Touristinformation Oberstdorf, Tel. (08322) 700-290 Angelika Milster
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OBERSTDORF<br />
MAGAZIN<br />
Ganz zu Unrecht ging den Gipfeln der Allgäuer Kette häufig der<br />
Ruf voraus, für Kletterer nicht viel zu bieten zu haben und nur<br />
aus Gras und brüchigem Hauptdolomit zu bestehen. Dabei zeigen<br />
die Routen doch eigentlich alles, was ein Klettererherz höher<br />
schlagen lässt. Mal plattig, mal aufgerissen, mal überhängend,<br />
mal kleingriffig ausgesetzt – die ganze Palette nordalpiner Kletterkunst<br />
ist gefragt. Klar, das Verhältnis von Zustieg und Wandhöhe<br />
hat keinen Klettergartencharakter. Im Gegenteil, häufig ist schon<br />
der erfahrene Berggeher, der Alpinist gefragt, bevor die richtige<br />
Kletterei beginnt. So auch beim Biberkopf. Doch Deutschlands<br />
süd lichster Gipfel wartet nach wie vor in seiner Südwand mit<br />
lohnenden Plattenklettereien auf. Denn die Route der Erst begeher<br />
hat längst, wenn auch schwerere, so doch überaus schöne Nachbarinnen<br />
bekommen. Sonnendurchfluteter, kompakter Fels – ja<br />
natürlich – auch das ist das Allgäu!<br />
Andreas Greiner, Hüttenwirt auf der Rappensee-Hütte, der nächstgelegenen<br />
Hütte zum Biberkopf, kennt sich dort bestens aus. Er<br />
erzählt: „Der Biberkopf ist ein extremer Berg; so zeigt sich die<br />
Südseite (aus dem Lechtal) als sehr geeignet, während auf der<br />
deutschen Seite der Fels stark brüchig ist. Ein schöner, aber ganz<br />
selten begangener Gipfel. Das kommt auch durch den sehr langen<br />
Weg. Der Trend geht nun mal hin zu kurzen Anstiegen, und das<br />
kann man bei allen klassischen Gipfelzielen sehen.“ Dabei weist<br />
der Hüttenwirt ausdrücklich darauf hin, dass es sich um keinen<br />
Spazierweg handelt: „Es ist ein eher etwas unangenehmer Weg,<br />
KUlTURDORF<br />
Damals ... vor 90 Jahren<br />
IM SOMMER 1922:<br />
DIE ERSTE BEGEhUNG DER<br />
BIBERKOpF- SüDWAND<br />
Hermann Grosselfinger und Gefährten waren die ersten,<br />
die sich dieser Aufgabe stellten<br />
Biberkopf mit Südwand und lechleiten<br />
und so muss man auf jeden<br />
Fall vorsichtig gehen und ein<br />
guter Alpinist sein, denn ein<br />
einfacher Wandergipfel ist er<br />
wirklich nicht!“ Ganz besonders<br />
sei es sehr wichtig, sich gut<br />
vorzu bereiten. Man müsse zwar<br />
weniger klettern als beim<br />
Heilbronner Weg oder auf den<br />
Klettersteigen, aber dafür sehr<br />
trittsicher sein und gute alpine<br />
Grundlagenkenntnisse haben.<br />
„Ist das gegeben“, meint<br />
Andreas Greiner, „kann man<br />
eine tolle Aussicht genießen,<br />
weil der Biberkopf so schön<br />
alleine steht: Wunderbar ist der<br />
Blick auf das Lechtal und weiter<br />
nach Zürs!“ Die meisten seiner<br />
Gäste der Rappensee-Hütte hermann Grosselfinger<br />
haben aber nicht den Biberkopf<br />
zum Ziel, sondern sind auf dem Heilbronner Weg unterwegs oder<br />
gehen die große Steinbock-Runde. „Ein Teil unserer Besucher,<br />
gerade Familien mit Kindern, geht nur hinauf zur Hütte, um das<br />
mal zu sehen. Sie übernachten in der herrlichen Umgebung und<br />
steigen am nächsten Tag wieder ab.“<br />
Ganz anders die Pioniere! Wie aufregend muss es damals für Hermann<br />
Grosselfinger gewesen sein, über Kanten balancieren oder<br />
durch Wände steigen zu dürfen, wo zuvor noch kein anderer<br />
seinen Fuß hingesetzt hatte. Er gehörte zu den Wegbereitern im<br />
Allgäu, war ein feinsinniger Mensch, der seine Malerei mit dem<br />
Bergsteigen auf das Feinste zu verbinden wusste. Zudem war er<br />
Gründungsmitglied des Skiclubs Sonthofen und viele Jahre dessen<br />
Vorstand. Längst hatte er sich auch als Kletterer einen Namen<br />
gemacht, als er 1922 mit einem Gefährten ins Lechtal nach Lechleiten<br />
kam, um die Erstbegehung der Südwand des 2599 Meter<br />
hohen Biberkopfes zu machen. Kein Problem für die beiden, und<br />
mit dem IV. Schwierigkeitsgrad zu diesem Zeitpunkt bestimmt<br />
auch keine Route im Grenzbereich des Möglichen. Aber darum<br />
ging es auch gar nicht. Angetan waren sie von der Schönheit der<br />
anregenden Kletterei in den Rissen dieser Wand. Eine kaum drei<br />
Stunden dauernde Turnerei mit Hochgenuss. Und nach der<br />
280 Meter hohen Steilwand dann der absolute Höhepunkt: Wie<br />
auf einer exponierten Boje saßen die Bergsteiger am Rande eines<br />
Meeres von Zacken und Buckeln hoch über dem Lechtal.<br />
Uli Auffermann