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Strafbarkeit wegen falscher Verdächtigung im Lichte des nemo ... - ZIS

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<strong>Strafbarkeit</strong> <strong>wegen</strong> <strong>falscher</strong> Verdächtigung nach polnischem Strafrecht_____________________________________________________________________________________keit <strong>wegen</strong> <strong>falscher</strong> Verdächtigung sprechen nämlich andereGründe als für den Ausschluss der <strong>Strafbarkeit</strong> <strong>wegen</strong> Falschaussagebzw. Falschangaben. Neben dem (den Konträrtypus<strong>des</strong> Rechts auf Verteidigung begründenden) Interesse derJustiz kommen <strong>im</strong> Falle der falschen Beschuldigung auchnoch die Rechtsgüter der falsch beschuldigten Person insSpiel sowie die Gefahr einer ungerechten Verurteilung undsomit eine Gefahr für die Justiz in einem anderen Aspekt, alses bei der Begründung <strong>des</strong> Rechts auf Verteidigung der Fallist.Für die Absicht <strong>des</strong> Gesetzgebers, <strong>wegen</strong> <strong>falscher</strong> Beschuldigungauch denjenigen strafrechtlich zu belangen, dermit seinen Aussagen bzw. Angaben fälschlicherweise eineandere Person beschuldigt, um sich auf diese Weise derStrafverantwortung zu entziehen, spricht der Umstand, dassArt. 234 polnStGB keine Straffreiheitsklausel enthält, wie siein Art. 236 § 2 polnStGB und Art. 240 § 3 polnStGB vorgesehenist. Aber auch hinsichtlich dieser Frage sind die Meinungender Rechtslehre und der Rechtsprechung geteilt. Eslassen sich hierbei drei Auffassungen unterscheiden. Nachder ersten gibt es <strong>im</strong> besprochenen Fall keine Begründung füreinen Ausschluss der <strong>Strafbarkeit</strong> <strong>wegen</strong> <strong>falscher</strong> Beschuldigung.Nach der zweiten liefert das Recht auf Verteidigungeinen Rechtfertigungsgrund, d.h. es greift als rechtswidrigkeitsausschließenderKonträrtypus ein. Nach der dritten Auffassungbleibt die Falschaussage bzw. falsche Angabe straffrei,allerdings nur in den Grenzen <strong>des</strong> tatsächlich wahrgenommenenRechts auf Verteidigung; fehlt diese Voraussetzung,kann sich ein Beschuldigter durch Erklärungen <strong>im</strong> Prozess<strong>wegen</strong> <strong>falscher</strong> Beschuldigung strafbar machen.Die <strong>im</strong> Fehlen der Straffreiheitsklausel in Art. 234 poln-StGB verankerte erste Auffassung, fand in der früheren, nochauf der Grundlage <strong>des</strong> Strafgesetzbuches von 1932 ergangenenRechtsprechung ihren Ausdruck. Das OG hielt die beiAbgabe von Prozesserklärungen erfolgte falsche Beschuldigung<strong>im</strong> Urteil vom 24.4.1934 für strafbar. 19 Aufrechterhaltenwurde dieser Standpunkt durch das OG in der Zeit derVolksrepublik Polen. Im Beschluss der Strafkammer vom18.2.1961 20 stellte das Gericht fest: „Wer vor einem für dieVerfolgung von Straftaten zuständigen Organ eine anderePerson bewusst fälschlicherweise der Begehung der ihm vorgeworfenenStraftat, einer anderen Straftat bzw. der Beteiligungan der Straftatbegehung beschuldigt, überschreitet dasRecht auf Verteidigung und begeht ein Vergehen <strong>im</strong> Sinne<strong>des</strong> Art. 143 polnStGB (StGB von 1932 – Anm. <strong>des</strong> Verf.)“.In diesem Beschluss verwies das OG, in der Zeit der VolksrepublikPolen eher eine Ausnahme, auf die damals geltendeVerfassung von 1952, die in Art. 76 die Wahrnehmung derzustehenden Rechte in Übereinst<strong>im</strong>mung mit den Vorschriften<strong>des</strong> Gesetzes und den Grundsätzen <strong>des</strong> gesellschaftlichenZusammenlebens zuließ. Die in der Ausübung <strong>des</strong> Rechts aufVerteidigung erfolgte falsche Beschuldigung verstieß nachAuffassung <strong>des</strong> OG nicht nur gegen das Recht (Art. 143polnStGB von 1932), sondern auch gegen die Grundsätze <strong>des</strong>gesellschaftlichen Zusammenlebens.19 2 K 289/34, Zb.O. 268/34.20 VI KO 29/59, OSNCK 2/1961, Pos. 20.An den oben erwähnten Beschluss der Strafkammer wurde<strong>im</strong> Beschluss <strong>des</strong> OG in der Besetzung von sieben Richternvom 29.6.1972 angeknüpft 21 , in dem das das GerichtFolgen<strong>des</strong> feststellte: „Die vor einem Gericht gemachten Angaben<strong>des</strong> Angeklagten, in denen er einen Funktionär derBürgermiliz fälschlicherweise der Anwendung von unerlaubtenVernehmungsmethoden beschuldigt, können eine Straftat<strong>im</strong> Sinne <strong>des</strong> Art. 178 § 1 polnStGB, und wenn der Täterzwecks Herabwürdigung dieses Funktionärs in der öffentlichenMeinung bzw. zwecks Gefährdung seines Vertrauenskreditshandelt, eine Straftat <strong>im</strong> Sinne <strong>des</strong> Art. 178 § 2polnStGB bilden“. Das Gericht schloss die <strong>Strafbarkeit</strong> <strong>des</strong>Täters der falschen Beschuldigung nach Art. 248 polnStGBvon 1969 aus, weil es, anders als Art. 234 polnStGB von1997, die <strong>Strafbarkeit</strong> <strong>wegen</strong> <strong>falscher</strong> Beschuldigung auf dievor einer für die Verfolgung von Straftaten zuständigen Behördeoder einem ebensolchen Amt beschränkte. Das Gerichtsei keine solche Behörde bzw. Amt.Diese Richtung der Rechtsprechung gehört keineswegsder Geschichte an. 22 In dem erwähnten Urteil v. 30.6.2009 23nahm das OG an, dass der <strong>im</strong> Rahmen <strong>des</strong> Rechts auf VerteidigungFalschaussagende <strong>wegen</strong> der Straftat <strong>im</strong> Sinne <strong>des</strong>Art. 233 § 1 polnStGB nicht zur Strafverantwortung gezogenwerden kann. Es verzichtete dabei allerdings darauf, denabweichenden Standpunkt der Gerichte in den Vorinstanzenfür falsch zu erklären.Vertreten wurde der Standpunkt, wonach eine <strong>Strafbarkeit</strong>nach Art. 234 polnStGB vorliegt, auch in der älteren Fachliteratur.Papierkowski schrieb: „Selbst der weitest gehendeLiberalismus der neuzeitlichen Gesetzgebungsrichtungen, derden Angeklagten mit Rechten der Prozesspartei ausstattet,darf best<strong>im</strong>mte Grenzen nicht überschreiten; deren Überschreitungkäme der Einführung <strong>des</strong> Unrechts in die Rechtsordnunggleich. Jene Grenze, an der das Recht <strong>des</strong> Angeklagtenauf Verteidigung endet und <strong>des</strong>sen verbrecherische Tätigkeitbeginnt, bildet die Heranziehung zu Verteidigungszweckensolcher Maßnahmen, die als ein Angriff auf RechtsgüterDritter anzusehen sind“ 24 . Ähnlicher Meinung war auch Śliwiński.25Ein entschiedener Anhänger der zweiten Auffassung,nach der die <strong>Strafbarkeit</strong> entfällt, war Cieślak. 26 SeinemStandpunkt lagen Argumente praxeologischer Natur zugrunde.Nach Auffassung von Cieślak sei es lohnender, eine sozialschädlichefalsche Beschuldigung durch den Angeklagtenstraflos zu lassen, als ihn zur Strafverantwortung zu ziehen.Falsche Angaben <strong>des</strong> Angeklagten dürften nach Auffassungdieses Autors nach keiner Strafvorschrift als eine Straftatqualifiziert werden. Diesen Standpunkt vertritt heute vor21 VI KZP 67/71, OSNKW 10/1972, Pos. 150.22 Siehe OG, Beschl. v. 25.4.1995 – II KO 6/95 = Prokuraturai Prawo 7-8/1995, Beiheft Pos. 7.23 V KK 25/09, LEX 512071.24 Papierkowski, Głos Prawa 9-10/1935, 9 f.25 Śliwiński, Polski proces karny przed sądem powszechnym(Der polnische Strafprozess vor ordentlichen Gerichten),1959, S. 189.26 Siehe Cieślak, Państwo i Prawo 11/1973, 183 f._____________________________________________________________________________________Zeitschrift für Internationale Strafrechtsdogmatik – www.zis-online.com265

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