver-<br />

fahrensordnung gegeben". Im Bereich der Verwaltungsgerichtsbarkeit ist also die<br />

Beschwerde nach §§ 146 ff. VwGO statthaft (vgl. Hessischer VGH, <strong>Beschluss</strong> vom<br />

24.08.2006 - 7 TJ 1763/06 - zit. nach Juris m. w. N.; Kopp/Schenke, Komm. zur<br />

VwGO, 16. Aufl. § 41 Rdnr. 28).<br />

Die Beschwerden haben in der Sache aber keinen Erfolg.<br />

1 VO 987/10 3


Das Verwaltungsgericht hat in dem angegriffenen <strong>Beschluss</strong> zu Recht den Rechts-<br />

weg zu den Verwaltungsgerichten für unzulässig erklärt und den Rechtsstreit in den<br />

Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten verwiesen. Für die Klage, mit dem der<br />

Kläger festzustellen begehrt, dass die von der Beklagten am 03.03.2010 erklärte<br />

Kündigung des Schulverhältnisses unwirksam ist, ist der Verwaltungsrechtsweg nicht<br />

zulässig.<br />

Nach § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO ist der Verwaltungsrechtsweg in allen öffentlich-<br />

rechtlichen Streitigkeiten nichtverfassungsrechtlicher Art gegeben, soweit die Strei-<br />

tigkeiten nicht durch Bundesgesetz einem anderen Gericht ausdrücklich zugewiesen<br />

sind. Eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit liegt hier nicht vor. Zur Begründung im Ein-<br />

zelnen wird auf die zutreffenden Gründe des angefochtenen <strong>Beschluss</strong>es Bezug ge-<br />

nommen (vgl. § 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO).<br />

Ergänzend sei ausgeführt: Das Rechtsverhältnis zwischen dem Schüler und dem<br />

Träger einer Privatschule ist in seiner Grundstruktur stets privatrechtlich ausgestaltet.<br />

Der Anspruch auf Verbleib in einer Privatschule richtet sich regelmäßig auf Erfüllung<br />

eines Schulvertrages auf der Grundlage des allgemeinen Vertragsrechts und hat<br />

mithin privatrechtlichen Charakter; solche Rechte sind als "bürgerliche Rechtsstrei-<br />

tigkeiten" gemäß § 13 GVG vor den ordentlichen Gerichten geltend zu machen (VGH<br />

Baden-Württemberg, <strong>Beschluss</strong> vom 26.03.1991 - 9 S 812/91 - zit. nach Juris; VGH<br />

Baden-Württemberg, <strong>Beschluss</strong> vom 08.06.1990 - 9 S 998/90 - zit. nach Juris; Baye-<br />

rischer VGH, <strong>Beschluss</strong> vom 28.01.1982 - 7 CE 81 A.2144 - NVwZ 1982, 562; Hes-<br />

sischer VGH, <strong>Beschluss</strong> vom 24.08.2006 - 7 TJ 1763/06 - zit. nach Juris;<br />

Theuersbacher, NVwZ 1999, 838 [843]; Niehues, Schul- und Prüfungsrecht, Band 1,<br />

Schulrecht, 4. Aufl. Rdnr. 1174 m. w. N.).<br />

Ob die Klägerin ein originäres Recht aus dem Vertrag oder aus einem abgeleiteten<br />

Recht aus einem Vertrag zugunsten Dritter geltend macht, ist - anders als die Be-<br />

klagte meint - unbeachtlich. Die Beteiligten verkennen insoweit im Übrigen auch,<br />

dass es hier nicht um das "Ob" der Schulpflicht, sondern die Art und Weise ihrer Er-<br />

füllung geht. Dass die Klägerin der Schulpflicht unterliegt, ist unstreitig. Streitig ist<br />

vielmehr, ob sie diese Pflicht bei der Beklagten, einem Verein, auf der Grundlage<br />

einer vertraglichen Beziehung erfüllen darf.<br />

1 VO 987/10 4


Etwas anderes könnte nur dann gelten, wenn die Streitigkeit öffentlich-rechtlich<br />

überlagert wäre, d. h. die Beklagte im Rahmen der von der Klägerin inzident be-<br />

haupteten Verweigerung der vertraglich geschuldeten Ausbildung hoheitliche Gewalt<br />

ausüben oder sich sonst auf öffentlich-rechtliche Vorschriften berufen würde, die<br />

zwischen den Beteiligten in Streit stehen.<br />

Dies ist aber hier nicht der Fall. Eine derartige öffentlich-rechtliche Überlagerung be-<br />

wirkt insbesondere nicht der Umstand, dass es sich bei der Beklagten um eine staat-<br />

lich anerkannte Ersatzschule handelt. Zwar erlangt eine Privatschule mit der staatli-<br />

chen Anerkennung die Rechtsstellung eines mit öffentlicher Gewalt beliehenen<br />

Unternehmers (BVerwG, Urteil vom 18.10.1963 - 7 C 45.62 - BVerwGE 17, 41), so<br />

dass im Umfang der Beleihung die zwischen der Privatschule und dem Schüler be-<br />

stehenden Rechtsbeziehungen öffentlich-rechtlicher Art im Sinne des § 40 Abs. 1<br />

Satz 1 VwGO sind. Der Umfang der Beleihung bestimmt sich jedoch nach den ihr<br />

zugrunde liegenden gesetzlichen Vorschriften.<br />

Nach der insoweit in Thüringen einschlägigen Regelung des § 9 Abs. 2 Satz 1<br />

ThürSchfTG erhält die Ersatzschule mit der Anerkennung das Recht, nach den für<br />

die entsprechenden öffentliche Schulen geltenden Vorschriften Prüfungen abzuhal-<br />

ten und Zeugnisse zu erteilen, die die gleichen Berechtigungen verleihen wie die der<br />

staatlichen Schulen. Danach bestehen aufgrund der staatlichen Anerkennung<br />

zwischen der Ersatzschule und dem Schüler nur im Bereich des Prüfungs- und<br />

Zeugniswesens öffentlich-rechtliche Beziehungen. Im Übrigen bleibt es bei der pri-<br />

vatrechtlichen Natur des Schulverhältnisses. Dies gilt insbesondere für die Erfüllung,<br />

Kündigung oder sonstige Fragen des Bestandes des Schulvertrages.<br />

Für eine öffentlich-rechtliche Überlagerung des Rechtsstreits spricht schließlich auch<br />

nicht § 9 Abs. 2 Satz 3 ThürSchfTG. Danach ist die Ersatzschule verpflichtet, bei der<br />

Aufnahme, bei Versetzungen sowie beim Schulwechsel von Schülern die für staat-<br />

liche Schulen geltenden Regelungen anzuwenden. Unabhängig davon, dass hier<br />

keine der im Gesetz angesprochenen Maßnahmen im Streit steht und die Beendi-<br />

gung des Schulverhältnisses vom Wortlaut der Vorschrift nicht erfasst wird, legt diese<br />

Bestimmung im Grundsatz nur der Schule Pflichten im Verhältnis zum Staat auf.<br />

Öffentlich-rechtliche Befugnisse gegenüber dem Schüler werden ihr nur nach § 9<br />

Abs. 2 Satz 1 ThürSchfTG übertragen.<br />

1 VO 987/10 5


Der Begriff der Aufnahme ist aber auch nicht weit - die Beendigung des Schulver-<br />

hältnisses umfassend - auszulegen, weil § 9 Abs. 2 Satz 3 ThürSchfTG nach dem<br />

gesetzgeberischen Zweck nur die Aufgabe hat, als Folge der Annäherung an die<br />

staatlichen Schulen durch die staatliche Anerkennung Mindeststandards für die kon-<br />

kret bezeichneten Maßnahmen festzulegen (vgl. Landtagsdrucksache 1/2928, S. 13),<br />

um dadurch die Durchlässigkeit des Schulsystems in Thüringen zu gewährleisten,<br />

nicht aber die gesamte, eigenverantwortliche Schülerauswahl der Privatschulen ge-<br />

setzlich zu normieren und jede Frage der Begründung und Beendigung des Schul-<br />

verhältnisses zwischen ihnen und ihren Schülern staatlicher Kontrolle zu unterwerfen<br />

(vgl. für eine vergleichbare Vorschrift des bayerischen Rechts ebenso BayVGH, Be-<br />

schluss vom 28.01.1982, a. a. O. 563). In diesem Sinne bezieht sich die gesetzliche<br />

Bindung bei der Aufnahme nur auf die allgemeinen (Leistungs-)Bedingungen bei<br />

einer Aufnahme in die jeweilige Schulart bzw. Schulform (etwa Aufnahmeprüfungen,<br />

Probezeit …).<br />

Zwischen den Beteiligten besteht auch in diesem Sinne kein Streit über die Erfüllung<br />

oder Nichterfüllung gesetzlich vorgesehener Probezeiten, sondern es geht darum, ob<br />

die Beklagte auf der Grundlage der vertraglich in § 4 des Schulvertrags vereinbarten<br />

Probezeit, die inhaltlich nicht an gesetzliche Leistungsanforderungen anknüpft, das<br />

Schulverhältnis beenden durfte.<br />

Die Kostenentscheidung folgt für beide Beteiligten aus § 154 Abs. 1 VwGO. § 17 b<br />

Abs. 2 Satz 1 GKG findet nach ständiger Rechtsprechung auf die Beschwerde gegen<br />

einen Verweisungsbeschluss keine Anwendung (vgl. Kopp/Schenke: Komm. zur<br />

VwGO, 16. Aufl. § 40 Rdnr. 37 m. w. N.). Die Festsetzung eines Streitwerts für das<br />

Beschwerdeverfahren ist entbehrlich, da nach Nr. 5502 des Kostenverzeichnisses<br />

(Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG) für jeden Beteiligten eine Festgebühr anfällt.<br />

Die weitere Beschwerde gemäß § 17a Abs. 4 Satz 4 GVG war nicht zuzulassen.<br />

Dieser Bestimmung zufolge steht den Beteiligten die Beschwerde gegen einen Be-<br />

schluss des oberen Landesgerichts an den obersten Gerichtshof des Bundes nur zu,<br />

wenn sie in dem <strong>Beschluss</strong> zugelassen worden ist. Dies hat zu geschehen, wenn die<br />

Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung hat oder wenn das Gericht von der Entschei-<br />

dung eines obersten Gerichtshofs des Bundes oder des Gemeinsamen Senats der<br />

obersten Gerichtshöfe des Bundes abweicht (vgl. § 17a Abs. 4 Satz 5 GVG). Diese<br />

Voraussetzungen liegen hier nicht vor.<br />

1 VO 987/10 6


Hinweis:<br />

Der <strong>Beschluss</strong> ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).<br />

Dr. Schwan Schneider Pirk<br />

1 VO 987/10 7

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