02.12.2012 Aufrufe

Ich weiß, dass ich nichts weiß - Didaktik der Geographie - Leibniz ...

Ich weiß, dass ich nichts weiß - Didaktik der Geographie - Leibniz ...

Ich weiß, dass ich nichts weiß - Didaktik der Geographie - Leibniz ...

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Das Leben <strong>der</strong> Inuit<br />

aus <strong>der</strong> Perspektive <strong>der</strong> Fachwissenschaft<br />

sowie ausgewählter Schulbücher und<br />

von Schülerinnen und Schülern <strong>der</strong> 7./8. Klassenstufen in Nie<strong>der</strong>sachsen<br />

Masterarbeit am Institut für <strong>Didaktik</strong> <strong>der</strong> Naturwissenschaften<br />

<strong>der</strong> <strong>Leibniz</strong> Universität Hannover<br />

Erstprüferin: Prof. Dr. Christiane Meyer<br />

Zweitprüfer: Dr. Jens Groß<br />

Hannover, im September 2011<br />

vorgelegt von:<br />

B. Sc. Anna Lena Harnau<br />

Studiengang: Master of Education<br />

Matr.-Nr.: 2538470<br />

4. Fachsemester<br />

Erstfach: <strong>Geographie</strong><br />

Zweitfach: Germanistik<br />

Drittfach: Evangelische Theologie<br />

E-Mail: al.harnau@googlemail.com


Eidesstattl<strong>ich</strong>e Vers<strong>ich</strong>erung<br />

Hiermit vers<strong>ich</strong>ere <strong>ich</strong>, Anna Lena Harnau, geboren am 12. Juni 1987 in Celle, an Eides statt,<br />

<strong>dass</strong> <strong>ich</strong> die vorliegende Arbeit zu dem Thema „Das Leben <strong>der</strong> Inuit aus <strong>der</strong> Perspektive <strong>der</strong><br />

Fachwissenschaft sowie ausgewählter Schulbücher und von Schülerinnen und Schülern <strong>der</strong><br />

7./8. Klassenstufen in Nie<strong>der</strong>sachsen“ vollständig selbstständig verfasst und keine an<strong>der</strong>en<br />

als die angegebenen Hilfsmittel benutzt habe. Alle Stellen <strong>der</strong> Arbeit, die an<strong>der</strong>en Werken im<br />

Wortlaut o<strong>der</strong> dem Sinn nach entnommen sind, habe <strong>ich</strong> unter Angabe <strong>der</strong> Quellen kenntl<strong>ich</strong><br />

gemacht.<br />

Hannover, den 1. September 2011


Inhaltsverze<strong>ich</strong>nis<br />

Inhaltsverze<strong>ich</strong>nis I<br />

Abbildungsverze<strong>ich</strong>nis II<br />

Tabellenverze<strong>ich</strong>nis III<br />

Abkürzungsverze<strong>ich</strong>nis III<br />

Vorwort<br />

V<br />

1 Einleitung<br />

2 Theoretische Grundlagen zur Wahrnehmung frem<strong>der</strong> Kulturen aus konstruktivistischer<br />

S<strong>ich</strong>t<br />

2.1 Die Ordnung <strong>der</strong> Dinge und die Ordnung <strong>der</strong> Blicke aus konstruktivistischer<br />

S<strong>ich</strong>t<br />

2.2 Die Ordnung <strong>der</strong> Dinge und die Ordnung <strong>der</strong> Blicke bei <strong>der</strong> Selbst- und<br />

Fremdwahrnehmung<br />

3 Die Perspektive <strong>der</strong> Fachwissenschaft auf das Leben <strong>der</strong> Inuit 17<br />

3.1 Naturräuml<strong>ich</strong>e Gegebenheiten <strong>der</strong> nordamerikanischen Arktis 17<br />

3.2 Die Inuit als autochthone Bevölkerung <strong>der</strong> nordamerikanischen Arktis: Herkunft,<br />

Siedlungsraum und traditionelle Lebensweisen<br />

23<br />

3.3 Streben nach Selbstbestimmung: <strong>der</strong> Autonomieprozess 29<br />

3.4 Grundlegende wirtschaftsstrukturelle Gegebenheiten 52<br />

3.5 Inuit-Identität in <strong>der</strong> Mo<strong>der</strong>ne: die Rolle von Selbstbestimmung und indigenen<br />

Werten<br />

61<br />

4 Die Perspektive <strong>der</strong> Schulbücher auf das Leben <strong>der</strong> Inuit 70<br />

4.1 Fragestellung und methodisches Vorgehen <strong>der</strong> Schulbuchanalyse 70<br />

4.2 Ergebnisse <strong>der</strong> Schulbuchanalyse 74<br />

4.2.1 Beschreibende Zusammenfassung des Untersuchungsmaterials 74<br />

4.2.2 Kategorienbasierte Analyse des Untersuchungsmaterials 79<br />

4.2.3 Fazit <strong>der</strong> Schulbuchanalyse<br />

85<br />

5 Die Perspektive <strong>der</strong> Schülerinnen und Schüler auf das Leben <strong>der</strong> Inuit 90<br />

5.1 Fragestellung und Hypothesen <strong>der</strong> Schülerbefragung 90<br />

5.2 Methodisches Vorgehen 91<br />

5.3 Auswertung <strong>der</strong> Schülerbefragung 95<br />

5.4 Fazit <strong>der</strong> Schülerbefragung<br />

109<br />

6 Gegenüberstellende Zusammenfassung <strong>der</strong> Perspektiven und Fazit<br />

Literaturverze<strong>ich</strong>nis 115<br />

Internetquellenverze<strong>ich</strong>nis 120<br />

Verze<strong>ich</strong>nis <strong>der</strong> Schulbücher 123<br />

Anhang<br />

I<br />

1<br />

4<br />

4<br />

10<br />

111


Abbildungsverze<strong>ich</strong>nis<br />

Titelbild: Inuksuk 1<br />

Abb. 1 Aufbau <strong>der</strong> Arbeit 2<br />

Abb. 2 Wahrnehmung und subjektive Wirkl<strong>ich</strong>keit: individuelle Konstruktionsvoraussetzungen<br />

7<br />

Abb. 3 Vier Raumkonzepte im <strong>Geographie</strong>unterr<strong>ich</strong>t 11<br />

Abb. 4 Inhalts- und Beziehungsebene im Eisbergmodell 14<br />

Abb. 5 Beitrag <strong>der</strong> Thematisierung frem<strong>der</strong> Lebensweisen im <strong>Geographie</strong>unterr<strong>ich</strong>t<br />

zur Herausbildung interkultureller Kompetenz<br />

16<br />

Abb. 6 Karte des Nordpolargebietes (Arktis) 17<br />

Abb. 7 Jahreszeitenklimate <strong>der</strong> polaren und subpolaren Zonen Nordamerikas nach<br />

TROLL/PAFFEN (1963)<br />

18<br />

Abb. 8 Klimadiagramme <strong>der</strong> Städte Barrow/Nordalaska und Nuuk/Westgrönland 20<br />

Abb. 9 Überblick: naturräuml<strong>ich</strong>e Gegebenheiten <strong>der</strong> nordamerikanischen Arktis 22<br />

Abb. 10 Siedlungsraum <strong>der</strong> Inuit in <strong>der</strong> nordamerikanischen Arktis 23<br />

Abb. 11 Besiedlung <strong>der</strong> nordamerikanischen Arktis durch die Inuit 24<br />

Abb. 12 Inuk bei <strong>der</strong> Robbenjagd am Eisloch 26<br />

Abb. 13 Traditionelle Häuser <strong>der</strong> Inuit 28<br />

Abb. 14 Flagge und Wappen Grönlands 32<br />

Abb. 15 Grönlandkarte 34<br />

Abb. 16 Entwicklungsschritte <strong>der</strong> grönländischen Autonomie 35<br />

Abb. 17 Flagge und Wappen Nunavuts 39<br />

Abb. 18 Karte des Territoriums Nunavut 39<br />

Abb. 19 Entwicklungsschritte <strong>der</strong> Autonomie Nunavuts 42<br />

Abb. 20 Regionale ANCSA-Körperschaften in Alaska 44<br />

Abb. 21 Inuit-Land und staatl<strong>ich</strong>es Land in <strong>der</strong> Inuvialuit-Region<br />

Abb. 22 Inuit-Land und Inuit-Siedlungsgebiet in Nunatsiavut nach dem Land Claims<br />

45<br />

Agreement<br />

48<br />

Abb. 23 Karte Nunaviks<br />

Abb. 24 Zeitl<strong>ich</strong>e Abfolge <strong>der</strong> Autonomieabkommen mit den Inuit Alaskas, des Ma-<br />

49<br />

ckenzie-Deltas, Nunaviks und Labradors<br />

51<br />

Abb. 25 Erdölför<strong>der</strong>gebiete und Verkehrsinfrastruktur in Alaska 57<br />

Abb. 26 Rohstofferschließung und Verkehrsinfrastruktur in <strong>der</strong> kanadischen Arktis 57<br />

Abb. 27 Anzahl <strong>der</strong> ausländischen Touristen in Grönland 2001 bis 2005<br />

Abb. 28 Vertikale Integration <strong>der</strong> Labrador Inuit Development Corporation im Ver-<br />

58<br />

hältnis zur Nunatsiavut-Regierung<br />

60<br />

Abb. 29 Filmplakat <strong>der</strong> Igloolik Isuma-Produktion ‚Atanarjuat (the fast runner)‘ 61<br />

Abb. 30 Die 38 Dimensionen von Inuit Qaujimajatuqangit 63<br />

1 Quelle: http://www.teteamodeler.com/boiteaoutils/image/image21/Inukshuk1.jpg<br />

II


Abb. 31 Die acht Prinzipien von Inuit Piqujangit 64<br />

Abb. 32 Inuit Holistic Lifelong Learning Model<br />

Abb. 33 Der Einfluss des Schulbuches auf die Lehrkraft, den Unterr<strong>ich</strong>t und die Schü-<br />

65<br />

lerinnen und Schüler<br />

72<br />

Abb. 34 Diercke Erdkunde (Westermann): ‚Die Inuit – Überleben bei -30°C‘ 75<br />

Abb. 35 Diercke Erdkunde (Westermann): Frontcover 75<br />

Abb. 36 Unsere Erde (Cornelsen): ‚Die Inuit – Leben in <strong>der</strong> Kälte‘ 76<br />

Abb. 37 Seydlitz <strong>Geographie</strong> (Schroedel): ‚Inuit – zwischen Iglu und Internet‘ 77<br />

Abb. 38 Terra <strong>Geographie</strong> (Klett): ‚Nunavut heißt: „Unser Land“‘<br />

Abb. 39 Häufigkeit <strong>der</strong> Nennungen <strong>der</strong> Beze<strong>ich</strong>nungsvorschläge für die Bewohner <strong>der</strong><br />

78<br />

kalten Zone<br />

Abb. 40 Spontane Assoziationen <strong>der</strong> Schülerinnen und Schüler zum Leben in <strong>der</strong> kal-<br />

96<br />

ten Zone<br />

Abb. 41 Interessen <strong>der</strong> Schülerinnen und Schüler hins<strong>ich</strong>tl<strong>ich</strong> des Lebens in <strong>der</strong> kalten<br />

98<br />

Zone<br />

Abb. 42 Vorstellungen <strong>der</strong> Schülerinnen und Schüler <strong>der</strong> St<strong>ich</strong>probe 1 über das Leben<br />

100<br />

gle<strong>ich</strong>altriger Jugendl<strong>ich</strong>er in Grönland<br />

Abb. 43 Häufigkeit <strong>der</strong> Nennungen <strong>der</strong> einzelnen Bil<strong>der</strong> in Frage 5 des Fragebogens<br />

102<br />

(St<strong>ich</strong>probe 1)<br />

Abb. 44 Vorstellungen <strong>der</strong> Schülerinnen und Schüler <strong>der</strong> St<strong>ich</strong>probe 2 über das Leben<br />

104<br />

gle<strong>ich</strong>altriger Jugendl<strong>ich</strong>er in Grönland<br />

Abb. 45 Häufigkeit <strong>der</strong> Nennungen <strong>der</strong> einzelnen Bil<strong>der</strong> aus Frage 5 des Fragebogens<br />

105<br />

(St<strong>ich</strong>probe 2)<br />

109<br />

Tabellenverze<strong>ich</strong>nis<br />

Tab. 1 Vier Raumkonzepte im <strong>Geographie</strong>unterr<strong>ich</strong>t am Beispiel des Themas „Leben<br />

mit <strong>der</strong> Kälte: Anpassung an die kalte Zone“<br />

12<br />

Tab. 2 Arbeitslosenquoten in den Siedlungsgebieten <strong>der</strong> Inuit 52<br />

Abkürzungsverze<strong>ich</strong>nis<br />

ANCSA Alaska Native Claims Settlement Act<br />

DEW-Line Distant Early Warning Line<br />

EG Europäische Gemeinschaft<br />

EWG Europäische Wirtschaftsgemeinschaft<br />

IBC Inuit Broadcasting Corporation<br />

ICC Inuit Circumpolar Conference; ab 2006: Inuit Circumpolar Council<br />

ITC Inuit Tapirisat of Canada<br />

III


ITK Inuit Tapiriit Kanatami<br />

IQ Inuit Quajimajatuqangit<br />

JBNQA James Bay and Northern Québec Agreement<br />

KANUKOKA Kalaallit Nunaanni Kommunit Kattuffiat<br />

LIDC Labrador Inuit Development Corporation<br />

NTI Nunavut Tunngavik Incorporated<br />

SMART Sustainable Model for Arctic Regional Tourism<br />

TFN Tunngavik Fe<strong>der</strong>ation of Nunavut<br />

UNO United Nations Organization<br />

IV


Vorwort V<br />

Vorwort<br />

Ein herzl<strong>ich</strong>er Dank gilt in erster Linie Prof. Dr. Christiane Meyer, die mir während <strong>der</strong> ge-<br />

samten Bearbeitungsphase dieser Arbeit mit Rat und Tat zur Seite stand, und immer ein of-<br />

fenes Ohr für meine Anliegen hatte, sowie Dr. Jens Groß für die Übernahme <strong>der</strong> Zweitkor-<br />

rektur. Beson<strong>der</strong>s bedanken möchte <strong>ich</strong> m<strong>ich</strong> zudem bei Achim Seifert von <strong>der</strong> Schillerschule<br />

Hannover für die freundl<strong>ich</strong>e und engagierte Organisation <strong>der</strong> Schülerbefragung, sowie bei<br />

den beiden Fachlehrerinnen <strong>der</strong> befragten Klassen, Elisabeth Reiß und Eva Szagun, für die<br />

Bereitstellung ihrer Unterr<strong>ich</strong>tszeit und natürl<strong>ich</strong> bei den Schülerinnen und Schülern, die an<br />

<strong>der</strong> Befragung teilgenommen haben. Ein herzl<strong>ich</strong>es Dankeschön gilt außerdem den beiden<br />

Korrekturleserinnen Maire Stubbe und Sandra Windolph für ihre Mühe und Hilfsbereitschaft<br />

sowie ihre formalen Anmerkungen. Letztl<strong>ich</strong> möchte <strong>ich</strong> auch meiner Familie danken für die<br />

Unterstützung, die sie mir während des gesamten Studiums hat zukommen lassen.


Einleitung 1<br />

1 Einleitung<br />

„<strong>Ich</strong> <strong>weiß</strong>, <strong>dass</strong> <strong>ich</strong> n<strong>ich</strong>ts <strong>weiß</strong>“<br />

In Eis und Schnee nördl<strong>ich</strong> irgendwo, da lebt ein netter kleiner Eskimo,<br />

das Fell im Mantel, ja das wärmt ihn so,<br />

er zittert gar n<strong>ich</strong>t, weht <strong>der</strong> Wind auch noch so roh.<br />

Des Morgens purzelt er zum Bett hinaus,<br />

mit Hund und Schlitten fährt er aus dem Haus,<br />

er jagt übers Eis und er ist so froh,<br />

<strong>der</strong> nette kleine, pelzbedeckte Eskimo.<br />

(SOKRATES; zit. nach FRIPERTINGER 2011:59)<br />

Die Alltagsvorstellungen vieler Menschen über die Inuit und ihr Leben in <strong>der</strong> Arktis sind<br />

von ähnl<strong>ich</strong>en Bil<strong>der</strong>n geprägt wie <strong>der</strong> voranstehend aufgeführte Text des Kin<strong>der</strong>liedes Der<br />

nette kleine Eskimo. <strong>Ich</strong> selbst habe dieses Lied einst in <strong>der</strong> Grundschule gelernt. Als <strong>ich</strong> eini-<br />

ge Jahre später Peter Høegs Roman Fräulein Smillas Gespür für Schnee las, kam es mir wie-<br />

<strong>der</strong> in den Sinn. Dabei fiel mir auf, <strong>dass</strong> die dortige Beschreibung <strong>der</strong> Inuit n<strong>ich</strong>t zu dem pass-<br />

te, was <strong>ich</strong> in <strong>der</strong> Schule gelernt hatte. Ein spontaner Blick in ein aktuelles Schulbuch –<br />

Diercke Erdkunde 7/8 für Gymnasien in Nie<strong>der</strong>sachsen (2009) – offenbarte schließl<strong>ich</strong> eine<br />

dritte Darstellungsweise, die s<strong>ich</strong> wie<strong>der</strong>um von den an<strong>der</strong>en beiden unterschied. Vor die-<br />

sem Hintergrund entstand die Idee, im Rahmen <strong>der</strong> vorliegenden Arbeit verschiedene, im<br />

schulischen Kontext relevante Perspektiven zum Leben <strong>der</strong> Inuit zu erheben.<br />

Es werden somit in dieser Arbeit drei verschiedene Perspektiven auf das Leben <strong>der</strong> Inuit<br />

vorgestellt: die nach Objektivität strebende fachwissenschaftl<strong>ich</strong>e S<strong>ich</strong>t, die didaktisch redu-<br />

zierten und transformierten Darstellungen in den Schulbüchern und die subjektiven Vorstel-<br />

lungen von Schülerinnen und Schüler je einer 7. und einer 8. Klasse. Während diese Perspek-<br />

tiven auf den ersten Blick nebeneinan<strong>der</strong> stehen, sind sie im schulischen Kontext hinterei-<br />

nan<strong>der</strong> geschaltet. Fachwissenschaftl<strong>ich</strong>e Erkenntnisse werden in den Schulbüchern didak-<br />

tisch aufbereitet. Diese Darstellungen dienen wie<strong>der</strong>um den Schülerinnen und Schülern im<br />

Unterr<strong>ich</strong>t häufig als inhaltl<strong>ich</strong>e Grundlage zur Erarbeitung des Themas. Es entsteht somit<br />

eine Informationskette, die durch verschiedene weitere Faktoren wie die Lehrkraft o<strong>der</strong> das


Einleitung 2<br />

Vorwissen <strong>der</strong> Schülerinnen und Schüler ergänzt wird. Jede <strong>der</strong> drei Perspektiven verfügt<br />

somit über einen eigenen Blickwinkel, <strong>der</strong> s<strong>ich</strong> jeweils von dem <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en unterscheidet.<br />

Vor diesem Hintergrund wird den Fragen nachgegangen, wie Fachwissenschaft, Schulbü-<br />

cher und Schülerinnen und Schüler das Leben <strong>der</strong> Inuit darstellen, und wie s<strong>ich</strong> diese Per-<br />

spektiven zueinan<strong>der</strong> verhalten. In theoretischer Hins<strong>ich</strong>t wird dabei auf die konstruktivisti-<br />

sche <strong>Didaktik</strong> und Pädagogik nach KERSTEN REICH zurückgegriffen. Diese geht davon aus, <strong>dass</strong><br />

die Wahrnehmung ein subjektiver, individueller und aktiver Konstruktionsprozess ist und<br />

insofern niemals eine originalgetreue Abbildung <strong>der</strong> Realität sein kann; es können ledigl<strong>ich</strong><br />

unterschiedl<strong>ich</strong>e Grade hins<strong>ich</strong>tl<strong>ich</strong> <strong>der</strong> Annäherung hieran und <strong>der</strong> Reflexion des Wahrneh-<br />

mungsprozesses unterschieden werden. Unter Bezugnahme auf SOKRATES gilt es daher, s<strong>ich</strong><br />

stets sein eigenes Unwissen ins Bewusstsein zu rufen.<br />

Der Aufbau <strong>der</strong> Arbeit ist in drei Teile geglie<strong>der</strong>t. Nach einer Erläuterung theoretischer<br />

Grundlagen zur Wahrnehmung frem<strong>der</strong> Kulturen aus konstruktivistischer S<strong>ich</strong>t folgt die Dar-<br />

legung <strong>der</strong> Perspektiven <strong>der</strong> Fachwissenschaft, <strong>der</strong> Schulbücher und <strong>der</strong> Schülerinnen und<br />

Schüler auf das Leben <strong>der</strong> Inuit. Diese Perspektiven werden zunächst jeweils für s<strong>ich</strong> erörtert<br />

und anschließend in <strong>der</strong> Schlussbetrachtung zusammenfassend gegenübergestellt. Dem folgt<br />

ein abschließendes Fazit mit didaktischem Ausblick.<br />

Theoretischer Teil<br />

• Theoretische Grundlagen zur Wahrnehmung frem<strong>der</strong> Kulturen aus<br />

konstruktivistischer S<strong>ich</strong>t (Kapitel 2)<br />

• Die Perspektive <strong>der</strong> Fachwissenschaft auf das Leben <strong>der</strong> Inuit (Kapitel 3)<br />

Empirischer Teil<br />

• Die Perspektive <strong>der</strong> Schulbücher auf das Leben <strong>der</strong> Inuit (Kapitel 4)<br />

• Die Perspektive <strong>der</strong> Schülerinnen und Schüler auf das Leben <strong>der</strong> Inuit<br />

(Kapitel 5)<br />

Schlussbetrachtung<br />

• Gegenüberstellende Zusammenfassung <strong>der</strong> Perspektiven und Fazit<br />

(Kapitel 6)<br />

Abbildung 1: Aufbau <strong>der</strong> Arbeit


Einleitung 3<br />

Es sei an dieser Stelle angemerkt, <strong>dass</strong> im Rahmen dieser Arbeit ledigl<strong>ich</strong> ein Einblick in<br />

die jeweiligen S<strong>ich</strong>tweisen mögl<strong>ich</strong> ist. We<strong>der</strong> die fachwissenschaftl<strong>ich</strong>e Perspektive noch die<br />

diejenigen <strong>der</strong> Schulbücher o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Schülerinnen und Schüler können umfassend darge-<br />

stellt werden. Stattdessen wird angestrebt, jeweils zentrale Aspekte herauszuarbeiten und<br />

aufzuzeigen. In Hinblick auf die Fachwissenschaft wird daher vertieft auf die naturräumli-<br />

chen Voraussetzungen, die traditionelle Lebensform <strong>der</strong> Inuit, auf den Autonomieprozess<br />

<strong>der</strong> letzten Jahrzehnte, grundlegende wirtschaftsstrukturelle Gegebenheiten sowie die Inuit-<br />

Identität in <strong>der</strong> Mo<strong>der</strong>ne eingegangen. Diese fünf Fel<strong>der</strong> decken s<strong>ich</strong> mit gegenwärtigen For-<br />

schungsschwerpunkten. Für die Darstellung wird vorhandene fachwissenschaftl<strong>ich</strong>e Literatur<br />

herangezogen. Allerdings stellte s<strong>ich</strong> hier die Verfügbarkeit dieser Literatur als begrenzen<strong>der</strong><br />

Faktor heraus. Die wissenschaftl<strong>ich</strong>e Forschung in Bezug auf die Inuit konzentriert s<strong>ich</strong> sehr<br />

stark auf Universitäten in Kanada und im Norden <strong>der</strong> USA. Deren Publikationen sind jedoch<br />

in deutschen Bibliotheken oftmals n<strong>ich</strong>t vorhanden. Des Weiteren wird die Aussagekraft <strong>der</strong><br />

erhobenen Schülervorstellungen durch die Größe <strong>der</strong> St<strong>ich</strong>proben begrenzt. Es wurden ins-<br />

gesamt 52 Schülerinnen und Schüler befragt. Eine größere Untersuchung war im Rahmen<br />

dieser Arbeit n<strong>ich</strong>t zu bewältigen. Um einen Eindruck von den Auswirkungen des Unterr<strong>ich</strong>ts<br />

auf die Vorstellungen <strong>der</strong> Schülerinnen und Schüler zu erhalten, wurde allerdings darauf<br />

geachtet, <strong>dass</strong> die eine Hälfte <strong>der</strong> befragten Schülerinnen und Schüler das Thema bereits aus<br />

dem Unterr<strong>ich</strong>t kannte, die an<strong>der</strong>e n<strong>ich</strong>t. Die Analyse <strong>der</strong> Schulbücher erfolgte anhand prä-<br />

gen<strong>der</strong> Schwerpunkte in den Darstellungen. Jede <strong>der</strong> drei Perspektiven kann somit noch<br />

deutl<strong>ich</strong> detaillierter erfasst werden, einige grundsätzl<strong>ich</strong>e Aussagen und Erkenntnisse sind<br />

jedoch auch in diesen Rahmen mögl<strong>ich</strong>.


Theoretische Grundlagen zur Wahrnehmung frem<strong>der</strong> Kulturen aus konstruktivistischer S<strong>ich</strong>t 4<br />

2 Theoretische Grundlagen zur Wahrnehmung frem<strong>der</strong> Kulturen aus konstruktivistischer<br />

S<strong>ich</strong>t<br />

2.1 Die Ordnung <strong>der</strong> Dinge und die Ordnung <strong>der</strong> Blicke aus konstruktivistischer S<strong>ich</strong>t<br />

„Es gibt n<strong>ich</strong>t die Wirkl<strong>ich</strong>keit unabhängig von den unterschiedl<strong>ich</strong>en Wahrnehmungen<br />

von Beobachtern“ (REICH 2010:21) o<strong>der</strong> mit an<strong>der</strong>en Worten: Je<strong>der</strong> ist seiner Wahrnehmung<br />

Schmied. Dies ist eine <strong>der</strong> Kernaussagen des Konstruktivismus. Wahrnehmung erfolgt aus<br />

dieser Perspektive auf <strong>der</strong> Grundlage individuell beeinflusster Konstruktionsprinzipien und<br />

ist insofern zwangsläufig subjektiv geprägt. Der Beobachter ist demnach kein passiver Be-<br />

trachter, son<strong>der</strong>n ein aktiver Konstruktivist. Nachfolgend werden zunächst einige Theorien<br />

vorgestellt, denen für die Herausbildung <strong>der</strong> konstruktivistischen Denkschule wegweisende<br />

Bedeutung zukommt. Daran anschließend werden die zentralen Grundannahmen des Kon-<br />

struktivismus unter Bezugnahme auf die Theorie <strong>der</strong> konstruktivistischen <strong>Didaktik</strong> nach REICH<br />

vorgestellt sowie die elementaren Konstruktionsmuster erläutert, denen die Wahrnehmung<br />

aus konstruktivistischer S<strong>ich</strong>t folgt.<br />

Die Psychologie beschreibt den komplexen Mechanismus <strong>der</strong> menschl<strong>ich</strong>en Wahrneh-<br />

mung in den kognitiven Lerntheorien. Kognitionen sind nach EDELMANN (2000:114) definiert<br />

als „jene Vorgänge, durch die ein Organismus Kenntnis von seiner Umwelt erlangt. Im<br />

menschl<strong>ich</strong>en Bere<strong>ich</strong> sind dies beson<strong>der</strong>s: Wahrnehmung, Vorstellung, Denken, Urteilen,<br />

Sprache“. Die kognitiven Lerntheorien gehen heute davon aus, <strong>dass</strong> Lernen im Rahmen einer<br />

aktiven Auseinan<strong>der</strong>setzung und Interaktion mit den Gegenständen, Personen und Ereignis-<br />

sen des eigenen Umfeldes erfolgt. Die Reize <strong>der</strong> Umwelt und ihre Informationen werden<br />

dabei ihrer Art entsprechend verbal o<strong>der</strong> non-verbal encodiert und gespe<strong>ich</strong>ert. Die auf die-<br />

se Weise konstruierte innere Darstellung <strong>der</strong> äußeren Gegebenheiten wird kognitive Reprä-<br />

sentation genannt. Sie fungiert als vermittelndes Bindeglied zwischen den äußeren Reizen<br />

und dem menschl<strong>ich</strong>en Verhalten als darauffolgende Reaktion. Dadurch stellt sie ein Schema<br />

bereit, auf dessen Grundlage und in dessen Abhängigkeit Schlussfolgerungen gezogen sowie<br />

neue Informationen integriert werden können (vgl. PETERMANN/PETERMANN/WINKEL 2006:145ff).<br />

Die konstruktivistische <strong>Didaktik</strong> greift diese Erkenntnisse <strong>der</strong> Psychologie als ihre Grund-<br />

lage auf. Des Weiteren fungieren die Theorien von JOHN DEWEY, JEAN PIAGET und LEV S. WYGOTSKI<br />

als w<strong>ich</strong>tige Impulsgeber (vgl. REICH 2008:71ff).


Theoretische Grundlagen zur Wahrnehmung frem<strong>der</strong> Kulturen aus konstruktivistischer S<strong>ich</strong>t 5<br />

DEWEY stellt das Handeln in den Fokus des Lernens. Lernen beze<strong>ich</strong>net demnach einen in-<br />

teraktiven Prozess, eine auf <strong>der</strong> Basis von Erfahrungen stattfindende Wechselwirkung zwi-<br />

schen erfahrenen und selbsterzeugten Handlungen. Im Verlauf dieses Prozesses generiert<br />

<strong>der</strong> Lerner durch explorative und experimentierende Auseinan<strong>der</strong>setzung mit seiner Umwelt<br />

neues Wissen, welches jedoch kein bloßes Abbild <strong>der</strong> äußeren Gegebenheiten darstellt. Es<br />

handelt s<strong>ich</strong> vielmehr um ein subjektives Konstrukt <strong>der</strong> Wirkl<strong>ich</strong>keit, dessen Urheber <strong>der</strong><br />

Lerner selbst ist. Im Zuge <strong>der</strong> Interaktion des Menschen mit seiner Umwelt entstehen Anrei-<br />

ze, die mittels regelmäßiger Erfahrungen Verhaltenseigenschaften herausbilden. Diese fun-<br />

gieren wie<strong>der</strong>um als Kontext, in den neuerworbenes Wissen eingeordnet und auf dessen<br />

Basis es interpretiert und genutzt wird (vgl. REICH 2008:71).<br />

PIAGETs Ansatz <strong>der</strong> konstruktiven Psychologie setzt die subjektive Konstruiertheit des Ler-<br />

nens voraus und fragt nach den Entwicklungsstufen des einzelnen Lerners, auf denen dieser<br />

seine eigenen konstruktiven Lernfähigkeiten in zunehmendem Maße verbessert. Dieser Pro-<br />

zess vollzieht s<strong>ich</strong> in Interaktion mit <strong>der</strong> Umwelt und mittels zweier Modi, <strong>der</strong> Assimilation<br />

und <strong>der</strong> Akkomodation. Unter Assimilation versteht PIAGET die Einordnung neuer Informatio-<br />

nen in bereits vorhandene kognitive Schemata des Lerners sowie die Interpretation und die<br />

Strukturierung dieser Informationen durch den Lerner auf <strong>der</strong> Grundlage dieser Schemata.<br />

Es handelt s<strong>ich</strong> somit um einen Akt <strong>der</strong> Anpassung des Neuen an Bekanntes. Akkomodation<br />

hingegen beschreibt den umgekehrten Prozess. Hierbei ist es das Individuum, welches s<strong>ich</strong><br />

situationsbedingt an die Gegebenheiten seiner Umwelt anpasst. Die Differenzierung dieser<br />

beiden Vorgänge durch PIAGET hat seither für nahezu alle Lerntheorien grundlegende Bedeu-<br />

tung erlangt (vgl. REICH 2008:72).<br />

Im Gegensatz zu dem subjektorientierten Ansatz PIAGETs hebt WYGOTSKI das Zusammenwir-<br />

ken von Kognition und Sozialisation hervor. Er begreift die Wirkl<strong>ich</strong>keit als ein Konstrukt <strong>der</strong><br />

gesellschaftl<strong>ich</strong>en Interaktion und Kognitionen folgl<strong>ich</strong> als soziokulturell bedingt. Des Weite-<br />

ren betont er, <strong>dass</strong> s<strong>ich</strong> gemeinsames, zwischenmenschl<strong>ich</strong>es Handeln för<strong>der</strong>l<strong>ich</strong> auf das<br />

Lernen auswirkt. Von beson<strong>der</strong>er Bedeutung ist dabei die Zone <strong>der</strong> nächsten Entwicklung.<br />

Sie beschreibt das Potenzial des Lerners, also den Unterschied zwischen seinen momentanen<br />

Fähigkeiten und den nächsthöheren Kompetenzen, welche er durch Nutzung seiner psychi-<br />

schen Werkzeuge und gegebenenfalls unter Anleitung zu erre<strong>ich</strong>en im Stande ist. WYGOTSKI<br />

charakterisiert den Lerner als aktiv; er gestaltet seinen Lernprozess selbst und je selbstbe-


Theoretische Grundlagen zur Wahrnehmung frem<strong>der</strong> Kulturen aus konstruktivistischer S<strong>ich</strong>t 6<br />

stimmter er dabei vorgehen kann, desto größer werden seine Lernerfolge sein (vgl. REICH<br />

2008:72f).<br />

Die Theorien von DEWEY, PIAGET und WYGOTSKI unterscheiden s<strong>ich</strong> in mancherlei Hins<strong>ich</strong>t;<br />

gemein ist ihnen jedoch ihre Problemstellung. Sie fragen danach,<br />

„wie das Verhältnis einer sinnl<strong>ich</strong> gewissen und erfahrbaren Welt unserer Wahrnehmungen mit unseren<br />

kognitiven o<strong>der</strong> emotionalen Beschreibungen, Interpretationen, Deutungen und Deutungsmustern über die<br />

Erfahrungen zusammengedacht und zusammengebracht werden kann“ (REICH 2008:73).<br />

Im Gegensatz zu zahlre<strong>ich</strong>en an<strong>der</strong>en Ansätzen stellen sie die Interaktion des Subjekts mit<br />

seiner Umwelt sowie die Bedeutung jener Handlungen für das Lernen heraus und verneinen<br />

somit die Prämisse eines dualistischen Weltbildes, das von einer direkten Abbildung des Äu-<br />

ßeren im Inneren ausgeht. Dieses Misstrauen gegenüber einer „unmittelbaren Verbindung<br />

von Welt (›da draußen‹) und Abbild (›in uns‹)“ (REICH 2008:74) bildet zugle<strong>ich</strong> eine <strong>der</strong> zent-<br />

ralen Grundannahmen <strong>der</strong> konstruktivistischen <strong>Didaktik</strong> (vgl. REICH 2008:73f). Fernerhin legt<br />

<strong>der</strong> Konstruktivismus nachfolgende Annahmen zu Grunde:<br />

(1) Die konstruktivistische <strong>Didaktik</strong> nimmt eine erkenntniskritische Grundhaltung ein. In<br />

Anlehnung an eine These DEWEYs, nach <strong>der</strong> <strong>der</strong> Mensch in all seinem Tun, durch sein<br />

Wissen, sein Testen und sein Handeln tiefgreifend in ebenjenes eingreift, was er<br />

dann als die „Natur <strong>der</strong> Dinge“ (REICH 2008:75) ansieht, scheint es n<strong>ich</strong>t mögl<strong>ich</strong>, ei-<br />

ne wahrhaft objektive Beobachterposition einzunehmen (vgl. REICH 2008:74f).<br />

(2) Der Beobachter als Konstruktivist ist n<strong>ich</strong>t in <strong>der</strong> Lage, s<strong>ich</strong> gänzl<strong>ich</strong> von persönli-<br />

chen Determinanten wie Interesse, Betroffenheit, Ethnozentrismus, Geschlechts-<br />

spezifität und persönl<strong>ich</strong>em Habitus zu befreien (vgl. REICH 2008:76).<br />

(3) Konstruktionen durch den Beobachter erfolgen immer vor dem Hintergrund <strong>der</strong> so-<br />

ziokulturellen Rahmenbedingungen und sozialer Interaktion (vgl. REICH 2008:74f).<br />

Drei wesentl<strong>ich</strong>e Determinanten hierfür sind persönl<strong>ich</strong>e Erfahrungen, individuelles<br />

Befinden und die soziale Wahrnehmung; diese werden in Abbildung 2 (Seite 7) nä-<br />

her beschrieben (vgl. REICH 2010:21).<br />

(4) Ein allgegenwärtiger und unumgängl<strong>ich</strong>er Konstruktionsmechanismus ist die Spra-<br />

che. Ihr arbiträrer Charakter bewirkt, <strong>dass</strong> <strong>der</strong> Mensch selbst bereits im Akt des


Theoretische Grundlagen zur Wahrnehmung frem<strong>der</strong> Kulturen aus konstruktivistischer S<strong>ich</strong>t 7<br />

Sprechens zum Konstrukteur von Wahrheiten wird 2 (vgl. REICH 2008:76).<br />

(5) Aus den vorangehend angeführten Annahmen folgert <strong>der</strong> Konstruktivismus seine<br />

zentrale Kernaussage: „Es gibt keine Wirkl<strong>ich</strong>keit, die n<strong>ich</strong>t konstruiert ist“ (REICH<br />

2008:115). Vor diesem Hintergrund versteht es die konstruktivistische <strong>Didaktik</strong> als<br />

eines ihrer Hauptanliegen, dem Lerner die „Multiperspektivität von Wirkl<strong>ich</strong>keits-<br />

auffassungen“ (REICH 2008:76) offenzulegen.<br />

Persönl<strong>ich</strong>e Erfahrungen<br />

• Grundlegende<br />

emotionale Erlebnisse<br />

• Verhaltensmuster aus<br />

dem Elternhaus<br />

• Eigene Biographie als<br />

Konstrukt<br />

• Lernerfolge<br />

• Spezifische Lebenswelt<br />

• Kulturelle<br />

Beson<strong>der</strong>heiten<br />

Individuelles Befinden<br />

• Wünsche<br />

• Sehnsüchte<br />

• Erwartungen<br />

• Motivationen<br />

• Körperl<strong>ich</strong>er Zustand<br />

• Krankheiten<br />

• Körperl<strong>ich</strong>e Symptome<br />

Abbildung 2: Wahrnehmung und subjektive Wirkl<strong>ich</strong>keit: individuelle Konstruktionsvoraussetzungen<br />

(eigene Darstellung nach REICH 2010:21)<br />

Gibt es tatsächl<strong>ich</strong> keine Wirkl<strong>ich</strong>keit die n<strong>ich</strong>t konstruiert ist? Das Zustandekommen die-<br />

ser radikalen Prämisse wird im Folgenden anhand <strong>der</strong> vom Konstruktivismus angenomme-<br />

nen elementaren Konstruktionsmuster nachvollzogen.<br />

Soziale Wahrnehmung<br />

• Konventionen <strong>der</strong><br />

Lebenswelt<br />

• Übernahme von<br />

Rollenkonzepten<br />

• Übernahme von<br />

sozialen Erwartungen<br />

• Suche nach eigenen<br />

Idealen<br />

• Positive und negative<br />

Vorbil<strong>der</strong><br />

• Feindbil<strong>der</strong> und<br />

Sündenböcke<br />

Gewiss gibt es Dinge, die äußerst unstrittig erscheinen. Der Wahrheitsgehalt sogenannter<br />

harter Fakten wie <strong>der</strong> Temperatur, des Einmaleins, <strong>der</strong> Syntax o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Uhrzeit wird von<br />

2 „Ist die Sprache <strong>der</strong> adäquate Ausdruck aller Realitäten?“ Diese Frage stellt Friedr<strong>ich</strong> NIETZSCHE (1873) vor dem<br />

Hintergrund des Wissens um den Charakter sprachl<strong>ich</strong>er Ausdrücke als mehrfach reduzierte und transformierte<br />

Konstruktionen dessen, was sie wie<strong>der</strong>zugeben vorgeben. „Ein Nervenreiz, zuerst übertragen in ein Bild! Erste<br />

Metapher. Das Bild wird nachgeformt in einem Laut! Zweite Metapher. Und jedesmal vollständiges Überspringen<br />

<strong>der</strong> Sphäre, mitten hinein in eine ganz andre und neue“ (NIETZSCHE 1873). KORZYBSKI benennt in diesem Zusammenhang<br />

die folgenden drei Prinzipien, die <strong>der</strong> Sprache im Konkreten sowie je<strong>der</strong> Form von Konstrukt im<br />

Allgemeinen zu Grunde liegen:<br />

(1) Prinzip <strong>der</strong> N<strong>ich</strong>tidentität – Konstruktionen können keine unmittelbaren Abbildungen <strong>der</strong> äußeren Wirkl<strong>ich</strong>keit<br />

sein,<br />

(2) Prinzip <strong>der</strong> N<strong>ich</strong>t-Vollständigkeit – Konstruktionen geben die äußere Wirkl<strong>ich</strong>keit n<strong>ich</strong>t in Gänze wie<strong>der</strong>,<br />

(3) Prinzip <strong>der</strong> Selbst-Reflexivität – Konstruktionen entstehen in Abhängigkeit vom Beobachter; er selbst ist<br />

immer Teil seiner Konstruktion (vgl. REICH 2010:28).


Theoretische Grundlagen zur Wahrnehmung frem<strong>der</strong> Kulturen aus konstruktivistischer S<strong>ich</strong>t 8<br />

kaum jemandem ernsthaft angezweifelt werden. So leugnet auch <strong>der</strong> Konstruktivismus diese<br />

Form von Wirkl<strong>ich</strong>keit n<strong>ich</strong>t; er weist jedoch darauf hin, <strong>dass</strong> es s<strong>ich</strong> auch bei den hier zu<br />

Grunde liegenden Mustern um menschl<strong>ich</strong>e Konstruktionen handelt – die Thermometerska-<br />

la, die Mathematik, die Grammatik, die Zeiteinteilung –, die dem Zweck dienen, das Leben zu<br />

ordnen, es einfacher und übers<strong>ich</strong>tl<strong>ich</strong>er zu gestalten (vgl. REICH 2008:79). Es wird dennoch<br />

hypothetisch die Mögl<strong>ich</strong>keit einer objektiven Wirkl<strong>ich</strong>keit angenommen. REICH (2008:76f)<br />

definiert diese als „ein Ereignis, das wir immer dann wahrnehmen, wenn wir noch kein Kon-<br />

strukt, noch kein Verständnis, keine Erklärung über das gebildet haben, was uns […] er-<br />

scheint“. Jedoch wird im Moment <strong>der</strong> Wahrnehmung durch ebenjene ein Konstrukt geschaf-<br />

fen, so<strong>dass</strong> wie<strong>der</strong>um <strong>der</strong> konstruktivistische Grundsatz greift „Es gibt keine Realität, die wir<br />

n<strong>ich</strong>t konstruieren. […] Realität [ist] eine symbolische Ordnung o<strong>der</strong> eine imaginäre Vorstel-<br />

lung, die wir uns über o<strong>der</strong> für eine von uns erwartete und erfahrene Welt machen“ (REICH<br />

2008:115). Beide Varianten, Symbole und Imaginationen, stellen eine Form von Konstrukt<br />

dar, ein Abbild, welches n<strong>ich</strong>t mit <strong>der</strong> äußeren Wirkl<strong>ich</strong>keit identisch ist. Ein Symbol ist et-<br />

was, das für etwas an<strong>der</strong>es steht. Der Mensch als symbolfähiges Wesen ist in <strong>der</strong> Lage, seine<br />

ganze Welt in Symbolen darzustellen, ebenso, wie diese Welt s<strong>ich</strong> ihm symbolvermittelt dar-<br />

stellt. In ihrer Bedeutung kaum zu überschätzende Symbolsysteme sind beispielsweise die<br />

Sprache und die Körpersprache (vgl. REICH 2008:104ff). Bei Imaginationen handelt es s<strong>ich</strong> um<br />

jene Bil<strong>der</strong>, Eindrücke, Vorstellungen, Emotionen, Wünsche und Antriebe die s<strong>ich</strong> hinter den<br />

Symbolen verbergen, von diesen aber nie gänzl<strong>ich</strong> erfasst werden (vgl. REICH 2008:108ff). Im<br />

Rahmen des eingangs angeführten NIETZSCHE-Zitates (vgl. Fußnote 2) nähme die Ebene <strong>der</strong><br />

Imaginationen somit die Rolle <strong>der</strong> ersten Metapher ein, die Symbolebene die <strong>der</strong> zweiten<br />

Metapher.<br />

Vor diesem Hintergrund kann <strong>der</strong> Mensch gar n<strong>ich</strong>t an<strong>der</strong>s als zu konstruieren. Diese<br />

Konstruktion erfolgt jedoch n<strong>ich</strong>t willkürl<strong>ich</strong>, son<strong>der</strong>n sie folgt bestimmten Prinzipien. MICHEL<br />

FOUCAULT (vgl. 1974/2003:22f) argumentiert in diesem Zusammenhang, <strong>dass</strong> es bei <strong>der</strong> „Ein-<br />

r<strong>ich</strong>tung einer Ordnung unter den Dingen […] keine Ähnl<strong>ich</strong>keit [und] keine Trennung [gibt],<br />

die n<strong>ich</strong>t aus […] <strong>der</strong> Anwendung eines im Voraus bestehenden Kriteriums resultiert“<br />

(FOUCAULT 1974/2003:22). Dieses Kriterium benennt er als die Codes einer Kultur.<br />

„Die fundamentalen Codes einer Kultur, die ihre Sprache, ihre Wahrnehmungsschemata, ihren Austausch,<br />

ihre Techniken, ihre Werte, die Hierarchie ihrer Praktiken beherrschen, fixieren gle<strong>ich</strong> zu Anfang für jeden


Theoretische Grundlagen zur Wahrnehmung frem<strong>der</strong> Kulturen aus konstruktivistischer S<strong>ich</strong>t 9<br />

Menschen die empirischen Ordnungen mit denen er zu tun haben und in denen er s<strong>ich</strong> wie<strong>der</strong>finden wird“<br />

(FOUCAULT 1974/2003:22).<br />

Das Wirken dieses Ordnungskriteriums führe jedoch we<strong>der</strong> dazu, <strong>dass</strong> die entstehende<br />

Ordnung die einzig mögl<strong>ich</strong>e, noch dazu, <strong>dass</strong> sie die bestmögl<strong>ich</strong>e Ordnung sei. Vielmehr<br />

verhalte s<strong>ich</strong> eine jede Ordnung zeitl<strong>ich</strong> und räuml<strong>ich</strong> relativ zu allen an<strong>der</strong>en Ordnungen<br />

(vgl. FOUCAULT 1974/2003:22f). Diese Aussagen FOUCAULTs decken s<strong>ich</strong> mit den Annahmen <strong>der</strong><br />

konstruktivistischen <strong>Didaktik</strong>. Konstruktionen sind demnach kulturabhängig. Dies bedeutet<br />

für den Konstruktionsprozess selbst, <strong>dass</strong> jede menschl<strong>ich</strong>e Konstruktionsleistung immer<br />

auch einer kontextbezogenen Rekonstruktion in Form eines Rückbezuges auf das kulturelle<br />

Raster bedarf. Nur auf diese Weise wird die notwendige Passung erzeugt, ohne die ein Kon-<br />

strukt n<strong>ich</strong>t anschlussfähig wäre. Gle<strong>ich</strong>es gilt für die externe Betrachtung eines Konstruktes:<br />

Losgelöst von <strong>der</strong> jeweiligen Kultur kann es n<strong>ich</strong>t betrachtet werden, ohne in elementarem<br />

Maße an Sinn und Verständl<strong>ich</strong>keit zu verlieren (vgl. REICH 2008:79ff).<br />

Eine Kultur bildet jedoch n<strong>ich</strong>t einfach einen statischen Rahmen für die Interaktion <strong>der</strong> ihr<br />

zugehörigen Individuen. Sie ist ihrerseits einer stetigen Verän<strong>der</strong>ung, Erweiterung und An-<br />

passung durch die Gesellschaft unterworfen. Eine kulturell kohärente Gesellschaft beze<strong>ich</strong>-<br />

net REICH (2008:80) als Verständigungsgemeinschaft. Innerhalb einer solchen Verständi-<br />

gungsgemeinschaft sind es bestimmte, repräsentativ exponierte Mehrheiten und Mehr-<br />

heitsvertreter, die Vorverständigungen darüber treffen, was ist <strong>der</strong> Gemeinschaft als Wahr-<br />

heit gelten kann. Auf diese Weise wird ein Rahmen geschaffen, in welchem s<strong>ich</strong> das Indivi-<br />

duum positionieren kann. Ebenso wie die vorangegangene Vorverständigung erfolgt jedoch<br />

auch diese Positionierung stets im Kontext <strong>der</strong> sozialen Interaktion sowie vor dem impliziten<br />

Bezugshorizont bereits vorhandener Verständigungen und latenter Grundvoraussetzungen.<br />

Hierzu zählen beispielsweise die jeweilige Sprache, vorhandene Institutionen, geltende Re-<br />

geln, ethische und moralische Denkweisen, gängige Routinen und Praktiken. Das Wirken<br />

dieser Faktoren kann mitunter so unumgängl<strong>ich</strong> und selbstverständl<strong>ich</strong> sein, <strong>dass</strong> es gar<br />

n<strong>ich</strong>t erst wahrgenommen wird. Ein Individuum ist daher niemals in <strong>der</strong> Lage, in völliger Un-<br />

abhängigkeit von seiner Verständigungsgemeinschaft zu denken o<strong>der</strong> zu handeln. Doch<br />

wenngle<strong>ich</strong> diese Annahmen den individuellen Wahrnehmungshorizont stark zu begrenzen<br />

scheinen, so ist eine Befreiung aus diesem Muster aufgrund seiner elementaren Orientie-<br />

rungsfunktion ebenso wenig wünschenswert wie mögl<strong>ich</strong> (vgl. REICH 2008:80f).


Theoretische Grundlagen zur Wahrnehmung frem<strong>der</strong> Kulturen aus konstruktivistischer S<strong>ich</strong>t 10<br />

Es ist jedoch sehr wohl mögl<strong>ich</strong>, s<strong>ich</strong> die Abhängigkeit <strong>der</strong> eigenen Wahrnehmung be-<br />

wusst zu machen, ihr Zustandekommen zu reflektieren und daran anknüpfend ihre Relativi-<br />

tät zu an<strong>der</strong>en Wahrnehmungen und Verständigungsgemeinschaften zu akzeptieren. Denn,<br />

so verschiedenartig o<strong>der</strong> gar wi<strong>der</strong>sprüchl<strong>ich</strong> Wahrheiten in unterschiedl<strong>ich</strong>en Verständi-<br />

gungsgemeinschaften auch aussehen mögen 3 , sie sind doch alle gle<strong>ich</strong>ermaßen das Resultat<br />

eines Appells an die Vernunft. Und dieser Umstand relativiert wie<strong>der</strong>um den Wahrheitsbe-<br />

griff. REICH (2008:80) definiert Wahrheiten daher als „Zuschreibungsformen eines adäquaten<br />

Handelns und Beobachtens im Sinne von Verständigungen und gemeinschaftl<strong>ich</strong> ausgebilde-<br />

ten Normierungen, Beobachtungen und Kontrollen hierüber“. Eine Wahrheit kann im Kon-<br />

struktivismus somit nie absolute Geltung besitzen (vgl. REICH 2008:79ff). „Die Moral des Den-<br />

kens“, wie ADORNO (1951/2003:83) feststellt, besteht deshalb darin,<br />

„we<strong>der</strong> stur noch souverän, we<strong>der</strong> blind noch leer, we<strong>der</strong> atomistisch noch konsequent zu verfahren. Die<br />

Doppelschlächtigkeit <strong>der</strong> Methode […], gle<strong>ich</strong>zeitig die Phänomene als solche sprechen zu lassen – das „rei-<br />

ne Zusehen“ – und doch in jedem Augenblick ihre Beziehung auf das Bewusstsein als Subjekt, die Reflexion<br />

präsent zu halten, drückt diese Moral am genauesten […] aus.“ (ADORNO 1951/2003:83).<br />

2.2 Die Ordnung <strong>der</strong> Dinge und die Ordnung <strong>der</strong> Blicke bei <strong>der</strong> Selbst- und<br />

Fremdwahrnehmung<br />

VAN DER VAART (2001:162) stellt fest: „School Geography is the only subject that introduces<br />

young people to the world as a whole“. Ein wesentl<strong>ich</strong>es Element dessen ist die reflektierte<br />

Auseinan<strong>der</strong>setzung mit fremden Län<strong>der</strong>n und den dort lebenden Menschen. Doch die vo-<br />

rangehend erläuterten Konstruktionsprinzipien <strong>der</strong> Wahrnehmung sind natürl<strong>ich</strong> auch für<br />

die Selbst- und Fremdwahrnehmung bei <strong>der</strong> Thematisierung frem<strong>der</strong> Lebensweisen im Geo-<br />

3 REICH (2008:81) führt in diesem Zusammenhang das Beispiel des vorwiegend in den USA geführten Streits<br />

zwischen Anhängern des Kreationismus einerseits und den Verfechtern <strong>der</strong> Evolutionstheorie an<strong>der</strong>erseits an.<br />

Die Kernthese des Kreationismus lautet, die Entstehung <strong>der</strong> Erde habe s<strong>ich</strong> auf exakt jene Weise zugetragen,<br />

wie es in <strong>der</strong> Bibel (Gen 1-10) beschrieben steht. Demzufolge sei die Erde n<strong>ich</strong>t mehr als 10.000 Jahre alt und<br />

mitsamt allen Lebens innerhalb von sechs Tagen erschaffen worden. Dem s<strong>ich</strong> daraus ergebenden, unauflösl<strong>ich</strong>en<br />

Wi<strong>der</strong>spruch zu den Erkenntnissen <strong>der</strong> mo<strong>der</strong>nen Naturwissenschaften wird durch eigene Theorien begegnet,<br />

die den Naturwissenschaften jeden Wahrheitsgehalt absprechen. Demnach seien beispielsweise alle<br />

auf <strong>der</strong> Erde vorhandenen Fossilien und Sedimente auf die Sintflut zurückzuführen (vgl. HEMMINGER 2009:17f).<br />

Aus konstruktivistischer S<strong>ich</strong>t handelt es s<strong>ich</strong> hierbei um zwei Ans<strong>ich</strong>ten, die einan<strong>der</strong> zwar vollkommen wi<strong>der</strong>sprechen,<br />

von denen jedoch jede für ihre jeweilige Verständigungsgemeinschaft als wahr gilt. Eine konstruktivistische<br />

<strong>Didaktik</strong> würde dem Lerner daher beide Ans<strong>ich</strong>ten darlegen und die jeweiligen Konstruktionsprinzipien<br />

herausarbeiten (vgl. REICH 2008:82).


Theoretische Grundlagen zur Wahrnehmung frem<strong>der</strong> Kulturen aus konstruktivistischer S<strong>ich</strong>t 11<br />

graphieunterr<strong>ich</strong>t von zentraler Bedeutung. Denn gerade bei Fremdem und Unbekanntem<br />

wird das, was wir sehen, häufig durch unsere Erwartungshaltung bestimmt (vgl. REICH<br />

2010:22). Die folgenden Ausführungen werden die Annahmen <strong>der</strong> konstruktivistischen Di-<br />

daktik an dem konkreten Fall <strong>der</strong> Thematisierung frem<strong>der</strong> Lebensweisen im <strong>Geographie</strong>un-<br />

terr<strong>ich</strong>t spezifizieren und dabei aufzeigen, inwiefern Selbstwahrnehmung, Schülervorstellun-<br />

gen und letztl<strong>ich</strong> auch die Lehrer-Schüler-Interaktion den subjektiven Blick auf fremde Kultu-<br />

ren beeinflussen. Hieran anknüpfend wird dargelegt, auf welche Weise eine reflektierte Aus-<br />

einan<strong>der</strong>setzung mit <strong>der</strong> eigenen Selbst- und Fremdwahrnehmung einen Beitrag zum Inter-<br />

kulturellen Lernen leistet.<br />

Die Grundlage einer jeden geographischen Betrachtung ist <strong>der</strong> Raum, bzw. das Abbild ei-<br />

nes Raumes. RHODE-JÜCHTERN (2009:141) for<strong>der</strong>t anges<strong>ich</strong>ts seiner konstruktivistischen Prä-<br />

misse, jedes Abbild sei eine Konstruktion, <strong>der</strong> <strong>Geographie</strong>unterr<strong>ich</strong>t müsse „jedes Abbild von<br />

Wirkl<strong>ich</strong>keit auf seine Entstehung, Erscheinung und Wirkung hinterfragen“. Diese For<strong>der</strong>ung<br />

exemplifiziert er anhand <strong>der</strong> im Curriculum 2000+ (vgl. DGfG 2002:8) dargestellten vier<br />

Raumkonzepte, welche den jeweils gle<strong>ich</strong>en Raum aus gänzl<strong>ich</strong> verschiedenen Blickwinkeln<br />

zeigen (s. Abb. 3).<br />

"... als „Container“ aufgefasst, in denen bestimmte<br />

Sachverhalte <strong>der</strong> physisch-materiellen Welt<br />

enthalten sind. In diesem Sinne werden „Räume“ als<br />

Wirkungsgefüge natürl<strong>ich</strong>er und anthropogener<br />

Faktoren verstanden, als das Ergebnis von<br />

Prozessen, die die Landschaft gestaltet haben, o<strong>der</strong><br />

als Prozessfeld menschl<strong>ich</strong>er Tätigkeiten."<br />

"... als „Kategorie <strong>der</strong> Sinneswahrnehmung“<br />

und damit als „Anschauungsformen“ gesehen, mit<br />

<strong>der</strong>en Hilfe Individuen und Institutionen ihre<br />

Wahrnehmungen einordnen und so Welt in ihren<br />

Handlungen „räuml<strong>ich</strong>“ differenzieren."<br />

Im<br />

<strong>Geographie</strong>unterr<strong>ich</strong>t<br />

werden Räume ...<br />

Abbildung 3: Vier Raumkonzepte im <strong>Geographie</strong>unterr<strong>ich</strong>t<br />

(eigene Darstellung nach RHODE-JÜCHTERN 2009:137 und DGfG 2002:8)<br />

"... als „Systeme von Lagebeziehungen“<br />

materieller Objekte betrachtet, wobei <strong>der</strong> Akzent<br />

<strong>der</strong> Fragestellung beson<strong>der</strong>s auf <strong>der</strong> Bedeutung von<br />

Standorten, Lage-Relationen und Distanzen für die<br />

Schaffung gesellschaftl<strong>ich</strong>er Wirkl<strong>ich</strong>keit liegt."<br />

"... in <strong>der</strong> „Perspektive ihrer sozialen,<br />

technischen und gesellschaftl<strong>ich</strong>en<br />

Konstruiertheit“ aufgefasst, indem danach gefragt<br />

wird, wer unter welchen Bedingungen und aus<br />

welchen Interessen wie über bestimmte Räume<br />

kommuniziert und sie durch alltägl<strong>ich</strong>es Handeln<br />

fortlaufend produziert und reproduziert."


Theoretische Grundlagen zur Wahrnehmung frem<strong>der</strong> Kulturen aus konstruktivistischer S<strong>ich</strong>t 12<br />

Die beiden Definitionen des Raumes als Container und als System von Lagebeziehungen<br />

fasst RHODE-JÜCHTERN (vgl. 2002:141) unter dem Oberbegriff Abbild zusammen, die des Rau-<br />

mes als Kategorie <strong>der</strong> Sinneswahrnehmung und als Konstruktion unter dem Begriff Konstruk-<br />

tion. HOFFMANN (vgl. 2009:108) greift diese Unterteilung auf, benennt sie jedoch n<strong>ich</strong>t als Ab-<br />

bild und Konstruktion, son<strong>der</strong>n als Ordnung <strong>der</strong> Dinge und Ordnung <strong>der</strong> Blicke. Erstgenannte<br />

Ordnung bezieht s<strong>ich</strong> auf den Charakter <strong>der</strong> zugehörigen Raumkonzepte als Abbild dessen,<br />

was wir als harte Fakten wahrnehmen. Die Raumkonzepte <strong>der</strong> Ordnung <strong>der</strong> Blicke hingegen<br />

stellen ebenjene Muster <strong>der</strong> subjektiven Wahrnehmung dar, welche <strong>der</strong> Konstruktivismus<br />

beson<strong>der</strong>s hervorhebt. Tab. 1 zeigt die jeweiligen Zugriffe <strong>der</strong> einzelnen Raumkonzepte am<br />

Beispiel des Themas „Leben mit <strong>der</strong> Kälte: Anpassung an die kalte Zone“.<br />

Ordnung<br />

<strong>der</strong><br />

Dinge<br />

Ordnung<br />

<strong>der</strong><br />

Blicke<br />

Raumdefinition Beispiel<br />

Raum als Container Wie bewirken bestimmte Geofaktoren die<br />

naturräuml<strong>ich</strong>en Gegebenheiten in <strong>der</strong> kalten<br />

Zone?<br />

Raum als System von<br />

Lagebeziehungen<br />

Raum als Kategorie<br />

<strong>der</strong><br />

mungSinneswahrneh-<br />

Wie ist die Raumstruktur im Bere<strong>ich</strong> <strong>der</strong> kalten<br />

Zone beschaffen? Welche regionalen, Zusammenhänge<br />

bedingen bestimmte Anpassungsformen<br />

an die klimatischen Gegebenheiten?<br />

Wie werden die Formen <strong>der</strong> Anpassung an die<br />

kalte Zone wahrgenommen und bewertet?<br />

Raum als Konstruktion Wie wird diese Anpassung von wem, wo und<br />

mit welchen Auswirkungen auf ihn, an<strong>der</strong>e<br />

und die Natur vorgenommen? Wie werden<br />

diese Anpassungsformen reproduziert?<br />

Tabelle 1: Vier Raumkonzepte im <strong>Geographie</strong>unterr<strong>ich</strong>t am Beispiel des Themas „Leben in <strong>der</strong> Kälte: Anpassung<br />

an die kalte Zone“<br />

(eigene Darstellung in Anlehnung an HOFFMANN 2009:110)<br />

Vorab (vgl. Kap. 2.1) war festgehalten worden, „Realität [sei] eine symbolische Ordnung<br />

o<strong>der</strong> eine imaginäre Vorstellung, die wir uns über o<strong>der</strong> für eine von uns erwartete und er-<br />

fahrene Welt machen“ (REICH 2008:115). Das Beispiel in Tabelle 1 zeigt, <strong>dass</strong> insbeson<strong>der</strong>e im<br />

Hinblick auf den Raum als Kategorie <strong>der</strong> Sinneswahrnehmung solche subjektiven Konstrukti-<br />

onsprinzipien durchschlagen. Dies führt in Bezug auf die Fremdwahrnehmung dazu, <strong>dass</strong><br />

zunächst „das Bild vom Fremden immer ein Eigenbild“ (ROHWER 1996:5) ist. Daher bedarf


Theoretische Grundlagen zur Wahrnehmung frem<strong>der</strong> Kulturen aus konstruktivistischer S<strong>ich</strong>t 13<br />

eine Auseinan<strong>der</strong>setzung mit dem Fremden eines Bewusstseins für das Eigene und das<br />

Selbst, das in erster Linie über Projektionen, Stereotype, Vorurteile sowie einen persönl<strong>ich</strong>en<br />

Ethnozentrismus in die Wahrnehmung des Fremden einfließt. (vgl. ROHWER 1996:5).<br />

Die Projektion ist ein Mechanismus, bei dem eigene Ideale, Wünsche und auch Ängste auf<br />

an<strong>der</strong>e übertragen werden. Fremden werden meist einhergehend mit einer entsprechenden<br />

Stilisierung Eigenschaften zugeschrieben, für die es keine tragfähige empirische Grundlage<br />

gibt; sie werden entwe<strong>der</strong> positiv verklärt, kritisch abgewertet o<strong>der</strong> gar kollektiv verurteilt<br />

(vgl. ROHWER 1996:5).<br />

Stereotype und Vorurteile sind beide reduzierte und vereinfachte Vorstellungen, die s<strong>ich</strong><br />

jedoch hins<strong>ich</strong>tl<strong>ich</strong> ihrer affektiven Konnotation unterscheiden. So beze<strong>ich</strong>nen Stereotype<br />

„schemenhafte sowie stark selektierte […] kognitive Klischees“ (REINFRIED 2006:58), die dem<br />

Zweck dienen, die vielsch<strong>ich</strong>tige und schwer fassbare Wirkl<strong>ich</strong>keit mittels Kategorisierungen<br />

und Generalisierungen zu vereinfachen und überschaubar zu machen. Unter einem Vorurteil<br />

hingegen ist „eine affektiv abwertende Vorstellung […] gegenüber einem Individuum o<strong>der</strong><br />

einer Gruppe“ (REINFRIED 2006:58) zu verstehen, <strong>der</strong> anstelle persönl<strong>ich</strong>er Erfahrungen haupt-<br />

sächl<strong>ich</strong> gesellschaftl<strong>ich</strong> konstruierte Verallgemeinerungen zugrunde liegen. Als Beispiel für<br />

ein Stereotyp bzw. ein Vorurteil können folgende Aussagen angeführt werden: „Die Inuit<br />

leben in Iglus und gehen jeden Tag auf Robbenjagd“ (Stereotyp) bzw. „Alle Inuit sind barbari-<br />

sche Rohfleischesser“ (Vorurteil). Während Stereotypen also vornehml<strong>ich</strong> eine kognitive<br />

Strukturierungsfunktion innewohnt, sind Vorurteile in hohem Maße wertbeladen (vgl. REIN-<br />

FRIED 2006:58).<br />

Der Mensch neigt von Kindheit an dazu, soziale, moralische und religiöse Ans<strong>ich</strong>ten und<br />

Formen, die s<strong>ich</strong> stark von den eigenen unterscheiden, abzulehnen sowie Fremde und Frem-<br />

des an eigenen Einstellungen und Wertmaßstäben zu messen. Häufig wird dabei die Welt-<br />

wahrnehmung „von einem Punkt, <strong>der</strong> ‚<strong>ich</strong>‘ o<strong>der</strong> ‚wir‘ heißt, ausgehend gesteuert, ist auf die<br />

eigene Person o<strong>der</strong> die eigene Gruppe zentriert“ (ROHWER 1996:5). Ein solcherart gefärbter<br />

Blick wird als ethnozentrisch beze<strong>ich</strong>net und führt meist zu Missverständnissen und zur Ab-<br />

wertung des an<strong>der</strong>en in <strong>der</strong> subjektiven Wahrnehmung. Der Ethnozentrismus gilt daher als<br />

Son<strong>der</strong>fall des Vorurteils (vgl. ROHWER 1996:5).


n<br />

hle<br />

ne<br />

Theoretische Grundlagen zur Wahrnehmung frem<strong>der</strong> Kulturen aus konstruktivistischer S<strong>ich</strong>t 14<br />

Die vorangehend angeführten Konstruk-<br />

tionsmechanismen bedingen die Vorstel-<br />

lungen jedes einzelnen über das Fremde.<br />

Diese Vorstellungen stellen eine Form von<br />

Alltagswissen dar und sind insofern „in die<br />

(soziale) Praxis, Common-Sense-Annahmen,<br />

Handlungsnormen und Weltanschauungen<br />

bzw. Ideologien eingebettet“ (REINFRIED<br />

2008:9). Fernerhin kommen sie im (Geogra-<br />

phie)-Unterr<strong>ich</strong>t im Zuge <strong>der</strong> Interaktion<br />

Beziehungsebene<br />

Inhalte<br />

Vorstellungen<br />

Stimmungen<br />

Gefühle<br />

Inhaltsebene<br />

Abbildung 4: Inhalts- und Beziehungsebene im<br />

Eisbergmodell<br />

(eigene Darstellung in Anlehnung an REICH 2010:34)<br />

und Kommunikation mit Mitschülern und <strong>der</strong> Lehrkraft o<strong>der</strong> auch mit Lehrmedien wie dem<br />

Schulbuch zum Tragen, „weil man das Neue nur durch die Brille des bereits Bekannten ‚se-<br />

hen‘ kann“ (DUIT 2008:3). Wenn beispielsweise im <strong>Geographie</strong>unterr<strong>ich</strong>t die Lebensweise<br />

einer fremden Kultur behandelt wird, dann sendet die Lehrkraft Informationen hierüber auf<br />

<strong>der</strong> Inhaltsebene mittels Symbolen und vor dem Hintergrund ihrer eigenen Vorstellungen<br />

und affektiven Konnotationen. Die Lerner empfangen diese Informationen und integrieren<br />

sie in ihre persönl<strong>ich</strong>en Vorstellungen unter Berücks<strong>ich</strong>tigung ihrer eigenen affektiven<br />

Konnotationen, ohne diejenigen <strong>der</strong> Lehrkraft zu kennen. Die Information wird somit durch<br />

den Empfänger in einen Kontext eingebaut, <strong>der</strong> s<strong>ich</strong> von dem des Sen<strong>der</strong>s unterscheidet.<br />

„Der Sen<strong>der</strong> hat eine Abs<strong>ich</strong>t, <strong>der</strong> Empfänger hat eine Deutung. Beide können zusammenfal-<br />

len, müssen es aber n<strong>ich</strong>t“ (REICH 2010:33f). Eine darauffolgende Rückmeldung <strong>der</strong> Lerner an<br />

die Lehrkraft erfolgt nach demselben Muster (vgl. DUIT 2008:3). REICH (vgl. 2010:33) unter-<br />

scheidet daher für jede Form von Kommunikation eine Inhalts- und eine Beziehungsebene<br />

als die zwei Seiten einer Nachr<strong>ich</strong>t. Die Inhaltsebene umfasst die sachl<strong>ich</strong>en Informationen,<br />

<strong>der</strong>en Vermittlung vom Sen<strong>der</strong> intendiert ist. Zur Beziehungsebene gehören hingegen Vor-<br />

stellungen, Erwartungen, Gefühle, Stimmungen und das Verhalten, das diese unterschwellig<br />

bedingen. Beide Ebenen stehen in interdependenter Wechselwirkung, wobei <strong>der</strong> Einfluss <strong>der</strong><br />

Beziehungsebene auf die Inhaltsebene deutl<strong>ich</strong> größer ist als umgekehrt. Das im Kern auf<br />

SIGMUND FREUD zurückgehende Eisbergmodell (vgl. Abb. 4) stellt diese Relation dar. Demnach<br />

bilden die Inhalte ledigl<strong>ich</strong> die Spitze des Eisberges, dessen überwiegen<strong>der</strong> Großteil in Form<br />

<strong>der</strong> Beziehungen in <strong>der</strong> Tiefe <strong>der</strong> inneren Unterwasserwelt lauert (vgl. REICH 2010:33f).


Theoretische Grundlagen zur Wahrnehmung frem<strong>der</strong> Kulturen aus konstruktivistischer S<strong>ich</strong>t 15<br />

Der <strong>Geographie</strong>unterr<strong>ich</strong>t strebt mit <strong>der</strong> Thematisierung frem<strong>der</strong> Lebensweisen danach,<br />

bei den Schülerinnen und Schülern Einstellungen zu entwickeln, auf <strong>der</strong>en Grundlage ihnen<br />

eine reziproke Denkweise mögl<strong>ich</strong> ist, welche „Unterschiede zwischen verschiedenen Be-<br />

trachtungspositionen aufdeckt und zu erklären versucht [und somit] […] die eigene S<strong>ich</strong>twei-<br />

se relativiert und Empathiefähigkeit […] för<strong>der</strong>t“ (SCHRÜFER 2003:9). Hierdurch leistet das Fach<br />

einen elementaren Beitrag zum Interkulturellen Lernen (vgl. Abb. 5), welches s<strong>ich</strong> als „die<br />

pädagogische Antwort auf Fremdenfeindl<strong>ich</strong>keit, Rassismus, Intoleranz und Gruppenegois-<br />

mus“ (REINFRIED 2006:58) versteht und danach „strebt, das spezifische Orientierungssystem<br />

<strong>der</strong> Wahrnehmung, des Denkens, Wertens und Handelns von Menschen an<strong>der</strong>er Kulturen zu<br />

verstehen, es in das eigenkulturelle Orientierungssystem zu integrieren und es im Umgang<br />

mit ihnen anzuwenden“ (ROHWER 1996:5). Sein Anliegen ist das Herausbilden einer interkul-<br />

turellen Kompetenz im Sinne <strong>der</strong> folgenden, von NIEKE (2000:204) formulierten Ziele des In-<br />

terkulturelles Lernens:<br />

(1) „Erkennen des eigenen unvermeidl<strong>ich</strong>en Ethnozentrismus“<br />

(2) „Umgehen mit <strong>der</strong> Befremdung“<br />

(3) „Grundlegen von Toleranz“.<br />

Zum Erre<strong>ich</strong>en dieser Ziele werden gegenwärtig zwei verschiedene Ansätze verfolgt: Es<br />

können einerseits die vorhandenen Gemeinsamkeiten hervorgehoben werden; an<strong>der</strong>erseits<br />

ist auch das Bewusstmachen bestehen<strong>der</strong> Unterschiede ein vielfach beschrittener Weg. Die<br />

Methoden sind in beiden Fällen mannigfaltig (vgl. SCHRÜFER 2003:11). Gerade Ethnozentris-<br />

mus und Vorurteile sind jedoch tradierte, sehr fest verankerte Wahrnehmungsmuster und<br />

als solche äußerst schwer abzuän<strong>der</strong>n (vgl. REINFRIED 2006:58). THOMAS (2004:6) kommt gar zu<br />

dem Schluss, Vorurteile seien „unausrottbare Bestandteile des menschl<strong>ich</strong>en Zusammenle-<br />

bens“, weshalb BUDKE (2008:22) for<strong>der</strong>t, das „Ziel des <strong>Geographie</strong>unterr<strong>ich</strong>ts sollte […] weni-<br />

ger die Bekämpfung und Ber<strong>ich</strong>tigung von Stereotypen 4 , als vielmehr die Offenlegung <strong>der</strong><br />

Konstruktionsprinzipien dieser Fiktion und eine Sensibilisierung <strong>der</strong> SchülerInnen für ihre<br />

gesellschaftl<strong>ich</strong>en Bedeutungen sein“. Die Schülerinnen und Schüler sollen in die Lage ver-<br />

setzt werden, die ihrer eigenen Wahrnehmung anhaftenden Stereotype, Ethnozentrismen<br />

und Vorurteile als solche zu identifizieren und zu reflektieren. Ein wesentl<strong>ich</strong>es Element des-<br />

4 Der Begriff „Stereotyp“ wird bei von BUDKE (2008) entsprechend <strong>der</strong> vorab angeführten Definition eines Vorur-<br />

teils verwendet.


Theoretische Grundlagen zur Wahrnehmung frem<strong>der</strong> Kulturen aus konstruktivistischer S<strong>ich</strong>t 16<br />

sen ist die Fähigkeit zum Perspektivenwechsel. Denk- und Lebensweisen des an<strong>der</strong>en zu er-<br />

kennen, sie als bedenkenswert anzuerkennen und auf diese Weise den eigenen Blick auf den<br />

an<strong>der</strong>en zu hinterfragen, verhilft zu einem respektvollen und toleranten Umgang mit Frem-<br />

dem und Unbekanntem (vgl. SCHRÜFER 2003:16). Eine zentrale Rolle spielt hierbei <strong>der</strong> Ansatz<br />

Verstehen durch Werteorientierung. Er strebt danach, den Schülerinnen und Schülern ihre<br />

Gebundenheit an ihre eigenen ethnozentrischen Wertevorstellungen ins Bewusstsein zu<br />

rufen, um diejenigen an<strong>der</strong>er Menschen zwar als abwe<strong>ich</strong>ende, aber ebenso vernünftige<br />

Alternativen zu respektieren (vgl. SCHRÜFER 2003:21f). „Mit den Augen <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en schauen<br />

zu lernen, relativiert auch die eigenen S<strong>ich</strong>tweisen. Die Schüler können durch die Auseinan-<br />

<strong>der</strong>setzung mit dem Fremden lernen, an<strong>der</strong>e Einstellungen und Werte als gle<strong>ich</strong>wertig anzu-<br />

erkennen“ (FÜHRING 1993:4).<br />

Individuelle<br />

Voraussetzungen<br />

Ethnozentrischer<br />

Blick<br />

Vorurteile<br />

Stereotype<br />

Eigene Wertevorstellungen<br />

Lernprozess Lernziel<br />

„Lebensweisen“<br />

im <strong>Geographie</strong>unterr<strong>ich</strong>t <br />

Perspektivenwechsel <br />

Werteorientierung <br />

Interkulturelle<br />

Kompetenz<br />

Abbildung 5: Beitrag <strong>der</strong> Thematisierung frem<strong>der</strong> Lebensweisen im <strong>Geographie</strong>unterr<strong>ich</strong>t zur Herausbildung<br />

interkultureller Kompetenz<br />

(eigene Darstellung)


Die Perspektive <strong>der</strong> Fachwissenschaft auf das Leben <strong>der</strong> Inuit 17<br />

3 Die Perspektive <strong>der</strong> Fachwissenschaft auf das Leben <strong>der</strong> Inuit<br />

3.1 Naturräuml<strong>ich</strong>e Gegebenheiten im Siedlungsgebiet <strong>der</strong> Inuit<br />

Das Siedlungsgebiet <strong>der</strong> Inuit umfasst die Alëuten, die alaskische West- und Nordküste,<br />

den Nordrand Kanadas und <strong>der</strong> Halbinsel Labrador sowie den kanadisch-arktischen Archipel<br />

und die Nordwest-, West- und Ostküste Grönlands. Entsprechend <strong>der</strong> in <strong>der</strong> <strong>Geographie</strong> ver-<br />

bindl<strong>ich</strong>en Definition, nach <strong>der</strong> die Südgrenze <strong>der</strong> Arktis durch die 10°C-Juli-Isotherme mar-<br />

kiert wird, ist <strong>der</strong> gesamte Siedlungsraum <strong>der</strong> Inuit als arktisch anzusehen. Ein Siedlungs-<br />

schwerpunkt ist dabei in <strong>der</strong> arktischen Tundra auszumachen (vgl. THANNHEISER/WÜTHRICH<br />

2002:11f). Abbildung 6 gibt einen ersten Überblick über die naturräuml<strong>ich</strong>en Gegebenheiten<br />

des Nordpolargebietes.<br />

Abbildung 6: Karte des Nordpolargebietes (Arktis)<br />

(DIERCKE WELTATLAS 2008:220)


Die Perspektive <strong>der</strong> Fachwissenschaft auf das Leben <strong>der</strong> Inuit 18<br />

Abbildung 7: Jahreszeitenklimate <strong>der</strong> polaren und subpolaren<br />

Zonen Nordamerikas nach TROLL/PAFFEN (1963)<br />

(DIERCKE WELTATLAS 2008:228.1 (Ausschnitt))<br />

Gemäß <strong>der</strong> Klassifizierung <strong>der</strong> Jahreszeitenkli-<br />

mate nach TROLL/PAFFEN (vgl. Abb. 7) ist <strong>der</strong> arkti-<br />

sche Raum Nordamerikas deckungsgle<strong>ich</strong> mit <strong>der</strong><br />

polaren und subpolaren Klimazone, die ebenfalls durch die 10°C-Juli-Isotherme nach Süden<br />

hin begrenzt wird. Sie ist unterglie<strong>der</strong>t in die Klimate I1 bis I4, die wie<strong>der</strong>um mit <strong>der</strong> durch<br />

THANNHEISER/WÜTHRICH (vgl. 2002:10) vorgenommenen naturräuml<strong>ich</strong>en Glie<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Arktis<br />

kongruieren. Dem Klimatyp I1 (hochpolares Eisklima bzw. Eiswüste) ist demnach <strong>der</strong> Glet-<br />

scherbere<strong>ich</strong> zuzuordnen, <strong>der</strong> das grönländische Inlandeis umfasst. Der Begriff ‚hochpolar‘ ist<br />

auf zweierlei Weise zu verstehen: Einerseits bildet das Inlandeis eine Hochebene, die Höhen<br />

bis 3700 m erre<strong>ich</strong>t. An<strong>der</strong>erseits ist das Klima „extrem streng“ (THANNHEISER/WÜTHRICH<br />

2002:36), d.h. die Mitteltemperaturen liegen in wärmsten Monat des Jahres zwischen -10°C<br />

und -20°C und im kältesten Monat zwischen -40°C und -50°C. Mitunter werden sogar Ext-<br />

remwerte bis -70°C erre<strong>ich</strong>t. In Zentralgrönland befindet s<strong>ich</strong> ganzjährig ein arktischer Kälte-<br />

pol. Das polare Klima des Typs I2 prägt die polare Frostschuttzone, zu <strong>der</strong> die nördl<strong>ich</strong>en In-<br />

seln des kanadischen Archipels gehören (Ellesmere-, Devon- und Banks-Insel, Parry-Inseln<br />

sowie <strong>der</strong> Norden <strong>der</strong> Baffin- und <strong>der</strong> Victoria-Insel). Die Mitteltemperatur übersteigt dort<br />

im wärmsten Monat des Jahres n<strong>ich</strong>t 6°C, im kältesten liegt sie zwischen -30°C und -40°C. Im<br />

Bere<strong>ich</strong> <strong>der</strong> Tundra des südl<strong>ich</strong>en kanadischen Archipels, <strong>der</strong> Barren Grounds sowie <strong>der</strong> Nor-<br />

drän<strong>der</strong> Alaskas und Labradors herrscht <strong>der</strong> Klimatyp I3 (subarktische Tundrenklimate) vor.<br />

Im wärmsten Monat liegt die Mitteltemperatur in dieser Zone zwischen 6°C und 10°C, im<br />

kältesten Monat überschreitet sie n<strong>ich</strong>t die 8°C-Marke. Das subpolar-hochozeanische Klima<br />

(Klimatyp I4) ist räuml<strong>ich</strong> auf die westalaskische Inselkette <strong>der</strong> Alëuten beschränkt. Neben<br />

den übrigen arktischen Klimaten ist es verhältnismäßig mild. Kennze<strong>ich</strong>nend ist eine geringe


Die Perspektive <strong>der</strong> Fachwissenschaft auf das Leben <strong>der</strong> Inuit 19<br />

Jahrestemperaturamplitude, wobei die Temperaturen im wärmsten Monat im Mittel zwi-<br />

schen 5°C und 12°C liegen, im kältesten zwischen -8°C und 2°C (vgl. THANNHEISER/WÜTHRICH<br />

2002:36ff).<br />

Ein charakteristisches Element des Polarklimas ist die geringe Strahlungsintensität. Ur-<br />

sächl<strong>ich</strong> hierfür ist <strong>der</strong> flache Einstrahlwinkel, <strong>der</strong> am Polarkreis maximal 47° erre<strong>ich</strong>t, sowie<br />

<strong>der</strong> lange Weg, <strong>der</strong> „in <strong>der</strong> l<strong>ich</strong>tstreuenden und -absorbierenden Atmosphäre“ (THANNHEI-<br />

SER/WÜTHRICH 2002:37) zurückgelegt werden muss. Hinzu kommt, <strong>dass</strong> die Strahlungsintensi-<br />

tät im Jahresverlauf starken Schwankungen unterworfen ist, welche jedoch auch innerhalb<br />

<strong>der</strong> polaren Zone entsprechend <strong>der</strong> Breitenlage variieren. So geht die Sonne am Pol im<br />

Sommerhalbjahr (21. März – 23. September) n<strong>ich</strong>t unter (Polartag), wodurch <strong>der</strong> niedrige<br />

Stand <strong>der</strong> Sonne in Bezug auf die Einstrahlungsenergie in Teilen kompensiert wird. Im Win-<br />

terhalbjahr (23. September – 21. März) steht die Sonne jedoch für die Dauer von sechs Mo-<br />

naten unter dem Horizont (Polarnacht). Mit zunehmen<strong>der</strong> Entfernung zum Pol än<strong>der</strong>t s<strong>ich</strong><br />

das Beleuchtungsregime; Polartag und Polarnacht werden kürzer, bis sie schließl<strong>ich</strong> am Po-<br />

larkreis auf die Sonnenwenden (21. Juni und 21. Dezember) beschränkt sind. Die geringe<br />

Strahlungsintensität ist <strong>der</strong> Hauptgrund für die niedrigen Temperaturen in <strong>der</strong> Polarzone<br />

(vgl. THANNHEISER/WÜTHRICH 2002:36f). Als zweiter bedingen<strong>der</strong> Faktor ist jedoch auch die Al-<br />

bedo relevant. Sie erre<strong>ich</strong>t nach <strong>der</strong> Darstellung von BAUMGARTNER ET AL. (vgl. HÄCKEL 2005:194)<br />

nirgendwo auf <strong>der</strong> Erde so hohe Werte wie in <strong>der</strong> nordamerikanischen Arktis. Dort wird für<br />

den Bere<strong>ich</strong> <strong>der</strong> Gletscherzone ein Albedowert von 80 % angegeben; in <strong>der</strong> Frostschuttzone<br />

liegt dieser zwischen 70 und 80 %, in <strong>der</strong> Tundra noch zwischen 60 und 70 % (Mitteleuropa:<br />

40-50%). Bedingt werden diese hohen Werte durch die Schnee- und Eisbedeckung, die in <strong>der</strong><br />

Gletscherzone ganzjährig, in <strong>der</strong> Frostschuttzone und <strong>der</strong> Tundra über weite Teile des Jahres<br />

vorherrscht (vgl. THANNHEISER/WÜTHRICH 2002:37f).<br />

Die polare Klimazone ist grundsätzl<strong>ich</strong> verhältnismäßig nie<strong>der</strong>schlagsarm, wobei mit<br />

>100mm die geringsten Jahresnie<strong>der</strong>schläge in <strong>der</strong> Gletscherzone zu verze<strong>ich</strong>nen sind. An<br />

den Küsten des Pazifiks und des Nordpolarmeeres liegen sie aufgrund größerer<br />

Erwärmungen im Sommer etwas höher. In Barrow, an <strong>der</strong> Nordküste Alaskas gelegen (vgl.<br />

Abb. 8), werden beispielsweise bei einer Mitteltemperatur von -12,5°C im Jahresmittel 113<br />

mm Nie<strong>der</strong>schlag gemessen. Die größten Nie<strong>der</strong>schlagsmengen weisen mit 25mm bzw.<br />

23mm die Monate Juli und August auf, während die Nie<strong>der</strong>schläge im übrigen Jahr auf


Die Perspektive <strong>der</strong> Fachwissenschaft auf das Leben <strong>der</strong> Inuit 20<br />

Abbildung 8: Klimadiagramme <strong>der</strong> Städte Barrow/Nordalaska und Nuuk/Westgrönland<br />

(a) www.klimadiagramme.de/Namerika/barrow.html; b) www.klimadiagramme.de/Europa/nuuk.html)<br />

gle<strong>ich</strong>mäßig niedrigem Niveau um 5mm pendeln (vgl. Abb. 8). Auf <strong>der</strong> Ostseite des<br />

Kontinents fallen die Nie<strong>der</strong>schläge hingegen deutl<strong>ich</strong> umfangre<strong>ich</strong>er aus. Dies ist zum einen<br />

auf den Einfluss des atlantischen Ozeans zurückzuführen, zum an<strong>der</strong>en begünstigt aber auch<br />

das Relief die Nie<strong>der</strong>schlagsbildung (vgl. THANNHEISER/WÜTHRICH 2002:43f). Das Land bzw. das<br />

Inlandeis steigen schon in Küstennähe steil an. Die größten Erhebungen befinden s<strong>ich</strong> in<br />

Zentralgrönland (3231m) und an <strong>der</strong> ostgrönländischen Küste (3700m). Auch an den<br />

Ostküsten Labradors und <strong>der</strong> Baffin-Insel befinden s<strong>ich</strong> Höhenzüge, die Höhen bis 1676m<br />

(Labrador) bzw. 2591m (Baffin-Insel) erre<strong>ich</strong>en. Sie sind gegenüber den ansonsten flachen<br />

Landschaften des kanadischen Schildes deutl<strong>ich</strong> herausgehoben (vgl. DIERCKE WELTATLAS<br />

2008:190.1). In Nuuk, an <strong>der</strong> Südwestküste Grönlands, werden im Jahresmittel 723mm<br />

Nie<strong>der</strong>schlag gemessen, bei einer Mitteltemperatur von -1,4°C. Es gibt ein ausgeprägtes<br />

Nie<strong>der</strong>schlagsmaximum in den Monaten Juli, August und September (85-87mm gegenüber<br />

45-50mm zwischen Dezember und Mai) sowie eine weitere Spitze im November (71mm; vgl.<br />

Abb. 8). Ursächl<strong>ich</strong> für letztere ist vor allem die stärkere Zyklonenaktivität im Spätherbst (vgl.<br />

THANNHEISER/WÜTHRICH 2002:43f).<br />

Fernerhin beeinflussen Meeresströmungen die klimatischen Gegebenheiten <strong>der</strong> Arktis.<br />

„Warme und kalte Meeresströmungen modifizieren das Klima und rufen Asymmetrien her-<br />

vor“ (THANNHEISER/WÜTHRICH 2002:45). Im arktischen Raum Nordamerikas ist hier in erster Li-<br />

nie <strong>der</strong> Ostgrönland-Labradorstrom bedeutsam, eine meridional ausger<strong>ich</strong>tete, kalte Ober-


Die Perspektive <strong>der</strong> Fachwissenschaft auf das Leben <strong>der</strong> Inuit 21<br />

flächenströmung. Er bildet gemeinsam mit seinem ‚Gegenspieler‘, dem warmen Golfstrom,<br />

einen „großen zyklonalen Wirbel“ (THANNHEISER/WÜTHRICH 2002:46) im Nordatlantik. Als Folge<br />

dieser Strömungsverhältnisse schlagen die Isothermen im nordwestatlantischen Raum weit<br />

nach Südwesten aus (vgl. 10°C-Juli-Isotherme in Abb. 6), im Nordostatlantik hingegen nach<br />

Nordosten. So kann beispielsweise die an <strong>der</strong> Nordspitze Norwegens gelegene Stadt Ham-<br />

merfest ganzjährig von Schiffen angelaufen werden; das ostgrönländische Fjordsystem<br />

Scoresbysund ist hingegen nur zwei Monate im Jahr befahrbar, und auch dann nur durch<br />

Eisbrecher (vgl. THANNHEISER/WÜTHRICH 2002:45f).<br />

Ebenso wie die geringe Strahlungsintensität und die Meeresströmungen bedingt das<br />

Meereis die niedrigen Temperaturen im arktischen Nordamerika. Neben <strong>der</strong> bereits ange-<br />

führten hohen Albedo bewirkt es eine deutl<strong>ich</strong>e Vermin<strong>der</strong>ung des Wärmeaustausches zwi-<br />

schen Meer und Atmosphäre. Zudem ist das Abschmelzen des Eises ein sehr energieintensi-<br />

ver Prozess. Der Begriff Meereis umfasst das feste, zusammengeschobene Packeis, verfestig-<br />

tes Küsteneis sowie lockeres Treibeis. Dauerhaft von Eis bedeckt ist ledigl<strong>ich</strong> <strong>der</strong> innerhalb<br />

<strong>der</strong> Packeisgrenze befindl<strong>ich</strong>e Teil des Nordpolarmeeres, die sogenannte innere Polarregion.<br />

Das Gebiet zwischen <strong>der</strong> Packeisgrenze und <strong>der</strong> äußeren Treibeisgrenze wird als äußere Po-<br />

larregion beze<strong>ich</strong>net, zu <strong>der</strong> auch das Siedlungsgebiet <strong>der</strong> Inuit gehört. Das Eis dieser Region<br />

umfasst zum einen Salzwassereis, das durch das Gefrieren des Meerwassers entstanden ist,<br />

und zum an<strong>der</strong>en Süßwassereis terrestrischen Ursprungs, das vor allem in Küstennähe und<br />

in Form von Schelfeis o<strong>der</strong> Eisbergen vorkommt. Während das Salzwassereis eine mittlere<br />

Mächtigkeit von einem halben Meter aufweist, ist das Süßwassereis in <strong>der</strong> Regel dicker. Be-<br />

dingt durch die größere Jahrestemperaturamplitude auf dem Festland erfolgt die Vereisung<br />

mit zunehmen<strong>der</strong> Nähe zur Küste umso schneller und mächtiger. Die größte Ausdehnung<br />

des Meereises ist im späten Winter und im Frühjahr zu verze<strong>ich</strong>nen. Im Sommer dagegen<br />

sind weite Teile <strong>der</strong> äußeren Polarregion für mehrere Monate eisfrei (vgl. THANNHEI-<br />

SER/WÜTHRICH 2002:70ff).<br />

Das Siedlungsgebiet <strong>der</strong> Inuit in <strong>der</strong> nordamerikanischen Arktis liegt vollständig nördl<strong>ich</strong><br />

<strong>der</strong> Baumgrenze und im Verbreitungsgebiet des Permafrostbodens. Die dortige Vegetation<br />

verän<strong>der</strong>t s<strong>ich</strong> in Abhängigkeit von <strong>der</strong> Breitenlage und <strong>der</strong> Entfernung zur Küste. Grundsätz-<br />

l<strong>ich</strong> lassen s<strong>ich</strong> für den in dieser Arbeit relevanten Raum, zwei große Vegetationszonen un-<br />

terscheiden: die Vegetationszone <strong>der</strong> nördl<strong>ich</strong>en Arktis und die <strong>der</strong> mittleren Arktis. Erstge-


Die Perspektive <strong>der</strong> Fachwissenschaft auf das Leben <strong>der</strong> Inuit 22<br />

nannte befindet s<strong>ich</strong> im Bere<strong>ich</strong> <strong>der</strong> Frostschuttzone und weist im Mittel eine Pflanzenbede-<br />

ckung von 5% bis 25% auf. Vor allem Moose und Flechten bilden hier die Pflanzendecke. Zu-<br />

dem kommen niedrig wachsende Pflanzen wie Gräser, Polsterpflanzen und Zwergsträucher<br />

vor. Weite Gebiete dieser Zone sind jedoch gänzl<strong>ich</strong> vegetationslos. Die Vegetationszone <strong>der</strong><br />

mittleren Arktis nimmt die Bere<strong>ich</strong>e <strong>der</strong> südl<strong>ich</strong>en Frostschuttzone und <strong>der</strong> arktischen Tun-<br />

dra ein. Hier werden Pflanzenbedeckungsgrade zwischen 25% und 50% erre<strong>ich</strong>t. Unter aus-<br />

geprägtem maritimem Einfluss können örtl<strong>ich</strong> sogar bis zu 75% des Bodens durch Pflanzen<br />

bedeckt sein, was dann hauptsächl<strong>ich</strong> auf die vermehrte Ausbreitung <strong>der</strong> Moose zurückzu-<br />

führen ist. Ähnl<strong>ich</strong> wie in <strong>der</strong> Vegetationszone <strong>der</strong> nördl<strong>ich</strong>en Arktis sind auch hier Flechten<br />

und Moose die dominante Form <strong>der</strong> Vegetation. Daneben treten aber auch zunehmend<br />

Kräuter und vor allem Zwergsträucher auf. Kennze<strong>ich</strong>nend ist überdies die Silberwurzheide<br />

(vgl. THANNHEISER/WÜTHRICH 2002:102f).<br />

Abschließend lässt s<strong>ich</strong><br />

festhaltend, <strong>dass</strong> die na-<br />

turräuml<strong>ich</strong>en Merkmale<br />

des Siedlungsraumes <strong>der</strong><br />

Inuit durch polares Klima<br />

mit ganzjährig niedrigen<br />

Temperaturen, geringen<br />

Nie<strong>der</strong>schlägen und gro-<br />

ßen Unterschieden im<br />

Beleuchtungsregime zwi-<br />

schen Sommer und Win-<br />

ter geprägt werden. Kli-<br />

mazone und kalte Mee-<br />

resströmungen bedingen<br />

zusammen eine mehrmo-<br />

natige Meervereisung. Das<br />

Nie<strong>der</strong>schlag<br />

Niedriges<br />

Nie<strong>der</strong>schlagsniveau<br />

mit<br />

Nie<strong>der</strong>schlagsmaximum<br />

im<br />

Sommer<br />

Vegetation<br />

Arktische und<br />

subarktische<br />

Tundrenvegetation<br />

(Flechten, Moose,<br />

Zwergsträucher)<br />

Polare und<br />

subpolare<br />

Klimazone, hohe<br />

Albedo,<br />

mehrmonatige<br />

Meervereisung<br />

Naturräuml<strong>ich</strong>e<br />

Gegebenheiten <strong>der</strong><br />

nordamerikanischen<br />

Arktis<br />

Geschlossene bzw.<br />

in Südgrönland<br />

inselartige<br />

Verbreitung des<br />

Permafrostbodens<br />

Ebener<br />

kanadischer Schild<br />

mit Erhebungen im<br />

Norden Alaskas, in<br />

Ostkanadas und<br />

auf Grönland<br />

Abbildung 9: Überblick: naturräuml<strong>ich</strong>e Gegebenheiten <strong>der</strong> nordamerikanischen<br />

Arktis<br />

(eigene Darstellung)<br />

Relief wird geprägt durch den weitgehend ebenen kanadischen Schild sowie das bis zu 3.700<br />

m mächtige grönländische Inlandeis. Auf den Permafrostböden herrscht eine baumlose,<br />

nach Süden hin d<strong>ich</strong>ter werdende Tundrenvegetation vor.<br />

Klima<br />

Relief<br />

Boden


Die Perspektive <strong>der</strong> Fachwissenschaft auf das Leben <strong>der</strong> Inuit 23<br />

3.2 Die Inuit als autochthone Bevölkerung <strong>der</strong> nordamerikanischen Arktis: Herkunft,<br />

Siedlungsraum und traditionelle Lebensweisen<br />

Die Inuit bilden eine <strong>der</strong> größten Ethnien innerhalb <strong>der</strong><br />

Gruppe <strong>der</strong> indigenen Völker <strong>der</strong> Arktis, zu denen ferner-<br />

hin die auf <strong>der</strong> Kola-Halbinsel lebenden Saami und Komi,<br />

die Nenzen im Ural sowie die in Nordsibirien ansässigen<br />

Enzen, Nganasanen, Evenken, Dolganen, Evenen,<br />

Jakuten, Jukagiren und Tschuktschen gezählt werden. Ihr<br />

Siedlungsraum (vgl. Abb. 10) erstreckt s<strong>ich</strong> vornehml<strong>ich</strong><br />

auf die nordamerikanische Arktis – auf Alaska, Nordkana-<br />

da und Grönland (vgl. THANNHEISER/WÜTHRICH 2002:173).<br />

Der Name Inuit 5 (Singular: Inuk, Dual: Inuuk) bedeutet<br />

‚Menschen‘ und wird allgemeinhin für die Gesamtheit <strong>der</strong><br />

in diesen Gebieten lebenden, Inuktitut-sprechenden Be-<br />

Abbildung 10: Siedlungsraum <strong>der</strong><br />

Inuit in <strong>der</strong> nordamerikanischen<br />

Arktis<br />

(verän<strong>der</strong>t nach:<br />

http://www.makivik.org/wpcontent/uploads/2010/1<br />

1/circumpolar_region.gif)<br />

völkerung verwandt. Dennoch bilden die Inuit keine homogene Bevölkerungsgruppe, was<br />

anges<strong>ich</strong>ts <strong>der</strong> Ausdehnung ihres Siedlungsraumes auch schwerl<strong>ich</strong> zu erwarten wäre. Inner-<br />

halb <strong>der</strong> gegenwärtig etwa 150.000 Menschen umfassenden Gruppe <strong>der</strong> Inuit existieren drei<br />

Großgruppen – die grönländischen, die kanadischen und die alaskischen Inuit – welche in<br />

s<strong>ich</strong> weiterhin unterteilt sind. In Grönland werden die Kalaallit in Westgrönland, die Inughuit<br />

in Nordwestgrönland und die Iit in Ostgrönland unterschieden, in Kanada die Inuit in Nuna-<br />

vut und auf <strong>der</strong> Halbinsel Labrador und die Inuvialuit am Mackenzie-Delta sowie in Alaska<br />

die Iñupiaq, die Yup’ik und die Alutiiq (vgl. NUTTALL 2005f:990f).<br />

Wie die übrigen indigenen Völker <strong>der</strong> Arktis stammen die Inuit ursprüngl<strong>ich</strong> aus Asien.<br />

Aufgrund archäologischer Funde sowie sprachl<strong>ich</strong>er und kultureller Merkmale werden ihre<br />

Wurzeln gegenwärtig nahe des Baikalsees in Sibirien bzw. mögl<strong>ich</strong>erweise in Zentralasien<br />

angenommen. Die Wan<strong>der</strong>ung nach Nordosten bis an die asiatische Küste des Beringmeeres<br />

und schließl<strong>ich</strong> die Überquerung <strong>der</strong> Beringstraße in R<strong>ich</strong>tung Alaska um 3000 v. Chr. wird<br />

als Reaktion auf Wan<strong>der</strong>ungsbewegungen <strong>der</strong> Wildtiere vermutet, welche infolge klimati-<br />

5 Nachdem die durch die Europäer von den Algonkin-Indianern übernommene Beze<strong>ich</strong>nung Eskimo (dt. ‚Rohfleischesser‘)<br />

zunehmend auf Vorbehalte stieß, sprach s<strong>ich</strong> die Inuit Circumpolar Conference (ICC) 1977 dafür<br />

aus, <strong>dass</strong> anstelle dieses Begriffes künftig die Beze<strong>ich</strong>nung Inuit zu verwenden sei. Sie wurde von den im nordostkanadischen<br />

Nunavut beheimateten Inuit übernommen, die diesen Namen bereits zuvor als Selbstbeze<strong>ich</strong>nung<br />

verwandten (vgl. NUTTALL 2005f:991).


Die Perspektive <strong>der</strong> Fachwissenschaft auf das Leben <strong>der</strong> Inuit 24<br />

scher Verän<strong>der</strong>ungen aufkamen. Ziel war demnach das Erschließen neuer Jagdgründe. Zu-<br />

nächst beschränkte s<strong>ich</strong> die Besiedlung Nordamerikas durch die Inuit auf Alaska. Dort ent-<br />

stand um 2500 vor Christus die arktische Kleingerätetradition und es entwickelten s<strong>ich</strong> klei-<br />

nere Regionalkulturen. Zu den ältesten archäologischen Fundorten aus dieser Zeit gehört das<br />

am Point Hope in Nordwestalaska gelegene Ipiutak, eine mehr als 600 Häuser umfassende<br />

Siedlung <strong>der</strong> Norton-Kultur. Diese Kultur siedelte entlang des Beringmeeres und war auf die<br />

Jagd großer Meeressäuger spezialisiert. Um 1800 vor Christus entstand die Alte Beringmeer-<br />

Kultur, die durch eine hierarchische Gesellschaftsstruktur gekennze<strong>ich</strong>net war. Die Angehö-<br />

rigen dieser Kultur lebten in ständigen Siedlungen an <strong>der</strong> Küste <strong>der</strong> Beringstraße in Alaska<br />

und jagten sowohl Meeres- als auch Landsäugetiere. Als Fortbewegungsmittel nutzten sie im<br />

Winter Hundeschlitten und im Sommer Qajaq (Kajak; ein wendiges, mit Fellen bespanntes,<br />

geschlossenes Boot) und Umiak (ein hauptsächl<strong>ich</strong> von Frauen genutztes, mit Fellen be-<br />

spanntes, offenes Boot). Eine weitere frühe Inuitkultur war die ebenfalls nordalaskische<br />

Birnirk-Kultur. Diese Menschen lebten vor allem von <strong>der</strong> Karibujagd und vom Fischfang, ehe<br />

ein drastischer Rückgang <strong>der</strong> Karibupopulation eine Spezialisierung auf die Meeressäuger-<br />

jagd bewirkte. Insbeson<strong>der</strong>e die Kapitäne <strong>der</strong> Walfangboote und ebenso ihre Frauen genos-<br />

sen anges<strong>ich</strong>ts ihres Wissens und ihrer Fähigkeiten beim Walfang ein hohes Ansehen inner-<br />

halb <strong>der</strong> Gesellschaft. Es wird angenommen, <strong>dass</strong> die Birnirk-Kultur die Norton-Kultur in Ipiu-<br />

tak nach einer Phase <strong>der</strong> Koexistenz letztl<strong>ich</strong> verdrängte. Zudem gilt sie als Vorläufer <strong>der</strong><br />

heutigen Iñupiaq in Alaska. Um 1000 nach Christus setzte eine erste expansive Besiedlungs-<br />

Abbildung 11: Besiedlung <strong>der</strong> nordamerikanischen Arktis durch die Inuit<br />

(http://www.mr-kartographie.de/uploads/pics/IHW5-Inuit.jpg)


Die Perspektive <strong>der</strong> Fachwissenschaft auf das Leben <strong>der</strong> Inuit 25<br />

phase in den bis dahin unbevölkerten Teilen <strong>der</strong> nordamerikanischen Arktis ein (vgl. Abb.<br />

11). Damals besiedelten die Inuit den Nordrand Amerikas und drangen bis nach Québec und<br />

Labrador vor (vgl. NUTTALL 2005f:991f). Eine zweite expansive Phase leitete um 1200 die Thu-<br />

le-Kultur ein, <strong>der</strong>en Angehörige als ausnehmend gute Jäger auf dem Meer galten. Nachdem<br />

die Thule-Inuit zunächst die in Ostkanada ansässige Dorset-Kultur verdrängt hatten, besie-<br />

delten sie erst Nord- und Westgrönland, dann Ostgrönland (vgl. NUTTALL 2005f:991f). Ab etwa<br />

1700 zerfiel die Thule-Kultur jedoch in kleine, regionale Teilkulturen (vgl. THANNHEI-<br />

SER/WÜTHRICH 2002:176).<br />

Schon aufgrund <strong>der</strong> Weite des Siedlungsraumes mit einer Ost-West-Ausdehnung von<br />

mehreren Tausend Kilometern sind die traditionellen Lebensweisen <strong>der</strong> Inuit vielfältig; über-<br />

greifende Eigenschaften, auf <strong>der</strong>en Grundlage ein allgemeines Bild traditioneller Inuit-Kultur<br />

geze<strong>ich</strong>net werden kann, sind dennoch vorhanden. Die folgenden Ausführungen bieten ei-<br />

nen querschnittartigen Überblick über jene traditionelle Lebensweise <strong>der</strong> Inuit; dies erfolgt<br />

jedoch dem Rahmen dieser Arbeit entsprechend in aller Kürze.<br />

Zunächst einmal stellen die Inuit eine „superbly adapted culture in what Europeans only<br />

saw a frozen wasteland“ (NUTTALL 2005f:992) dar. Ihre traditionelle Lebensgrundlage bildete<br />

die Fischerei sowie die in Gemeinschaften durchgeführte Jagd auf Karibus, Moschusochsen<br />

und Meeressäuger wie Robben, Wale und Walrosse. Die Jagd- und Fischereiaktivitäten <strong>der</strong><br />

Inuit hatten einen geregelten saisonalen Ablauf, <strong>der</strong> s<strong>ich</strong> zum einen aus den jährl<strong>ich</strong>en Wan-<br />

<strong>der</strong>ungsbewegungen <strong>der</strong> Tiere und zum an<strong>der</strong>en aus den Jagdtechniken <strong>der</strong> Inuit ergab. Als<br />

Beispiel sei hier <strong>der</strong> traditionelle Jahresablauf <strong>der</strong> im Westen <strong>der</strong> heutigen kanadischen Pro-<br />

vinz Nunavut ansässigen Netsilik-Inuit angeführt. Ihr Jagdjahr begann Mitte April mit <strong>der</strong><br />

Jagd auf Karibus, die zu dieser Zeit von Süden her in das Siedlungsgebiet <strong>der</strong> Netsilik zogen.<br />

In Abhängigkeit von <strong>der</strong> Größe <strong>der</strong> Herde, <strong>der</strong> Anzahl <strong>der</strong> Jäger, den topographischen Gege-<br />

benheiten und den Schnee- und Eisverhältnissen wurde die Karibujagd entwe<strong>der</strong> vom Land<br />

aus mit Pfeil und Bogen o<strong>der</strong> aus dem Qajaq heraus mit <strong>der</strong> Harpune durchgeführt. Auch<br />

durch Schnee verdeckte Fallgruben kamen mitunter zum Einsatz. Wenn ab Anfang Juli das<br />

Meereis langsam schmolz, erlangten die Jagd auf Wasservögel und die Forellenfischerei Be-<br />

deutung für die Inuit. Die Forellen schwimmen im Juli und August in Schwärmen flussab-<br />

wärts R<strong>ich</strong>tung Meer. Um sie auf diesem Weg abzufangen, err<strong>ich</strong>teten die Netsilik von einem<br />

Ufer zum nächsten steinerne Fischwehre durch die Flüsse. Eine weitere Fischfangtechnik <strong>der</strong>


Die Perspektive <strong>der</strong> Fachwissenschaft auf das Leben <strong>der</strong> Inuit 26<br />

Netsilik bestand in <strong>der</strong> Nutzung <strong>der</strong> Fischharpune. Sie wurde<br />

vor allem an felsigen Ufern von Seen und Flussmündungen<br />

angewandt. Hierbei stellte s<strong>ich</strong> <strong>der</strong> Inuk in erhöhter Position<br />

auf einen Uferfelsen und ließ die Harpune ins Wasser hinun-<br />

ter schnellen. Mithilfe einer Leine konnte sie anschließend<br />

wie<strong>der</strong> hochgezogen werden. Im Winter war die Robben-<br />

jagd die vorherrschende Art <strong>der</strong> Nahrungsbeschaffung. Sie<br />

erfolgte hauptsächl<strong>ich</strong> an Eislöchern (vgl. Abb. 12), die die<br />

Tiere etwa alle zwanzig Minuten aufsuchen, um zu Atmen.<br />

Eine Robbe nutzt in <strong>der</strong> Regel mehrere Eislöcher, weshalb<br />

s<strong>ich</strong> die Gruppe <strong>der</strong> Jäger auf verschiedene, in relativer Nä-<br />

he zueinan<strong>der</strong> liegende Eislöcher verteilte. Die Jäger lauer-<br />

ten den Tieren dort mit einer Harpune auf und stießen<br />

schnell zu, sobald eine Robbe an das Loch kam (vgl. BALIKCI<br />

1970:23ff). Als Fortbewegungs- und Transportmittel während <strong>der</strong> Jagd wurden im Winter<br />

<strong>der</strong> Hundeschlitten sowie im Sommer Qajaq und Umiak genutzt, doch auch zu Fuß wurden<br />

oft weite Wege zurückgelegt (vgl. NUTTALL 2005f:992). THANNHEISER/WÜTHRICH (2002:176) stel-<br />

len bezügl<strong>ich</strong> <strong>der</strong> Jagdmethoden <strong>der</strong> Inuit fest: „Ein Inuk war als Jäger kaum ein reiner Spezi-<br />

alist, <strong>der</strong> in eine extrem enge ökologische Nische gedrängt war, son<strong>der</strong>n er überlebte viel-<br />

mehr durch die vielseitige Nutzung sämtl<strong>ich</strong>er vorhandener Nischen“. Hierzu gehört auch die<br />

vollständige Nutzung aller Teile eines erlegten Tieres. Während das Fleisch <strong>der</strong> Tiere generell<br />

als Nahrung für Mensch und Hund diente, wurden beispielweise bei einer Robbe zudem das<br />

Fell für den Bootsbau verwendet, die Sehnen als Angelschnüre genutzt und das Fett zur<br />

L<strong>ich</strong>t- und Wärmegewinnung verbrannt (vgl. NUTTALL 2005f:992).<br />

Abbildung 12: Inuk bei <strong>der</strong> Robbenjagd<br />

am Eisloch<br />

(BALIKCI 1970:76)<br />

Die Inuit lebten größtenteils in kleinen Gruppen als Nomaden. Diese setzten s<strong>ich</strong> aus<br />

mehreren Familien zusammen und hatten Stammescharakter (vgl. NUTTALL 2005f:992). Zu<br />

den grundlegenden Prinzipien des Zusammenlebens gehörten dabei drei Formen von Part-<br />

nerschaft: die Jagdgemeinschaft, das Teilen <strong>der</strong> vorhandenen Lebensmittel und <strong>der</strong> Frauen-<br />

tausch. Die Inuit jagten in festen Gruppen von dreizehn Männern. Die zwölf Jagdpartner<br />

suchten die Mütter für ihre Söhne aus, und zwar unmittelbar nach <strong>der</strong>en Geburt o<strong>der</strong> in <strong>der</strong><br />

frühen Kindheit. Die Beute wurde nach bestimmten Prinzipien unter den Jägern aufgeteilt.


Die Perspektive <strong>der</strong> Fachwissenschaft auf das Leben <strong>der</strong> Inuit 27<br />

Eine Robbe beispielsweise wurde traditionell in vierzehn Teile zerlegt. Dies übernahm grund-<br />

sätzl<strong>ich</strong> die Frau des Jägers, <strong>der</strong> das jeweilige Tier erlegt hatte. Diesem Jäger stand <strong>der</strong> vier-<br />

zehnte Teil zu, welcher die Vor<strong>der</strong>flossen, den Rückenspeck, den Halsspeck und die Innerei-<br />

en umfasste. Die übrigen Teile wurden durch die Frau des Jägers nach einem festen Schema<br />

an die Frauen <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Jäger verteilt (vgl. BALKCI 1970:134f). Ein Teil des Fleisches eines<br />

jeden erlegten Tieres wurde eingelagert. Im Falle von Nahrungsmittelknappheiten wurde es<br />

dann unter allen aufgeteilt. Das Teilen gehörte zu den sozialen Grundprinzipien <strong>der</strong> Inuitge-<br />

sellschaften (vgl. BACK/GERMAIN/MORRISON 1996:87). „Das heißt n<strong>ich</strong>t, daß die Inuit eine Art<br />

‚Ur-Kommunismus‘ praktizierten, aber Großzügigkeit war ein absolutes soziales Muß“<br />

(BACK/GERMAIN/MORRISON 1996:87). Dem Frauentausch letztl<strong>ich</strong> als drittem Grundprinzip des<br />

Zusammenlebens <strong>der</strong> Inuit kam eine w<strong>ich</strong>tige Funktion für den Zusammenhalt <strong>der</strong> Gemein-<br />

schaft zu. Er erfolgte immer im gegenseitigen Einvernehmen <strong>der</strong> jeweiligen Ehemänner und<br />

galt insofern n<strong>ich</strong>t als Ehebruch. Der Zweck eines Frauentausches war oft praktischer Natur.<br />

Kam beispielweise ein Frem<strong>der</strong> ins Dorf, war er bestrebt mögl<strong>ich</strong>st bald mit einem <strong>der</strong> Dorf-<br />

bewohner die Frau zu tauschen. Auf diese Weise gewann er einen Fürsprecher und fand An-<br />

schluss an die Gemeinschaft. War die Frau eines Jägers schwanger und n<strong>ich</strong>t reisefähig, bot<br />

s<strong>ich</strong> <strong>der</strong> Frauentausch ebenfalls als praktikable Lösung an. Ihr Mann ließ sie für die Zeit, die<br />

er auf Jagd ging, in <strong>der</strong> Obhut eines Freundes und lieh s<strong>ich</strong> im Gegenzug dessen Frau aus (vgl.<br />

BACK/GERMAIN/MORRISON 1996:54f).<br />

Des Weiteren prägten die animistischen religiösen Vorstellungen den Alltag <strong>der</strong> Inuit. Die-<br />

se besagen, <strong>der</strong> Luft sowie jedem Wesen und allen Dingen auf <strong>der</strong> Erde wohne ein bestimm-<br />

ter Geist inne, <strong>der</strong> das Schicksal <strong>der</strong> Menschen beeinflussen könne. Der jeweilige Schamane<br />

genoss daher hohes Ansehen innerhalb <strong>der</strong> einzelnen Gemeinschaften. Er galt als Vermittler<br />

zwischen Menschen und Geistern; ihm wurde die Fähigkeit zugesprochen, auf die Geister<br />

Einfluss zu nehmen. Zudem wurden religiöse Verbote und Rituale genau eingehalten, um die<br />

Geister <strong>der</strong> Tiere keinesfalls zu verletzen (vgl. NUTTALL 2005f:992). Als Beispiel sei hier <strong>der</strong><br />

Umgang mit einer erlegten Robbe genannt: Es war streng verboten, eine Robbe auf schmut-<br />

zigen Boden zu legen, denn es hieß, dies würde ihre Seele beleidigen. Daher musste zu-<br />

nächst frischer, sauberer Schnee in das Haus gebracht werden, worauf die Robbe gelegt<br />

werden konnte. Weiterhin existierte die Vorstellung, auch eine tote Robbe sei durstig. Es<br />

wurde deshalb Wasser für sie bereitgestellt. Durch diese Gesten sollte die Robbe dabei un-


Die Perspektive <strong>der</strong> Fachwissenschaft auf das Leben <strong>der</strong> Inuit 28<br />

terstützt werden, im Körper einer an<strong>der</strong>en Robbe wie<strong>der</strong>geboren zu werden. Gle<strong>ich</strong>zeitig<br />

erhoffte man s<strong>ich</strong>, <strong>dass</strong> das Tier s<strong>ich</strong> dann erkenntl<strong>ich</strong> zeigen würde, indem es s<strong>ich</strong> erneut<br />

von demselben Jäger erlegen ließ (vgl. BALIKCI 1970:218f).<br />

Während die Inuit den Sommer über<br />

durchs Land zogen und in Zelten aus Tier-<br />

häuten lebten, wurden für den Winter se-<br />

mipermanente Siedlungen err<strong>ich</strong>tet. In Europa ist dies-<br />

bezügl<strong>ich</strong> die Vorstellung sehr verbreitet, <strong>dass</strong> die Inuit<br />

traditionell in Iglus lebten, wobei unter einem solchen<br />

Iglu ein Haus aus Schnee und Eisblöcken verstanden<br />

wird. Tatsächl<strong>ich</strong> bedeutet <strong>der</strong> Begriff ‚Iglu‘ übersetzt<br />

ganz allgemein ‚Haus‘ und besagtes Schneehaus war<br />

eher ein Son<strong>der</strong>fall unter den architektonischen Leistun-<br />

gen <strong>der</strong> Inuit. Es war vor allem in Ostkanada verbreitet<br />

und diente dort als provisorische Unterkunft auf langen<br />

Winterreisen. „Wie vieles in <strong>der</strong> Inuit-Kultur war es ein<br />

Notbehelf: äußerst zweckmäßig […] und doch aus fast<br />

n<strong>ich</strong>ts gemacht“ (BACK/GERMAIN/MORRISON 1996:34). Es<br />

wurde kuppelförmig und mit einem langen Eingangs-<br />

tunnel gebaut. Dieser Tunnel wurde im rechten Winkel zur Hauptwindr<strong>ich</strong>tung und niedriger<br />

als <strong>der</strong> Rest des Hauses err<strong>ich</strong>tet; er führte somit von schräg unten in den Hauptraum. Da<br />

kalte Luft absinkt und warme aufsteigt, wurde <strong>der</strong> Hauptraum auf diese Weise zu einer<br />

Wärmefalle. Für L<strong>ich</strong>t im Inneren des Schneehauses sorgte ein Fenster aus einem Süßwas-<br />

sereisblock. Im Regelfall jedoch wurden die Winterhäuser aus dauerhaften Materialen wie<br />

Stein, Treibholz und Erde gebaut. Hierbei werden zwei Typen unterschieden: das in <strong>der</strong><br />

nordamerikanischen Ostarktis verbreitete Steinhaus und das westarktische Holzhaus (vgl.<br />

Abb. 13). Das Steinhaus wurde halbunterirdisch aus einer Doppelsch<strong>ich</strong>t von Steinen err<strong>ich</strong>-<br />

tet, <strong>der</strong>en Zwischenraum mit Torf und Erde ausgefüllt wurde. Das Holzhaus war ein großes<br />

Mehrfamilienhaus mit einem zentralen Wohnraum und radial daran angebauten, erhöhten<br />

Schlafalkoven. Wie das Schneehaus verfügten auch das Holz- und das Steinhaus über den<br />

langen, niedrigen Eingangstunnel (vgl. BACK/GERMAIN/MORRISON 1996:34f).<br />

a) Holzhaus<br />

c) Schneehaus<br />

b) Steinhaus<br />

Abbildung 13: Traditionelle Häuser <strong>der</strong><br />

Inuit<br />

(BACK/GERMAIN/MORRISON 1996: a) 35; b)<br />

34; c) 36)


Die Perspektive <strong>der</strong> Fachwissenschaft auf das Leben <strong>der</strong> Inuit 29<br />

Zum Ende des 19. Jahrhun<strong>der</strong>ts hin und vor allem im Laufe des 20. Jahrhun<strong>der</strong>ts vollzog<br />

s<strong>ich</strong> in den Lebensweisen <strong>der</strong> Inuit ein grundlegen<strong>der</strong> soziokultureller Wandel, <strong>der</strong><br />

weitgehend alle Lebensbere<strong>ich</strong>e betraf. Auslöser hierfür waren neben einem verstärkten<br />

Kontakt mit den Qallunaat (n<strong>ich</strong>t-Inuit) Nordamerikas vor allem staatl<strong>ich</strong>e Programme in<br />

Kanada und Grönland, die die Umsiedlung <strong>der</strong> Inuit in dauerhafte, feste Siedlungen<br />

veranlassten (vgl. NUTTALL 2005f:992ff). Der Zusammenbruch des Pelzhandels in den 1940er<br />

Jahre brachte zahlre<strong>ich</strong>e Inuit in die Abhängigkeit <strong>der</strong> staatl<strong>ich</strong>en Wohlfahrtssysteme und<br />

gle<strong>ich</strong>zeitig verstärkte Kanada seine Bemühungen, durch Missionierung, staatl<strong>ich</strong>en<br />

Schulunterr<strong>ich</strong>t und eine rechtl<strong>ich</strong>e Begrenzung <strong>der</strong> Selbstversorgungsaktivitäten die<br />

indigenen Traditionen zu unterwan<strong>der</strong>n (vgl. HUHNDORF 2009:84). In Kapitel 3.5 erfolgt eine<br />

ausführl<strong>ich</strong>e Darstellung dieser <strong>der</strong> Auswirkungen dieser Entwicklungen.<br />

3.3 Streben nach Selbstbestimmung: <strong>der</strong> Autonomieprozess<br />

Mit Ende des Zweiten Weltkrieges und insbeson<strong>der</strong>e seit den 1960er Jahren setzte auf<br />

Seiten <strong>der</strong> Inuit ein s<strong>ich</strong> allmähl<strong>ich</strong> verstärkendes Streben nach Selbstbestimmung und spä-<br />

ter auch nach Selbstverwaltung ein. „Colonization, oppression, dispossession, disease, and<br />

assimilation of indigenous peoples by settlers and nation states“ benennt KAALHAUGE NIELSEN<br />

(2005b:1876) als ausschlaggebende Gründe für die vielfältigen Autonomiebewegungen, wel-<br />

che mittlerweile einige Erfolge vorzuweisen haben. Zwar ist bisher in keinem <strong>der</strong> Inuit-<br />

Territorien ein unabhängiger Nationalstaat gegründet worden, was KAALHAUGE NIELSEN (vgl.<br />

2005b:1877) in <strong>der</strong> engen Verknüpfung von Eigenständigkeit und Nachhaltigkeit begründet<br />

sieht: Dem Erre<strong>ich</strong>en vollständiger Unabhängigkeit müssten demnach weitre<strong>ich</strong>ende Fort-<br />

schritte in wirtschaftl<strong>ich</strong>er und sozialer Hins<strong>ich</strong>t vorausgehen. Allerdings existiert heute ein<br />

breites Spektrum von Selbstverwaltungsformen, die jeweils unterschiedl<strong>ich</strong>e Grade an Auto-<br />

nomie aufweisen.<br />

Hjemmestyre und Selvstyre in Grönland<br />

Unter den einzelnen Inuit-Territorien in <strong>der</strong> nordamerikanischen Arktis ist Grönland heute<br />

dasjenige, welches über die weitre<strong>ich</strong>endste Autonomie verfügt. Als autonome Provinz


Die Perspektive <strong>der</strong> Fachwissenschaft auf das Leben <strong>der</strong> Inuit 30<br />

innerhalb des Königre<strong>ich</strong>es Dänemark verwaltet es s<strong>ich</strong> zu großen Teilen selbstständig 6 .<br />

Das zuvor von Norwegen kontrollierte Grönland geriet bereits ab 1380 über die dänisch-<br />

norwegische Personalunion unter dänischen Einfluss (vgl. VEITER 1990:10), <strong>der</strong> s<strong>ich</strong> dort in<br />

den folgenden Jahrhun<strong>der</strong>ten vornehml<strong>ich</strong> durch Handel und Missionsdienste bemerkbar<br />

machte (vgl. IRLBACHER FOX 2005:1881). Dänemark glie<strong>der</strong>te Grönland damals ebenso wie<br />

Island und die Färöer als Kolonie in sein Re<strong>ich</strong> ein. Im Jahr 1747 wurde Grönland schließl<strong>ich</strong><br />

offiziell zum dänischen Protektorat erklärt. Damit ging das alleinige Handelsrecht von <strong>der</strong><br />

norwegischen Bergen-Kompagnie auf die Köngl<strong>ich</strong>e Dänische Handelsgesellschaft über,<br />

bevor 1766 mit <strong>der</strong> Kongelik Grønlandske Handel eine eigene Monopolhandelsgesellschaft<br />

für den Grönlandhandel geschaffen wurde (vgl. VEITER 1990:10). Im Jahr 1782 weitete<br />

Dänemark das Handelsmonopol dahingehend aus, <strong>dass</strong> Grönland vollständig vom übrigen<br />

europäischen Markt abgekoppelt wurde. Auf diese Weise sollte zum einen <strong>der</strong> alleinige<br />

dänische Zugriff auf grönländische Rohstoffe ges<strong>ich</strong>ert und zum an<strong>der</strong>en <strong>der</strong> Schutz <strong>der</strong><br />

grönländischen Inuit vor mögl<strong>ich</strong>er wirtschaftl<strong>ich</strong>er Ausbeutung gewährleistet werden (vgl.<br />

THANNHEISER/WÜTHRICH 2002:190). Auch nach <strong>der</strong> Auflösung <strong>der</strong> dänisch-norwegischen<br />

Personalunion im Kieler Frieden 1814 verblieb das Hoheitsrecht über Grönland beim<br />

Königre<strong>ich</strong> Dänemark (vgl. VEITER 1990:10).<br />

Zu einer ersten wesentl<strong>ich</strong>en Verän<strong>der</strong>ung dieser Verhältnisse führte die dänische<br />

Verfassungsreform von 1953, bei <strong>der</strong> aus <strong>der</strong> Kronkolonie Grönland eine dänische Provinz<br />

mit lokaler Selbstverwaltung wurde und die grönländischen Inuit Anerkennung als dänische<br />

Staatsbürger erlangten (vgl. IRLBACHER FOX 2005:1881). Daneben wurde Grönland nun durch<br />

zwei in allgemeinen Wahlen gewählte Abgeordnete im Folketinget, dem dänischen<br />

Parlament, vertreten. VEITER (1990:11) merkt hierzu allerdings an, <strong>dass</strong> die Wahlen in<br />

Grönland auf geringes Interesse stießen und die Wahlbeteiligung entsprechend niedrig<br />

ausfiel. Zurückzuführen sei dies in erster Linie auf das Fehlen politischer Parteien und<br />

organisierter Wahlwerbung sowie auf die beträchtl<strong>ich</strong>en Distanzen zwischen den einzelnen<br />

6 Der dänische Begriff Hjemmestyre als Beze<strong>ich</strong>nung für die grönländische Autonomie von 1978 bedeutet wörtl<strong>ich</strong><br />

übersetzt etwa heimische Regierung (entsprechend <strong>der</strong> englischen Übersetzung Home Rule), wird aber in<br />

<strong>der</strong> deutschsprachigen Literatur zumeist mit Selbstverwaltung o<strong>der</strong> Selbstregierung übersetzt. Mit <strong>der</strong> Reform<br />

<strong>der</strong> grönländischen Autonomie im Jahr 2009 wurde allerdings, um den qualitativen Unterschied zur vorherigen<br />

Regelung hervorzuheben, auch die offizielle Beze<strong>ich</strong>nung von Hjemmestyre in Selvstyre geän<strong>der</strong>t, wobei Selvstyre<br />

nun wörtl<strong>ich</strong> übersetzt tatsächl<strong>ich</strong> Selbstregierung bedeutet. Der begriffl<strong>ich</strong>e Unterschied wäre somit im<br />

Deutschen n<strong>ich</strong>t erkennbar. Um einer Verwechselung <strong>der</strong> beiden Etappen <strong>der</strong> grönländischen Autonomie vorzubeugen,<br />

werden daher im Folgenden die dänischen Begriffe Hjemmestyre bzw. Selvstyre verwandt.


Die Perspektive <strong>der</strong> Fachwissenschaft auf das Leben <strong>der</strong> Inuit 31<br />

Orten. In <strong>der</strong> Hoffnung, die Wahlbeteiligung durch einen stärkeren regionalen Bezug zu<br />

erhöhen, wurde Grönland 1974 in zwei Wahlkreise aufgeteilt, Südgrönland einerseits sowie<br />

Nord- und Ostgrönland an<strong>der</strong>erseits, die fortan je einen Abgeordneten stellten. Überdies<br />

wurde mit besagter Verfassungsän<strong>der</strong>ung von 1953 ein Provinzialrat in Grönland<br />

einger<strong>ich</strong>tet, <strong>der</strong> jedoch ledigl<strong>ich</strong> exekutive, aber keine legislative Gewalt inne hatte. Ein<br />

Gouverneur, <strong>der</strong> gemäß den rechtl<strong>ich</strong>en Bestimmungen Däne sein musste, wurde als<br />

Vertreter <strong>der</strong> dänischen Krone nach Grönland entsandt. Der Gouverneur saß bis 1967 dem<br />

Provinzialrat vor und kontrollierte somit die grönländische Verwaltungsordnung.<br />

Anschließend wurde <strong>der</strong> Vorsitzende des Provinzialrates aus dessen Reihen gewählt, <strong>der</strong><br />

Gouverneur behielt jedoch das Recht, s<strong>ich</strong> in die Ratsdebatten einzuschalten (vgl. VEITER<br />

1990:11f).<br />

VEITER (1990:13) führt aus: „wie die Dinge bis zum 1. Mai 1979 7 lagen [,] [kann] man n<strong>ich</strong>t<br />

von mehr als reinen Ansätzen zu einer Autonomie sprechen“. Jedoch kamen bereits seit den<br />

1960er Jahren erste, wenn auch schleppende Initiativen des Wi<strong>der</strong>standes gegen die<br />

dänische Herrschaft und Bevormundung auf. Dies drückt s<strong>ich</strong> unter an<strong>der</strong>em in <strong>der</strong> 1963<br />

erfolgten Gründung <strong>der</strong> Inuit-Partei als erster politischer Partei Grönlands aus.<br />

Ausschlaggeben<strong>der</strong> Anlass hierfür war das sogenannte ‚Geburtsortkriterium‘ (dän.<br />

Fødestedskriteriet), das in einem Gesetz über die Besoldung grönländischer Beamter<br />

festgeschrieben wurde. Es besagt, <strong>dass</strong> in Grönland geborene Staatsbeamte im Vergle<strong>ich</strong> zu<br />

solchen, die außerhalb Grönlands geboren wurden, ledigl<strong>ich</strong> 85% des Lohnes bekommen<br />

sollten. Die Inuit-Partei setzte s<strong>ich</strong> in diesem Zusammenhang für die Gle<strong>ich</strong>berechtigung <strong>der</strong><br />

Grönlän<strong>der</strong> innerhalb des dänischen Staates ein. Ab 1967 wurde überdies die For<strong>der</strong>ung<br />

nach vollständiger Unabhängigkeit Grönlands Teil ihres Parteiprogrammes. 1969 erfolgte<br />

durch den grönländischen Folketing-Abgeordneten Knud Hertling die Gründung einer<br />

zweiten Partei in Grönland, <strong>der</strong> Sukaq-Partei. Sie vertrat gegenüber <strong>der</strong> Inuit-Partei eine<br />

gemäßigtere Position und plädierte für eine grönländische Selbstverwaltung. Beide Parteien<br />

konnten s<strong>ich</strong> jedoch zu dieser Zeit noch n<strong>ich</strong>t in <strong>der</strong> breiten Masse <strong>der</strong> grönländischen<br />

Bevölkerung durchsetzen (vgl. FÆGTEBORG 2005b:1003). Breiteren Rückhalt erhielten die<br />

For<strong>der</strong>ungen nach mehr Autonomie durch die s<strong>ich</strong> verstärkenden, län<strong>der</strong>übergreifenden<br />

Bestrebungen zum Schutz <strong>der</strong> Rechte und <strong>der</strong> Kultur <strong>der</strong> Inuit. So fand im November 1973<br />

7 Am 1. Mai 1979 trat die grönländische Hjemmestyre in Kraft.


Die Perspektive <strong>der</strong> Fachwissenschaft auf das Leben <strong>der</strong> Inuit 32<br />

mit <strong>der</strong> Arctic Peoples‘ Conference die erste von den indigenen Völkern <strong>der</strong> Arktis bezügl<strong>ich</strong><br />

ihrer Belange und Interessen organisierte Konferenz statt. Auch verschiedene Vertreter <strong>der</strong><br />

grönländischen Inuit nahmen hieran teil. Aus <strong>der</strong> Arctic Peoples‘ Conference ging unter<br />

an<strong>der</strong>em die 1977 gegründete Inuit Circumpolar Conference (ICC) hervor, die s<strong>ich</strong> seither als<br />

zentrale, multilaterale Organisation <strong>der</strong> Inuit für <strong>der</strong>en Rechte und den Fortbestand ihrer<br />

Kultur einsetzt. Diese Tendenzen för<strong>der</strong>ten die Herausbildung eines kollektiven Bewusstseins<br />

unter den Inuit und stärkten somit das Streben nach Autonomie (vgl. WEEN 2005a:141f).<br />

Fernerhin rief <strong>der</strong> Beitritt Dänemarks zur Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) 1973<br />

in Grönland Protest hervor. Im Vorfeld hierzu hatte 1972 ein Referendum über den Beitritt<br />

stattgefunden, in dem s<strong>ich</strong> die Grönlän<strong>der</strong> mit 70,3% <strong>der</strong> Stimmen dagegen aussprachen.<br />

Ungeachtet dessen wurde Grönland im darauffolgenden Jahr als Teil Dänemarks EWG-<br />

Mitglied. Als Reaktion hierauf wurde schließl<strong>ich</strong> eine Kommission gegründet, die eine<br />

grönländische Hjemmestyre vorbereiten sollte (vgl. FÆGTEBORG 2005a:786). In <strong>der</strong> Folgezeit<br />

gründeten s<strong>ich</strong> auch jene Parteien, die bis heute das politische Geschehen in Grönland<br />

bestimmen, die liberale Atassut, die sozialdemokratische Siumut und die sozialistische Inuit<br />

Ataqagiit (vgl. FÆGTEBORG 1998:38f).<br />

Das Gesetz Nr. 577(1978) über die Hjemmestyre Grönlands<br />

wurde am 29. November 1978 vom Folketing verabschiedet<br />

und trat am 1. Mai 1979 in Kraft (vgl. FÆGTEBORG 2005a:786),<br />

nachdem es im Januar 1979 von den Grönlän<strong>der</strong>n mit einer<br />

Zustimmung von 70% <strong>der</strong> Stimmen per Referendum bestätigt<br />

worden war (vgl. VEITER 1990:13). Die einleitenden Paragraphen<br />

dieses Gesetzes bestimmen die Grundzüge <strong>der</strong> grönländischen<br />

Hjemmestyre wie folgt:<br />

„§ 1. Grønland udgør et særligt folkesamfund inden for det danske rige. Det grønlandske hjemmestyre va-<br />

retager inden for rigsenhedens rammer grønlandske anliggen<strong>der</strong> efter reglerne i denne lov.<br />

Stk. 2. Det grønlandske hjemmestyre består af en i Grønland valgt repræsentation, <strong>der</strong> benævnes landstin-<br />

get, og en forvaltning, <strong>der</strong> ledes af et landsstyre.<br />

Abbildung 14: Flagge und<br />

Wappen Grönlands<br />

(http://www.mapsofworld.com<br />

/flags/greenland-flag.html;<br />

http://dk.nanoq.gl/)<br />

§ 2. Landstingets medlemmer vælges for 4 år ved almindelige, direkte og hemmelige valg. […]


Die Perspektive <strong>der</strong> Fachwissenschaft auf das Leben <strong>der</strong> Inuit 33<br />

§ 3. Landstinget vælger landsstyrets formand og de øvrige medlemmer af landsstyret. Landsstyrets formand<br />

fordeler forretningerne mellem landsstyrets medlemmer“ 8 (DANMARKS STATSMINISTERIET 1978:1).<br />

Die grönländische Hjemmestyre (grönl. Kalaallit Nunaanni Namminersornerullutik Oqar-<br />

tussat) umfasst somit ein für vier Jahre gewähltes Parlament, den Landsting, sowie eine von<br />

<strong>der</strong> Landesregierung (Landsstyre) geführte Administration, <strong>der</strong> <strong>der</strong> Premierminister (Lands-<br />

styreformand) vorsteht. Ein Re<strong>ich</strong>sombudsmann vertritt den dänischen Staat in Grönland.<br />

Des Weiteren wurde Grönland im Zuge <strong>der</strong> Selbstverwaltung administrativ in achtzehn<br />

Kommunen unterglie<strong>der</strong>t, die die Zuständigkeit für das Sozialwesen, die örtl<strong>ich</strong>e Verwaltung<br />

sowie für Bildungseinr<strong>ich</strong>tungen und die Bere<strong>ich</strong>e Kultur und Sport innehaben. Zwecks <strong>der</strong><br />

Vertretung <strong>der</strong> Anliegen <strong>der</strong> Kommunen gegenüber <strong>der</strong> Landesregierung, haben s<strong>ich</strong> diese<br />

wie<strong>der</strong>um in dem Gemeindebund KANUKOKA zusammengeschlossen (vgl. FÆGTEBORG<br />

2005a:786f). Die Befugnisse <strong>der</strong> Hjemmestyre gemäß dem Gesetz von 1978 umfassen fol-<br />

gende innere Angelegenheiten Grönlands: die grönländische Verwaltungsordnung; die Ver-<br />

waltungsordnung <strong>der</strong> Kommunen; Steuern und Abgaben; die evangelisch-lutherische Volks-<br />

kirche und hiervon abwe<strong>ich</strong>ende Glaubensgemeinschaften; die Fischerei innerhalb <strong>der</strong> eige-<br />

nen Hoheitsgewässer, Jagd, Landwirtschaft und Rentierzucht; Denkmalschutz; Landespla-<br />

nung; übrige wirtschaftl<strong>ich</strong>e Angelegenheiten, darunter die staatl<strong>ich</strong> kontrollierte Fischerei<br />

und <strong>der</strong>en Produkte, Wirtschaftsför<strong>der</strong>ung und Wirtschaftsentwicklung; Sozialwesen; Maß-<br />

nahmen bezügl<strong>ich</strong> des Arbeitsmarktes; Bildung, Berufsausbildung und Kultur; Gesetzgebung<br />

bezügl<strong>ich</strong> des Wettbewerbs und des Handels, einschließl<strong>ich</strong> des Gaststätten- und Hotelge-<br />

werbes, Bestimmungen für alkoholhaltige Getränke und Ladenschlussregelungen; Gesund-<br />

heitswesen; Mietgesetzgebung, Mietzuschüsse und Verwaltung <strong>der</strong> Wohngebäude; Güter-<br />

versorgung; interner Personen- und Gütertransport sowie den Umweltschutz (vgl. DANMARKS<br />

STATSMINISTERIET 1978:4f). Wenngle<strong>ich</strong> die Zuständigkeit für die Außen- und S<strong>ich</strong>erheitspolitik<br />

inklusive Polizei und Justiz beim dänischen Staat verbleibt, wird <strong>der</strong> grönländischen Regie-<br />

rung die Zusammenarbeit mit verschiedenen internationalen Organisationen gewährt. So<br />

8 „§ 1. Grönland macht eine beson<strong>der</strong>e Volksgruppe innerhalb des dänischen Re<strong>ich</strong>es aus. Die grönländische<br />

Hjemmestyre nimmt im Rahmen <strong>der</strong> Re<strong>ich</strong>seinheit grönländische Anliegen nach den Regelungen dieses Gesetzes<br />

wahr. Abs. 2. Die grönländische Hjemmestyre besteht aus einer in Grönland gewählten Vertretung, genannt<br />

Landstinget, und einer Verwaltung, die von einer Landesregierung geführt wird. § 2. Die Mitglie<strong>der</strong> des Landstinges<br />

werden für vier Jahre durch allgemeine, direkte und geheime Wahl gewählt. […] § 3. Der Landsting<br />

wählt den Vorsitzenden <strong>der</strong> Landesregierung und die übrigen Mitglie<strong>der</strong> <strong>der</strong> Landesregierung. Der Vorsitzende<br />

<strong>der</strong> Landesregierung verteilt die Geschäftsbere<strong>ich</strong>e unter den Mitglie<strong>der</strong>n <strong>der</strong> Landesregierung“ (eigene Übersetzung).


Die Perspektive <strong>der</strong> Fachwissenschaft auf das Leben <strong>der</strong> Inuit 34<br />

steht sie in engem Kontakt mit <strong>der</strong> ICC und seit 1984 ist Grönland durch zwei gewählte Ab-<br />

geordnete im Nordischen Rat, dem parlamentarischen Organ für die offizielle Zusammenar-<br />

beit <strong>der</strong> nordischen Län<strong>der</strong>, vertreten. Zudem verließ es nach erneuter Volksabstimmung<br />

1985 die EG, mit <strong>der</strong> es seither im Rahmen eines Abkommens für überseeische Län<strong>der</strong> und<br />

Territorien kooperiert. Dieses Abkommen ermögl<strong>ich</strong>t einerseits den EG-Staaten weiterhin<br />

die Nutzung <strong>der</strong> grönländischen Fischgründe und an<strong>der</strong>erseits Grönland mit seinen Fische-<br />

rei-Produkten freien Zugang zum europäischen Markt (vgl. FÆGTEBORG 2005a:786f).<br />

VEITER (vgl. 1990:26) nimmt eine Beur-<br />

teilung dieser Gesetzgebung von 1978 vor<br />

und stellt dabei insbeson<strong>der</strong>e den in § 1<br />

festgeschriebenen Schutz <strong>der</strong> Grönlän<strong>der</strong><br />

als Volksgruppe im Vergle<strong>ich</strong> zu an<strong>der</strong>en<br />

Autonomiegesetzgebungen als positiv her-<br />

aus. Unterstützt wird diese Regelung durch<br />

§ 9, <strong>der</strong> festlegt, <strong>dass</strong> „det grønlandske<br />

sprog er hovedsproget“ 9 (DANMARKS STATS-<br />

MINISTERIET (Hrsg.) 1978:2). Dänisch sei zwar<br />

ebenfalls zu lehren, beide Sprachen fungie-<br />

ren aber gle<strong>ich</strong>berechtigt als Amtsspra-<br />

chen. Die Einschätzung Isi FOIGHELs, <strong>der</strong>zu-<br />

folge an <strong>der</strong> grönländischen Autonomie<br />

„keinerlei Mangel erkennbar wäre“ (VEITER<br />

Abbildung 15: Grönlandkarte<br />

(http://www.esm.rochester.edu/organ/Greenland/Image<br />

s/Map-Large.jpg)<br />

1990:27), will VEITER jedoch n<strong>ich</strong>t teilen. Er stellt zwar fest, insgesamt könne s<strong>ich</strong> „die grön-<br />

ländische Autonomie im internationalen Vergle<strong>ich</strong> sehr wohl sehen lassen“ (VEITER 1990:28),<br />

merkt jedoch in Anlehnung an die dänischen Verfassungsrechtler MAX SØRENSEN und FREDERIK<br />

HARHOFF kritisch an, <strong>dass</strong> „die Grönlän<strong>der</strong> wie die Färinger als ‚Völker‘ (peoples) im Sinne <strong>der</strong><br />

UNO-Charta anzusehen sind und daher das Recht auf volle Selbstbestimmung hätten, das<br />

ihnen aber von Dänemark unverän<strong>der</strong>t vorenthalten wurde“ (VEITER 1990:27f). Auch von<br />

grönländischer Seite wurden vermehrt For<strong>der</strong>ungen nach externem Selbstbestimmungsrecht<br />

(vgl. VEITER 1990:27) o<strong>der</strong> zumindest weitre<strong>ich</strong>en<strong>der</strong>en Befugnissen in <strong>der</strong> Außen- und Si-<br />

9 „Die grönländische Sprache ist die Hauptsprache“ (eigene Übersetzung).


Die Perspektive <strong>der</strong> Fachwissenschaft auf das Leben <strong>der</strong> Inuit 35<br />

cherheitspolitik laut. Dänemark nahm s<strong>ich</strong> letztl<strong>ich</strong> dieser Kritik an und rief eine Kommission<br />

ins Leben, die Mögl<strong>ich</strong>keiten ausloten sollte, wie Grönland diese zusätzl<strong>ich</strong>e Autonomie ge-<br />

währt werden könne, allerdings ohne, <strong>dass</strong> es vollständig unabhängig von Dänemark würde.<br />

Die Arbeit <strong>der</strong> Kommission endete 2003 und führte letztl<strong>ich</strong> zu dem Gesetz Nr. 473(2009)<br />

über die Selvstyre Grönlands vom 12. Juni 2009 (vgl. FÆGTEBORG 2005a:786f).<br />

Die neue Qualität <strong>der</strong> grönländischen Autonomie, die dieses Gesetz bewirkt, kommt be-<br />

reits in <strong>der</strong> Präambel zum Ausdruck. Dort heißt es: „I erkendelse af, at det grønlandske folk<br />

er et folk i henhold til folkeretten med ret til selvbestemmelse, bygger loven på et ønske om<br />

at fremme ligeværdighed og gensidig respekt i partnerskabet mellem Danmark og Grøn-<br />

land“ 10 (DANMARKS STATSMINISTERIET 2009:1). Grönland bleibt zwar Teil des dänischen Re<strong>ich</strong>es,<br />

wird aber von nun an als völkerrechtl<strong>ich</strong> zur Selbstbestimmung berechtigter Partner auf Au-<br />

genhöhe wahrgenommen und respektiert. Daneben besteht eine bedeutende Neuerung in<br />

<strong>der</strong> vollständigen Übertragung <strong>der</strong> Legislative und <strong>der</strong> Jurisdiktion an das Parlament und die<br />

Ger<strong>ich</strong>te <strong>der</strong> grönländische Selvstyre, die damit in geteilter Form über alle drei Gewalten<br />

verfügt (§ 1). Die Zahl <strong>der</strong> Kommunen wurde durch Zusammenlegungen von achtzehn auf<br />

vier reduziert. Zudem wurde die grönländische Sprache zur alleinigen Amtssprache Grön-<br />

lands erklärt (§ 20). Fernerhin kann die grönländische Regierung fortan in eigenen Belangen<br />

außenpolitisch agieren (§§ 11-16). Auch die Verfügungsgewalt über die Rohstoffe und die<br />

damit erzielten wirtschaftl<strong>ich</strong>en Gewinne liegt auf Seiten Grönlands (§ 7). Selbst die Mög-<br />

l<strong>ich</strong>keit einer vollständigen Unabhängigkeit Grönlands wurde mit § 21 eingeräumt; über die-<br />

se habe das grönländische Volk zu entscheiden (vgl. DANMARKS STATSMINISTERIET 2009:1ff).<br />

1953<br />

Grönland<br />

wird<br />

dänische<br />

Provinz<br />

1978/<br />

1979<br />

Grönlands<br />

Hjemmestyre<br />

2009<br />

Abbildung 16: Entwicklungsschritte <strong>der</strong> grönländischen Autonomie (eigene Darstellung)<br />

Grönlands<br />

Selvstyre<br />

10 „In Anerkennung dessen, <strong>dass</strong> das grönländische Volk ein Volk in Bezug auf das Völkerrecht mit dem Recht<br />

auf Selbstbestimmung ist, gründet das Gesetz auf dem Wunsch, die Gle<strong>ich</strong>wertigkeit und den gegenseitigen<br />

Respekt in <strong>der</strong> Partnerschaft zwischen Dänemark und Grönland zu för<strong>der</strong>n“ (eigene Übersetzung).


Die Perspektive <strong>der</strong> Fachwissenschaft auf das Leben <strong>der</strong> Inuit 36<br />

Nunavut: ‚Unser Land‘<br />

Das heutige kanadische Territorium Nunavut erstreckt s<strong>ich</strong> über die nördl<strong>ich</strong>e und östli-<br />

che kanadische Arktis. Teile dieses Gebietes gerieten erstmals 1576 unter fremde Herrschaft,<br />

als MARTIN FROBISHER auf <strong>der</strong> Baffin Insel anlandete und diese für England beschlagnahmte.<br />

Vor allem im 19. Jahrhun<strong>der</strong>t eroberte Großbritannien im Zuge <strong>der</strong> Suche nach einer Nord-<br />

West-Passage durch die arktische See zahlre<strong>ich</strong>e weitere Gebiete des arktischen Archipels,<br />

nachdem es zuvor schon in Konkurrenz zu Frankre<strong>ich</strong> starken Einfluss auf weite Teile des<br />

heutigen kanadischen Staatsgebietes gewonnen hatte. Im Jahr 1867 wurde Kanada schließ-<br />

l<strong>ich</strong> britisches Dominion und erwarb als solches drei Jahre später Rupert’s Land, das Kern-<br />

land des heutigen Nunavut, von Großbritannien. Die Souveränität über den übrigen arkti-<br />

schen Archipel wurde 1880 von Großbritannien an Kanada übertragen. Von nun an stand das<br />

Gebiet Nunavuts vollständig unter kanadischer Oberhoheit, die in erster Linie durch die Ro-<br />

yal Canadian Mounted Police vertreten wurde. Sie führte ab 1903 regelmäßige Besuche <strong>der</strong><br />

Inuit-Siedlungen und <strong>der</strong> amerikanischen Walfang-Nie<strong>der</strong>lassungen durch, wenngle<strong>ich</strong> den<br />

Inuit bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges von Seiten des kanadischen Staates in politischer<br />

Hins<strong>ich</strong>t kaum Aufmerksamkeit entgegengebracht wurde. Während des Krieges err<strong>ich</strong>tete<br />

die US-Armee militärische Stützpunkte in <strong>der</strong> kanadischen Arktis, was mittelbar dazu führte,<br />

<strong>dass</strong> die amerikanische und kanadische Presse vermehrt auf die Inuit und ihre damals deso-<br />

late Lebenssituation aufmerksam wurde. Der Nie<strong>der</strong>gang des Pelzhandels in den 1930er und<br />

1940er Jahren hatte zum wirtschaftl<strong>ich</strong>en Zusammenbruch vieler Inuit-Siedlungen geführt.<br />

Die kanadische Regierung reagierte in den 1950er Jahren auf das Bekanntwerden dieser<br />

Problematik mit einem Umsiedlungs- und Integrationsprogramm. Im Zuge dessen wurden<br />

die nordkanadischen Inuit in feste Siedlungen umgesiedelt, die s<strong>ich</strong> zumeist in räuml<strong>ich</strong>er<br />

Nähe zu alten Handelsnie<strong>der</strong>lassungen <strong>der</strong> Hudson’s Bay Company befanden. Dort wurden<br />

sie dann über soziale Wohlfahrtsprogramme mit Nahrungsmitteln, Geld und Bildung ver-<br />

sorgt. Es wurden Häuser und Krankenstationen gebaut und Schulen err<strong>ich</strong>tet, in denen die<br />

Kin<strong>der</strong> Englisch lernten (vgl. LÉGARÉ 2005:1526f). LÉGARÉ (2005:1527) stellt bezügl<strong>ich</strong> dieser<br />

Maßnahmen fest: „With the goal of improving Inuit health and education, the government<br />

integrated the Inuit into Canadian mainstream society“.<br />

Resultierend aus dem beschriebenen Integrationsprogramm entwickelte s<strong>ich</strong> in den<br />

1960er Jahren unter den Inuit Nordkanadas eine kleine politische Elite, die zwar einerseits


Die Perspektive <strong>der</strong> Fachwissenschaft auf das Leben <strong>der</strong> Inuit 37<br />

eine den kanadischen Maßstäben entsprechende Erziehung und Bildung erfahren hatte, an-<br />

<strong>der</strong>erseits aber auch noch in den alten Inuit-Traditionen verwurzelt war. Anges<strong>ich</strong>ts <strong>der</strong> ne-<br />

gativen Begleiterscheinungen des Regierungsprogrammes – Trennung vom ursprüngl<strong>ich</strong>en<br />

Siedlungsland, Entfremdung von Traditionen sowie Abhängigkeit von staatl<strong>ich</strong>en Sozialleis-<br />

tungen – fanden s<strong>ich</strong> in den frühen 1970er Jahren einige Mitglie<strong>der</strong> dieser Gruppe zusam-<br />

men, mit dem Ziel, die Verantwortung für das Leben <strong>der</strong> Inuit und dessen Gestaltung wie<strong>der</strong><br />

zurück in die Hände <strong>der</strong> Inuit zu legen (vgl. LÉGARÉ 2005:1527). Im Jahr 1971 wurde in diesem<br />

Zusammenhang die gemeinnützige Organisation Inuit Tapirisat of Canada (ITC) 11 gegründet.<br />

Sie fungiert seither als die gemeinsame Stimme <strong>der</strong> kanadischen Inuit und setzt s<strong>ich</strong> für den<br />

Erhalt <strong>der</strong> Inuit-Kultur in Kanada ein (vgl. MUELLER/NICKELS 2005:1004f). Im Jahr 1976 rief die<br />

ITC das Projekt Nunavut ins Leben, das <strong>der</strong> Intention folgte, den Inuit <strong>der</strong> östl<strong>ich</strong>en kanadi-<br />

schen Arktis eine weitgehende Selbstverwaltung ihres Siedlungsraumes zu ermögl<strong>ich</strong>en. Be-<br />

son<strong>der</strong>s das Bildungs-, Gesundheits- und Sozialwesen sowie die Verwaltung des Landes und<br />

<strong>der</strong> dortigen Rohstoffe standen hierbei im Fokus. Zur Verwirkl<strong>ich</strong>ung dieses Vorhabens sah<br />

das Nunavut-Projekt vor, die Nord-West-Territorien zu teilen und in <strong>der</strong> mehrheitl<strong>ich</strong> von<br />

Inuit bevölkerten östl<strong>ich</strong>en Hälfte ein neues Territorium mit Namen Nunavut (dt. Unser<br />

Land) zu gründen. Rechtl<strong>ich</strong> berief s<strong>ich</strong> die ITC dabei auf eine königl<strong>ich</strong>e Proklamation Groß-<br />

britanniens aus dem Jahr 1763, die den Ureinwohnern Kanadas das Besitzrecht für das von<br />

ihnen besiedelte und genutzte Land zuerkennt und unter den Schutz <strong>der</strong> Krone stellt. Im Jahr<br />

1973 entschied <strong>der</strong> Oberste Ger<strong>ich</strong>tshof Kanadas in <strong>der</strong> sogenannten Cal<strong>der</strong> decision, <strong>dass</strong><br />

die Proklamation nach wie vor Gültigkeit besitze, da die kanadische Regierung mit Inkrafttre-<br />

ten <strong>der</strong> Unabhängigkeit Kanadas die Verantwortung für die Wahrung <strong>der</strong> Rechte <strong>der</strong> Urein-<br />

wohner übernommen habe. Alle indigenen Völker Kanadas verfügen somit über traditionelle<br />

Besitztitel für ihr Land. Ausgenommen davon sind ledigl<strong>ich</strong> jene Landgebiete, die die Urein-<br />

wohner in <strong>der</strong> Zwischenzeit vertragl<strong>ich</strong> an Kanada abgetreten hatten (vgl. LÉGARÉ 2005:1527).<br />

Die Inuit in Nordostkanada hatten bis dato keinen solchen Vertrag geschlossen, was zum<br />

einen darauf zurückzuführen ist, <strong>dass</strong> ihr Siedlungsgebiet aufgrund des fehlenden landwirt-<br />

schaftl<strong>ich</strong>en Potentials in <strong>der</strong> Vergangenheit keine größere Zahl neuer Siedler angezogen<br />

hatte, wodurch das Interesse <strong>der</strong> kanadischen Regierung an dem Land gering war (vgl.<br />

KULCHYSKI 2005:1529). Als in den 1950er Jahren damit begonnen wurde, im Siedlungsgebiet<br />

11 2001 umbenannt in Inuit Tapiriit Kanatami (ITK)


Die Perspektive <strong>der</strong> Fachwissenschaft auf das Leben <strong>der</strong> Inuit 38<br />

<strong>der</strong> Inuit Nickel und an<strong>der</strong>e metallische Rohstoffe zu för<strong>der</strong>n, ignorierte die Regierung die<br />

Besitzansprüche <strong>der</strong> Inuit einfach, anstatt die landrechtl<strong>ich</strong>en Fragen vertragl<strong>ich</strong> zu klären<br />

(vgl. KULCHYSKI 2005:1529). Somit konnte die ITC nun auf dem Landrecht gemäß <strong>der</strong> Prokla-<br />

mation von 1763 beharren und trat mit <strong>der</strong> Regierung in Verhandlungen über die Gründung<br />

des Territoriums Nunavut (vgl. LÉGARÉ 2005:1527).<br />

Die Verhandlungen verliefen zunächst schleppend; während <strong>der</strong> ersten zwei Jahre<br />

wurden kaum Fortschritte erzielt. Schwierigkeiten bereitete vor allem, <strong>dass</strong> die kanadische<br />

Regierung <strong>der</strong> ITC-For<strong>der</strong>ung nach einem eigenen Territorium zunächst verhalten<br />

gegenüberstand. Die Territorialregierung <strong>der</strong> Nord-West-Territorien lehnte über traditionelle<br />

Rechte begründete Landfor<strong>der</strong>ungen grundsätzl<strong>ich</strong> ab; bei den Wahlen von 1979 wurde sie<br />

jedoch zugunsten einer diesbezügl<strong>ich</strong> offeneren Regierung abgewählt. So markiert das Jahr<br />

1980 für die Verhandlungen schließl<strong>ich</strong> den Beginn einer deutl<strong>ich</strong> konstruktiveren Phase. Um<br />

ihre Verhandlungsposition zu stärken, gründeten die Inuit Nunavuts 1982 eine eigene<br />

Organisation, die Tunngavik Fe<strong>der</strong>ation of Nunavut (TFN), die fortan an die Stelle <strong>der</strong> im<br />

Dienste aller kanandischen Inuit stehenden ITC als Verhandlungsvertreter <strong>der</strong> Nunavut-Inuit<br />

trat (vgl. KULCHYSKI 2005:1529f). Die ITC insistierte <strong>der</strong>weil darauf, das Selbstbestimmungrecht<br />

<strong>der</strong> Inuit in <strong>der</strong> kanadischen Verfassung zu verankern und positionierte s<strong>ich</strong> wie folgt:<br />

„Inuit have certain collective rights un<strong>der</strong> international law because colonization has violated the right of<br />

Inuit to govern themselves and their lands. Colonization is recognized by the international community as a<br />

serious violation of the right of peoples to self-determination. Inuit are entitled to assert this right of self-<br />

determination within Canada and to have it recognizes in the constitution“ (INUIT TAPIRISAT OF CANADA zit. in<br />

HUHNDORF 2009:85).<br />

Das 1982 beschlossene kanadische Verfassungsgesetz (Canada Act / Constitution Act)<br />

erkannte daraufhin neben an<strong>der</strong>en Völkern auch die Inuit ausdrückl<strong>ich</strong> als indigenes Volk mit<br />

entsprechenden Rechten an. Um R<strong>ich</strong>tlinien für die praktische Umsetzung dieser<br />

Anerkennung auszuarbeiten, berief die Regierung eine Son<strong>der</strong>kommission ein, die 1986<br />

ihren Abschlussber<strong>ich</strong>t, den sogenannten Coolican Report mit dem Titel Living Treaties:<br />

Lasting Agreements, vorstellte. Darin wurde die Empfehlung ausgesprochen, die<br />

traditionellen Besitzrechte dauerhaft abzus<strong>ich</strong>ern. Parallel dazu fanden innerhalb <strong>der</strong> Nord-<br />

West-Territorien Verhandlungen über <strong>der</strong>en Teilung zugunsten eines neu zu schaffenden<br />

Territoriums statt, die 1987 in einen Abkommensentwurf mündeten. Diese Entwicklungen


Die Perspektive <strong>der</strong> Fachwissenschaft auf das Leben <strong>der</strong> Inuit 39<br />

bildeten zusammen die Grundlage für das 1989 von <strong>der</strong> kanadischen Regierung, <strong>der</strong><br />

Regierung <strong>der</strong> Nord-West-Territorien und <strong>der</strong> TFN unterze<strong>ich</strong>nete Grundsatzabkommen<br />

über die Gründung Nunavuts als eigenständiges Territorium. Die Inuit befürworteten dieses<br />

Abkommen 1992 in einer Abstimmung mit großer Mehrheit (vgl. KULCHYSKI 2005:1529f),<br />

woraufhin das kanadische Parlament im Juni 1993 das Nunavut Final Agreement beschloss.<br />

Entsprechend den dort getroffenen Vereinbarungen, wurden in den folgenden sechs Jahren<br />

alle Modalitäten für die Gründung des neuen Territoriums geklärt, bevor schließl<strong>ich</strong> am 1.<br />

April 1999 das Territorium Nunavut offiziell proklamiert wurde (vgl. LÉGARÉ 2005:1528).<br />

Das Territorium Nunavut umfasst die vormals zu<br />

den Nord-West-Territorien gehörige östl<strong>ich</strong>e<br />

kanadische Arktis, das heißt den arktischen Archipel<br />

Abbildung 18: Karte des Territoriums Nunavut<br />

(http://atlas.gc.ca/site/english/maps/referenc<br />

2005:1522f).<br />

östl<strong>ich</strong> von<br />

110° W und<br />

die Barren<br />

Grounds. Im<br />

Abbildung 17: Flagge und Wappen<br />

Nunavuts<br />

(http://www.assembly.nu.ca/aboutlegislative-assembly/flag-nunavut;http://www.assembly.nu.ca/aboutlegislative-assembly/coat-arms-nunavut)<br />

Osten wird es durch die Baffin Bay und die<br />

Davisstraße begrenzt, im Süden durch die Hudson<br />

Bay (vgl. Abb. 18). Nunavut ist somit<br />

weitestgehend deckungsgle<strong>ich</strong> mit dem<br />

traditionellen Landbesitz <strong>der</strong> Inuit in diesem Teil<br />

Kanadas. Mit einer Fläche von 2.121.103 km² –<br />

dies entspr<strong>ich</strong>t etwa <strong>der</strong> Fläche Grönlands (vgl.<br />

NUTTALL 2005d:778) – bildet es nunmehr die<br />

flächenmäßig größte politische Einheit innerhalb<br />

des kanadischen Staatsgebietes (vgl. LÉGARÉ<br />

Das politische System Nunavuts entspr<strong>ich</strong>t im Allgemeinen dem <strong>der</strong> übrigen kanadischen<br />

Territorien. Die hochrangigste Position in <strong>der</strong> Territorialregierung hat <strong>der</strong> Hohe Kommissar<br />

inne. Er wird als Vertreter <strong>der</strong> Königin für jeweils fünf Jahre vom kanadischen<br />

Bundeskabinett nach Nunavut entsandt und nimmt dort vorwiegend repräsentative<br />

Aufgaben wahr. Die gesetzgebende Gewalt liegt beim Parlament, <strong>der</strong> im Fünf-Jahres-


Die Perspektive <strong>der</strong> Fachwissenschaft auf das Leben <strong>der</strong> Inuit 40<br />

Rhythmus gewählten, neunzehn Mitglie<strong>der</strong> umfassenden Legislative Assembly (Inuktitut:<br />

Maligaliurvia). Sie wählt den Premierminister, <strong>der</strong> wie<strong>der</strong>um sechs Parlamentsmitglie<strong>der</strong> als<br />

Minister ins Kabinett (Executice Council) beruft. Die Jurisdiktion wird durch verschiedene<br />

Ger<strong>ich</strong>te ausgeübt. Nunavut ist in die drei Verwaltungsbezirke Kivalliq, Kitikmeot und<br />

Qikiqtaaluk unterglie<strong>der</strong>t (vgl. Anhang 2) und es gibt Bestrebungen, die gegenwärtig noch<br />

größtenteils auf die Hautstadt Iqaluit konzentrierten Verwaltungseinr<strong>ich</strong>tungen des<br />

Territoriums künftig stärker zu dezentralisieren und auf die Regionalzentren Iglulik (Igloolik),<br />

Kangiqliniq (Rankin Inlet) und Iqaluktuuttiaq (Cambridge Bay) zu verteilen. Dies soll primär<br />

eine größere Nähe zu den Bürgern ermögl<strong>ich</strong>en und auch jenseits <strong>der</strong> Hauptstadt<br />

Arbeitsplätze im öffentl<strong>ich</strong>en Dienst schaffen. Eine umfassende Dezentralisierung scheiterte<br />

bisher jedoch mangels entsprechend ausgebildeter Arbeitskräfte in den abgelegeneren<br />

Teilen Nunavuts (vgl. LÉGARÉ 2005:1528).<br />

Der kanadische Staat unterscheidet in administrativer Hins<strong>ich</strong>t unterhalb <strong>der</strong><br />

Bundesebene zwei Formen <strong>der</strong> Verwaltung: Provinzen und Territorien (vgl. BERIÉ/KOBERT<br />

2006:277). Nunavut hat seit dem 1. April 1999 rechtl<strong>ich</strong> den Statut eines Territoriums inne<br />

und ist damit dem Yukon-Territorium und den Nord-West-Territorien gle<strong>ich</strong>gestellt. Ähnl<strong>ich</strong><br />

wie die Provinzen hat es somit weitre<strong>ich</strong>ende Befugnisse im Bildungs-, Gesundheits- und<br />

Sozialsystem sowie in <strong>der</strong> Verwaltung und im Umweltschutz. An<strong>der</strong>s als diese ist es jedoch<br />

n<strong>ich</strong>t offiziell im Besitz des Landes und <strong>der</strong> dort befindl<strong>ich</strong>en Rohstoffe und kann daher mit<br />

<strong>der</strong> Rohstoffför<strong>der</strong>ung auch keine wirtschaftl<strong>ich</strong>en Gewinne erzielen. Einfluss hierauf hat die<br />

Territorialregierung ledigl<strong>ich</strong> durch Formen des Ko-Managements (vgl. LÉGARÉ 2005:1528).<br />

Finanziell und steuerl<strong>ich</strong> sind die Territorien von <strong>der</strong> kanadischen Regierung abhängig und<br />

somit gegenüber den Provinzen benachteiligt (vgl. THANNHEISER/WÜTHRICH 2002:194).<br />

Insbeson<strong>der</strong>e die Frage des Landbesitzes war daher bei den Verhandlungen zum Nunavut<br />

Final Agreement strittig. Die letztl<strong>ich</strong> ausgehandelte Lösung entspr<strong>ich</strong>t <strong>der</strong> übl<strong>ich</strong>en<br />

Vorgehensweise <strong>der</strong> kanadischen Landrechtepolitik. Sie sieht so aus, <strong>dass</strong> für die Inuit in<br />

ihrem Siedlungsgebiet ein eigener Verwaltungsbezirk (in diesem ein Territorium)<br />

einger<strong>ich</strong>tet und unter verfassungsrechtl<strong>ich</strong>en Schutz gestellt wird und die Inuit im Gegenzug<br />

dazu ihre traditionellen Landrechte an den Staat abtreten. In Artikel 3.1.1 des Nunavut Final<br />

Agreement heißt es: Die Inuit „cede, release, surren<strong>der</strong> and convey all rights, titles and<br />

interest if any in and to all lands and waters within Canada to her majesty in right of Canada


Die Perspektive <strong>der</strong> Fachwissenschaft auf das Leben <strong>der</strong> Inuit 41<br />

forever“ (zit. nach KULCHYSKI 2005:1530ff). Die Inuit haben nunmehr ledigl<strong>ich</strong> über jene<br />

350.000 km² Land, die s<strong>ich</strong> offiziell in ihrem Grundbesitz befinden, direkte<br />

Verfügungsgewalt. Dies entspr<strong>ich</strong>t etwa 18% <strong>der</strong> Territoriumsfläche. Durch die Gründung<br />

des Territoriums haben sie jedoch die Mögl<strong>ich</strong>keit, auf öffentl<strong>ich</strong>-demokratische Weise auch<br />

die übrigen 82% des Landes zu gestalten (vgl. KULCHYSKI 2005:1530f).<br />

Da die Bevölkerung Nunavuts zu 85% aus Inuit besteht, kann de facto von einer<br />

Selbstregierung <strong>der</strong> Inuit gesprochen werden. So waren beispielsweise nach den ersten<br />

Wahlen von 1999 fünfzehn <strong>der</strong> neunzehn Parlamentsabgeordneten Inuit. Dennoch ist<br />

Nunavut eine staatl<strong>ich</strong>e Verwaltungseinheit und steht als solche im Dienste aller<br />

Nunavummiut (vgl. LÉGARÉ 2005:1528). Als geson<strong>der</strong>te Interessenvertretung <strong>der</strong> Inuit in<br />

Nunavut wurde daher die Nunavut Tunngavik Incorporated (NTI) gegründet, die offizielle<br />

Nachfolgeorganisation <strong>der</strong> 1993 mit Verabschiedung des Nunavut Final Agreement<br />

aufgelösten Tunngavik Fe<strong>der</strong>ation of Nunavut. Um die Beachtung <strong>der</strong> Anliegen <strong>der</strong> Inuit aus<br />

dem gesamten Territorium zu gewährleisten, sind jeweils zwei Vertreter <strong>der</strong> drei<br />

Verwaltungsbezirke Nunavuts, Kitikmeot, Kivalliq und Qikiqtaaluk, in <strong>der</strong> NTI vertreten. Die<br />

NTI verwaltet die in Inuit-Besitz befindl<strong>ich</strong>en 350.000 km² Land und erstellt<br />

Landnutzungspläne hierfür. Daneben überwacht sie die Einhaltung im Nunavut Final<br />

Agreement erfolgter, spezifischer Zugeständnisse an die Inuit. Hierzu zählen etwa die<br />

Erlaubnis zum Fang eines Grönlandwals im Jahr, die bevorzugte Behandlung von<br />

Unternehmen in Inuit-Besitz sowie die Schaffung von Arbeitsplätzen im öffentl<strong>ich</strong>en Dienst<br />

für mindestend 50% <strong>der</strong> Inuit-Bevölkerung (vgl. MCCANN 2005b:1532f).<br />

Die NTI sorgte fernerhin dafür, <strong>dass</strong> die politische Gestaltung Nunavuts auf <strong>der</strong> Grundlage<br />

des Wertesystems <strong>der</strong> Inuit und im Bewusstsein ihrer Traditionen erfolgte. Inuit<br />

Qaujimajatuqangit (IQ) diente hierfür als R<strong>ich</strong>tlinie (vgl. LÉGARÉ 2005:1528). IQ ist eine Form<br />

des indigenen Wissens <strong>der</strong> Inuit;<br />

„[it] indicates the values and practices that allowed Inuit to survive in the eastern Arctic. At the same time,<br />

IQ is also the way in wh<strong>ich</strong> Inuit live their lives, the way in wh<strong>ich</strong> they approach daily decisions at home, at<br />

work and in the family. IQ is thus how an Inuk conducts his or her life“ (HENDERSON 2005:1004).<br />

Von übergeordneter Bedeutung sind hierbei gemeinschaftl<strong>ich</strong>e Zusammenarbeit,<br />

Konsensbereitschaft sowie Achtung vor älteren Menschen. Alle Ministerien und Behörden


Die Perspektive <strong>der</strong> Fachwissenschaft auf das Leben <strong>der</strong> Inuit 42<br />

Nunavuts sind angehalten, IQ in ihr politisches Handeln einzubinden. Dazu wurden teilweise<br />

IQ-Arbeitsgruppen einger<strong>ich</strong>tet; in einigen Behörden gibt es einen IQ-Koordinator (vgl.<br />

HENDERSON 2005:1004). Darüber hinaus kommt IQ in bestimmten Eigenheiten Nunavuts zum<br />

Ausdruck. So gibt es infolge des hohen Ansehens von Konsens und Zusammenarbeit in<br />

Nunavut keine Parteien. Alle Abgeordneten im Parlament sind unabhängig und parteilos (vgl.<br />

LÉGARÉ 2005:1528). Daneben ist auch im Bathurst Mandate ein Bekenntnis zu IQ zu sehen.<br />

Dabei handelt es s<strong>ich</strong> um einen auf zwanzig Jahre angelegten Plan zur Bewältigung <strong>der</strong><br />

massiven sozioökonomischen Probleme Nunavuts. Das Bathurst Mandate nimmt explizit<br />

Bezug auf IQ und stellt dessen Bedeutung für die Selbstachtung <strong>der</strong> Inuit heraus (vgl.<br />

HENDERSON 2005:1004 & LÉGARÉ 2005:1528).<br />

1976<br />

Start des<br />

Projekts<br />

'Nunavut'<br />

1982<br />

Abbildung 19: Entwicklungsschritte <strong>der</strong> Autonomie Nunavuts<br />

(eigene Darstellung)<br />

Die Inuit in Alaska, im Mackenzie-Delta und auf <strong>der</strong> Halbinsel Labrador<br />

Grönland und Nunavut sind die bevölkerungsstärksten Siedlungsgebiete <strong>der</strong> Inuit und zu-<br />

dem diejenigen, die über die weitre<strong>ich</strong>endste Autonomie verfügen. Doch auch in an<strong>der</strong>en<br />

Räumen <strong>der</strong> nordamerikanischen Arktis leben Inuit und auch dort wurden in <strong>der</strong> Vergangen-<br />

heit regionale Autonomieabkommen ausgehandelt.<br />

Das erste dieser Abkommen war <strong>der</strong> 1971 verabschiedete Alaska Native Claims Settle-<br />

ment Act (ANCSA). Er war zugle<strong>ich</strong> die letzte staatl<strong>ich</strong>e Abmachung in Bezug auf Landbesitz-<br />

ansprüche von Ureinwohnern in den Vereinigten Staaten, aber auch <strong>der</strong> erste als mo<strong>der</strong>n zu<br />

beze<strong>ich</strong>nende Vertrag dieser Art in Nordamerika und hatte insofern Vorbildfunktion für die<br />

später in Kanada geschlossenen Abkommen. Der ANCSA ist kein Abkommen, das exklusiv mit<br />

den Inuit geschlossen wurde, son<strong>der</strong>n er bezieht s<strong>ich</strong> auf alle indigenen Völker Alaskas (vgl.<br />

COLT/PRETES 2005:34). Neben den Inuit ist dies hauptsächl<strong>ich</strong> die in mehrere regionale Grup-<br />

pen unterglie<strong>der</strong>te Großgruppe <strong>der</strong> Dene-Indianer, die mit den Navajo und den Apachen<br />

verwandt sind (vgl. PRETES 2005:24f).<br />

Canada<br />

Act<br />

1993<br />

Nunavut<br />

Final<br />

Agreement<br />

1999<br />

Gründung<br />

Nunavuts


Die Perspektive <strong>der</strong> Fachwissenschaft auf das Leben <strong>der</strong> Inuit 43<br />

Für US-amerikanische Verhältnisse erfolgte die endgültige Regelung <strong>der</strong> Landrechte <strong>der</strong><br />

Ureinwohner Alaskas spät. Dies liegt vornehml<strong>ich</strong> in <strong>der</strong> Kolonialgesch<strong>ich</strong>te Alaskas begrün-<br />

det. Erst im Jahr 1958 erhielt es durch den Alaska Statehood Act den Status als US-<br />

amerikanischer Bundesstaat. In diesem Gesetz wurden auch die durch dauerhafte Nutzung<br />

und Besiedlung legitimierten Landrechte <strong>der</strong> indigenen Bevölkerung grundsätzl<strong>ich</strong> bestätigt.<br />

Dennoch stand die amerikanische Regierung einem umfassenden Abkommen über die Land-<br />

rechte zunächst ablehnend gegenüber. Dass es mit dem ANCSA letztl<strong>ich</strong> doch dazu kam, liegt<br />

in folgenden drei Entwicklungen <strong>der</strong> 1960er Jahre begründet:<br />

(1) Unter den Ureinwohnern Alaskas bildete s<strong>ich</strong> eine gut ausgebildete und unterei-<br />

nan<strong>der</strong> eng vernetzte Führungssch<strong>ich</strong>t heraus, die 1962 die erste von Ureinwohnern<br />

verantwortete und herausgegebene Zeitung Alaskas, die Tundra Times, ins Leben<br />

rief. Für die Indianer und Inuit war sie damals neben den lokalen Radiosen<strong>der</strong>n <strong>der</strong><br />

einzige Zugang zu Massenmedien und erre<strong>ich</strong>te in <strong>der</strong> Folgezeit große Bedeutung<br />

als Stimme <strong>der</strong> Ureinwohner.<br />

(2) 1966 ordnete <strong>der</strong> US-Innenminister Stuart UDALL einen sofortigen Stopp <strong>der</strong> Veräu-<br />

ßerung besitzrechtl<strong>ich</strong> umstrittenen Landes in Alaska an. Er war zuvor zu dem<br />

Schluss gekommen, <strong>dass</strong> <strong>der</strong> Organic Act, mit dem Alaska 1884 US-amerikanisches<br />

Territorium geworden war, die Rechte <strong>der</strong> Ureinwohner verletze. Dieser Beschluss<br />

setzte den Kongress unter Druck, im Streit um die Landrechte in Alaska zu einer offi-<br />

ziellen Lösung zu kommen.<br />

(3) Den endgültigen Ausschlag zur Aushandlung des ANCSA gab die Entdeckung eines<br />

Erdölfeldes mit Ölreserven von mehr als zehn Milliarden Barrel in Prudhoe Bay an<br />

<strong>der</strong> Nordküste Alaskas. Denn, obgle<strong>ich</strong> das Ölfeld selbst s<strong>ich</strong> auf zweifelsfrei staats-<br />

eigenem Land befindet, muss das dort geför<strong>der</strong>te Öl über eine Entfernung von<br />

1.100 km durch besitzrechtl<strong>ich</strong> umstrittenes Land zum nächstgelegenen eisfreien<br />

Hafen nach Valdez an die Südküste Alaskas transportiert werden. Das Interesse an<br />

einer Lösung des Problems stieg somit auf allen Seiten. Daneben verschmolzen die<br />

Landfor<strong>der</strong>ungen <strong>der</strong> alaskischen Ureinwohner durch den Ölfund mit <strong>der</strong> Problema-<br />

tik <strong>der</strong> ökonomischen Unterentwicklung dieses Teiles <strong>der</strong> Bevölkerung. Mit <strong>der</strong><br />

Rückgabe des gefor<strong>der</strong>ten Landes erhoffte s<strong>ich</strong> die Regierung einerseits eine Teil-<br />

habe <strong>der</strong> Ureinwohner an dem zu erwartenden neuen Re<strong>ich</strong>tum Alaskas und zum


Die Perspektive <strong>der</strong> Fachwissenschaft auf das Leben <strong>der</strong> Inuit 44<br />

an<strong>der</strong>en eine schnellere Erschließung des Ölfeldes, da dies dann auch im Interesse<br />

<strong>der</strong> Ureinwohner wäre (vgl. COLT/PRETES 2005:34ff). COLT/PRETES (2005:35f) merken<br />

hierzu an:<br />

„In the socially tumultous climate of the late 1960s, the Alaska Native land claims issue presented<br />

Congress and the nation with a chance to make more enlightened, or al least more compassiona-<br />

te, Indian policy than had been imposed on the tribes of the lower 48 states“.<br />

Abbildung 20: Regionale ANCSA-Körperschaften in<br />

Alaska<br />

(http://www.cr.nps.gov/history/online_books/norris1<br />

/images/map4-1.jpg)<br />

Der ANCSA wurde am 17. Dezember 1971<br />

verabschiedet und überführte 44 Millionen<br />

Morgen Land (etwa 12% <strong>der</strong> Fläche Alaskas)<br />

sowie US$ 962,5 Millionen als Barzahlung an<br />

zwölf neu gegründete regionale Körperschaf-<br />

ten <strong>der</strong> Ureinwohner. Fünf dieser Körper-<br />

schaften befinden s<strong>ich</strong> in den Händen <strong>der</strong><br />

Inuit: Arctic Slope, Bering Strait, Calista, Bris-<br />

tol Bay und Nana (vgl. Abb. 20). Auf lokaler<br />

Ebene wurden etwa 200 weitere Körper-<br />

schaften gegründet. Die Summe <strong>der</strong> Trans-<br />

fergel<strong>der</strong> wurde zu jeweils 45% an die regionalen und lokalen Körperschaften ausgezahlt; die<br />

übrigen 10% wurden unter den einzelnen in Alaska nie<strong>der</strong>gelassenen Ureinwohnern zu glei-<br />

chen Teilen aufgeteilt (vgl. COLT/PRETES 2005:34ff). Diese Regelung war für je<strong>der</strong>mann an-<br />

nehmbar und stieß daher bei allen beteiligten Interessengruppen auf Zustimmung:<br />

„Assimilationists saw in corporations business dealings and mo<strong>der</strong>n capitalism. Tribalists saw more real au-<br />

tonomy and, in any event, an improvement over the reservation system. New Native political lea<strong>der</strong>s saw<br />

the opportunity for economic and political self-determination, not to mention the promise of management<br />

positions for themselves“ (COLT/PRETES 2005:36).<br />

Der ANCSA enthält keinerlei konkrete Vorgaben für die Selbstverwaltung <strong>der</strong> Ureinwoh-<br />

ner innerhalb <strong>der</strong> körperschaftl<strong>ich</strong>en Strukturen. Angestrebt wurde vor allem ökonomische<br />

Selbstständigkeit <strong>der</strong> Ureinwohner als Bestandteil und Wegbereiter erweiterter Selbstbe-<br />

stimmung (vgl. IRLBACHER FOX 2005:1878f).


Die Perspektive <strong>der</strong> Fachwissenschaft auf das Leben <strong>der</strong> Inuit 45<br />

Neue Impulse für die Regelung <strong>der</strong> Landbesitzverhältnisse in Kanada bewirkte die ab 1973<br />

von Seiten <strong>der</strong> Regierung verfolgte Comprehensive Land Claims Policy. Vor dem Hintergrund<br />

<strong>der</strong> Cal<strong>der</strong> Decision verfolgte sie das Ziel, mit allen indigenen Völkern Kanadas endgültige<br />

Landbesitzabkommen auszuhandeln. Das grundsätzl<strong>ich</strong>e Prinzip dieser Politik basierte auf<br />

einem Tausch: „A claimant group would receive defined rights, financial compensation, and<br />

other benefits in exchange for relinquishing its title rights“ (LÉGARÉ 2005:1527). Im Zuge <strong>der</strong><br />

Comprehensive Land Claims Policy wurden<br />

auch mit den Inuit <strong>der</strong> Inuvialuit-Region,<br />

Nunatsiavuts und Nunaviks Landrechte-<br />

Abkommen geschlossen (vgl. LÉGARÉ<br />

2005:1527).<br />

Als erstes trat 1984 ein Abkommen mit<br />

den Inuvialuit, den etwa 2.500 Inuit <strong>der</strong><br />

Mackenzie-Delta-Region in den Nord-<br />

West-Territorien, in Kraft. Es war das erste<br />

Landrechteabkommen, <strong>dass</strong> die Inuit im<br />

Rahmen <strong>der</strong> Comprehensive Land Claims<br />

Policy mit dem kanadischen Staat schlos-<br />

sen. Wie zuvor schon in Alaska, waren es<br />

Abbildung 21: Inuit-Land und staatl<strong>ich</strong>es Land in <strong>der</strong><br />

Inuvialuit-Region<br />

(http://www.aincinac.gc.ca/al/ldc/ccl/fagr/inu/iifa96/images/mp1e.jpg)<br />

auch in <strong>der</strong> Inuvialuit-Region letztl<strong>ich</strong> Rohstofffunde, die den Ausschlag für die Aufnahme<br />

ernsthafter Verhandlungen über die Landrechte gaben. Die Inuvialuit-Region umfasst mit<br />

einer Gesamtfläche von 344.000 km² das Mackenzie-Delta, die östl<strong>ich</strong>e Hälfte <strong>der</strong> Beaufort-<br />

seeküste, die Porcupine River-Senke, die Banks Insel, die westl<strong>ich</strong>e Hälfte <strong>der</strong> Victoria Insel<br />

sowie einen Teil <strong>der</strong> Parry Inseln. Die Rolle als Verhandlungsvertreter <strong>der</strong> Inuvialuit nahm<br />

das Commitee for Original Peoples‘ Entitlement (COPE) war. Es war Anfang <strong>der</strong> 1970er Jahre<br />

gegründet worden, als es im Mackenzie-Delta zu Konflikten zwischen den Inuit und den Erd-<br />

ölgesellschaften kam. Die Erdölexploration einerseits und die Jagd <strong>der</strong> Inuit an<strong>der</strong>erseits be-<br />

hin<strong>der</strong>ten s<strong>ich</strong> gegenseitig. Das COPE for<strong>der</strong>te daraufhin im Namen <strong>der</strong> Inuvialuit zum einen<br />

Mitsprache bei künftigen Bohrunternehmungen und zum an<strong>der</strong>en Teilhabe an den daraus<br />

resultierenden Gewinnen für die Inuit. In einer regionalen Autonomieregelung sahen die<br />

Inuvialuit in diesem Zusammenhang eine Chance, von den Rohstofffunden zu profitieren und


Die Perspektive <strong>der</strong> Fachwissenschaft auf das Leben <strong>der</strong> Inuit 46<br />

so ihre sozioökonomischen Probleme zu vermin<strong>der</strong>n. Bisher hatten die Inuvialuit ihre Land-<br />

rechte noch n<strong>ich</strong>t vertragl<strong>ich</strong> an Kanada abgetreten und so stellten sie 1977 offiziell die Inu-<br />

vialuit Nunangat beze<strong>ich</strong>nete For<strong>der</strong>ung nach Selbstverwaltung innerhalb ihres Siedlungsge-<br />

bietes. Der kanadischen Regierung war in dieser Frage an einem schnellen Verhandlungser-<br />

folg gelegen, denn bis zu einer Einigung opponierten die Inuvialuit gegen eine Erschließung<br />

<strong>der</strong> Rohstoffe in ihrem Siedlungsgebiet. Schon ein Jahr später wurde daher ein Agreement in<br />

Principle unterze<strong>ich</strong>net, das vorsah, eine eigene regionale Regierung <strong>der</strong> Inuvialuit einzur<strong>ich</strong>-<br />

ten. Das aus diesem Abkommen resultierende Inuvialuit Final Agreement wurde schließl<strong>ich</strong><br />

am 5. Juni 1984 unterze<strong>ich</strong>net, <strong>der</strong> damit verbundene Western Arctic Claims Settlement Act<br />

noch im selben Jahr vom kanadischen Parlament verabschiedet. Unterze<strong>ich</strong>ner waren die<br />

COPE-Verhandlungsführerin NELLIE COURNOYEA, <strong>der</strong> damalige kanadische Premierminister PIER-<br />

RE TRUDEAU sowie <strong>der</strong> Minister für Indian Affairs and Northern Development, JOHN C. MUNRO<br />

(vgl. MCCANN 2005a:1012).<br />

Über das Abkommen erhielten die Inuit das volle Besitzrecht für 11.000 km² Land ringsum<br />

ihre Siedlungen (vgl. Abb. 21) inklusive <strong>der</strong> dort befindl<strong>ich</strong>en n<strong>ich</strong>t-erneuerbaren Rohstoffe<br />

sowie das Recht zur Entscheidungsteilhabe über weitere 78.000 km² Land im Rahmen von<br />

Ko-Management-Gremien, an denen neben den Inuit auch die kanadische Regierung und die<br />

Regierung <strong>der</strong> Nord West Territorien beteiligt ist. Daneben erhielten sie in <strong>der</strong> Zeit zwischen<br />

1984 und 1997 Transferzahlungen in Höhe von insgesamt Can$ 90 Millionen. Die neu ge-<br />

gründete Inuvialuit Development Corporation erhielt zudem eine Einmalzahlung von Can$ 10<br />

Millionen als Startkapital. Die Aufgabe <strong>der</strong> Corporation besteht darin, durch gezielte langfris-<br />

tige Investitionen Arbeitsplätze für die Inuit zu schaffen und sie in die lokale Wirtschaft aktiv<br />

einzubinden. Unterstützt wird sie dabei durch lokale Körperschaften, die in je<strong>der</strong> Siedlung<br />

ins Leben gerufen wurden und s<strong>ich</strong> speziell um Unternehmen, die Landesplanung und Belan-<br />

ge im Zusammenhang mit dem Erdöl kümmern. Sie haben mittlerweile Abkommen ausge-<br />

handelt, die den Inuit über Abfindungszahlungen und Arbeitsplatzgarantien Teilhabe an <strong>der</strong><br />

Ölwirtschaft gewähren. Von staatl<strong>ich</strong>er Seite wurde im Inuvialuit Final Agreement zuge-<br />

stimmt, im öffentl<strong>ich</strong>en Dienst <strong>der</strong> Region künftig bevorzugt Inuvialuit einzustellen. Vor al-<br />

lem in Nationalparks und im Rahmen des Rückbaus <strong>der</strong> Radarstationen <strong>der</strong> seit dem Ende<br />

des Kalten Krieges n<strong>ich</strong>t mehr genutzten Distant Early Warning Line wurden dadurch Ar-<br />

beitsplätze für Inuit geschaffen. Um den Lebensstandard <strong>der</strong> Inuvialuit im Allgemeinen und


Die Perspektive <strong>der</strong> Fachwissenschaft auf das Leben <strong>der</strong> Inuit 47<br />

ihre Bildung, Gesundheit und Wohnsituation im Beson<strong>der</strong>en zu verbessern, wurde außer-<br />

dem <strong>der</strong> Social Development Fund einger<strong>ich</strong>tet und mit Can$ 7,5 Millionen ausgestattet. Des<br />

Weiteren wurde ein Ausbildungsför<strong>der</strong>ungsprogramm für Jugendl<strong>ich</strong>e geschaffen und das<br />

Inuvialuit Cultural Centre einger<strong>ich</strong>tet, das das Einfließen indigenen Wissens <strong>der</strong> Inuvialuit<br />

und von Inuvialuntun, dem regionalen Inuktitut-Dialekt, in den Schulunterr<strong>ich</strong>t unterstützt<br />

(vgl. MCCANN 2005a:1012f).<br />

Auf <strong>der</strong> Halbinsel Labrador leben Inuit sowohl in Nunavik, das den Norden <strong>der</strong> Provinz<br />

Québec einnimmt, als auch in Nunatsiavut, dem nördl<strong>ich</strong>en Teil <strong>der</strong> Provinz Neufundland<br />

und Labrador. Mit letzteren wurde am 29. August 2003 das Labrador Inuit Land Claims Ag-<br />

reement unterze<strong>ich</strong>net (vgl. HAYSOM 2005:1146). Die Labrador-Inuit, die s<strong>ich</strong> selbst Sikumiut –<br />

Menschen des Meereises – nennen (vgl. RICHLING 2005:1144), for<strong>der</strong>n bereits seit 1977 von<br />

<strong>der</strong> kanadischen Regierung offiziell die Rechte für 80.000 km² Land auf <strong>der</strong> Halbinsel Labra-<br />

dor sowie weitere 27.000 km² <strong>der</strong> angrenzenden Seegebiete innerhalb <strong>der</strong> kanadischen Ho-<br />

heitsgewässer. Im Jahr 1978 erklärte s<strong>ich</strong> die Regierung zu Verhandlungen hierüber bereit<br />

und zwei Jahre später stimmte dem auch die Regierung <strong>der</strong> Provinz Neufundland und Labra-<br />

dor zu. Bis zum tatsächl<strong>ich</strong>en Beginn <strong>der</strong> Verhandlungen zwischen den drei Parteien (Staat,<br />

Provinz und Inuit) dauerte es jedoch noch weitere zehn Jahre, bis November 1990. Im Mai<br />

1999 wurde schließl<strong>ich</strong> das erste Ergebnis <strong>der</strong> Verhandlungen vorgelegt, das Labrador Inuit<br />

Land Claims Agreement in Principle. Bevor es jedoch unterze<strong>ich</strong>net wurde, folgten zunächst<br />

noch Verhandlungen über die Grenzen des Landes, für das die Inuit die Landrechte erhalten<br />

sollten. Es wurde letztl<strong>ich</strong> eine Einigung erzielt, nach <strong>der</strong> 45.000 km² Land sowie die bean-<br />

spruchten 28.000 km² Seegebiet unter Inuit-Verwaltung gestellt werden sollten. 10.000 km²<br />

Land und 6.000 km² Seegebiet sollten dabei direkt in Inuit-Besitz überführt werden (vgl. Abb.<br />

22). Nach dem Beschluss dieser Regelung wurde das Abkommen am 25. Juni 2001 von <strong>der</strong><br />

Regierung Kanadas, <strong>der</strong> Provinzregierung Neufundland und Labradors sowie <strong>der</strong> Labrador<br />

Inuit Association unterze<strong>ich</strong>net. Als Agreement in Principle hatte es jedoch zunächst noch<br />

keine rechtl<strong>ich</strong>e Verbindl<strong>ich</strong>keit. Diese erre<strong>ich</strong>te es erst, als es 2003 durch den Labrador Inuit<br />

Land Claims Agreement Act unter verfassungsrechtl<strong>ich</strong>en Schutz gestellt wurde (vgl. HAYSOM<br />

2005:1146f).<br />

Das Abkommen veranlasste die Einr<strong>ich</strong>tung einer regionalen Regierung in Nunatsiavut,<br />

den Inuit-Siedlungsgebieten Labradors. Diese besteht aus <strong>der</strong> Nunatsiavut-Regierung für die


Die Perspektive <strong>der</strong> Fachwissenschaft auf das Leben <strong>der</strong> Inuit 48<br />

gesamte Region sowie fünf kommunalen Regierungen für die Gemeinden Nunainguk,<br />

Aqvituq, Marruuvik, Qipuqqaq und Kikiak. Die Nunatsiavut-Regierung verfügt innerhalb des<br />

Inuit-Siedlungsgebietes über die gesetzgebende Gewalt im Gesundheits-, Bildungs- und Sozi-<br />

alwesen sowie im kulturellen Bere<strong>ich</strong>. Auch die Rechtsprechung über innere Angelegenhei-<br />

ten und Rechte <strong>der</strong> Inuit obliegt ihr. Alle Einwohner des Zuständigkeitsgebietes haben die<br />

Mögl<strong>ich</strong>keit an <strong>der</strong> Regierung zu partizipieren, unabhängig davon, ob sie Inuit sind o<strong>der</strong><br />

n<strong>ich</strong>t. Der Beschluss des Labrador Inuit Land Claims Agreement beinhaltete überdies die Zah-<br />

lung von insgesamt US$ 255 Millionen an die Inuit. US$ 115 Millionen hiervon gingen an die<br />

Nunatsiavut-Regierung zur praktischen Um-<br />

setzung des Abkommens. Die übrigen US$<br />

140 Millionen wurden in eine wohltätige<br />

Stiftung zu Gunsten <strong>der</strong> Inuit überführt. Fer-<br />

nerhin regelt das Abkommen die Teilhabe<br />

<strong>der</strong> Inuit an den Gewinnen aus <strong>der</strong> Roh-<br />

stoffför<strong>der</strong>ung. Zum einen ist festgeschrie-<br />

ben, <strong>dass</strong> den Inuit 25% <strong>der</strong> Staatseinnah-<br />

men aus <strong>der</strong> För<strong>der</strong>ung mineralischer Roh-<br />

stoffe innerhalb des von ihnen verwalteten<br />

Gebietes zusteht. Darüber hinaus erhalten<br />

sie 50% <strong>der</strong> ersten US$ 2 Millionen, die <strong>der</strong><br />

Staat durch die För<strong>der</strong>ung mineralischer<br />

Rohstoffe in Siedlungsgebieten <strong>der</strong> Inuit<br />

innerhalb <strong>der</strong> Provinz Neufundland und La-<br />

brador, aber außerhalb Nunatsiavuts erwirt-<br />

schaftet. Anschließend stehen ihnen 5% die-<br />

ser Einnahmen zu. Letztl<strong>ich</strong> werden die Inuit<br />

Abbildung 22: Inuit-Land und Inuit-Siedlungsgebiet<br />

in Nunatsiavut nach dem Land Claims Agreement<br />

(http://www.laa.gov.nl.ca/laa/labrador_living/map<br />

.jpg)<br />

zu 5% an den Staatseinnahmen aus den Nickel- Kupfer- und Kobaltminen an <strong>der</strong> Voisey‘s Bay<br />

beteiligt. Abgesehen davon sieht das Abkommen vor, <strong>dass</strong> die Inuit Entschädigungszahlun-<br />

gen erhalten für eine eventuelle Verringerung <strong>der</strong> Qualität, <strong>der</strong> Fließgeschwindigkeit o<strong>der</strong><br />

<strong>der</strong> Menge des Wassers <strong>der</strong> Flüsse in Nunatsiavut. Daneben sind die Inuit befugt, zu Zwe-<br />

cken <strong>der</strong> Selbstversorgung Wildtiere und Vögel zu jagen, zu fischen und die Pflanzenbestän-<br />

de zu nutzen. Zum Schutz und zur Kontrolle <strong>der</strong> Wild- und Fischbestände wurde eine Ko-


Die Perspektive <strong>der</strong> Fachwissenschaft auf das Leben <strong>der</strong> Inuit 49<br />

Management-Behörde einger<strong>ich</strong>tet, an <strong>der</strong> Vertreter <strong>der</strong> Nunatsiavut-Regierung, <strong>der</strong> Pro-<br />

vinzregierung und <strong>der</strong> Bundesregierung beteiligt sind (vgl. HAYSOM 2005:1146f).<br />

Abbildung 23: Karte Nunaviks<br />

(http://www.makivik.org/media-centre/nunavik-maps/)<br />

Das jüngste mit den Inuit geschlos-<br />

sene Abkommen regelt die Landrechte<br />

in Nunavik, das mit einer Fläche von<br />

660.000 km² den Norden <strong>der</strong> Provinz<br />

Québec jenseits 55° N einnimmt (vgl.<br />

Abb. 23). Die Grundlage hierfür bildete<br />

<strong>der</strong> 1999 ausgehandelte Nunavik Poli-<br />

tical Accord, <strong>der</strong> eine Kommission ins<br />

Leben rief, die in den Folgejahren<br />

R<strong>ich</strong>tlinien für die Einsetzung einer<br />

autonomen Selbstverwaltung in Nunavik ausarbeitete. Dem war von Seiten <strong>der</strong> Inuit ein<br />

jahrzehntelanges Ringen um mehr Selbstbestimmung vorausgegangen. Infolgedessen unter-<br />

suchte bereits 1970 die NEVILLE-ROBITAILLE-Kommission Mögl<strong>ich</strong>keiten, Teile <strong>der</strong> Verwaltung<br />

Nunaviks auf die Inuit zu übertragen (vgl. JACOBS 2005b:1522). Im Jahr 1975 wurde mit dem<br />

James Bay and Northern Québec Agreement (JBNQA) ein erster Schritt in diese R<strong>ich</strong>tung ge-<br />

tan. Das Abkommen, das mit den Inuit in Nunavik und den an <strong>der</strong> James Bay ansässigen Cree<br />

und Naskapi geschlossen wurde, führte für die Inuit zu <strong>der</strong> Einr<strong>ich</strong>tung <strong>der</strong> Kativik-<br />

Regionalregierung in Nunavik (vgl. JACOBS 2005a:1519). Für die Bere<strong>ich</strong>e Bildungs- und Sozi-<br />

alwesen sowie Umweltschutz wurden das Kativik School Board, <strong>der</strong> Kativik Health and Social<br />

Services Council und das Kativik Environmental Advisory Commitee als Beratungsgremien<br />

einger<strong>ich</strong>tet (vgl. KATIVIK REGIONAL GOVERNMENT (Hrsg.) o.J.). Das JBNQA ermögl<strong>ich</strong>te den Inuit<br />

somit eine stärkere Partizipation an <strong>der</strong> Gestaltung Nunaviks, jedoch keine wirkl<strong>ich</strong>e Selbst-<br />

verwaltung. In <strong>der</strong> Parliamentary Commission on Aboriginal People im Jahr 1983 brachten<br />

die Inuit Nunaviks ihre For<strong>der</strong>ung nach Einheit und größerer Autonomie noch einmal nach-<br />

drückl<strong>ich</strong> zum Ausdruck. René LÉSVESQUE, <strong>der</strong> Premierminister <strong>der</strong> Provinz Québec, stimmte<br />

daraufhin Verhandlungen zu, die eine Regelung herbeiführen sollten, nach <strong>der</strong> den Inuit eine<br />

begrenzte Autonomie eingeräumt werden sollte. Voraussetzung hierfür war, <strong>dass</strong> die ver-<br />

schiedenen Inuit-Gruppen <strong>der</strong> Region eine gemeinsame Position vertraten. Daher wurde<br />

1990 das Nunavik Institutional Commitee gegründet, das anschließend in Verhandlungen mit


Die Perspektive <strong>der</strong> Fachwissenschaft auf das Leben <strong>der</strong> Inuit 50<br />

<strong>der</strong> Provinzregierung Québecs trat. Ab 1997 waren diese Verhandlungen explizit auf das Ziel<br />

ausger<strong>ich</strong>tet, in Nunavik eine autonome Regierung einzur<strong>ich</strong>ten. Sie führten schließl<strong>ich</strong> zu<br />

<strong>der</strong> Unterze<strong>ich</strong>nung des Political Accord between the Nunavik party, the Government of<br />

Québec and the fe<strong>der</strong>al government for the examination of a form of government in Nunavik<br />

through the establishment of a Nunavik Commission, kurz Nunavik Political Accord, am 5.<br />

November 1999. Die Kommission legte den beteiligten Parteien im März 2001 ihren Ber<strong>ich</strong>t<br />

mit dem Titel Amiqqaaluta – Let Us Share: Mapping the Road Towards a Government for<br />

Nunavik vor (vgl. JACOBS 2005b:1522). Im Anschluss hieran wurde zunächst im Oktober 2002<br />

ein Agreement in Principle unterze<strong>ich</strong>net, das nach <strong>der</strong> Bestätigung durch alle beteiligten<br />

Verhandlungsparteien am 1. Dezember 2006 als Nunavik Inuit Land Claims Agreement end-<br />

gültig beschlossen wurde (vgl. DEPARTMENT OF ABORIGINAL AFFAIRS AND NORTHERN DEVELOPMENT CA-<br />

NADA 2008).<br />

Das Agreement sieht vor, <strong>dass</strong> die neu geschaffene Regierung Nunaviks alle dortigen Ein-<br />

wohner vertreten soll. Neben den Inuit, die bei weitem die Bevölkerungsmehrheit darstel-<br />

len, sind dies auch die Indianerstämme <strong>der</strong> Cree, Innu und Naskapi. Zur Verständigung <strong>der</strong><br />

einzelnen Bevölkerungsgruppen und gemeinsamen Vertretung ihrer Anliegen wurde ein Fo-<br />

rum of Aboriginal Peoples of Northern Québec einger<strong>ich</strong>tet. Es setzt s<strong>ich</strong> zusammen aus Re-<br />

präsentanten <strong>der</strong> Inuit, Cree, Naskapi und Innu sowie jeweils einem Abgeordneten des ka-<br />

nadischen Parlamentes und <strong>der</strong> Nationalversammlung Nunaviks. Nunavik erhielt überdies<br />

einen eigenen Ger<strong>ich</strong>tshof und bekam fernerhin Zugang zu Steuereinnahmen und Einfluss<br />

auf die Finanzpolitik. Bei <strong>der</strong> Neuordnung Nunaviks wurde zwar darauf geachtet, im Einklang<br />

mit den rechtl<strong>ich</strong>en und ökonomischen Gegebenheiten Québecs und Kanadas zu bleiben;<br />

innovative Elemente, welche kulturelle Beson<strong>der</strong>heiten <strong>der</strong> Inuit wi<strong>der</strong>spiegeln, waren den-<br />

noch ausdrückl<strong>ich</strong> erwünscht. Dem wurde nachgekommen, indem unter an<strong>der</strong>em ein Ältes-<br />

tenrat einger<strong>ich</strong>tet wurde. Dieser soll künftig über den Fortbestand <strong>der</strong> Kultur, <strong>der</strong> Sprache<br />

und <strong>der</strong> Werte <strong>der</strong> Inuit wachen. Daneben wurde Inuktitut zur gle<strong>ich</strong>berechtigten Sprache<br />

neben Englisch und Französisch erklärt. Öffentl<strong>ich</strong>e Dokumente müssen demnach in allen<br />

drei Sprachen publiziert werden (vgl. JACOBS 2005b:1521f).


Die Perspektive <strong>der</strong> Fachwissenschaft auf das Leben <strong>der</strong> Inuit 51<br />

Alaska Native<br />

Claims<br />

Settlement Act<br />

James Bay and<br />

Northern Québec<br />

Agreement<br />

Inuvialuit<br />

Final<br />

Agreement<br />

Abbildung 24: Zeitl<strong>ich</strong>e Abfolge <strong>der</strong> Autonomieabkommen mit den Inuit Alaskas, des Mackenzie-Deltas,<br />

Nunaviks und Labradors<br />

(Eigene Darstellung)<br />

KAALHAUGE NIELSEN (2005b:1876) definiert Selbstbestimmung als „a social actor‘s capacity<br />

vis-à-vis its cultural value-system to control its political environment in such a way that it is<br />

able to determine its own being in a sovereign fashion“, ergänzt dazu aber: „In the real<br />

world, political self-determination is a matter of degree“ (KAALHAUGE NIELSEN 2005b:1876).<br />

Dies trifft auch auf die Inuit zu. Über die vorangehend dargestellten Abkommen haben alle<br />

Inuit im Laufe <strong>der</strong> letzten 35 Jahre eine mehr o<strong>der</strong> weniger weitre<strong>ich</strong>ende Autonomie er-<br />

langt. Sie re<strong>ich</strong>t von <strong>der</strong> umfassenden Selbstverwaltung Grönlands bis zu den sehr viel stär-<br />

ker begrenzten kleinen Autonomieabkommen Nunatsiavuts und <strong>der</strong> Inuvialuit-Region. Ob<br />

eine weitergehende Autonomie im Interesse <strong>der</strong> Inuit überhaupt mögl<strong>ich</strong> wäre, ist fragl<strong>ich</strong><br />

und von <strong>der</strong> jeweiligen Region abhängig. Wirtschaftl<strong>ich</strong> sind alle autonomen Regionen <strong>der</strong><br />

Inuit bis heute in hohem Maße von Kanada, den USA beziehungsweise Dänemark abhängig.<br />

Dies soll jedoch n<strong>ich</strong>t über den elementaren Wert <strong>der</strong> Autonomieabkommen hinwegtäu-<br />

schen. Für die Wahrung <strong>der</strong> Identität <strong>der</strong> Inuit, für den Schutz von Kultur, Sprache und indi-<br />

genem Wissen sind sie von zentraler Bedeutung. In allen Regionen wurde <strong>der</strong> jeweilige Inuk-<br />

titut-Dialekt zur gle<strong>ich</strong>berechtigten Amtssprache neben Englisch, Französisch beziehungs-<br />

weise Dänisch. Daneben legen die Abkommen das Bildungswesen und die innere Verwaltung<br />

sowie die Entscheidung über <strong>der</strong>en Gestaltung in die Hände <strong>der</strong> Inuit. Auf diese Weise wird<br />

ermögl<strong>ich</strong>t, <strong>dass</strong> die regionale Politik auf den Werten <strong>der</strong> Inuit gründet und Inuit Qaujima-<br />

jatuqangit darin Ausdruck findet. Zudem eröffnet die Autonomie, wenn auch in variieren-<br />

dem Umfang, die Mögl<strong>ich</strong>keit, eine stärker angepasste Arbeitsmarktpolitik zu betreiben. Die<br />

in Alaska geschaffenen regionalen Körperschaften und die kanadischen Development Corpo-<br />

rations sind in dieser Hins<strong>ich</strong>t ein sinnvoller Ansatz.<br />

Labrador Inuit<br />

Land Claims<br />

Agreement<br />

Nunavik Inuit Land<br />

Claims Agreement<br />

1971 1975 1984 2003 2006


Die Perspektive <strong>der</strong> Fachwissenschaft auf das Leben <strong>der</strong> Inuit 52<br />

3.4 Grundlegende wirtschaftsstrukturelle Gegebenheiten<br />

Die ökonomischen Gegebenheiten <strong>der</strong> nordamerikanischen Arktis sind durch einige<br />

grundlegende Determinanten geprägt. Zu allererst ist hier die Lage des Raumes fernab <strong>der</strong><br />

Metropolitanräume südl<strong>ich</strong>erer Teile des nordamerikanischen Kontinents als benachteili-<br />

gen<strong>der</strong> Faktor zu nennen. Die Ausdehnung des Raumes über eine Fläche von mehreren Mil-<br />

lionen Quadratkilometern in Kombination mit <strong>der</strong> ausnehmend dünnen Besiedlung – in <strong>der</strong><br />

gesamten nordamerikanischen Arktis leben n<strong>ich</strong>t mehr als 150.000 Inuit – sowie den natur-<br />

räuml<strong>ich</strong>-klimatischen Voraussetzungen bedingen zudem eine mangelhaft ausgebaute Infra-<br />

struktur. Ein Straßensystem, das die einzelnen Siedlungen <strong>der</strong> Inuit miteinan<strong>der</strong> vernetzt,<br />

fehlt ebenso wie eine entsprechende Anbindung an die südl<strong>ich</strong>en Landesteile Kanadas. Als<br />

einzige Stadt <strong>der</strong> Inuit ist das im Mackenzie-Delta gelegene Inuvik über eine Straße erre<strong>ich</strong>-<br />

bar. Der Gütertransport muss daher größtenteils per Luftfracht beziehungsweise im Sommer<br />

auch durch Schiffe erfolgen, wodurch wie<strong>der</strong>um die Transportkosten in die Höhe getrieben<br />

werden. Die Inuit sind jedoch bezügl<strong>ich</strong> <strong>der</strong> Versorgung mit Nahrungsmitteln und weiteren<br />

Konsumgütern zu großen Teilen auf Einfuhren angewiesen, da eine Produktion vor Ort für<br />

die meisten Güter aufgrund des sehr kleinen Marktes unrentabel ist. Dies führt wie<strong>der</strong>um zu<br />

hohen Lebenshaltungskosten. Gle<strong>ich</strong>zeitig verfügen die Inuit (vor allem in Kanada und Alas-<br />

ka) größtenteils über eine geringe Kaufkraft. Geringe Ersparnisse und hohe Arbeitslosigkeit<br />

sind hierfür die Hauptgründe (vgl. FUGMANN 2009:73).<br />

2001 2006 2011<br />

Grönland 9,4% ¹ 8,6% ¹ 9,6% ¹<br />

Kanada 6% ² 5,2% ² 7,4% ³<br />

Nunavut 20,8% ² 19,2% ² 16,6% ⁴<br />

Nunavik 14,7% ² 18,8% ² k. A.<br />

Nunatsiavut 33,9% ² 34,8% ² k. A.<br />

Inuvialuit-Region 17,9% ² 24,5% ² k. A.<br />

Alaska 6,1% ⁵ 6,9% ⁵ 7,5% ⁵<br />

Nome k. A. k. A. 14,5% ⁶<br />

North Slope k. A. k. A. 5,5% ⁶<br />

North West Arctic k. A. k. A. 16,5% ⁶<br />

Wade Hampton k. A. k. A. 23,5% ⁶<br />

Tabelle 2: Arbeitslosenquoten in den Siedlungsgebieten <strong>der</strong> Inuit<br />

(eigene Darstellung; Daten: ¹GRØNLANDS STATISTIK 2001/2006/2011a; ²NUNIVAAT – NUNAVIK STATISTICS PROGRAM 2008; ³STATISTICS<br />

CANADA 2011; ⁴NUNAVUT BUREAU OF STATISTICS o.J.; ⁵UNITED STATES DEPARTMENT OF LABOR – BUREAU OF LABOR STATISTICS o.J.; ⁶STATE OF<br />

ALASKA – DEPARTMENT OF LABOR AND WORKFORCE DEVELOPMENT 2011:2)


Die Perspektive <strong>der</strong> Fachwissenschaft auf das Leben <strong>der</strong> Inuit 53<br />

Bevor im Folgenden einzelne wirtschaftl<strong>ich</strong>e Schwerpunkte <strong>der</strong> Inuit exemplarisch darge-<br />

stellt werden, kann als Grundtendenz festgehalten werden, <strong>dass</strong> die Inuit in Grönland wirt-<br />

schaftl<strong>ich</strong> deutl<strong>ich</strong> besser dastehen als in Kanada und weiten Teilen Alaskas. So liegt bei-<br />

spielsweise die Arbeitslosenquote (vgl. Tab. 2) in Grönland konstant unter 10%. Zurückzufüh-<br />

ren ist dies primär auf eine gezielte und angepasste Wirtschafts- und Entwicklungspolitik im<br />

Rahmen <strong>der</strong> mittlerweile dreißigjährigen Autonomie sowie vor allem in Westgrönland auf<br />

eine vielseitiger ausger<strong>ich</strong>tete Wirtschaft (vgl. NUTTALL 2005d:782f). Insbeson<strong>der</strong>e in Kanada,<br />

aber auch in Teilen Alaskas hingegen liegen die Arbeitslosenquoten <strong>der</strong> Inuit um ein Vielfa-<br />

ches über dem jeweiligen Landesdurchschnitt. Ursächl<strong>ich</strong> hierfür ist neben dem Fehlen grö-<br />

ßerer Arbeitgeber im Kontext allgemeiner Strukturschwäche auch das niedrige Bildungsni-<br />

veau weiter Teile <strong>der</strong> Inuitbevölkerung. Beispielsweise haben in Kanada 51% <strong>der</strong> Inuit keinen<br />

Schulabschluss. Nur 36% <strong>der</strong> kanadischen Inuit können eine Berufsausbildung vorweisen,<br />

darunter 4% einen Hochschulabschluss (vgl. STATISTICS CANADA 2008:14ff). In Alaska ist die Si-<br />

tuation weitgehend ähnl<strong>ich</strong>. Eine Ausnahme bildet ledigl<strong>ich</strong> das North Slope Borough, wo die<br />

Inuit an dem Wohlstand, den <strong>der</strong> wirtschaftl<strong>ich</strong>e Aufschwung durch die Erdölfunde in Prud-<br />

hoe Bay nach s<strong>ich</strong> zog, partizipieren und zudem einen bedeutenden Teil ihrer Gewinne in das<br />

Bildungs- und Sozialsystem investierten (vgl. IRLBACHER FOX 2005:1879).<br />

Die w<strong>ich</strong>tigsten wirtschaftl<strong>ich</strong>en Standbeine <strong>der</strong> Inuit sind heute Fischerei, Jagd, Bergbau<br />

und Erdöl- bzw. Erdgasför<strong>der</strong>ung, Tourismus und <strong>der</strong> öffentl<strong>ich</strong>e Dienst. Jedoch weisen die<br />

einzelnen Regionen innerhalb dieses Spektrums unterschiedl<strong>ich</strong>e Schwerpunkte auf. In<br />

Nunavut etwa beschäftigt die öffentl<strong>ich</strong>e Hand mehr als 50% aller Arbeitnehmer unter den<br />

Inuit. In <strong>der</strong> Privatwirtschaft ist die Erdölindustrie <strong>der</strong> w<strong>ich</strong>tigste Arbeitgeber. Eine zuneh-<br />

mende Bedeutung verze<strong>ich</strong>net daneben gegenwärtig <strong>der</strong> Tourismus (vgl. LÉGARÉ 2005:1525).<br />

Seit dem Nie<strong>der</strong>gang des Pelzhandels fungiert die öffentl<strong>ich</strong>e Verwaltung auch in <strong>der</strong> Inu-<br />

vialuit-Region als bedeutendster Arbeitgeber. Für die Zukunft bietet die Erdgasindustrie Po-<br />

tential für die Schaffung einer größeren Zahl von Arbeitsplätzen (vgl. STERN 2005:1015). An-<br />

<strong>der</strong>s sieht die Situation in Grönland und Nunatsiavut aus (vgl. RICHLING 2005:1155). Dort sind<br />

vor allem die Fischerei und die Jagd von wirtschaftl<strong>ich</strong>er Bedeutung. In Grönland spielt über-<br />

dies die Schafhaltung regional eine Rolle und in jüngerer Zeit entwickelt s<strong>ich</strong> <strong>der</strong> Tourismus<br />

zu einem wesentl<strong>ich</strong>en Wirtschaftsfaktor (vgl. NUTTALL 2005d:782f). In Alaska stützt s<strong>ich</strong> die<br />

Wirtschaft <strong>der</strong> Inuit primär auf die Fischerei sowie im North Slope Borough ebenso auf die


Die Perspektive <strong>der</strong> Fachwissenschaft auf das Leben <strong>der</strong> Inuit 54<br />

Erdölindustrie (vgl. PRETES 2005:25). In Nunavik letztl<strong>ich</strong> spielen traditionelle Wirtschaftsfor-<br />

men heute kaum noch eine Rolle. Behörden sowie das Bildungs- und Gesundheitswesen sind<br />

die bedeutendsten Arbeitgeber. Daneben stellen <strong>der</strong> Bergbau und das Bauwesen eine große<br />

Zahl von Arbeitsplätzen (vgl. JACOBS 2005a:1520).<br />

Die traditionelle Wirtschaftsordnung <strong>der</strong> Inuit basierte zu großen Teilen auf Subsistenz-<br />

wirtschaft. Seit Ende des Zweiten Weltkrieges hat jedoch ein tiefgreifen<strong>der</strong> Wandel stattge-<br />

funden, <strong>der</strong> eine vermehrte Hinwendung zur Lohnwirtschaft mit s<strong>ich</strong> brachte. Diese konnte<br />

die Subsistenzwirtschaft allerdings n<strong>ich</strong>t gänzl<strong>ich</strong> verdrängen. Vielmehr hat s<strong>ich</strong> unter <strong>der</strong><br />

indigenen Bevölkerung eine gemischte Wirtschaft etabliert, das heißt, Substistenz- und<br />

Lohnwirtschaft werden ergänzend betrieben. Dabei geht <strong>der</strong> Trend gegenwärtig dahin, <strong>dass</strong><br />

ursprüngl<strong>ich</strong> subsistenzwirtschaftl<strong>ich</strong>e Unternehmungen den Status als Nebenerwerbsquelle<br />

einnehmen und vor allem bei jüngeren und mittleren Altersklassen aufs Wochenende ver-<br />

legt werden. Zudem ze<strong>ich</strong>net s<strong>ich</strong> im traditionellen Fleischverteilungsnetz ein Wandel ab:<br />

„Der für den Verkauf bestimmte Fleischanteil nimmt zu, während s<strong>ich</strong> <strong>der</strong> vom System er-<br />

fasste Personenkreis pro Jäger reduziert“ (THANNHEISER/WÜTHRICH 2002:197). Zurückzuführen<br />

ist dies unter an<strong>der</strong>em auf steigende Kosten für die Jagd und Fischerei, die aus den mo<strong>der</strong>-<br />

nen Ausrüstungen – Gewehre, Motorschlitten und motorisierte Frachtkanus – resultieren<br />

(vgl. THANNHEISER/WÜTHRICH 2002:197).<br />

Ein traditionelles wirtschaftl<strong>ich</strong>es Standbein <strong>der</strong> Inuit bildeten die Jagd auf Robben, Wale,<br />

Eisbären, Karibus und Moschusochsen sowie <strong>der</strong> Handel mit Fleisch und Fellen. Dem Arten-<br />

schutz dienende Fang- und Jagdquoten sowie internationale Handelsbeschränkungen führ-<br />

ten jedoch zu einem tiefgreifenden Wandel in diesem Sektor. So kam <strong>der</strong> Ringelrobbenjagd<br />

traditionell eine große Bedeutung für die Selbstversorgung <strong>der</strong> Inuit zu; die Felle waren da-<br />

neben eines ihrer w<strong>ich</strong>tigsten Handelsgüter. Mitte <strong>der</strong> 1960er Jahre führte jedoch die auf<br />

grausame Weise vorgenommene Tötung einer großen Zahl von Jungtieren an <strong>der</strong> kanadi-<br />

schen Südostküste durch <strong>weiß</strong>e Jäger (Inuit waren hieran n<strong>ich</strong>t beteiligt) zunächst zu einem<br />

Kaufboykott und ab 1983 schließl<strong>ich</strong> zu einem Importverbot für Ringelrobbenfelle in Europa.<br />

In achtzehn von zwanzig Inuit-Siedlungen in <strong>der</strong> Inuvialuit-Region bewirkte dies einen 60-<br />

prozentigen Rückgang <strong>der</strong> Jahreseinnahmen. Um die Versorgung <strong>der</strong> Bevölkerung mit Fleisch<br />

abzus<strong>ich</strong>ern und die Jagd rentabel zu gestalten, subventionieren sowohl die kanadische als<br />

auch die grönländische Regierung die Preise für Ringelrobbenfelle bis heute. Der Erfolg ist


Die Perspektive <strong>der</strong> Fachwissenschaft auf das Leben <strong>der</strong> Inuit 55<br />

jedoch wechselhaft. Die Jagd auf Wale und Eisbären wird heutzutage durch Jagdquoten be-<br />

stimmt. Lizenzen für die Eisbärenjagd werden in <strong>der</strong> gesamten nordamerikanischen Arktis<br />

ausschließl<strong>ich</strong> an Inuit vergeben; in Grönland und Alaska darf sie nur zu Subsistenzzwecken<br />

erfolgen. Daher ist in Grönland zudem die Nutzung einer mo<strong>der</strong>nen Jagdausrüstung unter-<br />

sagt. Eisbärenfelle aus Kanada dürfen jedoch exportiert werden und sind insofern wirtschaft-<br />

l<strong>ich</strong> bedeutsam. Hauptabnehmer <strong>der</strong> Felle ist Japan. Insgesamt werden in Kanada pro Jahr<br />

600 Eisbären erlegt, in Alaska 100 und in Grönland 75. Der Walfang <strong>der</strong> Inuit zielt hauptsäch-<br />

l<strong>ich</strong> auf den Grönlandwal und konzentriert s<strong>ich</strong> sehr stark auf Alaska. Seit 1977 ist er durch<br />

die Internationale Walfangkommission reglementiert. Gegenwärtig dürfen die alaskischen<br />

Inuit jährl<strong>ich</strong> 280 Grönlandwale erlegen, wobei jedes einzelne Tier etwa 8.000 kg Fleisch,<br />

Muktuk (die Außenhaut des Wals, die als Delikatesse gilt) und essbare Innereien liefert (vgl.<br />

THANNHEISER/WÜTHRICH 2002:197ff).<br />

Neben <strong>der</strong> Jagd ist für die Inuit teilweise auch die Tierhaltung von Bedeutung. So hat s<strong>ich</strong><br />

in Grönland die Schafhaltung wirtschaftl<strong>ich</strong> etabliert. Die 60, in <strong>der</strong> Regel in Familienbesitz<br />

befindl<strong>ich</strong>en Betriebe sind hauptsächl<strong>ich</strong> in den südgrönländischen Orten Nanortalik, Nar-<br />

saq, Qaqortoq und Paamiut angesiedelt. Sie beschäftigen etwa 350 Menschen; weitere 63<br />

sind im zentralen Schlachthof in Narsaq angestellt. In den letzten Jahren wurde in <strong>der</strong> grön-<br />

ländischen Schafhaltung von extensiver zu intensiver Wirtschaft übergegangen. Das bedeu-<br />

tet, <strong>dass</strong> die Schafe nur noch im Sommer auf den Bergweiden bleiben, während sie im Win-<br />

ter in Ställen gehalten und dort mit Heu versorgt werden. Der Staat subventionierte den Bau<br />

<strong>der</strong> Ställe und Scheunen. Insgesamt wurden in Grönland im Jahr 2000 zwischen 26.000 und<br />

28.000 Lämmer geschlachtet (vgl. NUTTALL 2005d:782 & THANNHEISER/WÜTHRICH 2002:205). Von<br />

abnehmen<strong>der</strong> Bedeutung ist die Haltung halbdomestizierter Rentiere durch die Inuit. Mitt-<br />

lerweile existieren noch vierzehn Herden, von denen s<strong>ich</strong> elf in Alaska befinden, eine im Ma-<br />

ckenzie-Delta sowie zwei in Westgrönland. Die Herden umfassen zusammen 35.000 Tiere.<br />

Aufgrund <strong>der</strong> geringen Nachfrage nach Rentierfleisch sowie wachsendem Wi<strong>der</strong>stand gegen<br />

den Schutz <strong>der</strong> Rentierweideflächen von Seiten <strong>der</strong> lokalen Bevölkerung ist ein deutl<strong>ich</strong>er<br />

Rückgang <strong>der</strong> Rentierhaltung zu erwarten (vgl. THANNHEISER/WÜTHRICH 2002:204).<br />

Die Küstenfischerei ist ein w<strong>ich</strong>tiger Wirtschaftszweig <strong>der</strong> Inuit. Zu unterscheiden sind<br />

hier die in <strong>der</strong> gesamten nordamerikanischen Arktis betriebene Fischerei für den Eigenbe-<br />

darf einerseits und die regional auf Westalaska, Nunatsiavut und Westgrönland begrenzte


Die Perspektive <strong>der</strong> Fachwissenschaft auf das Leben <strong>der</strong> Inuit 56<br />

kommerzielle Fischerei an<strong>der</strong>erseits. Letztere stellt in den betreffenden Regionen mittler-<br />

weile die Haupteinnahmequelle <strong>der</strong> Inuit dar; „an <strong>der</strong> Küste W-Alaskas gilt die kommerzielle<br />

Fischerei auf Lachs und Hering als einziger Bargeldlieferant innerhalb <strong>der</strong> indigenen ‚ge-<br />

mischten Wirtschaft‘“ (THANNHEISER/WÜTHRICH 2002:208). Das Zentrum <strong>der</strong> westalaskischen<br />

Fischerei ist die Bristol Bay. Innerhalb <strong>der</strong> alaskischen Gewässer weist sie sowohl die um-<br />

fangre<strong>ich</strong>sten Fischbestände als auch die größte Anzahl an Fischern auf. Etwa 90% <strong>der</strong> in<br />

Alaska gefangen Lachse stammen aus <strong>der</strong> Bristol Bay. Die Fischer sind überwiegend Inuit,<br />

daneben aber auch saisonal Ansässige aus an<strong>der</strong>en Landesteilen. Die nördl<strong>ich</strong> angrenzenden<br />

Küstengewässer bis Point Hope werden ausschließl<strong>ich</strong> von Inuit befischt. Die kommerzielle<br />

Lachsfischerei durch die Inuit begann bereits in den 1960er Jahren; die Heringsfischerei ent-<br />

wickelte s<strong>ich</strong> erst ab 1977 im Schutz <strong>der</strong> neu geschaffenen 200-Meilen-Zone, nachdem s<strong>ich</strong><br />

die zuvor durch russische und japanische Flotten stark überfischten Bestände erholt hatten.<br />

In Westgrönland konzentriert s<strong>ich</strong> die Fischerei seit Ende <strong>der</strong> 1970er Jahre auf den küsten-<br />

nahen Fang <strong>der</strong> Rosa Tiefseegarnele. Sie ist mittlerweile das bedeutendste Exportgut Grön-<br />

lands. Eine Ertragssteigerung über das gegenwärtige Maß hinaus scheint allerdings n<strong>ich</strong>t<br />

mögl<strong>ich</strong>, denn zum einen kann das Fanggebiet n<strong>ich</strong>t mehr ausgeweitet werden und zum an-<br />

<strong>der</strong>en kommt auch eine Intensivierung <strong>der</strong> Fischerei wegen Überfischung n<strong>ich</strong>t in Frage. Fi-<br />

schereibiologen raten hingegen eine Vermin<strong>der</strong>ung des Fangvolumens um 20% an. Überfi-<br />

schung ist auch vor den Küsten Labradors ein schwerwiegendes Problem. Die dortigen<br />

Dorschbestände sind bereits in den 1980er Jahren massiv eingebrochen und erholen s<strong>ich</strong><br />

seither nur langsam. Auch die Heilbuttbestände sind überfischt, für die Lachsforellen-<br />

Fischerei gelten Einschränkungen und <strong>der</strong> Lachsfang ist <strong>der</strong>weil gänzl<strong>ich</strong> verboten. Vor die-<br />

sem Hintergrund konzentrieren s<strong>ich</strong> die Inuit Nunatsiavuts auf den Fang <strong>der</strong> Rosa Tiefsee-<br />

garnele, den sie zumeist in Kooperation mit südkanadischen Hochseefischereiunternehmen<br />

durchführen. Die Labrador Inuit Development Corporation ist hierfür im Besitz von fünf Kon-<br />

zessionen. Da die Küsten Nordlabradors nur für eine kurze Zeit des Jahres eisfrei sind, ist die<br />

Küstenfischerei nur eingeschränkt mögl<strong>ich</strong>. Die ganzjährig durchführbare Hochseefischerei<br />

bietet den Inuit somit eine Mögl<strong>ich</strong>keit zur Generierung eines stabilen Einkommens, wobei<br />

die Fischer ihre Löhne größtenteils in die gemischte Wirtschaft einbringen (vgl. THANNHEI-<br />

SER/WÜTHRICH 2002:207ff).


Die Perspektive <strong>der</strong> Fachwissenschaft auf das Leben <strong>der</strong> Inuit 57<br />

Die einzelnen Landrechteabkommen<br />

beinhalten jeweils Vereinbarungen über<br />

verschiedene Formen des Ressourcen-<br />

Ko-Managements. Die Inuit haben seit-<br />

her die Mögl<strong>ich</strong>keit an <strong>der</strong> Politikformu-<br />

lierung bezügl<strong>ich</strong> des Verfahrens mit<br />

n<strong>ich</strong>t erneuerbaren Rohstoffen und auch<br />

an <strong>der</strong>en Umsetzung mitzuwirken. Dane-<br />

ben partizipieren sie in regional unter-<br />

schiedl<strong>ich</strong>em Maße an den wirtschaftli-<br />

chen Erträgen aus <strong>der</strong> Rohstoffför<strong>der</strong>ung<br />

(vgl. DÖRRENBÄCHER 2006:52). Am ausge-<br />

prägtesten ist dies bei <strong>der</strong> Erdölförde-<br />

rung im alaskischen North Slope Borough<br />

<strong>der</strong> Fall. Die Inuit erhalten dort die voll-<br />

ständigen Grundbesitzabgaben <strong>der</strong> Erd-<br />

ölgesellschaften. Gegenwärtig sind in <strong>der</strong><br />

Region neun Bohrlöcher in Prudhoe Bay<br />

(vgl. Abb. 25), Kuparuk und Alpine in Be-<br />

trieb. Das För<strong>der</strong>volumen ist jedoch rück-<br />

läufig und somit auch das Einkommen<br />

<strong>der</strong> Inuit. Daher ist geplant, weitere Erd-<br />

Abbildung 25: Erdölför<strong>der</strong>gebiete und Verkehrsinfrastruktur<br />

in Alaska<br />

(THANNHEISER/WÜTHRICH 2002:217)<br />

Abbildung 26: Rohstofferschließung und Verkehrsinfrastruktur<br />

in <strong>der</strong> kanadischen Arktis<br />

(THANNHEISER/WÜTHRICH 2002:219)<br />

ölfel<strong>der</strong> im Arctic National Wildlife Refuge zu erschließen. Sowohl Alaska als auch Kanada<br />

verfügen fernerhin innerhalb <strong>der</strong> Siedlungsgebiete <strong>der</strong> Inuit über umfangre<strong>ich</strong>e Erdgasvor-<br />

kommen (vgl. Abb. 26). Aufgrund des lange Zeit niedrigen Preisniveaus wurden sie jedoch<br />

bisher kaum erschlossen. Mittlerweile gibt es allerdings Pläne für den Bau einer Arctic Gas<br />

Pipeline, die von Prudhoe Bay nach Inuvik und von dort durch das Mackenzie-Tal nach Calga-<br />

ry führen soll. Dies würde eine deutl<strong>ich</strong>e Intensivierung <strong>der</strong> Nutzung <strong>der</strong> Gasvorkommen in<br />

<strong>der</strong> Beaufortsee nach s<strong>ich</strong> ziehen. Metallische Rohstoffe werden vor allem in Nunatsiavut<br />

abgebaut. Dort finden s<strong>ich</strong> große Vorkommen an Nickel, Kupfer und Kobalt. An den Einnah-<br />

men aus dem Bergbau sind die Inuit wie bereits unter 3.3 (Seite 47) beschrieben beteiligt. In<br />

Grönland findet bereits seit den 1980er Jahren kein rentabler Bergbau mehr statt. Die ehe-


Die Perspektive <strong>der</strong> Fachwissenschaft auf das Leben <strong>der</strong> Inuit 58<br />

mals großen Kryolithvorkommen sind erschöpft und auch die Blei-Zink-Grube in Maarmorilik<br />

wurde 1990 geschlossen. Explorationen in jüngerer Zeit haben zwar zu vielversprechenden<br />

Funden von Erdöl und Erdgas, Blei-Zink- und Gol<strong>der</strong>zlagerstätten sowie Diamantenvorkom-<br />

men geführt, in naher Zukunft ist jedoch keine Erschließung geplant (vgl. THANNHEI-<br />

SER/WÜTHRICH 2002:216ff).<br />

Einen gegenwärtig stark wachsenden<br />

Wirtschaftszweig stellt <strong>der</strong> Tourismus dar.<br />

Im Zuge des Aufkommens des Massentou-<br />

rismus in <strong>der</strong> zweiten Hälfte des 20. Jahr-<br />

hun<strong>der</strong>ts wurde auch die nordamerikani-<br />

sche Arktis als Reiseziel attraktiv. Es ist vor<br />

allem die Suche nach Ursprüngl<strong>ich</strong>keit<br />

und unberührter Natur, die Reisende in<br />

die Arktis zieht, und an die arktische Tou-<br />

rismusorganisationen appellieren. So<br />

40000<br />

35000<br />

30000<br />

25000<br />

20000<br />

15000<br />

10000<br />

5000<br />

0<br />

2001 2002 2003 2004 2005<br />

Abbildung 28: Anzahl <strong>der</strong> ausländischen Touristen in<br />

Grönland 2001 bis 2005<br />

(eigene Darstellung nach: GRØNLANDS STATISTIK 2010)<br />

wirbt <strong>der</strong> Greenland Tourism and Business Council mit dem Slogan „Greenland – be a pio-<br />

neer“ (GREENLAND.COM o.J.) und Nunavut for<strong>der</strong>t auf: „discover Canada’s best kept secret…<br />

explore Nunavut“ (EXPLORE NUNAVUT o.J.). Die Zahl <strong>der</strong> Touristen nimmt von Jahr zu Jahr zu.<br />

Während in Grönland beispielsweise die Zahl <strong>der</strong> ausländischen Touristen Anfang <strong>der</strong> 1990er<br />

Jahre noch bei 3.000 pro Jahr lag, wurden 2005 bereits 34.000 ausländische Reisende ver-<br />

ze<strong>ich</strong>net. Die Aktivitäten <strong>der</strong> Arktis-Touristen umfassen „specialized adventure tourism,<br />

guided walking, wildlife, ornithological tours, sport fishing and sport hunting, cruise ships,<br />

dog mushing, cross-country skiing, and visits to Santa Claus“ (NUTTALL 2005g:2038). Da <strong>der</strong><br />

Tourismus s<strong>ich</strong> bisher stark auf die Sommermonate konzentriert, wird insbeson<strong>der</strong>e durch<br />

Wintersportevents wie das Yukon Quest-Hundeschlittenrennen o<strong>der</strong> die Eis-Golf-<br />

Meisterschaften in Uummannaq versucht, die Touristenzahlen in den Wintermonaten zu<br />

steigern. Ein relativ junger Trend ist daneben <strong>der</strong> arktische Kultur-Tourismus. Das Bereisen<br />

abgelegener Inuit-Dörfer und <strong>der</strong> direkte Kontakt mit <strong>der</strong> indigenen Bevölkerung werden<br />

vermehrt nachgefragt. „The remoteness of Arctic villages (many of wh<strong>ich</strong> are only accessible<br />

by air) and traditional Native culture is attractive for tourists in search of authenticity“ (NUT-<br />

TALL 2005g:2039). In Alaska werden solche Reisen in Kooperation mit den im ANCSA geschaf-


Die Perspektive <strong>der</strong> Fachwissenschaft auf das Leben <strong>der</strong> Inuit 59<br />

fenen lokalen Körperschaften <strong>der</strong> Inuit angeboten. In ökonomischer Perspektive bietet <strong>der</strong><br />

Tourismus den Inuit eine Mögl<strong>ich</strong>keit zu größerer Eigenständigkeit. Die touristische Erschlie-<br />

ßung <strong>der</strong> nordamerikanischen Arktis führt zu einem Ausbau <strong>der</strong> Infrastruktur und schafft<br />

Arbeitsplätze im Hotel- und Gaststättengewerbe, im Souvenirhandel und im Personentrans-<br />

portgewerbe. Lokal führt dies zu einer Diversifizierung <strong>der</strong> Wirtschaftsstruktur, vor allem in<br />

stark durch Subsistenzwirtschaft geprägten Inuit-Siedlungen. Um die künftige Entwicklung<br />

des arktischen Tourismus nachhaltig zu gestalten, hat die Sustainable Development Working<br />

Group des Arctic Council das Programm SMART (Sustainable Model for Arctic Regional Tou-<br />

rism) ins Leben gerufen. Ziel von SMART ist es, im Tourismussektor die Gründung kleiner und<br />

mittelgroßer Unternehmen zu för<strong>der</strong>n, wobei Wert darauf gelegt wird, <strong>dass</strong> die Unterneh-<br />

men ökonomisch effektiv und gle<strong>ich</strong>zeitig ökologisch und kulturell angepasst agieren (vgl.<br />

NUTTALL 2005g:2037ff).<br />

Letztl<strong>ich</strong> stellt auch das Militär zumindest regional einen gewissen Wirtschaftsfaktor dar,<br />

wenngle<strong>ich</strong> seine Bedeutung seit Ende des Kalten Krieges deutl<strong>ich</strong> abgenommen hat. In den<br />

1950er Jahren wurde eine Reihe von Militärbasen und Radarstationen in <strong>der</strong> nordamerikani-<br />

schen Arktis err<strong>ich</strong>tet, da die Querung über das Nordpolarmeer für Interkontinentalraketen<br />

die kürzeste Strecke zur Sowjetunion darstellte. Die sogenannte Distant Early Warning Line<br />

(DEW-Line) erstreckte s<strong>ich</strong> die gesamte arktische Küste entlang durch Alaska, Kanada und<br />

Grönland. In den 1990er Jahren wurden die Standorte <strong>der</strong> DEW-Line geschlossen; geblieben<br />

ist ledigl<strong>ich</strong> die US-Luftwaffenbasis in Thule, die bis heute neben Clear/Alaska 12 und Fylingda-<br />

les/Großbritannien eines von drei Zentren des Ballistic Missile Early Warning System ist. Ge-<br />

genwärtig sind in Thule 800 Mitarbeiter stationiert, die aus den USA, Kanada, Dänemark und<br />

Grönland stammen (vgl. THANNHEISER/WÜTHRICH 2002:237f).<br />

Eines <strong>der</strong> wesentl<strong>ich</strong>en Ziele <strong>der</strong> Autonomiebewegung <strong>der</strong> Inuit neben dem Schutz <strong>der</strong><br />

Kultur und Identität war es, eine Grundlage für die wirtschaftl<strong>ich</strong>e Eigenständigkeit <strong>der</strong> Inuit<br />

zu schaffen. Eine beson<strong>der</strong>e Bedeutung kommt in diesem Zusammenhang den Development<br />

Corporations zu, die seit den 1970er Jahren im Zuge <strong>der</strong> Verhandlungen über die Landrechte<br />

<strong>der</strong> Inuit in Kanada gegründet wurden. Ihr Startkapital bezogen sie teilweise über die Land-<br />

rechte-Abkommen aus staatl<strong>ich</strong>en Transferleistungen und teilweise direkt von den regiona-<br />

12 Die Clear Air Force Station befindet s<strong>ich</strong> in einem Teil Alaskas, <strong>der</strong> n<strong>ich</strong>t zum Siedlungsgebiet <strong>der</strong> Inuit gehört.<br />

Daher wird diese Militärbasis im Folgenden n<strong>ich</strong>t näher thematisiert.


Die Perspektive <strong>der</strong> Fachwissenschaft auf das Leben <strong>der</strong> Inuit 60<br />

len Inuit-Organisationen. Sieben dieser Corporations existieren in Kanada, jeweils eine zent-<br />

rale in Nunavut, Nunavik, Nunatsiavut und <strong>der</strong> Inuvialuit-Region, sowie drei weitere, regio-<br />

nale in den drei Distrikten Nunavuts. Ihre Aufgabe besteht darin, durch Investitionen in wirt-<br />

schaftl<strong>ich</strong>e Projekte und Unternehmen nachhaltiges Wachstum zu för<strong>der</strong>n und Arbeitsplätze<br />

für die Inuit zu schaffen (vgl. FUGMANN 2009:69f).<br />

Als Beispiel einer solchen Development Corporation soll hier die Labrador Inuit Develop-<br />

ment Corporation vorgestellt werden. Sie ist in Nunatsiavut, dem Inuit-Siedlungsgebiet in <strong>der</strong><br />

kanadischen Provinz Neufundland und Labrador tätig. Unter allen Inuit-Regionen weist<br />

Nunatsiavut mit 34,8% im Jahr 2006 die höchste Arbeitslosenquote auf (vgl. FUGMANN<br />

2009:75).<br />

Die Labrador Inuit Development Corporation (LIDC) wurde 1982 als wirtschaftl<strong>ich</strong>er Arm<br />

<strong>der</strong> Labrador Inuit Association gegründet. Von dieser sowie von privaten Investoren erhielt<br />

sie auch ihr Startkapital. Ursprüngl<strong>ich</strong> waren an <strong>der</strong> LIDC drei Anteilseigner beteiligt. Mitt-<br />

lerweile wurden diese Anteile jedoch aus finanziellen Gründen in eine Treuhandgesellschaft,<br />

die Labrador Inuit Capital Strategy Trust, überführt, die <strong>der</strong> Nunatsiavut-Regierung unter-<br />

steht. Die LIDC zahlt dafür Verwaltungsbeiträge an die Gesell-<br />

schaft, die ihr diese für Investitionen in neue Projekte wie<strong>der</strong><br />

zur Verfügung stellt (vgl. Abb. 28). Die Treuhandgesellschaft<br />

fungiert außerdem als Bürge für Kredite. Gegenwärtig<br />

befinden s<strong>ich</strong> unter den von <strong>der</strong> LIDC geför<strong>der</strong>ten Toch-<br />

tergesellschaften unter an<strong>der</strong>em die Torngait U-<br />

jaganniavingit Corporation, die zwei Steinbrüche<br />

bewirtschaftet, den Stein maßgefertigt be- und<br />

verarbeitet und unter an<strong>der</strong>em nach Italien und<br />

in die USA exportiert, sowie das Sägewerk Post<br />

Mill Lumber und die Garnelen-Fischerei PiKalujak<br />

Fisheries (vgl. FUGMANN 2009:75ff).<br />

Nunatsiavut-Regierung<br />

Labrador Inuit Capital<br />

Strategy Trust<br />

Labrador Inuit<br />

Development Corporation<br />

Tochtergesellschaften<br />

und Joint Ventures<br />

Abbildung 28: Vertikale Integration <strong>der</strong> Labrador<br />

Inuit Development Corporation im Verhältnis<br />

zur Nunatsiavut-Regierung<br />

(Eigene Darstellung in Anlehnung an FUGMANN<br />

2009:75)


Die Perspektive <strong>der</strong> Fachwissenschaft auf das Leben <strong>der</strong> Inuit 61<br />

3.5 Inuit-Identität in <strong>der</strong> Mo<strong>der</strong>ne: die Rolle von Selbstbestimmung und indigenen<br />

Werten<br />

Den Vorstellungen und Bil<strong>der</strong>n vom Leben <strong>der</strong> Inuit und ihrem Lebensraum in <strong>der</strong> Arktis,<br />

die s<strong>ich</strong> in <strong>der</strong> Vergangenheit in <strong>der</strong> Welt verbreitet haben, ist größtenteils eines gemein:<br />

Ihre Urheber sind n<strong>ich</strong>t die Inuit selbst. Es waren zumeist Entdecker, Kolonialherren, Han-<br />

dels- und Forschungsreisende aller Art sowie Dokumentarfilmer und -journalisten, die mit<br />

ihren Beschreibungen ein auf verschiedene Weise vereinfachtes und verzerrtes Bild ze<strong>ich</strong>ne-<br />

ten. Dies hat zur Folge, <strong>dass</strong> „Native people live within a world of imaginary that isn’t their<br />

own“ (ALIA 2005:941). FIENUP-RIORDAN (1995:ix) stellt dazu heraus, die am weitesten verbreite-<br />

ten Vorstellungen in Bezug auf die Inuit besagten, <strong>dass</strong><br />

„all Eskimos live in igloos, fight polar bears, and are peaceful, smiling nature children of the Arctic […]. The<br />

other side of that – with no middle ground – is the portrayal of native, primitive savages, trying to survive in<br />

a barren environment and at the mercy of white exploiters and civilization“.<br />

Dieses Blatt beginnt s<strong>ich</strong> mittlerweile zu wenden. Ab den 1960er<br />

Jahren ist ein Wie<strong>der</strong>aufblühen <strong>der</strong> Inuit-Kultur zu beobachten, das<br />

einhergeht mit einem Streben nach Rückgewinnung <strong>der</strong> Selbstbe-<br />

stimmung. Ausdruck findet dies in dem politischen Autonomiepro-<br />

zess <strong>der</strong> letzten Jahrzehnte, <strong>der</strong> Gründung multilateraler Organisati-<br />

onen wie <strong>der</strong> Inuit Circumpolar Conference, aber auch in verschie-<br />

denen Initiativen zur Repräsentation und Selbstdarstellung <strong>der</strong> Inuit.<br />

Sie beginnen s<strong>ich</strong> von dem ‚Stereotyp des frierenden Eskimos im<br />

Iglu‘ zu lösen (vgl. ALIA 2005:940ff). „Images of indigeneous peoples<br />

are no longer constructed primarily from the outside, looking in;<br />

they are taking control of their own image-making“ (ALIA 2005:940).<br />

Indigene Filmproduktionen spielen in diesem Zusammenhang ei-<br />

Abbildung 29: Filmplakat<br />

<strong>der</strong> Igloolik Isuma-<br />

Produktion ‚Atanarjuat<br />

(the fast runner)‘<br />

(http://www.cinecovershd.fr/gallerie/files/<br />

1/atanarjuat_la_legende<br />

_de_l_homme_rapide_4_<br />

original.jpg)<br />

ne bedeutende Rolle. So stellt etwa IGLOOLIK ISUMA PRODUCTIONS mit dem Satz „From the inside<br />

and through Inuit eyes“ (IGLOOLIK ISUMA PRODUCTIONS 2001) das vollkommen Neue des Filmes<br />

Atanarjuat (the fast runner) 13 aus dem Jahr 2001 heraus. Atanarjuat war <strong>der</strong> erste von Inuit<br />

13 Atanarjuat, die Filme The Journals of Knud Rasmussen und Before Tomorrow sowie die 13-teilige TV-Serie<br />

Nunavut können in voller Länge und mit englischen Untertiteln unter http://www.isuma.tv/lo/en/isumaproductions<br />

online angesehen werden.


Die Perspektive <strong>der</strong> Fachwissenschaft auf das Leben <strong>der</strong> Inuit 62<br />

produzierte und auf Inuktitut gedrehte Film, <strong>der</strong> ein internationales Publikum erre<strong>ich</strong>te. In<br />

Kanada war er sogar <strong>der</strong> erfolgre<strong>ich</strong>ste Film des Jahres und bei den Filmfestspielen in Cannes<br />

wurde er als bester Spielfilm mit <strong>der</strong> Caméra d’Or ausgeze<strong>ich</strong>net. ZACHARIAS KUNUK, <strong>der</strong> Regis-<br />

seur des Filmes, zählte zugle<strong>ich</strong> 1990 neben PAUL APAK ANGILIRQ, PAUL QUALITALIK und NORMAN<br />

COHN zu den Begrün<strong>der</strong>n <strong>der</strong> Produktionsfirma Igloolik Isuma, <strong>der</strong> ersten unabhängigen Film-<br />

gesellschaft <strong>der</strong> Inuit. Die Gründung dieses Unternehmens bedeutete für die Inuit einen gro-<br />

ßen Schritt in R<strong>ich</strong>tung Selbstbestimmung, denn in <strong>der</strong> Vergangenheit waren gerade Medien<br />

wie das Fernsehen zu einer Bedrohung für ihre Kultur geworden. Neben Maßnahmen wie<br />

<strong>der</strong> Missionierung und <strong>der</strong> Einr<strong>ich</strong>tung staatl<strong>ich</strong>er Schulen in <strong>der</strong> Arktis war auch die Einfüh-<br />

rung des Fernsehens Teil <strong>der</strong> Assimilierungspolitik <strong>der</strong> kanadischen Regierung. Der ehemali-<br />

ge ITC-Präsident JOHN AMOGOALIK beschreibt dieses Vorgehen als Invasion einer fremden Kul-<br />

tur in die Wohnzimmer <strong>der</strong> Inuit. Das staatl<strong>ich</strong>e TV-Programm verdrängte dabei nach und<br />

nach die Tradition <strong>der</strong> mündl<strong>ich</strong>en Weitergabe alter Gesch<strong>ich</strong>ten von Generation zu Genera-<br />

tion (vgl. HUHNDORF 2009:71ff). „Four thousand years of oral history silenced by fifty years of<br />

priests, schools and cable TV? This death of history is happening in my lifetime“ schil<strong>der</strong>t<br />

KUNUK (zit. in HUHNDORF 2009:73) die Situation und folgert daraus: „We had to make media<br />

work for us, to preserve the culture“ (KUNUK zit. in HUHNDORF 2009:73).<br />

Stärkung von Kultur, Sprache und Identität <strong>der</strong> Inuit war die Intention hinter <strong>der</strong> Grün-<br />

dung von Igloolik Isuma. Alle Produktionen sind auf Inuktitut gedreht; Schauspieler, Regis-<br />

seure und Drehbuchautoren sind ausnahmslos Inuit. Die Spielfilme und Dokumentationen<br />

stellen die traditionellen Lebensweisen dar, lassen dabei Kritik an <strong>der</strong> Kolonisierung deutl<strong>ich</strong><br />

werden und Ältere <strong>der</strong> Inuit zu Themen wie Erziehung, Bildung, Missionierung und Autono-<br />

miefor<strong>der</strong>ungen zu Wort kommen. Dabei erfolgt die Fokussierung auf die Tradition n<strong>ich</strong>t als<br />

bloßer Rückblick auf Vergangenes, son<strong>der</strong>n betont <strong>der</strong>en Fortdauern bis in die Gegenwart.<br />

Atanarjuat beispielsweise ist eine alte Legende, die davon handelt, <strong>dass</strong> ein böser Schamane<br />

einen Fluch ausspr<strong>ich</strong>t und die einzelnen Charaktere <strong>der</strong> Gesch<strong>ich</strong>te s<strong>ich</strong> infolge dessen von<br />

Traditionen und alten Werten wie <strong>der</strong> Achtung vor Älteren o<strong>der</strong> dem Teilen <strong>der</strong> Vorräte in<br />

schlechten Zeiten abwenden. Diese Abkehr führt die Gemeinschaft letztl<strong>ich</strong> ins Ver<strong>der</strong>ben,<br />

wodurch Atanarjuat die Bedeutung und den Wert <strong>der</strong> Traditionen bis in die Gegenwart her-<br />

ausstellt (vgl. HUHNDORF 2009:86ff).


Die Perspektive <strong>der</strong> Fachwissenschaft auf das Leben <strong>der</strong> Inuit 63<br />

Daneben ist die Bedeutung von Film- und Fernsehproduktionen – neben Igloolik Isuma ist<br />

in diesem Zusammenhang auch die öffentl<strong>ich</strong>-rechtl<strong>ich</strong>e Inuit Broadcasting Corporation (IBC)<br />

zu nennen – für die Herausbildung einer gemeinsamen Identität und eines Gemeinschaftsge-<br />

fühls unter den Inuit, wie es zuvor n<strong>ich</strong>t existiert hatte, zu nennen. Die Inuit leben in kleinen,<br />

oftmals nur über Flugrouten miteinan<strong>der</strong> verbundenen Siedlungen und Städten über eine<br />

Fläche von mehreren Millionen Quadratkilometern verteilt. Die Fernsehsendungen von IBC<br />

und Igloolik Isuma präsentieren jedoch den Inuit im gesamten<br />

Siedlungsraum gemeinsame Werte, eine gemeinsame Kultur<br />

und Tradition und bieten zugle<strong>ich</strong> eine Plattform für aktuelle<br />

Themen und Interessen <strong>der</strong> Inuit wie etwa die Autonomiebes-<br />

trebungen und die Landrechtefor<strong>der</strong>ungen. Die Inuit legen<br />

ihren eigenen Blick in je<strong>der</strong> für sie relevanten S<strong>ich</strong>t auf s<strong>ich</strong><br />

selbst dar. Während die Traditionen <strong>der</strong> Inuit von Seiten <strong>der</strong><br />

Qallunaat oftmals dazu genutzt wurden, die Inuit als primitiv<br />

und auf die Hilfe und Kontrolle <strong>der</strong> Qallunaat angewiesen dar-<br />

zustellen, berufen s<strong>ich</strong> die Inuit in ihren eigenen Darstellungen<br />

auf ihre Traditionen, um damit ihre kulturelle Gebundenheit<br />

an ihr Land und ihre Identität aufzuzeigen. Selbstdarstellung<br />

geht somit Hand in Hand mit Selbstbestimmung (vgl. HUHNDORF<br />

2009:74ff). Zacharias KUNUK (zit. in HUHNDORF 2009:74f) führt<br />

dazu aus:<br />

„For 175 years, since the Parry expedition of 1822-23, Igloolik Inuit ha-<br />

ve been observed, examined, measured, and studied by other cultures.<br />

To our knowledge, this practice of ‚anthropolgy/ethnography‘ has been<br />

entirely a one-way street. Qallunaat [Europeans] study Inuit, but Inuit<br />

do not study qallunaat. This uneven exchange influences all levels of re-<br />

lation between the two cultures: political, economic, social, and so<br />

forth with qallunaat values and assumptions defining both cultures“.<br />

Die Definition ihrer Kultur über die eigenen Werte – die 38<br />

Dimensionen von Inuit<br />

Qaujimajatuqangit (vgl. Abb.<br />

30) – ist jedoch von zentraler<br />

Inuit Qaujimajatuqangit<br />

Abbildung 30: Die 38 Dimensionen von<br />

Inuit Qaujimajatuqangit<br />

(eigene Darstellung auf <strong>der</strong> Grundlage<br />

von CANADIAN COUNCIL ON LEARNING 2007b:20)<br />

•Belastbarkeit<br />

•Brauchtum<br />

•Zusammenarbeit<br />

•Teilen<br />

•Liebe<br />

•Überleben<br />

•Bewahrung<br />

•Teamwork<br />

•Einfallsre<strong>ich</strong>tum<br />

•Geduld<br />

•Fortschritt<br />

•Beherrschung<br />

•Familie<br />

•zuhören<br />

•Bedeutsamkeit<br />

•Anpassungsfähigkeit<br />

•Beobachtung<br />

•Stärke<br />

•Freiwilligkeit<br />

•Weits<strong>ich</strong>t<br />

•Konsens<br />

•Ausdauer<br />

•Großzügigkeit<br />

•Kraft<br />

•Respekt<br />

•Einigkeit<br />

•Bescheidenheit<br />

•s<strong>ich</strong> entschuldigen<br />

•Akzeptanz<br />

•Einzigartigkeit<br />

•Vernetzung<br />

•Vertrauen<br />

•Hilfe<br />

•Verantwortung<br />

•Beharrl<strong>ich</strong>keit<br />

•Ehrl<strong>ich</strong>keit<br />

•Gle<strong>ich</strong>heit<br />

•Improvisationsvermögen


Die Perspektive <strong>der</strong> Fachwissenschaft auf das Leben <strong>der</strong> Inuit 64<br />

Bedeutung für die Identität <strong>der</strong> Inuit in <strong>der</strong> Mo<strong>der</strong>ne (INUIT TAPIRIIT KANATAMI 2011:71). IQ um-<br />

fasst alle Bere<strong>ich</strong>e <strong>der</strong> traditionellen Inuitkultur und gründet auf drei verschiedenen Arten<br />

von Regeln: Inuit Maligait beschreibt Konventionen, denen gefolgt werden soll, Inuit Tiri-<br />

gusuusiit sind Tabus und Dinge, die vermieden werden sollen, Inuit Piqujangit sind die Dinge,<br />

die ein Inuk tun soll (vgl. CANADIAN COUNCIL ON LEARNING 2007b:20). Letztere sind in acht Prinzi-<br />

pien unterglie<strong>der</strong>t (vgl. Abb. 31). IQ bildet seit jeher die Grundlage des gesellschaftl<strong>ich</strong>en<br />

Zusammenlebens und fungiert über eine Rückbindung an die Tradition als Kontinuität stif-<br />

ten<strong>der</strong> Faktor in <strong>der</strong> Gegenwart und für die Zukunft. Vor diesem Hintergrund ist die Bewah-<br />

rung und die Weitergabe von IQ ein zentrales Anliegen <strong>der</strong> Inuit. So wie diese Prinzipien<br />

ihnen früher ein Überleben in <strong>der</strong> Arktis ermögl<strong>ich</strong>ten, bilden sie heute die Grundlage und<br />

den Orientierungsrahmen <strong>der</strong> Politik und <strong>der</strong> Gesellschaft und sollen vor allem in den Schu-<br />

len an nachfolgende Generationen weitervermittelt werden. INUIT TAPIRIIT KANATAMI hat dem-<br />

entsprechend in <strong>der</strong> National Strategy on Inuit Education die Vermittlung des „Inuit World-<br />

view“ (INUIT TAPIRIIT KANATAMI 2011:71) als eines <strong>der</strong> Hauptziele ausgewiesen. Ziel ist es, junge<br />

Menschen zu Inummarik heranwachsen zu lassen, zu „able human being[s], who can act with<br />

wisdom and use ancestral knowledge skills and attitudes to be successful in today’s world“<br />

(INUIT TAPIRIIT KANATAMI 2011:72).<br />

Respekt für an<strong>der</strong>e, Pflege von Beziehungen<br />

und s<strong>ich</strong> um an<strong>der</strong>e kümmern<br />

Tiere, Land und Umwelt achten<br />

und Sorge dafür tragen<br />

Einfallsre<strong>ich</strong>tum<br />

und Innovation<br />

Zusammenarbeit bei gemeinsamen<br />

Anliegen<br />

Qanuqtuurniq<br />

Avatittinnik<br />

Kamastiarniq<br />

Ikajuqtigiinniq<br />

Inuukatigiitsianiq<br />

Inuit<br />

Piqujangit<br />

Pilimmaksarniq<br />

Tunnganarniq<br />

Aajiiqatigiinniq<br />

Abbildung 31: Die acht Prinzipien von Inuit Piqujangit<br />

(Eigene Darstellung auf <strong>der</strong> Grundlage von GOVERNMENT OF NUNAVUT 2010:1)<br />

Pijitsirniq<br />

Pflege des guten Geistes<br />

durch Offenheit und Gastfreundschaft<br />

Der Familie und Gemeinschaft<br />

dienen<br />

und für sie sorgen<br />

Entscheidungsfindung durch<br />

Diskussion und Konsens<br />

Ausbilden von Fertigkeiten durch Beobachten,<br />

Ausprobieren, Anstrengung und Unterstützung<br />

durch an<strong>der</strong>e


Die Perspektive <strong>der</strong> Fachwissenschaft auf das Leben <strong>der</strong> Inuit 65<br />

Inuit Qaujimajatuqangit bildet den Rahmen und die R<strong>ich</strong>tschnur für den Prozess des<br />

ganzheitl<strong>ich</strong>en, lebenslangen Lernens, <strong>der</strong> elementarer Bestandteil <strong>der</strong> Ausbildung und Be-<br />

wahrung <strong>der</strong> Inuit-Identität ist. Das CANADIAN COUNCIL ON LEARNING hat den lebenslangen Lern-<br />

weg <strong>der</strong> Inuit mit seinen maßgebl<strong>ich</strong>en Einflussfaktoren und Determinanten im Inuit Holistic<br />

Lifelong Learning Model dargestellt (vgl. Abb. 32). Es stellt das bei den Inuit beliebte De-<br />

ckenwurfspiel dar und setzt s<strong>ich</strong> aus vier Komponenten zusammen: den Dimensionen des<br />

Gemeinwohls, IQ, den einzelnen Lebens- und Lernbere<strong>ich</strong>en und dem Lebensweg (vgl. CANA-<br />

DIAN COUNCIL ON LEARNING 2007:20).<br />

Abbildung 32: Inuit Holistic Lifelong Learning Model 14<br />

(CANADIAN COUNCIL ON LEARNING 2007a)<br />

14 Eine interaktive Version des Models ist unter http://cli.ccl-cca.ca/Inuit/index.php?q=model abrufbar.


Die Perspektive <strong>der</strong> Fachwissenschaft auf das Leben <strong>der</strong> Inuit 66<br />

Das Model zeigt, <strong>dass</strong> s<strong>ich</strong> das Gemeinwohl <strong>der</strong> Inuit aus vier Faktoren zusammensetzt,<br />

dem Wohl <strong>der</strong> Umwelt sowie dem physischen, dem sozialen und dem wirtschaftl<strong>ich</strong>en Wohl<br />

<strong>der</strong> Gemeinschaft. Sie bilden zusammen die Determinanten, die die Inuitgesellschaft in <strong>der</strong><br />

Waage halten. Getragen werden die Gesellschaft und das gesamte Lebensumfeld <strong>der</strong> Inuit<br />

(im Modell die Decke) von den 38 Prinzipien des Inuit Qaujimajatuqangit, das im Modell<br />

durch 38 Inuit repräsentiert wird, die die Decke halten. Die blasser dargestellten Menschen<br />

stehen für die Vorfahren und verweisen auf die spirituelle Kontinuität, die durch die Weiter-<br />

gabe ihrer Namen von einer Generation zur nächsten begründet wird. Im Verständnis <strong>der</strong><br />

Inuit ist mit jedem Namen eine bestimmte Seele verbunden, die alle Träger des gle<strong>ich</strong>en<br />

Namens zu einer geistigen Gemeinschaft verbindet. Ein solcher Seelen-Name (Atiq) bewahrt<br />

die individuelle Identität eines jeden Inuk über den Tod hinaus und lässt somit seine Seele in<br />

seinem Namen weiterleben (vgl. CANADIAN COUNCIL ON LEARNING 2007:20f).<br />

Die runde Decke und die am Außenrand angebrachte Trageschnur versinnbildl<strong>ich</strong>en die<br />

Interdependenz und Vernetzung aller Elemente des Lebens <strong>der</strong> Inuit. Sie sind auf <strong>der</strong> Decke<br />

einzeln dargestellt und in drei Teilbere<strong>ich</strong>e unterglie<strong>der</strong>t. Der erste dieser Teilbere<strong>ich</strong>e ist<br />

Sila, das Äußere, dem ein eigener Geist (Inua), innewohnt. Sila umfasst sowohl das spezifi-<br />

sche Land, mit dem die Inuit traditionell eng verbunden sind, als auch die Umwelt im Allge-<br />

meinen und die dort lebenden Tiere (vgl. INUIT TAPIRIIT KANATAMI 2011:71).<br />

Als zweiter Bere<strong>ich</strong> fungieren die Menschen. Hier sind als beson<strong>der</strong>e Teilbere<strong>ich</strong>e die Fa-<br />

milie, die Ältesten und die Gemeinschaft aufgeführt. Die Gesellschaft <strong>der</strong> Inuit ist durch eine<br />

starke Familienbindung geprägt. Innerfamiliärer Zusammenhalt und gegenseitige Hilfe zäh-<br />

len zu den Grundwerten <strong>der</strong> Inuit. Entsprechend ist die Loyalität zur Familie allen an<strong>der</strong>en<br />

Verpfl<strong>ich</strong>tungen übergeordnet. Die Ältesten stellen eine beson<strong>der</strong>s angesehene Gruppe un-<br />

ter den Inuit dar. Sie gelten als weise und verfügen über ein großes Wissen über die Vergan-<br />

genheit. Daher kommt ihnen innerhalb <strong>der</strong> Gesellschaft große Bedeutung als Ratgeber und<br />

Gesch<strong>ich</strong>tenerzähler zu. Sie werden mit Respekt behandelt; Kin<strong>der</strong> beispielsweise begrüßen<br />

immer zu erst die Ältesten und danach alle an<strong>der</strong>en (vgl. PAUKTUUTIT 2006:26). Der bis heute<br />

hohe Stellenwert <strong>der</strong> Gemeinschaft resultiert aus <strong>der</strong> Zeit des Nomadenlebens im Stammes-<br />

verbund. Obgle<strong>ich</strong> diese Lebensform unter den Inuit heutzutage <strong>der</strong> Vergangenheit ange-<br />

hört, sind die engen Bande innerhalb <strong>der</strong> Gemeinschaften geblieben. Verantwortungsgefühl


Die Perspektive <strong>der</strong> Fachwissenschaft auf das Leben <strong>der</strong> Inuit 67<br />

gegenüber den Mitglie<strong>der</strong>n <strong>der</strong> Gemeinschaft und gegenseitige Hilfe gelten als Tugenden<br />

(vgl. PAUKTUUTIT 2006:30).<br />

Der dritte Bere<strong>ich</strong> letztl<strong>ich</strong> ist die Kultur. Hier ist vor allem die Sprache von zentraler Be-<br />

deutung für die Identität. Ein Beispiel aus dem Jahr 1970 verdeutl<strong>ich</strong>t dies: Nachdem MOGENS<br />

BOSERUP, ein zu jener Zeit führen<strong>der</strong> Vertreter <strong>der</strong> dänischen Integrationspolitik, in seiner<br />

Rede anlässl<strong>ich</strong> einer Tagung in <strong>der</strong> Knud-Rasmussen-Schule in Sisimiut die Einschätzung<br />

vertreten hatte, die grönländische Sprache habe keine Zukunft, demonstrierten grönländi-<br />

sche Tagungsteilnehmer bei seiner Abreise mit einem Kajakgerüst, dem die Außenhaut fehl-<br />

te. Es war mit <strong>der</strong> Aufschrift versehen: „Here you can see how Greenland looks without its<br />

language“ (zit. nach FÆGTEBORG 2005c:100). Der Sprache Inuktitut wird von den Inuit ein ho-<br />

her Wert beigemessen. Einerseits ist sie für sie das einfachste und adäquateste Mittel zum<br />

Ausdruck <strong>der</strong> eigenen Gedanken und Gefühle, an<strong>der</strong>erseits fungiert sie als Symbol <strong>der</strong> eige-<br />

nen Identität. Vor allem in Kanada besteht in dieser Hins<strong>ich</strong>t jedoch das Problem, <strong>dass</strong> viele<br />

Inuit in <strong>der</strong> Schule ausschließl<strong>ich</strong> auf Englisch unterr<strong>ich</strong>tet wurden und auch außerhalb <strong>der</strong><br />

Schule, hauptsächl<strong>ich</strong> durch die Massenmedien, häufig mit <strong>der</strong> englischen Sprache konfron-<br />

tiert wurden. Inuktitut wurde daher in weiten Teilen <strong>der</strong> Inuit-Regionen Kanadas zurückge-<br />

drängt. Die meisten Inuit beherrschen die Sprache zwar immer noch, aber sie hat s<strong>ich</strong> ge-<br />

genüber früher verän<strong>der</strong>t und häufig kommt es zu Verständnisproblemen zwischen jüngeren<br />

und älteren Inuit (vgl. PAUKTUUTIT 2006:27). Aus diesem Grund ist die durch die einzelnen Au-<br />

tonomieabkommen erre<strong>ich</strong>te offizielle Gle<strong>ich</strong>berechtigung von Inuktitut neben Englisch,<br />

Französisch bzw. Dänisch und die Einführung von Inuktitut als Unterr<strong>ich</strong>tssprache von hoher<br />

Bedeutung (vgl. INUIT TAPIRIIT KANATAMI 2011:71).<br />

Neben <strong>der</strong> Sprache sind die Traditionen <strong>der</strong> zweite große Bestandteil <strong>der</strong> Kultur <strong>der</strong> Inuit.<br />

Zu den Traditionen gehört Inuit Qaujimajatuqangit ebenso wie die mündl<strong>ich</strong>e Weitergabe<br />

alter Gesch<strong>ich</strong>ten und Mythen, Riten und alte Lebensformen. Das Erbe <strong>der</strong> mehrere Jahrtau-<br />

sende alten Inuit-Kultur zu bewahren, ist für viele Inuit von großer Bedeutung. N<strong>ich</strong>t grund-<br />

los hat ZACHARIAS KUNUK das Motto „recreate the past“ (KUNUK zit. in HUHNDORF 2009:73) zum<br />

Programm von Igloolik Isuma gemacht. Sein Ziel ist es, den Inuit ihre Kultur und Tradition<br />

wie<strong>der</strong> näher zu bringen, denn auf diese Weise erhielten sie trotz <strong>der</strong> tiefgreifenden Verän-<br />

<strong>der</strong>ungen ihrer Lebensweisen in den letzten Jahrzehnten Orientierung und Kontinuität (vgl.<br />

HUHNDORF 2009:87f).


Die Perspektive <strong>der</strong> Fachwissenschaft auf das Leben <strong>der</strong> Inuit 68<br />

Im Zentrum des Models befindet s<strong>ich</strong> <strong>der</strong> Lebensweg <strong>der</strong> Inuit. Er verläuft zyklisch und im<br />

Spannungsfeld von einerseits indigenem und westl<strong>ich</strong>em Wissen und Lebensstil und ande-<br />

rerseits formellem und informellem Umfeld. In je<strong>der</strong> Lebensphase – als Kind, als Jugendli-<br />

cher, als junger Erwachsener, als Erwachsener und als Älterer - kommt <strong>der</strong> Inuk mit jedem<br />

Teilbere<strong>ich</strong> <strong>der</strong> Lebenswelt <strong>der</strong> Inuit in Berührung und Interaktion. Und jede dieser Interakti-<br />

onen bewirkt einen Lernzuwachs und eine Modifizierung o<strong>der</strong> Reformierung <strong>der</strong> Identität.<br />

Menschen, Kultur und Umwelt ebenso wie Fertigkeiten und Wissen werden zunehmend be-<br />

wusster und vertrauter, wodurch er in die Lage versetzt wird zum Gemeinwohl mit seinen<br />

einzelnen Teildeterminanten beizutragen (vgl. CANADIAN COUNCIL ON LEARNING 2007:21).<br />

In jüngerer Zeit hat die Inuitgesellschaft in hohem Maße mit Problemen wie Alkoholismus<br />

und hohen Selbstmordraten zu kämpfen. Die Selbstmordraten insbeson<strong>der</strong>e männl<strong>ich</strong>er<br />

Inuit zwischen 15 und 29 Jahren gehören zu den höchsten <strong>der</strong> Welt. Vor allem in <strong>der</strong> zweiten<br />

Hälfte des 20. Jahrhun<strong>der</strong>ts ist ein starker Anstieg <strong>der</strong> Selbstmordzahlen zu verze<strong>ich</strong>nen ge-<br />

wesen. MCNICOLL/TESTER (2004:2626) geben etwa für Grönland für den Zeitraum von 1960 bis<br />

1986 eine Steigerung <strong>der</strong> Selbstmordrate von 0,094‰ auf 1,141‰ an. In Nunavut stieg die<br />

Zahl <strong>der</strong> Selbstmorde zwischen 1985 und 1996 von 0,487‰ auf 0,855‰; in Nunatsiavut lag<br />

sie bereits 1983 bei 2,950‰. Alkoholmissbrauch stellt ein n<strong>ich</strong>t min<strong>der</strong> signifikantes Problem<br />

dar. Beispielsweise hat eine Studie des NUNAVIK REGIONAL BOARD OF HEALTH AND SOCIAL SERVICES<br />

(2004:5) ergeben, <strong>dass</strong> 25,7% <strong>der</strong> Inuit in Nunavik Gefahr laufen, <strong>dass</strong> ihr Alkoholkonsum<br />

tiefgreifende Auswirkungen auf ihr tägl<strong>ich</strong>es Leben zur Folge hat, wobei hiervon primär Inuit<br />

<strong>der</strong> mittleren Altersgruppe betroffen sind. MCNICOLL/TESTER (vgl. 2004:2625) führen diese<br />

Entwicklungen auf eine Identitätskrise <strong>der</strong> Inuit infolge <strong>der</strong> Assimilierungspolitik zurück. Die-<br />

se Krise betraf zunächst die Eltern <strong>der</strong> heutigen jungen Erwachsenen. Während <strong>der</strong>en Eltern<br />

wie<strong>der</strong>um im Rahmen <strong>der</strong> traditionellen Lebensweisen <strong>der</strong> Inuit aufgewachsen waren, erleb-<br />

te diese Generation ihre Kindheit und Jugend zwischen <strong>der</strong> westl<strong>ich</strong>en Kultur einerseits und<br />

<strong>der</strong> <strong>der</strong> Inuit an<strong>der</strong>erseits. In <strong>der</strong> Schule, im Gesundheitswesen und durch staatl<strong>ich</strong>e Sozial-<br />

arbeiter wurden sie mit dem häufig vorurteilsbeladenen und rassistischen Blick <strong>der</strong> Qalluna-<br />

at auf die Inuit konfrontiert. Die traditionelle Lebensform <strong>der</strong> Inuit – die ihrer eigenen Eltern<br />

– wurde ihnen als primitiv, rückwärtsger<strong>ich</strong>tet, unmoralisch und verantwortungslos darge-<br />

stellt, was weitre<strong>ich</strong>ende Folgen hatte:


Die Perspektive <strong>der</strong> Fachwissenschaft auf das Leben <strong>der</strong> Inuit 69<br />

„Manifest in the physical, sexual and emotional abuse of Inuit, these attitudes contributed to anger, low<br />

self-esteem, poor and destructive parenting practices, failed relationships, alcoholism and other forms of<br />

self-destructive behaviour. […] These experiences […] have, in many cases, created consi<strong>der</strong>able shame, an-<br />

ger and raticence in a generation of Inuit parents who do not know how, or do not feel comfortable in<br />

communicating this developmental experience to their children“ (MCNICOLL/TESTER 2004:2633f).<br />

MCNICOLL/TESTER (vgl. 2004:2634) argumentieren, die massiven Probleme <strong>der</strong> Elterngene-<br />

ration hätten gegenüber <strong>der</strong> jungen Generation zu einem Verstummen über die alten Tradi-<br />

tionen ebenso wie über die eigenen Erfahrungen mit <strong>der</strong> Kolonisierung geführt und in <strong>der</strong><br />

Folge unter <strong>der</strong> jungen Generation eine Form von Orientierungslosigkeit hervorgerufen.<br />

Während s<strong>ich</strong> die Eltern oftmals in den Alkohol geflüchtet hätten, äußere s<strong>ich</strong> die Problema-<br />

tik bei den Jungen in <strong>der</strong> großen Zahl von Selbstmorden. Jemanden zu haben, mit dem man<br />

reden kann, enge Bindungen zur Familie und zu den traditionellen Werten benennen viele<br />

Inuit als ihre Auffassung von Glück und Wohlbefinden. Inuit Qaujimajatuqangit ist jedoch<br />

heutzutage vielen Inuit <strong>der</strong> jüngeren Generation n<strong>ich</strong>t mehr präsent. JACK ANAWAK, <strong>der</strong> Kul-<br />

turminister von Nunavut, führt dazu aus: „Many people now feel these values and beliefs<br />

that kept us in harmony with one another are not being communicated regularly, clearly and<br />

loud enough to be heard by youth“ (zit. in MCNICOLL/TESTER 2004:2635). Die Rückbindung <strong>der</strong><br />

Inuit an ihre traditionellen Werte sowie das Wie<strong>der</strong>erlangen von Autonomie und Selbstbe-<br />

stimmung seien aber gerade die notwendigste Maßnahme zur Verbesserung <strong>der</strong> Situation<br />

(vgl. MCNICOLL/TESTER 2004:233ff).


Die Perspektive <strong>der</strong> Schulbücher auf das Leben <strong>der</strong> Inuit 70<br />

4 Die Perspektive <strong>der</strong> Schulbücher auf das Leben <strong>der</strong> Inuit<br />

4.1 Fragestellung <strong>der</strong> Schulbuchanalyse und methodisches Vorgehen<br />

Das Schulbuch ist das „traditionelle Bildungsmedium“ (STEIN 2003:235), das im Schulunter-<br />

r<strong>ich</strong>t häufig sehr präsent ist. In diesem Zusammenhang ist es vor allem insofern bedeutsam,<br />

„als es einen für die Sozialisation junger Menschen entscheidenden Ausschnitt <strong>der</strong> Wirkl<strong>ich</strong>-<br />

keit nachhaltig beeinflusst“ (THÖNEBÖHN 1995:328). Dabei erfüllt es ein vielfältiges Spektrum<br />

von Funktionen, die BAMBERGER ET AL. (1998:7ff) in ihrer Gesamtheit als Bildungsfunktion be-<br />

ze<strong>ich</strong>nen und unter den drei Teilkategorien Lehrfunktionen, außerschulische Funktionen und<br />

allgemein didaktische Funktionen subsummieren. Erstgenannte liegen im Motivieren und<br />

Informieren <strong>der</strong> Schüler, <strong>der</strong> Bereitstellung von Mögl<strong>ich</strong>keiten zum Üben und Anwenden des<br />

Gelernten sowie letztl<strong>ich</strong> in <strong>der</strong> Lernkontrolle. Die außerschulischen Funktionen haben zum<br />

einen eine kulturelle Dimension, indem sie gesellschaftl<strong>ich</strong> akzeptierte Welts<strong>ich</strong>ten wie<strong>der</strong>-<br />

geben, und zum an<strong>der</strong>en eine politische Dimension, indem Darstellungen politischer Kräfte<br />

unter Umständen bestimmte Färbungen tragen. Zu den allgemein didaktischen Funktionen<br />

gehören zunächst eine lehrplangerechte, systematische Strukturierung <strong>der</strong> Lerninhalte sowie<br />

eine Darbietung dieser Inhalte die einerseits fachwissenschaftl<strong>ich</strong> abges<strong>ich</strong>ert und vollstän-<br />

dig und an<strong>der</strong>erseits durch didaktische Transformation schülergerecht ist. Im Sinne letzterer<br />

müssen die Inhalte gegenüber <strong>der</strong> Realität didaktisch reduziert werden. Die auf diese Weise<br />

zu Stande kommende Repräsentation soll wie<strong>der</strong>um dreierlei bewirken: die Befähigung <strong>der</strong><br />

Schülerinnen und Schüler zu selbstgesteuerter Arbeit mit dem Schulbuch, die Vernetzung<br />

geographischer Fachinhalte mit denen an<strong>der</strong>er Fächer durch entsprechende Hinweise im<br />

Buch sowie letztl<strong>ich</strong> die Beeinflussung <strong>der</strong> Werthaltungen und Einstellungen <strong>der</strong> Schülerin-<br />

nen und Schüler zu <strong>der</strong> jeweiligen Thematik (vgl. BAMBERGER ET AL. 1998:7ff). Nach STEIN<br />

(2003:236) ist das Schulbuch somit zusammenfassend Paedagogicum, Informatorium und<br />

Politicum.<br />

Der Kontakt zwischen Schülerinnen und Schülern und dem Schulbuch kommt auf zweier-<br />

lei Weise zustande (vgl. Abb. 33). Einerseits ist hier die eigenständige und selbstgesteuerte<br />

Nutzung des Schulbuches durch die Schülerinnen und Schüler zu nennen. In diesem Falle<br />

besteht eine direkte Beziehung zwischen Schüler und Schulbuch. An<strong>der</strong>erseits ist das Unter-<br />

r<strong>ich</strong>tsgeschehen die typische Situation <strong>der</strong> Schulbuchnutzung für die Schülerinnen und Schü-<br />

ler. Die Wahrnehmung und Verarbeitung <strong>der</strong> Schulbuchinhalte verläuft dabei sehr subjektiv,


Die Perspektive <strong>der</strong> Schulbücher auf das Leben <strong>der</strong> Inuit 71<br />

wie bereits in Kapitel 2 dargestellt wurde. Im Hinblick auf die Darstellung frem<strong>der</strong> Kulturen<br />

und Lebensweisen – in diesem Falle die <strong>der</strong> Inuit – bleibt jedoch generell festzuhalten, <strong>dass</strong><br />

„meinungsbestärkende Informationen und Inhalte in <strong>der</strong> Wahrnehmung des Lesenden eher<br />

berücks<strong>ich</strong>tigt [werden], als jene, die eine veruns<strong>ich</strong>ernde Wirkung gegenüber Vorurteilen“<br />

(MÖNTER/SCHIFFER-NASSERIE 2006:201) haben. Vor diesem Hintergrund „muss davon ausgegan-<br />

gen werde, <strong>dass</strong> die mögl<strong>ich</strong>erweise in den Einzelmaterialien enthaltenen stereotypisieren-<br />

den o<strong>der</strong> abwertenden Aussagen und Darstellungen in ihrer Wirkung auf Schüler beson<strong>der</strong>s<br />

ins Gew<strong>ich</strong>t fallen“ (MÖNTER/SCHIFFER-NASSERIE 2006:201). In <strong>der</strong> nachfolgenden Schulbuchana-<br />

lyse stehen daher n<strong>ich</strong>t nur die Schulbuchseiten in ihrer Gesamtheit im Fokus, son<strong>der</strong>n auch<br />

ihre jeweiligen Teilelemente.<br />

Diese einzelnen Darstellungselemente des Verbundmediums Schulbuch sind Texte, Abbil-<br />

dungen und Aufgabenstellungen, die jedoch untereinan<strong>der</strong> durch inhaltl<strong>ich</strong>e Bezüge ver-<br />

netzt sind. In Hinblick auf die Analyse <strong>der</strong> Schulbücher ist zu berücks<strong>ich</strong>tigen, <strong>dass</strong> die Texte<br />

zwar auf den einzelnen Doppelseiten zumeist den meisten Platz einnehmen und zentral po-<br />

sitioniert sind, gerade Bil<strong>der</strong> und Aufgabenstellungen in ihrem Stellenwert für die Wahr-<br />

nehmung des Themas durch die Schülerinnen und Schüler aber ebenfalls n<strong>ich</strong>t unterschätzt<br />

werden dürfen. So merkt WRIGHT (2001:165f) hins<strong>ich</strong>tl<strong>ich</strong> <strong>der</strong> Schulbuchabbildungen an, <strong>dass</strong><br />

„the student starts visual rather than verbal. […] The contrast between the pupils‘ enthusi-<br />

asm for visual resources and their boredom with the text is very marked. The visual items<br />

create interest and motivation“. Bezügl<strong>ich</strong> <strong>der</strong> Arbeitsaufgaben stellen MÖNTER/SCHIFFER-<br />

NASSERIE (2006:200) heraus, <strong>dass</strong> diese dem Erschließen <strong>der</strong> Doppelseite dienten und „die bei<br />

ihrer Bearbeitung eingenommene Perspektive die Vorstellungen und Einstellungen <strong>der</strong> Ler-<br />

nenden zum Unterr<strong>ich</strong>tsgegenstand nachhaltig beeinflusst“.<br />

Die Form des Schulbucheinsatzes im Unterr<strong>ich</strong>t bestimmt die Lehrkraft. Sie tritt im Unter-<br />

r<strong>ich</strong>tsgeschehen als intermittierende Variable zwischen Schulbuch und Schüler. Von Bedeu-<br />

tung ist in diesem Zusammenhang zunächst die Konzeption des Erdkundebuches. MÖN-<br />

TER/SCHIFFER-NASSERIE (2006:200) führen hierzu aus, <strong>dass</strong> die Bücher aufgrund ihrer Gestaltung<br />

als Material- und Mediensammlungen, die eine große methodische Vielfalt bereitstellten, im<br />

Fach Erdkunde mehr als in an<strong>der</strong>en Fächern auch als R<strong>ich</strong>tlinie <strong>der</strong> Unterr<strong>ich</strong>tsplanung und -<br />

gestaltung genutzt würden. Für die Lehrkraft fugierten sie dabei einerseits als Materialfun-<br />

dus und an<strong>der</strong>erseits als Informationsmedium über den Fortschritt und den diskursiven


Die Perspektive <strong>der</strong> Schulbücher auf das Leben <strong>der</strong> Inuit 72<br />

Wandel in <strong>der</strong> Fachwissenschaft. Den tatsächl<strong>ich</strong>en Stellenwert des Schulbuches im Unter-<br />

r<strong>ich</strong>t und somit auch die Schüler-Schulbuch-Interaktion bedingt letztl<strong>ich</strong> die Haltung <strong>der</strong><br />

Lehrkraft gegenüber dem Buch. In Anlehnung an THÖNEBÖHN beschreiben MÖNTER/SCHIFFER-<br />

NASSERIE (2006:200f) hierzu drei verschiedene Vorgehensweisen von Lehrern (vgl. Abb. 33):<br />

So gebe es zum einen jenen Lehrertyp, <strong>der</strong> das Schulbuch als Leitmedium einsetze und nahe-<br />

zu seinen ganzen Unterr<strong>ich</strong>t darauf aufbaue. Die weitaus häufigste Variante sei jedoch die<br />

souveräne Schulbuchverwendung, bei <strong>der</strong> <strong>der</strong> Lehrer s<strong>ich</strong> zwar vom Schulbuch leiten ließe,<br />

aber dennoch das Angebot des Buches gezielt filtere und nutze. Ein dritter Lehrertyp ver-<br />

wende das Schulbuch hingegen nur als didaktischen Steinbruch, <strong>der</strong> vereinzelt die eigene<br />

Materialsammlung ergänze (vgl. MÖNTER/SCHIFFER-NASSERIE 2006:197ff).<br />

Leitmedium<br />

Schulbuch<br />

Fachwissenschaft<br />

und Fachdidaktik<br />

Schulbuch Lehrkraft<br />

souveräne Schulbuchverwendung<br />

Schülerinnen<br />

und<br />

Schüler<br />

Stellenwert des<br />

Schulbuches bei <strong>der</strong><br />

Unterr<strong>ich</strong>tsvorbereitung<br />

Schulbuch:<br />

didaktischer<br />

Steinbruch<br />

Stellenwert des<br />

Schulbuches im Unterr<strong>ich</strong>t<br />

Abbildung 33: Der Einfluss des Schulbuches auf die Lehrkraft, den Unterr<strong>ich</strong>t und die Schülerinnen und Schüler<br />

(eigene Darstellung)<br />

In welcher Quantität und Qualität die Arbeit <strong>der</strong> Schülerinnen und Schüler mit dem<br />

Schulbuch erfolgt, hängt somit maßgebl<strong>ich</strong> von <strong>der</strong> Lehrkraft ab. Tendenziell ist <strong>der</strong> Einfluss<br />

des Schulbuches auf den Unterr<strong>ich</strong>t jedoch eher als groß anzusehen. STEIN (2001:840) be-<br />

ze<strong>ich</strong>net es sogar als „Großmacht <strong>der</strong> Schule“ und STÖBER (2001b:17) führt aus: „<strong>Geographie</strong>-<br />

schulbücher sind vielle<strong>ich</strong>t das w<strong>ich</strong>tigste <strong>der</strong> schulischen Medien, die ‚das Fremde‘ in den


Die Perspektive <strong>der</strong> Schulbücher auf das Leben <strong>der</strong> Inuit 73<br />

Unterr<strong>ich</strong>t holen“. Umso bedeutsamer ist eine adäquate Darstellung des Themas in den<br />

Schulbüchern. Vor dem Hintergrund <strong>der</strong> vorangegangenen Ausführungen erfolgt die Schul-<br />

buchanalyse daher auf <strong>der</strong> Grundlage folgen<strong>der</strong> drei Leitfragen:<br />

(1) Ist die inhaltl<strong>ich</strong>e Darstellung des Themas fachwissenschaftl<strong>ich</strong> korrekt?<br />

(2) Erfolgt durch die didaktische Reduktion eine Verzerrung o<strong>der</strong> unangemessene Ver-<br />

kürzung <strong>der</strong> fachwissenschaftl<strong>ich</strong>en Erkenntnisse?<br />

(3) Trägt die Darstellungsweise des Themas in den Schulbüchern zu einer vorurteilsbe-<br />

hafteten Wahrnehmung <strong>der</strong> Inuit durch die Schülerinnen und Schüler bei?<br />

Den Untersuchungskorpus bilden die jeweiligen Schulbuchseiten zum Thema Lebenswei-<br />

sen <strong>der</strong> Inuit <strong>der</strong> in Nie<strong>der</strong>sachsen zugelassenen Schulbücher für den monolingualen Erd-<br />

kundeunterr<strong>ich</strong>t <strong>der</strong> Klassenstufen 7/8. Dies sind die Doppelseiten ‚Inuit – zwischen Iglu und<br />

Internet‘ im Buch Seydlitz <strong>Geographie</strong> des Schroedel-Verlages (S. 104/105), ‚Die Inuit – Leben<br />

in <strong>der</strong> Kälte‘ im Cornelsen-Buch Unsere Erde (S. 80/81), ‚Nunavut heißt: „Unser Land“‘ im<br />

Klett-Buch Terra Erdkunde (S. 14/15) sowie ‚Die Inuit – Überleben bei -30°C‘ im Buch Diercke<br />

Erdkunde des Westermann-Verlages (S. 66/67). Verwendet werden jeweils die gegenwärtig<br />

aktuellen Auflagen aus dem Jahr 2009; ledigl<strong>ich</strong> im Falle des Terra-Buches wird auf die ältere<br />

Auflage von 2006 zurückgegriffen, da das Thema Lebensweisen <strong>der</strong> Inuit in die neueste Aus-<br />

gabe n<strong>ich</strong>t aufgenommen wurde.<br />

Zur Beantwortung <strong>der</strong> Leitfragen wurde für die vier relevanten Schulbuch-Doppelseiten<br />

eine qualitative Inhaltsanalyse durchgeführt, denn <strong>der</strong> Gehalt <strong>der</strong> Darstellungen kann auf<br />

diese Weise ganzheitl<strong>ich</strong> erfasst werden (vgl. MEIER KRUKER/RAUH 2005:80). Die qualitative<br />

Inhaltsanalyse versteht „den Zuordnungsprozess von Kategorien und Textstellen als Inter-<br />

pretationsakt […], [möchte] aber durch inhaltsanalytische Regeln kontrollieren“ (MAYRING<br />

2008:10). Die Analyse erfolgte anhand folgen<strong>der</strong> Arbeitsschritte:<br />

(1) Zusammenfassung: Die einzelnen Schulbuchdoppelseiten wurden zunächst be-<br />

schreibend zusammengefasst und als Überblick über die Inhalte dargestellt.<br />

(2) Strukturierung: Es wurden aus <strong>der</strong> Gesamtheit des Untersuchungsmaterials zentrale<br />

inhaltl<strong>ich</strong>e Aspekte herausgesucht, die die Darstellung des Themas Lebensweisen<br />

<strong>der</strong> Inuit bestimmen. Aus diesen Aspekten wurden Analysekategorien gebildet, die


Die Perspektive <strong>der</strong> Schulbücher auf das Leben <strong>der</strong> Inuit 74<br />

im Zuge mehrfacher kategoriengeleiteter Durchs<strong>ich</strong>t des Materials überarbeitet<br />

wurden.<br />

(3) Kategoriale Analyse: Anhand <strong>der</strong> Kategorien wurde das Material analysiert. Im Zuge<br />

dessen wurden Strukturen innerhalb <strong>der</strong> Gesamtdarstellung ebenso wie <strong>der</strong> Einzel-<br />

darstellungen in den jeweiligen Büchern herausgearbeitet.<br />

(4) Auf <strong>der</strong> Grundlage <strong>der</strong> Analyse werden letztl<strong>ich</strong> in einem Fazit die Leitfragen beant-<br />

wortet.<br />

4.2 Ergebnisse <strong>der</strong> Schulbuchanalyse<br />

4.2.1 Beschreibende Zusammenfassung des Untersuchungsmaterials<br />

Dem Thema Lebensweisen <strong>der</strong> Inuit wird in allen vier untersuchten Schulbüchern jeweils<br />

eine Doppelseite gewidmet. Es wurde dabei in den einzelnen Lehrwerken in den Kontext<br />

verschiedener übergeordneten Kapitels eingeordnet. So trägt das Oberkapitel im thematisch<br />

geglie<strong>der</strong>ten Diercke-Buch den Titel Anpassung an naturräuml<strong>ich</strong>e Bedingungen und behan-<br />

delt spezifische Lebens- und Anpassungsformen in allen Klimazonen <strong>der</strong> Erde. Die Inuit re-<br />

präsentieren hierbei die Anpassung in <strong>der</strong> kalten Zone. Zum Thema kalte Zone befindet s<strong>ich</strong><br />

in diesem Kapitel noch eine zweite Doppelseite zum Konfliktfeld Ökonomie-Ökologie bei <strong>der</strong><br />

Erschließung <strong>der</strong> fossilen Rohstoffe in Alaska. Die übrigen drei Bücher sind hingegen (zumin-<br />

dest in Teilen) regional geglie<strong>der</strong>t und enthalten jeweils ein eigenes Kapitel zum Thema kalte<br />

Zone. Im Seydlitz-Buch etwa trägt es den Titel Polarräume und zeigt einen Schwerpunkt im<br />

Bere<strong>ich</strong> <strong>der</strong> naturräuml<strong>ich</strong>en Gegebenheiten während Terra unter <strong>der</strong> Überschrift Leben in<br />

<strong>der</strong> Kalten Zone eher die Lebensbedingungen und -formen in den Vor<strong>der</strong>grund stellt. Unsere<br />

Erde letztl<strong>ich</strong> legt im Kapitel Zusammenhänge in <strong>der</strong> Polarzone erklären den Fokus auf Nut-<br />

zungspotenziale und -gefahren in den Polarräumen.<br />

Diercke Erdkunde<br />

Die Karte M1 in <strong>der</strong> linken oberen Ecke von Seite 66 trägt den Titel Völker <strong>der</strong> Arktis und<br />

zeigt die Siedlungsräume ausgewählter arktischer Völker, wie <strong>der</strong> Inuit in Nordamerika, <strong>der</strong><br />

Tschuktschen, Jakuten und Nenzen in Asien und <strong>der</strong> Samen in Europa. Als Grenze <strong>der</strong> Arktis<br />

ist die 10°C-Juli-Isotherme eingeze<strong>ich</strong>net. Die übrigen Teile <strong>der</strong> Doppelseite greifen die Inuit


Die Perspektive <strong>der</strong> Schulbücher auf das Leben <strong>der</strong> Inuit 75<br />

als eines dieser arktischen Völker heraus und zeigen an ihrem Beispiel exemplarisch Formen<br />

<strong>der</strong> Anpassung in <strong>der</strong> kalten Zone auf.<br />

Abbildung 34: Diercke Erdkunde (Westermann): ‚Die Inuit – Überleben<br />

bei -30°C‘<br />

(Diercke Erdkunde 7/8 Gymnasium Nie<strong>der</strong>sachsen 2009:66/67)<br />

Der Text stellt unter <strong>der</strong> Überschrift Die Inuit – Überleben<br />

bei -30°C im Einleitungssatz zunächst die extremen Klimabe-<br />

dingungen und die Notwendigkeit einer überlebenss<strong>ich</strong>ern-<br />

den Anpassung heraus. Anschließend erzählen drei Inuitkin-<br />

<strong>der</strong>, Torun, Pikalu und Smilla, von ihrem Leben in Grönland.<br />

Torun und Pikalu repräsentieren dabei die traditionelle Le-<br />

bensweise, Smilla die mo<strong>der</strong>ne. Es wird ber<strong>ich</strong>tet, die Familie<br />

von Torun und Pikalu lebe als Selbstversorger in einem Out-<br />

post Camp nahe Upernavik in Westgrönland. Es folgt ein Hin-<br />

weis, <strong>dass</strong> die Inuit in Grönland heute zunehmend in Städten<br />

Abbildung 35: Diercke Erdkunde<br />

(Westermann): Frontcover<br />

(Diercke Erdkunde 7/8 Gymnasium<br />

Nie<strong>der</strong>sachsen 2009)<br />

lebten, woraufhin Smilla von dem Leben ihrer Familie in <strong>der</strong> westgrönländischen Stadt Ilulis-<br />

sat erzählt. Ein Bild dieser Stadt befindet s<strong>ich</strong> auf dem Frontcover des Buches.


Die Perspektive <strong>der</strong> Schulbücher auf das Leben <strong>der</strong> Inuit 76<br />

Unsere Erde<br />

Abbildung 36: Unsere Erde (Cornelsen): ‚Die Inuit – Leben in <strong>der</strong> Kälte‘<br />

(Unsere Erde 7/8 Gymnasium Nie<strong>der</strong>sachsen 2009:80/81)<br />

Unsere Erde bereitet das Thema Inuit als Geo-Aktiv-Einheit auf. Im Zentrum <strong>der</strong> Darstel-<br />

lung steht <strong>der</strong> E-Mail-Wechsel <strong>der</strong> beiden Mädchen Laura aus Deutschland und Alukie aus<br />

Iqaluit in Nunavut. Laura sendet ihrer Brieffreundin einen Text, <strong>der</strong> wie<strong>der</strong>gibt, was sie an<br />

Informationen über das Leben <strong>der</strong> Inuit gefunden hat, und bittet Alukie, zu überprüfen, ob<br />

diese Schil<strong>der</strong>ungen noch aktuell sind. Lauras Text beschreibt die traditionelle Lebensweise<br />

<strong>der</strong> Inuit. Alukie beantwortet Lauras E-Mail mit dem Hinweis, <strong>dass</strong> die beschriebene Le-<br />

bensweise heutzutage n<strong>ich</strong>t mehr zutreffe. Verschiedene Vorschläge for<strong>der</strong>n die Schülerin-<br />

nen und Schüler dazu auf, s<strong>ich</strong> eigenständig über die Inuit zu informieren und ihre Ergebnis-<br />

se verschiedenartig aufzuarbeiten und zu präsentieren.<br />

Seydlitz <strong>Geographie</strong><br />

Unter <strong>der</strong> Überschrift Inuit – zwischen Iglu und Internet stellt auch das Seydlitz-Buch die<br />

traditionelle und mo<strong>der</strong>ne Lebensweise <strong>der</strong> Inuit gegenüber. Seite 104 widmet s<strong>ich</strong> dabei


Die Perspektive <strong>der</strong> Schulbücher auf das Leben <strong>der</strong> Inuit 77<br />

<strong>der</strong> traditionellen Form, Seite 105 <strong>der</strong> mo<strong>der</strong>nen. Eine Karte (105.3) zeigt zudem die Lage<br />

des Lebensraumes des Inuit innerhalb <strong>der</strong> Vegetationszonen <strong>der</strong> Arktis. Im Zentrum <strong>der</strong> Dar-<br />

stellung steht <strong>der</strong> Text. Eingeleitet wird er mit einer Erklärung, weshalb die Inuit heute n<strong>ich</strong>t<br />

mehr Eskimos genannt werden. Anschließend folgt eine Erzählung des älteren Inuk Loasie,<br />

<strong>der</strong> vom Leben <strong>der</strong> Inuit vor 50 Jahren ber<strong>ich</strong>tet. Er führt aus, die Inuit seien damals Selbst-<br />

versorger gewesen und die Jagd habe in Bezug auf die Lebensmittelversorgung und die jah-<br />

reszeitl<strong>ich</strong>en Wan<strong>der</strong>ungen ihr Leben bestimmt. Auf Seite 105 ber<strong>ich</strong>tet dann die Schülerin<br />

Nyla aus Tuktoyaktuk im Mackenzie-Delta von <strong>der</strong> heutigen Lebenssituation <strong>der</strong> Inuit und<br />

geht dabei auf den Hausbau, das Arbeitsleben sowie Probleme mo<strong>der</strong>ner Inuit ein.<br />

Abbildung 37: Seydlitz <strong>Geographie</strong> (Schroedel): ‚Inuit – zwischen Iglu und Internet‘<br />

(Seydlitz <strong>Geographie</strong> 7/8 Gymnsium Nie<strong>der</strong>sachsen 2009:104/105)<br />

Terra Erdkunde<br />

Das Terra-Buch verfolgt einen an<strong>der</strong>en Zugang zum Thema als die übrigen Bücher. Im Fo-<br />

kus stehen hier die Erschließung <strong>der</strong> re<strong>ich</strong>en Rohstoffe Nordkanadas und die damit einher-<br />

gehenden Konflikte <strong>der</strong> Inuit einschließl<strong>ich</strong> des Autonomieprozesses. Entsprechend beginnt<br />

<strong>der</strong> Haupttext auf Seite 15 unter <strong>der</strong> Überschrift Kanadas Re<strong>ich</strong>tum und seine Konflikte mit


Die Perspektive <strong>der</strong> Schulbücher auf das Leben <strong>der</strong> Inuit 78<br />

einer Situationsbeschreibung: Nordkanada sei zum einen re<strong>ich</strong> an Bodenschätzen, die für<br />

den Weltmarkt geför<strong>der</strong>t würden. Zum an<strong>der</strong>en sei es aber auch Lebensraum <strong>der</strong> aus Asien<br />

eingewan<strong>der</strong>ten Inuit und Indianer, die s<strong>ich</strong> gegen die Ausbeutung <strong>der</strong> Natur wehrten und<br />

Selbstbestimmung for<strong>der</strong>ten. Die Ausweitung des Bergbaus und die Abholzung von Nadel-<br />

wäl<strong>der</strong>n führten zu daher Nutzungskonflikten zwischen Inuit und Indianern auf <strong>der</strong> einen<br />

und <strong>der</strong> kanadischen Regierung auf <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Seite. Der zweite Teil des Textes trägt die<br />

Überschrift Das Leben <strong>der</strong> Inuit heute und thematisiert verschiedene Lebensbere<strong>ich</strong>e <strong>der</strong><br />

Inuit, die s<strong>ich</strong> gegenüber früher geän<strong>der</strong>t hätten. Anschließend wird ausgeführt, diese Ver-<br />

än<strong>der</strong>ungen stellten eine Gefahr für die Inuit-Kultur dar, <strong>der</strong> man entgegenzuwirken versu-<br />

che. Ergänzt wird <strong>der</strong> Text durch verschiedene bildl<strong>ich</strong>e Darstellungen sowie einen Zeitungs-<br />

artikel, <strong>der</strong> den Titel Eine erstaunl<strong>ich</strong>e Karriere trägt und anlässl<strong>ich</strong> <strong>der</strong> Gründung des Terri-<br />

toriums Nunavut den Werdegang des ersten Premierministers von Nunavut schil<strong>der</strong>t.<br />

Abbildung 38: Terra Erdkunde (Klett): ‚Nunavut heißt: „Unser Land“‘<br />

(Terra Erdkunde 7/8 Gymnasium Nie<strong>der</strong>sachsen 2006:14/15)


Die Perspektive <strong>der</strong> Schulbücher auf das Leben <strong>der</strong> Inuit 79<br />

4.2.2 Kategorienbasierte Analyse des Untersuchungsmaterials<br />

Auf <strong>der</strong> Grundlage des beschriebenen Untersuchungsmaterials wurden vier Kategorien<br />

gebildet – traditionelle Lebensweise, Kultur und gesellschaftl<strong>ich</strong>e Werte <strong>der</strong> Inuit; mo<strong>der</strong>ne<br />

Wohnverhältnisse; wirtschaftl<strong>ich</strong>e Verhältnisse; Selbstbestimmung –, anhand <strong>der</strong>er nachste-<br />

hend die bestimmenden Aspekte <strong>der</strong> Darstellung <strong>der</strong> Lebensweisen <strong>der</strong> Inuit in den Schulbü-<br />

chern erörtert werden.<br />

Traditionelle Lebensweise, Kultur und gesellschaftl<strong>ich</strong>e Werte <strong>der</strong> Inuit<br />

Die traditionelle Lebensweise <strong>der</strong> Inuit wird in drei <strong>der</strong> vier Schulbücher auf mindestens<br />

<strong>der</strong> Hälfte <strong>der</strong> Doppelseite ausführl<strong>ich</strong> thematisiert. Dabei sind die Perspektiven, die in den<br />

einzelnen Büchern gegenüber diesem Aspekt eingenommen werden, sehr verschieden.<br />

In Seydlitz etwa erzählt ein Großvater von <strong>der</strong> Zeit vor 50 Jahren. Dieser Zugang ist ge-<br />

schickt gewählt, da er s<strong>ich</strong> in <strong>der</strong> Beschreibung <strong>der</strong> traditionellen Lebensform eines ihrer<br />

typischen Elemente, näml<strong>ich</strong> die Weitergabe von Wissen und Informationen von einer Gene-<br />

ration an die nächste durch Erzählungen, zu Nutze macht. Mit <strong>der</strong> Fokussierung <strong>der</strong> Aspekte<br />

Selbstversorgung durch die Jagd und Leben im Iglu werden dabei spezifische Anpassungs-<br />

formen <strong>der</strong> Inuit an ihre naturräuml<strong>ich</strong>e Umgebung dargestellt. Allerdings ist hierzu anzu-<br />

merken, <strong>dass</strong> die doppelte bildl<strong>ich</strong>e Darstellung des Iglus bei den Schülerinnen und Schülern<br />

wahrscheinl<strong>ich</strong> den Eindruck hervorrufen o<strong>der</strong> verstärken wird, <strong>dass</strong> Inuit immer im Iglu ge-<br />

lebt hätten. Dies trifft jedoch zum einen n<strong>ich</strong>t zu und zum an<strong>der</strong>en wird auch im Text be-<br />

schrieben, Iglus seien nur im Winter gebaut worden. Anstelle von Bild 104.1 hätte somit<br />

auch ein Bild eines Zeltes, wie es im Text als typische Sommerunterkunft genannt wird, ab-<br />

gedruckt werden können. Am Ende des Textes wird darauf hingewiesen, <strong>dass</strong> viele „davon<br />

überzeugt [sind], <strong>dass</strong> das Ende des traditionellen Nomadenlebens den meisten Inuit eher<br />

geschadet als genutzt hat“ (Seydlitz 2009:105). Dadurch wird zwar einerseits die Mo<strong>der</strong>ne<br />

relativiert und somit das traditionelle Nomadenleben in <strong>der</strong> Wahrnehmung <strong>der</strong> Schülerinnen<br />

und Schüler aufgewertet. Zugle<strong>ich</strong> wird ihnen aber auch bereits eine beurteilende Meinung<br />

zu <strong>der</strong> Entwicklung vorgegeben. Im Sinne einer unvoreingenommeneren Reflexion <strong>der</strong> Vor-<br />

und Nachteile traditioneller und mo<strong>der</strong>ner Lebensweisen hätte alternativ, beispielsweise in<br />

Anknüpfung an Aufgabe 1, eine Stellungnahme <strong>der</strong> Schülerinnen und Schüler zu dieser Ein-<br />

schätzung gefor<strong>der</strong>t werden können.


Die Perspektive <strong>der</strong> Schulbücher auf das Leben <strong>der</strong> Inuit 80<br />

Unsere Erde stellt die traditionelle Lebensform im Rahmen von Recherche-Ergebnissen<br />

einer Schülerin vor, die von ihrer Internetpartnerin, einem Inuit-Mädchen, als längst n<strong>ich</strong>t<br />

mehr zutreffend zurückgewiesen werden: „so wie du das Leben bei uns beschreibst, ist es<br />

schon lange n<strong>ich</strong>t mehr“ (Unsere Erde 2009:81). Allerdings gibt sie fernerhin an, <strong>dass</strong> ihr Va-<br />

ter „ganz tolle Skulpturen“ (Unsere Erde 2009:81) herstelle, die er verkaufe, und ihr Onkel<br />

für Touristen „Fahrten mit dem Hundeschlitten“ (Unsere Erde 2009:81) organisiere, wodurch<br />

zum Ausdruck gebracht wird, <strong>dass</strong> zumindest kulturelle Elemente <strong>der</strong> traditionellen Lebens-<br />

form in gewissem Rahmen fortgeführt werden. Wie schon bei Seydlitz steht die Selbstver-<br />

sorgung im Zentrum <strong>der</strong> Betrachtung <strong>der</strong> traditionellen Lebensweise. Hiervon ausgehend<br />

werden Jagd- und Fischereimethoden sowie die Verwertung <strong>der</strong> Tiere beschrieben. Über die<br />

bei Seydlitz beschriebenen Inhalte hinausgehend werden zudem zwei <strong>der</strong> gesellschaftl<strong>ich</strong>en<br />

Prinzipien <strong>der</strong> Inuit angesprochen. Als notwendige Voraussetzung zum Überleben in <strong>der</strong> Ark-<br />

tis werden zum einen <strong>der</strong> Zusammenhalt und zum an<strong>der</strong>en das Teilen <strong>der</strong> Lebensmittel her-<br />

ausgestellt. Kultur und Anpassung werden somit in dieser Darstellung zu ineinan<strong>der</strong>greifen-<br />

den Elementen.<br />

Demgegenüber lässt Diercke einen Jungen, <strong>der</strong> in heutiger Zeit mit seiner Familie auf tra-<br />

ditionelle Weise in einem Outpost Camp in Grönland lebt, erzählen und kontrastiert diese<br />

Darstellung mit <strong>der</strong> <strong>der</strong> mo<strong>der</strong>n lebenden Familie von Smilla. Die Beschreibung des traditio-<br />

nellen Lebens fokussiert s<strong>ich</strong> im Text auf die Jagd und Verarbeitung <strong>der</strong> Tiere zur Selbstver-<br />

sorgung. Mehrere Abbildungen sollen dies illustrieren, werfen allerdings (ungewollt) Wi<strong>der</strong>-<br />

sprüche zum Text auf. So wird im Text eingehend beschrieben, wie die Inuit aus den Fellen<br />

bereits erlegter Tiere ihre Kleidung und Schuhe fertigten. M3 zeigt jedoch „Inuit mit erlegter<br />

Robbe“ (Diercke 2009:66), die mo<strong>der</strong>n gekleidet sind. In M2 ist ein Iglu als „‘Haus‘ zur Jagd-<br />

zeit“ (Diercke 2009:66) abgebildet. Dieses Bild befindet s<strong>ich</strong> zwar unmittelbar neben dem<br />

Text, nimmt aber offenbar Bezug auf M5, wo das Iglu als winterl<strong>ich</strong>e Wohnstätte auf Wande-<br />

rungen angeführt wird. Die inhaltl<strong>ich</strong>e Einordnung von M5 bleibt dabei unklar. Es trägt den<br />

Titel „Jahresablauf im Leben eines Inuit“ (Diercke 2009:67) und schil<strong>der</strong>t naturräuml<strong>ich</strong>e<br />

Gegebenheiten und Lebensverhältnisse <strong>der</strong> Menschen im Verlauf eines Jahres. Die Graphik<br />

ist auf Seite 67, die s<strong>ich</strong> im Übrigen mit den mo<strong>der</strong>nen Lebensformen beschäftigt, abge-<br />

druckt und suggeriert durch den Titel gegenwärtige Gültigkeit. Die enthaltenen Beschreibun-<br />

gen beziehen s<strong>ich</strong> jedoch ausschließl<strong>ich</strong> auf traditionelle Lebensformen. Ob dies nun die Le-


Die Perspektive <strong>der</strong> Schulbücher auf das Leben <strong>der</strong> Inuit 81<br />

bensweise im Outpost Camp zeigen soll o<strong>der</strong> gar die eines mo<strong>der</strong>n lebenden Inuk, wenn er<br />

zur Jagd geht, wird n<strong>ich</strong>t erklärt. Auch in <strong>der</strong> dazugehörigen Aufgabenstellung ist ledigl<strong>ich</strong><br />

vom „Jahresablauf eines Inuit während <strong>der</strong> Jagd“ die Rede. Positiv ist an dieser Graphik je-<br />

doch die Darstellung <strong>der</strong> L<strong>ich</strong>t- und Eisverhältnisse hervorzuheben, die den Schülerinnen und<br />

Schülern auf anschaul<strong>ich</strong>e Weise einen Eindruck von dem jahreszeitl<strong>ich</strong>en Wechsel dieser<br />

beiden naturräuml<strong>ich</strong>en Faktoren vermittelt.<br />

Nahezu ohne eine Darstellung <strong>der</strong> traditionellen Lebensweisen kommt Terra aus. Dies ist<br />

mit dem inhaltl<strong>ich</strong>en Schwerpunkt <strong>der</strong> Doppelseite zu erklären, <strong>der</strong> n<strong>ich</strong>t auf <strong>der</strong> Anpassung<br />

an die kalte Zone, son<strong>der</strong>n auf <strong>der</strong> Nutzung <strong>der</strong> Bodenschätze liegt. Ausgehend von einem<br />

Nutzungskonflikt zwischen Wirtschaft und indigener Bevölkerung <strong>der</strong> Region werden ver-<br />

schiedenartige Auswirkungen auf Kultur und Tradition <strong>der</strong> Inuit geschil<strong>der</strong>t und anschließend<br />

beispielhaft Maßnahmen genannt, die zur Bewahrung <strong>der</strong> Kultur beitragen sollen. Die Kultur<br />

wird dabei unabhängig von <strong>der</strong> traditionellen Lebensform <strong>der</strong> Inuit betrachtet und in <strong>der</strong><br />

Funktion eines identitätsstiftenden Elementes als bedeuten<strong>der</strong> Kontrapunkt zur „kulturellen<br />

Entfremdung“ (Terra 2006:14) dargestellt.<br />

Insgesamt ist zu beobachten, <strong>dass</strong> die einzelnen Schulbücher von unterschiedl<strong>ich</strong>en Prä-<br />

missen hins<strong>ich</strong>tl<strong>ich</strong> des Stellenwertes <strong>der</strong> traditionellen Lebensformen in heutiger Zeit aus-<br />

gehen. Sie re<strong>ich</strong>en von ‚diese Lebensformen sind vergangen und nur noch museal für Touris-<br />

ten vorhanden (Unsere Erde)‘, über ‚die traditionelle Lebensweise ist heute n<strong>ich</strong>t mehr üb-<br />

l<strong>ich</strong>, aber die Kultur ist geblieben in Form von Sprache (Terra und Seydlitz), Jagdbegeisterung<br />

(Seydlitz), kulturellem Wissen (Terra) und Kunst (Unsere Erde)‘ bis hin zu ‚ein kleiner Teil Inu-<br />

it führt sie parallel zur Mehrheit <strong>der</strong> Gesellschaft, die die Traditionen aufgegeben hat, fort‘<br />

(Diercke).<br />

Daneben ist festzuhalten, <strong>dass</strong> auch die Auffassungen über den Charakter <strong>der</strong> traditionel-<br />

len Lebensweisen in den verschiedenen Büchern variieren. Diercke, Seydlitz und Unsere Erde<br />

neigen dazu, alle Elemente <strong>der</strong> traditionellen Lebensweise als Ausdruck einer Anpassung an<br />

den Lebensraum zu sehen. So steht im Zentrum <strong>der</strong> Darstellung bei Diercke die Praxis <strong>der</strong><br />

Selbstversorgung, die auf den beiden Prinzipien basiere, „<strong>dass</strong> wir nur so viele Tiere erlegen<br />

wie wir benötigen [und] jedes erlegte Tier mögl<strong>ich</strong>st sinnvoll […] verwerten“, denn „unter<br />

den harten klimatischen Bedingungen <strong>der</strong> Arktis überleben nur Menschen […], die s<strong>ich</strong> den


Die Perspektive <strong>der</strong> Schulbücher auf das Leben <strong>der</strong> Inuit 82<br />

extremen Bedingungen angepasst haben“ (Diercke 2009:66). Auf <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Seite betrach-<br />

tet Terra die Anpassungsformen und Traditionen <strong>der</strong> Inuit genau an<strong>der</strong>sherum als Ausdruck<br />

einer Kultur. Diese sei durch die Verän<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Lebensweise bedroht, verloren zu gehen,<br />

weshalb es Bestrebungen gebe, „die Inuit-Kultur zu bewahren, z.B. indem die Kin<strong>der</strong> in <strong>der</strong><br />

Schule Inuktitut, die Sprache <strong>der</strong> Inuit, lernen und am Pfl<strong>ich</strong>tfach ‚Inuit-Kultur‘ teilnehmen“.<br />

Diese unterschiedl<strong>ich</strong>en Blickwinkel sind n<strong>ich</strong>t unerhebl<strong>ich</strong>, da s<strong>ich</strong> auf Anpassung basieren-<br />

de Lebensformen im Zuge einer Verän<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Rahmenbedingungen ebenfalls än<strong>der</strong>n,<br />

Kultur aber ein identitätsstiftendes Element einer Gesellschaft ist, das auch bei einem Wan-<br />

del <strong>der</strong> Lebensformen zumindest in Teilen weitergetragen wird.<br />

Mo<strong>der</strong>ne Wohnverhältnisse<br />

Zu den mo<strong>der</strong>nen Wohnverhältnissen finden s<strong>ich</strong> in den Schulbüchern drei Darstellungen<br />

zu drei verschiedenen Regionen. In Unsere Erde heißt es hierzu, die Familie von Alukie woh-<br />

ne „in einem kleinen Haus gar n<strong>ich</strong>t weit von unserer Schule. […] Heute unterscheiden s<strong>ich</strong><br />

unsere Siedlungen kaum von denen in an<strong>der</strong>en Teilen Kanadas mit Supermärkten, Schulen,<br />

festen Häusern mit Heizung und Fernsehern“ (Unsere Erde, S. 81). Diese Beschreibung be-<br />

zieht s<strong>ich</strong> konkret auf Iqaluit, die Hauptstadt Nunavuts, beansprucht durch die Formulierung<br />

„unsere Siedlungen“ aber ebenso Allgemeingültigkeit für die übrigen Siedlungen <strong>der</strong> Inuit.<br />

Der Hinweis auf die Ähnl<strong>ich</strong>keit zu an<strong>der</strong>en kanadischen Siedlungen mit Supermärkten, Schu-<br />

len und festen Häusern als ausschlaggebende Merkmale suggeriert implizit auch eine Ähn-<br />

l<strong>ich</strong>keit zu den Schülerinnen und Schülern bekannten europäischen Siedlungen. Im Zentrum<br />

dieser Darstellung steht somit eine Betonung <strong>der</strong> Ähnl<strong>ich</strong>keiten zur Lebenswelt <strong>der</strong> Schüle-<br />

rinnen und Schüler und vermittelt ihnen den Eindruck, ‚die Inuit wohnen genau wie wir‘.<br />

Die gle<strong>ich</strong>e R<strong>ich</strong>tung schlägt auch die Darstellung des Diercke-Buches ein. Als räuml<strong>ich</strong>es<br />

Beispiel ist hier die westgrönländische Stadt Ilulissat genannt (die allerdings im Text fälschli-<br />

cherweise Illusiat genannt wird). Dort lebe die Familie von Smilla in „einem ruhigen Holzhaus<br />

am Ortsrand“ (Diercke, S. 67), in dem es „fließend kaltes und warmes Wasser, einen Elektro-<br />

herd, Zentralheizung, Mikrowelle, Telefon und Kabelfernsehen“ (Diercke, S. 67) gebe. Zuvor<br />

habe die Familie „in einem großen Mehrfamilienhaus in <strong>der</strong> Nähe zum Hafen gewohnt“<br />

(Diercke, S. 67). Es werden also zwei in Ilulissat übl<strong>ich</strong>e Wohnformen angesprochen, wobei<br />

<strong>der</strong> Umzug an den Ortsrand implizit einen Suburbanisierungsprozess andeutet. Relativiert


Die Perspektive <strong>der</strong> Schulbücher auf das Leben <strong>der</strong> Inuit 83<br />

wird diese Darstellung durch den Hinweis, <strong>dass</strong> es „n<strong>ich</strong>t allen Inuit, die inzwischen in die<br />

Städte Grönlands gezogen sind, […] so gut wie Smillas Familie“ gehe. Das Titelbild des Buches<br />

zeigt zudem eine Einfamilienhaussiedlung am Rande von Ilulissat. Zu sehen ist darauf eine<br />

Vielzahl d<strong>ich</strong>t nebeneinan<strong>der</strong> stehen<strong>der</strong>, bunter Holzhäuser in einer verschneiten Küsten-<br />

landschaft. Das Bild vermittelt insgesamt einen idyllischen, beschaul<strong>ich</strong>en Eindruck und steht<br />

somit in scharfem Gegensatz zu Abbildung 105.2 im Seydlitz-Buch.<br />

Auch dieses Bild zeigt eine „mo<strong>der</strong>ne Inuitsiedlung“ (Seydlitz, S. 105). Im Vor<strong>der</strong>grund des<br />

Bildes ist ein großes Zelt zu sehen, im Mittelgrund mehrere <strong>der</strong> Matchbox-Häuser, die auch<br />

im Text erwähnt werden. Dort werden sie als „Fertighäuser aus Holz o<strong>der</strong> Wellblech“<br />

(Seydlitz, S. 105) beschrieben, die „in unserer vom Frost versiegelten Welt auf den soge-<br />

nannten Dauerfrostboden aufgepfropft [werden], so<strong>dass</strong> wir wie auf Stelzen wohnen“<br />

(Seydlitz, S. 105). Des Weiteren wird erklärt, <strong>dass</strong> die Montage dieser Häuser nur im Sommer<br />

mögl<strong>ich</strong> sei. Der Hintergrund des Bildes zeigt große, mindestens achtgeschossige Wohn-<br />

blocks. An <strong>der</strong> Seydlitz-Darstellung ist positiv hervorzuheben, <strong>dass</strong> sie mit den Matchboxhäu-<br />

sern eine spezifisch an die naturräuml<strong>ich</strong>en Gegebenheiten angepasste Bauform vorgestellt<br />

und <strong>der</strong> thematische Rahmen <strong>der</strong> Anpassung somit auch für die Mo<strong>der</strong>ne verfolgt wird.<br />

Dennoch ist das Bild 105.2, insbeson<strong>der</strong>e in Kombination mit <strong>der</strong> Bildunterschrift „mo<strong>der</strong>ne<br />

Inuitsiedlung“, als problematisch anzusehen. Denn einerseits beansprucht die Betitelung<br />

Inuitsiedlung ohne nähere räuml<strong>ich</strong>e Einordnung Allgemeingültigkeit und Repräsentativität<br />

für die Gesamtheit <strong>der</strong> Inuitsiedlungen und an<strong>der</strong>erseits vermittelt das Attribut mo<strong>der</strong>n den<br />

Eindruck, das Bild zeige den aktuell höchsten Wohnstandard <strong>der</strong> Inuit. Gle<strong>ich</strong>zeitig vermittelt<br />

das Bild einen sehr ärml<strong>ich</strong>en und tristen Eindruck. Dieser wird unnötigerweise dadurch ver-<br />

stärkt, <strong>dass</strong> die Froschperspektive einerseits am Boden herumliegenden Müll und an<strong>der</strong>er-<br />

seits die dunkle Bewölkung am Himmel stark betont. Dass ein Bild einer mo<strong>der</strong>nen Inuitsied-<br />

lung zudem ein Zelt <strong>der</strong>art raumgreifend in den Vor<strong>der</strong>grund stellt, erscheint ebenfalls un-<br />

glückl<strong>ich</strong>. Ein an<strong>der</strong>s gewählter Bildausschnitt, <strong>der</strong> die Matchbox-Häuser (in Normalperspek-<br />

tive) stärker hervorhebt, wäre an dieser Stelle objektiver. Statt als Beispiel für eine mo<strong>der</strong>ne<br />

Inuitsiedlung wäre dieses Bild vielmehr für eine Thematisierung des in manchen Regionen<br />

drängenden Wohnraummangels und <strong>der</strong> teilweise stark veralteten Bausubstanz geeignet<br />

(vgl. INUIT TAPIRIIT KANATAMI:2004). Aufgrund <strong>der</strong> Signifikanz dieses Problems, wäre eine Be-<br />

handlung im Schulbuch im Rahmen einer Doppelseite zu den Inuit sogar gerechtfertigt.


Die Perspektive <strong>der</strong> Schulbücher auf das Leben <strong>der</strong> Inuit 84<br />

Durch die hier vorgenommene Bild-Bildunterschrift-Kombination werden bei den Schülerin-<br />

nen und Schülern jedoch – insbeson<strong>der</strong>e auch im Vergle<strong>ich</strong> zu dem idyllischen „Iglu bei<br />

Nacht“-Bild (104.1) auf Seite 104 – sehr negative Vorstellungen geprägt.<br />

Selbstbestimmung<br />

Der Aspekt <strong>der</strong> Selbstbestimmung ist in den Schulbüchern wenig vertreten. Bei Seydlitz<br />

kommt er in einem Nebensatz, allerdings mit falschem Raumbezug, zum Ausdruck. Dort<br />

heißt es aus <strong>der</strong> Perspektive von Nyla: „In <strong>der</strong> Schule ist sie [die Sprache Inuktitut] seit eini-<br />

gen Jahren Unterr<strong>ich</strong>tsfach, denn seit 1999 ist Nunavut, ‚unser Land‘ als selbstständiges Ter-<br />

ritorium anerkannt“ (Seydlitz 2009:105). Tuktoyaktuk, <strong>der</strong> Ort, <strong>der</strong> als Nylas Wohnort ange-<br />

geben wird, befindet s<strong>ich</strong> jedoch n<strong>ich</strong>t in Nunavut.<br />

Ausführl<strong>ich</strong>er geht Terra auf dieses Thema ein. Anhand eines Quellentextes, einem kana-<br />

dischen Zeitungsartikel, wird die Gründung Nunavuts dargelegt und <strong>dass</strong> die Inuit dadurch<br />

„weitgehende Selbstverwaltung und Nutzungsrechte im Nunavut-Gebiet“ (Terra 2006:14)<br />

erhalten. Aufgabe 5 stellt einen Bezug zwischen Selbstbestimmung und dem Fortbestand <strong>der</strong><br />

Inuit-Kultur her. Der Aspekt <strong>der</strong> Selbstbestimmung ist in <strong>der</strong> Terra-Darstellung zentral, denn<br />

er verdeutl<strong>ich</strong>t zum einen die verän<strong>der</strong>te Position <strong>der</strong> Inuit innerhalb des beschriebenen<br />

Nutzungskonfliktes und zum an<strong>der</strong>en zeigt er die Inuit auch in <strong>der</strong> Mo<strong>der</strong>ne als Volk mit ei-<br />

gener Identität.<br />

Wirtschaftl<strong>ich</strong>e Verhältnisse<br />

Die wirtschaftl<strong>ich</strong>en Verhältnisse in den Inuit-Regionen kommen in allen vier Büchern in<br />

wechseln<strong>der</strong> Ausführl<strong>ich</strong>keit zur Sprache.<br />

Terra nutzt hierfür einen problematisierenden Zugang, <strong>der</strong> auf den Landnutzungskonflikt<br />

zwischen den Inuit und <strong>der</strong> kanadischen Regierung eingeht. Die Interessen bei<strong>der</strong> Parteien<br />

werden aufgeführt und die Schülerinnen und Schüler aufgefor<strong>der</strong>t dies zu erläutern.<br />

In den übrigen Büchern wird dieser Aspekt zumeist eher am Rande thematisiert, etwa<br />

über die Berufe <strong>der</strong> Eltern <strong>der</strong> ber<strong>ich</strong>tenden Kin<strong>der</strong>, die zumeist typische Wirtschaftszweige<br />

vertreten. Beispielsweise arbeitet Alukies Mutter (Unsere Erde) bei <strong>der</strong> Stadtverwaltung von<br />

Iqaluit und spiegelt somit exemplarisch die Bedeutung <strong>der</strong> Behörden als Arbeitgeber in Nu-<br />

anvut wi<strong>der</strong>. Smillas Vater (Diercke) vertritt auf die gle<strong>ich</strong>e Weise als Kapitän eines Fischkut-


Die Perspektive <strong>der</strong> Schulbücher auf das Leben <strong>der</strong> Inuit 85<br />

ters die Fischerei, Alukies Onkel (Unsere Erde) den Tourismus. Zugle<strong>ich</strong> vermittelt die Angabe<br />

von Berufen, die auch den Schülerinnen und Schülern bekannt sind, einen Eindruck von ei-<br />

nerseits Mo<strong>der</strong>nität und an<strong>der</strong>erseits Ähnl<strong>ich</strong>keit zur eigenen Lebenswelt.<br />

Diercke und Seydlitz gehen daneben auch auf Probleme ein, indem beispielsweise darge-<br />

legt wird, <strong>dass</strong> es vielen Inuit an einer guten Schulbildung o<strong>der</strong> Berufsausbildung fehle<br />

(Diercke) und Nyla (Seydlitz) ausführt, <strong>dass</strong> die Inuit im Arbeitsleben oftmals auf die Fremd-<br />

sprache Englisch angewiesen seien und die Arbeitslosigkeit anspr<strong>ich</strong>t. Deren Folgen werden<br />

in Verbindung gebracht mit Kriminalität und dem Hinweis, die örtl<strong>ich</strong>en Gefängniszellen sei-<br />

en fast immer ausgebucht. Auch bei Terra werden als Folgen von Arbeitslosigkeit Alkoholis-<br />

mus, Selbstmorde und Kriminalität aufgeführt. Die Betrachtungsweise in beiden Büchern<br />

unterscheidet s<strong>ich</strong> dennoch erhebl<strong>ich</strong> durch die Kontextualisierung <strong>der</strong> Darstellungen. Wäh-<br />

rend <strong>der</strong> Beschreibung bei Seydlitz <strong>der</strong> Hinweis folgt, viele Inuit seien <strong>der</strong> Ans<strong>ich</strong>t, das Ende<br />

des traditionellen Nomadenlebens sei eher schädl<strong>ich</strong> gewesen, präsentiert Terra diese Prob-<br />

leme anhand <strong>der</strong> Vorbildfigur Paul Okalik, <strong>der</strong> s<strong>ich</strong> davon befreit habe und lässt die Schüle-<br />

rinnen und Schüler zudem in Aufgabe 3 erläutern, weshalb Okalik als Vorbild betrachtet<br />

werde. Bezogen auf die Wahrnehmung <strong>der</strong> Schülerinnen und Schüler werden somit einmal<br />

eher Perspektivlosigkeit und beim an<strong>der</strong>en Mal eher Chancen und Aufbruch suggeriert. Bei<br />

Unsere Erde hingegen fehlt eine diesbezügl<strong>ich</strong> problematisierende Perspektive vollkommen.<br />

4.2.3 Fazit <strong>der</strong> Schulbuchanalyse<br />

Vorangehend wurden einige zentrale Tendenzen <strong>der</strong> Perspektive <strong>der</strong> Schulbücher auf das<br />

Leben <strong>der</strong> Inuit aufgezeigt. Vor diesem Hintergrund werden nachstehend die eingangs for-<br />

mulierten Leitfragen beantwortet und ein abschließendes Fazit gezogen.<br />

Leitfrage 1: Ist die inhaltl<strong>ich</strong>e Darstellung fachwissenschaftl<strong>ich</strong> korrekt?<br />

In den einzelnen Schulbüchern finden s<strong>ich</strong> durchaus einige fachl<strong>ich</strong>e Fehler o<strong>der</strong> Verfäl-<br />

schungen durch Ungenauigkeiten. Sehr auffällig ist dabei, <strong>dass</strong> dies überwiegend durch Ver-<br />

allgemeinerungen und Nachlässigkeiten bei den Raumbezügen verursacht wird, und das,<br />

obwohl für Erdkunde <strong>der</strong> Raum die entscheidende fachl<strong>ich</strong>e Dimension ist. Insbeson<strong>der</strong>e im<br />

Diercke-Buch geht in dieser Hins<strong>ich</strong>t einiges durcheinan<strong>der</strong>. So wird zunächst <strong>der</strong> Ortsname


Die Perspektive <strong>der</strong> Schulbücher auf das Leben <strong>der</strong> Inuit 86<br />

Ilulissat im Text auf Seite 67 fälschl<strong>ich</strong>erweise als Ilusiat wie<strong>der</strong>gegeben. Darüber hinaus ist<br />

anzumerken, <strong>dass</strong> s<strong>ich</strong> <strong>der</strong> Buchtext explizit auf Grönland als Beispielraum bezieht, und, <strong>dass</strong><br />

somit aus Schülerperspektive auch davon ausgegangen werden kann, <strong>dass</strong> für die Abbildun-<br />

gen <strong>der</strong> gle<strong>ich</strong>e Raumbezug gilt, sofern dies n<strong>ich</strong>t an<strong>der</strong>s angegeben ist. Tatsächl<strong>ich</strong> ist dies<br />

jedoch n<strong>ich</strong>t <strong>der</strong> Fall. So zeigt M6 zwei Inuuk auf einem Skidoo vor einem Kaufhaus <strong>der</strong> Hud-<br />

son’s Bay Company, woraus ers<strong>ich</strong>tl<strong>ich</strong> wird, <strong>dass</strong> dieses Bild in Kanada aufgenommen wur-<br />

de. Mit dem Bildtitel „Mo<strong>der</strong>ne Versorgung“, <strong>der</strong> im kontextuellen Zusammenhang steht mit<br />

<strong>der</strong> Beschreibung „Die Menschen hier [in Ilulissat/Grönland] benutzen als Verkehrsmittel im<br />

Winter Motorschlitten“ (Diercke 2009:67), wird jedoch <strong>der</strong> Eindruck erweckt, das Bild zeige<br />

eine Szene in Grönland. Der fachl<strong>ich</strong>en Angemessenheit wegen, müsste an dieser Stelle im<br />

Bildtitel angemerkt werden, <strong>dass</strong> hier ein Beispiel für die mo<strong>der</strong>ne Versorgung in Kanada<br />

abgebildet ist. Ähnl<strong>ich</strong> wie mit M6 verhält es s<strong>ich</strong> auch mit <strong>der</strong> Graphik M5. Das grundsätzli-<br />

che Problem <strong>der</strong> Zuordnung dieser Graphik zu <strong>der</strong> traditionellen o<strong>der</strong> mo<strong>der</strong>nen Lebenswei-<br />

se ist bereits angesprochen worden. Doch auch inhaltl<strong>ich</strong> sind hier Stolpersteine zu finden.<br />

So beziehen s<strong>ich</strong> die angegebenen Durchschnittstemperaturen auf die Stadt Inuvik, aller-<br />

dings ohne, <strong>dass</strong> auf die Lage <strong>der</strong> Stadt in Nordwestkanada hingewiesen wird. Da davon aus-<br />

gegangen werden muss, <strong>dass</strong> die Schülerinnen und Schüler n<strong>ich</strong>t zwangsläufig wissen, wo<br />

s<strong>ich</strong> Inuvik befindet, ist ohne eine diesbezügl<strong>ich</strong>e Angabe die Wahrscheinl<strong>ich</strong>keit groß, <strong>dass</strong><br />

sie fälschl<strong>ich</strong>erweise in Grönland verortet wird. Da s<strong>ich</strong> die Mitteltemperaturen jedoch<br />

standortabhängig unterscheiden, wäre gerade bei einem solchen Indikator eine eindeutige<br />

räuml<strong>ich</strong>e Angabe w<strong>ich</strong>tig. Irreführend ist zudem im Seydlitz-Buch die Begründung „denn seit<br />

1999 ist Nunavut, ‚unser Land‘, als selbstständiges Territorium anerkannt“ (Seydlitz<br />

2009:105) für den Schulunterr<strong>ich</strong>t in <strong>der</strong> Sprache Inuktitut. Denn auch dieses Buch weist mit<br />

<strong>der</strong> Ortsangabe Tuktoyaktuk im Mackenzie-Delta einen klaren Raumbezug auf, <strong>der</strong> durch<br />

den genannten Beisatz verletzt wird. We<strong>der</strong> Tuktoyaktuk noch das Mackenzie-Delta befin-<br />

den s<strong>ich</strong> in Nunavut, weshalb die Gründung dieses Territoriums für die Unterr<strong>ich</strong>tssprache in<br />

Tuktoyaktuk irrelevant ist. Letztl<strong>ich</strong> muss noch auf die verallgemeinernde Darstellung des<br />

Iglus als typisches Haus im Winter bzw. auf <strong>der</strong> Jagd hingewiesen werden, wie sie bei Seydlitz<br />

und bei Diercke erfolgt. Wie bereits in Kapitel 3.2 angeführt, wurde das Iglu ledigl<strong>ich</strong> von<br />

einigen Inuitgruppen <strong>der</strong> östl<strong>ich</strong>en kanadischen Arktis während <strong>der</strong> Jagd im Winter gebaut<br />

(vgl. BACK/GERMAIN/MORRISON 1996:36). Seydlitz und Diercke beziehen s<strong>ich</strong> in ihren Darstellun-<br />

gen aber auf die westl<strong>ich</strong>e kanadische Arktis bzw. auf Westgrönland und somit auf Regionen,


Die Perspektive <strong>der</strong> Schulbücher auf das Leben <strong>der</strong> Inuit 87<br />

in denen das Iglu n<strong>ich</strong>t übl<strong>ich</strong> war. Zudem müsste eine räuml<strong>ich</strong>e Einordnung zu den Anga-<br />

ben erfolgen, um <strong>der</strong> Generalisierung solcher Informationen vorzubeugen.<br />

Leitfrage 2: Erfolgt durch die didaktische Reduktion eine Verzerrung o<strong>der</strong> unangemessene<br />

Verkürzung <strong>der</strong> fachwissenschaftl<strong>ich</strong>en Erkenntnisse?<br />

Eine starke inhaltl<strong>ich</strong>e Verkürzung ist an einer Stelle bei Terra zu bemerken. Dort heißt es<br />

zum Leben <strong>der</strong> Inuit heute: „Sie […] wohnen und ernähren s<strong>ich</strong> an<strong>der</strong>s als ihre Vorfahren“<br />

(Terra 2006:15) und, <strong>dass</strong> diese „Verän<strong>der</strong>ungen […] überall in den Inuit-Siedlungen s<strong>ich</strong>t-<br />

bar“ (Terra 2006:15) sind. Eine nähere Konkretisierung, wie s<strong>ich</strong> die Schülerinnen und Schü-<br />

ler diese Verän<strong>der</strong>ungen vorzustellen haben, erfolgt dabei n<strong>ich</strong>t. Auch Aufgabe 4, „Beschrei-<br />

be die Lebensweise <strong>der</strong> Inuit früher und heute“ ist auf <strong>der</strong> Grundlage <strong>der</strong> im Buch vorhande-<br />

nen Informationen nur schwerl<strong>ich</strong> lösbar.<br />

Bei Diercke gestalten s<strong>ich</strong> bereits angesprochene Verallgemeinerungen o<strong>der</strong> Ungenauig-<br />

keiten als problematisch, da sie durch Generalisierungen stereotype Wahrnehmungen för-<br />

<strong>der</strong>n.<br />

Darüber hinaus ist anzumerken, <strong>dass</strong> eine Darstellung, die den Anspruch hat, die gegen-<br />

wärtige Situation einer ganzen Volksgruppe aufzuzeigen – für Diercke, Seydlitz und Unsere<br />

Erde ist dieser Anspruch anzunehmen, da die Doppelseiten jeweils den Titel Inuit o<strong>der</strong> die<br />

Inuit tragen –, <strong>der</strong>en Probleme und Stärken gle<strong>ich</strong>ermaßen benennen sollte. Teilweise er-<br />

folgt in dieser Hins<strong>ich</strong>t jedoch eine sehr einseitige Darstellung. Bei Cornelsen etwa werden an<br />

keiner Stelle Probleme <strong>der</strong> Inuit, wie Arbeitslosigkeit o<strong>der</strong> kulturelle Entfremdung angespro-<br />

chen. Allerdings muss hierzu einschränkend angemerkt werden, <strong>dass</strong> dies mit <strong>der</strong> Aufberei-<br />

tung des Themas als Geo-Aktiv-Einheit zusammenhängen kann. Die Schulbuchseiten dienen<br />

hier als Hinführung zu einem Thema, das die Schülerinnen und Schüler größtenteils eigen-<br />

ständig und unter Verwendung weiterer externer Materialien erarbeiten sollen. Demgegen-<br />

über verfährt Seydlitz in dieser Hins<strong>ich</strong>t genau an<strong>der</strong>sherum und stellt den gegenwärtigen<br />

Problemen kaum positive Aspekte gegenüber o<strong>der</strong> relativiert neutrale Darstellungen durch<br />

beigefügte Bil<strong>der</strong>. Auffällig ist dabei <strong>der</strong> Kontrast zwischen den Darstellungen <strong>der</strong> traditionel-<br />

len und <strong>der</strong> mo<strong>der</strong>nen Lebensform. Während die traditionelle Lebensweise durchweg positiv<br />

dargelegt wird und auch die Bil<strong>der</strong> den Eindruck von angepasster Idylle unterstre<strong>ich</strong>en, ist


Die Perspektive <strong>der</strong> Schulbücher auf das Leben <strong>der</strong> Inuit 88<br />

<strong>der</strong> Blick auf die mo<strong>der</strong>ne Lebensweise vor allem durch die Bil<strong>der</strong> 105.2 (Mo<strong>der</strong>ne Inuitsied-<br />

lung) und 105.4 (Müllkippe „Wildnis“) stark negativ konnotiert.<br />

Leitfrage 3: Trägt die Darstellungsweise des Themas in den Schulbüchern zu einer vorur-<br />

teilsbehafteten Wahrnehmung <strong>der</strong> Inuit durch die Schülerinnen und Schüler bei?<br />

Insbeson<strong>der</strong>e Bild 105.4 im Seydlitz-Buch ist in dieser Hins<strong>ich</strong>t anzusprechen. Es zeigt eine<br />

große Menge Müll und Schrott am Ufer eines Sees o<strong>der</strong> Flusses und trägt den Untertitel<br />

„Müllkippe Wildnis“. Da an keiner an<strong>der</strong>en Stelle <strong>der</strong> Doppelseite erklärend Bezug hierauf<br />

genommen wird, ist aus Schülerperspektive zunächst davon auszugehen, <strong>dass</strong> die Inuit Ver-<br />

ursacher dieser Form von Umweltverschmutzung sind. Der einzige Schluss <strong>der</strong> folgl<strong>ich</strong> aus<br />

diesem Bild gezogen würde, wäre somit, <strong>dass</strong> die Inuit in früherer Zeit zwar angepasst an<br />

ihre Umwelt gelebt hätten, dies aber in <strong>der</strong> Mo<strong>der</strong>ne verloren gegangen sei und sie im Zuge<br />

<strong>der</strong> Mo<strong>der</strong>nisierung dazu übergegangen seien, auch ihre Umwelt zu zerstören. Um dieses<br />

Bild gedankl<strong>ich</strong> einordnen zu können, wäre entwe<strong>der</strong> im Text o<strong>der</strong> in <strong>der</strong> Bildunterschrift ein<br />

Hinweis notwendig, was es mit <strong>der</strong> Müllkippe Wildnis auf s<strong>ich</strong> hat, und wer dafür verant-<br />

wortl<strong>ich</strong> ist.<br />

Zusammenfassend ist festzuhalten, <strong>dass</strong> die Perspektive <strong>der</strong> Schulbücher auf das Leben<br />

<strong>der</strong> Inuit zunächst inhaltl<strong>ich</strong> durch die curricularen Vorgaben auf den Aspekt <strong>der</strong> Anpassung<br />

an den Lebensraum gelenkt wird. Hierbei werden mo<strong>der</strong>ne und traditionelle Lebensweisen<br />

gegenüber gestellt. Mit Ausnahme von Terra zielen die Aufgabenstellungen in diesem Zu-<br />

sammenhang mehrheitl<strong>ich</strong> auf die traditionelle Lebensform. Inhaltl<strong>ich</strong>e Schwerpunkte bilden<br />

die Lebensumstände <strong>der</strong> Menschen – wie sie wohnen, wovon sie s<strong>ich</strong> ernähren, wie sie s<strong>ich</strong><br />

kleiden, womit sie ihren Lebensunterhalt verdienen und mit welchen Problemen sie konfron-<br />

tiert sind. Bei Terra kommt zudem die Thematik des Nutzungskonfliktes zwischen zwei Inte-<br />

ressengruppen zum tragen. Um einen Bezug zur Lebenswelt <strong>der</strong> Schülerinnen und Schüler<br />

herzustellen, lassen die Bücher in drei von vier Fällen jugendl<strong>ich</strong>e Inuit von ihrem Leben be-<br />

r<strong>ich</strong>ten. Dem Anspruch nach streben sie hiermit danach, die Lebensform in einer an<strong>der</strong>en<br />

Klimazone fachl<strong>ich</strong> korrekt und vorurteilsfrei darzulegen und einen Beitrag zur Herausbil-<br />

dung interkultureller Kompetenz zu leisten. Dies gelingt ihnen jedoch in unterschiedl<strong>ich</strong>em<br />

Maße. Seydlitz tendiert zur Einseitigkeit und Diercke verwirrt und verfälscht durch Verallge-<br />

meinerungen. Die Terra-Seiten sind hierbei aufgrund eines an<strong>der</strong>s gelegten und deutl<strong>ich</strong>


Die Perspektive <strong>der</strong> Schulbücher auf das Leben <strong>der</strong> Inuit 89<br />

enger gefassten inhaltl<strong>ich</strong>en Schwerpunktes weniger problematisch. Ursächl<strong>ich</strong> für Mängel<br />

in den Darstellungen sind zumeist fachl<strong>ich</strong>e Ungenauigkeiten und starke Verallgemeinerun-<br />

gen, die mitunter Vorurteile för<strong>der</strong>n und Stereotype verstärken. In dieser Hins<strong>ich</strong>t wären<br />

eine transparente Darlegung <strong>der</strong> Vielfalt und genaue räuml<strong>ich</strong>e Bezüge w<strong>ich</strong>tig für eine Ver-<br />

besserung.


Die Perspektive <strong>der</strong> Schülerinnen und Schüler auf das Leben <strong>der</strong> Inuit 90<br />

5 Die Perspektive <strong>der</strong> Schülerinnen und Schüler auf das Leben <strong>der</strong> Inuit<br />

5.1 Fragestellung und Hypothesen <strong>der</strong> Schülerbefragung<br />

Nachdem vorangehend bereits mit <strong>der</strong> Fachwissenschaft und den Schulbüchern zwei Per-<br />

spektiven auf das Leben <strong>der</strong> Inuit dargelegt wurden, wird nachfolgend ein dritter Blickwinkel<br />

zu dieser Thematik erhoben. Die Wahrnehmung <strong>der</strong> Inuit durch die Schülerinnen und Schü-<br />

ler und ihre Vorstellungen über <strong>der</strong>en Leben repräsentieren dabei nun in Hinblick auf die<br />

anfangs eingeführte Differenzierung zwischen einer Ordnung <strong>der</strong> Dinge und einer Ordnung<br />

<strong>der</strong> Blicke letztgenannte, wohingegen die Fachwissenschaft und zumindest dem Anspruch<br />

nach auch die Schulbücher eher danach streben, eine Ordnung <strong>der</strong> Dinge wie<strong>der</strong>zugeben.<br />

Interessant ist in dieser Hins<strong>ich</strong>t vor allem zweierlei: zum einen, wie s<strong>ich</strong> die Schülerinnen<br />

und Schüler das Leben <strong>der</strong> Inuit grundsätzl<strong>ich</strong> vorstellen, und zum an<strong>der</strong>en, wie s<strong>ich</strong> die Be-<br />

handlung des Themas im Unterr<strong>ich</strong>t auf die Vorstellungen auswirkt. Dabei ist mit <strong>der</strong> Darstel-<br />

lung von HEMMER/HEMMER (vgl. REINFRIED 2006:53) davon auszugehen, <strong>dass</strong> die Schülerinnen<br />

und Schüler <strong>der</strong> Thematik zwar grundsätzl<strong>ich</strong> ein hohes Interesse entgegenbringen, gle<strong>ich</strong>-<br />

zeitig aber aufgrund <strong>der</strong> geringen Präsenz <strong>der</strong> Inuit im alltägl<strong>ich</strong>en medialen Umfeld über<br />

wenig Vorwissen verfügen, sofern das Thema noch n<strong>ich</strong>t Gegenstand des Unterr<strong>ich</strong>tes war.<br />

Allerdings sind ihnen mit hoher Wahrscheinl<strong>ich</strong>keit gängige Stereotype wie das vom ‚frie-<br />

renden, Robben jagenden Eskimo im Iglu‘ vertraut (vgl. FIENUP-RIORDAN 1995:ix).<br />

Vor diesem Hintergrund liegen <strong>der</strong> Erhebung <strong>der</strong> Perspektive <strong>der</strong> Schülerinnen und Schü-<br />

ler auf das Leben <strong>der</strong> Inuit folgende Hypothesen zugrunde:<br />

Hypothese 1:<br />

(a) Wenn die Lebensweisen <strong>der</strong> Inuit noch n<strong>ich</strong>t Gegenstand des Schulunterr<strong>ich</strong>tes wa-<br />

ren, dann verwenden die Schülerinnen und Schüler zur Benennung <strong>der</strong> Inuit teilwei-<br />

se noch den früher gebräuchl<strong>ich</strong>en Namen Eskimo.<br />

(b) Wenn die Lebensweisen <strong>der</strong> Inuit bereits Gegenstand des Schulunterr<strong>ich</strong>tes waren,<br />

dann ist den Schülerinnen und Schülern die Beze<strong>ich</strong>nung Inuit bekannt und wird<br />

auch von ihnen verwandt.<br />

Hypothese 2:<br />

(a) Wenn die Lebensweisen <strong>der</strong> Inuit noch n<strong>ich</strong>t Gegenstand des Schulunterr<strong>ich</strong>tes wa-<br />

ren, dann sind Spontanassoziationen <strong>der</strong> Schülerinnen und Schüler über das Leben in


Die Perspektive <strong>der</strong> Schülerinnen und Schüler auf das Leben <strong>der</strong> Inuit 91<br />

<strong>der</strong> kalten Zone von gängigen Stereotypen hierzu geprägt.<br />

(b) Wenn die Lebensweisen <strong>der</strong> Inuit bereits Gegenstand des Schulunterr<strong>ich</strong>tes waren,<br />

dann kommen bei Spontanassoziationen <strong>der</strong> Schülerinnen und Schüler zum Leben in<br />

<strong>der</strong> kalten Zone im Unterr<strong>ich</strong>t thematisierte Inhalte wie etwa <strong>der</strong> Wandel <strong>der</strong> Le-<br />

bensweisen zum Ausdruck.<br />

Hypothese 3:<br />

Unabhängig davon, ob die Lebensweisen <strong>der</strong> Inuit bereits Gegenstand des Schulunterr<strong>ich</strong>-<br />

tes waren o<strong>der</strong> n<strong>ich</strong>t, besteht auf Seiten <strong>der</strong> Schülerinnen und Schüler Interesse am Leben<br />

<strong>der</strong> Menschen und an Eingriffen in den Naturhaushalt (vgl. REINFRIED 2006:54f unter Bezug-<br />

nahme auf HEMMER/HEMMER).<br />

Hypothese 4:<br />

(a) Wenn die Lebensweisen <strong>der</strong> Inuit noch n<strong>ich</strong>t Gegenstand des Schulunterr<strong>ich</strong>tes wa-<br />

ren, dann dominieren (ggf. stereotype) Aspekte <strong>der</strong> traditionellen Lebensweisen <strong>der</strong><br />

Inuit (z. B. Leben im Iglu, Nomadismus, Robbenjagd, Hundeschlitten, …) einseitig die<br />

Vorstellungen <strong>der</strong> Schülerinnen und Schüler und sie assoziieren das Leben <strong>der</strong> Inuit<br />

n<strong>ich</strong>t o<strong>der</strong> nur sehr eingeschränkt mit technischen (Strom, fließend Wasser, Tele-<br />

fon, Internet, Fernsehen, Heizung, …) und infrastrukturellen (Supermärkte, ÖPNV,<br />

Krankenhäuser, …) Errungenschaften sowie Freizeitaktivitäten (Sportvereine, Kon-<br />

zerte, IT- und Mediennutzung, …).<br />

(b) Wenn die Lebensweisen <strong>der</strong> Inuit bereits Gegenstand des Schulunterr<strong>ich</strong>tes waren,<br />

dann verfügen die Schülerinnen und Schüler über ein überblicksartiges Wissen zum<br />

Leben <strong>der</strong> Inuit, wobei sie traditionelle und mo<strong>der</strong>ne Lebensweisen differenzieren,<br />

und mit dem heutigen Leben <strong>der</strong> Inuit vor allem Aspekte <strong>der</strong> mo<strong>der</strong>nen Lebenswei-<br />

sen wie etwa feste Häuser, Schulen, Supermärkte, Freizeitaktivitäten, Motorschlit-<br />

ten o<strong>der</strong> auch Arbeitslosigkeit und Kriminalität assoziieren.<br />

5.2 Methodisches Vorgehen<br />

Ziel <strong>der</strong> Erhebung war es, auch in dem vergle<strong>ich</strong>sweise kleinen Rahmen dieser Arbeit<br />

Schülerinnen und Schüler mit unterschiedl<strong>ich</strong>en Eingangsvoraussetzungen hins<strong>ich</strong>tl<strong>ich</strong> des<br />

Vorwissens, <strong>der</strong> Leistungsstärke und des fachl<strong>ich</strong>en Interesses in ausre<strong>ich</strong>end großer Zahl zu


Die Perspektive <strong>der</strong> Schülerinnen und Schüler auf das Leben <strong>der</strong> Inuit 92<br />

befragen, um einen ersten Eindruck ihrer Vorstellungen und S<strong>ich</strong>tweisen zu gewinnen. Aus<br />

diesem Grund wurde eine standardisierte, schriftl<strong>ich</strong>e Befragung mittels eines Fragebogens<br />

durchgeführt. Alternativ hierzu hätten s<strong>ich</strong> auch Einzelinterviews mit mehreren Schülerinnen<br />

und Schülern angeboten. Diese Variante hätte mit hoher Wahrscheinl<strong>ich</strong>keit zu differenzier-<br />

teren Ergebnissen geführt, wäre aber nur mit einer sehr kleinen St<strong>ich</strong>probe mögl<strong>ich</strong> gewe-<br />

sen. Zu Gunsten eines aussagekräftigeren Eindruckes <strong>der</strong> grundlegenden Vorstellungen einer<br />

größeren Zahl von Schülerinnen und Schüler wurde somit <strong>der</strong> Form <strong>der</strong> Fragebogenbefra-<br />

gung <strong>der</strong> Vorzug gegeben. Hierzu wurde ein Fragebogen erstellt, <strong>der</strong> von den Schülerinnen<br />

und Schülern schriftl<strong>ich</strong> zu beantworten war.<br />

Den Fragebogen (vgl. Anhang 4) leitet ein kurzer Text ein, <strong>der</strong> den Schülerinnen und Schü-<br />

lern darlegt, worum es in <strong>der</strong> Befragung geht und was von ihnen erwartet wird. Daran an-<br />

schließend werden einige allgemeine, statistische Angaben erfragt, die Geschlecht, Alter,<br />

Klasse und das Interesse an den Themen im Erdkundeunterr<strong>ich</strong>t betreffen. Für die Einstu-<br />

fung des Interesses wurden Ankreuzfel<strong>der</strong> in sechsfacher Abstufung von sehr interessant bis<br />

uninteressant vorgegeben. Zusätzl<strong>ich</strong> wird zu dieser Frage eine kurze Begründung <strong>der</strong> Ant-<br />

wort erbeten. Dies soll bei <strong>der</strong> Auswertung <strong>der</strong> Antworten Rückschlüsse auf die grundsätzli-<br />

che Haltung des Schülers/<strong>der</strong> Schülerin zum Fach und seinen Inhalten ermögl<strong>ich</strong>en. Um ge-<br />

genüber den Schülerinnen und Schülern die Ernsthaftigkeit <strong>der</strong> Befragung zu unterstre<strong>ich</strong>en,<br />

wurde die Kopfzeile auf <strong>der</strong> ersten Seite des Fragebogens mit den Logos <strong>der</strong> <strong>Leibniz</strong> Universi-<br />

tät und <strong>der</strong> Abteilung für <strong>Didaktik</strong> <strong>der</strong> <strong>Geographie</strong> versehen.<br />

Der Fragebogen umfasst insgesamt acht Fragen, die nach dem Schema vom Allgemeinen<br />

zum Konkreten angeordnet sind. Die Fragen bieten teilweise offene, teilweise geschlossene<br />

Antwortmögl<strong>ich</strong>keiten, je nach dem, ob allgemeine Angaben o<strong>der</strong> individuelle Interessen<br />

und Vorstellung erfragt werden. Mitunter wird eine geson<strong>der</strong>te Begründung <strong>der</strong> Antwort<br />

gefor<strong>der</strong>t. Dadurch soll zum einen vermieden werden, <strong>dass</strong> die Schülerinnen und Schüler mit<br />

schlecht o<strong>der</strong> n<strong>ich</strong>t zu deutenden Ein-Wort-Sätzen antworten und zum an<strong>der</strong>en soll es be-<br />

wirken, <strong>dass</strong> die Schülerinnen ihre Antworten überdenken. Zudem wurde darauf geachtet,<br />

<strong>dass</strong> jene Fragen, die die zeitintensivste Bearbeitung erfor<strong>der</strong>n, in <strong>der</strong> Mitte des Fragebo-<br />

gens stehen. Dies soll verhin<strong>der</strong>n, <strong>dass</strong> die Schülerinnen und Schüler zu Beginn <strong>der</strong> Bearbei-<br />

tung des Fragebogens abgeschreckt werden (vgl. MEIER KRUKER/RAUH 2005:96). Die Formulie-<br />

rung <strong>der</strong> Fragestellungen erfolgte in enger inhaltl<strong>ich</strong>er Anlehnung an die Hypothesen <strong>der</strong>


Die Perspektive <strong>der</strong> Schülerinnen und Schüler auf das Leben <strong>der</strong> Inuit 93<br />

Untersuchung. So fragt Frage 1 nach <strong>der</strong> Beze<strong>ich</strong>nung für die Bewohner <strong>der</strong> kalten Zone. Für<br />

die Antwort stehen hier die Begriffe Indianer, Eskimos, Inuit und Tuareg als Ankreuzmögl<strong>ich</strong>-<br />

keiten zur Auswahl. In Frage 2 ist die Nennung dreier spontaner St<strong>ich</strong>worte zum Leben in <strong>der</strong><br />

kalten Zone gefor<strong>der</strong>t. Die soll einen Hinweis auf allgemeine Vorstellungen <strong>der</strong> Schülerinnen<br />

und Schüler über das Leben in <strong>der</strong> kalten Zone geben, bevor sie s<strong>ich</strong> im Fortlauf des Frage-<br />

bogens näher mit dieser Thematik beschäftigen. Auf die Verwendung des Begriffes Inuit bei<br />

dieser und auch bei den weiteren Fragestellungen wurde bewusst verz<strong>ich</strong>tet, um die Beant-<br />

wortung von Frage 1 n<strong>ich</strong>t zu beeinflussen. Stattdessen wird von Bewohnern <strong>der</strong> kalten Zone<br />

bzw. dem Leben in <strong>der</strong> kalten Zone gesprochen. Damit den Schülerinnen und Schülern klar<br />

ist, welcher Raum mit <strong>der</strong> kalten Zone gemeint ist, wurde neben <strong>der</strong> Frage eine Karte plat-<br />

ziert, die den Siedlungsraum <strong>der</strong> Inuit zeigt. Frage 3 erfragt spezifische Interessen <strong>der</strong> Schü-<br />

lerinnen und Schüler in Bezug auf das Leben in <strong>der</strong> kalten Zone sowie eine entsprechende<br />

Begründung <strong>der</strong> Antwort. Dies soll die allgemeine Haltung des Schülers/<strong>der</strong> Schülerin zum<br />

Thema zeigen. Außerdem ist zu erwarten, <strong>dass</strong> diejenigen Aspekte, die für die Schülerinnen<br />

und Schüler von beson<strong>der</strong>em Interesse sind, auch ihre Vorstellungen prägen. Die umfang-<br />

re<strong>ich</strong>sten inhaltl<strong>ich</strong>en Erträge bezügl<strong>ich</strong> <strong>der</strong> Schülervorstellungen werden von Frage 4 erwar-<br />

tet. Hier sollen s<strong>ich</strong> die Schülerinnen und Schüler vorstellen, sie stünden über Skype in Kon-<br />

takt mit einem gle<strong>ich</strong>altrigen Jugendl<strong>ich</strong>en aus Grönland, und aufschreiben, wie dieser Ju-<br />

gendl<strong>ich</strong>e ihnen sein alltägl<strong>ich</strong>es Leben in Bezug auf Familie, Freunde, Schule, Freizeit und<br />

Wohnung beschreiben würde. Mit Grönland wurde hier exemplarisch eines <strong>der</strong> Hauptsied-<br />

lungsgebiete <strong>der</strong> Inuit als Raum gewählt, weil davon ausgegangen wird, <strong>dass</strong> die Schülerin-<br />

nen und Schüler hierzu konkretere Vorstellungen haben als zu abstrakten Raumbeze<strong>ich</strong>nun-<br />

gen wie kalte Zone o<strong>der</strong> nordamerikanische Arktis. In Frage 5 sollen die Schülerinnen und<br />

Schüler Bil<strong>der</strong> ankreuzen, die ihren Vorstellungen über das Leben in Grönland entsprechen.<br />

Die Frage wurde so formuliert, <strong>dass</strong> die Schülerinnen und Schüler aufgefor<strong>der</strong>t sind, ihre<br />

eigenen, individuellen Vorstellungen und Assoziationen wie<strong>der</strong>zugeben und n<strong>ich</strong>t ihre Ver-<br />

mutungen darüber, welche Bil<strong>der</strong> fachl<strong>ich</strong> r<strong>ich</strong>tig sein könnten. Zur Auswahl stehen acht Bil-<br />

<strong>der</strong>, die verschiedene Aspekte traditioneller und mo<strong>der</strong>ner Lebensweisen <strong>der</strong> Inuit zeigen.<br />

Sie haben folgende Inhalte:<br />

(a) Blick über einen Teil <strong>der</strong> westgrönländischen Stadt Uummannaq<br />

(b) Traditionell gekleideter Inuk beim Bau eines Iglus


Die Perspektive <strong>der</strong> Schülerinnen und Schüler auf das Leben <strong>der</strong> Inuit 94<br />

(c) Zwei Kin<strong>der</strong> beim Fußballspielen auf einem Sportplatz in Nuuk<br />

(d) Traditionell gekleideter Inuk bei <strong>der</strong> Robbenjagd mit einer Harpune am Eisloch<br />

(e) Jugendl<strong>ich</strong>e Inuit mit Laptops<br />

(f) Konzert einer grönländischen Band in <strong>der</strong> Stadthalle von Nuuk aus <strong>der</strong> Publikums-<br />

perspektive<br />

(g) Inuit in einem grönländischen Supermarkt<br />

(h) Inuk in einem traditionell gebauten Kajak<br />

Frage 6 dient weniger <strong>der</strong> Überprüfung <strong>der</strong> Hypothesen als <strong>der</strong> Abschätzung <strong>der</strong> Potentia-<br />

le eines Märchens als didaktischem Zugang zu <strong>der</strong> Thematik. Die Schülerinnen und Schüler<br />

werden gefragt, ob sie ein Märchen kennen, das aus <strong>der</strong> kalten Zone stammt, und ob sie ein<br />

solches Märchen interessieren würde. Auch zu dieser Frage wird eine Begründung <strong>der</strong> Ant-<br />

wort gefor<strong>der</strong>t. Die Fragen 7 und 8 sollen letztl<strong>ich</strong> helfen, die Antworten <strong>der</strong> Schülerinnen<br />

und Schüler zu vorherigen Fragen einzuordnen. So sollen die Schülerinnen und Schüler in<br />

Frage 7 angeben, woher ihr Wissen über das Leben in <strong>der</strong> kalten Zone stammt. Als An-<br />

kreuzmögl<strong>ich</strong>keiten wurden Fernsehen (Nachr<strong>ich</strong>ten, Dokumentationen, …); Zeitung, Zeit-<br />

schriften; Familie, Freunde; Schule; Internet und Bücher angegeben. Daneben wurde eine<br />

Zeile für sonstige Nennungen einger<strong>ich</strong>tet. In Frage 8 sind die Schülerinnen und Schüler auf-<br />

gefor<strong>der</strong>t, ihre Vorstellungen in Bezug auf die fachl<strong>ich</strong>e R<strong>ich</strong>tigkeit einzuschätzen. Hierfür<br />

wurden sechs Ankreuzfel<strong>der</strong> von sehr s<strong>ich</strong>er bis uns<strong>ich</strong>er erstellt. Auch hier soll die Antwort<br />

kurz begründet werden.<br />

Das Leben <strong>der</strong> Inuit findet in <strong>der</strong> Regel im Rahmen <strong>der</strong> Thematisierung angepasster Le-<br />

bensformen in verschiedenen Klimazonen <strong>der</strong> Erde Eingang in den Erdkundeunterr<strong>ich</strong>t an<br />

nie<strong>der</strong>sächsischen Gymnasien. Da das Kerncurriculum (vgl. NIEDERSÄCHSISCHES KULTUSMINISTERIUM<br />

2008:12) diesen Themenkomplex für die Klassenstufen 7 und 8 vorsieht, wurden Schülerin-<br />

nen und Schüler ebendieser Klassenstufen befragt. Daneben musste bei <strong>der</strong> Auswahl <strong>der</strong><br />

befragten Schülerinnen und Schüler <strong>der</strong>en Vorwissen berücks<strong>ich</strong>tigt werden, da die vorab<br />

formulierten Hypothesen in dieser Hins<strong>ich</strong>t differenzieren, ob die Schülerinnen und Schüler<br />

mit dem Thema bereits vertraut sind o<strong>der</strong> n<strong>ich</strong>t. Es wurden daher zwei verschiedene Klassen<br />

als Versuchsgruppen ausgewählt, wobei die eine das Thema bereits im Unterr<strong>ich</strong>t durchge-<br />

nommen hatte, die an<strong>der</strong>e hingegen n<strong>ich</strong>t.


Die Perspektive <strong>der</strong> Schülerinnen und Schüler auf das Leben <strong>der</strong> Inuit 95<br />

Die erste Befragung (St<strong>ich</strong>probe 1) fand am Dienstag, den 21. Juni 2011 zwischen 8⁰⁰ Uhr<br />

und 8³⁰ Uhr an <strong>der</strong> Schillerschule in Hannover statt. Dabei wurden die Vorstellungen von 28<br />

Schülerinnen und Schülern einer achten Klasse erhoben, denen das Thema Lebensweisen <strong>der</strong><br />

Inuit bisher n<strong>ich</strong>t aus dem Schulunterr<strong>ich</strong>t bekannt war. Die zweite Befragung (St<strong>ich</strong>probe 2)<br />

erfolgte zwei Tage später, am Donnerstag, den 23. Juni 2011 zwischen 9⁵⁰ Uhr und 10²⁰ Uhr<br />

ebenfalls an <strong>der</strong> Schillerschule in Hannover. Im Gegensatz zur ersten handelte es s<strong>ich</strong> in die-<br />

sem Fall um 24 Schülerinnen und Schüler einer siebten Klasse, die das Thema Lebensweisen<br />

<strong>der</strong> Inuit bereits im Verlauf desselben Schuljahres im Unterr<strong>ich</strong>t durchgenommen hatten.<br />

Während <strong>der</strong> Durchführung wurde darauf geachtet, den Schülerinnen und Schülern bei-<br />

<strong>der</strong> St<strong>ich</strong>proben mögl<strong>ich</strong>st gle<strong>ich</strong>e Bedingungen zu schaffen. Die Befragungen fanden jeweils<br />

im Unterr<strong>ich</strong>tsraum <strong>der</strong> Klasse unter meiner Aufs<strong>ich</strong>t statt. Bei <strong>der</strong> ersten Befragung war<br />

zudem auch die Fachlehrerin anwesend. Vor dem Austeilen <strong>der</strong> Fragebögen wurden den<br />

Schülerinnen und Schülern Ziel und Anliegen <strong>der</strong> Befragung dargelegt und sie wurden darauf<br />

hingewiesen, <strong>dass</strong> die Fragebögen in Einzelarbeit auszufüllen seien, um Verfälschungen zu<br />

vermeiden. In Absprache mit den Fachlehrern wurde den Schülerinnen und Schülern für die<br />

Bearbeitung <strong>der</strong> Fragebögen keine zeitl<strong>ich</strong>e Begrenzung vorgegeben. Die einzelnen Schüle-<br />

rinnen und Schüler haben ihre fertig ausgefüllten Fragebögen abgegeben und s<strong>ich</strong> anschlie-<br />

ßend still an ihren Plätzen aufgehalten, bis alle an<strong>der</strong>en auch fertig waren. Beide Befragun-<br />

gen dauerten letztl<strong>ich</strong> jeweils eine halbe Stunde.<br />

Die Auswertung <strong>der</strong> Fragebögen erfolgt nachstehend auf <strong>der</strong> Grundlage <strong>der</strong> eingangs<br />

formulierten Hypothesen. Anhand <strong>der</strong>en Überprüfung werden grundsätzl<strong>ich</strong>e Tendenzen <strong>der</strong><br />

Schülervorstellungen und -einstellungen zum Leben <strong>der</strong> Inuit herausgearbeitet und in einem<br />

Fazit abschließend betrachtet.<br />

5.3 Auswertung <strong>der</strong> Schülerbefragung<br />

Hypothese 1:<br />

a) Wenn die Lebensweisen <strong>der</strong> Inuit noch n<strong>ich</strong>t Gegenstand des Schulunterr<strong>ich</strong>tes waren,<br />

dann verwenden die Schülerinnen und Schüler zur Benennung <strong>der</strong> Inuit teilweise noch den<br />

früher gebräuchl<strong>ich</strong>en Namen ‚Eskimo‘.


Die Perspektive <strong>der</strong> Schülerinnen und Schüler auf das Leben <strong>der</strong> Inuit 96<br />

b) Wenn die Lebensweisen <strong>der</strong> Inuit bereits Gegenstand des Schulunterr<strong>ich</strong>tes waren,<br />

dann ist den Schülerinnen und Schülern die Beze<strong>ich</strong>nung Inuit bekannt und wird auch von<br />

ihnen verwandt.<br />

Unter den vier vorgegeben Antwortmög-<br />

l<strong>ich</strong>keiten für Frage 1 wurden fast ausschließ-<br />

l<strong>ich</strong> die Namen Eskimos und Inuit ausge-<br />

wählt; Indianer wurden n<strong>ich</strong>t genannt, Tua-<br />

reg nur ein einziges Mal in St<strong>ich</strong>probe 1. Die<br />

Auswertung <strong>der</strong> Fragebögen zeigt, <strong>dass</strong> Inuit<br />

zwar die mit Abstand häufigste Nennung ist,<br />

ein signifikanter Anteil <strong>der</strong> Nennungen in<br />

St<strong>ich</strong>probe 1 aber auch auf die Beze<strong>ich</strong>nung<br />

Eskimo entfällt. Hier gaben dies mehr als ein<br />

Drittel <strong>der</strong> Schülerinnen und Schüler als Be-<br />

nennung <strong>der</strong> Bewohner <strong>der</strong> kalten Zone an,<br />

wobei in drei Fällen sowohl Inuit als auch<br />

Eskimo angekreuzt wurde. Bei diesen drei Schülerinnen und Schülern liegt die Vermutung<br />

nahe, <strong>dass</strong> sie zwar wissen, <strong>dass</strong> Inuit heutzutage die übl<strong>ich</strong>e Beze<strong>ich</strong>nung ist, sie aber den-<br />

noch alle Beze<strong>ich</strong>nungen angekreuzt haben, die ihnen hins<strong>ich</strong>tl<strong>ich</strong> <strong>der</strong> Bewohner <strong>der</strong> kalten<br />

Zone bekannt waren. Es bleiben somit sechs von 28 Schülerinnen und Schülern, denen Eski-<br />

mo als einzige Beze<strong>ich</strong>nung geläufig ist. In St<strong>ich</strong>probe 2 wurde Eskimo ledigl<strong>ich</strong> von zwei <strong>der</strong><br />

24 Schülerinnen und Schüler genannt im Gegensatz zu 22 Nennungen von Inuit. Relativ ge-<br />

sehen wird die Beze<strong>ich</strong>nung Eskimo somit in St<strong>ich</strong>probe 2 wie zu erwarten deutl<strong>ich</strong> seltener<br />

für die r<strong>ich</strong>tige gehalten als in St<strong>ich</strong>probe 1.<br />

Hypothese 2:<br />

a) Wenn die Lebensweisen <strong>der</strong> Inuit noch n<strong>ich</strong>t Gegenstand des Schulunterr<strong>ich</strong>tes waren,<br />

dann sind Spontanassoziationen <strong>der</strong> Schülerinnen und Schüler über das Leben in <strong>der</strong> kalten<br />

Zone von gängigen Stereotypen hierzu geprägt.<br />

Abbildung 39: Häufigkeit <strong>der</strong> Nennungen <strong>der</strong> Beze<strong>ich</strong>nungsvorschläge<br />

für die Bewohner <strong>der</strong> kalten<br />

Zone (Mehrfachnennungen mögl<strong>ich</strong>)<br />

(eigene Darstellung)<br />

b) Wenn die Lebensweisen <strong>der</strong> Inuit bereits Gegenstand des Schulunterr<strong>ich</strong>tes waren,<br />

dann kommen bei Spontanassoziationen <strong>der</strong> Schülerinnen und Schüler zum Leben in <strong>der</strong> kal-<br />

25<br />

20<br />

15<br />

10<br />

5<br />

0<br />

Indianer Eskimos Inuit Tuareg<br />

St<strong>ich</strong>probe 1 (n=32) St<strong>ich</strong>probe 2 (n= 24)


Die Perspektive <strong>der</strong> Schülerinnen und Schüler auf das Leben <strong>der</strong> Inuit 97<br />

ten Zone im Unterr<strong>ich</strong>t thematisierte Inhalte wie etwa <strong>der</strong> Wandel <strong>der</strong> Lebensweisen zum<br />

Ausdruck.<br />

Zunächst fällt bei einer allgemeinen Betrachtung <strong>der</strong> Antworten bei<strong>der</strong> St<strong>ich</strong>proben auf,<br />

<strong>dass</strong> die Schülerinnen und Schüler mit dem Leben in <strong>der</strong> kalten Zone in Hinblick auf die Häu-<br />

figkeiten <strong>der</strong> Nennungen n<strong>ich</strong>t primär das Leben <strong>der</strong> Inuit o<strong>der</strong> von Menschen im Allgemei-<br />

nen verbinden (vgl. Abb. 40). Die häufigsten Assoziationen entfallen für beide Befragungen<br />

einerseits auf einzelne, für die Polarzonen typische Tierarten. Der Eisbär wurde in diesem<br />

Zusammenhang sehr häufig genannt, aber auch Pinguine und Wale fanden mehrfach Erwäh-<br />

nung. An<strong>der</strong>erseits stehen naturräuml<strong>ich</strong>e Voraussetzungen im Vor<strong>der</strong>grund. Das St<strong>ich</strong>wort<br />

Kälte bzw. kalt fiel bei <strong>der</strong> zweiten Befragung am häufigsten, bei <strong>der</strong> ersten am zweithäufigs-<br />

ten. Mögl<strong>ich</strong>erweise ist dies jedoch in Teilen auf die Fragestellung zurückzuführen, in <strong>der</strong><br />

nach <strong>der</strong> kalten Zone gefragt wurde. Dass dieser zunächst das Attribut kalt zugeordnet wird,<br />

liegt nahe. Vor allem in St<strong>ich</strong>probe 1 gehörten daneben auch St<strong>ich</strong>worte wie Eis, Eisberge<br />

und Schnee zu den häufigsten Nennungen.<br />

Die Inuit (teilweise auch als Eskimos beze<strong>ich</strong>net) lagen von <strong>der</strong> Quantität <strong>der</strong> Nennungen<br />

her ebenso wie die damit in Verbindung stehenden Begriffe Iglu und Jagd bei beiden St<strong>ich</strong>-<br />

proben im Mittelfeld, wobei Inuit in St<strong>ich</strong>probe 2 relativ gesehen häufiger genannt wurde.<br />

In Hypothese 2a wurde davon ausgegangen, <strong>dass</strong> die Assoziationen <strong>der</strong> Schülerinnen und<br />

Schüler <strong>der</strong> St<strong>ich</strong>probe 1 von Stereotypen geprägt seien. Als verbreitete Stereotype zum Le-<br />

ben <strong>der</strong> Inuit beze<strong>ich</strong>net FIENUP-RIORDAN (vgl. 1995:ix) einerseits den friedl<strong>ich</strong>en, freundl<strong>ich</strong><br />

lächelnden Inuk, <strong>der</strong> Eisbären jagt und im Iglu lebt, und an<strong>der</strong>erseits den primitiven Wilden,<br />

<strong>der</strong> versucht, in einer unwirtl<strong>ich</strong>en Umgebung zu überleben, und von <strong>der</strong> Gunst <strong>der</strong> westli-<br />

chen Zivilisation abhängig ist. ALIA (vgl. 2005:942) ergänzt zudem das Bild vom frierenden<br />

Inuk im Iglu. Einzelne Aspekte dieser S<strong>ich</strong>tweisen kommen bei den spontanen Assoziationen<br />

<strong>der</strong> Schülerinnen und Schülern durchaus zum Tragen. Insbeson<strong>der</strong>e die erste von FIENUP-<br />

RIORDAN beschriebene Vorstellung zeigt s<strong>ich</strong> hierbei. So ze<strong>ich</strong>nen alle direkt o<strong>der</strong> indirekt auf<br />

die Inuit bezogenen Aussagen <strong>der</strong> ersten St<strong>ich</strong>probe zusammengenommen folgendes Bild:<br />

Die Inuit leben ohne Kontakt zur Außenwelt in sehr kleinen Gruppen, wobei s<strong>ich</strong> diese<br />

durch Zusammenhalt und einen geregelten Lebensablauf ausze<strong>ich</strong>nen. Sie wohnen im Iglu<br />

und versorgen s<strong>ich</strong> durch die Jagd und den Fischfang mit Lebensmitteln, leiden dabei aller-


Die Perspektive <strong>der</strong> Schülerinnen und Schüler auf das Leben <strong>der</strong> Inuit 98<br />

dings unter Lebensmittelmangel. Die Fortbewegung bewerkstelligen sie mit Hundeschlitten<br />

und zum Schutz vor <strong>der</strong> Kälte tragen sie mehrere Kleidungssch<strong>ich</strong>ten aus Fellen und Pelzen. In<br />

ihrer Freizeit spielen sie Eishockey.<br />

Große Einigkeit besteht unter den Schülerinnen und Schülern in Bezug auf das Iglu, wel-<br />

ches elf von ihnen nannten. Jagd, Lebensmittelmangel und viel Kleidung aus Fellen/Pelzen<br />

wurden je drei Mal angeführt, während alle übrigen Elemente <strong>der</strong> vorangegangenen Be-<br />

schreibung immer nur von einem Schüler o<strong>der</strong> einer Schülerin geäußert wurden (vgl.<br />

Abb.40).<br />

18<br />

16<br />

14<br />

12<br />

10<br />

8<br />

6<br />

4<br />

2<br />

0<br />

kein Kontakt zur Außenwelt<br />

an<strong>der</strong>es Klima, arktisch<br />

Anpassung<br />

wenige Einwohner<br />

Eis, Eisberge<br />

Eishockey<br />

Fertighäuser<br />

Fisch<br />

Forschungsstationen<br />

geregelter Lebensablauf<br />

Grönland & Kanada<br />

Hundeschlitten, Huskies<br />

Iglu<br />

Inuit/Eskimo<br />

Jagd<br />

Kälte<br />

Lebensmittelmangel<br />

Nord- und Südpol<br />

Ölpipeline<br />

Pelz, Felljacken, viel Kleidung<br />

Polartag, Polarnacht<br />

Schnee<br />

Selbstversorger (früher)<br />

Skidoo<br />

Tiere<br />

lang Wege (Transport, Schule)<br />

Überlebenskampf<br />

Umweltgefährdung<br />

Vegetation gering<br />

Zusammenhalt<br />

St<strong>ich</strong>probe 1 (n=86) St<strong>ich</strong>probe 2 (n=70)<br />

Abbildung 40: Spontane Assoziationen <strong>der</strong> Schülerinnen und Schüler zum Leben in <strong>der</strong> kalten Zone<br />

(eigene Darstellung)<br />

Die Assoziationen <strong>der</strong> St<strong>ich</strong>probe 2 unterscheiden s<strong>ich</strong> hiervon in mancherlei Hins<strong>ich</strong>t.<br />

Hypothese 2b geht davon aus, <strong>dass</strong> s<strong>ich</strong> im Unterr<strong>ich</strong>t behandelte Inhalte in den Antworten<br />

<strong>der</strong> Schülerinnen und Schüler nie<strong>der</strong>schlagen. Der Unterr<strong>ich</strong>t in dieser Klasse fand unter


Die Perspektive <strong>der</strong> Schülerinnen und Schüler auf das Leben <strong>der</strong> Inuit 99<br />

Verwendung des Seydlitz-Buches (Ausgabe 2007) statt. Die darin enthaltenen Seiten zum<br />

Leben <strong>der</strong> Inuit sind identisch mit denen des Seydlitz-Buches von 2009, die in Kapitel 4 vor-<br />

gestellt wurden.<br />

Tatsächl<strong>ich</strong> zeigen die Angaben <strong>der</strong> Schülerinnen und Schüler eine Mischung aus Vorstel-<br />

lungen, die einerseits (häufig) denen von St<strong>ich</strong>probe 1 sehr ähnl<strong>ich</strong> sind, und an<strong>der</strong>erseits<br />

(bei einem Teil <strong>der</strong> Schülerinnen und Schüler) auf den Darlegungen des Schulbuches zum<br />

Leben <strong>der</strong> Inuit bzw. zu den Polarzonen im Allgemeinen beruhen. So sind zwar Iglu und Jagd<br />

sowie Hundeschlitten die meistgenannten unter jenen Begriffen, die s<strong>ich</strong> auf das Leben <strong>der</strong><br />

Inuit beziehen lassen. In breiterer Streuung werden daneben aber auch Aspekte wie Skidoo<br />

und Fertighäuser o<strong>der</strong> Anpassung und Selbstversorgung in früherer Zeit genannt. Eine Schü-<br />

lerin nennt Grönland und Kanada als konkrete Räume. Ein gegenüber St<strong>ich</strong>probe 1 vertiefte-<br />

res Wissen über die Polarzonen im Allgemeinen deutet s<strong>ich</strong> durch die Nennung von Begriffen<br />

wie Forschungsstationen, Ölpipeline, Nordpol und Südpol sowie Polartag und Polarnacht an.<br />

Hypothese 3:<br />

Unabhängig davon, ob die Lebensweisen <strong>der</strong> Inuit bereits Gegenstand des Schulunterr<strong>ich</strong>-<br />

tes waren o<strong>der</strong> n<strong>ich</strong>t, besteht auf Seiten <strong>der</strong> Schülerinnen und Schüler Interesse am Leben <strong>der</strong><br />

Menschen und an Eingriffen in den Naturhaushalt (vgl. REINFRIED 2006:52ff unter Bezugnahme<br />

auf HEMMER/HEMMER).<br />

HEMMER/HEMMER stellen zunächst heraus, das Interesse <strong>der</strong> Schülerinnen und Schüler an<br />

den Polarregionen sei allgemein als hoch einzustufen. Thematisch lässt s<strong>ich</strong> hierzu spezifizie-<br />

ren, <strong>dass</strong> Naturvölker, zu denen die Inuit gezählt werden könnten, und Eingriffe des Men-<br />

schen in den Naturhaushalt, die in Bezug auf die Inuit etwa hins<strong>ich</strong>tl<strong>ich</strong> <strong>der</strong> Rohstoffexplora-<br />

tion o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Mo<strong>der</strong>nisierung <strong>der</strong> Lebensweisen erfolgen, zu den zehn beliebtesten Themen<br />

<strong>der</strong> Schülerinnen und Schüler im Erdkundeunterr<strong>ich</strong>t zählen (vgl. REINFRIED 2006:53f). Vor<br />

diesem Hintergrund ist davon auszugehen, <strong>dass</strong> s<strong>ich</strong> diese Vorlieben auch in den Interessen<br />

<strong>der</strong> Schülerinnen und Schüler bezügl<strong>ich</strong> des Lebens in <strong>der</strong> kalten Zone ausdrücken.<br />

Die Auswertung <strong>der</strong> Fragebögen (vgl. Abb. 41) bestätigt dies weitgehend. Deutl<strong>ich</strong>e Inte-<br />

ressenschwerpunkte <strong>der</strong> Schülerinnen und Schüler bei<strong>der</strong> St<strong>ich</strong>proben bilden einerseits das<br />

Leben und Überleben <strong>der</strong> Tiere und an<strong>der</strong>erseits das Leben <strong>der</strong> Inuit sowie ihre Überlebens-<br />

strategien. Der überwiegende Großteil <strong>der</strong> weiteren Nennungen bezieht s<strong>ich</strong> ebenfalls auf


Die Perspektive <strong>der</strong> Schülerinnen und Schüler auf das Leben <strong>der</strong> Inuit 100<br />

einzelne Aspekte des Lebens und Überlebens <strong>der</strong> Menschen. Die Schülerinnen und Schüler<br />

bei<strong>der</strong> St<strong>ich</strong>proben sind daran interessiert, wie <strong>der</strong> Alltag <strong>der</strong> Inuit und ihre Kultur aussehen,<br />

wie sie wohnen und was sie tun, wenn sie eingeschneit sind, wovon sie s<strong>ich</strong> ernähren, wie<br />

sie s<strong>ich</strong> kleiden und fortbewegen. Auffällig ist in dieser Hins<strong>ich</strong>t allerdings die große Diskre-<br />

panz bezügl<strong>ich</strong> des Interesses an <strong>der</strong> Ernährung <strong>der</strong> Inuit. Während in St<strong>ich</strong>probe 1 elf von 28<br />

Schülerinnen und Schülern danach fragen, was die Inuit essen und wo bzw. wie sie Lebens-<br />

mittel bekommen, ist die Versorgung mit Nahrungsmitteln in St<strong>ich</strong>probe 2 nur für einen<br />

Schüler interessant. Sehr wahrscheinl<strong>ich</strong> haben die Schülerinnen und Schüler <strong>der</strong> St<strong>ich</strong>probe<br />

2 hierauf bereits Antworten im Unterr<strong>ich</strong>t bekommen. Das Schulbuch etwa führt zu dieser<br />

Frage aus, <strong>dass</strong> die Inuit früher durch Jagd und Fischfang Selbstversorger waren, sie heutzu-<br />

tage jedoch ihre Lebensmittel im Supermarkt kaufen und nur noch zum Freizeitvergnügen<br />

jagen (vgl. Seydlitz 2007:104).<br />

12<br />

10<br />

8<br />

6<br />

4<br />

2<br />

0<br />

St<strong>ich</strong>probe 1 (n=45) St<strong>ich</strong>probe 2 (n=33)<br />

Abbildung 41: Interessen <strong>der</strong> Schülerinnen und Schüler hins<strong>ich</strong>tl<strong>ich</strong> des Lebens in <strong>der</strong> kalten Zone<br />

(eigene Darstellung)<br />

Des Weiteren kommen in den Interessen <strong>der</strong> Schülerinnen und Schüler auch implizit eini-<br />

ge ihrer eigenen Vorstellungen zum Ausdruck. So ist es auffällig, <strong>dass</strong> oftmals n<strong>ich</strong>t nur das<br />

Leben <strong>der</strong> Menschen, son<strong>der</strong>n <strong>der</strong>en Überleben auch in <strong>der</strong> Gegenwart für sie von Interesse<br />

ist. In dieser Hins<strong>ich</strong>t wird beispielsweise ergänzend ausgeführt, es sei interessant, wie die


Die Perspektive <strong>der</strong> Schülerinnen und Schüler auf das Leben <strong>der</strong> Inuit 101<br />

Menschen es schafften, n<strong>ich</strong>t „einzufrieren und, <strong>dass</strong> man in einem Iglu wohnen kann“ (Fra-<br />

gebogen 1/10) und „wie sie das Leben hinbekommen ohne viele Hilfsmittel wie Strom und<br />

Wasserleitung“ (Fragebogen 1/19). Diese Äußerungen stehen exemplarisch für verschiedene<br />

weitere und deuten an, <strong>dass</strong> insbeson<strong>der</strong>e den Vorstellungen <strong>der</strong> Schülerinnen und Schüler<br />

<strong>der</strong> St<strong>ich</strong>probe 1 zufolge mo<strong>der</strong>ne technische Errungenschaften bei den Inuit noch n<strong>ich</strong>t an-<br />

gekommen sind. Sie werden hier, wie bereits zu Hypothese 2 ausgeführt, als abgelegen und<br />

von <strong>der</strong> Außenwelt abgeschnitten wahrgenommen.<br />

Eingriffe des Menschen in den Naturraum o<strong>der</strong> zumindest <strong>der</strong>en Auswirkungen werden<br />

dagegen von einigen Schülerinnen <strong>der</strong> St<strong>ich</strong>probe 2 angesprochen. So ist eine Schülerin da-<br />

ran interessiert, zu erfahren, welche Folgen <strong>der</strong> Tourismus hat, und eine weitere möchte<br />

etwas über die Auswirkungen des Klimawandels erfahren. Eine dritte fragt letztl<strong>ich</strong>: „Warum<br />

schmilzt das Eis? Warum wird n<strong>ich</strong>ts getan?“ (Fragebogen 2/10).<br />

Hypothese 4:<br />

a) Wenn die Lebensweisen <strong>der</strong> Inuit noch n<strong>ich</strong>t Gegenstand des Schulunterr<strong>ich</strong>tes waren,<br />

dann dominieren (ggf. stereotype) Aspekte <strong>der</strong> traditionellen Lebensweisen <strong>der</strong> Inuit (z. B.<br />

Leben im Iglu, Nomadismus, Robbenjagd, Hundeschlitten, …) einseitig die Vorstellungen <strong>der</strong><br />

Schülerinnen und Schüler und sie assoziieren das Leben <strong>der</strong> Inuit n<strong>ich</strong>t o<strong>der</strong> nur sehr einge-<br />

schränkt mit technischen (Strom, fließend Wasser, Telefon, Internet, Fernsehen, Heizung, …)<br />

und infrastrukturellen (Supermärkte, ÖPNV, Krankenhäuser, …) Errungenschaften sowie Frei-<br />

zeitaktivitäten (Sportvereine, Konzerte, IT- und Mediennutzung, …).<br />

Abbildung 42 (Seite 101) vermittelt zunächst einen Überblick darüber, wie s<strong>ich</strong> die Schüle-<br />

rinnen und Schüler <strong>der</strong> St<strong>ich</strong>probe 1 das Leben eines gle<strong>ich</strong>altrigen Jugendl<strong>ich</strong>en aus Grön-<br />

land vorstellen. Die Darstellung ist unterglie<strong>der</strong>t in die Schwerpunkte <strong>der</strong> Betrachtungen <strong>der</strong><br />

Schülerinnen und Schüler.<br />

Es zeigt s<strong>ich</strong> sehr deutl<strong>ich</strong>, <strong>dass</strong> die Vorstellungen <strong>der</strong> Schülerinnen und Schüler überwie-<br />

gend einseitig von verbreiteten Stereotypen und <strong>der</strong> Prämisse, <strong>dass</strong> die Inuit sehr abgelegen<br />

und vormo<strong>der</strong>n als Selbstversorger leben, geprägt sind. Daneben sind die Vorstellungen <strong>der</strong><br />

meisten Schülerinnen und Schüler durch Schnee, Eis und extreme Kälte gekennze<strong>ich</strong>net. Bei-<br />

spielsweise schreibt ein Schüler: „Man schläft in Iglus und muss dicke Klamotten tragen. Wir<br />

müssen uns Fische angeln, damit wir überleben. Es ist sehr kalt. Man bekommt schnell eine


Die Perspektive <strong>der</strong> Schülerinnen und Schüler auf das Leben <strong>der</strong> Inuit 102<br />

Lungenentzündung, weil es so kalt ist. Die Winter sind meist kälter als -40°C und die Sommer<br />

werden 0°C“ (Fragebogen 1/11). Einige wenige Schülerinnen und Schüler stellen s<strong>ich</strong> das<br />

Leben <strong>der</strong> Inuit hingegen auch ähnl<strong>ich</strong> vor wie ihr eigenes. Ein Beispiel hierfür ist Fragebogen<br />

1/6. Diese Schülerin schreibt: „<strong>Ich</strong> glaube, die leben in normalen Häusern und Dörfern. <strong>Ich</strong><br />

denke auch, <strong>dass</strong> die zur Schule gehen wie wir auch. In <strong>der</strong> Freizeit gehen die vielle<strong>ich</strong>t fi-<br />

schen o<strong>der</strong> machen Sachen wie wir auch“.<br />

• Viele Freunde<br />

• Freunde wohnen sehr weit<br />

weg<br />

• Zusammen spielen<br />

• „Ne digge Party“<br />

Wohnen<br />

Freunde<br />

• R<strong>ich</strong>tige/normale Häuser<br />

und Dörfer/Städte<br />

• Kleine Hütten<br />

• Containerhäuser und Iglu auf<br />

<strong>der</strong> Jagd<br />

• Iglu<br />

• Alle schlafen in einem Raum<br />

und unter Pelz<br />

• Wasser muss zum Duschen<br />

aufgetaut werden<br />

Freizeit<br />

• Man kann n<strong>ich</strong>t viel machen<br />

• Spielen mit Freunden<br />

• Schneeballschlachten, Eisburgen bauen,<br />

Schlittenrennen, Eishockey<br />

• Fischen<br />

• Jagen, sammeln, Eisbären fangen<br />

• Holz hacken, um das Haus zu wärmen<br />

Schule<br />

• Hausaufgeben<br />

• Lange Schulwege, die bei starkem Schneefall<br />

n<strong>ich</strong>t bewältigt werden können<br />

• Schulweg mit dem Schlitten o<strong>der</strong> zu Fuß<br />

• Kältefrei<br />

• In <strong>der</strong> Schule sitzen alle in Jacken<br />

• Unterr<strong>ich</strong>t beim Dorfältesten<br />

• Es gibt keine Schule<br />

Das Leben eines<br />

Jugendl<strong>ich</strong>en in<br />

Grönland<br />

Familie<br />

• Viele Geschwister<br />

• Viel zu Hause mithelfen<br />

• Mit dem Vater auf Jagd o<strong>der</strong><br />

zum Fischen gehen<br />

• Mit <strong>der</strong> Mutter einkaufen<br />

gehen<br />

Sonstiges<br />

• Polarl<strong>ich</strong>ter<br />

• Sehr kalt<br />

• Pelze als Kleidung<br />

• Kein Internet<br />

• An<strong>der</strong>e Berufe und wenige elektrische<br />

Geräte<br />

• Es gibt einen Laden, in dem man sehr<br />

viel einkaufen kann<br />

• Ernährung durch Jagd und Fischfang<br />

Abbildung 42: Vorstellungen <strong>der</strong> Schülerinnen und Schüler <strong>der</strong> St<strong>ich</strong>probe 1 zum Leben eines Jugendl<strong>ich</strong>en in<br />

Grönland<br />

(eigene Darstellung)<br />

Die größten Unterschiede zwischen den Vorstellungen <strong>der</strong> einzelnen Schülerinnen und<br />

Schüler bestehen hins<strong>ich</strong>tl<strong>ich</strong> <strong>der</strong> Beschreibung <strong>der</strong> Wohnsituation. Einerseits findet s<strong>ich</strong> die<br />

Vorstellung vom Wohnen im Iglu. Von den insgesamt dreizehn Schülerinnen und Schülern,<br />

die bezügl<strong>ich</strong> <strong>der</strong> Wohnsituation Angaben gemacht haben, benennen vier das Iglu als übl<strong>ich</strong>e


Die Perspektive <strong>der</strong> Schülerinnen und Schüler auf das Leben <strong>der</strong> Inuit 103<br />

Unterkunft; ein weiterer Schüler führt aus: „Er wohnt in Containerhäusern und nur bei <strong>der</strong><br />

Jagd in Iglus“ (Fragebogen 1/9). Erläuterungen, die die Wohnformen <strong>der</strong> Inuit betreffen, wei-<br />

sen überwiegend in eine R<strong>ich</strong>tung. So führen zwei Schüler aus, die Inuit würden abends ins<br />

Bett gehen, wobei jedoch das Wort Bett in Anführungsze<strong>ich</strong>en gesetzt wird. Dies lässt darauf<br />

schließen, <strong>dass</strong> das hier gemeinte Bett n<strong>ich</strong>t dem übl<strong>ich</strong>en Verständnis dieses Schlafmöbels<br />

entspr<strong>ich</strong>t. Oftmals wird zudem implizit davon ausgegangen, es gebe keinen Strom, keine<br />

Heizung und kein fließend Wasser. Eine Schülerin schreibt hierzu etwa: „Es ist sehr kalt, des-<br />

halb schlafen wir alle zusammen und unter Pelz“ (Fragebogen 1/2). Ein an<strong>der</strong>es Mal wird<br />

ausgeführt, ein jugendl<strong>ich</strong>er Inuk verbringe seine Freizeit damit, „das Haus zu wärmen, in-<br />

dem er z.B. Holz hackt“ (Fragebogen 1/14) und morgens müsse man nach dem Aufstehen<br />

„Wasser auftauen, um zu duschen o<strong>der</strong> etwas zu trinken“ (Fragebogen 1/10). Seinen Alltag<br />

bestreite man dabei „ohne viele elektrische Geräte“ (Fragebogen 1/17). Auf <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en<br />

Seite werden aber auch vereinzelt Vorstellungen geäußert, nach denen die Inuit in „r<strong>ich</strong>ti-<br />

gen“, „normalen“ Häusern und „fast wie in Deutschland“ (Fragebogen 1/21) o<strong>der</strong> in kleinen<br />

Hütten lebten.<br />

Die Familien stellen s<strong>ich</strong> die Schülerinnen und Schüler zumeist als Großfamilien vor, in<br />

denen die Kin<strong>der</strong> mit vielen Geschwistern aufwachsen. Die Eltern werden dabei häufig im<br />

Sinne einer traditionellen Rollenverteilung dargestellt. Während die Mutter das Wasser auf-<br />

wärmt, kocht und in einer Schil<strong>der</strong>ung einkauft, geht <strong>der</strong> Vater jagen und fischen. Die Kin<strong>der</strong><br />

müssten zu Hause viel helfen, wobei die Jungen wie <strong>der</strong> Vater auf Jagd gehen und fischen.<br />

Die Freizeitaktivitäten jugendl<strong>ich</strong>er Inuit drehen s<strong>ich</strong> in den Vorstellungen <strong>der</strong> Schülerin-<br />

nen und Schüler einerseits um alle in Zusammenhang mit Schnee und Eis denkbaren Tätig-<br />

keiten. Ein Schüler führt beispielsweise aus, „seine Hobbies sind Schneeballschlachten,<br />

Schneeengel machen, Eisburgen bauen, Eishockey, Schlittenrennen, fischen, Schneemänner<br />

bauen und den Weihnachtsmann suchen“ (Fragebogen 1/3). Ähnl<strong>ich</strong>e Beschreibungen fin-<br />

den s<strong>ich</strong> in mehreren an<strong>der</strong>en Fragebögen. An<strong>der</strong>erseits spielen aber auch Versorgungsas-<br />

pekte in einige Beschreibungen hinein. So werden mitunter das Jagen, Fischen, Sammeln<br />

und Eisbärenfangen als Freizeitaktivitäten angegeben. Zwei Schüler schätzen das Leben da-<br />

gegen eher als langweilig ein und führen aus: „In <strong>der</strong> Freizeit kann man n<strong>ich</strong>t viel machen“<br />

(Fragebogen 1/8). Ledigl<strong>ich</strong> ein Schüler denkt, <strong>dass</strong> die jugendl<strong>ich</strong>en Inuit „ihre Freizeit gle<strong>ich</strong><br />

[…] verbringen“ (Fragebogen 1/21) wie er selbst. Letztl<strong>ich</strong> wird das Spielen mit Freunden


Die Perspektive <strong>der</strong> Schülerinnen und Schüler auf das Leben <strong>der</strong> Inuit 104<br />

mehrfach als typische Freizeitbeschäftigung genannt, wobei allerdings auch angegeben wird,<br />

„<strong>dass</strong> seine Freunde sehr weit weg wohnen“ (Fragebogen 1/14).<br />

Der Aspekt <strong>der</strong> großen Entfernungen kommt zusammen mit Kälte und Schnee auch bei<br />

den Vorstellungen zum Schulalltag zum tragen. Beschreibungen wie die in Fragebogen 1/13<br />

– „Er hat einen sehr langen Schulweg und wenn es schneit, kann er gar n<strong>ich</strong>t zur Schule ge-<br />

hen“ – werden mehrfach geäußert. Ebenso verbreitet ist die Vorstellung, die Kin<strong>der</strong> würden<br />

mit dem Schlitten zur Schule fahren. Daneben werden die Vermutungen geäußert, <strong>dass</strong> man<br />

„kältefrei bekommen […] kann“ (Fragebogen 1/8) und, <strong>dass</strong> in <strong>der</strong> Schule „alle in Jacken […]<br />

sitzen“ (Fragebogen 1/7). An<strong>der</strong>e Vorstellungen distanzieren s<strong>ich</strong> von einer institutionalisier-<br />

ten Schule in einem eigenen Gebäude, wie es die befragten Schülerinnen und Schüler selbst<br />

kennen. So schreibt ein Schüler, ein jugendl<strong>ich</strong>er Inuk würde ihm mitteilen, er „gehe n<strong>ich</strong>t<br />

zur Schule, weil es keine gibt“ (Frage-<br />

bogen 1/18), während eine Schülerin<br />

demgegenüber davon ausgeht, <strong>dass</strong> die<br />

Kin<strong>der</strong> eines Dorfes „zum Dorfältesten<br />

[gehen], um etwas zu lernen“ (Frage-<br />

bogen 1/2).<br />

All diese Vorstellungen spiegeln s<strong>ich</strong><br />

auch in den Nennungen <strong>der</strong> Bil<strong>der</strong> in<br />

Aufgabe 5 des Fragebogens wi<strong>der</strong> (vgl.<br />

30<br />

25<br />

20<br />

15<br />

10<br />

5<br />

0<br />

Abbildung 43: Häufigkeit <strong>der</strong> Nennungen <strong>der</strong> einzelnen<br />

Bil<strong>der</strong> in Frage 5 des Fragebogens (St<strong>ich</strong>probe 1)<br />

(eigene Darstellung)<br />

Abb. 43). In dieser Aufgabe waren die Schülerinnen und Schüler aufgefor<strong>der</strong>t, unter den ab-<br />

gebildeten Fotos jene anzukreuzen, die ihren Vorstellungen über das Leben in Grönland ent-<br />

sprechen. Drei <strong>der</strong> Bil<strong>der</strong> (b, d und h) stellen Aspekte <strong>der</strong> traditionellen Lebensweisen <strong>der</strong><br />

Inuit dar, die zugle<strong>ich</strong> in gängigen Stereotypen präsent sind. Sie wurden jeweils von 19 bzw.<br />

20 <strong>der</strong> insgesamt 28 Schülerinnen und Schüler und somit beson<strong>der</strong>s häufig angekreuzt.<br />

Quantitativ übertroffen wurden diese Bil<strong>der</strong> nur von Bild a, das sogar 24 Kreuze erhielt. Es<br />

entspr<strong>ich</strong>t offenbar den in Aufgabe 4 wie<strong>der</strong>holt geäußerten Vorstellungen <strong>der</strong> Schülerinnen<br />

und Schüler von einem Leben <strong>der</strong> Inuit in Dörfern. Zu sehen sind darauf einige eng beieinan-<br />

<strong>der</strong> stehende Holzhäuser am Fuße eines Berges. Jene Bil<strong>der</strong> hingegen, die Szenen des mo-<br />

<strong>der</strong>nen Lebens <strong>der</strong> Inuit zeigen (c, f und g) wurden nur von wenigen Schülerinnen und Schü-<br />

lern angekreuzt; f sogar überhaupt n<strong>ich</strong>t. Dies bestätigt insgesamt die in <strong>der</strong> Hypothese for-


Die Perspektive <strong>der</strong> Schülerinnen und Schüler auf das Leben <strong>der</strong> Inuit 105<br />

mulierte Tendenz, <strong>dass</strong> die Schülerinnen und Schüler eher über stereotype Vorstellungen<br />

zum Leben <strong>der</strong> Inuit verfügen. Einen Ausreißer stellt im Kontext <strong>der</strong> übrigen Nennungen <strong>der</strong><br />

hohe Wert für Bild e dar. Es ist allerdings wahrscheinl<strong>ich</strong>, <strong>dass</strong> es s<strong>ich</strong> hierbei um einen Halo-<br />

Effekt handelt. Denn in <strong>der</strong> vorangehenden Frage sollten die Schülerinnen und Schüler bei<br />

ihren Ausführungen von einem Skype-Kontakt mit einem gle<strong>ich</strong>altrigen Grönlän<strong>der</strong> ausge-<br />

hen. Diese Vorgabe setzt natürl<strong>ich</strong> voraus, <strong>dass</strong> es in Grönland Computer und Internetan-<br />

schlüsse gibt, was das Ankreuzverhalten in Frage 5 wohl beeinflusst hat.<br />

b) Wenn die Lebensweisen <strong>der</strong> Inuit bereits Gegenstand des Schulunterr<strong>ich</strong>tes waren, dann<br />

verfügen die Schülerinnen und Schüler über ein überblicksartiges Wissen zum Leben <strong>der</strong> Inuit,<br />

wobei sie traditionelle und mo<strong>der</strong>ne Lebensweisen differenzieren, und mit dem heutigen Le-<br />

ben <strong>der</strong> Inuit vor allem Aspekte <strong>der</strong> mo<strong>der</strong>nen Lebensweisen wie etwa feste Häuser, Schulen,<br />

Supermärkte, Freizeitaktivitäten, Motorschlitten o<strong>der</strong> auch Arbeitslosigkeit und Kriminalität<br />

assoziieren.<br />

• Oft Besuch von Freunden zu<br />

Hause<br />

• Wenige Freunde, wegen<br />

kleiner Siedlungen<br />

Wohnen<br />

Freunde<br />

• Normale Häuser<br />

• Mo<strong>der</strong>ne Wohnblocks<br />

• Fertighäuser<br />

• Schlechte Wohnhäuser, oft<br />

Container<br />

• Häuser aus Blech und Holz<br />

• Sehr kleine und volle Hütte,<br />

wenig Platz<br />

• An die Kälte angepasste Häuser<br />

Freizeit<br />

• Kino<br />

• „Genau das, was wir auch tun“<br />

• Jagen, Fischen<br />

• Kajak fahren<br />

• Ski/Snowboard, Rodeln<br />

Schule<br />

• Kleine Dorfschule<br />

• Die Schule ist in schlechtem Zustand<br />

• Es gibt nur eine Schule und die ist sehr weit weg<br />

• Lange Schulwege, die oft wegen Schnee n<strong>ich</strong>t zu<br />

bewältigen sind<br />

• Schulweg mit dem Skidoo o<strong>der</strong> zu Fuß<br />

• Kältefrei<br />

Das Leben eines<br />

Jugendl<strong>ich</strong>en in<br />

Grönland<br />

• Viele Geschwister / große Familien<br />

• Viel zu Hause mithelfen<br />

• Mit dem Vater auf Jagd gehen<br />

• Die Eltern arbeiten vormittags<br />

Sonstiges<br />

• Eigentl<strong>ich</strong> Selbstversorger, aber die w<strong>ich</strong>tigsten<br />

Dinge werden gekauft<br />

• Lebensmittelvorräte und -importe<br />

• Großer Zusammenhalt<br />

• Keine Autos<br />

• Warme Kleidung<br />

• Schlecht bezahlte Arbeit<br />

• Berufe: Jäger und Fischer<br />

Familie<br />

Abbildung 44: Vorstellungen <strong>der</strong> Schülerinnen und Schüler <strong>der</strong> St<strong>ich</strong>probe 2 zum Leben eines Jugendl<strong>ich</strong>en in<br />

Grönland (eigene Darstellung)


Die Perspektive <strong>der</strong> Schülerinnen und Schüler auf das Leben <strong>der</strong> Inuit 106<br />

Abbildung 44 (Seite 104) zeigt zunächst überblicksartig die Vorstellungen <strong>der</strong> Schülerin-<br />

nen und Schüler zum Leben gle<strong>ich</strong>altriger Jugendl<strong>ich</strong>er in Grönland.<br />

Grundsätzl<strong>ich</strong> ist in Hinblick auf die Vorstellungen <strong>der</strong> Schülerinnen und Schüler in St<strong>ich</strong>-<br />

probe 2 zu sagen, <strong>dass</strong> einige Inhalte des in dieser Klasse eingeführten Schulbuches deutl<strong>ich</strong><br />

zum Ausdruck kommen. Dies ist insbeson<strong>der</strong>e in Bezug auf die Wohnverhältnisse und die<br />

Lebensmittelversorgung <strong>der</strong> Fall. Ebenso werden Unterschiede zu den Vorstellungen von<br />

St<strong>ich</strong>probe 1 in diesem Zusammenhang beson<strong>der</strong>s deutl<strong>ich</strong>. Gle<strong>ich</strong>zeitig weisen aber auch<br />

die Vorstellungen dieser St<strong>ich</strong>probe mithin stereotype Züge auf.<br />

In Bezug auf die Wohnverhältnisse <strong>der</strong> Inuit macht s<strong>ich</strong> die Behandlung des Themas im<br />

Unterr<strong>ich</strong>t schon anhand dessen bemerkbar, <strong>dass</strong> keiner <strong>der</strong> Schülerinnen und Schüler das<br />

Iglu ernsthaft als Wohnung <strong>der</strong> Inuit benennt. An dieser Stelle offenbart s<strong>ich</strong> allerdings eine<br />

Diskrepanz zwischen dem Wissen <strong>der</strong> Schülerinnen und Schüler einerseits und ihren grund-<br />

sätzl<strong>ich</strong>en Assoziationen an<strong>der</strong>erseits. Denn unter Frage 2 hatten noch sechs <strong>der</strong> 24 Schüle-<br />

rinnen und Schüler das Iglu jeweils als eines von drei Dingen genannt, die ihnen spontan zum<br />

Leben in <strong>der</strong> kalten Zone einfielen. Eine Schülerin legt hierzu ihren Gedankengang explizit<br />

offen: „Viele sagen, <strong>dass</strong> Inuit in Iglus wohnen. <strong>Ich</strong> glaube das aber n<strong>ich</strong>t. Sie wohnen, glaube<br />

<strong>ich</strong>, eher in Häusern. Okay, doch. Aber auch n<strong>ich</strong>t. Für m<strong>ich</strong> müssen echte Inuit in Iglus woh-<br />

nen und so. Obwohl <strong>ich</strong> <strong>weiß</strong>, <strong>dass</strong> es n<strong>ich</strong>t so stimmt“ (Fragebogen 2/3). Die Vorstellungen<br />

sind dieser Schil<strong>der</strong>ung zufolge somit in Teilen auch Wunschvorstellungen, die parallel neben<br />

dem schulischen Wissen beibehalten werden. Demgegenüber sind die Aussagen, die Inuit<br />

wohnten in „Fertighäusern“ (Fragebogen 2/14) bzw. in „Häusern aus Blech und Holz“ (Fra-<br />

gebogen 2/6) sowie die Beschreibung „Es sind dort schlechte Wohnhäuser, denn es sind<br />

auch oft nur Container“ (Fragebogen 2/11) inhaltl<strong>ich</strong> auf das Schulbuch zurückzuführen. Dort<br />

sind die containerartigen Fertighäuser aus Holz und Wellblech im Text beschrieben und auf<br />

einem Bild abgebildet. Die übrigen Vorstellungen <strong>der</strong> Schülerinnen und Schüler zeigen inhalt-<br />

l<strong>ich</strong> eine relativ breite Streuung in zwei R<strong>ich</strong>tungen. Es gibt sowohl die Vorstellung von mo-<br />

<strong>der</strong>nen Wohnverhältnissen als die eines sehr beengten Wohnens in kleinen Hütten. So führt<br />

eine Schülerin einerseits aus, die Inuit wohnten „in einem ganz normalen Haus“ (Fragebogen<br />

2/1) und eine weitere schreibt, sie wohnten „in mo<strong>der</strong>nen Wohnblocks“ (Fragebogen 2/7).<br />

Zwei an<strong>der</strong>e Schüler erklären hingegen, „<strong>dass</strong> er auf engstem Raum mit <strong>der</strong> Familie wohnt“<br />

(Fragebogen 2/9) und „viel draußen [spielt], weil die Hütte sehr klein und voll ist“ (Fragebo-


Die Perspektive <strong>der</strong> Schülerinnen und Schüler auf das Leben <strong>der</strong> Inuit 107<br />

gen 2/5). Zwei weitere Schüler stellen zudem die Notwendigkeit einer an die Kälte angepass-<br />

ten Bauform heraus.<br />

Bezügl<strong>ich</strong> <strong>der</strong> Darstellung des Familienlebens unterscheiden s<strong>ich</strong> die Vorstellungen <strong>der</strong><br />

Schülerinnen und Schüler <strong>der</strong> St<strong>ich</strong>probe 2 nur wenig von denen <strong>der</strong> ersten St<strong>ich</strong>probe. Auch<br />

hier ist die Vorstellung von <strong>der</strong> Großfamilie dominant und <strong>der</strong> Vater wird mitunter als Jäger<br />

beschrieben. Allerdings wird auch in zwei von acht Beschreibungen ausgeführt, <strong>dass</strong> die El-<br />

tern mindestens halbtags arbeiten, „so wie bei uns auch“ (Fragebogen 2/11). In dieser Hin-<br />

s<strong>ich</strong>t ist also eine Verän<strong>der</strong>ung gegenüber St<strong>ich</strong>probe 1 zu bemerken. Die Vorstellungen über<br />

die Berufe zeigen dabei in die traditionelle R<strong>ich</strong>tung. Eine Schülerin schreibt etwa, typische<br />

Arbeiten seien „oft auch in <strong>der</strong> Natur als Fischer o<strong>der</strong> als Jäger. Ihre Jobs werden auch n<strong>ich</strong>t<br />

so gut bezahlt“ (Fragebogen 2/11).<br />

Unterdessen bekommen die Jugendl<strong>ich</strong>en zu Hause Besuch von ihren Freunden, die sie<br />

von <strong>der</strong> Schule her kennen. Weil die Siedlungen klein seien, hätten sie nur wenige, dafür<br />

aber gute Freunde. Die Vorstellungen über die Freizeitaktivitäten sind dabei im Vergle<strong>ich</strong> zu<br />

St<strong>ich</strong>probe 1 stärker von mo<strong>der</strong>nen Mögl<strong>ich</strong>keiten geprägt. Zwei Schülerinnen führen bei-<br />

spielsweise aus, in <strong>der</strong> Freizeit gingen junge Grönlän<strong>der</strong> manchmal mit ihren Freunden ins<br />

Kino o<strong>der</strong> machten „genau das, was wir auch tun“ (Fragebogen 2/10). Ansonsten prägen<br />

jedoch ebenso wie in St<strong>ich</strong>probe 1 insbeson<strong>der</strong>e zwei Arten von Freizeitgestaltung die Vor-<br />

stellungen <strong>der</strong> Schülerinnen und Schüler: Zum einen werden auch hier auf den Schnee bezo-<br />

gene Aktivitäten wie Ski fahren, snowboarden o<strong>der</strong> rodeln mehrfach genannt. Zum an<strong>der</strong>en<br />

steht das Jagen im Vor<strong>der</strong>grund. Allerdings sind hier zwei Linien erkennbar. Das Jagen wird<br />

von einigen Schülern als notwendiger Beitrag zur Lebensmittelversorgung betrachtet (vgl.<br />

Fragebogen 2/5, 2/9, 2/12 und 2/16), von an<strong>der</strong>en wie im Schulbuch (vgl. Seydlitz 2007:104)<br />

beschrieben als Freizeitvergnügen (vgl. Fragebogen 2/8 und 2/17).<br />

Die Vorstellungen über die Schulen sind in dieser St<strong>ich</strong>probe eher homogen. Sechzehn <strong>der</strong><br />

24 Schülerinnen und Schüler geben ausdrückl<strong>ich</strong> an, <strong>dass</strong> die Jugendl<strong>ich</strong>en in Grönland in die<br />

Schule gehen. In ihren Vorstellungen handelt es s<strong>ich</strong> dabei zumeist um eine kleine Schule<br />

mitten im Dorf. Dort werde „z.B. Englisch“ (Fragebogen 2/5) gelernt. Dabei unterscheiden<br />

s<strong>ich</strong> die Schulen in den Vorstellungen <strong>der</strong> Schülerinnen und Schüler jedoch in Bezug auf die<br />

Anzahl und die Ausstattung von den hiesigen. So führt eine Schülerin aus: „Es würde wahr-


Die Perspektive <strong>der</strong> Schülerinnen und Schüler auf das Leben <strong>der</strong> Inuit 108<br />

scheinl<strong>ich</strong> nur eine Schule dort […] geben und n<strong>ich</strong>t wie hier mehrere“ (Fragebogen 2/15)<br />

und ein an<strong>der</strong>er Schüler ergänzt: „Die Schule ist in schlechtem Zustand“ (Fragebogen 2/12).<br />

Wie schon in St<strong>ich</strong>probe 1 spielt daneben auch <strong>der</strong> Schulweg in Zusammenhang mit den Fak-<br />

toren Schnee und Eis eine Rolle in den Vorstellungen <strong>der</strong> Schülerinnen und Schüler, aller-<br />

dings auf unterschiedl<strong>ich</strong>e Weise. Einmal heißt es „<strong>Ich</strong> fahre mit dem Skidoo dorthin“ (Fra-<br />

gebogen 2/4), ein an<strong>der</strong>es Mal hingegen „<strong>dass</strong> er oft wegen Schnee n<strong>ich</strong>t zur Schule kommt“<br />

(Fragebogen 2/9). Autos gibt es einem Schüler zufolge n<strong>ich</strong>t (vgl. Fragebogen 2/8).<br />

Einiger Unterschiede bei <strong>der</strong> Beschreibung des Lebens eines Jugendl<strong>ich</strong>en in Grönland<br />

zum Trotz fallen die Ergebnisse von Frage 5 in beiden St<strong>ich</strong>proben relativ ähnl<strong>ich</strong> aus. Ein<br />

signifikanter Unterschied besteht ledigl<strong>ich</strong> in Bezug auf Bild g, den Supermarkt. Dies ist ver-<br />

mutl<strong>ich</strong>, ebenso wie zuvor schon die Interessensdiskrepanz zwischen den St<strong>ich</strong>proben in<br />

Hinblick auf die Ernährung <strong>der</strong> Inuit, durch entsprechende Unterr<strong>ich</strong>tsinhalte begründet. Im<br />

Schulbuch etwa wird ausgeführt die Lebensmittel würden heutzutage im Supermarkt ge-<br />

kauft. Ansonsten ist wie<strong>der</strong>um Bild a<br />

das am häufigsten angekreuzte, was<br />

mit den Äußerungen <strong>der</strong> Schülerin-<br />

nen und Schüler über das Leben <strong>der</strong><br />

Inuit in Dörfern o<strong>der</strong> kleinen Sied-<br />

lungen konform geht. Dass auch in<br />

St<strong>ich</strong>probe 2 wie<strong>der</strong> die Bil<strong>der</strong> b, d<br />

und h häufig genannt werden, f hin-<br />

gegen gar n<strong>ich</strong>t, mag schließl<strong>ich</strong> mit<br />

dem eingangs bereits angesproche-<br />

nen Phänomen <strong>der</strong> Persistenz ste-<br />

reotypenhafter Vorstellungen wi<strong>der</strong><br />

besseres Wissen zusammenhängen.<br />

Denn das Ankreuzverhalten deckt s<strong>ich</strong> in dieser Hins<strong>ich</strong>t nur begrenzt mit den Ausführungen<br />

<strong>der</strong> Schülerinnen und Schüler über ihre Vorstellungen in Frage 4.<br />

20<br />

18<br />

16<br />

14<br />

12<br />

10<br />

8<br />

6<br />

4<br />

2<br />

0<br />

Abbildung 45: Häufigkeit <strong>der</strong> Nennungen <strong>der</strong> einzelnen Bil<strong>der</strong><br />

in Frage 5 des Fragebogens (St<strong>ich</strong>probe 2)<br />

(eigene Darstellung)


Die Perspektive <strong>der</strong> Schülerinnen und Schüler auf das Leben <strong>der</strong> Inuit 109<br />

5.4 Fazit <strong>der</strong> Schülerbefragung<br />

In den vorangegangenen Ausführungen hat s<strong>ich</strong> gezeigt, <strong>dass</strong> die Schülerinnen und Schü-<br />

ler ohne eine unterr<strong>ich</strong>tl<strong>ich</strong>e Thematisierung <strong>der</strong> Inuit in ihren Vorstellungen vorwiegend auf<br />

verbreitete Stereotype zurückgreifen. Insbeson<strong>der</strong>e die Faktoren Kälte, Eis und das Meistern<br />

lebensfeindl<strong>ich</strong>er Bedingungen sowie typische Tierarten <strong>der</strong> polaren Zone prägen dabei die<br />

Vorstellungen vom Leben <strong>der</strong> Inuit. Mo<strong>der</strong>nität o<strong>der</strong> das Vorhandensein technischer Geräte<br />

werden in <strong>der</strong> Regel n<strong>ich</strong>t assoziiert. Die Inuit werden im Vergle<strong>ich</strong> zum eigenen Leben als<br />

ganz an<strong>der</strong>s wahrgenommen und diese An<strong>der</strong>sartigkeit weckt Interesse und Neugier. Eine<br />

Schülerin schreibt hierzu beispielsweise: „<strong>Ich</strong> denke, <strong>dass</strong> es dort an<strong>der</strong>s ist, und deshalb will<br />

<strong>ich</strong> das wissen“ (Fragebogen 1/16). Fast alle diesbezügl<strong>ich</strong>en Äußerungen <strong>der</strong> Schülerinnen<br />

und Schüler gehen in diese R<strong>ich</strong>tung.<br />

Nachdem eine Thematisierung <strong>der</strong> Inuit im Unterr<strong>ich</strong>t stattgefunden hat, sind vor allem<br />

drei Dinge zu beobachten:<br />

(1) Spontane Assoziationen <strong>der</strong> Schülerinnen und Schüler bedienen s<strong>ich</strong> weiterhin<br />

überwiegend <strong>der</strong> ursprüngl<strong>ich</strong>en Vorstellungen unter Verwendung gängiger Stereo-<br />

type. Nur vereinzelt werden Aspekte <strong>der</strong> unterr<strong>ich</strong>tl<strong>ich</strong>en Inhalte eingebracht.<br />

(2) Im Rahmen einer konkreten Fragestellung greift die Mehrzahl <strong>der</strong> Schülerinnen und<br />

Schüler das im Unterr<strong>ich</strong>t erworbene Wissen auf und baut es in die Darstellung ein.<br />

Allerdings bleiben die ursprüngl<strong>ich</strong>en Vorstellungen meist in (in unterschiedl<strong>ich</strong>er<br />

Ausprägung) erhalten und werden mit dem neuen Wissen zusammengefügt. Auffäl-<br />

lig ist, <strong>dass</strong> die Schülerinnen und Schüler <strong>der</strong> zweiten St<strong>ich</strong>probe im Gegensatz zu<br />

denen <strong>der</strong> ersten St<strong>ich</strong>probe vermehrt abwertende Haltungen zum Ausdruck brin-<br />

gen mit Vorstellungen wie „Es sind dort schlechte Wohnhäuser“ (Fragebogen 2/11)<br />

o<strong>der</strong> „Die Schule ist in schlechtem Zustand“ (Fragebogen 2/12).<br />

(3) Zumindest eine Schülerin erklärt, <strong>dass</strong> sie eigentl<strong>ich</strong> gar n<strong>ich</strong>t gewillt ist, ihre Vor-<br />

stellungen dem unterr<strong>ich</strong>tl<strong>ich</strong>en Wissen anzupassen, weil dies n<strong>ich</strong>t ihrem Ideal von<br />

den Inuit entspr<strong>ich</strong>t. Eine solche Haltung wäre, wenn s<strong>ich</strong> bei einer umfangre<strong>ich</strong>e-<br />

ren Untersuchung zeigen würde, <strong>dass</strong> sie häufiger auftritt, zweifelsfrei eine Heraus-<br />

for<strong>der</strong>ung für den Unterr<strong>ich</strong>t.<br />

Insgesamt lässt s<strong>ich</strong> auf <strong>der</strong> Grundlage dieser kleinen St<strong>ich</strong>probe sagen, <strong>dass</strong> die Perspek-


Die Perspektive <strong>der</strong> Schülerinnen und Schüler auf das Leben <strong>der</strong> Inuit 110<br />

tive <strong>der</strong> Schülerinnen und Schüler auf das Leben <strong>der</strong> Inuit durch eine Thematisierung im Un-<br />

terr<strong>ich</strong>t durchaus geprägt und beeinflusst wird, ursprüngl<strong>ich</strong>e Vorstellungen jedoch ebenfalls<br />

eine hohe Persistenz aufweisen. Es erfolgt eine Kombination bei<strong>der</strong> Aspekte, die zu individu-<br />

ellen Konstruktionen führt. Subjektive Konstruktionsprinzipien wie Projektionen, Stereotype,<br />

Vorurteile und Ethnozentrismus sind dabei in beiden Fällen zu finden. Allerdings vermuten<br />

die Schülerinnen und Schüler größtenteils, <strong>dass</strong> ihre Vorstellungen n<strong>ich</strong>t <strong>der</strong> Realität ent-<br />

sprechen. So geben die meisten von ihnen auf die Frage, wie s<strong>ich</strong>er sie sind, <strong>dass</strong> ihre Vor-<br />

stellungen zutreffen, an, <strong>dass</strong> sie n<strong>ich</strong>t s<strong>ich</strong>er seien, da sie bisher noch n<strong>ich</strong>t viel über die<br />

kalte Zone erfahren hätten.


Gegenüberstellende Zusammenfassung <strong>der</strong> Perspektiven und Fazit 111<br />

6 Gegenüberstellende Zusammenfassung <strong>der</strong> Perspektiven und Fazit<br />

Fachwissenschaft, Schulbücher sowie Schülerinnen und Schüler repräsentieren drei un-<br />

terschiedl<strong>ich</strong>e Perspektiven auf das Leben <strong>der</strong> Inuit. Die Unterschiede liegen unter an<strong>der</strong>em<br />

in den Bere<strong>ich</strong>en des Vorwissens, in <strong>der</strong> Fokussierung des Blicks, in <strong>der</strong> Tiefe <strong>der</strong> Betrachtung<br />

und im Objektivitätsgrad.<br />

Die Fachwissenschaft strebt danach, die Ordnung <strong>der</strong> Dinge darzulegen. Dazu nimmt sie<br />

einen mögl<strong>ich</strong>st objektiven Blickwinkel ein und erforscht tiefgehend und unter Bezugnahme<br />

auf bestimmte Theorien reale Phänomene. Das Gesamtbild des Forschungsstandes setzt s<strong>ich</strong><br />

dabei aus zahlre<strong>ich</strong>en eng fokussierten Einzelarbeiten zusammen.<br />

Das wesentl<strong>ich</strong>e Merkmal <strong>der</strong> Schulbücher gegenüber <strong>der</strong> Fachwissenschaft ist die didak-<br />

tische Reduktion und Transformation <strong>der</strong> Inhalte. Ein bestimmtes Thema wird unter Berück-<br />

s<strong>ich</strong>tigung didaktischer Abwägungen zunächst stark eingegrenzt und dann schülergerecht<br />

aufbereitet. Dies erfolgt in <strong>der</strong> Regel in Anlehnung an die curricularen Vorgaben. Das Thema<br />

das Leben <strong>der</strong> Inuit wird in diesem Rahmen zumeist im Kontext <strong>der</strong> beson<strong>der</strong>en menschli-<br />

chen Anpassung an den Naturraum behandelt. Als Informations- und Bildungsmedium hat<br />

das Schulbuch einerseits den Anspruch die Ordnung <strong>der</strong> Dinge zu repräsentieren. Aufgrund<br />

<strong>der</strong> Anfor<strong>der</strong>ung, komplexe Zusammenhänge und eine große Informationsfülle auf engem<br />

Raum unterzubringen einerseits und impliziter subjektiver Theorien <strong>der</strong> Autoren an<strong>der</strong>er-<br />

seits spiegelt es in <strong>der</strong> Realität jedoch eher eine Ordnung <strong>der</strong> Blicke wi<strong>der</strong>. Dies wird bereits<br />

bei einem Vergle<strong>ich</strong> <strong>der</strong> Unsere Erde- und <strong>der</strong> Seydlitz-Doppelseiten zum Thema Inuit in Hin-<br />

blick auf die impliziten Haltungen zum Gegenstand deutl<strong>ich</strong>.<br />

Die Perspektive <strong>der</strong> Schülerinnen und Schüler ist letztl<strong>ich</strong> eindeutig <strong>der</strong> Ordnung <strong>der</strong> Bli-<br />

cke zuzuordnen. Die in Kapitel 2.2 erläuterten subjektiven Konstruktionsprinzipien – Projek-<br />

tion, Stereotype, Vorurteile und Ethnozentrismus – treten hier deutl<strong>ich</strong> hervor. Jedoch un-<br />

terscheiden s<strong>ich</strong> die Vorstellungen sehr stark in Abhängigkeit von Wissen und Interesse. Je<br />

größer das Interesse an einem Thema ist, desto stärker ist auch die persönl<strong>ich</strong>e Motivation,<br />

s<strong>ich</strong> ernsthaft damit zu befassen. Auch die Nachhaltigkeit <strong>der</strong> Lernerfolge korreliert positiv<br />

hiermit (vgl. REINFRIED 2006:52). Das Interesse <strong>der</strong> Schülerinnen und Schüler in Bezug auf die<br />

kalte Zone zeigt deutl<strong>ich</strong>e Schwerpunkte in den Bere<strong>ich</strong>en das Leben <strong>der</strong> Tiere, das Leben<br />

(und Überleben) <strong>der</strong> Menschen und das Eis. Diese Aspekte dominieren auch ihre Vorstellun-


Gegenüberstellende Zusammenfassung <strong>der</strong> Perspektiven und Fazit 112<br />

gen. Diese unterscheiden s<strong>ich</strong> allerdings in Abhängigkeit von einer vorherigen unterr<strong>ich</strong>tli-<br />

chen Behandlung des Themas. Schülerinnen und Schüler, die bereits im Unterr<strong>ich</strong>t mit dem<br />

Leben <strong>der</strong> Inuit konfrontiert wurden, integrieren unterr<strong>ich</strong>tl<strong>ich</strong>e Aspekte in ihre subjektiven<br />

Vorstellungen, wobei ursprüngl<strong>ich</strong>e Konstruktionen oftmals n<strong>ich</strong>t gänzl<strong>ich</strong> aufgegeben wer-<br />

den. Ohne eine unterr<strong>ich</strong>tl<strong>ich</strong>e Thematisierung kommen hingegen verstärkt allgemeine Ste-<br />

reotype in den Vorstellungen zum Ausdruck.<br />

Im schulischen Kontext stehen diese drei einzelnen Perspektiven in linearer Abfolge hin-<br />

tereinan<strong>der</strong>. Die Fachwissenschaft liefert die Inhalte, die die Schulbücher didaktisch aufbe-<br />

reiten. Die Schulbücher fungieren wie<strong>der</strong>um als w<strong>ich</strong>tiges Bezugsmedium für die Schülerin-<br />

nen und Schüler bei <strong>der</strong> Erschließung des Themas. An den Schnittstellen <strong>der</strong> einzelnen Per-<br />

spektiven finden jedoch unter dem Einfluss affektiver Determinanten und intermittieren<strong>der</strong><br />

Faktoren wie <strong>der</strong> Lehrkraft (mit Einschränkungen ähnl<strong>ich</strong> dem Stille-Post-Effekt) inhaltl<strong>ich</strong>e<br />

Verschiebungen statt, so<strong>dass</strong> die Vorstellung eines Schülers nach dem Unterr<strong>ich</strong>t mitunter<br />

n<strong>ich</strong>t mit den fachwissenschaftl<strong>ich</strong>en Erkenntnissen konform geht.<br />

Die Darstellungsweise des Themas das Leben <strong>der</strong> Inuit im Schulbuch als vermittelndem<br />

Medium zwischen Fachwissenschaft und Schülerschaft begünstigt in den meisten Fällen die-<br />

se inhaltl<strong>ich</strong>en Verschiebungen. Der Umfang des Themas spielt hierbei eine wesentl<strong>ich</strong>e Rol-<br />

le. Drei von vier untersuchten Schulbüchern versuchen, auf einer Doppelseite die traditionel-<br />

le und die mo<strong>der</strong>ne Lebensform <strong>der</strong> Inuit einschließl<strong>ich</strong> des Wandels und <strong>der</strong> Probleme ab-<br />

zubilden. Dass eine solche Informationsfülle auf so engem Raum zwangsläufig nur sehr stark<br />

vereinfachend und verallgemeinernd wie<strong>der</strong>gegeben werden kann, liegt auf <strong>der</strong> Hand. Dabei<br />

ist allerdings auffällig, „<strong>dass</strong> die dargestellten ‚Kulturen‘ in <strong>der</strong> Regel völlig leere Begriffe<br />

bleiben“ (STÖBER 2001:25). Die Inuit werden als (ehemals) beson<strong>der</strong>s angepasste Überlebens-<br />

künstler in <strong>der</strong> Kälte dargestellt, jedoch weitgehend ohne Bezug zu damit in Zusammenhang<br />

stehenden kulturellen Prinzipien und Werten. STÖBER (2001:22) führt hierzu aus, <strong>dass</strong><br />

„menschl<strong>ich</strong>e Gruppen und Gesellschaften, die gelegentl<strong>ich</strong> als ‚Kulturen‘ beze<strong>ich</strong>net und als<br />

Einheiten mit bestimmten Charakteristika vorgestellt werden, in den Schulbüchern erschei-<br />

nen, ohne <strong>dass</strong> ‚Kultur‘ hierbei eine größere Rolle zufallen muss“. Dabei ist anzumerken, <strong>dass</strong><br />

gerade diese ausgeblendeten Aspekte eine hohe Eignung aufweisen für eine werteorientier-<br />

te Unterr<strong>ich</strong>tsgestaltung im Sinne <strong>der</strong> Herausbildung interkultureller Kompetenz. Im Fall <strong>der</strong>


Gegenüberstellende Zusammenfassung <strong>der</strong> Perspektiven und Fazit 113<br />

Inuit beispielsweise böten s<strong>ich</strong> mindestens zwei werteorientierte Zugänge für den Erdkun-<br />

deunterr<strong>ich</strong>t an.<br />

Zum einen könnten die Prinzipien von Inuit Qaujimajatuqangit im Unterr<strong>ich</strong>t thematisiert<br />

werden. Davon ausgehend ließe s<strong>ich</strong> gemäß den curricularen Vorgaben gut an traditionelle<br />

Anpassungsformen <strong>der</strong> Inuit an die naturräuml<strong>ich</strong>en Gegebenheiten anknüpfen. Zugle<strong>ich</strong><br />

ermögl<strong>ich</strong>t IQ auch einen Zugang zu <strong>der</strong> gegenwärtigen Lebenssituation <strong>der</strong> Inuit. Hier könn-<br />

ten beispielsweise das Streben <strong>der</strong> Inuit nach Rückgewinnung ihrer Selbstbestimmung und<br />

nach Bewahrung und Weitergabe ihrer Kultur thematisiert werden. Ebenso können aktuelle<br />

Probleme <strong>der</strong> Inuit mit einem Einstieg über IQ gut erschlossen werden.<br />

Zum an<strong>der</strong>en wurden zahlre<strong>ich</strong>e Märchen und Sagen <strong>der</strong> Inuit durch die Sammlung des<br />

grönländisch-dänischen Polarforschers KNUD RASMUSSEN für ein breites Publikum zugängl<strong>ich</strong><br />

gemacht. Ein Märchen bietet auf erzählerische Weise einen guten Einblick in die Vorstel-<br />

lungswelt seiner Verständigungsgemeinschaft und kann den Schülerinnen und Schülern ei-<br />

nen Eindruck von den Eigenheiten einer Kultur, aber auch von mögl<strong>ich</strong>en Gemeinsamkeiten<br />

verschaffen. Vor diesem Hintergrund wurde bei <strong>der</strong> Schülerbefragung nach dem Interesse an<br />

einer unterr<strong>ich</strong>tl<strong>ich</strong>en Behandlung eines Märchens aus <strong>der</strong> kalten Zone gefragt. Die Einstel-<br />

lung <strong>der</strong> Schülerinnen und Schüler scheint die Mögl<strong>ich</strong>keiten eines Märchens im Unterr<strong>ich</strong>t<br />

allerdings einzuschränken. Während die 8. Klasse diesbezügl<strong>ich</strong> indifferent ist – es gibt eben-<br />

so viele Interessensbekundungen wie Ablehnungen –, tendiert die 7. Klasse recht deutl<strong>ich</strong> zu<br />

einer ablehnenden Haltung gegenüber einem Märchen. Mehrere Schüler geben an, für Mär-<br />

chen mittlerweile zu alt zu sein. Als alternative und für die Schülerinnen und Schüler viel-<br />

le<strong>ich</strong>t attraktivere Variante, könnte auch eine <strong>der</strong> Igloolik-Isuma-Dokumentation im Unter-<br />

r<strong>ich</strong>t gezeigt und besprochen werden. Gemäß dem Motto „from the inside and through Inuit<br />

eyes“ (IGLOOLIK ISUMA PRODUCTIONS 2001) böte s<strong>ich</strong> die Mögl<strong>ich</strong>keit zu einem Perspektiven-<br />

wechsel und einer auf diese Weise vertieften Auseinan<strong>der</strong>setzung mit <strong>der</strong> Thematik.<br />

Perspektivenwechsel und Werteorientierung fungieren als zwei zentrale Elemente bei <strong>der</strong><br />

Thematisierung frem<strong>der</strong> Lebensweisen und Kulturen im Erdkundeunterr<strong>ich</strong>t. Sie ermögl<strong>ich</strong>en<br />

eine reflektierte Auseinan<strong>der</strong>setzung mit dem Fremden und ebnen somit den Weg zu inter-<br />

kultureller Kompetenz. „Jedes Abbild von Wirkl<strong>ich</strong>keit auf seine Entstehung, Erscheinung<br />

und Wirkung [zu] hinterfragen“ sollte daher verstärkt zum Bestandteil des Unterr<strong>ich</strong>tes wer-


Gegenüberstellende Zusammenfassung <strong>der</strong> Perspektiven und Fazit 114<br />

den. Es gilt, s<strong>ich</strong> stets vor Augen zu führen: „<strong>Ich</strong> <strong>weiß</strong>, <strong>dass</strong> <strong>ich</strong> n<strong>ich</strong>ts <strong>weiß</strong>“ (SOKRATES zit. nach<br />

FRIPERTINGER 2011:59).


Literaturverze<strong>ich</strong>nis 115<br />

Literaturverze<strong>ich</strong>nis<br />

ADORNO, T. W. 1951/2003: Minima Moralia. Reflexionen aus dem beschädigten Leben (=<br />

Suhrkamp Taschenbuch Wissenschaft, Bd. 1704). Frankfurt am Main: Suhrkamp.<br />

ALIA, V. 2005: Art. Images of indigenous peoples. In: NUTTALL, M. (Hrsg.): Encyclopedia of the<br />

Arctic. Volume 2 G-N. New York/London: Routledge. S. 940-944.<br />

BACK, F.; GERMAIN, G.-H.; MORRISON, D. 1996: Eskimo: Gesch<strong>ich</strong>te, Kultur und Leben in <strong>der</strong> Arktis.<br />

München: Fre<strong>der</strong>king & Thaler.<br />

BALIKCI, A. 1989: The Netsilik Eskimo. Prospect Heights: Waveland Press.<br />

BAMBERGER, R.; BOYER, L.; SRETENOVIC, K.; STRIETZEL, H. 1998: Zur Gestaltung und Verwendung von<br />

Schulbüchern. Mit beson<strong>der</strong>er Berücks<strong>ich</strong>tigung <strong>der</strong> elektronischen Medien und <strong>der</strong> neuen<br />

Lernkultur. Wien: ÖBD.<br />

BERIÉ, E.; KOBERT, H. (Hrsg.) 2006: Der Fischer-Weltalmanach 2007. Frankfurt am Main: Fi-<br />

scher.<br />

BUDKE, A. (Hrsg.) 2008a: Interkulturelles Lernen im <strong>Geographie</strong>unterr<strong>ich</strong>t (= Potsdamer Geographische<br />

Forschungen, Bd. 27). Potsdam: Universitätsverlag Potsdam.<br />

BUDKE, A. 2008b: Zwischen Kulturerdteilen und Kulturkonstruktionen – Historische und neue<br />

Konzepte des Interkulturellen Lernens im <strong>Geographie</strong>unterr<strong>ich</strong>t. In: BUDKE, A. (Hrsg.): Interkulturelles<br />

Lernen im <strong>Geographie</strong>unterr<strong>ich</strong>t (= Potsdamer Geographische Forschungen,<br />

Bd. 27). Potsdam: Universitätsverlag Potsdam. S. 9-29.<br />

COLT, S.G.; PRETES, M. 2005: Art. Alaska Native Claims Settlement Act (ANCSA). In: NUTTALL, M.<br />

(Hrsg.): Encyclopedia of the Arctic. Volume 1 A-F. New York/London: Routledge. S. 34-38.<br />

DIERCKE WELTATLAS – ALBRECHT, M.; GEHRING, W.; KIRCHHOF, J.; MICHAEL, T.; RICHTER, B.; SCHLIMM, R.;<br />

SENG, P. Braunschweig: Westermann 2008.<br />

DORAIS, L.-J. 1995: Language, culture and identity: some Inuit examples. In: The Canadian<br />

Journal of Native Studies, 14 (15). S. 293-306.<br />

DÖRRENBÄCHER, H. P. 2006: Natur und Ressource in Kanada – Mehr Umweltgerechtigkeit und<br />

selbstbestimmte Entwicklung indigener Völker. In: GLASER R.; KREMB, K. (Hrsg.): Nord- und<br />

Südamerika (= Planet Erde). Darmstadt: Wissenschaftl<strong>ich</strong>e Buchgesellschaft. S. 50-62.<br />

DUIT, R. 2008: Zur Rolle von Schülervorstellungen im Unterr<strong>ich</strong>t. In: <strong>Geographie</strong> heute, 28<br />

(265). S. 2-6.<br />

EDELMANN, W. 2000: Lernpsychologie. (6. Auflage). Weinheim: Beltz.


Literaturverze<strong>ich</strong>nis 116<br />

FÆGTEBORG, M. 1998: Grønland i dag: en introduktion 1998-99. Kopenhagen: Arctic Informati-<br />

on.<br />

FÆGTEBORG, M. 2005a: Art. Greenland Home Rule Act. In: NUTTALL, M. (Hrsg.): Encyclopedia of<br />

the Arctic. Volume 2 G-N. New York/London: Routledge. S. 786-787.<br />

FÆGTEBORG, M. 2005b: Art. Inuit Party. In: NUTTALL, M. (Hrsg.): Encyclopedia of the Arctic. Volume<br />

2 G-N. New York/London: Routledge. S. 1003.<br />

FIENUP-RIORDAN, A. 1995: Freeze frame: Alaska Eskimos in the movies. Seattle: University of<br />

Washington Press.<br />

FOUCAULT, M. 1974/2003: Die Ordnung <strong>der</strong> Dinge: Eine Archäologie <strong>der</strong> Humanwissenschaften<br />

(= Suhrkamp Taschenbuch Wissenschaft, Bd. 96). Frankfurt am Main: Suhrkamp.<br />

FRIPERTINGER, B. 2011: Interview mit Unzeitgenossen: „<strong>Ich</strong> <strong>weiß</strong>, <strong>dass</strong> <strong>ich</strong> n<strong>ich</strong>ts <strong>weiß</strong>!“ (Sokrates).<br />

In: Abenteuer Philosophie, 31 (124). S. 58-59.<br />

FUGMANN, G. 2009: Development corporations in the Canadian north. Examples for economic<br />

grassroots initiatives among the Inuit. In: Erdkunde, 63 (1). S. 69-79.<br />

FÜHRING, G. 1993: Begegnung mit dem Fremden. Materialien für die entwicklungspolitische<br />

Bildungsarbeit. Berlin: Deutscher Entwicklungsdienst/DED.<br />

GLASER R.; KREMB, K. (Hrsg.) 2006: Nord- und Südamerika (= Planet Erde). Darmstadt: Wissenschaftl<strong>ich</strong>e<br />

Buchgesellschaft.<br />

HÄCKEL, H. 2005: Meteorologie (= UTB 1338). (5. Auflage). Stuttgart: Ulmer.<br />

HAUBRICH, H. (Hrsg.) 2006: <strong>Geographie</strong> unterr<strong>ich</strong>ten lernen. Die neue <strong>Didaktik</strong> <strong>der</strong> <strong>Geographie</strong><br />

konkret. (2. Auflage). München/Düsseldorf/Stuttgart: Oldenbourg.<br />

HAYSOM, V. 2005: Art. Labrador Inuit Land Claims Agreement in Principle. In: NUTTALL, M.<br />

(Hrsg.) 2005b: Encyclopedia of the Arctic. Volume 2 G-N. New York/London: Routledge. S.<br />

1146-1148.<br />

HEMMINGER, H. 2009: Und Gott schuf Darwins Welt. Der Streit um Kreationismus, Evolution<br />

und Intelligentes Design. Gießen: Brunnen.<br />

HENDERSON, A. 2005: Art. Inuit Qaujimajatuqangit. In: NUTTALL, M. (Hrsg.): Encyclopedia of the<br />

Arctic. Volume 2 G-N. New York/London: Routledge. S. 1003-1004.<br />

HOFFMANN, K. W. 2009: Mit den Nationalen Bildungsstandards <strong>Geographie</strong>unterr<strong>ich</strong>t planen<br />

und auswerten. In: <strong>Geographie</strong> und ihre <strong>Didaktik</strong>, 37 (3), S. 105-119.<br />

HUHNDORF, S. M. 2009: Mapping the Americas: the transnational politics of contemporary<br />

native culture. Ithaca: Cornell University Press.


Literaturverze<strong>ich</strong>nis 117<br />

IRLBACHER FOX, S. 2005: Art. Self-government. In: NUTTALL, M. (Hrsg.): Encyclopedia of the Arctic.<br />

Volume 3 O-Z. New York/London: Routledge. S. 1878-1883.<br />

JACOBS, P. 2005a: Art. Nunavik. In: NUTTALL, M. (Hrsg.): Encyclopedia of the Arctic. Volume 2 G-<br />

N. New York/London: Routledge. S. 1518-1521.<br />

JACOBS, P. 2005b: Art. Nunavik Political Accord. In: NUTTALL, M. (Hrsg.): Encyclopedia of the<br />

Arctic. Volume 2 G-N. New York/London: Routledge. S. 1521-1522.<br />

KAALHAUGE NIELSEN, J. 2005a: Art. Inuit Ataqatigiit. In: NUTTALL, M. (Hrsg.): Encyclopedia of the<br />

Arctic. Volume 2 G-N. New York/London: Routledge. S. 998.<br />

KAALHAUGE NIELSEN, J. 2005b: Art. Self-determination. In: NUTTALL, M. (Hrsg.): Encyclopedia of<br />

the Arctic. Volume 3 O-Z. New York/London: Routledge. S. 1876-1878.<br />

KULCHYSKI, P. 2005: Art. Nunavut Final Agreement. In: NUTTALL, M. (Hrsg.): Encyclopedia of the<br />

Arctic. Volume 2 G-N. New York/London: Routledge. S. 1529-1532.<br />

LÉGARÉ, A. 2005: Art. Nunavut. In: NUTTALL, M. (Hrsg.): Encyclopedia of the Arctic. Volume 2 G-<br />

N. New York/London: Routledge. S. 1522-1529.<br />

MATTHES, E.; HEINZE, C. (Hrsg.) 2003: Didaktische Innovationen im Schulbuch (= Beiträge zur<br />

historischen und systematischen Schulbuchforschung). Bad Heilbrunn: Klinkhardt.<br />

MCCANN, D. 2005a: Art. Inuvialuit Final Agreement. In: NUTTALL, M. (Hrsg.): Encyclopedia of<br />

the Arctic. Volume 2 G-N. New York/London: Routledge. S. 1012-1013.<br />

MCCANN, D. 2005b: Art. Nunavut Tunngavik Inc. In: NUTTALL, M. (Hrsg.): Encyclopedia of the<br />

Arctic. Volume 2 G-N. New York/London: Routledge. S. 1532-1533.<br />

MCNICOLL, P.; TESTER, F. J. 2004: Isumagijaksaq: mindful of the state: social constructions of<br />

Inuit suicide. In: Social Science and Medicine, 38 (58). S. 2625-2636.<br />

MAYRING, P.; GLÄSER-ZIKUDA, M. (Hrsg.) 2008: Die Praxis <strong>der</strong> qualitativen Inhaltsanalyse. (2. Auflage).<br />

Weinheim/Basel: Beltz.<br />

MAYRING, P. 2008: Neuere Entwicklungen in <strong>der</strong> qualitativen Forschung und <strong>der</strong> Qualitativen<br />

Inhaltsanalyse. In: MAYRING, P.; GLÄSER-ZIKUDA, M. (Hrsg.): Die Praxis <strong>der</strong> qualitativen Inhaltsanalyse.<br />

(2. Auflage). Weinheim/Basel: Beltz. S. 7-19.<br />

MEIER KRUKER, V.; RAUH, J: 2005: Arbeitsmethoden <strong>der</strong> Humangeographie (= Geowissen kompakt).<br />

Darmstadt: Wissenschaftl<strong>ich</strong>e Buchgesellschaft.<br />

MÖNTER, L. O.; SCHIFFER-NASSERIE, A. 2006: Antirassismus als Herausfor<strong>der</strong>ung für die Schule.<br />

Von <strong>der</strong> Theoriebildung zur praktischen Umsetzung im geographischen Schulbuch (= Europäische<br />

Hochschulschriften Reihe XI, Bd. 955). Frankfurt am Main: Peter Lang.


Literaturverze<strong>ich</strong>nis 118<br />

MUELLER, D.; NICKELS, S. 2005: Art. Inuit Tapiriit Kanatami. In: NUTTALL, M. (Hrsg.): Encyclopedia<br />

of the Arctic. Volume 2 G-N. New York/London: Routledge. S. 1004-1005.<br />

NIEKE, W. 2000: Interkulturelle Erziehung und Bildung. Wertorientierungen im Alltag (= Schule<br />

und Gesellschaft, Bd. 4). (2. Aufl.). Opladen: Leske & Budr<strong>ich</strong>.<br />

NUTTALL, M. (Hrsg.) 2005a: Encyclopedia of the Arctic. Volume 1 A-F. New York/London: Rout-<br />

ledge.<br />

NUTTALL, M. (Hrsg.) 2005b: Encyclopedia of the Arctic. Volume 2 G-N. New York/London: Rou-<br />

tledge.<br />

NUTTALL, M. (Hrsg.) 2005c: Encyclopedia of the Arctic. Volume 3 O-Z. New York/London: Rout-<br />

ledge.<br />

NUTTALL, M. 2005d: Art. Greenland. In: NUTTALL, M. (Hrsg.): Encyclopedia of the Arctic. Volume<br />

2 G-N. New York/London: Routledge. S. 778-785.<br />

NUTTALL, M. 2005e: Art. Greenland Inuit. In: NUTTALL, M. (Hrsg.): Encyclopedia of the Arctic.<br />

Volume 2 G-N. New York/London: Routledge. S. 790-795.<br />

NUTTALL, M. 2005f: Art. Inuit. In: NUTTALL, M. (Hrsg.): Encyclopedia of the Arctic. Volume 2 G-N.<br />

New York/London: Routledge. S. 990-997.<br />

NUTTALL, M. 2005g: Art. Tourism. In: NUTTALL, M. (Hrsg.): Encyclopedia of the Arctic. Volume 3<br />

O-Z. New York/London: Routledge. S. 2037-2040.<br />

PETERMANN, F.; PETERMANN, U.; WINKEL, S. 2006: Lernpsychologie (= UTB Basics). Pa<strong>der</strong>born:<br />

Schöningh.<br />

PRETES, M. 2005: Art. Alaska. In: NUTTALL, M. (Hrsg.): Encyclopedia of the Arctic. Volume 1 A-F.<br />

New York/London: Routledge. S. 21-27.<br />

REICH, K. 2008: Konstruktivistische <strong>Didaktik</strong>. Lehr- und Studienbuch mit Methodenpool (=<br />

Pädagogik und Konstruktivismus). (4. Auflage). Weinheim/Basel: Beltz.<br />

REICH, K. 2010: Systemisch-konstruktivistische Pädagogik. Einführung in die Grundlagen einer<br />

interaktionistisch-konstruktivistischen Pädagogik (= Pädagogik und Konstruktivismus). (6.<br />

Auflage). Weinheim/Basel: Beltz.<br />

REINFRIED, S. 2006: Interessen, Vorwissen, Fähigkeiten und Einstellungen von Schülerinnen<br />

und Schülern berücks<strong>ich</strong>tigen. In: HAUBRICH, H. (Hrsg.): <strong>Geographie</strong> unterr<strong>ich</strong>ten lernen.<br />

Die neue <strong>Didaktik</strong> <strong>der</strong> <strong>Geographie</strong> konkret. (2. Auflage). München/Düsseldorf/Stuttgart:<br />

Oldenbourg. S. 49-78.<br />

REINFRIED, S. 2008: Schülervorstellungen und Lernen von <strong>Geographie</strong>. In: <strong>Geographie</strong> heute,<br />

28 (265). S. 8-13.


Literaturverze<strong>ich</strong>nis 119<br />

RHODE-JÜCHTERN, T. 2009: Eckpunkte einer mo<strong>der</strong>nen <strong>Geographie</strong>didaktik. Hintergrundbegriffe<br />

und Denkfiguren. Seelze-Velber: Klett/Kallmeyer.<br />

RICHLING, B. 2005: Art. Labrador Inuit. In: NUTTALL, M. (Hrsg.): Encyclopedia of the Arctic. Volume<br />

2 G-N. New York/London: Routledge. S. 1144-1145.<br />

ROHWER, G. 1996: Interkulturelles Lernen im <strong>Geographie</strong>unterr<strong>ich</strong>t. In: <strong>Geographie</strong> heute, 16<br />

(141). S. 4-9.<br />

STEIN, G. 2003: Vom medienkritischen Umgang mit Schulbüchern: mehr als nur „eine didaktische<br />

Innovation“. In: MATTHES, E.; HEINZE, C. (Hrsg.): Didaktische Innovationen im Schulbuch<br />

(= Beiträge zur historischen und systematischen Schulbuchforschung). Bad Heilbrunn:<br />

Klinkhardt. S. 233-254.<br />

STERN, P. 2005: Art. Inuvialuit Settlement Region. In: NUTTALL, M. (Hrsg.): Encyclopedia of the<br />

Arctic. Volume 2 G-N. New York/London: Routledge. S. 1013-1015.<br />

STÖBER, G. (Hrsg.) 2001a: „Fremde Kulturen“ im <strong>Geographie</strong>unterr<strong>ich</strong>t. Analysen – Konzeptionen<br />

– Erfahrungen (= Studien zur internationalen Schulbuchforschung, Bd. 106). Hannover:<br />

Hahn.<br />

STÖBER, G. 2001b: „Fremde Kulturen“ zwischen Buchdeckeln – ein Überblick. In: STÖBER, G.<br />

(Hrsg.): „Fremde Kulturen“ im <strong>Geographie</strong>unterr<strong>ich</strong>t. Analysen – Konzeptionen – Erfahrungen<br />

(= Studien zur internationalen Schulbuchforschung, Bd. 106). Hannover: Hahn. S.<br />

17-41.<br />

THANNHEISER, D.; WÜTHRICH, C. 2002: Die Polargebiete (= Das Geographische Seminar). Braun-<br />

schweig: Westermann.<br />

THOMAS, A. 2006: Die Bedeutung von Vorurteil und Stereotyp im interkulturellen Handeln. In:<br />

Interculture Journal, 1(2), S. 3-20.<br />

THÖNEBÖHN, F. 1995: Rezeption und Verwendung des geographischen Schulbuches in <strong>der</strong> Sekundarstufe<br />

I. Interviewstudie zum Umgang von Lehrern mit dem geographischen Schulbuch<br />

bei curricularen Entscheidungen, bei <strong>der</strong> Unterr<strong>ich</strong>tsplanung und im Unterr<strong>ich</strong>t. Essen:<br />

Ruhr-Universität Bochum.<br />

VAN DER VAART, R. 2001: „Other cultures“ in school geography: what does academic geography<br />

have to offer? In: STÖBER, G. (Hrsg.): „Fremde Kulturen“ im <strong>Geographie</strong>unterr<strong>ich</strong>t. Analysen<br />

– Konzeptionen – Erfahrungen (= Studien zur internationalen Schulbuchforschung, Bd.<br />

106). Hannover: Hahn. S. 156-163.<br />

VEITER, T. 1990: Die Autonomie Grönlands. Das autonome Nordland (= Ethnos, Bd. 36). Wien:<br />

Braumüller.


Literaturverze<strong>ich</strong>nis 120<br />

WEEN, G. 2005a: Art. Arctic Peoples‘ Conference. In: NUTTALL, M. (Hrsg.): Encyclopedia of the<br />

Arctic. Volume 1 A-F. New York/London: Routledge. S. 141-142.<br />

WRIGHT, D. R. 2001: Analysing textbook pictures: How can this contribute to pupils‘ un<strong>der</strong>standing<br />

of other cultures? In: STÖBER, G. (Hrsg.): „Fremde Kulturen“ im <strong>Geographie</strong>unterr<strong>ich</strong>t.<br />

Analysen – Konzeptionen – Erfahrungen (= Studien zur internationalen Schulbuchforschung,<br />

Bd. 106). Hannover: Hahn. S. 165-168.<br />

Internetquellenverze<strong>ich</strong>nis<br />

CANADIAN COUNCIL ON LEARNING (Hrsg.) 2007a: Inuit Holistic Life Long Learning Model.<br />

http://cli.ccl-cca.ca/Inuit/index.php?q=home<br />

Erstellt: 2007; Abruf: 1. August 2011<br />

CANADIAN COUNCIL ON LEARNING (Hrsg.) 2007b: Redefining how success is measured in First Nations,<br />

Inuit and Métis learning. Report on learning in Canada 2007.<br />

http://www.cepn-fnec.com/conf-micro/documents/2-<br />

%20Viviane%20Ayougman%20mardi%209%20h%2015/Redefining_How_Success_Is_Measured_EN.pdf<br />

Erstellt: November 2007; Abruf: 1. August 2011<br />

DANMARKS STATSMINISTERIET (Hrsg.) 1978: Lov om Grønlands Hjemmestyre.<br />

http://www.renteberegning.gl/dokumenter/19781129-Lov-om-groenlands-hjemmestyre.pdf<br />

Erstellt: 29.11.1978; Abruf: 25. Juli 2011<br />

DANMARKS STATSMINISTERIET (Hrsg.) 2009: Lov om Grønlands Selvstyre.<br />

http://www.stm.dk/multimedia/selvstyreloven.pdf<br />

Erstellt: 13.06.2009; Abruf: 25. Juli 2011<br />

DEPARTMENT OF ABORIGINAL AFFAIRS AND NORTHERN DEVELOPMENT CANADA (Hrsg.) 2008: Backgroun<strong>der</strong><br />

- The Nunavik Inuit Land Claims Agreement.<br />

http://www.ainc-inac.gc.ca/ai/mr/nr/j-a2007/2-2855-bk-eng.asp<br />

Erstellt: 28. Oktober 2008; Abruf: 01. August 2011<br />

DGfG (= Deutsche Gesellschaft für <strong>Geographie</strong>; Hrsg.) 2002: Grundsätze und Empfehlungen<br />

für die Lehrplanarbeit im Schulfach <strong>Geographie</strong>.<br />

www.unijena.de/unijenamedia/Downloads/faculties/chgeo/inst_geogr/<strong>Didaktik</strong>/Lehrmaterialien/<strong>Didaktik</strong>%2BII%2B_<br />

%2BGEO%2B251/curriculum2000.doc<br />

Erstellt: Dezember 2002; Abruf: 30. April 2011<br />

EXPLORE NUNAVUT o. J.: Offizielle Tourismus-Internetseite Nunavuts.<br />

http://www.explorenunavut.com/index.php<br />

Erstellt: o. J.; Abruf: 31. Juli 2011


Literaturverze<strong>ich</strong>nis 121<br />

GOVERNMENT OF NUNAVUT (Hrsg.) 2010: Inuit Qaujimajatuqangit – Inuit societal values. Guiding<br />

principles.<br />

http://www.gov.nu.ca/files/IQ_Principles_2010.pdf<br />

Erstellt: 2010; Abruf: 01. August 2011<br />

GREENLAND.COM o. J.: Offizielle Tourismus-Internetseite Grönlands.<br />

http://www.greenland.com/en/<br />

Erstellt: o.J.; Abruf: 31. Juli 2011<br />

GRØNLANDS STATISTIK (Hrsg.) 2001: Arbejdsmarkedsforhold – Ledigheden i 2001.<br />

http://www.stat.gl/dialog/main.asp?lang=da&version=200101&link=AF&subthemecode=p3&colcode=p<br />

Erstellt: 28. April 2002; Abruf: 31. Juli 2011<br />

GRØNLANDS STATISTIK (Hrsg.) 2006: Arbejdsmarkedsforhold – Ledigheden i byerne i 2006.<br />

http://www.stat.gl/dialog/main.asp?lang=da&version=200601&link=AF&subthemecode=p4&colcode=p<br />

Erstellt: 04. April 2007; Abruf: 31. Juli 2011<br />

GRØNLANDS STATISTIK (Hrsg.) 2010: 2010 Statistisk Årbog – Turisme.<br />

http://www.stat.gl/dialog/main.asp?lang=da&version=2010&link=TR&subthemecode=o2&colcode=o<br />

Erstellt: 2010; Abruf: 31. Juli 2011<br />

GRØNLANDS STATISTIK (Hrsg.) 2011: Arbejdsmarkedsforhold – Ledigheden i byerne i 1. kvartal<br />

2011.<br />

http://www.stat.gl/dialog/main.asp?lang=da&version=201101&link=AF&subthemecode=p2&colcod=p<br />

Erstellt: 28. Juni 2011; Abruf: 31. Juli 2011<br />

INUIT TAPIRIIT KANATAMI (Hrsg.) 2004: Backgroun<strong>der</strong> on Inuit and housing. For discussion at Hosing<br />

Sectoral Meeting, November 24 and 25 th in Ottawa.<br />

http://www.aboriginalroundtable.ca/sect/hsng/bckpr/ITK_BgPaper_e.pdf<br />

Erstellt: 1. November 2004; Abruf: 13. August 2011<br />

INUIT TAPIRIIT KANATAMI (Hrsg.) 2011: First Canadians, Canadians First – National strategy on<br />

Inuit education 2011.<br />

http://www.itk.ca/sites/default/files/National-Strategy-on-Inuit-Education-2011_0.pdf<br />

Erstellt: Juni 2011; Abruf: 1. August 2011<br />

IGLOOLIK ISUMA PRODUCTIONS (Hrsg.) 2001: Learning Materials ‚Atanarjuat the fast runner‘.<br />

http://www.isuma.tv/node/6115/<br />

Erstellt: 2001; Abruf: 3. August 2011<br />

KATIVIK REGIONAL GOVERNMENT o. J.: Administration régionale Kativik – Renseignements<br />

généraux.<br />

http://www.krg.ca/fr/renseignements-generaux-krg<br />

Erstellt: o.J.; Abruf: 01. August 2011<br />

NIEDERSÄCHSISCHES KULTUSMINISTERIUM (Hrsg.) 2008: Kerncurriculum für das Gymnasium, Schuljahrgänge<br />

5-10 – Erdkunde.


Literaturverze<strong>ich</strong>nis 122<br />

http://db2.nibis.de/1db/cuvo/datei/kc_gym_erdk_08_nib2.pdf<br />

Erstellt: 2008; Abruf: 01. August 2011<br />

NIETZSCHE, F. 1873: Über Wahrheit und Lüge im außermoralischen Sinn. 1. Teil.<br />

http://gutenberg.spiegel.de/buch/3243/1<br />

Erstellt: o. J.; Abruf: 21. April 2011<br />

NUNAVIK REGIONAL BOARD OF HEALTH AND SOCIAL SERVICES & INSTITUT NATIONAL DE SANTÉ PUBLIQUE DU<br />

QUÉBEC (Hrsg.) 2007: Qanuippitta? How are we? Alcohol, drug use and gambling among<br />

the Inuit of Nunavik: epidemological profile.<br />

http://www.inspq.qc.ca/pdf/publications/657_esi_alcool_drogues_gambling.pdf<br />

Erstellt: 2007; Abruf: 1. August 2011<br />

NUNAVUT BUREAU OF STATISTICS (Hrsg.) o. J.: Nunavut Quick Facts.<br />

http://www.eia.gov.nu.ca/stats/<br />

Erstellt: o. J.; Abruf: 31. Juli 2011<br />

NUNAVUT DEPARTMENT OF HUMAN RESOURCES (Hrsg.) 2005: Inuit Employment Plan.<br />

http://www.gov.nu.ca/hr/site/iepinfo.htm<br />

Erstellt: 2005; Abruf: 22. Juli 2011<br />

NUNAVUT TUNNGAVIK INCORPORATED (Hrsg.) 1993: Agreement Between the Inuit in the Nunavut<br />

Settlement Area and Her Majesty the Queen in Right of Canada (= Nunavut Final Agreement).<br />

http://www.tunngavik.com/documents/publications/1993-00-00-Nunavut-Land-Claims-Agreement-<br />

English.pdf<br />

Erstellt: 23. Mai 1993; Abruf: 20. Juli 2011<br />

NUNIVAAT – NUNAVIK STATISTICS PROGRAM (Hrsg.) 2008: Unemployment rates for Inuit and non-<br />

Aboriginal people aged 25 to 54 years, by sex, Canada and Inuit regions, 2001 and 2006.<br />

http://www.nunivaat.org/TableViewer.aspx?S=2&ID=12689<br />

Erstellt: November 2008; Abruf: 31. Juli 2011<br />

PAUKTUUTIT (Hrsg.) 2006: The Inuit way: a guide to Inuit culture.<br />

http://www.pauktuutit.ca/pdf/publications/pauktuutit/InuitWay_e.pdf<br />

Erstellt: 2006; Abruf: 1. August 2011<br />

SCHRÜFER, G. 2003: Verständnis für fremde Kulturen.<br />

http://opus.ub.uni-bayreuth.de/volltexte/2004/76/pdf/Diss.pdf<br />

Erstellt: Januar 2003; Abruf: 02. Mai 2011<br />

STATE OF ALASKA – DEPARTMENT OF LABOR AND WORKFORCE DEVELOPMENT (Hrsg.) 2011: Press release.<br />

Unemployment rate at 7.5 percent in June.<br />

http://labor.alaska.gov/news/2011/news11-40.pdf<br />

Erstellt: 22. Juli 2011; Abruf: 31. Juli 2011


Literaturverze<strong>ich</strong>nis 123<br />

STATISTICS CANADA - SOCIAL AND ABORIGINAL STATISTICS DIVISION (Hrsg.) 2008: Tables Report. 2006<br />

Inuit Census Tables. Ottawa: Department of Industry Canada.<br />

http://www.statcan.gc.ca/pub/89-636-x/89-636-x2008001-eng.pdf<br />

Erstellt: November 2008; Abruf: 31. Juli 2011<br />

STATISTICS CANADA (Hrsg.) 2011: Labour force characteristics, seasonally adjusted, by province<br />

(monthly).<br />

http://www40.statcan.gc.ca/l01/cst01/lfss01a-eng.htm<br />

Erstellt: 08. Juli 2011; Abruf: 31. Juli 2011<br />

UNITED STATES DEPARTMENT OF LABOR – BUREAU OF LABOR STATISTICS (Hrsg.) o. J.: Local Area Unemployment<br />

Statistics.<br />

http://data.bls.gov/timeseries/LASST02000003<br />

Erstellt: o. J.; Abruf: 31. Juli 2011<br />

Verze<strong>ich</strong>nis <strong>der</strong> Schulbücher<br />

Diercke Erdkunde 7/8 Gymnasium Nie<strong>der</strong>sachsen. – DÖPKE, G.; ELLMANN, R.; FREYTAG, M.; HÄUS-<br />

LER, M.; KEHLER, U.; KERKHOF, H.; KOCH, R.; MITTELSTÄDT, F.-G.; POMMERENING, R.; RÖßNER, T.; STON-<br />

JEK, D. Braunschweig: Westermann 2009.<br />

Seydlitz <strong>Geographie</strong> 7/8 Gymnasium Nie<strong>der</strong>sachsen. – BÖTTCHER-SPECKELS, K.; MINGENBACH, H.-<br />

M.; MÜLLER, H. Braunschweig: Schroedel 2007.<br />

Seydlitz <strong>Geographie</strong> 7/8 Gymnasium Nie<strong>der</strong>sachsen. – AMTSFELD, P.; BAUER, J.; ENGLERT, W.;<br />

GEHRKE, A.; GERLACH, A.; HALLERMANN, S.; HEBEL, A.; HERZIG, R.; HOENIG, C.; KIRSCH, H.; MAGER, F.-<br />

P.; NICKLAUS, W.; OCHSENWADEL, B.; REINHARDT, K. H.; SCHMIDT, K.; SCHMIDT, M.; SCHÖPFLIN, F.;<br />

WETZEL, J.; WERB, I. Braunschweig: Schroedel 2009.<br />

Terra Erdkunde 7/8 Gymnasium Nie<strong>der</strong>sachsen. – HABERLAG, B.; HEID, C.; HEIL, J.; PLAMANN, R.;<br />

ROTERMANN, G.; WAGENER, D. Leipzig: Klett 2006.<br />

Unsere Erde 7/8 Gymnasium Nie<strong>der</strong>sachsen. – FLATH, M.; JUNG, L.; MAROSKE, R.; MATHESIUS-<br />

WENDT, U.; MCCLELLAND, S.; MEYER, C.; RUDYK, E. Berlin: Cornelsen 2009.


Anhang 1: Siedlungen <strong>der</strong> Inuit in Grönland (Karte)<br />

Siedlungen <strong>der</strong> Inuit in Grönland<br />

(Quelle: http://www.esm.rochester.edu/organ/Greenland/Images/Map-Large.jpg)


Anhang 2: Siedlungsgebiete <strong>der</strong> Inuit in Kanada (Karte)<br />

Siedlungsgebiete <strong>der</strong> Inuit in Kanada<br />

(Quelle: http://www.makivik.org/media-centre/nunavik-maps/)


Anhang 3: Siedlungsgebiete <strong>der</strong> Inuit in Alaska (Karte)<br />

Siedlungsgebiete <strong>der</strong> Inuit in Alaska<br />

(Eigene Darstellung mit: http://www.nationalatlas.gov/mapmaker/mapmaker/printableMap)<br />

North Slope<br />

Northwest<br />

Arctic<br />

Nome<br />

Wade Hampton<br />

Bethel<br />

Dillingham


Anhang 4: Fragebogen<br />

Liebe Schülerin, lieber Schüler,<br />

mit diesem Fragebogen möchte <strong>ich</strong> gerne erfahren, was du über das Leben in <strong>der</strong> kalten Zone <strong>weiß</strong>t<br />

bzw. welche Vorstellungen du darüber hast. Bitte beantworte die folgenden Fragen ganz spontan.<br />

Es kommt n<strong>ich</strong>t darauf an, ob deine Antworten alle r<strong>ich</strong>tig sind. Der Fragebogen ist anonym und<br />

deine Antworten werden n<strong>ich</strong>t bewertet, son<strong>der</strong>n sind für m<strong>ich</strong> eine w<strong>ich</strong>tige Rückmeldung. Mir<br />

geht es vor allem darum, zu erfahren, worauf künftig im Erdkundeunterr<strong>ich</strong>t eingegangen werden<br />

sollte und wie <strong>der</strong> Erdkundeunterr<strong>ich</strong>t womögl<strong>ich</strong> verbessert werden könnte.<br />

Bitte denke daran, <strong>dass</strong> nur ehrl<strong>ich</strong>e Antworten weiterhelfen können!<br />

Vielen Dank für deine Mitarbeit,<br />

Anna Lena Harnau<br />

Zunächst brauche <strong>ich</strong> ein paar persönl<strong>ich</strong>e Angaben zu deiner Person und deiner Einstellung<br />

zu Erdkunde:<br />

□ weibl<strong>ich</strong> □ männl<strong>ich</strong><br />

Alter: Klasse:<br />

Die Themen im Erdkundeunterr<strong>ich</strong>t finde <strong>ich</strong><br />

sehr interessant □ □ □ □ □ □ uninteressant<br />

Begründe bitte deine Antwort:<br />

1. Wie heißen die Bewohner <strong>der</strong> kalten Zone? Kreuze an.<br />

□ Indianer □ Eskimos □ Inuit □ Tuareg<br />

2. Nenne drei St<strong>ich</strong>worte, die dir spontan zum „Leben in <strong>der</strong><br />

kalten Zone“ einfallen.<br />

1


Anhang 4: Fragebogen<br />

3. Was interessiert d<strong>ich</strong> beson<strong>der</strong>s in Bezug auf das Leben in <strong>der</strong> kalten Zone?<br />

Begründe bitte deine Antwort.<br />

4. Stell dir vor, du würdest d<strong>ich</strong> über Skype mit einem/einer gle<strong>ich</strong>altrigen Jugendl<strong>ich</strong>en aus<br />

Grönland unterhalten. Du fragst ihn/sie, wie sein/ihr alltägl<strong>ich</strong>es Leben abläuft (Familie,<br />

Freunde, Schule, Freizeit, wie wohnt er/sie). Was glaubst du, würde er/sie dir antworten?<br />

2


Anhang 4: Fragebogen<br />

5. Welche Bil<strong>der</strong> entsprechen deinen Vorstellungen über das Leben in Grönland? Kreuze an.<br />

a) b c)<br />

d e) f)<br />

g)<br />

6. Kennst du ein Märchen, das aus <strong>der</strong> kalten Zone stammt? Würde d<strong>ich</strong> ein solches Märchen<br />

interessieren?<br />

Begründe bitte deine Antwort.<br />

h<br />

3


Anhang 4: Fragebogen<br />

7. Woher nimmst du dein Wissen über das Leben in <strong>der</strong> kalten Zone?<br />

□ Fernsehen (Nachr<strong>ich</strong>ten, Dokumentationen, …) □ Schule<br />

□ Zeitung, Zeitschriften □ Internet<br />

□ Familie, Freunde □ Bücher<br />

□ An<strong>der</strong>e:<br />

8. Wie s<strong>ich</strong>er bist du dir, <strong>dass</strong> deine Vorstellungen über das Leben in <strong>der</strong> kalten Zone zutreffen?<br />

sehr s<strong>ich</strong>er □ □ □ □ □ □ uns<strong>ich</strong>er<br />

Begründe bitte deine Antwort.<br />

Geschafft!!!<br />

4<br />

Vielen Dank für deine Hilfe!!!


Anhang 5: Tabellarische Ergebnisauflistung <strong>der</strong> Fragebogenerhebung<br />

Fragebogen<br />

Angaben zur Person<br />

Geschlecht Alter Klasse Interesse am<br />

Erdkundeunterr<strong>ich</strong>t<br />

(1 = w.; 2 = m.) (1 = sehr<br />

interessant; …; 6<br />

= uninteressant)<br />

Begründung des<br />

Interesses<br />

1/1 1 13 8 2 Die Themen,<br />

die wir<br />

bearbeiten<br />

interessieren<br />

m<strong>ich</strong> meistens<br />

und so erfahre<br />

<strong>ich</strong> mehr über<br />

die Erde.<br />

1/2 1 13 8 1 <strong>Ich</strong> finde es<br />

sehr<br />

interessant, da<br />

m<strong>ich</strong><br />

interessiert,<br />

was auf <strong>der</strong><br />

Erde vor s<strong>ich</strong><br />

geht.<br />

1/3 2 14 8 3 Man lernt viel<br />

über die ganze<br />

Welt, aber<br />

Spezialgebiete<br />

sind manchmal<br />

langweilig.<br />

1/4 2 14 8 2 Man lernt von<br />

<strong>der</strong> Welt. Man<br />

lernt etwas<br />

über das Klima.<br />

1/5 2 14 8 2 Manche<br />

Themen sind<br />

interessant und<br />

wenige auch<br />

n<strong>ich</strong>t.<br />

1/6 1 14 8 3 Manche<br />

Themen wie<br />

Karten und<br />

Län<strong>der</strong><br />

auswendiglerne<br />

n machen<br />

keinen Spaß.<br />

Dafür aber<br />

Kulturen und<br />

r<strong>ich</strong>tige<br />

Themen.<br />

1/7 1 13 8 2 <strong>Ich</strong> finde<br />

Erdkunde<br />

relativ<br />

interessant,<br />

weil die<br />

Themen im<br />

reellen Leben<br />

passieren.<br />

Wie heißen die<br />

Bewohner <strong>der</strong><br />

kalten Zone?<br />

(1 = Indianer; 2<br />

= Eskimos; 3 =<br />

Inuit; 4 =<br />

Tuareg)<br />

Drei spontane<br />

St<strong>ich</strong>worte<br />

zum "Leben in<br />

<strong>der</strong> kalten<br />

Zone"<br />

3 Eis; Iglu; Inuit Überleben in<br />

<strong>der</strong> kalten<br />

Zone; Tiere;<br />

Klima<br />

2; 3 Eis; arktisch;<br />

Pelz<br />

Den<br />

Vorstellungen<br />

entsprechende<br />

Bil<strong>der</strong> über das<br />

Leben in Grönland<br />

Interesse Begründung Familie Freunde Schule Freizeit Wohnverhältnisse Sonstiges (1 = a; 2 = b; 3 = c; Märchen aus Interesse an<br />

4 = d; 5 = e; 6 = f; 7 <strong>der</strong> kalten Zone einem Märchen<br />

= g; 8 = h) bekannt?<br />

(1 = ja; 2 = nein;<br />

3 = vielle<strong>ich</strong>t)<br />

<strong>Ich</strong> finde diese<br />

Themen<br />

interessant und<br />

möchte mehr<br />

darüber<br />

erfahren.<br />

Wie die Inuit es Es interessiert<br />

schaffen, s<strong>ich</strong> m<strong>ich</strong>!<br />

warm zu<br />

halten. Was<br />

essen sie?<br />

3 Iglus; Was passiert, Weil <strong>ich</strong> das<br />

Felljacken, wenn man n<strong>ich</strong>t <strong>weiß</strong>.<br />

Hundeschlitten eingeschneit ist<br />

und n<strong>ich</strong>t mehr<br />

wegkommt;<br />

wovon man<br />

s<strong>ich</strong> ernährt.<br />

3 Eisbären;<br />

Eishockey;<br />

Pinguine<br />

3 kalt; Eis;<br />

Eisbären<br />

2 Iglus; Eisbären;<br />

Fisch<br />

2 Eskimos; Kälte;<br />

Iglus; Eis<br />

Beson<strong>der</strong>es Interesse in Bezug<br />

auf das Leben in <strong>der</strong> kalten<br />

Zone<br />

Wie sie<br />

wohnen, was<br />

sie essen, was<br />

ihr Alltag ist,<br />

was sie<br />

anziehen.<br />

Weil es m<strong>ich</strong><br />

interessiert.<br />

Wie überleben Weil es m<strong>ich</strong><br />

dort die interessiert.<br />

Menschen?<br />

Was gibt es<br />

dort zu essen?<br />

Laufen da frei<br />

Eisbären und<br />

Pinguine rum?<br />

M<strong>ich</strong><br />

interessiert,<br />

wie die<br />

Bewohner dort<br />

überleben<br />

können.<br />

Weil die kalte<br />

Zone eine sehr<br />

anspruchsvolle<br />

Zone ist.<br />

Mein Vater holt das<br />

Essen und meine<br />

Mutter wärmt schon<br />

mal etwas Wasser<br />

auf. Dann stehen<br />

meine Schwester und<br />

<strong>ich</strong> auf. Alle<br />

zusammen essen wir<br />

etwas.<br />

Wie würde ein gle<strong>ich</strong>altriger grönländischer Jugendl<strong>ich</strong>er sein alltägl<strong>ich</strong>es Leben beschreiben?<br />

Er fährt jeden<br />

Morgen mit einem<br />

Schlitten in die<br />

Schule.<br />

… er mit seinen … <strong>dass</strong> es in <strong>der</strong><br />

"Freunden" ne digge Schule langweilig<br />

Party gemacht hat … war, …<br />

Anschließend gehen Wir spielen noch<br />

wir mit den etwas und gehen<br />

Nachbarkin<strong>der</strong>n zum dann ins Bett.<br />

Dorfältesten, um<br />

etwas zu lernen.<br />

Anschließend ist es<br />

schon spät und<br />

dunkel, wenn wir<br />

Im Sommer gehen sie Sie wohnen in<br />

auf Jagd genau wie r<strong>ich</strong>tigen Häusern.<br />

im Winter, aber sie<br />

sammeln manchmal<br />

auch.<br />

wie<strong>der</strong>kommen.<br />

Er hat einen sehr Seine Hobbies sind<br />

langen Schulweg und Schneeballschlachten<br />

wenn es stark , Schneeengel<br />

schneit, kann er gar machen, Eisburgen<br />

n<strong>ich</strong>t zur Schule bauen, Eishockey,<br />

gehen.<br />

Schlittenrennen,<br />

Fischen,<br />

Schneemänner bauen<br />

und den<br />

Weihnachtsmann<br />

suchen.<br />

… und danach noch<br />

ne Runde Eishockey<br />

gespielt hat … Am<br />

nächsten Tag hat er<br />

einen Schneemann<br />

gebaut und einen<br />

Schneeengel<br />

gemacht, <strong>der</strong> bei<br />

einer<br />

Schneeballschlacht<br />

ums Leben<br />

Es gibt einen Laden,<br />

in dem sie viel<br />

einkaufen können;<br />

alles, was sie<br />

brauchen. Es gibt<br />

auch sehr viele<br />

an<strong>der</strong>e Menschen in<br />

ihrem Dorf.<br />

Es ist sehr kalt, Sobald die<br />

deshalb schlafen wir Polarl<strong>ich</strong>ter<br />

alle zusammen und verloschen sind,<br />

unter Pelz. stehen wir auf, da<br />

das beste Frühstück<br />

um diese Zeit<br />

herumläuft.<br />

… und am Abend in<br />

seinem "Bett" im Iglu<br />

eingeschlafen ist.<br />

Gibt es dort<br />

überhaupt überall<br />

Internet? Er würde<br />

erzählen, <strong>dass</strong> er s<strong>ich</strong><br />

hauptsächl<strong>ich</strong> von<br />

Fisch und<br />

Eisbärenfleisch<br />

ernährt.<br />

Er würde erzählen,<br />

wenn er Internet<br />

hätte, …<br />

gekommen ist.<br />

<strong>Ich</strong> stehe auf. Papa Nach dem Mittag Zur Schule gehen. Schneemänner Abends gehe <strong>ich</strong> ins Nachts kann man den<br />

hat Fisch geholt. Wir spiele <strong>ich</strong> mit meinen<br />

bauen.<br />

Iglu in mein "Bett". Sternenhimmel<br />

essen alle am Tisch vielen Freunden.<br />

beobachten und<br />

Fisch und Fleisch (mit<br />

manchmal auch die<br />

Mama, Papa und<br />

meinen fünf<br />

Geschwistern).<br />

Danach gehe <strong>ich</strong> mit<br />

meinem Bru<strong>der</strong> auf<br />

Jagd. Außerdem<br />

helfen wir, das Essen<br />

zu kochen.<br />

Polarl<strong>ich</strong>ter.<br />

<strong>Ich</strong> denke auch, <strong>dass</strong> In <strong>der</strong> Freizeit gehen <strong>Ich</strong> glaube, die leben<br />

die zur Schule gehen, die vielle<strong>ich</strong>t fischen in normalen Häusern<br />

wie wir auch. o<strong>der</strong> machen Sachen, und Dörfern.<br />

wie wir auch.<br />

In <strong>der</strong> Schule sitzen<br />

alle in Jacken.<br />

In <strong>der</strong> Freizeit gehe<br />

<strong>ich</strong> Schlitten fahren.<br />

Meine Familie und Das Leben hier ist<br />

<strong>ich</strong> wohnen in einem sehr kalt.<br />

Iglu und meine<br />

Freunde auch.<br />

1; 3; 5; 7 <strong>Ich</strong> kenne,<br />

glaube <strong>ich</strong>,<br />

keins.<br />

Herkunft des Wissens über<br />

die kalte Zone<br />

Begründung S<strong>ich</strong>erheit Begründung<br />

2 M<strong>ich</strong> würde es<br />

interessieren,<br />

weil Märchen<br />

tolle<br />

Gesch<strong>ich</strong>ten<br />

sind und sie<br />

dann noch aus<br />

einer so<br />

schönen<br />

Umgebung<br />

stammen.<br />

1; 2; 3; 5; 7; 8; 9 2 Nein, da<br />

Märchen nur<br />

erfunden sind.<br />

<strong>Ich</strong> möchte<br />

aber die<br />

Wahrheit<br />

wissen.<br />

1; 2; 3; 4; 5 <strong>Ich</strong> kenne kein<br />

Märchen.<br />

2; 4; 5; 8 Der<br />

Weihnachtsmann,<br />

<strong>der</strong> hat<br />

m<strong>ich</strong> früher<br />

sehr<br />

interessiert.<br />

1; 2; 4; 5; 8 <strong>Ich</strong> kenne kein<br />

Märchen. <strong>Ich</strong><br />

kenne aber<br />

einen Film.<br />

Habe aber den<br />

Namen<br />

vergessen. Es<br />

geht um so 506<br />

Schlittenhunde.<br />

1; 4; 5; 7; 8 Wo <strong>der</strong><br />

Weihnachtsmann<br />

wohnt<br />

(Anm.: Das ist<br />

ein Kin<strong>der</strong>buch<br />

von Mauri<br />

Kunnas und<br />

spielt in<br />

Finnland ).<br />

1; 2; 4; 5 Nein, kenne <strong>ich</strong><br />

n<strong>ich</strong>t.<br />

Bekanntheit eines Märchens aus <strong>der</strong> kalten<br />

Zone und Interesse an einem Solchen<br />

1 <strong>Ich</strong> habe gar<br />

keine<br />

Vorstellung,<br />

was es dort für<br />

Märchen gibt.<br />

Weil das lustig<br />

war.<br />

1 Weil es<br />

vielle<strong>ich</strong>t<br />

spannend ist.<br />

1 Als Kind mochte<br />

<strong>ich</strong> das.<br />

2 Weil m<strong>ich</strong> die<br />

reelle Welt<br />

interessiert und<br />

n<strong>ich</strong>t die<br />

Märchenwelt.<br />

(1 = Fernsehen; 2 =<br />

Zeitung/Zeitschriften; 3 =<br />

Familie/Freunde; 4 =<br />

Schule; 5 = Internet; 6 =<br />

(1 = sehr s<strong>ich</strong>er; …;<br />

6 = uns<strong>ich</strong>er)<br />

Bücher; 7 = An<strong>der</strong>e)<br />

1; 2; 4; 6 3 <strong>Ich</strong> glaube, meine<br />

Angaben letztens<br />

irgendwo gelesen<br />

zu haben.<br />

1; 3; 4; 5; 7 (Umgebung) 5 Da <strong>ich</strong> noch n<strong>ich</strong>t<br />

so viel <strong>weiß</strong>.<br />

1; 2; 6; 7 (iPod) 5 <strong>Ich</strong> habe noch nie<br />

etwas Genaues<br />

darüber gehört.<br />

1; 5; 7 (PSN, MSN, xBox<br />

Live, iPod, iPad, iMac)<br />

S<strong>ich</strong>erheit bzgl. des Zutreffens <strong>der</strong><br />

Vorstellungen über die kalte Zone<br />

6 <strong>Ich</strong> habe keine<br />

Ahnung über das<br />

Leben in <strong>der</strong> kalten<br />

Zone.<br />

1; 2; 3; 4; 7 (iPod) 5 <strong>Ich</strong> glaube, sie<br />

machen ganz<br />

an<strong>der</strong>e Dinge.<br />

1; 2; 3; 4; 5; 7 3 <strong>Ich</strong> <strong>weiß</strong> n<strong>ich</strong>t so<br />

viel über die kalte<br />

Zone, aber bei ein<br />

paar Dingen bin<br />

<strong>ich</strong> mir s<strong>ich</strong>er.<br />

1; 4 3 Weil wir dieses<br />

Thema noch n<strong>ich</strong>t<br />

hatten.


Anhang 5: Tabellarische Ergebnisauflistung <strong>der</strong> Fragebogenerhebung<br />

1/8 2 14 8 3 Öfters<br />

langweilige<br />

Gestaltung<br />

1/9 2 14 8 1 Weil <strong>ich</strong><br />

darüber n<strong>ich</strong>ts<br />

<strong>weiß</strong> und <strong>ich</strong> es<br />

wissen möchte.<br />

1/10 2 14 8 2 Weil es<br />

spannend ist<br />

und man sieht<br />

die Welt mit<br />

an<strong>der</strong>en Augen.<br />

1/11 2 13 8 2 Manche<br />

Themen sind<br />

langweilig.<br />

1/12 2 14 8 3 Es gibt<br />

schlimmere<br />

Fächer, aber<br />

auch bessere.<br />

1/13 2 13 8 2 Einige Themen<br />

sind manchmal<br />

schnell<br />

langweilig.<br />

1/14 2 14 8 4 Interessiert<br />

m<strong>ich</strong> n<strong>ich</strong>t<br />

wirkl<strong>ich</strong>, weil<br />

<strong>ich</strong> z.B.<br />

gesch<strong>ich</strong>tl<strong>ich</strong>e<br />

Themen<br />

interessanter<br />

finde.<br />

1/15 2 14 8 2 Es ist schon<br />

sehr<br />

interessant,<br />

aber manchmal<br />

werden die<br />

Themen<br />

komisch<br />

rübergebracht.<br />

1/16 1 14 8 3 Weil <strong>ich</strong><br />

manches schon<br />

<strong>weiß</strong> und m<strong>ich</strong><br />

manches n<strong>ich</strong>t<br />

interessiert<br />

(n<strong>ich</strong>t so<br />

detailliert<br />

zumindest).<br />

2 Es ist kalt. Man<br />

fängt dort viele<br />

Fische. Es gibt<br />

auch Eisbären.<br />

N<strong>ich</strong>ts. In <strong>der</strong> Schule kann<br />

man "kältefrei"<br />

bekommen. Zur<br />

Schule muss man<br />

In <strong>der</strong> Freizeit kann<br />

man n<strong>ich</strong>t viel<br />

machen.<br />

3 Schnee; jagen; Wie kriegt man <strong>Ich</strong> habe keine Er muss viel zu Hause Wenn er s<strong>ich</strong> mit<br />

weit laufen.<br />

Er geht in die Schule. Er wohnt in<br />

frieren das Essen? Was Ahnung davon mithelfen.<br />

Freunden trifft, dann<br />

Containerhäusern<br />

essen die so? und mit den<br />

spielen sie PC (Eis<br />

und nur bei <strong>der</strong> Jagd<br />

Wie bewegen Motorschlitten<br />

essen sie<br />

in Iglus.<br />

die s<strong>ich</strong> fort? fährt man<br />

bestimmt n<strong>ich</strong>t<br />

sehr weit.<br />

wahrscheinl<strong>ich</strong> n<strong>ich</strong>t).<br />

3 Fisch; Iglu; Dass man dort Es ist dort sehr Nachmittags geht er Danach spielt er mit … und geht zur<br />

Er würde aufstehen, Dann zieht er s<strong>ich</strong><br />

Eisbären leben kann, kalt.<br />

mit seinem Vater seinen Freunden … Schule.<br />

Wasser auftauen, um seine Pelze an … …<br />

ohne<br />

fischen.<br />

zu duschen o<strong>der</strong> und isst zu Abend<br />

einzufrieren<br />

und, <strong>dass</strong> man<br />

in einem Iglu<br />

wohnen kann.<br />

etwas zu trinken. und geht ins Bett.<br />

3 Kälte; Eis;<br />

Pinguine<br />

3 Fischen;<br />

Pinguine; Iglu<br />

3 Kälte; Eis;<br />

Schnee<br />

Wie die Tiere Weil das<br />

dort überleben. interessant ist.<br />

Das Eis Interessantes<br />

Thema<br />

Tiere in <strong>der</strong><br />

Kälte<br />

3 Iglu; kalt; Eis Die soziale<br />

Ordnung und<br />

die Kultur.<br />

2; 3 kalt; Eis;<br />

Schnee<br />

3 Iglu; kalt;<br />

an<strong>der</strong>es Klima<br />

als hier<br />

Weil m<strong>ich</strong> … und vielle<strong>ich</strong>t gehe<br />

interessiert, wie <strong>ich</strong> noch mit meiner<br />

die Tiere bei so Mutter einkaufen.<br />

einer Kälte<br />

überleben<br />

können.<br />

Weil <strong>ich</strong> m<strong>ich</strong><br />

interessiere, ob<br />

die Kultur<br />

etwas mit dem<br />

Überleben in<br />

<strong>der</strong> kalten Zone<br />

zu tun hat.<br />

So halt die Tiere sind<br />

Lebensformen, immer<br />

Bäume und, ob interessant und<br />

meine zu meiner<br />

Behauptung Behauptung:<br />

stimmt, <strong>dass</strong> Sinn und Zweck<br />

Pflanzen die des Lebens ist<br />

fortschrittl<strong>ich</strong>st<br />

e Lebensform<br />

sind.<br />

Ernährung; Wo<br />

wohnen sie<br />

bzw. wie<br />

wohnen sie?<br />

die<br />

Fortpflanzung.<br />

Das tun<br />

Pflanzen.<br />

<strong>Ich</strong> denke, <strong>dass</strong><br />

es dort an<strong>der</strong>s<br />

ist als hier,<br />

deswegen will<br />

<strong>ich</strong> das wissen.<br />

Dass seine Freunde<br />

sehr weit weg<br />

wohnen.<br />

Sie müssen früh<br />

aufstehen und einen<br />

langen Weg zur<br />

Schule haben.<br />

In die Schule. Dann<br />

gehe <strong>ich</strong> nach Hause,<br />

mache meine<br />

Hausaufgaben …<br />

Dass seine Schule<br />

sehr weit weg ist.<br />

Dass er in seiner<br />

Freizeit seinen Eltern<br />

hilft, das Haus zu<br />

wärmen, indem er<br />

z.B. Holz hackt.<br />

… Mit dem Schlitten … Schneeballschlacht<br />

zur Schule, Erdkunde usw. Schlitten nach<br />

üba Wüste reden, … Hause ziehen, essen,<br />

trinken und dann<br />

gamen. Cool ne :)<br />

Nee, eigentl<strong>ich</strong> n<strong>ich</strong>t.<br />

Es ist sehr kalt. 1; 5; 7; 8 Nein. 2 M<strong>ich</strong><br />

interessieren<br />

keine Märchen.<br />

Man schläft in Iglus … … und muss dicke<br />

Klamotten tragen.<br />

Wir müssen uns<br />

Fische angeln, damit<br />

wir überleben. Es ist<br />

sehr kalt. Man<br />

bekommt schnell<br />

eine Lungenentzündung,<br />

weil es<br />

so kalt ist. Die Winter<br />

sind meist kälter als -<br />

40°C und die Sommer<br />

werden 0°C.<br />

<strong>Ich</strong> denke, <strong>dass</strong> er/sie<br />

erzählt, <strong>dass</strong> ihr<br />

Alltag schwer ist. Es<br />

ist sehr kalt und es<br />

gibt n<strong>ich</strong>t viele Shops.<br />

Sie müssen ihre<br />

Nahrung selbst<br />

fangen und leben von<br />

<strong>der</strong> Natur.<br />

Vielle<strong>ich</strong>t würde<br />

er/sie antworten: <strong>Ich</strong><br />

stehe morgens auf,<br />

frühstücke und ziehe<br />

m<strong>ich</strong> ganz warm an,<br />

um raus zu gehen. ...<br />

Dann gehe <strong>ich</strong><br />

schlafen.<br />

Hey du, wie geht’s? -<br />

Guddi, Digga. Mir<br />

geht’s gut. - Was<br />

machste so imma? …<br />

<strong>Ich</strong> denke, er/sie<br />

würde sagen, <strong>dass</strong><br />

dort alles ist wie hier.<br />

1; 2; 4; 8 Nein, <strong>ich</strong> kenne<br />

keine.<br />

1; 2; 4; 5; 8 <strong>Ich</strong> kenne einen<br />

Film, <strong>der</strong> dort in<br />

<strong>der</strong> Gegend<br />

stattfand, wo<br />

ein Junge<br />

ermordet wird<br />

und sie erkennt<br />

anhand von<br />

Spuren im<br />

Schnee, <strong>dass</strong> er<br />

gejagt wurde<br />

(Anm.: Fräulein<br />

Smillas<br />

Gespühr für<br />

Schnee ).<br />

1; 2; 5 <strong>Ich</strong> kenne kein<br />

Märchen.<br />

1; 4 5 <strong>Ich</strong> <strong>weiß</strong> wenig<br />

darüber.<br />

2 1; 2; 4 3 Man kennt wenig<br />

Filme und in <strong>der</strong><br />

Schule haben wir<br />

es noch n<strong>ich</strong>t<br />

durchgenommen.<br />

Weil <strong>ich</strong> keins<br />

kenne.<br />

1; 3; 4; 5; 6 3 Da <strong>ich</strong> vieles aus<br />

zuverlässigen<br />

Quellen <strong>weiß</strong>.<br />

1; 2; 6 2 <strong>Ich</strong> bin mir s<strong>ich</strong>er,<br />

aber auch mal<br />

n<strong>ich</strong>t so s<strong>ich</strong>er.<br />

2; 4; 5; 8 Narnia. 1; 4 3 N<strong>ich</strong>t s<strong>ich</strong>er.<br />

1; 5 Nein, <strong>ich</strong> kenne<br />

kein Märchen.<br />

1; 2; 4; 8 Nein, <strong>ich</strong> kenne<br />

kein Märchen.<br />

1; 2; 4; 8 <strong>Ich</strong> kenne ein<br />

Märchen von<br />

einer <strong>weiß</strong>en<br />

Robbe, die<br />

einen neuen<br />

Geburtsplatz<br />

für die Herde<br />

sucht.<br />

1; 3; 5; 8 Nein, kenne <strong>ich</strong><br />

n<strong>ich</strong>t.<br />

2 Es ist ja in <strong>der</strong><br />

heutigen Zeit<br />

dort fast<br />

genauso wie<br />

hier. Also ist es<br />

n<strong>ich</strong>t wirkl<strong>ich</strong><br />

etwas<br />

Beson<strong>der</strong>es.<br />

3 Weil Märchen<br />

eventuell die<br />

Lebenslage<br />

beschreiben<br />

und die<br />

Befürchtungen,<br />

Ängste und<br />

Wünsche<br />

ausdrücken<br />

können.<br />

Naja, <strong>ich</strong> kenne<br />

halt das<br />

Märchen und<br />

<strong>ich</strong> mag es.<br />

1 Weil es<br />

vielle<strong>ich</strong>t ganz<br />

an<strong>der</strong>s ist<br />

(Form und<br />

Inhalt).<br />

1; 2 4<br />

1; 2; 4; 6 2 Weil <strong>ich</strong> einen Teil<br />

<strong>weiß</strong> bzw. gehört<br />

habe.<br />

4; 6; 7 (Ice Age I, II, III) 1 Naja, <strong>ich</strong> bin voll<br />

<strong>der</strong> Pro in Sachen<br />

kalte Zone und<br />

Jaguar und Löwe<br />

und so weiter.<br />

4 6 <strong>Ich</strong> kann m<strong>ich</strong><br />

n<strong>ich</strong>t mehr<br />

erinnern, was wir<br />

in <strong>der</strong> Schule<br />

gelernt haben.


Anhang 5: Tabellarische Ergebnisauflistung <strong>der</strong> Fragebogenerhebung<br />

1/17 2 14 8 5 N<strong>ich</strong>t alle<br />

Themen<br />

interessieren<br />

m<strong>ich</strong> (z.B.<br />

Gletscher,<br />

Gebirgsketten<br />

etc.).<br />

1/18 2 13 8 2 Weil m<strong>ich</strong> die<br />

Welt<br />

interessiert, wie<br />

es dort aussieht<br />

und so weiter.<br />

1/19 2 14 8 4 <strong>Ich</strong> finde die<br />

Themen relativ<br />

spannend, doch<br />

man könnte es<br />

ein bisschen<br />

spannen<strong>der</strong><br />

unterr<strong>ich</strong>ten.<br />

Außerdem mag<br />

<strong>ich</strong> Naturwissenschaften.<br />

1/20 1 14 8 3 <strong>Ich</strong> finde es<br />

langweilig,<br />

irgendwelche<br />

Städte im Atlas<br />

zu suchen o<strong>der</strong><br />

Sonstiges.<br />

1/21 2 14 8 3 Es gibt<br />

Schlimmeres als<br />

Erdkunde, da es<br />

manchmal sehr<br />

interessant ist.<br />

1/22 2 14 8 4 Manche<br />

Themen sind<br />

n<strong>ich</strong>t<br />

interessant,<br />

an<strong>der</strong>e jedoch<br />

umso mehr.<br />

1/23 2 14 8 3 Die meisten<br />

Themen sind<br />

langweilig und<br />

uninteressant.<br />

1/24 2 15 8 3 <strong>Ich</strong> finde<br />

Wissenschaften<br />

(zieml<strong>ich</strong>)<br />

interessant.<br />

1/25 1 13 8 2 <strong>Ich</strong> finde<br />

Erdkunde<br />

zieml<strong>ich</strong><br />

interessant,<br />

weil <strong>ich</strong> einige<br />

Themen sehr<br />

spannend finde,<br />

wie den Orient<br />

und Naturkatastrophen.<br />

3; 4 Kalt; schwere Überleben in Wenn <strong>ich</strong> mal in<br />

Nahrungsbesch <strong>der</strong> kalten Zone <strong>der</strong> kalten Zone<br />

affung; Eis<br />

bin, kann <strong>ich</strong><br />

überleben.<br />

3 Wale; Eisbären; Dass es dort<br />

Inuit<br />

Menschen gibt,<br />

die diese Kälte<br />

aushalten.<br />

Weil <strong>ich</strong> wissen <strong>Ich</strong> habe vier<br />

möchte, wie die Geschwister …<br />

Menschen es<br />

dort aushalten.<br />

3 Iglu; Beutejagd; Vielle<strong>ich</strong>t wie Weil <strong>ich</strong> es<br />

Zusammenhalt sie das Leben außergewöhnlic<br />

hinbekommen h finde, wie sie<br />

ohne viele das<br />

Hilfsmittel wie hinbekommen.<br />

Strom,<br />

Wasserleitung.<br />

2 Ein geregelter<br />

Lebensablauf;<br />

Pinguine;<br />

Eskimos<br />

3 Iglus; Pinguine;<br />

Eisbären<br />

3 kalt;<br />

Eis/Schnee;<br />

wenige<br />

Einwohner<br />

Der Alltag und<br />

die Lebensbedingungen<br />

<strong>der</strong> Menschen.<br />

Das harte<br />

Leben<br />

Weil <strong>ich</strong> gerne<br />

wüsste, ob die<br />

Vorurteile<br />

stimmen.<br />

Weil es ganz<br />

an<strong>der</strong>s ist, als<br />

wir leben.<br />

Was die Weil <strong>ich</strong> es<br />

Menschen n<strong>ich</strong>t kenne.<br />

essen und wie<br />

sie genau<br />

leben.<br />

3 kalt/kühl; Wie die <strong>Ich</strong> interessiere<br />

abgelegen; Eis Menschen dort m<strong>ich</strong> für an<strong>der</strong>e<br />

leben (Lebens- Kulturen,<br />

bedingungen) Län<strong>der</strong> usw.<br />

und ihre<br />

Lebensformen.<br />

3 Kalt; Nahrung<br />

begrenzt; viel<br />

Kleidung<br />

2 Schnee; Iglus;<br />

Eisbären<br />

Vielle<strong>ich</strong>t<br />

Krankheiten<br />

und Nahrung<br />

Die Lebens- <strong>Ich</strong> finde dieses<br />

gewohnheiten Thema<br />

<strong>der</strong> Menschen, interessant, da<br />

die dort leben. die Menschen<br />

dort total<br />

an<strong>der</strong>s leben<br />

und <strong>ich</strong> gerne<br />

wissen möchte,<br />

wie.<br />

… und eine Familie,<br />

genauso wie wir.<br />

5. Freunde treffen 1. Zur Schule<br />

3. Hausaufgaben<br />

Außerdem, <strong>dass</strong> sie<br />

auch Freunde haben<br />

…<br />

… und gehe n<strong>ich</strong>t zur In meiner Freizeit<br />

Schule, weil es keine gehe <strong>ich</strong> mit meinem<br />

gibt.<br />

Vater Eisbären<br />

fangen.<br />

Wir haben n<strong>ich</strong>t so<br />

viel Schule …<br />

Wir müssen jeden<br />

Tag zur Schule 20<br />

Minuten zu Fuß durch<br />

hohen Schnee<br />

wan<strong>der</strong>n. Das ist echt<br />

anstrengend.<br />

Keine Ahnung. <strong>Ich</strong><br />

denke, ähnl<strong>ich</strong> wie<br />

bei uns, allerdings mit<br />

an<strong>der</strong>en Berufen und<br />

ohne viele elektrische<br />

Geräte.<br />

Hallo, <strong>ich</strong> wohne in<br />

Grönland.<br />

6. zurück in die Hütte 2. zurück<br />

4. Helfen beim Jagen<br />

7. schlafen<br />

<strong>Ich</strong> glaube, <strong>dass</strong> sie in<br />

ganz normalen<br />

Häusern leben, weil<br />

es dort<br />

wahrscheinl<strong>ich</strong> ganz<br />

normale Städte gibt.<br />

… und verbringen ihre <strong>Ich</strong> denke, die<br />

Freizeit gle<strong>ich</strong>. wohnen fast wie in<br />

Deutschland …<br />

… und haben zwar<br />

viel Freizeit, doch<br />

können da n<strong>ich</strong>t so<br />

viel machen.<br />

Wir wohnen in einer<br />

kleinen Hütte.<br />

Wahrscheinl<strong>ich</strong><br />

würde er sagen, <strong>dass</strong><br />

es etwas kälter ist als<br />

bei uns.<br />

Das Leben ist n<strong>ich</strong>t<br />

einfach. … Nach <strong>der</strong><br />

Schule müssen wir<br />

noch Essen besorgen<br />

und eisfischen.<br />

Aus Interesse Er würde s<strong>ich</strong><br />

beschweren, <strong>dass</strong> es<br />

bei ihnen so kalt ist.<br />

<strong>Ich</strong> hätte keine<br />

Ahnung, was er sonst<br />

noch antworten<br />

würde, weil <strong>ich</strong> mir<br />

das n<strong>ich</strong>t so r<strong>ich</strong>tig<br />

vorstellen könnte.<br />

Sie würde antworten,<br />

<strong>dass</strong> sie auch bei sehr<br />

kalten Temperaturen<br />

zur Schule muss, da<br />

dies dort normal ist.<br />

2; 4; 5; 8 Nein. 2 Märchen aus<br />

<strong>der</strong> kalten Zone<br />

würden m<strong>ich</strong><br />

n<strong>ich</strong>t mehr o<strong>der</strong><br />

weniger<br />

interessieren<br />

als welche von<br />

woan<strong>der</strong>s. <strong>Ich</strong><br />

mag keine<br />

Märchen.<br />

1; 3; 4; 7 Nein, <strong>ich</strong> kenne<br />

keine.<br />

1 Weil <strong>ich</strong> wissen<br />

möchte, wie die<br />

Menschen dort<br />

leben und was<br />

sie dort<br />

machen.<br />

2; 4; 5 3 Weil <strong>ich</strong> keine<br />

Lust hätte ein<br />

langweiliges<br />

Märchen zu<br />

hören.<br />

An<strong>der</strong>erseits<br />

hätte <strong>ich</strong><br />

vielle<strong>ich</strong>t die<br />

Neugier, um<br />

was von den<br />

Menschen in<br />

<strong>der</strong> kalten Zone<br />

zu hören. (<strong>Ich</strong><br />

mag Märchen<br />

eigentl<strong>ich</strong><br />

n<strong>ich</strong>t!!!)<br />

1; 2; 4; 6 4 Soweit <strong>ich</strong> <strong>weiß</strong>,<br />

hatten wir das<br />

Thema noch n<strong>ich</strong>t<br />

in <strong>der</strong> Schule.<br />

1; 4 3 Weil <strong>ich</strong> schon<br />

mehrere<br />

Dokumentationen<br />

über die kalte Zone<br />

gesehen habe.<br />

1; 4; 6 3 <strong>Ich</strong> habe früher<br />

noch Dokufilme<br />

von vielen Sachen<br />

gesehen.<br />

1; 2; 5; 7; 8 Nein. 3 Weil <strong>der</strong><br />

1; 3; 6 4 Weil <strong>ich</strong> noch nie<br />

Verge<strong>ich</strong><br />

dort war und <strong>ich</strong><br />

zwischen<br />

m<strong>ich</strong> auch n<strong>ich</strong>t<br />

unseren<br />

genau damit<br />

Märchen und<br />

denen aus <strong>der</strong><br />

kalten Zone<br />

ganz spannend<br />

beschäftigt habe.<br />

wäre.<br />

1; 2; 4; 8 2 <strong>Ich</strong> interessiere<br />

1; 4 5 <strong>Ich</strong> interessiere<br />

m<strong>ich</strong> mehr für<br />

m<strong>ich</strong> n<strong>ich</strong>t für<br />

an<strong>der</strong>e Sachen.<br />

Grönland und<br />

glaube, <strong>dass</strong> das<br />

Leben teilweise<br />

fast genauso ist<br />

wie in<br />

Deutschland.<br />

1; 2; 4; 5 Tabaluga 1 7 (eigenes Wissen) 3 <strong>Ich</strong> kenne m<strong>ich</strong> ein<br />

bisschen damit<br />

aus, doch die<br />

Fragen waren<br />

n<strong>ich</strong>t so schwer.<br />

1; 2; 3; 4; 5; 7; 8 <strong>Ich</strong> kenne kein<br />

Märchen, das<br />

dort spielt.<br />

3 Kommt darauf<br />

an, worum es<br />

geht, aber<br />

allgemein<br />

interessieren<br />

Märchen m<strong>ich</strong><br />

n<strong>ich</strong>t.<br />

1; 5; 8 Nein. 2 M<strong>ich</strong><br />

interessieren<br />

allgemein keine<br />

Märchen.<br />

1; 2; 4 <strong>Ich</strong> kenne kein<br />

Märchen.<br />

1 M<strong>ich</strong> würde<br />

eines<br />

interessieren,<br />

da man dort<br />

den Alltag zu<br />

sehen<br />

bekommt.<br />

1; 2; 3; 4; 5; 6 5 Weil <strong>ich</strong> mir<br />

uns<strong>ich</strong>er bin.<br />

1 3 <strong>Ich</strong> <strong>weiß</strong> n<strong>ich</strong>t<br />

wirkl<strong>ich</strong> viel<br />

darüber.<br />

1; 4; 6 3 <strong>Ich</strong> beschäftige<br />

m<strong>ich</strong> n<strong>ich</strong>t wirkl<strong>ich</strong><br />

mit diesem<br />

Thema, deswegen<br />

bin <strong>ich</strong> mir n<strong>ich</strong>t so<br />

s<strong>ich</strong>er.


Anhang 5: Tabellarische Ergebnisauflistung <strong>der</strong> Fragebogenerhebung<br />

1/26 2 14 8 3 Es ist ein<br />

interessantes<br />

Thema mit<br />

vielen guten<br />

Themen. Viele<br />

davon sind<br />

auch für m<strong>ich</strong><br />

interessant.<br />

1/27 1 14 8 3 Themen wie<br />

Er<strong>der</strong>wärmung<br />

und<br />

Naturschäden<br />

interessieren<br />

m<strong>ich</strong> ein wenig<br />

und z.B. "Wo<br />

liegt was" n<strong>ich</strong>t<br />

so sehr. Dieses<br />

Thema kommt<br />

sehr oft vor.<br />

3 Wale; Eisbären; Wie leben dort <strong>Ich</strong> finde es das<br />

Inuit mögl<strong>ich</strong> ist Interessanteste<br />

(überleben).<br />

Leben dort<br />

generell.<br />

.<br />

2 kalt;<br />

Lebensmittelmangel<br />

(kein<br />

Obst/Früchte);<br />

Fisch<br />

1/28 2 14 8 3 2; 3 Schnee; jagen;<br />

Eis; kalt<br />

2/1 1 12 7 2 <strong>Ich</strong> interessiere<br />

m<strong>ich</strong> sehr für<br />

Erdkunde, aber<br />

manchmal<br />

machen wir<br />

auch doofe<br />

Sachen.<br />

2/2 1 13 7 3 Manchmal ist<br />

es r<strong>ich</strong>tig cool<br />

und<br />

interessant,<br />

manchmal aber<br />

auch tierisch<br />

langweilig.<br />

2/3 1 12 7 3 <strong>Ich</strong> <strong>weiß</strong> n<strong>ich</strong>t.<br />

Manchmal<br />

interessiert es<br />

m<strong>ich</strong> einfach<br />

n<strong>ich</strong>t, wieviel<br />

Grad es<br />

irgendwo auf<br />

<strong>der</strong> Erde ist.<br />

Aber manches<br />

finde <strong>ich</strong> auch<br />

interessant.<br />

2/4 1 12 7 3 Manche<br />

Themen<br />

interessieren<br />

m<strong>ich</strong>, so wie die<br />

Ozeane. Aber<br />

an<strong>der</strong>e<br />

wie<strong>der</strong>um<br />

n<strong>ich</strong>t.<br />

2/5 1 13 7 3 M<strong>ich</strong><br />

interessiert, wie<br />

an<strong>der</strong>e<br />

Menschen<br />

leben. Aber<br />

Karten /<br />

Diagramme<br />

sind n<strong>ich</strong>t so<br />

interessant.<br />

2/6 1 13 7 3 Viele Themen<br />

sind sehr<br />

interessant,<br />

denn die<br />

meisten sind<br />

aktuell o<strong>der</strong><br />

betreffen die<br />

Zukunft.<br />

Woher<br />

bekommen sie<br />

ihre<br />

Lebensmittel?<br />

Was essen die<br />

so? Wie<br />

bewegen sie<br />

s<strong>ich</strong> fort?<br />

3 Umwelt ist Polartag und<br />

gefährdet;<br />

keine Pflanzen;<br />

Eis<br />

Polarnacht<br />

3 Inuit; Tiere;<br />

Klima<br />

3 Huskies; Iglus;<br />

Eisberge<br />

3 Robben; Iglus;<br />

Kanada;<br />

Grönland<br />

3 Iglu; kein<br />

Kontakt zur<br />

Außenwelt;<br />

Robben<br />

3 Minustemperaturen;<br />

Jagd;<br />

Zusammenhalt<br />

In <strong>der</strong> kalten<br />

Zone wachsen<br />

ja keine<br />

Apfelbäume<br />

und dann<br />

müssen solche<br />

dorthin<br />

transportiert<br />

werden.<br />

Wie die Tiere Wie die<br />

dort leben; die<br />

Lebensweise<br />

<strong>der</strong> Inuit und<br />

das Klima.<br />

Keine Ahnung. M<strong>ich</strong><br />

Am meisten<br />

wahrscheinl<strong>ich</strong><br />

eher die Tiere<br />

und die<br />

Eisberge.<br />

Weniger die<br />

Menschen, die<br />

dort leben.<br />

Polartag und <strong>Ich</strong> habe einen<br />

Polarnacht<br />

interessieren<br />

m<strong>ich</strong>, da <strong>ich</strong><br />

m<strong>ich</strong> gerne mit<br />

<strong>der</strong> Erde und<br />

dem All<br />

beschäftige.<br />

Lebewesen das<br />

in <strong>der</strong> Kälte<br />

aushalten und<br />

welche Dinge<br />

sie dafür<br />

benutzen, finde<br />

<strong>ich</strong> interessant.<br />

interessiert es<br />

einfach n<strong>ich</strong>t,<br />

was die Leute<br />

dort essen o<strong>der</strong><br />

so etwas.<br />

Wie die Inuit es Wie schaffen<br />

schaffen, dort sie es, dort zu<br />

zu überleben. überleben. Das<br />

interessiert<br />

m<strong>ich</strong>.<br />

Wie die<br />

Menschen dort<br />

leben und wie<br />

sie früher da<br />

gelebt haben.<br />

Was hat <strong>der</strong><br />

Tourismus für<br />

Folgen?<br />

<strong>Ich</strong> finde es<br />

interessant, das<br />

Leben <strong>der</strong><br />

Menschen dort<br />

mit unserem zu<br />

vergle<strong>ich</strong>en.<br />

M<strong>ich</strong><br />

interessiert,<br />

was die<br />

Menschen<br />

machen<br />

können, um die<br />

Erde zu<br />

schützen.<br />

kleinen Bru<strong>der</strong>. Mit<br />

diesem muss <strong>ich</strong><br />

manchmal einkaufen<br />

gehen o<strong>der</strong> das Haus<br />

putzen. Mein Vater<br />

und meine Mutter<br />

arbeiten vormittags.<br />

Später darf <strong>ich</strong><br />

manchmal auch<br />

meinen Vater mit auf<br />

die Jagd begleiten.<br />

<strong>Ich</strong> lebe nur noch mit<br />

meinem Vater und<br />

meiner Schwester.<br />

Meine Mutter ist<br />

gestorben.<br />

In meiner Freizeit<br />

treffe <strong>ich</strong> meine<br />

Freunde und wir<br />

gehen z.B. in Kino.<br />

<strong>Ich</strong> gehe jeden Tag<br />

zur Schule<br />

Dann gehe <strong>ich</strong> zu<br />

einer kleinen Schule<br />

mitten im Dorf.<br />

Sie haben von dort Sie gehen in eine<br />

aus [von <strong>der</strong> Schule] Schule.<br />

auch Freunde.<br />

Meine Freunde<br />

besuchen m<strong>ich</strong> oft zu<br />

Hause. Sie mögen<br />

meine<br />

Schlittenhunde.<br />

In <strong>der</strong> Schule läuft es<br />

gut. Fahre mit dem<br />

Skidoo dorthin.<br />

viele Geschwister lernt z.B. Englisch in<br />

<strong>der</strong> Schule<br />

<strong>Ich</strong> denke, er/sie hat<br />

eine relativ große<br />

Familie (5 bis 6<br />

Personen).<br />

Wenige, aber dafür<br />

gute Freunde.<br />

Unterr<strong>ich</strong>t in einer<br />

kleinen Schule.<br />

In meiner Freizeit<br />

treffe <strong>ich</strong> meine<br />

Freunde und wir<br />

gehen z.B. in Kino.<br />

geht in <strong>der</strong> Freizeit<br />

mit ihrem Vater<br />

Robben jagen und<br />

lernt Sachen im<br />

Haushalt von ihrer<br />

Mutter<br />

<strong>Ich</strong> wohne in einem<br />

ganz normalen Haus.<br />

<strong>Ich</strong> stehe morgens<br />

auf und mache m<strong>ich</strong><br />

fertig. … Wenn <strong>ich</strong><br />

nach Hause komme,<br />

gibt es Essen. … Wir<br />

sind eigentl<strong>ich</strong><br />

Selbstversorger, doch<br />

kaufen wir die<br />

w<strong>ich</strong>tigsten Sachen<br />

im Supermarkt.<br />

Viele sagen, <strong>dass</strong> Mehr fällt mir n<strong>ich</strong>t<br />

Inuit in Iglus wohnen. ein.<br />

<strong>Ich</strong> glaube das aber<br />

n<strong>ich</strong>t. Sie wohnen,<br />

glaube <strong>ich</strong>, eher in<br />

Häusern. … Okay,<br />

doch. Aber auch<br />

n<strong>ich</strong>t. Für m<strong>ich</strong><br />

müssen echte Inuit in<br />

Iglus wohnen und so.<br />

Obwohl <strong>ich</strong> <strong>weiß</strong>,<br />

<strong>dass</strong> es n<strong>ich</strong>t so<br />

stimmt.<br />

spielt viel draußen,<br />

weil die Hütte sehr<br />

klein und voll ist<br />

Wohnen in Häusern<br />

aus Blech und Holz.<br />

sehr großer<br />

Zusammenhalt in den<br />

Dörfern<br />

Den genauen Ablauf<br />

des Tages kann <strong>ich</strong><br />

mir n<strong>ich</strong>t so gut<br />

vorstellen. Aufstehen -<br />

Frühstück - Schule -<br />

nach Hause - im<br />

Haushalt helfen.<br />

2; 4; 5; 7 Nein, <strong>ich</strong> kenne<br />

kein Märchen.<br />

1; 2; 4; 8 Nein, <strong>ich</strong> kenne<br />

keins.<br />

1; 4; 8 Nein, <strong>ich</strong> kenne<br />

kein Märchen<br />

aus <strong>der</strong> kalten<br />

Zone.<br />

1; 5; 7 <strong>Ich</strong> kenne kein<br />

Märchen aus<br />

dieser Zone.<br />

2 <strong>Ich</strong> glaube<br />

n<strong>ich</strong>t, <strong>dass</strong> man<br />

in <strong>der</strong> kalten<br />

Zone eine<br />

Märchenumgebung<br />

findet, wie wir<br />

sie kennen.<br />

1 Man könnte<br />

dann auch<br />

an<strong>der</strong>e<br />

Märchen lesen.<br />

2; 4; 7 Nein. 2 <strong>Ich</strong> finde<br />

insgesamt<br />

Märchen n<strong>ich</strong>t<br />

so prickelnd.<br />

Früher mochte<br />

<strong>ich</strong> Märchen,<br />

jetzt sind sie für<br />

m<strong>ich</strong> einfach<br />

nur langweilig.<br />

2; 4; 8 <strong>Ich</strong> kenne keins. 3 Es kommt auf<br />

das Märchen<br />

an, aber eher<br />

n<strong>ich</strong>t. <strong>Ich</strong> finde<br />

Märchen<br />

allgemein<br />

langweilig.<br />

1; 2; 4; 8 Nein, kenne <strong>ich</strong><br />

n<strong>ich</strong>t.<br />

1; 3; 6; 7 (früher<br />

Kin<strong>der</strong>bücher; Ice Age)<br />

1 1; 2; 3; 4; 5 3<br />

3 Naja. <strong>Ich</strong> glaube<br />

n<strong>ich</strong>t, <strong>dass</strong> ein<br />

Märchen über<br />

die kalte Zone<br />

spannend ist.<br />

4; 5; 8 Nein. 1 Es würde m<strong>ich</strong><br />

interessieren,<br />

ob solche<br />

Märchen auch<br />

immer gut<br />

ausgehen wie<br />

die deutschen.<br />

M<strong>ich</strong><br />

interessiert, ob<br />

es da auch z.B.<br />

gute Feen und<br />

böse<br />

Stiefmütter gibt<br />

und was für<br />

Unterschiede es<br />

gibt.<br />

1; 2; 4; 5; 7 Schneekönigin? 1 <strong>Ich</strong> mag<br />

Märchen.<br />

2 Da die<br />

Fragestellung<br />

zunächst auf<br />

meiner eigenen<br />

Vorstellung<br />

basierte.<br />

5; 6 4 <strong>Ich</strong> habe mein<br />

Wissen nur aus<br />

Medien und da<br />

<strong>weiß</strong> man n<strong>ich</strong>t, ob<br />

das auch r<strong>ich</strong>tig<br />

ist.<br />

1; 2; 4 3 In <strong>der</strong> Schule<br />

haben wir n<strong>ich</strong>t so<br />

viel zu diesem<br />

Thema gemacht.<br />

4; 5; 6 2 <strong>Ich</strong> habe viel im<br />

Unterr<strong>ich</strong>t gelernt<br />

über die kalte<br />

Zone.<br />

4 6 Das sind voll die<br />

Vorurteile, <strong>dass</strong><br />

Inuit in Iglus<br />

wohnen und so.<br />

Das stimmt aber,<br />

glaube <strong>ich</strong>, n<strong>ich</strong>t.<br />

<strong>Ich</strong> stelle es mir<br />

trotzdem so vor.<br />

1; 3; 4; 6 3 <strong>Ich</strong> <strong>weiß</strong> noch<br />

n<strong>ich</strong>t alles über die<br />

kalte Zone, aber<br />

die Sachen, die <strong>ich</strong><br />

schon <strong>weiß</strong>, sind,<br />

glaube <strong>ich</strong>, r<strong>ich</strong>tig.<br />

1; 2; 4 2 M<strong>ich</strong> interessiert,<br />

wie die Menschen<br />

woan<strong>der</strong>s leben<br />

und deshalb passe<br />

<strong>ich</strong> bei solchen<br />

Themen gut auf<br />

und merke mir<br />

Dinge.<br />

4; 6 3 <strong>Ich</strong> denke, über<br />

viele Dinge <strong>weiß</strong><br />

<strong>ich</strong> Bescheid, aber<br />

n<strong>ich</strong>t über alle.


Anhang 5: Tabellarische Ergebnisauflistung <strong>der</strong> Fragebogenerhebung<br />

2/7 1 13 7 1 Es sind aktuelle<br />

Themen und sie<br />

beschäftigen<br />

s<strong>ich</strong> mit Dingen<br />

auf unserer<br />

Erde.<br />

2/8 2 13 7 2 Es gibt viele<br />

Themen, die<br />

mir gefallen,<br />

aber auch<br />

uninteressante.<br />

3 lange<br />

Schulwege;<br />

Forschungsstationen;<br />

Transportwege<br />

3 kalt; früher<br />

Selbstversorger<br />

; Skidoo<br />

(Schlitten)<br />

Die Umstände, Es ist<br />

mit denen die<br />

Menschen dort<br />

leben müssen.<br />

Überlebensweise;<br />

Versorgung;<br />

Jagd<br />

interessant,<br />

<strong>dass</strong> man dort<br />

n<strong>ich</strong>t so viel<br />

Luxus braucht<br />

wie hier in<br />

Europa.<br />

Überlebenskünstler;<br />

ob<br />

Supermarkt<br />

o<strong>der</strong><br />

Selbstversorger;<br />

Jagd mit<br />

Wenig Freunde, da<br />

kleine Siedlungen<br />

keine Ahnung jagen, Ski fahren,<br />

snowboarden<br />

Leben in mo<strong>der</strong>nen<br />

Wohnblocks<br />

Sprachunterschiede<br />

… müssen mit<br />

Essensvorräten leben<br />

und sind auf<br />

Transporte aus dem<br />

Ausland angewiesen<br />

… nur mit dicker<br />

Jacke aus dem Haus<br />

(extreme Kälte)<br />

kleine Siedlungen müssen s<strong>ich</strong> dick<br />

anziehen, wegen <strong>der</strong><br />

Kälte … keine Autos<br />

(Umweltbelastung)<br />

2/9 2 13 7 3 Da wir uns oft 3 kalt; wenig Der Alltag <strong>der</strong><br />

Gewehr o.ä.<br />

Weil man sonst<br />

Dass er oft wegen Er geht öfter mit Dass er auf engstem<br />

wie<strong>der</strong>holt<br />

besiedelt; Nord- Menschen dort beim<br />

Schnee n<strong>ich</strong>t zur seinem Vater jagen Raum mit <strong>der</strong> Familie<br />

haben.<br />

und Südpol<br />

St<strong>ich</strong>punkt<br />

Schule kommt. und hat deshalb auch wohnt.<br />

"kalte Zone" oft<br />

fast nur etwas<br />

über die Tiere<br />

erfährt.<br />

weniger Freizeit.<br />

2/10 1 13 7 2 Manchmal ist 3 Polartag; Welche Tiere <strong>Ich</strong> interessiere große Familie eine kleine Schlitten / Bob Haus für beson<strong>der</strong>s<br />

es spannend<br />

Polarnacht; leben dort? Wie m<strong>ich</strong> für Tiere<br />

Dorfschule fahren, fischen, Kajak an das Klima<br />

und man lernt<br />

Inuit leben sie? und Pflanzen<br />

fahren, Kino, genau angepasste Kälte<br />

Neues, mal ist<br />

Warum und (ein wenig)<br />

das, was wir auch tun<br />

es langweilig.<br />

schmilzt das für<br />

Eis? Warum<br />

wird n<strong>ich</strong>ts<br />

getan?<br />

Naturschutz.<br />

2/11 2 13 7 3 3 Iglu;<br />

Der Alltag Die Eltern würden<br />

Er würde auch in die<br />

Es sind dort schlechte Sie arbeiten oft auch<br />

Forschungs-<br />

dort arbeiten, so wie<br />

Schule gehen.<br />

Wohnhäuser, denn es in <strong>der</strong> Natur als<br />

station; jagen<br />

bei uns auch.<br />

sind auch oft nur Fischer o<strong>der</strong> als Jäger.<br />

Container. Ihre Jobs werden<br />

auch n<strong>ich</strong>t so gut<br />

bezahlt.<br />

2/12 2 13 7 3 Der Lehrer(in) 2 kalt; Eisbären; Wie die Tiere es <strong>Ich</strong> mag Tiere<br />

Er muss lange zur Er geht auf Jagd. Dass er früh<br />

macht den<br />

Eis<br />

schaffen, unter gerne.<br />

Schule laufen. Die<br />

aufstehen muss. Es<br />

Unterr<strong>ich</strong>t n<strong>ich</strong>t<br />

diesen<br />

Schule ist in<br />

gibt wenig Essen. Er<br />

so interessant.<br />

Bedingungen zu<br />

schlechtem Zustand.<br />

muss lange nach<br />

leben.<br />

Hause gehen.<br />

2/13 1 13 7 2 <strong>Ich</strong> finde es<br />

3 Robben; Wie die Weil <strong>ich</strong> es<br />

Das Haus ist etwas <strong>Ich</strong> glaube, er/sie<br />

w<strong>ich</strong>tig zu<br />

Polartag; Menschen dort interessant<br />

an<strong>der</strong>s, denn es muss würde antworten,<br />

wissen, wo<br />

Polarnacht leben und wie finde, wie man<br />

ja so sein, <strong>dass</strong> es die <strong>dass</strong> es gar keinen so<br />

welches Land<br />

sie früher dort lebt, wenn<br />

Kälte übersteht. großen Unterschied<br />

liegt und zu<br />

gelebt haben. es den ganzen<br />

zwischen unseren<br />

wissen, wie<br />

Und wie sie die Tag dunkel ist.<br />

Län<strong>der</strong>n gibt. Bei<br />

man dort lebt.<br />

Polarnacht<br />

ihm/ihr ist es nur<br />

überstehen.<br />

kälter.<br />

2/14 2 13 7 2 <strong>Ich</strong> finde,<br />

Erdkunde ist ein<br />

interessantes<br />

Fach, weil man<br />

viel über die<br />

Erde lernt.<br />

2/15 1 12 7 2 Es ist mir<br />

w<strong>ich</strong>tig und <strong>ich</strong><br />

finde es<br />

interessant,<br />

etwas über die<br />

Welt, das Klima<br />

und die Leute<br />

zu erfahren.<br />

2/16 2 13 7 3 <strong>Ich</strong> möchte<br />

wissen, was da<br />

so vor s<strong>ich</strong><br />

geht, aber so<br />

brennend<br />

interessiert<br />

m<strong>ich</strong> das n<strong>ich</strong>t.<br />

2/17 1 12 7 2 Über manche<br />

Sachen wusste<br />

<strong>ich</strong> n<strong>ich</strong>t viel,<br />

daher ist es<br />

interessant.<br />

3 Jagen<br />

(Ernährung);<br />

Iglus/Fertighäuser/Häuser<br />

aus Fell; kalt<br />

3 kalt; Schnee;<br />

Polarnacht;<br />

Polartag<br />

3 Jagen; Wölfe;<br />

Eis<br />

Das frühere<br />

Jagen (Selbstversorger)<br />

und<br />

Jagen: Es ist<br />

interessant, zu<br />

wissen, wie die<br />

die Überlebens- Inuit Jagd auf<br />

kunst ihre Beute<br />

gemacht haben<br />

und sie dann<br />

gefangen<br />

haben.<br />

Wie es dort <strong>Ich</strong> finde es<br />

überhaupt interessant und<br />

mögl<strong>ich</strong> ist zu w<strong>ich</strong>tig, etwas<br />

überleben und darüber zu<br />

wie die lernen.<br />

Menschen mit<br />

<strong>der</strong> Kälte<br />

umgehen sowie<br />

<strong>der</strong> Einfluss des<br />

Klimawandels.<br />

Wie die Inuit da Es ist<br />

leben. interessant.<br />

Dann essen wir<br />

gemeinsam.<br />

3 wenig Die Fauna und Da <strong>ich</strong> m<strong>ich</strong> für Er wohnt mit seiner<br />

Vegetation; die Inuit Tiere Familie …<br />

kalt; Anpassung<br />

interessiere und<br />

an den<br />

es interessant<br />

Lebensraum<br />

ist, wie die<br />

Menschen dort<br />

leben.<br />

Er trifft s<strong>ich</strong> gerne mit Er geht zur Schule. Er rodelt gerne. Er wohnt in einem<br />

Freunden.<br />

Fertighaus.<br />

… und seinen<br />

Freunden …<br />

Es würde<br />

wahrscheinl<strong>ich</strong> nur<br />

eine Schule dort und<br />

weit entfernt geben<br />

und n<strong>ich</strong>t wie hier<br />

mehrere.<br />

Dann gehe <strong>ich</strong> in die<br />

Schule.<br />

<strong>Ich</strong> stehe morgens<br />

auf und gehe auf<br />

Jagd.<br />

<strong>Ich</strong> glaube, es würde<br />

m<strong>ich</strong> erstaunen, wie<br />

man damit umgehen<br />

würde, in <strong>der</strong> <strong>der</strong><br />

Kälte zu leben, im<br />

Gegensatz zu<br />

unserem Leben.<br />

Hat kein Internet. Es<br />

ist sehr kalt. … Wenn<br />

<strong>ich</strong> von <strong>der</strong> Schule<br />

nach Hause komme,<br />

essen wir. Dann gehe<br />

<strong>ich</strong> schlafen.<br />

1; 5; 7 Die<br />

Schneekönigin<br />

2 Da es dort ja<br />

nur Eis gibt und<br />

keine Tiere,<br />

Fel<strong>der</strong>, Wiesen<br />

1; 4; 5 2 Über den<br />

Unterr<strong>ich</strong>t sind<br />

Vorstellungen<br />

entstanden.<br />

1; 5; 7; 8 Nö. 2 1; 4 2 Manches r<strong>ich</strong>tig<br />

s<strong>ich</strong>er, aber bei<br />

an<strong>der</strong>em ein wenig<br />

uns<strong>ich</strong>er.<br />

2; 3; 4; 5; 7 1; 4 3 <strong>Ich</strong> <strong>weiß</strong> n<strong>ich</strong>t<br />

genau, wie sie<br />

heute leben, weil<br />

man oft nur etwas<br />

von früher erfährt<br />

(im Fernsehen).<br />

1; 5; 7; 8 Kein Märchen. 3 Wenn es<br />

spannend und<br />

lustig ist.<br />

1; 4; 6 4 Weil wir noch<br />

n<strong>ich</strong>t so viel zu<br />

dem Thema<br />

gemacht haben.<br />

1; 2; 3; 5; 7 1; 2; 4; 5 3<br />

1; 2; 4; 7 Nein. 3 <strong>Ich</strong> mag<br />

Märchen n<strong>ich</strong>t<br />

so.<br />

1; 3; 7 <strong>Ich</strong> kenne kein<br />

Märchen.<br />

1; 5; 7; 8 <strong>Ich</strong> kenne keine<br />

Märchen, die<br />

von <strong>der</strong> kalten<br />

Zone handeln.<br />

1; 5 Schneekönigin.<br />

Kenne <strong>ich</strong> n<strong>ich</strong>t<br />

und will <strong>ich</strong><br />

auch n<strong>ich</strong>t<br />

kennen (uninteressant).<br />

1 Es wäre schon<br />

interessant,<br />

weil man<br />

meistens nur<br />

Märchen hört,<br />

wo eine Frau<br />

(ein Mädchen)<br />

ein Kleid anhat<br />

und das dort zu<br />

kalt wäre und<br />

n<strong>ich</strong>t so<br />

1; 2; 3; 4 2 Manches <strong>weiß</strong> <strong>ich</strong>,<br />

manches n<strong>ich</strong>t.<br />

1; 2; 3; 4 3 <strong>Ich</strong> glaube, das<br />

was <strong>ich</strong> bei Nr. 4<br />

geschrieben habe,<br />

stimmt n<strong>ich</strong>t ganz.<br />

sommerl<strong>ich</strong>.<br />

3 1; 4 2 Weil wir es so im<br />

Unterr<strong>ich</strong>t gelernt<br />

haben.<br />

2 Es ist eher was<br />

für Kleinere, da<br />

wir jetzt n<strong>ich</strong>t<br />

mehr diese<br />

Fantasie haben.<br />

2; 4; 5; 7 Nein. 2 <strong>Ich</strong> mag keine<br />

Märchen.<br />

… mit einer Schule. In seiner Freizeit geht … in einem Dorf … 1; 2; 4; 8 Nein, kenne <strong>ich</strong><br />

er jagen.<br />

n<strong>ich</strong>t.<br />

2 Da <strong>ich</strong> Märchen<br />

n<strong>ich</strong>t mag.<br />

1; 4; 5 3 Keine Ahnung.<br />

4; 5; 6; 7 (Minecraft) 5 <strong>Ich</strong> <strong>weiß</strong> n<strong>ich</strong>t<br />

beson<strong>der</strong>s viel<br />

darüber.<br />

1; 4 3 Da es zwar im<br />

Fernsehen Dokus<br />

gibt, man da aber<br />

n<strong>ich</strong>t s<strong>ich</strong>er ist, ob<br />

das stimmt.


Anhang 5: Tabellarische Ergebnisauflistung <strong>der</strong> Fragebogenerhebung<br />

2/18 2 12 7 3 3 kalt; polar;<br />

Eskimos<br />

2/19 2 13 7 3 <strong>Ich</strong> interessiere<br />

m<strong>ich</strong> n<strong>ich</strong>t<br />

beson<strong>der</strong>s für<br />

Erdkunde.<br />

2/20 2 13 7 4 <strong>Ich</strong> interessiere<br />

m<strong>ich</strong> n<strong>ich</strong>t so<br />

dafür, weil <strong>ich</strong><br />

die<br />

Themenauswah<br />

l n<strong>ich</strong>t mag.<br />

2/21 1 13 7 3 Es kommt<br />

immer auf den<br />

Lehrer und das<br />

Thema an.<br />

2/22 2 13 7 3 <strong>Ich</strong> finde<br />

manche<br />

Themen eben<br />

interessant und<br />

manche n<strong>ich</strong>t.<br />

2/23 2 13 7 2 M<strong>ich</strong><br />

interessiert, wie<br />

es in an<strong>der</strong>en<br />

Län<strong>der</strong>n ist.<br />

2/24 1 12 7 3 Weil <strong>ich</strong> es eh<br />

später nie<br />

brauchen<br />

werde und es<br />

kümmert m<strong>ich</strong><br />

einen Dreck,<br />

was Schelfeis<br />

ist.<br />

Was für Tiere<br />

dort leben.<br />

Da leben ja<br />

n<strong>ich</strong>t so viele.<br />

Manchmal<br />

bekommen wir<br />

kältefrei.<br />

Hi, wenig Leute hier<br />

und <strong>der</strong> Winter ist<br />

lang. Oft liegt Schnee.<br />

3 kalt; Jagd; Inuit N<strong>ich</strong>ts. Er würde sagen, <strong>dass</strong><br />

alles ungefähr so ist<br />

wie bei uns.<br />

3 Schnee; Eis;<br />

Überlebenskampf<br />

3 Inuit; Karibu; Öl-Der<br />

tägl<strong>ich</strong>e<br />

Pipeline Überlebenskampf<br />

2 kalt; Eisbär;<br />

kälter<br />

<strong>Ich</strong> möchte<br />

n<strong>ich</strong>t dort<br />

wohnen.<br />

Wie die Tiere Es interessiert<br />

dort überleben. m<strong>ich</strong> eben, wie<br />

sie bei so einer<br />

Kälte dort<br />

überleben und<br />

Essen finden.<br />

3 Hundeschlitten; Die Tiere Das Leben <strong>der</strong><br />

Robben; Felle<br />

Menschen ist<br />

überall sehr<br />

ähnl<strong>ich</strong>.<br />

mit Freunden oft im<br />

Haus<br />

früh aufstehen, dann<br />

zur Schule<br />

1; 4; 5; 8 Kenne keins. 1; 2; 3; 4; 5 3 <strong>Ich</strong> war noch nie<br />

dort.<br />

sehr kalt 2; 4 <strong>Ich</strong> kenne kein<br />

Märchen.<br />

Dass es langweilig<br />

und kalt ist. Er hat<br />

einen Eisbären als<br />

Haustier (er heißt<br />

Sushi). Den hat er<br />

darauf spezialisiert,<br />

meine Familie zu<br />

fressen. So great!<br />

Cool, da will <strong>ich</strong> auch<br />

hin.<br />

Es ist kalt, aber auch<br />

lustig.<br />

3 kalt; Iglu; Inuit N<strong>ich</strong>ts!!! Hä?! langweilig kalt, Schnee, mo<strong>der</strong>n<br />

geworden. Fragen Sie<br />

die Person dann<br />

selbst…<br />

1; 2; 5 <strong>Ich</strong> kenne keins. 2 <strong>Ich</strong> lese n<strong>ich</strong>t<br />

gern.<br />

1; 3; 5; 7; 8 Die<br />

Schneekönigin,<br />

Väterchen<br />

Frost, Yeti, Alm-<br />

Öhi<br />

3 Kommt auf das<br />

Märchen an.<br />

1; 2; 4 <strong>Ich</strong> kenne keins. 2 <strong>Ich</strong> mag<br />

Märchen n<strong>ich</strong>t<br />

so.<br />

4 4 <strong>Ich</strong> habe n<strong>ich</strong>t gut<br />

aufgepasst im<br />

Unterr<strong>ich</strong>t.<br />

4 4 <strong>Ich</strong> habe im<br />

Unterr<strong>ich</strong>t n<strong>ich</strong>t so<br />

gut aufgepasst.<br />

1; 4; 6 1 Intuition<br />

1; 2; 4 3 <strong>Ich</strong> denke, <strong>ich</strong> bin<br />

mir s<strong>ich</strong>er, weil <strong>ich</strong><br />

glaube, <strong>dass</strong> das<br />

Fernsehen keinen<br />

Blödsinn erzählt.<br />

Hab kein Internet. 1; 5; 7; 8 Nein. 2 1; 2; 3; 4; 7 (Minecraft) 3 Wieso?<br />

1; 2; 3; 4; 5; 7; 8 Woher soll <strong>ich</strong><br />

das wissen?<br />

Schneekönigin,<br />

Väterchen Frost<br />

(Russland) etc.<br />

1; 4; 6 2 Wieso sollte<br />

<strong>ich</strong>???!!!

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!