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„Das Absurde ist eine Methode" - Wolfgang Fritz Haug

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surdismus", der nicht mit den typischen Kopula operiert („Absurdismus, das<strong>ist</strong> . ."), sondern mit Verben wie „stellt sich her über", „konstituiert sich mithilfe"(30) oder am deutlichsten: „Das <strong>Absurde</strong> <strong>ist</strong> die Konstruktion des . .".Das heißt: <strong>Haug</strong> läßt sich nicht auf jene Leser-Attitüde gegenüber philosophischenTexten ein, die „noch auf der vorletzten Seite alle Sätze für r<strong>eine</strong> Definitionen(hält), die man zunächst einmal fressen muß, um das so unendlich wichtige‚Ganze' zu begreifen" (Brecht) 7 . Die von Brecht geforderte Haltung wird bevorzugt,wodurch die Philosophen „als ziemlich skrupellose und voreilige Konstrukteure"beschrieben werden können, „nicht als Finder, sondern als Erfinder"(ebd.).Der Produktionslogik <strong>ist</strong> nachgegangen worden, das Material als Material sichtbargemacht, rekonstruiert in s<strong>eine</strong>n oft disparaten und eigentlich inkommensurablenTeilen, dessen Vergewaltigung bzw. Organisierung in <strong>eine</strong> imaginäreKohärenz durch Zusammenfügen und Einpressen in ein geschlossenes philosophisch-ideologischesSystem k<strong>eine</strong> Fragen mehr zuläßt, die das System als solchesinfragestellen könnten. Das <strong>ist</strong> mehr als nur <strong>eine</strong> ideologiekritische Analysedes Interesses am Absurdismus. Denunziert werden nicht nur die Konklusionen,die Erscheinung jener Ideologie(n), sondern darüberhinaus wird <strong>eine</strong> Kritik desIdeologischen praktiziert, d. h. <strong>eine</strong> radikale Kritik des wirklichen Produktionsvorgangsihrer Mechanismen, ihrer „Prämissen", von der her notwendig die Kritikder „Bewußtseinsformen", der „Denkbarkeit" dieser Mechanismen und Effektefolgt 8 . In diesem Sinne <strong>ist</strong> die Kritik anti-teleologisch zu nennen, die nichtvon <strong>eine</strong>r bestimmten politischen Position aus die oberflächlichen Inhalte absurdenDenkens mißt, sondern die dem ideologischen Denken Sartres „die Fragenach s<strong>eine</strong>n Fragen" (Althusser) stellt, um so erst den Sinn s<strong>eine</strong>r Antworten zuverstehen.III. Ideologische Lesarten: Wiedererkennen oder RevolteEntscheidend <strong>ist</strong> die Ausweitung dieses Verfahrens auf literarische Texte. DieAnalyse der zentralen Topoi des Sartreschen Denkens (mit ausführlichen Hinweisenauf die je besonderen Ausprägungen bei Camus, Beckett, Ionesco, Borges,Frisch usw.) setzt nämlich in jener Dimension an, „in der ideologischer undkünstlerischer Prozeß zusammentendieren" (XXXII). Wenn nun jeder „ontologischeBegriff des <strong>Absurde</strong>n konstruiert" <strong>ist</strong>, müssen sich die Aporien des absurdenDenkens in der Sprache ausdrücken: „Sartre wird fundamental verraten von derSprache" (100). Damit hat <strong>eine</strong> Analyse vornehmlich die Diskontinuitäten,Brüche, die bestimmten Abwesenheiten oder — mit dem Begriff der material<strong>ist</strong>ischen Dialektik — die Widersprüche zu beachten: <strong>eine</strong> klare Wendung gegen einvon der Totalität des (Kunst-)„Werkcharakters" bestimmtes Vorgehen in derwissenschaftlichen Erklärung literarischer Texte 9 . Eine weitere Konsequenz ausdiesem „Zusammentendieren" als Prämisse <strong>ist</strong>, nicht mehr nur Ideologie(n) inder Literatur herauszufiltern (das bliebe nur Ideologiekritik), sondern die Ex<strong>ist</strong>enz<strong>eine</strong>r Ideologie der Literatur bzw. literarische („ästhetische") Praxisartenals ideologische aufzudecken. Ist doch Ideologie nicht einfach (mehr oder weniger)falsches Bewußtsein, sondern umfaßt verschiedene Weisen der Bewußtwer-DAS ARGUMENT 106/1977 (c)

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