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„Das Absurde ist eine Methode" - Wolfgang Fritz Haug

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21LIOU11.4G IOC GUIC' AliCLILL/L4C 04.7dung, zu denen als je besondere Formen auch Literatur und Philosophie gehören.Die Relevanz des Sartreschen Werks macht dann eben nicht nur die bloßeTransmission von literarisch verpackten philosophisch-weltanschaulichen Doktrinenaus, sondern deren Konstruktionscharakter bestimmt wesentlich die ideologischeKommunikation, weit mehr noch als der scheinbar explizite „Inhalt".Die richtige Reihenfolge: erst die „detaillierte Beschäftigung mit den ideellen undästhetischen Materialien und ihrer Verarbeitung" (XXXIV) lehrt uns das Politischean ihnen; nicht umgekehrt. Die Fragestellung desjenigen, der Sartre liest,verändert sich damit; sie lautet nicht mehr „Was sagt uns Sartre?" sondern:„Wie, auf welche Weise wird er sich bestimmter Erfahrungen bewußt und wasmacht er daraus?" Indem die absurd<strong>ist</strong>ische „Lösung" (der „Vermittlungseffekt")in der Literatur im Hinblick auf ihr Produziertsein betrachtet wird, alsonicht _abstrahiert wird von den Besonderheiten ihrer literarischen Umsetzung,von der „Arbeit des Schriftstellers", werden zwei gängige Lesarten von Sartre,die als „kritisch" gelten wollen, verhindert: 1) Primär für die „Kritik des Absurdismus"wird nicht — im Sinne h<strong>ist</strong>oriz<strong>ist</strong>ischer literatursoziologischer Methoden —die Darstellung der konkreten Bedingungen des h<strong>ist</strong>orischen Phänomens „Absurdismus",also der „Einflüsse, Hintergründe" usw., sondern die s<strong>eine</strong>r Struktur,s<strong>eine</strong>r Konstruktion, s<strong>eine</strong>r Mechanismen Dieses Vorgehen nimmt sich dieMarxsche Methode im „Kapital" zum Vorbild: dort steht ja auch nicht die konkreteAnalyse der „ursprünglichen Akkumulation" am Anfang, sondern die Warenanalyse,die der „Zellform", des Entwicklungsgesetzes des Kapitalismus 10 .Der Bezug von Literatur und Politik, von Literatur und Geschichte <strong>ist</strong> k<strong>eine</strong> einfacheKorrelation, damit auch k<strong>eine</strong> Übersetzung oder Rekonstruktion <strong>eine</strong>s bereitsvorher anwesenden und von anderen Wissenschaften bereits analysiertenund gewerteten Gegenstands. Das Objekt „Absurdismus" wird im Gegenteil erstdurch <strong>eine</strong> Methode, die die vom Gebiet selbst vorgeschriebenen Bedingungenerfüllt, konstituiert. 2) Das Gefährliche, weil Irreführende in Sartres literarischemWerk <strong>ist</strong> dessen Herausforderung zu <strong>eine</strong>r ideologiekritischen Lektüre, die Erkenntnisals Extraktion aufnötigt, d. h. Ideologie(n) aus der Literatur herausfiltern/herausschälenläßt (die alte Philologenfrage: „Was will uns der Dichterhiermit sagen?"). Der Leser (Sartres wie der s<strong>eine</strong>r Kommentatoren) kann sonicht aus dem geschlossenen Zirkel des ideologischen Wiedererkennens/Verkennensherauskommen: entweder er akzeptiert die ihm vorgesetzten Ideologien,erkennt sich in ihnen wieder, unterwirft sich also dem ideologischen System;oder er lehnt diese pauschal ab, „revoltiert" gegen sie: das sind zwei Seiten derselbenMedaille. Beide Modalitäten erlauben k<strong>eine</strong> Erkenntnis, sondern haltendas Subjekt in der spiegelhaften Struktur des Wiedererkennens von bereits Bekanntemfest: das Urteil des Lesers stand ja bereits vor der Lektüre fest und hatsich nach dieser nur verfestigt.IV. Material<strong>ist</strong>ische Gegenlektüre: Transformation des SubjekteffektsHieraus <strong>ist</strong> die Betroffenheit zu erklären, die sich bei der Lektüre des Bucheseinstellt. Der Nachvollzug dieser Material-Entfesselung, die nichts anderes <strong>ist</strong> alsdie Re-Konstruktion der Wünsche und Ängste, der Gefühle, Denkweisen undDAS ARGUMENT 106/1977 11:)

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