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Berliner Debatte Initial

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Das Auf und Ab der Finanz- und Gütermärkte<br />

wirtschaftliche Diagnosen sind bei ihm dagegen<br />

kaum zu finden.<br />

Minsky, der Theoretiker der finanziellen<br />

Instabilität: Ist er damit der konsequente Weiterdenker<br />

des Marxschen Grundthemas aus realer<br />

Prosperität und realer Krise? Wäre Minsky, in<br />

Anlehnung an derzeitige Sprachmoden, als der<br />

moderne Marx zu interpretieren, als Marx 2.0?<br />

Oder steht er doch eher in der Traditionslinie<br />

von Keynes, von dem Minsky behauptet, ihn,<br />

Keynes, ohne das zentrale Moment der Unsicherheit<br />

in einer kapitalistischen Welt zu denken,<br />

wäre ebenso wenig vorstellbar wie Hamlet<br />

ohne den Prinzen (Minsky 1975: 75)? Werfen<br />

wir also noch einen präzisierenden Blick auf<br />

Minskys Theorie der finanziellen Instabilität,<br />

bevor wir eine Standortbestimmung wagen.<br />

Minskys These finanzieller Instabilität<br />

Minskys Überlegungen stellen eine monetär<br />

ausgerichtete Erweiterung der Keynesschen<br />

Theorie dar. Erwartungen und Unsicherheiten<br />

spielen bei privaten, dezentralen Produktionsentscheidungen,<br />

die in die Zukunft reichen,<br />

eine zentrale Rolle. Bei Keynes bezogen sich<br />

die Erwartungen und Unsicherheiten vor allem<br />

auf Investitionsentscheidungen und die mit<br />

ihnen verbundenen Wechselfälle des Lebens<br />

hinsichtlich der Erlöse und der Kosten. Niemand<br />

kann mit Sicherheit sagen, ob eine heutige<br />

Investitionsentscheidung sich morgen als<br />

rentabel erweisen wird. Insofern bezogen sich<br />

Keynes´ Überlegungen auf den realen Bereich<br />

der Ökonomie. Minsky hingegen untersucht<br />

Finanzierungsprozesse und betont die Folgen<br />

von Spekulation und Unsicherheit für den realen<br />

Bereich. Seine Theorie ist eine zyklische<br />

(Krisen-)Theorie, die ihren Ausgangspunkt im<br />

monetären Bereich und somit auf der Passivseite<br />

der Unternehmensbilanz nimmt. Sie übt<br />

ihrerseits Wirkungen auf den realen Bereich<br />

und somit auf die Aktivseite aus, mit dem<br />

Ergebnis krisenhafter Rückwirkungen auf die<br />

Finanzierungsstruktur. Sowohl der Zeitpunkt<br />

als auch die Entwicklungen, die dazu führen,<br />

dass aus einer prosperierenden Ökonomie<br />

eine veritable Krise entsteht, sind bei Minsky<br />

grundsätzlich nicht prognostizierbar. Somit<br />

53<br />

erfolgte auch keine formale Ausarbeitung seiner<br />

Theorie. Minsky versteht seine Ideen als einen<br />

ausformulierten Finanzmarkt-Keynesianismus.<br />

Die angemessene Sicht auf die Ökonomie sei<br />

die der Wall Street, heißt es bei ihm (Minsky<br />

1982: 102).<br />

Explizit orientiert sich der Minsky-Prozess<br />

an der Kreislauftheorie einer profitgesteuerten<br />

Akkumulationsdynamik, wie sie bereits von<br />

Nicholas Kaldor und Michal Kalecki ausformuliert<br />

worden sind. Profite sind hier das<br />

kreislauftheoretische Gegenstück zur Investitionsdynamik<br />

(ebd.: 64). Die Unternehmen<br />

sind ganz im Sinne Kaldors die „Herren ihres<br />

eigenen Geschicks“ (Kaldor 1980: 250).<br />

Damit folgt Minsky zugleich Keynes´ zentraler<br />

Idee, dass die Festlegung der Investitionsquote<br />

und des Konsums der Unternehmer<br />

die Profitquote und damit die funktionale Einkommensverteilung<br />

determinieren, sieht man<br />

einmal vom Sparen der Lohnempfänger ab. Es<br />

ist die Dialektik von Investitionsentscheidung<br />

und Profiterzielung, der biblische „Krug der<br />

Witwe“, der sich als unerschöpfliche Quelle der<br />

Dynamik, auch bei ausschweifendem Leben,<br />

sieht (vgl. Keynes 1971: 125).<br />

Die Höhe der Investitionen speist sich<br />

somit aus der Höhe der erwarteten Profite.<br />

Erwartete Profite ihrerseits werden von den<br />

realisierten Profiten bestimmt; und die realisierten<br />

Profite ihrerseits werden durch die Höhe<br />

der Investitionen bestimmt. Seine Grenzen<br />

erfährt dieses Kreislaufmodell lediglich durch<br />

die finanzielle Fragilität des Investitionsprozesses.<br />

Dies war offenbar auch Keynes klar,<br />

indem er die Dialektik von Gewinnen und<br />

unternehmerischen Ausgabenentscheidungen<br />

dahingehend auflöst, dass jener „Krug der<br />

Witwe“ nur solange unerschöpflich ist, wie<br />

sich Unternehmen als Kollektive verhalten und<br />

einen Geld- und Güterkreislauf innerhalb ihrer<br />

eigenen Klasse installieren. Ansonsten lässt sich<br />

der Zusammenhang genauso gut umkehren:<br />

Wenn Unternehmen Verluste machen und<br />

diese zu kompensieren suchen durch geringere<br />

Konsumausgaben, d.h. durch zusätzliche<br />

Sparanstrengungen, werde aus dem „Krug der<br />

Witwe“ das „Fass der Danaiden“, das niemals<br />

gefüllt werden könne (Keynes 1971: 125). An<br />

die Stelle des Gesetzes vom nie versiegenden

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