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Kalasantiner Juni 2005.pmd

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RELIGIONReligion - Vermittlung von Geborgenheit und fester Verankerung in Gottdes Menschen. Ordnet Jung dem Religiösenalso „Triebcharakter“ zu, soFrankl „Entscheidungscharakter“.Nicht allzu selten, so Frankl, zeigtsich, daß beim neurotischen Menschendie Beziehung zur Transzendenz gestörtund sein Bezug zur Transzendenzverdrängt ist. Die verdrängte Religionkann pathogen (krankheitserregend)sein. Er kehrt Freuds Feststellung: „Religionist die allgemeine menschlicheZwangsneurose“ um und behauptet:„Die Zwangsneurose ist die seelischerkrankte Religiosität.“EigenständigkeitTrotzdem ist darauf zu achten, daßdie Psychotherapie in jedem Fall ihreSelbständigkeit gegenüber der Religionbewahre. Nur so kann sie der Religionim besten Sinn dienen: Nur als Wissenschaft,die eben nicht „von Naturaus“ religiös ist, kann sie helfen zu zeigen,daß - wie Frankl meint - die Seeledes Menschen tatsächlich religiös ist.Die Ziele der Religion (Seelenheil)und der Psychotherapie (seelische Heilung)sind verschieden. Und doch kannReligion durchaus therapeutisch wirken- durch die Vermittlung von Geborgenheitund fester Verankerung imTranszendenten. Ebenso vermag einPatient während einer Therapie zurückzufindenzu den längst verschüttetenQuellen seiner ursprünglichen, „unbewußten“Gläubigkeit.Religion wichtigObwohl auch die Logotherapie derReligion neutral gegenübersteht, so liegtihr diese doch sehr am Herzen. Denn inder Logotherapie geht es dem Menschenum die Erfüllung eines Sinns, deraußerhalb seiner selbst liegt - in derTranszendenz.Faßt die Psychotherapie Gläubigkeitnicht als den Glauben an Gott auf,sondern als den umfassenden Sinnglauben(für Einstein war religiös, werdie Frage nach dem Sinn des Lebensstellte), so ist es legitim, daß sie sich mitdem Glauben befaßt. Somit ist es nurverständlich, wenn sich gerade die Logotherapieauch mit dem letzten Sinn, demÜber-Sinn des Lebens beschäftigt.KooperationEine Grenzüberschreitung der Psychotherapieund besonders der Logotherapieauf den Bereich der priesterlichenSeelsorge zu, sagt Frankl, ist unstatthaftund unnötig. Die letzte, alsoreligiöse Antwort (die nur eine priesterlichesein kann) auf die letzten Fragendes Patienten nach dem Sinn des Daseinshat weit mehr Wirkung, wenn siesich der Patient selbst geben kann, alswenn sie ihm vom Arzt vorgesagt wird.Ein Beispiel: Eine Patientin kommt ausschließlichwegen ihrer beruflichen Arbeitsunfähigkeitin logotherapeutischeBehandlung, die sich ebenfalls ausschließlichmit der WiederherstellungReligion und der TrendEines Tages wurde ich von einerReporterin des amerikanischenTime-Magazins interviewt. Ihre Fragewar, ob der Trend von der Religionwegführt. Ich sagte, der Trendführe nicht von der Religion weg,sehr wohl aber von den Konfessionen,die anscheinend nichts andereszu tun haben, als gegeneinanderzu kämpfen und sich gegenseitig dieGläubigen abspenstig zu machen.Nun fragte mich die Reporterin, obdas heißt, daß es früher oder späterzu einer universalen Religion kommenwird, was ich aber verneinte: ImGegenteil, wir gehen vielmehr aufeine zutiefst personalisierte Religiositätzu, aus der heraus jeder zu seinerpersönlichen, ureigensten Sprachefinden wird, wenn er sich an Gottwendet. Dies bedeutet aber nochlange nicht, daß es keine gemeinsamenRituale und Symbole gebenwird. Gibt es doch auch eine Vielzahlvon Sprachen und doch: Gibt esnicht für viele unter ihnen ein gemeinsamesAlphabet?der Arbeitsfähigkeit abgab. Doch (ganznebenbei) berichtet die Patientin nachder Behandlung ungefragt, daß ihre religiöseErlebnisfähigkeit wieder voll hergestelltsei.Aus der grundsätzlichen Neutralitätder Logotherapie sowie aus der Erfahrungdes spontanen Durchbrechens derReligiosität beim Patienten ergibt sichfür Frankl als Konsequenz für Logotherapie(und Psychotherapie überhaupt)gegenüber dem priesterlichenStandpunkt: Kooperation.Sie wird umso wirksamer sein, jesauberer vorher die Kompetenzen abgegrenztworden sind. Die Kooperationerscheint dadurch begründet, daß Franklkein wirklich gegensätzliches Verhältniszwischen religiöser und nicht-religiöserGrundauffassung sieht, sondernein zusätzliches. Jeden Menschen willdie Logotherapie dazu führen, das Lebenals (sinnvollen) Auftrag zu erkennen.Für den religiösen Menschen erfolgtdieser Auftrag von Gott (zusätzlicherSchritt).P. André (nach:Viktor Frankl, Der unbewußte Gott)26

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