Die „Marie Antoinette“ - Roland Verlag GmbH
Die „Marie Antoinette“ - Roland Verlag GmbH
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15.05.2010 bis 15.09.2010 3,10 Euro H12719<br />
foyer<br />
Das Kulturjournal<br />
für Bremen und den Nordwesten<br />
85
EDITORIAL<br />
„Jedem Kind ein Instrument“, so lautet die<br />
Bezeichnung einer kulturellen Bildungsinitiative<br />
des Landes Nordrhein-Westfalen.<br />
Alle Grundschulkinder des Ruhrgebietes<br />
haben demnach die Möglichkeit, ein Musikinstrument<br />
ihrer Wahl zu erlernen. Über<br />
das gemeinsame Musizieren in Klassen<br />
oder im Schulorchester sollen möglichst<br />
viele Kinder, unabhängig von sozialen Unterschieden,<br />
die Welt der Musik spielerisch<br />
entdecken.<br />
Ein entscheidender Beitrag also, die musische<br />
Sensibilität im frühen Kindesalter zu<br />
wecken, zu entwickeln und dadurch die Integration<br />
unterschiedlicher Gruppen zu erleichtern.<br />
<strong>Die</strong>ses Modell, das ursprünglich<br />
als ein Beitrag zum Gesamtprogramm der<br />
Kulturhauptstadt gedacht war, bietet sich<br />
beispielhaft auch für weitere Bundesländer<br />
an, gerade auch für Bremen.<br />
Warum?<br />
Wir haben in unserer Stadt zwei namhafte<br />
Orchester, die seit Jahren neben ihren eigentlichen<br />
vielfältigen Aufgaben geradezu<br />
vorbildliche musikalische Kinder -und Jugendarbeit<br />
leisten.<br />
So erreichen zum Beispiel die Bremer Philharmoniker<br />
über ihre „musikwerkstatt bremen“<br />
jährlich derzeit etwa 10.000 Kinder<br />
und Jugendliche mit steigender Tendenz.<br />
<strong>Die</strong> Deutsche Kammerphilharmonie Bremen<br />
darf sich nicht nur zu den weltweit<br />
führenden Orchestern zählen, sondern<br />
sorgt außerdem durch das „Zukunftslabor“<br />
und durch die Ansiedlung von Probenräumen<br />
in der Gesamtschule Bremen Ost für<br />
überregionale Schlagzeilen.<br />
Beide Orchester engagieren sich verstärkt<br />
in Stadtteilen, die zu den sozialen Brennpunkten<br />
zählen. Was nützt aber die geweckte<br />
Begeisterung am Musizieren,<br />
wenn Eltern selbst die Leihgebühren für<br />
ein Instrument nicht aufbringen können.<br />
„Jedem Kind ein Instrument“, wäre demnach<br />
in modifizierter Form eine sinnvolle<br />
Idee zu Ergänzung und Unterstützung des<br />
Engagements unserer beiden Orchester.<br />
Ganz bremisch, ließe sich ein solches Vorhaben<br />
wohl eher über eine entsprechende<br />
Bürgerstiftung finanzieren, als über die<br />
leere Staatskasse. Einige Ohren und auch<br />
Geldbeutel sind für einen derartigen Fond<br />
in Bremen bereits offen.<br />
Es mögen viele weitere folgen.<br />
Ihre<br />
Marie-Clothilde Kronenberg<br />
„Prinz Calaf“<br />
INHALT<br />
INHALT 3<br />
.................................................<br />
Theater<br />
04 GROSSE OPER „Turandot“ auf der Seebühne<br />
06 AUFBRUCH AM GOETHEPLATZ Der Spielplan 2010/11<br />
08 ZU NEUEN UFERN Hans-Joachim Frey im Gespräch<br />
10 ZERPLATZTE TRÄUME Liederabend am Leibnizplatz<br />
12 ÖFFNUNG NACH AUSSEN Spielplan Bremerhaven<br />
13 ENDE EINER ÄRA Abschied von Intendant Grisebach<br />
14 UNENDLICHE WELT DER FANTASIE Rolf Becker<br />
15 RARITÄT IN BREMERHAVEN Weills „Silbersee“<br />
16 UMBAU ALS CHANCE <strong>Die</strong> neue Saison in Oldenburg<br />
18 OPERNPREMIEREN AN NORDDEUTSCHEN BÜHNEN<br />
24 KOLUMNE NACHGEDACHT Alles in Ordnung<br />
25 BOULEVARD Neues von Bremer Bühnen<br />
.................................................<br />
Musik<br />
26 MENSCHEN IM FOYER<br />
29 PORTRÄT <strong>Die</strong> Künstlerin Gisela Eufe<br />
30 KOMPETENTE VIELFALT 14. Oldenburger Promenade<br />
32 BREMER PHILHARMONIKER Klassik für Kinder<br />
34 KONZERTTIPPS<br />
36 MUSIKFEST BREMEN Interview mit Prof. Albert<br />
38 MUSIKFEST BREMEN Tipps aus dem Programm<br />
40 KULTURSOMMER Vom Barkenhoff zur „Breminale“<br />
45 EIN SCHATZ WIRD GEHOBEN Schumann-Jahr<br />
46 JAZZTIPPS<br />
48 ROLLENSPIEL<br />
48 SCHAUSPIELRÄTSEL<br />
49 OPERNRÄTSEL<br />
.................................................<br />
Kunst<br />
50 WISSENSCHAFT Jade Hochschule: <strong>Die</strong> Praxis im Blick<br />
52 WIRTSCHAFT Bremen auf der EXPO 2010 in Shanghai<br />
54 ARCHITEKTUR Das Röhlig-Haus in der Überseestadt<br />
56 LITERATUR<br />
58 SERIE <strong>Die</strong> neue Kunsthalle Bremen<br />
60 SPARKASSE KULTUR SCHAFFEND Ausstellung<br />
62 KUNSTWERKE<br />
64 KINOTIPPS<br />
66 KULTURKALENDER Premierendaten<br />
67 KULINARISCHES Jürgenshof<br />
69 THEATERGALERIE Jörg Landsberg<br />
74 NACHKLANG FOYER-AUTOREN IMPRESSUM
4 THEATER BREMEN Turandot<br />
Spektakuläres Musiktheater mit Freude am<br />
circensischen Event: Puccinis „Turandot“<br />
auf der Seebühne<br />
Text: Stephan Cartier<br />
DIE EISPRINZESSIN<br />
STICHT IN SEE<br />
Eisschollen auf der Weser. Und das im<br />
Sommer! Was im Januar die Chancen<br />
des Schneiders bei der Bremer<br />
Eiswette für eine fußläufige Überquerung<br />
des Flusses deutlich erhöhen würde,<br />
ist hier ein Zeichen für das frostige Gemüt<br />
der Prinzessin Turandot. Im Eise lebt sie,<br />
und ihr Herz ist entsprechend tief temperiert.<br />
Nur die Liebe könnte es erwärmen –<br />
und die Musik Giacomo Puccinis.<br />
<strong>Die</strong> künstlichen Schollen gehören zum<br />
Bühnenbild der dritten Open-Air-Oper, die<br />
das Bremer Theater nach 2008 und 2009 auf<br />
die Beine – pardon: die Weser – stellt. Nach<br />
dem „Fliegenden Holländer“ von Wagner<br />
und Verdis „Aida“ steht nun „Turandot“ auf<br />
dem Programm der Seebühne, die die Bremer<br />
Philharmoniker bespielen werden.<br />
„Es wird ganz große Oper werden“, verspricht<br />
der scheidende Bremer Generalintendant<br />
Hans-Joachim Frey sich und sei-<br />
nem Publikum. Mit einigen Kosten, aber vor<br />
allem viel Mühen will er im Hafenbecken<br />
vor dem Einkaufszentrum „Waterfront“ auf<br />
dem rund 700 Quadratmeter großen Ponton<br />
den 2500 Gästen, die die Tribüne an der Promenade<br />
fasst, wieder spektakuläres Musiktheater<br />
bieten. Für die musikalische Qualität<br />
der zwölf Aufführungen bürgt als Leiter<br />
der Erste Kapellmeister der Philharmoniker,<br />
Daniel Montané.<br />
„Turandot“ ist wie geschaffen für diesen<br />
Ope(r)n-Air-Event. Der Wechsel zwischen<br />
Arien voller Pathos, intimen Duetten und<br />
großen Chorszenen bedient die gesamte<br />
Emotionspalette, zu der italienische Oper<br />
ein Publikum in Resonanzschwingung<br />
versetzen kann. „Man sagt, Sentimentalität<br />
sei ein Zeichen von Schwäche“, schrieb<br />
Puccini an einen seiner beiden Librettisten,<br />
Giuseppe Adami. „Aber ich finde es so<br />
schön, schwach zu sein! Den so genannten<br />
‚starken Männern’ überlasse ich die Er-<br />
„Aida“ auf der Seebühne; Fotos: Jörg Landsberg<br />
folge, die in nichts zergehen: für uns sind<br />
die, welche bleiben.“ Puccini drängte seine<br />
Texter, jedes dramaturgische Mittel zu<br />
nutzen, um Gefühle zu wecken: „Nur Mut!<br />
Und pressen Sie sich Hirn und Herz aus,<br />
um für mich etwas zu schaffen, das die<br />
Welt weinen machen soll.“<br />
Und die Geschichte der Prinzessin Turandot<br />
ist in der Tat tränenreiche Unterhaltung.<br />
Immerhin findet die Dame besonders<br />
großes Gefallen daran, ihre Verehrer<br />
zu töten. Der Stoff, den Puccini bearbeiten<br />
ließ, entstammt dem orientalischen Sagenkreis,<br />
hatte aber durch das gleichnamige<br />
Theaterstück Carlo Gozzis aus dem Jahr<br />
1786 und eine Erzählung Friedrich Schillers<br />
bereits seine Spuren in der westlichen<br />
Literatur hinterlassen.<br />
Im Zentrum steht die Rache Turandots an<br />
all jenen, die sich um ihre Hand bewerben.<br />
<strong>Die</strong> Schmach, die eine ihrer Vorgängerinnen<br />
viele tausend Jahre zuvor durch einen<br />
Mann erdulden musste, macht Turandot<br />
zu einer eiskalten Henkersfrau. Drei<br />
Fragen müssen die Bewerber beantworten,<br />
bevor sie ihre Hand erhalten können,<br />
sonst werden sie hingerichtet. Doch bislang<br />
schaffte dies keiner der Angetretenen.<br />
Letztlich scheiterten alle daran, ihren Namen<br />
zu erraten.
<strong>Die</strong> dreifache Turandot-Besetzung (von links): Elena Zelenskaya, Anna Shafajinskaia, Kelly Cae Hogan<br />
Dass gleich zu Beginn der Oper mit dem<br />
tartarischen Prinzen Calaf ein hartnäckiger<br />
und gut aussehender neuer Bewerber<br />
auftritt, der Turandot bezwingen will, lässt<br />
ahnen, dass nach drei<br />
Akten das Ganze trotz<br />
aller blutigen Verwicklungen<br />
doch noch gut<br />
ausgehen wird. Da fällt die Hinrichtung eines<br />
gescheiterten Bewerbers im ersten Akt<br />
nicht ins Gewicht, macht aber deutlich,<br />
dass Liebe und Tod nahe beieinander liegen.<br />
Nicht nur in der Oper.<br />
<strong>Die</strong> Tragik des Werks ist auch die Tragik<br />
seines Komponisten: Puccini erlebte<br />
die Aufführung seiner Oper nicht mehr.<br />
Fast fünf Jahre hatte der erfolgsverwöhnte<br />
Komponist an seiner „Turandot“ geschrieben,<br />
als ihm eine Erkrankung seines Kehlkopfes<br />
immer mehr zu schaffen machte.<br />
Bei der Operation des Karzinoms in einem<br />
Brüsseler Krankenhaus starb Puccini<br />
überraschend am 29. November 1924.<br />
Der Oper fehlte allein noch das Schlussduett<br />
von Calaf und Turandot. Bei der Uraufführung<br />
in der Mailänder Scala 1926 beendet<br />
Arturo Toscanini das Werk genau an der<br />
Stelle, für die Puccini seine letzten Noten<br />
geschrieben hatte. Erst zur zweiten Aufführung<br />
spielte man das nach Puccinis Skizzen<br />
von Franco Alfano komplettierte Finale.<br />
„Turandot“ wurde postum ein Riesenerfolg<br />
für Puccini. Nach „Madame Butterfly“ hatte<br />
er sich erneut in das fernöstliche, diesmal<br />
das chinesische Sujet bewegt. Pucci-<br />
ni besaß nicht<br />
den Ehrgeiz,<br />
Musikethnologie<br />
zu betreiben,<br />
aber er machte sich intensiv mit der<br />
chinesischen Musik vertraut, um ihr in seiner<br />
„Turandot“ einen Nachklang zu geben.<br />
Mit pentatonischen Tonfolgen, einem<br />
exotisch gefärbten Instrumentarium und<br />
seinem bekannten Arien-Schmelz schuf<br />
Puccini auf diese Weise eine wunderbare<br />
Melange bürgerlicher Weltmusik. Der Höhepunkt<br />
einer jeden „Turandot“-Aufführung,<br />
der auch den Top-Ten-Verwurstungen<br />
in den Pop-Charts nicht zum Opfer<br />
fallen kann, bleibt natürlich die Arie „Nessun<br />
dorma“. Und an dieser schönen Tradition<br />
wird sich auch in der Bremer Seebühnen-Inszenierung<br />
nichts ändern.<br />
„Turandot“ ist wie geschaffen für<br />
diesen Ope(r)n-Air-Event.<br />
Optisch setzt man noch mehr auf Effekte<br />
als in den beiden Jahren zuvor. Es bleibt<br />
zwar im Kern eine konzertante Aufführung,<br />
die Prinzessin Turandot schwebt<br />
aber nicht nur musikalisch, sondern auch<br />
ganz praktisch. Rund 20 Meter wird sie von<br />
Zeit zu Zeit an Seilen über der Seebühne<br />
in der Höhe hängen und dem Treiben der<br />
Heiratsbewerber zusehen.<br />
THEATER BREMEN Turandot 5<br />
Mit Freude am circensischen Event soll<br />
beispielsweise auch ein Rennen von Drachenbooten<br />
das Geschehen auf der Bühne<br />
umspielen, und in den „Zwischenakten“<br />
der Pausen bleibt China ebenfalls maßgebend.<br />
Catering ganz nach Art der „Sieben<br />
Schätze“ ist geordert und soll den Abend<br />
geschmacklich abrunden. „Wir werden die<br />
chinesische Seele in jeder Hinsicht streicheln“,<br />
verspricht denn auch Hans-Joachim<br />
Frey.<br />
Politisch, so Frey, wolle man das Thema<br />
nicht überstrapazieren. Zwar geht es auch<br />
in „Turandot“ um die schwierigen kulturellen<br />
und politischen Verhältnisse in China,<br />
ein Anknüpfen an die Diskussionen<br />
um Menschenrechte und Zensur läge also<br />
nahe. Aber eine Märchenoper bleibe eben<br />
eine Märchenoper, meint Frey: „Assoziationen<br />
zur aktuellen politischen Lage in<br />
China darf sich aber jeder machen.“<br />
Das Happy End ist in jedem Fall garantiert.<br />
„Am Ende fallen sich der Prinz und die<br />
Prinzessin in die Arme“, so der Intendant.<br />
Und dann dürfte es wohl – trotz Eisschollen<br />
– auch so manchem Gast auf der Tribüne<br />
an der „Waterfront“-Promenade warm<br />
ums Herz werden.<br />
Unterstützt von der Sparkasse Bremen.
6 THEATER BREMEN Spielplan 2010/2011<br />
Wiederaufnahme: <strong>Die</strong> Fledermaus<br />
Intendantenlose Zeit – eine schreckliche<br />
Zeit? Muss nicht sein, jedenfalls<br />
nicht in Bremen. Denn als die erste<br />
Suche nach einem Nachfolger für den zurückgetretenen<br />
Hans-Joachim Frey ohne<br />
griffiges Ergebnis blieb und die Intendantenkür<br />
jetzt ohnehin nur auf Sparflamme<br />
züngelt, hat sich längst eine neue „Künstlerische<br />
Leitung“ etabliert, zusammengesetzt<br />
aus den Spartenleitern Hans-Georg<br />
Wegner (Oper), Marcel Klett (Schauspiel),<br />
Dr. Patricia Stöckemann (Tanztheater)<br />
und Rebecca Hohmann (Moks) sowie dem<br />
Künstlerischen Betriebsdirektor Martin<br />
Wiebcke. <strong>Die</strong> erste öffentliche Tat: Ein<br />
respektabler, durchaus „machbarer“<br />
Spielplan 2010/2011.<br />
Das Beispiel könnte Schule machen – zunächst<br />
für die angekündigten zwei Jahre<br />
und so es denn weiterhin harmonisch<br />
funktioniert. Stolpersteine der Rivalität sind<br />
nicht immer auf Anhieb aus dem Weg zu<br />
räumen; die<br />
Aufteilung des<br />
ohnehin sehr<br />
schmalen Etats, die Position des Verhandlungsführers<br />
gegenüber der Behörde, der<br />
anderen Kulturinstitutionen der Stadt, der<br />
Verbände, Terminabsprachen und andere<br />
Probleme könnten das jetzt einträchtige<br />
Quintett zu einer „Fünferbande“ degradieren.<br />
Aber man soll nicht unken, deshalb<br />
gilt den neuen „Machern“ ein ehrliches, ja<br />
herzliches „toi, toi, toi!“<br />
Der Spielplan ist deutlich nach dem Prinzip<br />
des Möglichen ausgerichtet: das heißt,<br />
auf Spezielles erfordernde Stücke muss<br />
verzichtet werden, wenn man wegen des<br />
eingefrorenen Etats, der Schuldentilgung<br />
in Höhe von 250 000 Euro pro Spielzeit und<br />
anderer Sparmaßnahmen auf Gäste weitgehend<br />
verzichten muss. Jedenfalls beginnt<br />
der musikalische Auftakt festlich mit dem<br />
„Rosenkavalier“ von Richard Strauss. Der<br />
Regisseur der aufwendigen, nicht eben<br />
leicht zu inszenierenden Oper ist Tobias<br />
Kratzer, ein hier noch total unbeschriebenes<br />
Blatt. Aber als Garanten stehen Strauss-<br />
Experte Markus Poschner und die Bremer<br />
Philharmoniker bereit, die – das zeugt das<br />
nachfolgende Angebot – sich über Mangel<br />
an Arbeit wahrlich nicht beklagen können.<br />
Generalmusikdirektor Markus Poschner,<br />
dem künftig aus vielerlei vernünftigen<br />
Gründen die Position des Operndirektors<br />
zufallen muss, leitet ferner Mozarts<br />
grandiosen „Idomeneo“ und die Urauffüh-<br />
Neue Künstlerische Leitung am Theater Bremen<br />
präsentierte den Spielplan 2010/2011<br />
Text: Simon Neubauer<br />
AUFBRUCH AM GOETHEPLATZ<br />
Den neuen „Machern“ ein ehrliches, ja herzliches „toi, toi, toi!“<br />
rung des Musiktheater „Kryos“ von dem<br />
in Hamburg lebenden Komponisten Jörn<br />
Arnecke, ein Auftragswerk des Theater Bremen,<br />
das nur mit starker finanzieller Hilfe<br />
der Theaterfreunde realisiert werden kann.<br />
Kapellmeister Daniel Montané, auch längst<br />
metiererfahren, leitet Tschaikowskys „Mazeppa“,<br />
Puccinis „Madama Butterfly“ und<br />
– am Ende der Spielzeit – Bizets „Carmen“<br />
auf der Seebühne. Márton Terts, jüngst aus<br />
der Solorepetition zum Dirigentenpult emporgestiegen,<br />
ist für die Kinderoper „Drei<br />
alte Männer wollten nicht sterben“ und für<br />
mehrere Wiederaufnahmen zuständig.<br />
Regie im Reich des Musiktheaters führen<br />
überwiegend Bekannte: Tatjana Gürbaca<br />
(„Mazeppa“ in der Übernahme aus der<br />
Vlaamse Opera Antwerpen), Kay Kuntze<br />
(„Idomeneo“ in einer neuartigen „Visuellen<br />
Gestaltung“), Philipp Himmelmann<br />
(„Kyros“) sowie Frank Hilbrich. Sein „Vetter<br />
aus Dingsda“ soll im Stil der Zwanziger<br />
Jahre auftreten, begleitet<br />
von zwei unvergessenen<br />
Lieblingen des Bremer Publikums:<br />
Eva Gilhofer und Karsten Küsters.<br />
Für musikalischen Hochgenuss soll der<br />
neue engagierte Florian Ziemen sorgen,<br />
der auch sonst noch die viel beschäftigten<br />
Dirigenten entlasten soll.
Wiederaufnahme: Don Giovanni<br />
Sehr anregend (zumindest nach der Papierform) mischt das Schauspiel Alt<br />
und Neu, Drama und Komödie, Provokantes und Unterhaltsames. Hier dürfen<br />
mehrere junge Regisseure ihre Handschriften zur Diskussion stellen, etwa<br />
Herbert Fritsch mit Hebbels Koloss „<strong>Die</strong> Nibelungen“. Robert Schuster und<br />
Mirja Biel haben im Neuen Schauspielhaus bereits gezeigt, wie sich nach ihrer<br />
Meinung ein Stück für das heutige Publikum aufbereiten lässt. Karsten Dahlem,<br />
ein Newcomer, inszeniert als „Weihnachtsmärchen“ die viel gerühmte<br />
„Ronja Räubertochter“, ein Stück nach Astrid Lindgren, wogegen Dirk Böhling,<br />
sonst zuständig für diese Spezies, den Dauerbrenner „Mein Freund Harvey“ in<br />
Szene setzt.<br />
Erinnerungen an eine große Bremer Theaterzeit werden wach bei der Wiederbegegnung<br />
mit Rainer Werner Fassbinders „In einem Jahr mit 13 Monden“.<br />
Geht es hier um das Schicksal einer Transsexuellen, steht bei Botho<br />
Strauss eine junge Frau im Mittelpunkt, die an der mitmenschlichen Kälte<br />
leidet. „Groß und klein“ war übrigens schon einmal am Goetheplatz zu sehen,<br />
nämlich 1980 in einer Inszenierung von Nicolas Brieger.<br />
Novum im Tanztheater Nordwest: Es wird keine gemeinsame Produktion<br />
mehr geben, doch sollen die einzelnen Abende wie bisher zwischen Oldenburg<br />
und Bremen ausgetauscht werden. Von dort, wo ein neuer Choreograph<br />
die Arbeit aufnimmt, wird nach bisherigen Planungen nur „Triple Bill“ kommen,<br />
ein Tanztheater, von dem gleich drei Autoren genannt werden. Bremen<br />
hingegen listet drei Novitäten auf: „Flash Mob“ von Henrietta Horn, „Trotz/<br />
Suite“ von Emanuel Gat und als einzige neue Arbeit des Bremer „Stammchoreographen“<br />
Urs <strong>Die</strong>trich „Perpetuum mobile“, das allerdings spartenübergreifend<br />
auf der Bühne des Theaters am Goetheplatz uraufgeführt wird.<br />
Das Moks mischt das trefflich gegliederte Angebot wiederum für die Kleinen<br />
und die Größeren in bewährter „Aufmachung“, und die „Jungen Akteure“<br />
nutzen die Plattform mit drei Produktionen, wobei das Projekt „Monster<br />
2011“ mit Jugendlichen aus verschiedenen Bremer Stadtteilen erarbeitet wird.<br />
THEATER BREMEN Spielplan 2010/2011 7<br />
Theater Bremen<br />
Premieren 2011/12<br />
Oper<br />
Richard Strauss Der Rosenkavalier<br />
Piotr Iljitsch Tschaikowsky Mazeppa<br />
Eduard Künneke Der Vetter aus Dingsda<br />
Giacomo Puccini Madama Butterfly<br />
Wolfgang Amadeus Mozart Idomeneo<br />
Jörn Arnecke Kryos<br />
Guus Ponsioen Drei alte Männer wollten<br />
nicht sterben<br />
Georg Bizet Carmen<br />
Schauspiel<br />
William Shakespeare Was ihr wollt<br />
Lukas Bärfuss <strong>Die</strong> Reise von Klaus und<br />
Edith durch den Schacht zum Mittelpunkt<br />
der Erde<br />
Botho Strauss Groß und klein<br />
nach Astrid Lindgren Ronja Räubertochter<br />
Mary Chase Mein Freund Harvey<br />
Friedrich Hebbel <strong>Die</strong> Nibelungen<br />
Ein neues Stück (UA)<br />
Ödön von Horváth Glaube Liebe Hoffnung<br />
Martin Crimp Angriff auf Anne<br />
Rainer Werner Fassbinder In einem Jahr<br />
mit 13 Monden<br />
George Tabori Mein Kampf<br />
Henrik Ibsen Ein Volksfeind<br />
Tanztheater<br />
Henrietta Horn Flash Mob (UA)<br />
Emanuel Gat Trotz / Suite (UA)<br />
Urs <strong>Die</strong>trich Perpetuum Mobile (UA)<br />
Arco Renz, Iztok Kova und Omar Rajeh:<br />
Triple Bill (UA)<br />
Moks<br />
Dennis Kelly DNA<br />
Theo Fransz Für ewig und hundertmillionen<br />
Tage (UA)<br />
Guus Kuijer Wir alle für immer zusammen<br />
Wajdi Mouawad <strong>Die</strong> Durstigen<br />
Junge Akteure<br />
Steffen Hildebrandt, Arne Mües<br />
Das Haus (UA)<br />
Tina Müller Ich kann zaubern, ehrlich<br />
wahr (UA)<br />
Stückentwicklung – Schauspielprojekt mit<br />
Jugendlichen aus verschiedenen Stadtteilen:<br />
Monster 2011 (UA)
8 THEATER BREMEN Hans-Joachim Frey<br />
<strong>Die</strong> <strong>„Marie</strong> <strong>Antoinette“</strong> war sein<br />
Schicksal. Jedenfalls in seiner Funktion<br />
als Generalintendant des Theater<br />
Bremen. Nach dem finanziellen Misserfolg<br />
des Musicals zog Hans-Joachim Frey<br />
im August 2009 persönlich die Konsequenzen<br />
und bat die Stadt Bremen um eine vorzeitige<br />
Beendigung seines seit 2007 laufenden<br />
Vertrages zum Ende dieser Spielzeit.<br />
Für foyer hat Peter Schulz mit dem scheidenden<br />
Intendanten gesprochen.<br />
Ihre Arbeit in Bremen weist zahlreiche<br />
künstlerische Glanzpunkte auf. Ich denke<br />
insbesondere an die Wagner-Oper „Ri-<br />
enzi“,<br />
an „Gegen<br />
die<br />
Wand“,<br />
aber auch an dreimal Rossini oder „Norma“.<br />
Doch das alles, so hat es den Anschein,<br />
zählt in vielen Augen nicht mehr…<br />
Stimmt, alles wird überschattet von einem<br />
einzigen Stück, das im übrigen künstlerisch<br />
ein voller Erfolg war und immerhin<br />
zum „Musical des Jahres“ gewählt wurde.<br />
Aber die Intendanz in Bremen war – das<br />
zeigen die Beispiele meiner Vorgäner – immer<br />
ein Pulverfass der Polarisierung, immer<br />
mit vielen Emotionen verbunden. Hier<br />
gibt es eine große Bürgerschicht mit der<br />
Sehnsucht nach sinnlichem, aber zugleich<br />
die Forderung nach politischem Theater;<br />
hier wird leider auch rasch eine Schublade<br />
aufgezogen. So war es bei <strong>„Marie</strong> <strong>Antoinette“</strong>,<br />
das trotz seines hohen Niveaus als<br />
kompletter Misserfolg abgestuft wurde. Auf<br />
der anderen Seite konnte ich – Sie nannten<br />
das Stichwort – mit „Rienzi“ eine ausgesprochen<br />
selten gespielte Oper realisieren,<br />
wobei die Urenkelin des Komponisten<br />
Regie führte. Wo gab es so etwas schon zuvor?<br />
Trotzdem wurde „Rienzi“ als „Event“<br />
abqualifiziert, obwohl es sich um eine völlig<br />
ernsthafte Auseinandersetzung mit dem<br />
Jugendwerk Richard Wagners handelte. Das<br />
empfand ich als<br />
ausgesprochen<br />
schade mit Blick<br />
auf die inhaltliche<br />
Arbeit, die wir hier in den vergangenen Jahren<br />
gemacht haben.<br />
Hinsichtlich des Musiktheaters wage ich<br />
den Satz: Es war kein einziger Flop dabei.<br />
Wobei ein großer Spannungsbogen geschlagen<br />
wurde von – um zwei Beispiele<br />
zu nennen – „Maometto“ bis zu den „Gehetzten“,<br />
also von Tradition zu Avantgarde.<br />
Hat Sie das besonders gereizt?<br />
Das Musiktheater ist bekanntlich meine<br />
künstlerische Heimat, weshalb ich schon<br />
stolz darauf bin, hier drei Uraufführungen<br />
und insgesamt sechs zeitgenössische Wer-<br />
foyer-Gespräch mit dem<br />
scheidenden Generalintendanten<br />
Hans-Joachim Frey<br />
„AUF ZU<br />
NEUEN UFERN“<br />
ke auf die Bühne gebracht zu haben. Dazu<br />
kamen „Ausgrabungen“ wie die Zemlinsky-Stücke,<br />
„Gegen die Wand“ oder eben<br />
„Rienzi“. Daneben galt mein Streben der<br />
Pflege gewisser Repertoireteile, die bisher<br />
weniger gespielt wurden, also das Belcanto.<br />
Das führte zum Rossini-Zyklus, zu Bellini<br />
und zur Kooperation mit dem Pesaro-<br />
Festival etwa in Sachen „Maometto“.<br />
Ein bisschen Intendanten-Glück gehört<br />
aber auch dazu, oder?<br />
Hinsichtlich des Musiktheaters wage ich<br />
den Satz: Es war kein einziger Flop dabei.<br />
Für mich ist es allerdings fatal, dass alles<br />
am finanziellen Ergebnis von <strong>„Marie</strong> <strong>Antoinette“</strong><br />
gemessen wird, was schließlich<br />
zum Vertragsende führte, wobei der Vergleich<br />
mit anderen aktuellen Theaterereignissen<br />
etwa in Lissabon oder Moskau interessant<br />
ist: Dort wurde aus künstlerischen<br />
Gründen entlassen. Ich kenne wenige Beispiele,<br />
wo dies aufgrund finanzieller Erträge<br />
geschah, wobei ich noch einmal betone:<br />
Es war meine Entscheidung zu gehen. Ein<br />
Klaus Pierwoß hätte dies in meiner Situation<br />
sicher nicht getan, der hätte gekämpft<br />
bis heute. Übrigens war die finanzielle Situation<br />
des Bremer Theaters zu seiner Zeit<br />
damals ebenso kritisch, wenn nicht sogar<br />
schlimmer als heute.
10 THEATER Wut und Wiege<br />
ZERPLATZTE<br />
TRÄUME<br />
Als sich der Vorhang im Theater<br />
am Leibnizplatz öffnet, sehen wir<br />
sechs Personen in einem Gewirr<br />
aus Rollkisten, Kleiderständer mitsamt<br />
Kleidern, Kühlschrank, Stahlgerüst und<br />
hinten einem kleinen Podium. Das Ganze<br />
wirkt unfertig, ein „work in progress“.<br />
Sind wir bei Pirandello? Suchen hier sechs<br />
Personen einen Autor? <strong>Die</strong> Personen sind<br />
die Schauspielerinnen Svea M. Auerbach,<br />
Janina Zamani, Beate Weidenhammer,<br />
die Schauspieler<br />
Tim<br />
D. Lee und<br />
Markus Seuß sowie der Musiker Thorsten<br />
zum Felde. Sie haben gemeinsam mit dem<br />
Regisseur Torsten Krug „Wut und Wiege“<br />
mit dem Untertitel „Ein Stück Revolution<br />
aus Musik“ erarbeitet und auf die Bühne<br />
gebracht.<br />
„Ein Stück Revolution aus Musik“<br />
„Wut und Wiege“ ist kein Theaterstück, es ist<br />
vielmehr ein inszenierter Liederabend ohne<br />
sinnfällige Handlung im eigentlichen Sinne.<br />
Ein Liederabend ist ein durchaus kühnes<br />
Unterfangen, denn es singen eben Schauspieler,<br />
und wenn sie sich beispielsweise an<br />
Schumanns „Ich grolle nicht“ wagen, geht<br />
das gründlich schief. Bei anderen Songs,<br />
die eher dem Poplager zuzuschlagen sind,<br />
funktioniert es besser, deren Melodien sind<br />
im Schnitt auch einfacher komponiert.<br />
<strong>Die</strong> Klammer, die den Abend zusammenhalten<br />
soll, sind zwei Pophits. Mit „Let<br />
me entertain you“ von Robbie Williams<br />
geht er los, mit „The show must go on“<br />
von Queen endet er. Das weist auf einen<br />
lockeren Abend hin, ein Showspaß mit<br />
Scherz, Satire und ohne tiefere Bedeutung.<br />
Titel und Untertitel dagegen sprechen eine<br />
andere Sprache, scheinen<br />
auf erhellende Erkenntnisse<br />
zu zielen, deuten<br />
auf Gewichtiges. Solche Momente gibt es<br />
tatsächlich, als Markus Seuß die Übrigen<br />
bei dem unschuldig grausamen Volkslied<br />
„Auf einem Baum ein Kuckuck saß“ auf die<br />
Disziplin des Chorsingens konditioniert<br />
(wer aus der Reihe tanzt, wird niedergemacht),<br />
sie schließlich bei Atemübungen<br />
immer wieder erstarren lässt, während er<br />
ein Zahlenwerk über das exemplarische<br />
globale Dorf herunterrattert.<br />
Das hat durchaus etwas Bedrohliches, das<br />
Gruppenzwangsprozesse vorführt, die die<br />
Truppe schließlich sich kämpferisch im<br />
Marschtritt bei „Brüder, zur Sonne, zur<br />
Freiheit“ an der Rampe versammeln lässt.<br />
Shakespeare Company präsentiert Liederabend<br />
„Wut und Wiege“ und bittet<br />
wieder zum Festival im Bürgerpark<br />
Text: Christian Emigholz<br />
Aus diesem zwanghaft „eingenordeten“ Kollektiv<br />
bricht nur Beate Weidenhammer aus,<br />
die überhaupt mehrfach an diesem Abend<br />
gemeuchelt wird. Sie wandelt sich später<br />
zu einer Art RAF-Terroristin, die allerdings<br />
als Waffe einen überdimensionierten Fisch<br />
auf die Revolutionsunwilligen richtet, will<br />
sagen, sie ist zur Öko-Terroristin geworden.<br />
Hier blitzt so etwas wie Handlung auf, verliert<br />
sich aber bald wieder.<br />
<strong>Die</strong> andere Seite sind eher lustig ironische<br />
Lieder wie Funny van Dannens „Schilddrüsenunterfunktion“.<br />
Tim D. Lee trägt<br />
es gekonnt vor, und mit den Textzeilen<br />
„Ich hatte sogar Sympathie für Umsturz<br />
und Revolution, doch es war Schilddrüsenunterfunktion“<br />
sind wir sogar beim<br />
Thema Revolution. Sie wird hier aber als<br />
bloße Fehlfunktion abgetan, während der<br />
Beatles-Song „Revolution“ sie grundsätzlich<br />
in Frage stellt, und beim Gustav-Song<br />
„Rettet die Wale“ alle Hoffnung auf Veränderung<br />
einem lakonisch beliebigen Ton<br />
gewichen ist. So helfen nur noch Träume<br />
wie die Arie „Nessun dorma“ aus Puccinis<br />
„Turandot“ oder das bittere „Der Traum ist<br />
aus“ von Ton Steine Scherben. Insgesamt<br />
ist es weniger ein Abend über Revolution,<br />
als vielmehr einer über zerplatzte Träume.
Zum 15. Mal im Park<br />
Der lockere Spruch „Ich glaub’, ich bin im Wald“ ist bei Shakespeares<br />
„Wie es euch gefällt“ Wirklichkeit geworden, denn die Handlung spielt<br />
vor allen Dingen ebendort. So betrachtet ist diese Komödie idealer<br />
Auftakt für den 15. Theatersommer „Shakespeare im Park“, denn<br />
schließlich ist die Melcherswiese rundum von den Bäumen des Bürgerparks<br />
umstanden. Am 25. August eröffnet die Shakespeare Company<br />
mit „Wie es euch gefällt“ dort ihre Freiluftsaison. Einen Abend<br />
später spielt schon wieder der Wald eine einigermaßen wichtige Rolle,<br />
wenn nämlich bei „Macbeth“ der Wald von Birnam plötzlich Beine<br />
bekommt und scheinbar auf die Burg des Mörders zumarschiert. Jörg<br />
Steinbergs Inszenierung streicht das Martialische und Blutige des<br />
Stückes drastisch und in eindrucksvollen Bildern heraus.<br />
Wieder leichter und lustiger wird es am 27. August bei „Ende gut, alles<br />
gut“. Hier geht es um die verschmähte Liebe der Helena zu Bertram,<br />
der vor ihr flieht, aber – wie der Stücktitel schon verrät – am Schluss<br />
ist dann doch alles in<br />
Butter. „Ich glaub’, ich bin im Wald“<br />
So glimpflich geht<br />
es, einen Abend später, bei „Julius Cäsar, Cleopatra, Antonius“, einer<br />
speziellen Kombination der Company von gleich zwei Shakespeare-<br />
Stücken, selbstverständlich nicht ab. Hier sind, historisch belegt, die<br />
Titelhelden schließlich tot, und nicht alle erst am Ende.<br />
Das Finale von „Shakespeare im Park“ am 29. August ist dann wieder<br />
leicht und locker: „Ein Königreich für einen Ball“ ist quasi noch einmal<br />
ein Nachschlag zur Fußball-WM. Vom Ensemble und Regisseur<br />
Jörg Steinberg entwickelt, erwachen hier zahlreiche Shakespeare-<br />
Figuren zum Leben und liefern sich einen erbitterten Kampf (um<br />
den Ball) in neunzig Minuten plus Nachspielzeit. <strong>Die</strong> beiden letzten<br />
Abende auf der Melcherswiese beginnen bereits um 18 Uhr, ansonsten<br />
ist die Anfangszeit 19.30 Uhr, wie auch im Theater am Leibnizplatz<br />
üblich.<br />
THEATER Shakespeare im Park 11
12 THEATER BREMERHAVEN Spielplan 2010/11<br />
Stadttheater Bremen<br />
Spielplan 2010/11<br />
Musiktheater<br />
Benjamin Britten Peter Grimes<br />
Leonard Bernstein On the Town<br />
Giacomo Puccini Tosca<br />
Emmerich Kálmán <strong>Die</strong> Csárdásfürstin<br />
Henry Purcell / Herzog Dido und Aeneas<br />
Béla Bartók Blaubarts Burg<br />
Wolfgang Amadeus Mozart Così fan Tutte<br />
Giuseppe Verdi Un Giorno di Regno<br />
Ballett<br />
Sergei Vanaev/Peter I. Tschaikowsky<br />
Das Nussknackerspiel<br />
Sergei Vanaev Amon-Ra<br />
Sergei Vanaev Rotkäppchen und der<br />
böse Wolf<br />
Ballett Extra<br />
Junge Choreographen im TiF Ego-Zoo-<br />
ming<br />
Ballett-Gala<br />
Schauspiel<br />
Großes Haus<br />
Sophokles König Ödipus<br />
Friedrich Schiller Maria Stuart<br />
Patrick Schimanski Prima Klima UA<br />
John von Düffel nach Thomas Mann<br />
Buddenbrooks<br />
Kleines Haus<br />
nach Ilija Trojanow <strong>Die</strong> Welt ist groß und<br />
Rettung lauert überall<br />
nach John Buchan und Alfred Hitchcock<br />
<strong>Die</strong> 39 Stufen<br />
Dirk Laucke Alter Ford Escort dunkelblau<br />
Gerhard Meister<br />
Ein Text für Bremerhaven UA<br />
In der Stadt<br />
nach Sten Nadolny <strong>Die</strong> Entdeckung der<br />
Langsamkeit<br />
Theaterprojekt von Lukas Matthaei<br />
Verzögerte Heimkehr<br />
nach Franz Kafka Amerika<br />
Internationales Theaterfestival<br />
Odyssee: Heimat<br />
Kinder- und Jugendtheater<br />
Tina Müller Türkisch Gold<br />
nach Erich Kästner Pünktchen und Anton<br />
Ulrich Hub Der dickste Pinguin vom Pol<br />
Heiner Kondschak Das Schätzchen der<br />
Piratin<br />
Lorenz Hippe Sonjas Entscheidung<br />
Stadttheater Bremerhaven stellt in der Spielzeit<br />
2010/11 den Bezug zur Seestadt heraus<br />
Text: Karin Hiller<br />
ÖFFNUNG NACH<br />
AUSSEN<br />
Ein Spielzeitheft in klaren Farben und<br />
neuem Design, eine junge, vor Ideen<br />
sprühende Mannschaft unter dem<br />
neuen Intendanten Ulrich Mokrusch, ein<br />
Spielplan mit innovativem Ansatz – was<br />
will man mehr? Das neue Leitungsteam<br />
des Stadttheaters hat sich vorgenommen,<br />
der Stadt Bremerhaven ein neues kulturelles<br />
Selbstbewusstsein zu geben.<br />
In den Theaterproduktionen und vor allem<br />
in Projekten, die unter dem Oberbegriff „In<br />
der Stadt“ an speziell ausgewählten Orten<br />
stattfinden, wird der Bezug zur Seestadt<br />
gesucht. So wird ein Stück über das Leben<br />
des Polarforschers John Franklin nach Nadolnys<br />
Roman „<strong>Die</strong> Entdeckung der Langsamkeit“<br />
als theatrale Museumsführung<br />
ins Schiffahrtsmuseum gebracht und eine<br />
Bühnenfassung von Kafkas „Amerika“ im<br />
Auswandererhaus zu sehen sein.<br />
Das Theater stellt sich seiner sozialen und<br />
gesellschaftlichen Verantwortung und<br />
wird sich mehr nach außen öffnen. Man<br />
will verstärkt mit anderen kulturellen Institutionen<br />
zusammenarbeiten, Menschen<br />
aus Kultur und Wissenschaft zusammenbringen<br />
und aktiv an der Zukunftsgestaltung<br />
der Stadt mitwirken. Außerdem soll,<br />
so Mokrusch, das Thema Schule massiv in<br />
den Fokus gerückt werden.<br />
<strong>Die</strong> Spielzeit startet mit einer musikalischen<br />
Herausforderung: Brittens Operndrama<br />
des Außenseiters „Peter Grimes“, in<br />
dem expressive Orchesterzwischenspiele<br />
das Meer in seiner Naturgewalt zum Tosen<br />
bringen. Spannenden Hörgenuss verspricht<br />
ein Opernabend mit im tonalen<br />
Kontext extrem unterschiedlichen Werken:<br />
Purcells „Dido und Aeneas“ und Bartóks<br />
„Herzog Blaubarts Burg“.<br />
Ballettchef Sergei Vanaev bringt die Geschichte<br />
vom „Nussknacker“ in seiner Version<br />
etwas anders als gewohnt auf die<br />
Bühne, hält sich dabei aber genau an die<br />
Originalmusik von Tschaikowsky. Ein experimentelles<br />
Stück mit zeitgenössischer<br />
Musik ist „Amon-Ra“, in dem Vanaev sich<br />
der Lebensgeschichte des Pharaos Echnaton<br />
nähert. Musikalisch leichter und ein<br />
bisschen verrückt ist das Kinderballett<br />
„Rotkäppchen“.<br />
Das Schauspiel schlägt den Bogen von den<br />
Anfängen des Theaters mit Sophokles’<br />
„Ödipus“, bis zu neuen Texten wie „Alter<br />
Ford Escort dunkelblau“ von Dirk Laucke,<br />
einem der erfolgreichsten jungen Autoren<br />
der Gegenwart. In der Uraufführung des<br />
Musikers und Komponisten Patrick Schimanski<br />
„Prima Klima“, einer musikalischen<br />
Expedition entlang des Längengrades<br />
8 Ost, wird Bremerhaven als Stadt der<br />
Klimaforschung im Mittelpunkt stehen.
In Bremerhaven neigt sich eine Ära dem<br />
Ende zu. Peter Grisebach, seit 16 Jahren<br />
leitender Intendant des Stadttheaters,<br />
stellt sich noch einmal neuen Herausforderungen<br />
und verlässt die Seestadt<br />
am Ende der Spielzeit. Damit geht – so<br />
Verwaltungsdirektor Jürgen Ahlf – „ein<br />
verlässlicher Partner“, der er „in den 16<br />
Jahren der gemeinsamen Leitungsverantwortung<br />
als überaus kompetenten Theaterfachmann<br />
mit hoher Sachkompetenz<br />
in allen künstlerischen Entscheidungen<br />
und auch in allen administrativen und organisatorischen<br />
Angelegenheiten kennen<br />
und schätzen gelernt“ habe.<br />
Jürgen Ahlf muss es wissen: Zusammen<br />
packten sie die Sanierung des Großen Haus<br />
an, das 2000 mit einer hochmodernen<br />
Bühnentechnik, die manches andere Theater<br />
in den Schatten stellt, feierlich wieder<br />
eröffnet wurde. <strong>Die</strong> Renovierung des Kleinen<br />
Hauses folgte einige Jahre später.<br />
Im Musiktheater inszenierte Grisebach<br />
auch selbst. Neben den erfolgreichen großen<br />
romantischen Opern bleiben moderne<br />
Produktionen wie Bergs „Lulu“ und Reimanns<br />
„Melusine“ in bester Erinnerung.<br />
<strong>Die</strong> drohende Schließung der Ballettsparte<br />
wusste Grisebach zu verhindern und<br />
rettete damit das Dreispartenhaus. Jungen<br />
Choreographen wie Ricardo Fernando,<br />
Intendant Peter Grisebach verlässt<br />
das Stadttheater Bremerhaven<br />
Text: Karin Hiller<br />
DREI KONZERTE<br />
ZUM ABSCHIED<br />
Jörg Mannes und Sergei Vanaev gab er die<br />
Chance und die Zeit, ihren eigenen choreographischen<br />
Stil mit einem kleinen Ensemble<br />
zu entwickeln.<br />
Auf Wunsch von Peter Grisebach kam im<br />
Jahr 2000 Generalmusikdirektor Stephan<br />
Tetzlaff nach Bremerhaven, der die umfassende<br />
Fachkenntnis seines Intendanten<br />
lobt: „Er weiß immer, wovon er spricht,<br />
und man kann sich auf sein Urteil verlassen.<br />
Und er hat es geschafft, junge talentierte<br />
Sänger zu entdecken und ans Haus<br />
zu binden.“<br />
Das letzte Sinfoniekonzert der Spielzeit<br />
(21., 22. und 23. Juni) widmet Tetzlaff dem<br />
scheidenden Intendanten. Neben dem Vorspiel<br />
zur Oper „Es war einmal“ von Zemlinsky<br />
und einer Suite von Karl-Rudi Griesbach<br />
(!) wird auch ein Stück aus Richard Strauss’<br />
„Rosenkavalier“ zu hören sein. „Das war unsere<br />
in jeder Hinsicht erfolgreichste gemeinsame<br />
Produktion“, schwärmt Tetzlaff.<br />
Gute Wünsche für die Zukunft nimmt Peter<br />
Grisebach sicher gerne entgegen. Seine<br />
Aufgabe als Generalintendant des Landestheaters<br />
Schleswig-Holstein wird ihn<br />
bis an die Grenzen des Machbaren fordern.<br />
Das Theater, das sich in schweren finanziellen<br />
Nöten befindet, muss saniert werden.<br />
Da bleibt nur zu sagen: viel Glück und einen<br />
optimistischen Blick nach vorne!<br />
THEATER BREMERHAVEN Peter Grisebach 13<br />
Ballettgala „Spitzen-Tanz“<br />
Bereits zum dritten Mal bietet das Stadttheater<br />
den Ballettfans eine hochkarätige Gala<br />
mit ausgewählten Gästen aus der internationalen<br />
Ballettszene. Heinz Spoerli schickt<br />
Tänzer aus Zürich, das Scapino Ballet Rotterdam<br />
ist ebenso dabei wie Tänzer aus Berlin,<br />
Essen, Saarbrücken und Wiesbaden. Zu<br />
sehen gibt es Ausschnitte aus klassischen<br />
Choreographien, aber auch modernen, athletischen<br />
Ausdruckstanz. Sergei Vanaev und<br />
seine Bremerhavener Compagnie präsentieren<br />
zwei neue, speziell für diesen Abend<br />
choreographierte Stücke.<br />
29. Mai, 19.30 Uhr, Stadttheater, Großes<br />
Haus<br />
Lange Nacht der Kultur<br />
An 35 verschiedenen Orten der Stadt gibt<br />
es am 5. Juni in der „Langen Nacht der Kultur“<br />
Außergewöhnliches zu sehen und zu<br />
hören: klassische oder jazzige Musik in<br />
den Kirchen und auf den Straßen, die Tuareg<br />
im Klimahaus, Improvisationstheater<br />
zum Mitmachen und vieles mehr. Unter<br />
der fachkundigen Leitung von Profitänzern<br />
kann man Salsa oder Tango lernen, im<br />
Dock der Rickmers Lloyd Werft verzaubert<br />
das Theater „Feuervogel“ mit Licht und<br />
Tanz. Das Stadttheater, die Musikschule,<br />
Museen und Galerien öffnen ihre Türen für<br />
ein besonderes Programm in dieser Nacht<br />
der unbegrenzten Möglichkeiten und der<br />
kulturellen Begegnungen.<br />
5. Juni, ab 17 Uhr<br />
Comedy bis zum Abwinken<br />
Zwei Brüder, ein Programm. Und was für<br />
eins! Denn „Irgendwas is’ immer“. Podewitz<br />
– der Deutsche Meister im Drumrum-Reden<br />
und sein unmusikalischer<br />
Bruder – präsentieren 90 Minuten kopfloses<br />
Koma-Plauschen und Flatrate-Palaver,<br />
warnen vor Haustürgeschäften mit Kirchenvertretern<br />
und zeigen eine echt islamistische<br />
Modenschau. Ihr Motto: „Wer<br />
jetzt noch Fragen hat, darf sie behalten!“<br />
19. August, 20 Uhr, Theater im Fischereihafen
14 THEATER BREMERHAVEN Rolf Becker<br />
Bremerhaven.<br />
Erleben und staunen.<br />
Ankerplatz für Kreuzfahrtschiffe und andere<br />
„dicke Pötte“ der Weltmeere, Schiffbau<br />
auf den Werften, ein modernes Containerterminal<br />
als Umschlagsplatz im<br />
internationalen Warenverkehr – in Bremerhaven<br />
weht noch der Wind einer echten<br />
Seestadt. Der größte Fischereihafen<br />
des Kontinents ist Zentrum der Fischverarbeitung,<br />
daneben wachsender Standort<br />
für die Lebensmittelindustrie und Biotechnologie<br />
<strong>Die</strong> „Sail Bremerhaven 2010“ wirft bereits<br />
seine Schatten voraus. Vom 25. - 29. August<br />
2010 ist die Seestadt wieder Treffpunkt zahlreicher<br />
stolzer Windjammer aus aller Herren<br />
Länder. Attraktive Törnangebote von der<br />
Halbtages- über Tagesfahrten bis hin zu<br />
Mehrtagestörns werden auf unterschiedlichsten<br />
Segelschiffen angeboten. Ganzjährig<br />
bietet die Seestadt ihren Besuchern attraktive<br />
Sehenswürdigkeiten wie das neu<br />
eröffnete Klimahaus® Bremerhaven 8° Ost,<br />
das Deutsche Auswandererhaus, das Deutsche<br />
Schiffahrtsmuseum, Führungen Havenwelten<br />
– Gestern tritt Heute, den Hafen-<br />
Bus, das Historische Museum Bremerhaven/<br />
Morgenstern-Museum u. v. m..<br />
Das „Stadttheater Bremerhaven“, ein klassisches<br />
Dreispartenhaus, genießt einen<br />
ausgezeichneten Ruf, ebenso die „Kunsthalle<br />
Bremerhaven“, das weltweit renommierte<br />
„Kabinett für internationale<br />
Kunst“, das neu eröffnete Kunstmuseum<br />
Bremerhaven und das lebendige „Theater<br />
im Fischereihafen“ (TiF). Zur regen Bremerhavener<br />
Kulturszene zählen auch die<br />
Kleinkunstbühne „Pferdestall“ und kleine<br />
Galerien: das „Paul-Ernst-Wilke-Haus“,<br />
die „Galerie 149“, die „Paul Galerie“.<br />
Im überregional anerkannten „Capitol“<br />
sind regelmäßig die Größen der deutschen<br />
Kabarett-, Comedy- und Satireszene zu<br />
Gast. Ob „Internationale Meisterkonzerte“,<br />
Gospel-Konzerte oder Mönchs-<br />
Gesänge: Musikfreunde finden ihr Programm<br />
in der „Großen Kirche“ und in der<br />
Christuskirche.<br />
Lassen auch Sie sich von der kulturellen<br />
Vielfalt der „Welt am Meer“ begeistern.<br />
Wir freuen uns auf Ihren Besuch!<br />
BIS Bremerhaven Touristik<br />
H.-H.-Meier-Straße 6 (Hafeninsel)<br />
27568 Bremerhaven<br />
Tel.: 04 71 / 41 41 41<br />
Fax: 04 71 / 9 46 46 190<br />
touristik@bis-bremerhaven.de<br />
www.bremerhaven-tourism.de<br />
Rolf Becker liest „Kleiner<br />
weißer Vogel“ im TiF<br />
Text: Karin Hiller<br />
UNENDLICHE WELT<br />
DER FANTASIE<br />
Was wäre das Leben ohne die Fantasie,<br />
ohne die vielen fantastischen<br />
Bücher, die den Alltag vergessen<br />
lassen, den Gedanken Flügel verleihen und<br />
in ferne Welten versetzen? Unter den Autoren<br />
fantastischer Romane nimmt der schottische<br />
Schriftsteller und Dramatiker James<br />
Matthew Barrie einen besonderen Platz ein.<br />
Sein Bühnenstück „Peter Pan oder der Junge,<br />
der nicht erwachsen werden wollte“, das<br />
1904 uraufgeführt wurde, war so erfolgreich,<br />
dass Barrie es bald darauf auch in einer<br />
Prosaversion veröffentlichte. Seitdem<br />
lesen und lieben Kinder wie Erwachsene<br />
auf der ganzen Welt die Geschichte von Peter<br />
Pan und seinen Abenteuern in Nimmerland,<br />
dem Land der Fantasie, in dem Kinder<br />
nicht erwachsen werden.<br />
Zum 150. Geburtstag von J. M. Barrie ist<br />
jetzt dessen Buch „Kleiner weißer Vogel“<br />
erstmalig in deutscher Sprache erschienen.<br />
Erzählt wird die Geschichte des einsamen<br />
Captain W., der sich im Park mit<br />
einem Jungen anfreundet und mit ihm<br />
zusammen die fantastischen Abenteuer<br />
des Peter Pan erfindet. <strong>Die</strong>ser sehr persönliche,<br />
fast autobiographische Roman<br />
geht zurück auf die Freundschaft Barries<br />
mit der Familie Llewelyn-Davies und seine<br />
Erlebnisse mit ihren vier Kindern und<br />
war auch Basis für den mehrfach preis-<br />
gekrönten Film „Finding Neverland“ mit<br />
Johnny Depp und Kate Winslet in den<br />
Hauptrollen. Barrie, der Kinder über alles<br />
liebte, blieb selbst kinderlos und vermachte<br />
alle Rechte an seinen Büchern, Filmen<br />
und Theaterstücken einem Londoner<br />
Kinderkrankenhaus.<br />
Der Schauspieler Rolf Becker nahm den<br />
runden Geburtstag von J. M. Barrie zum<br />
Anlass für eine Lesereise, auf der er Barries<br />
Roman „Kleiner weißer Vogel“ im TiF in<br />
Bremerhaven vorstellt und damit Einblicke<br />
gibt in die Entstehungsgeschichte des Kinderbuchklassikers<br />
„Peter Pan“. Becker, ein<br />
in zahlreichen Projekten sozial und politisch<br />
stark engagierter Mensch, versteht es<br />
mit seiner Erfahrung als Schauspieler und<br />
Synchronsprecher wie kein anderer, seine<br />
tiefe, markante Stimme einzusetzen, um<br />
die Zuhörer mitzunehmen in die unendliche<br />
Welt der fantastischen Geschichten.<br />
Wie Barrie liegt auch Rolf Becker das Wohl<br />
der Kinder sehr am Herzen. Noch als 65jähriger<br />
adoptierte der bereits vierfache Vater<br />
mit seiner Frau einen kleinen Jungen, der<br />
schwer vermittelbar war und keine Chance<br />
auf eine Zukunft in einer Familie gehabt<br />
hätte.<br />
Lesung mit Rolf Becker am 26. Mai im<br />
Theater im Fischereihafen
UTOPIE DER<br />
MENSCHLICHKEIT<br />
Eine selten aufgeführte musikalische<br />
Rarität ist Kurt Weills Bühnenstück<br />
„Der Silbersee“, ein poetisches Musikdrama,<br />
eine Art modernes Märchen,<br />
das Weill selbst als „Musikalisches Theater“<br />
bezeichnete. Kurz nach der Machtergreifung<br />
Hitlers 1933 zeitgleich in Leipzig,<br />
Magdeburg und Erfurt uraufgeführt,<br />
wurde dieses Genre übergreifende Stück<br />
von den Nationalsozialisten als „musiktheatralischer<br />
Bastard“ verfemt und noch<br />
im selben Jahr verboten. Es war die letzte<br />
Arbeit Weills vor seiner Flucht zunächst<br />
nach Paris, später nach Amerika.<br />
Jetzt ist die gelungene Synthese aus Oper<br />
und Schauspiel mit dem Text des expressionistischen<br />
Dramatikers Georg Kaiser,<br />
die geprägt ist durch Kurt Weills charakteristischen<br />
Kompositionsstil, in Bremerhaven<br />
zu sehen. Obwohl das Stück soziale<br />
und politische Themen wie Arbeitslosigkeit<br />
und Wirtschaftskrise anspricht, hebt<br />
die Regisseurin Sarah Kohrs in ihrer Inszenierung<br />
die mystischen und märchenhaften<br />
Elemente hervor. Denn das Stück<br />
verfolgt eine Utopie, den Wunsch, dass jeder<br />
Mensch Sensibilität für den anderen<br />
entwickeln kann.<br />
Arm und Hunger leidend haust der arbeitslose<br />
Landarbeiter Severin in einer Moor-<br />
„Der Silbersee“ von Kurt Weill beschließt die<br />
Spielzeit in Bremerhaven<br />
Text: Karin Hiller<br />
hütte am Silbersee. In seiner Not überfällt<br />
er zusammen mit anderen Leidensgefährten<br />
ein Lebensmittelgeschäft. Doch<br />
er stiehlt kein Brot, sondern nur eine Ananas.<br />
„Ein Genussmittel“, registriert der Polizist<br />
Olim, der den flüchtenden Severin<br />
durch einen Schuss schwer verletzt. Durch<br />
einen Lotteriegewinn zu Reichtum gelangt,<br />
nimmt der von schlechtem Gewissen<br />
geplagte Olim den <strong>Die</strong>b bei sich auf und<br />
pflegt ihn. Doch Severin sinnt auf Rache<br />
und Olim beginnt<br />
sich vor ihm<br />
zu fürchten. Aber<br />
Zorn und Angst<br />
sind die beiden<br />
Zorn und Angst sind die beiden<br />
Leidenschaften, die das Elend<br />
begründen<br />
Leidenschaften, die das Elend begründen.<br />
Aus eigener Kraft lernt Olim seine Angst zu<br />
besiegen und Severin überwindet seine Rachegefühle.<br />
Aus Feinden werden Freunde.<br />
Georg Kaiser sah die Aufgabe des Theaters<br />
in der Darstellung menschlichen Verhaltens.<br />
Während Brecht in seinen Stücken<br />
immer wieder die Frage nach dem besten<br />
politischen System stellte, fragte sich Kaiser,<br />
wozu der Mensch selbst in der Lage ist,<br />
was er ändern und bewirken und wo er Verantwortung<br />
übernehmen kann. So lässt er<br />
Olim sagen: „Ich bin niemals stark genug,<br />
eine bessere Weltordnung durchzudrücken,<br />
so widme ich mich dem Einzelnen.“<br />
THEATER BREMERHAVEN Der Silbersee 15<br />
Weills rhythmische und ausdrucksstarke<br />
Musik verstärkt die Aussagen des Stücks<br />
und charakterisiert die Personen. Den Lotterieagenten<br />
führt er mit einem eingängigen<br />
Tango ein. Marcel Zaba lässt in seiner<br />
eher kargen Ausstattung Raum für<br />
die Fantasie des Zuschauers: „Alles soll<br />
schwebend bleiben, zur Gedankenarbeit<br />
anregen, Assoziationen wach rufen.“<br />
Durch widrige Umstände verarmt und auf<br />
ihre nackte Existenz<br />
zurückgeworfen, suchen<br />
Olim und Severin<br />
den Freitod im Silbersee.<br />
Doch wie durch<br />
ein Wunder friert der See mitten im Sommer<br />
zu und weist ihnen den Weg in die<br />
Zukunft. „Olim und Severin haben ein<br />
Schicksal zu schultern, das sie nicht gewählt<br />
haben“, erklärt Sarah Kohrs. „Eigentlich<br />
wollten sie den Freitod. Sie haben die<br />
Pflicht, etwas zu tun, eine schwere Aufgabe<br />
zu bewältigen. Sie sollen verkünden,<br />
was Menschsein bedeutet. <strong>Die</strong>se Aufgabe<br />
kommt nicht von Gott, sondern aus dem<br />
Kern des Menschen heraus.“ Der vereiste<br />
See bedeutet Hoffnung, es gibt eine positive<br />
Perspektive. So heißt es am Schluss:<br />
„Wer weiter muss, den trägt der Silbersee.“<br />
Premiere am 22. Mai im Großen Haus.<br />
Musikalische Leitung: Richard Fletcher
16 THEATER OLDENBURG Spielplan 2010/11<br />
UMBAU ALS CHANCE<br />
Generalintendant Markus Müller über den<br />
Spielplan des Oldenburgischen Staatstheaters<br />
Text: Michael Pitz-Grewenig<br />
Am Oldenburgischen Staatstheater<br />
knistert es mal wieder im Gebälk,<br />
aber diesmal ist das wörtlich<br />
zu nehmen. Das große Haus muss dringend<br />
renoviert werden. Toll ist, dass dafür<br />
die finanziellen Mittel bereitgestellt werden.<br />
Aber noch toller ist, dass Generalintendant<br />
Markus Müller und sein Ensemble<br />
den Umbau als Chance zur Erspielung<br />
neue Räume und Plätze verstehen, etwa<br />
in der Halle 10 auf dem ehemaligen Fliegerhorst.<br />
Wirft man einen Blick in das neue Programmheft,<br />
so keimt die begründete Hoffnung,<br />
dass auch während der neuen Spielzeit<br />
mit ihren vielen Unabwägbarkeiten,<br />
die der räumlichen Situation geschuldet<br />
sind, wieder ein Theater gezeigt wird, das<br />
nicht nur sein Geld wert ist (das der Gesellschaft)<br />
oder auch den Phantasieeinsatz<br />
seiner Macher, sondern es auch wert ist,<br />
besucht zu werden (vom Publikum). Der<br />
Philosoph Georg F. Hegel sprach im Hinblick<br />
auf segensreiche Wirkungen, die unbeabsichtigt<br />
sind, von der „List der Vernunft“,<br />
auch von der „List der Natur“.<br />
Vielleicht gibt es auch eine „List der baulichen<br />
Veränderungen.“<br />
Ob der große Umbau auch ein Glücksmoment<br />
dafür sein kann, dass sich das Staatstheater<br />
Oldenburg noch mehr in die Region<br />
integriert, darüber sprachen wir mit<br />
dem Generalintendanten Markus Müller.<br />
Im neuen, optisch sehr gelungenen Programmheft<br />
zur neuen Spielzeit kommen<br />
Sie fast ins Schwärmen, ob der neuen<br />
Möglichkeiten. Sie zitieren sogar Goethe,<br />
dessen Werther im fiktiven Ort Wahlheim<br />
sein Glück sucht. Ein schöner Vergleich,<br />
aber wollen Sie sich auch am Ende dieser<br />
für das Ensemble wie für den Intendanten<br />
schwierigen Spielzeit das Leben nehmen?<br />
Glücklicherweise unterscheidet uns von<br />
Goethes Werther, dass wir uns nicht in etwas<br />
verliebt haben, das wir nicht erreichen<br />
können… Und die intensive Wahrnehmung,<br />
die poetische Kraft und die Leidenschaft,<br />
die Werther durch sein und in<br />
seinem ‚Wahlheim’ entwickelt, finde ich<br />
unbedingt nachahmenswert. Theatertode<br />
werden sicher wieder viele gestorben in<br />
der neuen Saison. Aber wie immer stellvertretend<br />
für uns alle – wir leben darum gerne<br />
weiter.<br />
Scherz beiseite, in Bremen wird darüber<br />
nachgedacht, ob man einen Generalintendanten<br />
überhaupt noch benötigt. Ist das<br />
noch ein Traumjob?<br />
Das Schöne an meinem Beruf ist, dass ich<br />
als „Ermöglicher“ Kunst entstehen sehe<br />
und dadurch meinen Beitrag dazu leisten<br />
darf. Künstlern den Raum zu geben (in der<br />
nächsten Spielzeit lässt sich das ziemlich<br />
wörtlich verstehen), den sie brauchen, um<br />
gutes Theater zu machen, ist eine sehr befriedigende<br />
Aufgabe. Kein Theaterabend<br />
funktioniert ohne sehr intensives Teamwork.<br />
<strong>Die</strong>se Art der Arbeit entspricht mir
Fotos: Mario Dirks<br />
sehr und macht mir viel Freude. Also: Ja,<br />
ein Traumjob.<br />
Standen 2008/09 noch Frauengestalten<br />
im Mittelpunkt der Programmgestaltung,<br />
war es 2009/10 das Verhältnis Mensch und<br />
Welt, jetzt das Verhältnis Ort – Existenz.<br />
Können Sie das bitte erläutern?<br />
Während, oder besser weil die Welt immer<br />
unübersichtlicher wird, wird der Raum um<br />
uns herum immer wichtiger für uns. Was<br />
Soziologen „Cocooning“ getauft haben, benennt<br />
die Sehnsucht nach Halt, Orientierung<br />
und Übersichtlichkeit in einer Zeit, in<br />
der von jedem Einzelnen höchste Flexibilität<br />
verlangt wird. Plötzlich erfahren Begriffe<br />
wie Heimat, Zuhause etc. eine enorme<br />
Aufwertung. Auch ein Theater ist ein<br />
definierter Raum, in dem wir uns mit Hilfe<br />
des Bühnengeschehens unserer selbst vergewissern,<br />
uns – bewusst oder unbewusst<br />
– als Teil einer bestimmten Kulturtradition<br />
begreifen und in der Auseinandersetzung<br />
damit ihr zuordnen. Der vorübergehende<br />
Umzug auf unsere Ersatzspielstätte,<br />
der neue Raum und die Umbruchsituation<br />
bestimmen also selbstverständlich auch<br />
den Spielplan. In der Oper allein durch die<br />
Größe der Halle, die auch die großen Stoffe<br />
– wie „Tosca“, „<strong>Die</strong> Walküre“ oder Händels<br />
Oratorium „Saul“ – fordert, im Schauspiel<br />
geht es um Auf- und Umbrüche in<br />
eine neue Epoche, ein neues Leben oder<br />
am Vorabend des Krieges – in Tschechows<br />
„Kirschgarten“ etwa oder Shaws „Haus<br />
Herzenstod“ oder in der Uraufführung von<br />
Marc Beckers „Aus der Mitte der Gesellschaft“.<br />
<strong>Die</strong> Figuren in diesen und vielen<br />
anderen Produktionen suchen nach einem<br />
Ort für sich, im Leben, in der Gesellschaft,<br />
in der Familie. Sie ängstigen sich vor dem<br />
Neuen oder wagen es. Und sie lassen uns<br />
daran teilhaben.<br />
Seit dem Beginn Ihrer Intendanz ist die inhaltliche<br />
Attraktivität des Staatstheaters<br />
stetig gestiegen. Man kann durchaus von<br />
einem künstlerischen Erfolg sprechen! Gilt<br />
dies auch unter ökonomischem Aspekt?<br />
Wir haben unser Einnahmesoll bislang in<br />
jeder Spielzeit erreicht. Auch mit den Besucherzahlen,<br />
die natürlich von vielen Variablen<br />
wie Großveranstaltungen, Open Airs<br />
etc. abhängen, sind wir sehr zufrieden.<br />
Zurück zum attraktiven Programm der<br />
neuen Spielzeit. Es fällt auf, dass es im Bereich<br />
Musiktheater und Schauspiel überaus<br />
spannend zugeht. Welche Produktionen<br />
liegen Ihnen besonders am Herzen?<br />
Natürlich freue ich mich sehr auf die großen<br />
Klassiker in der außergewöhnlichen<br />
Umgebung unserer „Wahlheimat“ auf dem<br />
Fliegerhorst. Besonders am Herzen liegen<br />
mir aber immer die Produktionen, die<br />
ganz unberechenbar sind, bei denen wir<br />
völlig auf die Künstler vertrauen, mit denen<br />
wir teilweise schon lange zusammen<br />
arbeiten oder die wir neu für Oldenburg<br />
entdecken. Dass ich außerdem gespannt<br />
die Produktionen unseres leitenden Regisseurs<br />
K. D. Schmidt und unseres Haus-<br />
THEATER OLDENBURG Spielplan 2010/11 17<br />
autors und -regisseurs Marc Becker erwarte,<br />
versteht sich von selbst.<br />
Auch das musikalische Programm der<br />
Sinfoniekonzerte und der Kammerkonzerte<br />
ist überaus attraktiv: Werken unter<br />
anderem von Boris Blacher, Salvatore Sciarrino,<br />
Lugi Nono, Uraufführungen. Befürchten<br />
Sie nicht, dass da das Musikpublikum<br />
zu Hause bleibt?<br />
Wir freuen uns in der laufenden Spielzeit<br />
über auffallend stark gestiegene Besucherzahlen.<br />
Offensichtlich gibt es hier<br />
ein Publikum, das genau diese Spielplangestaltung<br />
annimmt und gern kommt. Ich<br />
mache mir darum über diesen Punkt gar<br />
keine Sorgen.<br />
Letzte Frage: Welche Änderung sind nach<br />
dem Umbau zu erwarten?<br />
Es wird eine komplett neue, elektronisch<br />
gesteuerte Obermaschinerie eingebaut,<br />
sämtliche Handzüge werden durch Maschinenzüge<br />
ersetzt. Außerdem wird der<br />
Orchestergraben vergrößert und der Zuschauerraum<br />
saniert. Im gesamten Gebäude<br />
werden alle Wasserleitungen erneuert,<br />
im Zuge dessen werden auch die Besuchertoiletten<br />
saniert und ihre Anzahl verdoppelt.<br />
Und das Probengebäude in der<br />
ehemaligen Helene-Lange-Schule wird<br />
ebenfalls grundständig saniert und mit einem<br />
Anbau versehen. Alles enorme Verbesserungen<br />
für Mitarbeiter und Publikum<br />
und ein gutes Fundament für eine sichere<br />
und fruchtbare Zukunft des Staatstheaters!
18 THEATER IN NORDEN Opernpremieren<br />
Opernpremieren an norddeutschen<br />
Theatern<br />
Text: Simon Neubauer<br />
<strong>Die</strong> Gehetzten, Foto: Jörg Landsberg<br />
VON POESIE BIS GROTESKE<br />
Theater Bremen<br />
„<strong>Die</strong> Gehetzten“<br />
„<strong>Die</strong> Gehetzten“, das sind natürlich wir.<br />
Wir getriebenen und deshalb umtriebigen<br />
Zeitgenossen, die sich heutzutage auf diesem<br />
Erdenball tummeln und die „Wahrheit“<br />
suchen, also den Sinn eines Lebens,<br />
das sie mehr oder minder selbstschuldig<br />
demontieren. Aber Bernd Redmann, dessen<br />
Opernfarce diesen Titels im Neuen Schauspielhaus<br />
Bremen uraufgeführt wurde,<br />
nimmt das alles nicht so ernst, wählt für<br />
das sich oft auch absurd gebärdende Gegenwartsdasein<br />
die Form der Burleske, in<br />
der sich selbst Leben und Tod schrill und<br />
schräg präsentieren lassen.<br />
Ausgerechnet ein blinder Bettler führt<br />
durch das Kaleidoskop des Wesens und<br />
Wirkens, ein Mann also, der nichts sieht,<br />
aber gehörgeschädigt die mitunter brüllend<br />
lauten Tagesverläufe wahrnimmt und<br />
sie für uns zu übersetzen versucht. Gleich<br />
geht es mit einer tödlich endenden Beziehungskiste<br />
zwischen Billy und Sheila los,<br />
Zeitungen verdienen sofort die Makulatur,<br />
die holde, verführerisch süß flötende<br />
Miss Netzwerk treibt die Leute in die Euphorie<br />
und ein Aufmarsch der Menschen<br />
aus verschiedenen Epochen offenbart,<br />
dass es früher auch nicht anders, nur primitiver<br />
war: Man bringt sich gegenseitig<br />
um, Schlagworte zerplatzen wie Seifenblasen,<br />
die neue Kunst hat überhaupt keine<br />
Wirkungschancen, Börsenmakler durchstehen,<br />
wenn auch mühsam, ein radikales<br />
Mobbing, und wenn schon der Gedanke<br />
an Sterben und Tod aufglimmt, wirken die<br />
tänzelnden Gerippe nur fröhlich.<br />
Vielfältig wie das bunte Geschehen ist<br />
auch Redmanns Musik, ein polytonales,<br />
ein stilistisches Mixtum compositum, das<br />
über Posaunengrundierung glitzert und<br />
zirpt, im Vokalen von Arioso über Parlando,<br />
Rapperpalaver, Schlagervarianten,<br />
mystifizierende Choräle und dann wieder<br />
sehr komplexe Klangsounds zusammenfügt.<br />
Für die Bremer Philharmoniker,<br />
die hinter einer Blechmauer zwar unsichtbar<br />
und trotzdem sehr differenziert musizieren,<br />
überhaupt kein Problem, zumal Dirigent<br />
Tarmo Vaask das Klanggeschehen<br />
suggestiv auffaltet. Großes Lob auch für<br />
den Chor des Bremer Theaters, der Gesang<br />
und selbst ungewöhnliche Darstellungsformen<br />
ausgezeichnet beherrscht.<br />
Kay Kuntze, der Regisseur, hat die Vorlage<br />
genau verstanden und häuft deshalb Stil-
20 THEATER IM NORDEN Opernpremieren<br />
Opernpremieren an norddeutschen Theatern<br />
Text: Simon Neubauer<br />
re Partien nahe, etwa den Octavian im „Rosenkavalier“,<br />
den sie zu Beginn der nächsten<br />
Spielzeit singen wird.<br />
Zu den sehr erfreulichen Entdeckungen<br />
zählte Leonardo Ferrando (Graf Almaviva),<br />
der mit seinem licht und klangfrisch geführten<br />
Tenorino an den jungen Carreras<br />
erinnerte, nachdem er, noch etwas lampenfiebrig,<br />
die Eröffnungs-Kavatine absolviert<br />
hatte. Und die andere Überraschung:<br />
Alberto Albarrán, eben noch der Masetto<br />
im „Don Giovanni“, ist jetzt ein liebenswürdig<br />
pfiffiger Figaro mit einem Schelmenbariton,<br />
dem Farbe und Volumen noch<br />
zuwachsen werden.<br />
Weitere Positiva der mit beifallsreichem<br />
Wohlgefallen aufgenommenen Schmonzette:<br />
Der behände Männerchor des Bremer<br />
Theaters und Agnes Selma Weiland als<br />
keineswegs verhuschte, weil selbstbewusste<br />
und dabei wohllautend singende Haushälterin<br />
Berta.<br />
Zusatz der Redaktion: Für Freunde traditioneller<br />
Opernaufführungen sehr zu empfehlen.<br />
Staatsoper Hamburg<br />
„Trilogie der Frauen“<br />
Zwei Tragödien und dazwischen eine Satire:<br />
Schwere, den Hörer stark in die Pflicht<br />
nehmende Szenefolgen offeriert die Hamburgische<br />
Staatsoper als „Trilogie der<br />
Frauen“: Zwei dieser Frauen mittleren Alters<br />
rekapitulieren in Endstationen ihr Leben,<br />
sehr schmerzhaft, sehr aufwühlend<br />
in Klage und utopischer Hoffung. Auch<br />
ihre Klanggewänder sind höchst konträr<br />
geschneidert, denn Arnold Schönberg<br />
und Wolfgang Rihm fanden für ähnliche<br />
Schicksale unüberbrückbare Gegensätze.<br />
Doch die dirigierende Hausherrin Simone<br />
Young und ein potent besetztes Staatsorchester<br />
fanden das jeweils richtige, kräftige,<br />
weil deutend pointierte und auch psychologisch<br />
stützende Farbregister.<br />
Allerdings mochte man mit den Inszenierungen<br />
von Matthew Jocelyn nicht immer<br />
übereinstimmen, weil er – zumindest in<br />
den beiden Rahmenstücken des Abends –<br />
das geheimnisumdüsterte Geschehen ins<br />
knallig Konkrete übersetzte und so dem<br />
Einakter weitgehend die Spannung raubte.<br />
<strong>Die</strong> Frau, die in Schönbergs „Erwartung“<br />
während einer nächtlichen Wande-<br />
„Trilogie der Frauen“<br />
rung durch den Wald ihr erschütterndes<br />
Seelendrama preisgibt, ist hier jedoch bereits<br />
in der Klapsmühle eines Hochsicherheitstrakts<br />
gelandet, wo nicht mehr lang<br />
der elektrische Stuhl auf sie wartet.<br />
<strong>Die</strong> andere in den Dschungel ihrer Gefühle<br />
verstrickte Frau in „Das Gehege“ von Wolfgang<br />
Rihm schleudert ihre in hektische<br />
Frustrationen eingebundene Anklagen<br />
nicht etwa gegen einen stummen Adler,<br />
sondern nach der Deutung des englischen<br />
Regisseurs an einen gelangweilten Mann,<br />
der sich im Gerippe des Riesenvogels eingenistet<br />
hat. Aber in beiden Fällen sorgen<br />
die Protagonistinnen für beklemmenden<br />
vokalen Furor: Deborah Polaski beherrscht<br />
anscheinend mühelos in Klang und Artikulation<br />
Schönbergs Zwölftonsprache;<br />
Hellen Kwon beglaubigt mit ihrem leuchtenden<br />
Sopranglanz die menschliche Legitimation<br />
der Rihmschen Klangarkaden.<br />
<strong>Die</strong> Frau im uraufgeführten „Le Bal“ ist von<br />
ganz anderer Statur und wesentlich einfacherem<br />
Geiste. Als ziemlich zickige Neureiche<br />
lädt sie die gesamte Hautevolee ihrer<br />
Umgebung zum festlichen Abend ein,<br />
aber keiner kommt, weil die pubertierende,<br />
noch immer als Kind behandelte Tochter
Wir können schnell von<br />
schneller unterscheiden.<br />
Schnell sind wir natürlich immer. Doch für die wirklich dringenden<br />
Sendungen unserer Kunden brechen wir gern auch mal Rekorde.<br />
Dazu stehen bei Hellmann ständig spezielle Hochleistungsdienste in<br />
den Startlöchern. Wenn’s darauf ankommt, gewinnen Sie souverän<br />
jeden Wettlauf mit der Zeit.<br />
www.hellmann.net<br />
THINKING AHEAD – MOVING FORWARD
22 THEATER IM NORDEN Opernpremieren<br />
Samson und Dalila<br />
Opernpremieren an norddeutschen Theatern<br />
Text: Simon Neubauer<br />
alle Einladungen in den Müll geworfen hat.<br />
Das unterhaltsame Stück mit der gestisch<br />
und stimmungsvoll unterstreichenden Musik<br />
von scar Strasnoy lebte überwiegend<br />
vom nervigen Porträt, das Miriam Gordon-<br />
Stewart der Hauptakteurin inmitten eines<br />
differenziert zeichnenden kleinen Ensembles<br />
mit parodierender Wonne vermittelt.<br />
Stadttheater Bremerhaven<br />
„Samson und Dalila“<br />
Kann man ein religiöses Drama, das sich<br />
laut Bibel vor mehreren tausend Jahren abgespielt<br />
hat, in einen aktuellen Nahost-<br />
Thriller verwandeln? Man kann, jedenfalls<br />
versuchte es Stefan Heinrichs, als er<br />
„Samson und Dalila“ inszenierte, die einzige<br />
Oper von Camille Saint-Saëns, von der<br />
man meist nur das schmeichelnde Duett<br />
„Sieh, mein Herz erschließt sich dir“ kennt.<br />
Da stehen sich nun also zwei in Religion,<br />
Kultur und Gesellschaft höchst verschiedene<br />
Völker gegenüber, nach der Bibel die unterdrückten<br />
Juden und die ihre Gewaltherrschaft<br />
rigoros ausübenden Philister. Geht<br />
man jetzt von der Kostümierung im Bremer-<br />
havener Stadttheater aus, sind aber die verhärmt<br />
flehenden, ihren Allah anbetenden<br />
Moslems die Gefangenen, die Juden, genauer<br />
die Israeli, herrschen, militärisch bestens<br />
ausgerüstet, als Besatzer. Ist also Israel der<br />
Feind und der Iran der Freund?<br />
Natürlich kann man bei solchen Konstellationen<br />
nicht mehr erwarten, dass in Samsons<br />
langem Haar das Geheimnis seiner<br />
ungeheuren Kraft verborgen liegt. Sie würde<br />
ihm auch nichts nützen, als er von der<br />
Zuneigung heuchelnden Dalila in Feindeshand<br />
und in den öden Kerker gerät.<br />
Er mag danach trachten, sich als Selbstmordattentäter<br />
zu betätigen, aber, verurteilt<br />
von einer Art Volksgerichtshof, bleibt<br />
ihm, weil bomben- und waffenlos, nur eine<br />
andere Rache: Er betet zu Gott und dieser<br />
Gott schickt ein Flugzeug, das sich wie<br />
im September 2001 in einen New Yorker<br />
World Trade Tower stürzt. Und da gehen<br />
dann alle unter, das juxig feiernde, Luftschlangen<br />
werfende, in Abendrobe und<br />
mit Karnevalshütchen Polonäse tanzende<br />
Volk ebenso wie das Komplott-Paar Mullah<br />
(Oberpriester) und Dalila, die gar nicht<br />
früh genug mit ihrem „Führungsoffizier“<br />
den Beischlaf vollziehen kann.<br />
Der Schluss mit dem von welchem Gott<br />
auch immer gesandten Vernichtungs-Flugzeug<br />
war aber den Premierenbesuchern<br />
dann doch zuviel: es reagierte mit einem<br />
in diesem Haus lange nicht mehr vernommenen<br />
Buhsturm, wobei mancher Frust<br />
wegen mangelnder Personenführung der<br />
Geheimdienstler, Partisanen und Waffenträger<br />
mitschwingen mochte.<br />
Manolito Mario Franz kämpfte sich mutig<br />
durch die eigentlich einen differenzierten<br />
Charakter erfordernden Aufgaben Samsons,<br />
wobei ihm das eherne Höhenregister<br />
besser glückte als die Geschmeidigkeit des<br />
Liebenden. Zdravka Ambric gab mit üppig<br />
fließendem, aussagestarken Mezzo der Dalila<br />
die deutlich geforderte Raffinesse und<br />
eine Portion Hohn. Kai-Moritz von Blanckenburg<br />
machte mit Bassesschwärze aus<br />
dem Hohepriester einen Gewaltmenschen.<br />
Starken Eindruck hinterließen die bewegten<br />
Chöre der Guten und der Bösen. Stephan<br />
Tetzlaff dirigierte wie stets mit Hingabe,<br />
wobei sich allerdings immer wieder<br />
auch pauschal geformter Klang in die aufrauschenden<br />
Wogen mischte, das Lyrische<br />
hingegen hatte Duft und Zärtlichkeit.
Il Viaggio a Reims<br />
Staatsoper Hannover<br />
„Il Viaggio a Reims“<br />
Aktueller kann Theater nun wirklich nicht sein. Gioacchino Rossini hat einst<br />
in seiner köstlichen Oper „Il Viaggio a Reims“ feine Herrschaften aus verschiedenen<br />
Ländern in einem französischen Kurort versammelt, von dem<br />
aus sie zur Krönung Karl X. weiter reisen wollten. Aber welch grand malheur:<br />
Es sind keine Kutschen aufzutreiben, man sitzt fest.<br />
Matthias Davids hat selbstverständlich das Geschehen in die Gegenwart<br />
verlegt: ebenso markante wie signifikante Typen des internationalen Jetset<br />
treffen in der Lounge eines großen Flughafens (Marina Hellmann) ein,<br />
bleiben aber im Transit dort hängen, weil das Flugzeug erst Verspätung hat,<br />
dann leuchtet auf dem Monitor das Wörtchen „cancelled“ auf und das Management<br />
bedauert: Weiterreise vorderhand nicht möglich.<br />
In der Premiere an der Staatsoper Hannover wurde dieser wohlbekannte Zustand<br />
mit Amüsement aufgenommen, doch in der von mir besuchten dritten<br />
Vorstellung hing die Vulkanasche über halb Europa, kein Flugzeug durfte<br />
starten , die Opernhandlung war also Gegenwart geworden. War man nicht<br />
direkt betroffen, so konnte man wenigstens im Fernsehen beobachten, welche<br />
Szenen sich auf den Airports abspielten.<br />
Hier nun trafen feine Leute aus mehreren Herren Ländern aufeinander, Typen<br />
mit Macken und Marotten, die dem Regisseur eine Fülle an Material<br />
lieferten, um einen überaus kurzweiligen, zudem hübsch parodierenden<br />
Abend zu entwickeln, dessen Vergnügen sich enorm steigerte, weil alle<br />
14 Solisten mit Verve spielten und – zum größten Teil – auch erstklassig sangen.<br />
Und nicht zuletzt: Gregor Bühl am Dirigentenpult, ein launig aufgelegtes<br />
Orchester und der wie immer putzmuntere Chor schöpften den Melodienschatz<br />
Rossinis bis zur Neige aus.<br />
THEATER IM NORDEN Opernpremieren 23
24 KOLUMNE<br />
Nachgedacht:<br />
Text: Stephan Cartier<br />
ALLES IN ORDNUNG<br />
Der Mensch wird in den Lehrbüchern<br />
der Anthropologie als „Jäger und<br />
Sammler“ geführt. Nicht als „Sucher<br />
und Finder“; in diesen Disziplinen hat er<br />
evolutionsgeschichtliche Defizite. Deswegen<br />
schätzte der Mensch so sehr die Ordnung.<br />
Wer einen Beleg hierfür möchte,<br />
muss in den Supermarkt. Denn hierhin<br />
geht man nicht, um Dinge zu kaufen, sondern<br />
um sie zu suchen.<br />
Außerhalb des Supermarktes gibt es einen<br />
gütigen Gott, Hegels Weltgeist oder die universale<br />
Vernunft, die diese Ordnung schafft.<br />
Im Laden herrscht allein der Filialleiter.<br />
Sollte es einen Beweis dafür geben, dass die<br />
Ordnung unseres Lebens eben doch von<br />
Menschen gemacht wird, dann ist er hier zu<br />
finden. Wenn man bei der Suche Glück hat.<br />
Das wird besonders deutlich, wenn der<br />
Proband in einem neuen Laden stöbert,<br />
wo völlig unbekannte Ordnungssystematiken<br />
und Begriffe von Kundenführung existieren.<br />
Im fremden Kaufland werden selbst<br />
Himbeersirup oder eine Packung Semmelbrösel<br />
zum Prüfstein für die Ordnung der<br />
Dinge in dieser Welt. Denn beide Waren<br />
werden nicht mutwillig in diesem Labyrinth<br />
der Gänge und Regale von einem bösen<br />
Geist versteckt. Der Laden will ja verdienen,<br />
und das Personal antwortet auf<br />
Fragen gewissenhaft.<br />
Sirupe – die stehen bei den Brotaufstrichen<br />
und Marmeladen. Schließlich werden sie in<br />
der Regel zum Frühstück oder Abendbrot<br />
konsumiert. Kriterium für diese Ordnung<br />
wären also der soziale Kontext und die Verwendung<br />
des Produkts. Am bezeichneten<br />
Platz angekommen, wird man enttäuscht,<br />
findet nur Waldmeistersirup, Erdbeersirup<br />
und einige andere Geschmacksrichtungen<br />
mehr. Also wird die Anfrage präzisiert:<br />
Himbeersirup ist gesucht. Ach, so – exotische<br />
Fruchtgetränke stehen bei den Säften.<br />
Wahrscheinlich, so mutmaßt man, weil<br />
dort die teureren Trinkprodukte konzentriert<br />
sind. Entscheidend für die Einordnung<br />
wäre also der Wert der Ware.<br />
Semmelbrösel vermutet man in der Nähe<br />
der Brotwaren – der gemeinsamen Herkunft<br />
wegen. Man kann es aber auch nach seinem<br />
pulvrigen Aggregatzustand ins Regal ordnen,<br />
und zu den Instant-Produkten legen.<br />
Davon ist man jedenfalls in diesem Laden<br />
hier felsenfest überzeugt, wie nach einer<br />
Viertelstunde des Herumirrens klar wird.<br />
All diese Standortbegründungen machen<br />
auf ihre Weise Sinn. Und weil dies so ist,<br />
steht am Ende eines Einkaufes, der für zehn<br />
Produkte des alltäglichen Verzehrs fast<br />
die Dauer eines Fußballspiels in Anspruch<br />
nahm, die Erkenntnis, dass nur ein einziges<br />
Prinzip die Ordnung im Supermarkt über<br />
alle Grenzen des Wissens, der sozialen Herkunft<br />
und religiösen Gestimmtheit hinweg<br />
garantieren kann: das Alphabet.<br />
<strong>Die</strong> großartige Idee der Enzyklopädisten<br />
des 17. und 18. Jahrhunderts, das Wissen<br />
durch eine ganz und gar willkürliche Systematik<br />
der Buchstabenfolge zugänglich<br />
zu machen, hat ihren Erfolg über mehr als<br />
300 Jahre hinweg bewiesen. <strong>Die</strong> neuzeitliche<br />
„Ordnung der Dinge“, von der Michel<br />
Foucault so bestechend schrieb, bestand<br />
eben darin, ohne Rücksicht auf sachliche<br />
Zusammenhänge, die Worte von den Gegenständen<br />
zu trennen, die sie bezeichnen.<br />
Was neue Möglichkeiten schafft: „Wenn<br />
aber die Sprache nicht mehr unmittelbar<br />
den Dingen ähnelt, die sie bezeichnet, ist<br />
sie dennoch nicht von der Welt getrennt.<br />
In einer anderen Form ist sie weiterhin der<br />
Ort der Enthüllungen und hat teil an dem<br />
Raum, in dem die Wahrheit sich gleichzeitig<br />
manifestiert und äußert“, versprach<br />
Foucault.<br />
In der Demokratie der Dinge ständen im<br />
Supermarkt die Dosen mit „Linsensuppe“<br />
direkt neben der Mundspülung „Listerine“<br />
und das „Bier“ neben dem Bratfett „Biskin“.<br />
All diese Produkte würden keinerlei<br />
Verwandtschaften im Gebrauch, der Herkunft<br />
oder der Verwendung mehr haben, –<br />
aber man könnte sie einfach finden.<br />
Auch das Verfassen von Einkaufszetteln<br />
und deren Abarbeitung wäre so ein Kinderspiel.<br />
Kein Hinundherlaufen mehr, sondern<br />
einfach nach dem Alphabet geordnet,<br />
könnte man die Liste vom Eingang, wo sich<br />
der Aal findet, bis zum Zucker kurz vor der<br />
Kasse abarbeiten.<br />
Zu guter Letzt hätte dieses lexikalische<br />
Prinzip im Supermarkt der gedruckten Enzyklopädie<br />
sogar noch etwas voraus. Ist<br />
eine Ware ausverkauft oder fehlt sie ganz<br />
im Sortiment, kann sie im Regal schnell<br />
aufgefüllt oder ergänzt werden. Wer aber<br />
hätte schon im „Großen Brockhaus“ oder<br />
der „Encyclopaedia Britannica“ ein Recht<br />
auf jedes Wort dieser Welt. Für fehlende<br />
oder beschädigte Begriffe gibt es hier leider<br />
keinen Schadensersatz.
BOULEVARD<br />
Weh’ dem, der lügt!<br />
„Indiskret“ hieß die Hollywood-Komödie<br />
von Stanley Donen, in der 1958 Cary Grant<br />
und Ingrid Bergmann brillierten. Sie gibt<br />
darin die berühmte Schauspielerin Anna,<br />
die sich in Paris in Philip, den ebenso charmanten<br />
wie eloquenten Anwärter auf einen<br />
NATO-Posten verliebt. Einziges Hindernis:<br />
Er gibt vor, verheiratet zu sein, was sich allerdings<br />
als glatte Lüge entpuppt. „Rache ist<br />
süß“, denkt sich Anna und verpflichtet einen<br />
wildfremden Mann mit allerdings dürftigem<br />
schauspielerischem Talent, damit er<br />
Philips vermeintlichen Nebenbuhler mimt.<br />
Ganz ähnlich ist die „Gefechtslage“ in der<br />
Boulevard-Komödie „Rache ist süß“, die im<br />
Waldau-Theater zu sehen ist. Barbara Begerow<br />
steht als Marcia Hornbeam auf der<br />
Bühne. <strong>Die</strong> hat ein kleines Problem, denn<br />
sie hat ihren Göttergatten mit einem verheirateten<br />
Mann betrogen. Das bleibt auch<br />
der eifersüchtigen Ehefrau nicht verborgen,<br />
die damit droht, noch am selben Abend<br />
Marcias gehörntem Ehemann alles brühwarm<br />
zu erzählen. Doch dann fällt der seitensprungfreudigen<br />
Marcia ein, dass die<br />
Gattin ihres Geliebten gar nicht weiß, wie<br />
Mr. Hornbeam eigentlich aussieht.<br />
Da kommt nun der bislang eher glücklose<br />
Schauspieler Walter ins Spiel. Der ehemalige<br />
Angestellte der städtischen Gaswerke, der<br />
sich mit einem Anstreicher-Job über Wasser<br />
hält, hofft auf die Rolle seines Lebens,<br />
indem er Mr. Hornbeam mimt. Doch bald<br />
wird sich zeigen: „Weh’ dem, der lügt!“ Denn<br />
seine schauspielerischen Qualitäten lassen<br />
zu wünschen übrig.<br />
Bis Ende Mai im Waldau-Theater<br />
Text: Sigrid Schuer<br />
Ruf’ mich an!<br />
„Nur nicht aus Liebe weinen…“ – der Titel<br />
des alten Zarah-Leander-Hits trifft voll und<br />
ganz die Gemütslage von Cora Hübsch, der<br />
Romanheldin aus Ildikò von Kürthys Buch<br />
„Mondscheintarif“. Denn sie stirbt tausend<br />
Tode, als sich der verteufelt attraktive Dr.<br />
Daniel Hoffmann nach der ersten gemeinsamen<br />
Nacht auch am dritten Tag noch<br />
nicht meldet. <strong>Die</strong> Minderwertigkeitskomplexe<br />
beginnen an Cora zu nagen. Denn<br />
die goldene Regel Nummer eins („Ruf’ einen<br />
Mann nie zuerst an, wenn Du mit ihm<br />
im Bett gewesen bist“) wird ihr von angeblich<br />
wohlwollenden Freunden eingeschärft.<br />
Also schwört sich Cora, wirklich niemals<br />
bei Daniel anzurufen.<br />
„Liebe ist das Schönste, was es gibt. Aber<br />
verliebt sein, das ist die Hölle“, heißt es in<br />
der launigen Vorankündigung des Packhaus-Theaters<br />
für die Erfolgs-Produktion<br />
„Mondscheintarif“ mit Boulevard-Star Heidi<br />
Jürgens, die wegen der großen Nachfrage<br />
wieder auf dem Programm steht. Offenbar<br />
können sich Frauen mit dem Gefühlschaos<br />
von Cora Hübsch identifizieren. Männer<br />
finden es dagegen nicht minder interessant,<br />
Einblick in die Mysterien der weiblichen<br />
Seele zu nehmen und zu ergründen,<br />
weshalb Frauen so irrational reagieren,<br />
wenn sie sich verliebt haben. Das ist jedenfalls<br />
den Internetforen zu „Mondscheintarif“<br />
zu entnehmen. So lautet ein Kommentar:<br />
„Ein Meisterstreich! Das Stück macht<br />
wirklich sichtbar, wie Liebe heute läuft!“<br />
Vom 26. bis 30. Mai im Packhaus-Theater<br />
Gestaltung: blaukontor<br />
THEATER Boulevard 25<br />
Zeitlose Tepiche<br />
Mit ihren Pastellfarben in creme<br />
und rot sind diese in klassischer<br />
Musterung gehaltenen Teppiche<br />
die ideale Ergänzung zu Ihrem<br />
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26 MENSCHEN IM FOYER<br />
Wiederaufnahme La Traviata im<br />
Theater Bremen<br />
Fotos: Martin Rospek<br />
Peter Ruzicka, Prof. Dr. Klaus Bernbacher
die 5 Finalisten, die am 24. und 25.10. den letzten Solodurchgang gespielt haben<br />
MENSCHEN IM FOYER 27
28 BUCH UND MUSIK Nach dem Schlussakkord<br />
KUNST DES<br />
AUFHÖRENS<br />
Text: Simon Neubauer<br />
Klavierdeckel zu und alle Fragen offen?<br />
– Keineswegs, denn der Weltklasse-Pianist<br />
Alfred Brendel begab<br />
sich ja nicht in die Reihe der „großen<br />
Schweiger“, als er sich vom Konzertpodium<br />
verabschiedete. Zwar tritt er, wie ausdrücklichbekun-<br />
det, nicht mehr<br />
öffentlich auf, aber<br />
er hält Vorträge,<br />
schreibt Gedichte, sinniert, da oft bedrängt,<br />
über die „Kunst des Aufhörens“<br />
nach – sowohl bei den Studien bestimmter<br />
Werke als auch über das Ende überhaupt.<br />
„Es wird, solange ich lebe, hoffentlich keine<br />
Biografie von mir geben und gewiss keine<br />
Autobiografie.“ <strong>Die</strong>ser Satz steht unmissverständlich<br />
gleich im Vorwort des<br />
Bändchens „Nach dem Schlussakkord“.<br />
Muss man also die Sehnsucht unterdrücken,<br />
viel des Ungesagten, des Ungefragten<br />
im Leben des Menschen und vor allem<br />
des großen Künstlers Alfred Brendel erfahren<br />
zu können? Ganz und gar nicht, denn<br />
gerade diese Neuerscheinung gibt reich-<br />
lich Auskunft, zum Teil in eigenen Äußerungen,<br />
in außerordentlichen, weil tief<br />
in die Substanz dringenden Interviews<br />
und Gesprächen, die Martin Meyer 2006<br />
über „Gedanken zu Leben und Kunst“ und<br />
dann 2008 Andreas Dorschel unter dem Ti-<br />
„Es wird, solange ich lebe, hoffentlich keine Biografie<br />
von mir geben und gewiss keine Autobiografie.“<br />
tel „<strong>Die</strong> Coda ist entzückt“ geführt haben,<br />
sehr fesselnde „Mitteilungen“, die schließlich<br />
Peter Hamm unter dem Thema „Untröstlichkeit<br />
und Trost“ im Nachwort zusammengefasst<br />
hat.<br />
Aber natürlich gibt Brendel, oft gepriesen<br />
als „Philosoph am Flügel“, nicht nur<br />
als „Antwortgeber“ viel sagende Auskunft.<br />
Das Buch enthält Artikel etwa über das<br />
„Hören“, „Erinnerungen eines Musikers an<br />
Isaiah Berlin“ und vor allem etliche seiner<br />
Gedichte, oft skurrile, in Rhythmen gefasste<br />
Absichten, die nicht zuletzt eine total<br />
unvermutete Seite in Brendels Charakter<br />
offenbaren: seine Lust am Witz, zum Ab-<br />
surden, zu Dada. Und wenn er Zeit hat,<br />
schaut er sich gerne die besten Filme von<br />
Buñuel und Chaplin an.<br />
Aber am schönsten für seine unzähligen<br />
Verehrer in aller Welt sind doch Alfred<br />
Brendels Äußerungen über die<br />
Komponisten, über Schubert<br />
zumal, über die späten Sonaten<br />
Beethovens, über die lange<br />
schlummernde Liebe zu Haydn und immer<br />
wieder über Mozart, dessen „Sonaten gut<br />
zu spielen immer noch das Schwierigste<br />
(für Künstler) ist“. Und noch ein Satz, den<br />
sich mancher Kollege ins Stammbuch<br />
schreiben sollte: „Kein Kritiker hat das<br />
Recht, arrogant zu sein.“<br />
Alfred Brendel „Nach dem Schlussakkord“.<br />
Hanser <strong>Verlag</strong> München. 108 Seiten,<br />
12,90 Euro.
MEISTERIN DES<br />
FRAUENAKTS<br />
Gisela Eufe atmet auf. Eben ist der<br />
letzte ihrer „Skywalker“ fertig geworden,<br />
eine ultramarinblaue Figur<br />
aus gegossenem Aluminium, die in Vechta<br />
hoch über den Köpfen der Betrachter aufgestellt<br />
wird. Ähnliche Skulpturen gibt es<br />
bereits in Bremen. Hier hat die Bildhauerin<br />
für den Hemelinger Marktplatz die<br />
Skulpturengruppe „Szenario“ geschaffen,<br />
auch dies blau gefasste Aluminiumgüsse,<br />
die auf Edelstahlsäulen montiert sind.<br />
In fünf Meter Höhe stehen dort Sängerin,<br />
Tänzerin, Applaudierender, Jongleur und<br />
eine Frauenfigur, die im nächsten Moment<br />
runter ins Leben zu springen scheint.<br />
Passen Körper und Bewegung zueinander?<br />
Wie ist die Wirkung im Raum? „Das<br />
Spannende an meiner Arbeit ist die Suche<br />
nach der fertigen Figur“, sagt Gisela Eufe,<br />
die seit 1994 in Worpswede ein Gemeinschaftsatelier<br />
mit Bernd Altenstein hat.<br />
Das funktioniere gut, sagt sie, weil sie sehr<br />
unterschiedlich arbeiten und denken. Geht<br />
es Altenstein immer wieder um die Verschränkung<br />
von Block und Figur, konzentriert<br />
sich Eufe auf Standbilder, meist<br />
weibliche Aktfiguren.<br />
Besessene Suche nach der richtigen<br />
Form: <strong>Die</strong> Bildhauerin Gisela Eufe<br />
Text: Sabine Komm<br />
Foto: Jochen Mönch<br />
<strong>Die</strong> Frau, die so wenig wie möglich von<br />
sich selbst preisgibt, kommt von einem<br />
Hof in Ostfriesland und ist über Umwege<br />
zur Kunst gelangt. Als sie dann in Bielefeld<br />
Textildesign und im Nebenfach auch<br />
Bildhauerei studierte, wurde ihr Talent entdeckt.<br />
Auf Anraten ihres damaligen Professors<br />
wechselte sie zur Hochschule für Künste<br />
in Bremen, um in den Bildhauerklassen<br />
von Waldemar Otto und Bernd Altenstein zu<br />
studieren.<br />
Damals arbeitete Gisela Eufe nach Modellen.<br />
Heute verlässt sich die Bildhauerein<br />
mit den hennaroten Haaren auf ihr Bildgedächtnis.<br />
Während sie ihre Figuren baut,<br />
forscht sie nach neuen Proportionen. Später<br />
experimentiert sie mit Farben. Bei einigen<br />
Frauenakten hat sie Arme und Schuhe<br />
bunt bemalt. Dass die Figuren dadurch<br />
nicht mehr nackt wirken, obwohl sie so<br />
noch nackt sind, interessiert die Künstlerin.<br />
Engel, Tänzerinnen und Reiterinnen<br />
gehören zu ihrem Figurenkosmos. „Ich bin<br />
früher selbst mit dem Pferd über die Weiden<br />
gejagt“, sagt sie. Deshalb habe sie eine<br />
besondere Beziehung zu diesem Thema.<br />
PORTRÄT Gisela Eufe 29<br />
Gisela Eufe arbeitet sehr langsam: „Immer<br />
wieder erfühle ich die Skulptur mit geschlossenen<br />
Augen. Jedes Detail muss durch<br />
meine Hand gegangen sein.“ Von den ersten<br />
„Knet-Skizzen“ bis zum fertigen Werk vergehen<br />
Wochen und Monate. Dass sie ihre<br />
Skulpturen trotzdem als unfertig empfindet,<br />
ist für sie der Anreiz, immer neue Figuren<br />
zu schaffen: „Ich bin geradezu süchtig<br />
danach.“ Seit zehn Jahren habe sie keinen<br />
Urlaub mehr gemacht. Wenn sie zwei, drei<br />
Tage nicht mehr im Atelier gewesen ist, fehlt<br />
ihr etwas.<br />
Neuerdings baut sie Miniaturen, die so<br />
klein sind, dass sie die Gesichter und Münder<br />
mit einer Stecknadel modelliert. <strong>Die</strong><br />
Frage, ob ihre Gipse, Keramiken und Bronzen,<br />
die von winzig klein bis lebensgroß<br />
reichen, Selbstbildnisse sind, kann sie<br />
nicht beantworten. Aber Gisela Eufe weiß,<br />
dass ihre Werke sehr viel von ihrem Innersten<br />
preisgeben: „Meine Figuren zeigen<br />
meine besessene Suche nach der richtigen<br />
Form.“
30 MUSIK Oldenburger Promenade<br />
TANZ AUF<br />
DEM VULKAN<br />
<strong>Die</strong> „mutige, kompetente und selbstlose<br />
Bürgerinitiative“ (so der Laudator<br />
Werner Brinker) erhielt 2009 unter<br />
der Leitung der Oldenburger Pianistin<br />
Elena Nogaeva den Praetorius-Musikpreis<br />
des Landes Niedersachsen. Seit nunmehr<br />
14 Jahren organisiert sie die „Oldenburger<br />
Promenade“. Und auch für dieses Jahr<br />
ist der Truppe für die Wandelkonzerte –<br />
man kann an zwei Tagen drei Konzerte<br />
hintereinander an einem Abend wählen<br />
– in der Lamberti-Kirche, dem Oldenburger<br />
Schlossgarten und im Marmorsaal des<br />
Schlosses bei gleichzeitig feiner kulinarischer<br />
Versorgung viel neues eingefallen;<br />
ohne – ein schier unermesslicher Kraftakt<br />
– öffentliche Gelder.<br />
Vor einigen Jahren war es noch so, dass es<br />
zwar zur Klassik „auch“ Jazzkonzerte oder<br />
Cross-Over-Projekte gab, diese Angebote<br />
aber irgendwie doch als Fremdkörper<br />
wirkten. Doch Elena Nogaeva ist diesen<br />
Weg mit ihren Mitarbeiterinnen<br />
und Mitarbeitern derart konsequent<br />
weitergegangen, dass die stilistische Vielseitigkeit<br />
von Musik diesmal selbst Programm<br />
ist. Und was auch immer man erwartet, es<br />
ist dabei: Vokalmusik aus der Zeit von 1520,<br />
das Modern String Quartett mit Werken von<br />
unter anderem Duke Ellington, angekün-<br />
digt als ein „Tanz auf dem Vulkan“, oder die<br />
Preisträger des Jugendwettbewerbs 2009 mit<br />
großen Werken der Klassik.<br />
Außerdem zu erleben: Ein Orgelkonzert mit<br />
Hansjörg Albrecht, der eine eigene Transkription<br />
der „Bilder einer Ausstellung“ von<br />
Mussorgski vorstellen wird. – Nebenbei:<br />
Auch in Bremen gibt es zwei Transkriptionen<br />
des großen russischen Klavierwerkes,<br />
und zwar von dem schwedischen Organisten<br />
Hans Ola Ericsson am 10. Juni (19 Uhr)<br />
im Bremer Dom und dem Schlagzeuger Olaf<br />
Tzschoppe, der am 22. Januar 2011 in St. Stephani<br />
eine Fassung für Orgel und Schlagzeug<br />
zur Uraufführung bringen wird.<br />
Doch zurück nach Oldenburg: Auf dem<br />
Programm stehen zudem das polnische Filip<br />
Wojciechowski-Trio mit „Classic meets<br />
Jazz“, ein Konzert mit russischen Liedern<br />
und Arien, und<br />
nicht zuletzt der<br />
spannungsvoll<br />
erwartete Auftritt<br />
des berühmten Münchner Bach-Chores<br />
mit zwei der wunderbaren achtstimmigen<br />
Motetten von Johann Sebastian Bach.<br />
Was auch immer man<br />
erwartet, es ist dabei<br />
Dann sind große Namen für die Jazz-Nacht<br />
(5. Juni) zu nennen: Jocelyn B. Smith, Na-<br />
<strong>Die</strong> 14. Oldenburger Promenade bietet<br />
mehr denn je und stabilisiert damit<br />
ihr einzigartiges Programmprofil<br />
Text: Ute Schalz-Laurenze<br />
tascha Osterkorn, Mike Sanchez und Laura<br />
B. <strong>Die</strong> 12 Cellisten der Berliner Philharmoniker<br />
kennt fast jeder Konzertbesucher, etwas<br />
unbekannter ist, dass es auch seit 1993<br />
aus demselben Orchester „<strong>Die</strong> philharmonischen<br />
Geigen Berlin“ gibt. <strong>Die</strong> zehn Geiger<br />
spielen das Eröffnungskonzert am 6.<br />
Juni mit einem Riesenprogramm von Vivaldi<br />
bis Schostakowitsch.<br />
Zudem ist in Kooperation mit dem Staatstheater<br />
Oldenburg noch die ganz selten<br />
gespielte Oper „Aleko“ von Sergej Rachmaninoff<br />
zu hören. Und das traditionelle<br />
Familienfest (ab 6 Jahren) am 13. Juni wird<br />
gestaltet von den Bremer Philharmonikern.<br />
Außerdem werden Schwerpunkt für<br />
zwei Jubilare zu deren 200. Geburtstag gesetzt:<br />
für den poetischen Meister der leisen<br />
Töne, Frédéric Chopin, und einen der letzten<br />
Meister der deutschen Romantik, Robert<br />
Schumann. Als Pianistin spielt Nogaeva<br />
unter anderem ein Chopin-Rezital.<br />
Wer dabei sein möchte, sollte sich beeilen:<br />
Für viele Konzerte gibt es nur noch wenige<br />
Restkarten. <strong>Die</strong> Oldenburger Promenade<br />
findet vom 5. bis 13. Juni 2010 statt. Informationen<br />
unter<br />
www.oldenburger-promenade.de<br />
und Telefon 04 41 - 5 94 92 22.
32 MUSIK Bremer Philharmoniker<br />
Klassik ist uncool – das war einmal.<br />
Inzwischen sind Generalmusikdirektor<br />
Markus Poschner und der<br />
zeitgenössische Komponist Erkki-Sven<br />
Tüür bei vielen Kids mindestens genauso<br />
„angesagt“ wie Eminem oder Sido. Und<br />
das hat gute Gründe: <strong>Die</strong> „Graswurzel-<br />
Arbeit“, mit der die Bremer Philharmoniker<br />
2002/2003 begannen, trägt bereits<br />
reiche Früchte. Als besonderer Coup erwies<br />
sich 2006 die Einrichtung der mittlerweile<br />
mehrfach preisgekrönten Musikwerkstatt<br />
im Bremer Domizil des<br />
Orchesters. Seitdem sind hier Schulklassen<br />
regelmäßig zu Gast – im letzten Jahr<br />
fast 12.000 Kinder -, um Berührungsängste<br />
zur klassischen Musik abzubauen.<br />
Auf die Idee kam Marko Gartelmann, bei<br />
den Bremer Philharmonikern Koordinator<br />
für die Musikvermittlung. Inzwischen<br />
zieht die Musikwerkstatt Interessierte<br />
aus dem gesamten Nordwesten an – nicht<br />
nur Kinder, sondern auch Erwachsene.<br />
Denn neben den Projektwochen, Work-<br />
<strong>Die</strong> Nachwuchsarbeit der Bremer Philharmoniker<br />
trägt reiche Früchte<br />
Text: Sigrid Schuer<br />
shops und Schulaktionen stehen die Türen<br />
der Bremer Philharmoniker allen Altersgruppen<br />
für Probenbesuche und After<br />
Work-Veranstaltungen weit offen. <strong>Die</strong> Projekte<br />
„Nussknacker“ (im Dezember in der<br />
„Glocke“ stürmisch gefeiert) und „Karneval<br />
der Tiere“ wurden gleich an mehreren<br />
Grundschulen mit jeweils 18 Orchestermitgliedern<br />
realisiert.<br />
„Solche Termine sind bei den Musikerinnen<br />
und Musikern sehr beliebt. Da entwickeln<br />
sich richtige Fan-Beziehungen“,<br />
schmunzelt Christian Kötter-Lixfeld, Intendant<br />
der Bremer Philharmoniker. Gemeinsam<br />
mit Marko Gartelmann erkannte<br />
er die Bedeutung der Nachwuchsförderung<br />
und baute sie konsequent zu einer<br />
wichtigen Säule aus. „Allein in der letzten<br />
Saison haben wir hier 200 Veranstaltungen<br />
gehabt. <strong>Die</strong> Musikwerkstatt wurde von 120<br />
Schulen besucht, dazu kamen rund 100<br />
weitere Veranstaltungen“, berichtet Christian<br />
Kötter-Lixfeld. Inzwischen arbeiten<br />
18 Honorarkräfte in der Musikwerkstatt.<br />
TÜÜR IST<br />
Kein Wunder, dass so mancher Filius inzwischen<br />
die Eltern nervt: „Ich will auch<br />
ein Instrument!“ Doch Leihinstrumente<br />
sind speziell an Brennpunkt-Schulen ein<br />
schier unerschwingliches Gut. Deshalb<br />
träumte Marko Gartelmann davon, Schulen<br />
mit einem Instrumentenfundus auszustatten.<br />
Denn die Verfügbarkeit ist eine<br />
ganz entscheidende Voraussetzung für das<br />
Erlernen von Instrumenten.<br />
Insofern ist für den Musiker, der viel Herzblut<br />
in die Projektarbeit investiert hat,<br />
ein absoluter Wunschtraum in Erfüllung<br />
gegangen. Denn der Reeder Niels Stolberg,<br />
mit seiner Beluga-Flotte und für sein<br />
nachhaltiges, gesellschaftliches Engagement<br />
weit über die Grenzen der Hansestadt<br />
hinaus bekannt, sichert über mehrere<br />
Jahre hinweg mit einer erheblichen<br />
Sponsorensumme die umfassende musikalische<br />
Ausbildung an den Bremer<br />
Grundschulen „Ellenerbrookweg“ und<br />
„Am Pulverberg“, die beide in Stadtteilen<br />
liegen, in denen ein Großteil der Eltern-
„ANGESAGT“ WIE SIDO<br />
schaft finanziell nicht eben auf Rosen gebettet<br />
ist.<br />
<strong>Die</strong> Kooperationsvereinbarung mit diesen<br />
beiden Schulen begann vor einem Jahr mit<br />
dem Besuch der Musikwerkstatt, gefolgt<br />
vom Projekttag „Karneval der Tiere“. Am<br />
11. Juni steht nun ein Ausflug zum Schulkonzert<br />
der Bremer Philharmoniker auf<br />
dem Programm. In dem eigens für sie konzipierten<br />
Konzert werden Improvisationen<br />
über „<strong>Die</strong> Moldau“ interpretiert. Und als<br />
Sahnehäubchen ist die Einrichtung von<br />
Streicherklassen für das zweite und dritte<br />
Projektjahr geplant. „<strong>Die</strong> Intention von<br />
Niels Stolberg ist es, nicht nur Geld zu geben,<br />
er will auch sehen, was passiert und<br />
den Prozess begleiten“, freut sich Christian<br />
Kötter-Lixfeld. Und das ist eine Menge. Es<br />
ist inzwischen wissenschaftlich erwiesen,<br />
dass früher Musikunterricht die soziale<br />
Kompetenz, die Lern- und Leistungsmotivation<br />
sowie Teamfähigkeit, Konzentration<br />
und Kreativität von Kindern fördert.<br />
„Ohne Musik wäre das Leben ein Irrtum“<br />
– von diesem Nietzsche-Credo sind inzwischen<br />
auch die Schülerinnen und Schüler<br />
des Max-Planck-Gymnasiums in Delmenhorst<br />
felsenfest überzeugt. In einem über<br />
mehrere Jahre hinweg angelegten Projekt<br />
erhalten die Musikprofilklassen der<br />
Jahrgangsstufen 5 bis 9 ein breit gefächertes<br />
Angebot von den Bremer Philharmonikern.<br />
<strong>Die</strong> 9d realisierte im März 2009 in der<br />
„Glocke“ in enger Zusammenarbeit mit Orchester<br />
und Generalmusikdirektor einen<br />
ganz besonderen Konzertabend. „Der Funke<br />
muss überspringen, wenn Jugendliche<br />
Gleichaltrigen und Jüngeren etwas vermitteln.<br />
Dann ist das Interesse viel eher da“,<br />
weiß Markus Poschner.<br />
Gesagt, getan. Und siehe da, die erste Ausgabe<br />
des außergewöhnlichen Konzertformates<br />
„phil sagend“ machte seinem Namen<br />
alle Ehre: <strong>Die</strong> Kinder beleuchteten<br />
das Werk des zeitgenössischen estnischen<br />
Komponisten Erkki-Sven Tüür mit Feuereifer<br />
von allen nur erdenklichen Seiten.<br />
Musikwerkstatt Bremen<br />
Das besondere Musikerlebnis für Groß und Klein<br />
MUSIK Bremer Philharmoniker 33<br />
<strong>Die</strong> Musikwerkstatt steht aber nicht nur<br />
Kindern im Rahmen eines Schulprojektes<br />
offen, sondern bietet auch nachmittags und<br />
am Wochenende zahlreiche Programmangebote<br />
für alle Alterstufen. Ursprünglich<br />
konzipiert für jedes Vierteljahr und orientiert<br />
an den vier Jahreszeiten war das Musikwerkstatt-Format<br />
„Musik mit Pfiff“, in<br />
dem Pädagoginnen den Jüngsten spielerisch<br />
den Zugang zu klassischer Musik eröffnen.<br />
„Musikbegeisterte Kleinkinder besuchen<br />
uns mit ihren Eltern inzwischen<br />
jeden Freitag“, freut sich Gwendolyn Schubert,<br />
Leiterin der Musikwerkstatt. „Ab der<br />
nächsten Saison werden wir darüber hinaus<br />
nicht nur einmal im Monat, sondern<br />
wöchentlich unseren Familiensamstag anbieten.“<br />
Hinzu kommen Instrumentenbau-<br />
und Rhythmusworkshops und fast jedes<br />
Wochenende ein „Klingender Kindergeburtstag“<br />
– die Musikvermittlung hat ihren<br />
festen Platz im Selbstverständnis des<br />
Orchesters gefunden.<br />
Ob für Sie und Ihre Familie, Freunde oder Kollegen – das breite Angebot der Musikwerkstatt<br />
hält für jeden etwas Passendes bereit – Herzlich willkommen!<br />
Nähere Informationen:<br />
Musikwerkstatt Bremen<br />
Plantage 13, 28215 Bremen<br />
Telefon 0421 / 62 67 314 www. musikwerkstatt-bremen.de
34 MUSIK Konzerttipps<br />
Zum Weinen schön<br />
(SN) Von Erfolg zu Erfolg eilend, zieht<br />
„L’Arpeggiata“ seit beinahe einem Jahrzehnt<br />
durch die Lande. Christina Pluhar<br />
(nicht zu verwechseln mit der bekannten<br />
Erika Pluhar), während der Konzerte die<br />
Theorbe spielend, hat das multikulturelle<br />
Ensemble geformt. Gestützt auf erstklassige<br />
Instrumentalisten und Sänger entsteht<br />
ein Musizieren absoluter Spitzenklasse.<br />
Das beweist die jüngst bei Virgin Classics<br />
erschienene CD „Via Crucis“: sie führt hinein<br />
in die Welt der christlichen Mysterienspiele<br />
und Prozessionen, die Jesu Leidensweg<br />
in erschütternde Klänge umsetzen.<br />
„Zum Weinen schön“ schrieb ein Kritiker.<br />
Wichtiger für Bremen ist „Teatro d’Amore“,<br />
denn dieses Programm wird beim kommenden<br />
Musikfest für Aufsehen sorgen.<br />
Es enthält, den Hörer wunderbar verzaubernd,<br />
Werke von Claudio Monteverdi,<br />
ausgewählt aus den berühmten Madrigalbüchern<br />
und ländlichen Tanzweisen. Und<br />
wenn Nuria Rial mit engelsgleich schwebendem<br />
Sopran als Poppea („Krönung des<br />
Poppea“) Liebesschwüre singt und Philippe<br />
Jaroussky als Nerone mit verinnerlicht<br />
schmeichelnder Sehnsucht antwortet,<br />
können tatsächlich Tränen fließen.<br />
28. August, 20 Uhr, Glocke<br />
Feines Festival<br />
KONZERTTIPPS<br />
((UM) Eigentlich sollte im letzten Jahr<br />
nur der Steinway im Vegesacker KITO<br />
überholt werden. Aber noch während der<br />
Arbeiten entstand die Idee, dieses nun so<br />
wundervoll klingende Instrument einmal<br />
ganz in den Mittelpunkt der solistischen<br />
„klassischen“ Klaviermusik zu stellen. <strong>Die</strong><br />
Resonanz darauf war groß, und nun wird<br />
diese Idee bereits zum zweiten Mal in die<br />
Tat umgesetzt. „Klavier pur“ heißt sie<br />
und bietet ein kleines, aber feines Vegesacker<br />
Klavierfestival an den Pfingsttagen.<br />
Immerhin fünf Pianisten lassen sich mit<br />
einem Programm hören, das von Scarlatti,<br />
Beethoven und natürlich dem Geburtstagskind<br />
Chopin bis in die Moderne reicht.<br />
Aber das alles reichte den Veranstaltern<br />
noch nicht, und so entwickelt dieses<br />
Festival einen ganz besonderen Charme:<br />
Alle Pianisten sind nämlich Preisträger<br />
des Bremer Klavierwettbewerbs, so dass<br />
man auf interessante Wiederbegegnungen<br />
gespannt sein darf. Picknick wird es geben<br />
und einen speziellen Familien-Nachmittag<br />
rund um das Thema Tanz mit Isabell<br />
Gabbe. Neben ihr sind Julian Gorus (Foto<br />
oben), Denys Proshayev, Eugene Mursky<br />
und Oljesja Ursova eingeladen.<br />
21. bis 24. Mai, KITO<br />
Traditioneller Blues<br />
(che) Traditioneller Countryblues, den<br />
noch eine Erinnerung an die harte Arbeit<br />
auf den Baumwollfeldern durchweht, ist<br />
bei uns nicht allzu häufig zu hören. Jetzt<br />
kommt ein junger Bluesmann auf Einladung<br />
von „Sparkasse in Concert“ und<br />
Radio Bremens Jazzredaktion in die Hansestadt,<br />
der sich eindeutig auf die alten<br />
Bluesgrößen bezieht. Samuel James ist erst<br />
Ende 20 und hat sich doch für den traditionellen<br />
akustischen Blues entschieden,<br />
denn sein Credo lautet: „Du kannst Dir<br />
nicht Son House oder Skip James anhören,<br />
und mir dann erzählen, dass ZZ Top mit<br />
ihrer Verstärkung das erreichen können.“<br />
Samuel James ist ein guter Songwriter,<br />
ein eindringlicher Sänger und vor allen<br />
Dingen ein feiner Stilist auf Gitarre, Banjo,<br />
Harmonika und – bei Bedarf – dem Piano.<br />
Speziell auf der Gitarre zeigt er hohes<br />
technisches Niveau, gleichgültig ob als<br />
Slide-Gitarrist oder bei ausgeklügelten Fingerstyle-Passagen.<br />
Samuel James ist, wie<br />
man bei uns sagt, in seinem Leben durch<br />
den Scheuersack gegangen und sammelte<br />
dabei Erlebnisse an, durch die man schon<br />
den Blues bekommen kann.<br />
25. Mai, 21 Uhr, Moments (Vor dem Steintor<br />
65)
Wortwitzig und chaotisch<br />
(ps) Er begann seine Karriere als Solotänzer<br />
des Royal Ballet in London, gründete jedoch<br />
schon 1988 eine nach ihm benannte Formation.<br />
Seit 2002 arbeitet Jonathan Burrows,<br />
britischer Choreograf und Tänzer, immer<br />
wieder mit dem italienischen Musiker und<br />
Komponisten Matteo Fargion zusammen,<br />
mit dem er jetzt in Bremen zum Auftakt des<br />
Choreografielabors „Lime“ des „steptext<br />
dance projects“ auftritt.<br />
Der Doppelabend beginnt mit „Cheap<br />
Lecture“, einer rhythmisch gesprochenen<br />
Performance zu Musik, die sich in ihrer<br />
Struktur an die Komposition „Lecture on<br />
Nothing“ von John Cage anlehnt – eine<br />
wortwitzige Tirade über leere Hände,<br />
das Publikum, Zeit, Wiederholung und<br />
das Tanzen. Im zweiten Teil des Abends<br />
präsentieren Burrows und Fargion in „The<br />
Cow Piece“ ihre humorvoll chaotische<br />
Betrachtung zum Thema Tanz und Sterblichkeit.<br />
Im Anschluss an die Aufführungen<br />
gibt Burrows gemeinsam mit Adrian<br />
Heathfield vier Tage lang Einblicke in seine<br />
künstlerischen Arbeitsweisen, Methoden<br />
und Erfahrungen. Im Workshop „Writing<br />
Dance“ erkunden sie die Dynamik des Gestaltens<br />
im Tanz mit reduzierten Mitteln.<br />
8. Juni, 20 Uhr, Schwankhalle<br />
Keine Belanglosigkeiten<br />
(hip) Der Tourneetitel ist Programm: „Kein<br />
Ende in Sicht“ nennen Konstantin Wecker<br />
und Hannes Wader ihren Abend, mit dem<br />
sie in diesem Sommer unterwegs sind.<br />
In den 70er Jahren gehörten sie zu den<br />
erfolgreichsten „Liedermachern“, und so<br />
wie dieses Wort inzwischen zu den vom<br />
Aussterben bedrohten Begriffen zählt,<br />
ist auch ihre Art, mit engagierten Texten<br />
und handgemachter Musik das Publikum<br />
aufzurütteln, längst passé.<br />
Aber ihr Publikum ist ihnen treu geblieben,<br />
und deshalb sind ihnen ordentlich gefüllte<br />
Konzertsäle gewiss. <strong>Die</strong> beiden so unterschiedlichen<br />
Temperamente ergänzen sich<br />
dabei erstaunlich gut. Während Wecker am<br />
Klavier zusammen mit einem Gitarristen<br />
und einem Perkussionisten versucht, seine<br />
alten Stücke möglichst anspruchsvoll zu<br />
interpretieren, gibt Wader steif wie eh und<br />
je sein „Heute hier, morgen dort“ oder „Das<br />
Fiakerlied“ zum besten.<br />
In einer Kritik über ihr ausverkauftes (!) Konzert<br />
in Stuttgart hieß es: „Belanglosigkeiten<br />
sind ihre Sache nicht, denn wenn sie nicht<br />
gerade politisieren, dann singen sie übers<br />
Altern, über die Sinnsuche in der Stille.“<br />
30. Juni, 20 Uhr, Musical Theater Bremen<br />
MUSIK Konzerttipps 35
36 MUSIKFEST BREMEN<br />
Intendant Prof. Thomas Albert über neue<br />
Aspekte beim 21. Musikfest Bremen<br />
Text: Peter Schulz<br />
Mit 34 Konzerten an 26 Spielstätten<br />
schlägt das Programm für das<br />
diesjährige Musikfest Bremen<br />
vom 21. August bis 11. September einmal<br />
mehr einen weiten Bogen, und zwar geographisch<br />
von Bremen bis Emden und Otterndorf<br />
wie inhaltlich vom „Alten Werk“<br />
bis zu „Tango zum Abheben“. Und zum<br />
Auftakt gibt’s wieder die beliebte „Große<br />
Nachtmusik“. Also alles wie gehabt?<br />
Irrtum: <strong>Die</strong> 21. Auflage des Festivals verheißt<br />
spannende Neuerungen. foyer hat<br />
darüber mit dem Musikfest-Intendanten<br />
Prof. Thomas Albert gesprochen.<br />
Im Festival-Programmheft fällt der Blick<br />
auf ein paar bunte Knallbonbons und die<br />
Überschrift „Musikfest Surprise“. Was<br />
steckt dahinter?<br />
Eine wirklich tolle Überraschung, nämlich<br />
aufregende Musik in ungewohnten Konstellationen.<br />
Wir<br />
<strong>Die</strong> 21. Auflage des Festivals verheißt<br />
spannende Neuerungen.<br />
greifen mit dieser<br />
zusätzlichen<br />
Veranstaltungsreihe<br />
aktuelle Entwicklungen im Musikleben<br />
auf, präsentieren unter anderem bekannte<br />
Künstler mit gänzlich anderen<br />
Repertoires oder sogenannte Geheimtipps,<br />
ÜBERRASCHENDES<br />
ZUM FEST<br />
die im Ausland schon längst keine mehr<br />
sind. <strong>Die</strong>se Mischung hat bereits überregional<br />
großes Interesse etwa bei unseren Medienpartnern<br />
Deutschlandfunk und Deutschlandradio<br />
Kultur ausgelöst und zeigt mir,<br />
wie groß doch das Vertrauen in die Marke<br />
Musikfest ist.<br />
Was soll die Besucher denn so ins Staunen<br />
versetzen?<br />
Wir haben sechs Konzerte im Programm,<br />
die – jedes für sich – ein völlig ungewohntes<br />
Musikerlebnis bieten. Jos van Immerseel<br />
als Pianist, der gemeinsam mit Claire<br />
Chevallier auf zwei historischen Érard-<br />
Flügeln spielen wird; Matt Herskowitz, der<br />
Pianist des Absolute Ensembles, mit seiner<br />
Komposition „Jerusalem Trilogy“; das<br />
höchst talentierte Ensemble „Alarm Will<br />
Sound“, das wie selbstverständlich Musik<br />
von John Adams bis zum Rap interpretiert<br />
– das sind Sensa-<br />
tionen für die Ohren.<br />
Dazu „Spira mirabilis“<br />
mit der faszinierenden<br />
Geigerin Lorenza Borrani aus dem<br />
Umfeld von Claudio Abbado, eine absolute<br />
Surprise als Kammerorchester, das „Quatuor<br />
Ebène“, das ich für das derzeit beste<br />
Streichquartett halte, und zum Abschluss<br />
der Brite Gwilym Simcock mit seinem Trio<br />
– also ich kann nur sagen: kommen, zuhören<br />
und staunen!<br />
Surprise – das gilt ja auch hinsichtlich des<br />
Veranstaltungsortes und der Eintrittspreise,<br />
oder?<br />
Ja, wir haben das BLG-Forum in der Überseestadt<br />
ganz bewusst gewählt, um den<br />
Blick auf diesen aufstrebenden Standort<br />
zu lenken. Und die niedrig gehaltenen Einheitspreise<br />
von 25 Euro sollen den Besuchern<br />
signalisieren: Riskiert mal etwas, lasst<br />
euch auf etwas Ungewöhnliches ein! Ich bin<br />
sicher: Enttäuscht wird niemand sein, zumal<br />
wir die Halle an jedem Abend etwas anders<br />
inszenieren werden und auch damit<br />
überraschende Akzente setzen wollen.<br />
Steckt hinter „Surprise“ ebenso wie hinter<br />
dem 1. Arp-Schnitger-Festival, über<br />
das wir gleich noch sprechen wollen, die<br />
erklärte Absicht, das Bremer Musikfest<br />
noch deutlicher von anderen Musikfestivals<br />
abzugrenzen?<br />
Wir bieten mit diesen Programmen einige<br />
Deutschland-Premieren und keine Schubladen-Ware,<br />
also etwas ganz Besonderes.
Da werden keine Klischees bedient, sondern<br />
Grenzen überschritten. Unser Ziel ist<br />
es dabei, positiv ins Gespräch zu kommen,<br />
denn eine Festival-Landschaft, die quasi<br />
zur zweiten Saison wird, bringt niemanden<br />
weiter. Wir haben die Chance, etwas<br />
auszuprobieren als Labor für Erfahrungen.<br />
Und das wollen wir auch in den nächsten<br />
Jahren verstärkt tun. Das Musikfest kann<br />
die Bühne bieten für Vorhaben, die sonst<br />
nur schwer realisierbar wären, etwa für<br />
das Schumann-Projekt, das <strong>Die</strong> Deutsche<br />
Kammerphilharmonie in diesem Jahr verwirklicht.<br />
<strong>Die</strong> Vergangenheit gibt uns übrigens<br />
damit Recht: Beim Musikfest Bremen<br />
waren viele Programme erstmals zu hören,<br />
die mittlerweile, fünf oder sechs Jahre später,<br />
auch anderswo gespielt werden.<br />
Wie reagieren denn die eingangs erwähnten<br />
Rundfunkanstalten darauf?<br />
Deutschlandradio, NDR Kultur und Nordwestradio<br />
übernehmen unsere Konzerte<br />
in erheblichem Umfang, eben weil sie sich<br />
von anderen Angeboten so unterscheiden!<br />
So wird beispielsweise der diesjährige Eröffnungsabend<br />
erneut live übertragen –<br />
bundesweit auf 9 Klassikkanälen der ARD!<br />
Stichwort Schnitger: Was hat Sie bewegt,<br />
ein eigenes Orgel-Festival aus der Taufe<br />
zu heben?<br />
Das hat auch persönliche Hintergründe,<br />
weil ich schon als Schüler mit dem Orgel-<br />
Papst Harald Vogel die Kirchen der Region<br />
abgeklappert habe. Seither weiß ich, welchen<br />
einmaligen musikhistorischen Schatz<br />
der Nordwesten besitzt, denn in den wenigsten<br />
Fällen sind diese Orgeln im Laufe<br />
der Jahrhunderte kaputtmodernisiert<br />
worden. Es hat mich seit eh und<br />
je bewegt, diesen Schatz für das<br />
Musikfest zu heben. <strong>Die</strong> meisten<br />
dieser wunderbaren Instrumente sind<br />
mittlerweile hervorragend saniert worden,<br />
die besten Orgelspieler der Welt haben<br />
schon auf ihnen gespielt und waren begeistert.<br />
Deshalb war es auch nicht schwer,<br />
zehn von ihnen für die Mitarbeit in einer<br />
Jury unter dem Vorsitz von Hans Davidsson<br />
(Orgelprofessor Rochester/USA und<br />
HfK Bremen) zu bewegen, die die Leistungen<br />
vielversprechender Talente bewertet<br />
und über die Vergabe des Arp-Schnitger-<br />
Preises entscheidet. Ein Preis, der dank der<br />
Unterstützung der EWE mit 10.000 Euro<br />
dotiert ist und damit die weltweit höchste<br />
Auszeichnung für Organisten darstellt!<br />
MUSIKFEST BREMEN 37<br />
Neben dem Wettbewerb geht es Ihnen also<br />
auch darum, das Wissen um die Bedeutung<br />
dieser Orgeln weiterzutragen?<br />
Das ist mir ganz wichtig. <strong>Die</strong>ses Werk gehört<br />
eigentlich in die Kategorie Weltkulturerbe<br />
und wird in liebevoller Kleinarbeit von den<br />
Küstern, Organisten und Pastoren gepflegt,<br />
die schon immer um seine Bedeutung gewusst<br />
haben. Das Arp-Schnitger-Festival<br />
soll auch ein kleiner Dank an sie sein. Dabei<br />
präsentieren wir freilich die Orgeln nicht<br />
nur alleinsolistisch,<br />
sondern im Kontext mit Solisten und Instrumentalisten,<br />
wie es der Praxis des 16. und 17.<br />
Jahrhunderts entsprach.<br />
Wer mitfährt, erlebt eine kleine<br />
Musikfest-Reise ...<br />
Nun liegen die Standorte von Altenbruch<br />
bis Weener zumeist weit von Bremen entfernt.<br />
Wie wollen Sie das Publikum motivieren,<br />
diese Konzerte zu besuchen?<br />
Es ist uns in Zusammenarbeit mit<br />
Deutschlandradio gelungen, einen komfortablen<br />
Bustransfer zu organisieren, der<br />
vor der Glocke beginnt und auch endet.<br />
Wer mitfährt, erlebt eine kleine Musikfest-<br />
Reise – natürlich mit Überraschungen!
38 MUSIKFEST BREMEN<br />
Janine Jansen, Foto: Felix Broede Jérémie Rhorer, Foto: Yannick Coupannec Susan Graham, Foto: Dario Acosta<br />
Janine und ihre Freunde<br />
Kammermusik mit der Star-Geigerin<br />
Obwohl als Solistin international heiß begehrt,<br />
erfüllt sich Weltklassegeigerin Janine<br />
Jansen immer wieder einen Herzenswunsch:<br />
Sie spielt selbst ausgesuchte<br />
Kammermusik mit ausgewählten Partnern.<br />
Im vorjährigen Musikfest begnügte<br />
sie sich mit einem Trio, jetzt kommt die<br />
sympathische holländische Künstlerin in<br />
der selten anzutreffenden Formation eines<br />
Streichsextetts. Nicht alle ihrer angekündigten<br />
Freunde sind schon international<br />
bekannt, aber man kann ganz sicher sein,<br />
dass sie zusammen mit Janine Jansen auf<br />
höchstem Niveau musizieren werden.<br />
<strong>Die</strong> Wahl fiel auf Arnold Schönbergs „Verklärte<br />
Nacht“, das oft auch in der Orchesterfassung<br />
zu hören ist – hier natürlich<br />
im Original. Ein anderes Werk gleicher<br />
Gattung ist das Streichsextett von Erwin<br />
Schulhoff, der im KZ Auschwitz zuerst<br />
noch Musik machen durfte, ehe ihn<br />
die Nazis ermordeten. <strong>Die</strong> Aufführung dieses<br />
noch tonal gebundenen Stückes gleicht<br />
sozusagen einer unbedingt fälligen Ehrenrettung.<br />
Dazwischen erklingt das<br />
Streichquintett Nr. 2 G-Dur, ein ausgesprochen<br />
klangsinnliches Werk von Johannes<br />
Brahms, mit dem sich der Komponist – so<br />
steht es im Brief an seinen Verleger – „von<br />
[s]einer Musik verabschieden“ wollte.<br />
26. August, 20 Uhr, Glocke<br />
Das 21. Musikfest Bremen bietet vom<br />
21. August bis 11. September wieder eine<br />
Fülle erstklassiger Konzerterlebnisse. foyer<br />
hat einige Empfehlungen zusammengestellt.<br />
Text: Simon Neubauer<br />
Mozart geht fremd<br />
„Thamos in Ägypten“ mit Jérémie Rhorer<br />
Thomas Albert, dem Intendanten des Musikfest<br />
Bremen, sei Dank. Denn er holte vor<br />
zwei Jahren das damals hierzulande noch<br />
völlig unbekannte Ensemble „Le Cercle de<br />
l’Harmonie“ in die Hansestadt. Das Debüt<br />
mit Glucks „Orphée“ geriet zu einer musikalischen<br />
Sternstunde. Im Vorjahr begeisterten<br />
die von Jérémie Rhorer geleiteten<br />
Sänger und Instrumentalisten mit Mozarts<br />
„Così fan tutte“ und Haydns „L’infedeltà<br />
delusa“.<br />
„Mozart in Ägypten“ lautet das diesjährige<br />
Programm, das die Pariser Sinfonie<br />
KV 297 und die Schauspielmusik zu „Thamos<br />
in Ägypten“ enthält. Das Drama selbst<br />
ist heute kaum bekannt: Es geht um das<br />
Schicksal des dem Kreis der Sonnenjungfrauen<br />
angehörenden Mädchens Sais, das<br />
sich inmitten eines Intrigenkomplotts zwischen<br />
Gelübde und Liebe entscheiden<br />
muss. Mozart schrieb dafür nicht nur die<br />
Zwischenaktsmusiken, sondern auch Arien<br />
und Chöre. Fast völlig in Vergessenheit<br />
geraten ist der deutsche Komponist Henri-Joseph<br />
Rigel (1741-1799), obwohl er ein<br />
sehr umfangreiches Werk hinterlassen hat.<br />
In Paris lebend und stark von Gluck beeinflusst,<br />
schrieb er z. B. das Oratorium „La<br />
sortie d’Egypte“, das zur Entstehungszeit<br />
ein Riesenerfolg war.<br />
1. September, 20 Uhr, Glocke<br />
Stimme ohne Grenzen<br />
Bremen-Debüt von Susan Graham<br />
Sie ist schon so weit nach oben geklettert,<br />
um den Ruhm der legendären Mezzosopranistin<br />
Marilyn Horne zu erreichen: Susan<br />
Graham, gefeiert an der Metropolitan<br />
Opera und in der Carnegie Hall, im Covent<br />
Garden London, an der Wiener und<br />
der Münchener Staatsoper, zudem ausgezeichnet<br />
mit mehreren bedeutenden Preisen<br />
wie dem „Grammy“ für ihre Interpretationen<br />
von Ives-Liedern. Sie brilliert als<br />
Octavian („Rosenkavalier“) und als Komponist<br />
(„Ariadne auf Naxos“), als Cherubino<br />
(„Hochzeit des Figaro“) und als Dorabella<br />
(„Così fan tutte“).<br />
Das sind nur einige ihrer groß gefeierten<br />
Rollenporträts auf den Opernbühnen der<br />
Welt, aber nicht minder erfolgreich ist Susan<br />
Graham als Liedgestalterin, wobei sie<br />
besonders mit dem Zyklus „Les Nuits d’été“<br />
von Berlioz fasziniert. Doch ihr Repertoire<br />
reicht weit über die Jahrhunderte und über<br />
die Stile hinweg. <strong>Die</strong>sen Radius wird Susan<br />
Graham, die in New Mexico geboren wurde<br />
und in Texas aufwuchs, bei ihrem Musikfest-Konzert<br />
von Mozart bis Debussy<br />
spannen, begleitet von ihrem Lieblingspianisten<br />
Malcolm Martineau, ein ebenfalls<br />
vielfach ausgezeichneter Künstler, der zudem<br />
mit der Mezzosopranistin schon etliche<br />
CDs eingespielt hat.<br />
5. September, 20 Uhr, Glocke
Sol Gabetta, Foto: Marco Borggreve Philippe Herreweghe, Foto: Michel Garnier Rinaldo Alessandrini<br />
Ein feudales Trio<br />
Junge Stars für Beethovens Tripelkonzert<br />
Sol Gabetta, in Bremen schon längst „heimische“<br />
Cellistin, hat sich orchestraler<br />
Rückendeckung versichert, nämlich des<br />
Kammerorchesters Basel, das erst kürzlich<br />
Cecilia Bartoli bei ihrem Glocke-Gastspiel<br />
kompetent begleitet hat. Gabettas Partner<br />
bei der Wiedergabe von Beethovens Tripelkonzert<br />
sind Patricia Kopatchinskaja und<br />
Dejan Lazic. <strong>Die</strong> moldawische Geigerin,<br />
beim Musikfest Bremen 2006 ausgezeichnet<br />
mit dem Förderpreis Deutschlandfunk,<br />
war zuletzt vor zwei Jahren mit ihren Eltern<br />
als Musikerkollegen hier. Der Kroate<br />
Dejan Lazic ist ein Pianist von hoher Reputation,<br />
die er sich bei renommierten Orchestern<br />
und als Kammermusiker erworben<br />
hat.<br />
Neben dem Tripelkonzert erklingt Beethovens<br />
Siebte Sinfonie, ein großartiges<br />
Werk, das Richard Wagner als „Apotheose<br />
des Tanzes“ bezeichnete. Dirigent des<br />
Abends ist der Mailänder Giovanni Antonini,<br />
der viele herausragende Orchester wie<br />
<strong>Die</strong> Deutsche Kammerphilharmonie Bremen<br />
und Aufführungen an der Scala geleitet<br />
hat. Mit dem Kammerorchester Basel<br />
arbeitet er gerade an der Einspielung aller<br />
Beethoven-Sinfonien auf CD.<br />
10. September, 20 Uhr,<br />
Stadttheater Bremerhaven<br />
Beethovens Botschaft<br />
Missa solemnis mit Philippe Herreweghe<br />
„Von Herzen – möge es wieder – zu Herzen<br />
gehen“ überschrieb Ludwig van Beethoven<br />
das Autograph des Kyrie seiner Missa<br />
solemnis. <strong>Die</strong>se berührende Botschaft<br />
fehlt allerdings auf allen anderen handschriftlichen<br />
Quellen, ist also nicht an die<br />
Menschheit gerichtet, sondern an den ihm<br />
freundschaftlich verbundenen Erzherzog<br />
Rudolph, gedacht zu dessen Inthronisation<br />
zum Erzbischof der mährischen Stadt Olmütz.<br />
Aber zu diesem Ereignis wurde die<br />
Messe nicht fertig, denn Beethovens Vertonung<br />
des Liturgie-Textes wuchs sich mehr<br />
und mehr aus, weitete Gedanken und<br />
Empfindungen, die über das Maß einer für<br />
den Gottesdienst geeigneten Messe weit<br />
hinaus gingen.<br />
Jedenfalls bezeichnete Beethoven seine<br />
festliche Messe als sein „bestes Werk“. Und<br />
diese Größe sollte sich bei jeder Aufführung<br />
widerspiegeln. Das wird ohne Zweifel<br />
in Verden geschehen, denn Garant hierfür<br />
ist Philippe Herreweghe, der bei jedem<br />
seiner früheren Musikfest-Konzerte starken<br />
Eindruck hinterlassen hat. Aufgeboten<br />
für dieses Großereignis werden neben sorgfältig<br />
ausgewählten Solisten das Orchestre<br />
des Champs-Élysées, das Collegium Vocale<br />
Gent und der Coro dell’Academia Chigiana.<br />
25. August, 20 Uhr, Dom zu Verden<br />
MUSIKFEST BREMEN 39<br />
Marias Schmerzen<br />
Vertonungen von Scarlatti und Pergolesi<br />
Das Programm des erstmals beim Musikfest<br />
Bremen auftretenden Concerto Italiano<br />
bestimmen gleich zwei bedeutende<br />
Vertonungen des „Stabat mater“. <strong>Die</strong> aus<br />
dem Mittelalter stammende Sequenz war<br />
zum Gedächtnis der Schmerzen Marias unter<br />
dem Kreuz Jesu Jahrhunderte lang sowohl<br />
als Passions- wie als Kirchenlied sehr<br />
beliebt und forderte ungewöhnlich viele<br />
Meister zu Kompositionen heraus. Das<br />
„Stabat mater“ von Giovanni Battista Pergolesi<br />
(1710-1736) zeichnet sich durch melodischen<br />
Reichtum und elegante Deklamation<br />
aus. <strong>Die</strong> nicht minder berühmte<br />
Vertonung durch Domenico Scarlatti (1685-<br />
1757) gehört zu seinen herausragenden<br />
Chorwerken – in Bezug auf die Besetzung,<br />
die freie melodische Behandlung des tradierten<br />
Textes und das Gespür für dramaturgische<br />
Effekte.<br />
Dirigent Rinaldo Alessandrini, eine weltweit<br />
gefragte Kapazität, und das von ihm<br />
gegründete Concerto Italiano zählen zu<br />
den kompetentesten Interpreten der geistlichen<br />
Vokalmusik des 17. und 18. Jahrhunderts.<br />
Solisten sind die besonders für<br />
diesen Stil gelobte Sopranistin Gemma<br />
Bertagnolli und die Altistin Sara Mingardo.<br />
7. September, 20 Uhr,<br />
St. Laurentius-Kirche Langförden
40 MUSIK Kultursommer<br />
Musik in Gärten<br />
Zugegeben, der Sommer muss schon schön<br />
werden, damit das Gartenkultur-Musikfes-<br />
tival vom 31. Juli bis zum 29. August wieder<br />
ein Erfolg werden kann. Denn wie der Name<br />
schon sagt, spielt die Musik in Gärten und<br />
Parks, wobei es sich teilweise um Privatgär-<br />
ten handelt, in die der geneigte Besucher<br />
normalerweise gar nicht hineinkäme. <strong>Die</strong><br />
Mehrzahl der Veranstaltungsorte in Bremen<br />
und seinem so genannten Speckgürtel<br />
ist allerdings öffentlich zugänglich. Das<br />
Programm weist insgesamt 51 Veranstal-<br />
tungen an 45 Orten aus, die Musikauswahl<br />
ist dabei breit gestreut. Von leichter Klassik,<br />
alter Musik zur Gitarre, beschwingter Kaf-<br />
feehausmusik, Folklore, Klezmer, Jazz und<br />
Swing reicht die Palette bis zu Blues, Boogie<br />
Woogie und französischen Chansons.<br />
Eröffnet wird das Gartenkultur-Musik-<br />
festival am 31. Juli um 19 Uhr im Garten<br />
der BEGU in Lemwerder durch das En-<br />
semble Schné. Unter dem Namen der<br />
jungen Hamburger Sängerin haben sich<br />
große Teile der Gruppe Mellow Melange<br />
zusammengeschlossen, die einen intelli-<br />
genten Kammerpop spielen. Das Finale des<br />
Festivals findet am 29. August (18 Uhr) im<br />
Garten des Schlosses Erbhof in Theding-<br />
hausen statt. Dort wird dann die Klassische<br />
Text: Christian Emigholz<br />
KULTURSOMMER<br />
Philharmonie NordWest zu hören sein. Als<br />
Neuerung bietet in diesem Jahr der Allge-<br />
meine Deutsche Fahrrad Club (ADFC) zu<br />
einigen Konzerten geführte Fahrradtouren<br />
von Bremen und Achim aus an.<br />
www.gartenkultur-musikfestival.de<br />
Sommerreihe bei Focke<br />
Das Bremer Focke-Museum hat sich wie<br />
schon in den vergangenen Jahren mit drei<br />
Konzerten seiner Sommerreihe in Fockes<br />
Pavillon dem Gartenkultur-Musikfestival<br />
angeschlossen. Zuvor gibt es schon Frei-<br />
luftkonzerte im Garten des Museums. Der<br />
Reigen beginnt am Pfingstmontag (24.<br />
Mai), wenn ein aus den Reihen der Bremer<br />
Philharmoniker rekrutiertes Streichquar-<br />
tett Salonmusik und Schlager spielt. Am<br />
13. Juni bietet der Deutsche Tonkünstler-<br />
verband Bremen seine „junge Garde“ auf:<br />
Das BremerQuerflötenEnsemble stellt<br />
eigene Arrangements vor, anschließend<br />
ist das Perkussionsensemble Trick Stick<br />
mit seiner Trommelkunst zu erleben. <strong>Die</strong><br />
Sopranistin Hanna Thyssen und Susanne<br />
Peuker (Gitarre, Chitarrone) bilden das<br />
Duo Fortune’s Musicke, das sich am 18.<br />
Juli dem Thema Liebe mit Werken aus dem<br />
Barock und der Zeit des Belcanto widmet.<br />
Das Konzert am 1. August mit Café Bru-<br />
nette findet dann, wie schon erwähnt, im<br />
Zeichen des Gartenkultur-Musikfestivals<br />
statt. Das Bremer Quartett spielt Jazz,<br />
Swing und Musettewalzer. Am 15. August<br />
ist der Kölner Gitarrist Peter Korbel mit<br />
Werken der Romantik zu hören, bringt aber<br />
auch Südamerikanisches von Villa-Lobos<br />
mit. Das Finale am 29. August bestreitet<br />
dann erneut ein Streichquartett, aber mit<br />
einem ungewöhnlichen Programm, denn<br />
die vier Bremer Musikerinnen widmen sich<br />
keltischer Folklore. Alle Konzerte begin-<br />
nen um 11.30 Uhr.<br />
www.focke-museum.de<br />
Auf dem Barkenhoff<br />
Ute Falkenstein und Oliver Peuker von der<br />
Cosmos Factory haben in den vergange-<br />
nen Jahren eine ganze Reihe sehenswerter<br />
Stücke für den lauschigen Garten des Bar-<br />
kenhoffs in Worpswede entwickelt und ge-<br />
schrieben, die alle mehr oder minder auch<br />
Worpswede und seine Künstler zum Thema<br />
hatten. Bisher hat das Gespann die Stücke<br />
„Rilke 1903“, „Paula & Frida“ sowie „Tetjus<br />
Tügel“ speziell für den Garten inszeniert.<br />
In diesem Jahr gibt es nun eine neue Pro-<br />
duktion unter dem Titel „Berge der Utopie“<br />
mit dem erläuternden Untertitel „Künstler,
Kolonien, Kommunen – Aufbrüche zwi-<br />
schen Weyerberg und Monte Verità.“<br />
Nach Recherchen in Worpswede und Asco-<br />
na widmet sich die Cosmos Factory damit<br />
den visionären Künstlerkommunen, die<br />
zu Beginn des 20. Jahrhunderts gegründet<br />
wurden. Dabei setzte Heinrich Vogeler in<br />
Worpswede mit seiner „Arbeitsgemein-<br />
schaft Barkenhoff“ im Jahr 1918 eine Idee<br />
um, die ein wenig vorher auf dem Monte<br />
Verità im Tessin entwickelt worden war. <strong>Die</strong>-<br />
se Suche nach neuen Lebensformen wird in<br />
„Berge der Utopie“ aufgenommen. Und die<br />
Cosmos Factory erläutert dazu: „Ein Stück<br />
über Heinrich Vogeler, die Rote Marie, Fritz<br />
Jordi, Friedrich Wolf und Charlotte Bara, ein<br />
Stück über Kropotkin, Gusto Gräser, Erich<br />
Mühsam, Rudolf von Laban, Mary Wigman<br />
und viele andere mehr.“ Am 27. Juli (21 Uhr)<br />
hat „Berge der Utopie“ Premiere im Garten<br />
des Barkenhoff. Weitere Vorstellungen fin-<br />
den vom 28. Juli bis 21. August, immer von<br />
Mittwoch bis Sonnabend, jeweils um 21 Uhr<br />
statt – auch bei Regen, denn die Zuschauer<br />
sitzen unter einem Dach.<br />
Sommer in Lesmona<br />
In „Bella Italia“ ist es Mitte August oft viel<br />
zu heiß – jedenfalls für viele Nordlichter.<br />
Vielleicht ist die Deutsche Kammerphil-<br />
harmonie Bremen deshalb darauf verfal-<br />
len, „Bella Italia“ kurzerhand nach Bremen<br />
zu verlegen. Unter diesem Motto steht<br />
jedenfalls das größte Picknick hierzulande:<br />
Der 16. „Sommer in Lesmona“, diesmal in<br />
der jenseits der Alpen als „Ferragosto“ be-<br />
zeichneten Mitte des Augustes, und zwar<br />
vom 13. bis 15. (Fußball-WM und Bremer<br />
Sommerferien machen’s möglich).<br />
Auf dem Programm stehen – wen<br />
wundert’s – die Werke der einschlägig Ver-<br />
dächtigen, also von Verdi, Puccini, Rossini<br />
und Donizetti, denn schließlich fällt dem<br />
klassisch geneigten Musikinteressierten<br />
zu Italien vor allen Dingen der Belcan-<br />
to ein. Während also auf der Bühne die<br />
Musiker ins Schwitzen kommen, darf sich<br />
das Publikum in Knoops Park an den drei<br />
Tagen dem „dolce far niente“ hingeben,<br />
dem süßen Nichtstun, das nur aus Zuhören<br />
und gut Speisen besteht. Prämiert wird<br />
dabei wie immer das schönste Picknick-Ar-<br />
rangement, wobei in diesem Jahr wohl nur<br />
Tische und Decken mit den zum Thema<br />
passenden Antipasti eine Chance haben<br />
dürften.<br />
www.kammerphilharmonie.com<br />
MUSIK Kultursommer 41<br />
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42 MUSIK Kultursommer<br />
Kultursommer Oldenburg<br />
Normalerweise beginnt der Oldenburger<br />
Kultursommer Anfang Juli, aber „König<br />
Fußball“ führt seine eigene Regentschaft.<br />
Deshalb startet das Festival erst am 15. Juli<br />
und läuft bis zum 8. August. Wie schon im<br />
Vorjahr finden die eröffnenden Internationalen<br />
Oper-Air-Konzerte nicht auf dem<br />
Schlossplatz (er wird umgebaut), sondern<br />
auf dem Prinzenpalais-Platz statt. Viele unterschiedliche<br />
Stile stecken in der diesjährigen<br />
Open-Air-Wundertüte. Zum Auftakt<br />
am 15. Juli kommt die angesagte britische<br />
Band Oi Va Voi, deren Name zwar an<br />
traditionelle Klezmermusik denken lässt,<br />
die aber Klezmer frech mit Hip-Hop-Beats,<br />
elektronischen Einschüben und Jazzballaden<br />
kombiniert. Einen Abend später steht<br />
krachender Mestizo-Sound in französischer<br />
Variante auf dem Programm. Kiemsa<br />
nennen sich die Herren, die Rock’n’Roll,<br />
Ska, Punk und Hip-Hop miteinander verquirlen<br />
und mit sattem Bläsersatz antreten.<br />
Am 17. Juli geht es mit Re:Jazz in Jazz-Richtung.<br />
<strong>Die</strong> Band des Pianisten Matthias Vogt<br />
remixt gerne Stücke, und verpasst ihnen<br />
einen fließenden Soul-Touch, in dem auch<br />
Pop-Elemente zu finden sind.<br />
Drei Sängerinnen stehen an der Front der<br />
Gruppe Ganes aus Südtirol und singen auf<br />
Ladinisch. Fans von Hubert von Goisern<br />
Text: Christian Emigholz<br />
KULTURSOMMER<br />
dürften sie bekannt sein, denn bei seiner<br />
letzten Tour waren Maria Moling, Marlene<br />
und Elisabeth Schuen dabei, nach Oldenburg<br />
kommen sie am 18. Juli mit eigenen<br />
Songs. Einen Abend später wird es fetzig:<br />
<strong>Die</strong> Amsterdam Klezmer Band ist eine der<br />
mitreißendsten europäischen Klezmergruppen,<br />
die sich gerne wilde Bläserduelle<br />
auf der Bühne liefert und hier und da einen<br />
Klezmer-Rap (auf Holländisch) anstimmt.<br />
Am 20. Juli geht es dann dem portugiesischen<br />
Fado an den Kragen: OqueStrada<br />
heißt das Sextett um die Sängerin Marta<br />
Miranda, das afrikanische und südamerikanische<br />
Rhythmen in den getragenen Fado<br />
einbaut und zu einem wilden Fado-Folk-Pop<br />
aufmischt. Zum Abschluss der Internationalen<br />
Konzerte spielt die Band Tinariwen<br />
aus Mali ihren Sahara-Blues. <strong>Die</strong> Musiker<br />
gehören zum Volk der Tuareg und verbinden<br />
ihre traditionelle Musik mit harten<br />
Rock-Elementen. Nach diesem fulminanten<br />
Auftakt geht es munter weiter mit Konzerten,<br />
Tanznächten, (Straßen-)Theater und<br />
Ausstellungen bis zum 8. August.<br />
www.oldenburg.de<br />
Festival Maritim in Vegesack<br />
Sie heißen Banana Boat, Bleeding Hearts,<br />
Paddy’s Passion, t’Scheepsfolk, Beckedorfer<br />
Schifferknoten oder ganz schlicht<br />
Shanty-Chor Nordenham, und damit<br />
ist schon klar: Hier geht es um Seasongs<br />
und Shantys. Schauplatz ist das Festival<br />
Maritim in Vegesack, das in diesem<br />
Jahr zum zwölften Mal und vom 6. bis<br />
8. August an der Vegesacker Weserkante<br />
stattfindet. Gelegentlich darf es dabei auch<br />
ein wenig Irish Folk oder Cajun aus den<br />
Südstaaten der USA sein, denn diese Stile<br />
passen irgendwie auch zu Shantys. Aber<br />
im Kern setzen die drei Tage auf klassische<br />
Shantys, und am besten von großen<br />
Chören dargeboten. <strong>Die</strong> oben angeführten<br />
Gruppen werden in diesem Jahr dabei sein,<br />
außerdem noch viele mehr und wie üblich<br />
kommen sie aus aller Herren Länder,<br />
mitunter sogar aus Städten, die überhaupt<br />
keine Meeresanbindung haben. Irgendeine<br />
Gruppe wird dann vielleicht auch das Lied<br />
vom „Hamburger Veermaster“ anstimmen,<br />
was man ja eigentlich in Bremen nicht<br />
ganz so gerne hört.<br />
www.festival-maritim.de<br />
Straße frei für „La Strada“<br />
Der gewiefte Bremer weiß Bescheid, wenn<br />
ihm im August mitten in der Stadt jemand<br />
auf die Schulter tippt, und er plötzlich Teil<br />
von etwas ist, wovon er nicht unbedingt Teil<br />
sein wollte, etwa in einem schnell improvisierten<br />
Stück, als Gerätehalter oder Hilfestellungsgeber.<br />
Wenn das passiert, dann<br />
ist „La Strada“ in der Stadt, das Straßenzirkusfestival<br />
mit Akrobaten und Jongleuren,
Stelzenläufern, Clowns und durchgeknallten<br />
Theaterinszenierungen. Vom 13. bis 15.<br />
August machen die „La Strada“-Künstler die<br />
Innenstadt unsicher, überraschen, verunsichern<br />
und verzaubern. Wie üblich kann<br />
man stehen bleiben oder auch weitergehen,<br />
und das alles ohne Entgelt – allerdings<br />
dürfte jeweils ein Hut vorhanden sein, der<br />
herumgeht. Wer das Beste von „La Strada“<br />
lieber im Saal (und dann gegen Entgelt)<br />
erleben will: Am 14. und 15. August (jeweils<br />
20.30 Uhr) ist „La Strada“ mit seiner Gala in<br />
der Shakespeare Company zu Gast.<br />
Breminale mit Stolperstein<br />
<strong>Die</strong> Schreckensmeldung zuerst: Auf der<br />
diesjährigen Breminale wird es einen<br />
Zaun geben. Es folgt sogleich die Entwarnung:<br />
Er wird nicht das Gelände auf<br />
den Weserwiesen umspannen, so dass<br />
ein Eintrittspreis erhoben werden kann,<br />
geht vielmehr irgendwie quer durch die<br />
Stände und Zelte und soll zum Nachdenken<br />
anregen. Schließlich ist seit Jahren<br />
die Finanzierbarkeit des Festivals in der<br />
Diskussion. Nun also ein Zaun als Stolperstein.<br />
Ansonsten wird wieder gesammelt<br />
(wie schon in den Vorjahren) und es gibt<br />
Breminale-Devotionalien (etwa T-Shirts) –<br />
immer schön am Zaun entlang.<br />
Das diesjährige Festival startet am 30. Juni<br />
und dauert bis zum 4. Juli. Wie im Vorjahr<br />
wird es wieder vier Zelte (Weltbühne, Bremen-4-Zelt,<br />
Flut-Bühne und das vieleckige<br />
Zelt deDrome) geben sowie den Baltic-<br />
Raw-Tower. Zusätzlich macht wieder die<br />
MS Treue am Breminale-Gelände fest und<br />
auch die Kogge soll herumschippern. In der<br />
eigenwilligen Holzkonstruktion des Baltic-<br />
Raw-Tower findet die ganze Zeit über das<br />
Bremer One-Man-Band-Festival statt, die<br />
MS Treue bietet ihr eigenes Programm aus<br />
Rock, Pop und Jazz. Als Bands für die Zelte<br />
sind bisher fest nominiert Ex-Blumfeld-<br />
Kopf Jochen <strong>Die</strong>stelmeyer, die Gewinner<br />
des Live-in-Bremen-Wettbewerbs, es wird<br />
einen Abend mit dem Hamburger Tapete-<br />
Label geben (mit Bernd Begemann und den<br />
Fehlfarben) und die Berliner Balkan-Pop-<br />
Expertin Miss Platnum ist annonciert.<br />
Bremen 1 ist mit einem nostalgischen<br />
Beat-Club-Abend vertreten, nicht dabei<br />
sind allerdings das Nordwest Radio und<br />
Sparkasse in concert mit ihren beiden<br />
Abenden, die traditionell live im Radio<br />
übertragen wurden. <strong>Die</strong> Flut-Bühne, wie<br />
üblich vom Lagerhaus bespielt, beginnt<br />
mit Bremensien, nämlich mit Distemper<br />
und den Mad Monks, Kogge-Pop bestückt<br />
sein Programm mit Bands wie Bratze, und<br />
das Funkhaus Europa hat Hilfestellung<br />
geleistet beim Ska-Punk-Reggae-Abend mit<br />
Skalinka, Abuela Coca und den Ohrbooten.<br />
Daneben gibt es erneut ein reichhaltiges<br />
Kinderprogramm sowie zahlreiche so genannte<br />
„Walking Acts“ auf dem Gelände.<br />
MUSIK Kultursommer 43
Konzert, Symposium und Radiosendungen:<br />
Neuentdeckungen zum Schumann-Jahr<br />
Text: Ulrich Matyl EIN<br />
Er liebte die Musik und die Literatur<br />
gleichermaßen, er wollte Pianist<br />
werden und scheiterte an sich selber.<br />
Er verachtete die „Seichtheit“ in der Musik<br />
seiner Zeitgenossen und ersehnte sich,<br />
an die Musik der alten Meister anknüpfen<br />
zu können, sehnte sich, „die Poesie der<br />
Kunst“ mit neuem Leben zu erwecken. Als<br />
Persönlichkeit war er vielschichtig, als<br />
Komponist fühlte er sich unverstanden,<br />
und tatsächlich riss man sich zu seinen<br />
Lebzeiten nicht gerade darum, seine<br />
Werke zu spielen oder gar zu drucken.<br />
Ein zweites Standbein schuf sich Robert<br />
Schumann als Musikrezensent und vermochte<br />
so auf publizistische Weise seine<br />
künstlerischen<br />
Ziele<br />
zu verfolgen.<br />
Dazu gründete<br />
er 1834 mit mehreren Teilhabern die<br />
„Neue Zeitschrift für Musik“. Sie wurde<br />
zu einem der wichtigsten Foren für die<br />
Diskussion neuer Musik und zu einem<br />
Dokument von unschätzbarem Wert über<br />
das Musikgeschehen im 19. Jahrhundert.<br />
Und sie existiert bis heute! Zehn Jahre lang<br />
verantwortete Schumann als Chefredakteur<br />
die Herausgabe der Zeitschrift, in<br />
der sich seine ästhetischen Positionen im<br />
zeitgenössischen Musikschaffen reflektieren.<br />
Reflexionen, die keineswegs nur the-<br />
Wer kennt Adolph Henselt,<br />
Oswald Lorenz oder Julius Becker?<br />
oretischer Art waren, denn zwischen 1838<br />
und 1841 hatte Schumann der Zeitschrift<br />
vierteljährlich Notenbeilagen als Geschenk<br />
für die Leser hinzugefügt.<br />
Als „Sammlungen von Musik-Stücken alter<br />
und neuer Zeit“ erschienen so insgesamt<br />
16 Hefte. Und Schumann hoffte, sie<br />
möglichst zahlreich auf den Klavierpulten<br />
des bürgerlichen Publikums zu finden,<br />
waren doch hierin – als Pendant zu den<br />
oberflächlichen Opernpotpourris – Musterbeispiele<br />
erhabener Kunst zu finden.<br />
Nicht ohne Stolz präsentierte Schumann<br />
diese Auswahl von insgesamt 70 Kompositionen,<br />
denn bei allen Stücken handelt es<br />
sich um Erstdrucke! Klavierstücke, Lieder<br />
und Chorsätze finden<br />
sich, Kompositionen<br />
von Beethoven und<br />
Schumann selber und<br />
vor allem von vielen, heute völlig unbekannten<br />
Komponisten: Wer kennt Adolph<br />
Henselt, Oswald Lorenz oder Julius Becker?<br />
Aber gerade diese machen die Sammlung<br />
heute zu einer wahren Schatztruhe.<br />
Der 200. Geburtstag des Komponisten war<br />
für Prof. Dr. Ulrich Tadday, Musikwissenschaftler<br />
und Schumann-Forscher an der<br />
Universität Bremen, Anlass genug, mit<br />
Unterstützung von Radio Bremen und der<br />
Philharmonischen Gesellschaft Bremen<br />
MUSIK Schumann-Jahr 45<br />
SCHATZ<br />
WIRD GEHOBEN<br />
diesen Schatz endlich wissenschaftlich<br />
und musikalisch zu heben. Für die wissenschaftliche<br />
Aufarbeitung legt eine Dissertation<br />
von Johanna Steiner das Fundament.<br />
Darüber hinaus lädt die Universität<br />
zu einem Symposium über dieses Thema<br />
ein. Höhepunkt des Projektes wird ein von<br />
Radio Bremen veranstaltetes Konzert im<br />
Sendesaal sein, in dem zahlreiche dieser<br />
kostbaren Kleinodien als Musik erklingen.<br />
Bei den meisten Stücken dürfte es sich<br />
hierbei um Uraufführungen handeln!<br />
Als Abschluss dieses Konzertes gibt es<br />
dann Robert Schumanns äußerst selten<br />
zu hörendes und zu unrecht abgeurteiltes<br />
Märchen-Oratorium „Der Rose Pilgerfahrt“<br />
zu hören. Rundfunkmitschnitt und<br />
CD-Produktion werden dieses „Geburtstagsgeschenk“<br />
später dokumentieren.<br />
<strong>Die</strong> Termine<br />
28. und 29. Mai: Wissenschaftliches Symposium<br />
zum Themenkreis „Musikalische<br />
Beilagen“ zur „Neuen Zeitschrift für Musik“<br />
28. Mai, 20 Uhr: Konzert für Robert Schumann,<br />
Sendesaal Bremen<br />
Viele weitere Informationen zum umfangreichen<br />
Schumann-Projekt gibt es über<br />
die Internetseiten von Universität, Radio<br />
Bremen und Sendesaal Bremen.
46 MUSIK Jazztipps<br />
JAZZTTIPPS<br />
„So Weiss“ mit hohem<br />
Anspruch<br />
(hip) „Doch ich schäme mich, dass mein<br />
Herz so weiß ist“ lässt Shakespeare Lady<br />
Macbeth sagen – höher kann man mit einem<br />
Bandnamen kaum langen. Aber die Berliner<br />
Formation „So Weiss“ löst diesen hohen Anspruch,<br />
den die Musiker sich selber setzten,<br />
sowohl musikalisch wie auch literarisch<br />
ein, wenn sie etwa die Lyrik von Shakespeare,<br />
Ben Johnson, WB. Yeats und Robert<br />
Frost vertonen. <strong>Die</strong> Vokalistin Kristiina<br />
Tuomis gibt dabei den Texten eine elegisch,<br />
sinnliche Grundnote, durch die dann auch<br />
die von ihrer Mitspielerin Susanne Folk<br />
geschriebenen Pop-Texte geadelt werden, in<br />
denen es eher um großstädtische Romantik<br />
und enge U-Bahn-Schächte geht.<br />
Susanne Folk studierte Jazz-Saxophon an<br />
der Folkwang Hochschule in Essen und<br />
liefert manchmal auch auf der Klarinette<br />
die zweite Melodiestimme. <strong>Die</strong>se seltsame<br />
Instrumentierung hat einen ganz eigenen<br />
Reiz, über den die Zeitschrift „Jazzthetik“<br />
schrieb: „Mit großem Einfallsreichtum<br />
erfindet sie zur Gesangsmelodie unterstützende<br />
und umspielende Gegenstimmen.“<br />
Geerdet werden diese beiden manchmal<br />
ins Ätherische abhebenden Musikerinnen<br />
durch den warm groovenden Kontrabass<br />
von <strong>Roland</strong> Fidezius, dessen eigene Formation<br />
„Odd Shot“ immerhin im New Yorker<br />
„Time Out Magazine“ als „quirky und fresh<br />
avant-jazz“ gelobt wurde. Hier schafft sein<br />
Spiel dagegen einen ruhenden Kontrapunkt<br />
zu den Höhenflügen der beiden Frauen.<br />
Das Trio erweitert sein originelles Klangbild<br />
beim Konzert im KITO noch durch die<br />
Gastmusiker Tino Drado am Akkordeon<br />
und Ketan Bhatti (Perkussion). So darf man<br />
gespannt sein auf die Musik von „So Weiss“,<br />
und dies, obwohl der Name unter Jazzern ja<br />
durchaus auch spöttisch als „nicht schwarz<br />
genug“ gedeutet werden könnte.<br />
28. Juni im KITO, Vegesack<br />
Jazz-Dialoge auf<br />
höchstem Niveau<br />
„Face To Face“ wurde im Sendesaal<br />
aufgenommen<br />
(che) Im September 2009 waren der luxemburgische<br />
Vibraphonist Pascal Schumacher<br />
und der belgische Pianist Jef Neve für einige<br />
Tage im Sendesaal Bremen, um dort für das<br />
renommierte Jazzlabel Enja eine CD aufzunehmen.<br />
Nun liegt das Album unter dem Titel<br />
„Face To Face“ (9 Tracks, 45 Minuten) vor.<br />
Neve und Schumacher gehören zur jüngeren<br />
Jazz-Generation (beide Anfang dreißig)
und werden jeweils auf ihrem Instrument<br />
als große europäische Hoffnung gefeiert.<br />
Einige Zeit haben die beiden Jungstars<br />
gemeinsam in Schumachers Quartett<br />
gespielt, inzwischen gehen sie eigene Wege,<br />
die sich aber in der musikalischen Auffassung<br />
nicht wesentlich unterscheiden. <strong>Die</strong><br />
Tage im Sendesaal scheinen die Kongruenzen<br />
noch gefördert zu haben, so dass ein<br />
überaus intensives Album entstanden ist.<br />
Beide lieben Grenzüberschreitungen, die<br />
lässig auch in den Klassikbereich wechseln,<br />
ohne dass „Face To Face“ nun eine Jazz-<br />
Klassik-Crossover-CD geworden wäre. Es<br />
sind eher die Klangfarben, die bei diesen<br />
intensiven Dialogen zwischen Vibraphon<br />
und Flügel an Brahms oder auch Debussy<br />
denken lassen. Was Neve und Schumacher<br />
hier vorexerzieren, ist ein gekonnter Tanz<br />
auf der ganzen Musikgeschichte, insofern<br />
auch durchaus geeignet für Hörer, die nicht<br />
unbedingt mit Jazz vertraut sind.<br />
Nur echt mit Ente Anton<br />
Florian Zenker Tiny Tribe legt zweite CD vor<br />
(che) Vor rund zehn Jahren konnte man<br />
den Bremer Jazzgitarristen Florian Zenker<br />
häufiger in der Stadt mit seinem „Zenker-<br />
Kappe 4tet“ hören. Mittlerweile lebt Florian<br />
Zenker in Köln und hat dort 2004 „Tiny<br />
Tribe“ gegründet, im Kern ein Trio aus dem<br />
Bassisten Jens Loh und dem Perkussionisten<br />
Afra Mussawisade sowie natürlich dem<br />
Gitarristen selbst, das sich aber durchaus<br />
gerne Gäste einlädt.<br />
So auch auf der neuen, zweiten CD „Strange<br />
Stories & Faraway Places (11 Tracks,<br />
44 Minuten, erschienen bei NRW-Jazz).<br />
Hier wächst das Trio nämlich bei einem<br />
Titel zum Sextett an. Aber auch der pure<br />
Triosound ist farbenreich, denn Zenker<br />
und Loh operieren zusätzlich mit elektronischen<br />
Effekten.<br />
Jazz ist fraglos der entscheidende Bestandteil<br />
der „Tiny Tribe“-Ideen, einen beträchtlichen<br />
Teil machen aber auch weltmusikalische<br />
und folkloristische Melodien und<br />
Rhythmen aus. Eine Reise nach Zimbabwe<br />
dürfte das ihre dazu beigetragen haben,<br />
außerdem steuert der iranische Perkussionist<br />
Afra Mussawisade Metren aus dem<br />
reichen arabisch-persischen Feld bei.<br />
Ein schönes Album, auf dem Plastikenten<br />
fröhlich übers Meer dümpeln („Adventurous<br />
Anton“), sich kraftvolle Aufschwünge<br />
finden („A tribute to my Car Mechanic“),<br />
durch das aber bei „En Lyd i Skogen“ auch<br />
ein Hauch nordischer Elegie weht.<br />
MUSIK Jazztipps 47<br />
Bremer<br />
KartenKontor
48 ROLLENSPIEL<br />
Schauspielrätsel<br />
(SN) <strong>Die</strong> Personen seiner Stücke sind aus<br />
dem realen Leben gegriffen – aus einem<br />
kleinbürgerlichen Leben, das es nicht gut<br />
mit den Menschen meint. Im Mittelpunkt<br />
dieses „kleinen Totentanzes“ scheitert<br />
eine junge Frau an miserablen Umständen.<br />
Sie braucht einen Wandergewerbeschein,<br />
damit sie als Vertreterin ihr Brot<br />
verdienen kann. Deshalb versucht sie<br />
ihren Körper in der Anatomie für 150<br />
Mark zu verkaufen. Aber der Präparator<br />
sagt, dass man einen lebenden Körper<br />
nicht verkaufen kann. Und zweitens<br />
schwindle sie ihm etwas vor, weil sie das<br />
Geld braucht, um eine Strafe zu bezahlen.<br />
Eine Firma streckt ihr den Wandergewerbeschein<br />
vor, aber sie hat keinen Erfolg<br />
damit. Schließlich gerät die junge Frau an<br />
einen Polizisten, der sie heiraten will und<br />
ihr vorab wöchentlich etwas Geld zukommen<br />
lässt. Als er jedoch erfährt, dass sie<br />
vorbestraft ist, gibt er ihr den Laufpass –<br />
sie geht ins Wasser.<br />
Auch hier hat der Autor die Geschichte<br />
nach einem alltäglichen Fall vor Gericht<br />
behandelt. Ihn interessiert daran vor allem<br />
der Kontrast zwischen scheinbarem<br />
Edelmut und rüdem Zynismus. Wie heißt<br />
er, wie lautet der Titel des Schauspiels?<br />
Antworten bitte bis zum 15. Juli 2010 an<br />
foyer, <strong>Roland</strong> <strong>Verlag</strong> <strong>GmbH</strong>, Schlachte 43,<br />
28195 Bremen. <strong>Die</strong> Teilnahme ist auch online<br />
möglich: www.rolandverlag.de (Publikationen/Foyer)<br />
Zu gewinnen sind 5 x 2 Karten für das<br />
Bremer Schauspiel.<br />
<strong>Die</strong> Auflösung des Schauspielrätsels in<br />
foyer 84 lautet: „Torquato Tasso“ von<br />
Goethe.<br />
Gewonnen haben:<br />
Fee Engemann, Bremen<br />
Ubbo Friedrich, Bad Zwischenahn<br />
Martina Huntemann, Delmenhorst<br />
Dr. J. Kollmeier, Marklohe<br />
Frauke Lüllmann, Bremen<br />
ROLLENSPIEL<br />
(che) Der Bremer Komponist und Musiker<br />
Christoph Ogiermann (Foto rechts) realisiert<br />
als Mitglied der Experimentalgruppe<br />
Klank seit rund zwei Jahren ungewöhnliche<br />
Perfomances und Raumbespielungen.<br />
So initiierte und inszenierte Klank im vorigen<br />
Jahr eine neue Interpretation von Cornelius<br />
Cardews „Great Learning“, die mit<br />
rund 70 Beteiligten (darunter auch Kinder<br />
einer Grundschule) als „Großes Lernen“ im<br />
Güterbahnhof aufgeführt wurde.<br />
In diesem Jahr wird es noch eine Nummer<br />
größer, denn nun wird eine ganze Stadt<br />
bespielt. <strong>Die</strong> Gruppe Klank, das sind neben<br />
Ogiermann Reinhart Hammerschmidt,<br />
Tim Schomacker und Hainer Wörmann,<br />
ist nämlich einer der Gewinner des Wettbewerbs<br />
Zukunftsmusik beim Festival<br />
„Musik der Jahrhunderte“ geworden. Und<br />
so führt Klank am 8. Oktober in Waiblingen<br />
eine Stadtbespielung unter dem Titel<br />
„StadtKlank“ mit rund 700 Beteiligten<br />
auf. In einem siebenstrahligen „Klang-<br />
Gang“ ziehen die Musiker zum Marktplatz<br />
in der Altstadt von Waiblingen, wobei auch<br />
Anwohner und Geschäftsleute an dieser<br />
Musikperformance beteiligt sein werden.<br />
Wer sich vorher einen Eindruck der avantgardistischen<br />
Experimenten von Klank<br />
verschaffen will: Am 21. Juni (20 Uhr) bespielt<br />
die Gruppe, dann nur zu viert, das<br />
Gerhard-Marcks-Haus.<br />
(SN) Dr. Ralf Waldschmidt, während der<br />
Ära Pierwoß viele Spielzeiten lang Leitender<br />
Musikdramaturg und schließlich<br />
Chefdramaturg am Theater Bremen, wird<br />
Intendant der Städtischen Bühnen Osnabrück.<br />
Nach der Vorstellung vieler Kandidaten<br />
war Waldschmidt in die Endaus<br />
scheidung gekommen und erhielt das einstimmige<br />
Votum der 20köpfigen Findungskommission.<br />
Er tritt als Nachfolger von<br />
Holger Schultze, der nach Heidelberg<br />
geht, seine erste Intendanz zu Beginn der<br />
Spielzeit 2011/2012 an. Ralf Waldschmidt<br />
war bei dem Bremer Intendantenwechsel<br />
von Klaus Pierwoß zu Hans-Joachim Frey<br />
als Operndirektor an das Theater Augsburg<br />
gegangen. Zusammen mit der Intendantin<br />
Juliane Votteler, die ja damals auch im<br />
Fokus der Bremer Findungskommission gestanden<br />
hatte, glückte dort eine vielfach<br />
gerühmte, von neuem Wind getragene künstlerische<br />
Arbeit.<br />
Übrigens scheint das Bremer Dramaturgenamt<br />
immer wieder als Sprungbrett zu<br />
dienen. Waldschmidts Vorgänger Norbert<br />
Klein ist stellvertretender Intendant am<br />
Staatstheater Nürnberg. <strong>Die</strong>ter Schwarz,<br />
vor Jahren in der Hansestadt sehr beliebt,<br />
kam über Mannheim als Operndirektor<br />
nach Basel, wo es ihm gelang, zweimal<br />
den Titel „Oper des Jahres“ an das Haus zu<br />
holen, wurde kürzlich zum Intendanten<br />
der Deutschen Oper Berlin gewählt.
(ps) Zwölf Philharmonische Konzerte,<br />
neun Sonderkonzerte, sechs Opernproduktionen,<br />
dazu Kammermusik, Familienkonzerte,<br />
Schulprojekte und die<br />
Musikwerkstatt – die Bremer Philharmoniker<br />
und ihr Generalmusikdirektor<br />
Markus Poschner haben sich für die<br />
kommende Spielzeit mit rund 400 Veranstaltungen<br />
wieder ein beachtliches Programm<br />
vorgenommen. Dabei sollen Werke<br />
im Mittelpunkt stehen, die in ihrer Entstehung<br />
und Wirkung zahlreiche Parallelen<br />
aufweisen. „Alle sind Zeugnisse einer<br />
fast unvorstellbaren Schaffenskraft und<br />
kosteten die Komponisten Unmengen an<br />
Energie. Und das Ergebnis ist“, so Markus<br />
Poschner, „etwas völlig Neuartiges. Es<br />
kommt einem Urknall gleich, einem gigantischen<br />
Befreiungsschlag.“<br />
Als Gäste werden unter anderem die Pianisten<br />
Anna Vinnitskaya und Rudolf<br />
Buchbinder sowie Sol Gabetta (Cello), Sabine<br />
Meyer (Klarinette) und Dame Felicity<br />
Lott (Sopran) erwartet. Für den Februar<br />
wird „eine kleine Sensation“ angekündigt:<br />
Wagners „Tristan und Isolde“ als konzertante<br />
Aufführung mit Texten von Herbert<br />
Feuerstein und einer Einführungsveranstaltung<br />
mit Nike Wagner – drei Akte, drei<br />
Tage! Dabei wird der in Bremen so beliebte<br />
George Stevens den Kurvenal singen. Für<br />
Bruckner-Fans ein Muss: <strong>Die</strong> 8. Sinfonie<br />
mit Peter Schneider am Pult.<br />
(sg) Wenn Martin Baum von seiner Arbeit<br />
spricht, dann leuchten seine Augen. Es ist<br />
in diesem Fall wohl die Vorfreude auf eine<br />
ganz raffinierte Komödie. Eine Komödie,<br />
die mit all den Tricks eines gut gebauten<br />
Verwechslungstrubels lockt. Und Baum,<br />
der seit fünf Jahren als Schauspieler am<br />
Bremer Theater wirbelt, darf, soll und<br />
muss nun als Regisseur auf Pointenjagd<br />
gehen. Handwerk und Humor sind gefragt.<br />
Dabei vollzieht Baum den Rollentausch<br />
hin zum Regisseur nicht zum ersten Mal.<br />
Auch in Kassel und Mainz hat er bereits<br />
Witziges mit Anspruch inszeniert. Und am<br />
Bremer Theater brachte er zuletzt mit dem<br />
„Messias“ eine freche Farce ins Foyer. Und<br />
so schwärmt Baum im Gespräch von dem<br />
dunklen Humor sowie den herrlich bösartigen<br />
Missgeschicken, die der englischen<br />
Meisterdramatiker Peter Shaffer um seine<br />
Figuren schraubt. Bei dieser „Komödie im<br />
Dunklen“ herrscht die Dramaturgie der<br />
Zwickmühle: Kurzschluss! <strong>Die</strong> Lichter sind<br />
aus. Munkeln im Dunklen ist Programm.<br />
Doch die Zuschauer sehen natürlich alles...<br />
Aus Heimlichkeit wird Lächerlichkeit.<br />
Und dieses gerissene Stück kommt so auch<br />
dem Anspruch von Theatermann Baum<br />
nahe: Gemeinsam mit den Zuschauern<br />
einen Abend im Wechselwirbel der Gefühle<br />
zu erleben.<br />
Premiere: 29. Mai, Bremer Schauspielhaus<br />
Opernrätsel<br />
ROLLENSPIEL 49<br />
(SN). Maria heißt das Mädchen. Gewiss<br />
kein seltener Name. Ebenso wenig selten<br />
ist es, wenn eine junge Frau die Liebe<br />
eines wesentlich älteren Mannes erwidert.<br />
Und standhaft bleibt. Denn der Vater hatte<br />
für sie einen jungen Freier ausgeguckt.<br />
Abgelehnt! Auch als ihr Vater das Heiratsersuchen<br />
des Älteren, mit dem er sogar<br />
befreundet ist, strikt von sich weist, entscheidet<br />
sich Maria für den Geliebten.<br />
Papa denunziert diesen voller Hass. Aber<br />
der Zar steht zu seinem Kosakenhauptmann,<br />
lässt den Verleumder in den Knast<br />
bringen, wo er gefoltert und später hingerichtet<br />
wird. Maria erfährt das von ihrer<br />
heimlich aufgetauchten Mutter, und die<br />
Tochter hat nichts anderes mehr im Sinn,<br />
als ihren Vater zu retten. Inzwischen musste<br />
ihr Geliebter an der Schlacht von Poltawa<br />
teilnehmen, wird geschlagen und flieht.<br />
Als er Maria wieder findet, erkennt sie ihn<br />
nicht mehr – sie ist wahnsinnig geworden.<br />
Grausam, nicht wahr?<br />
<strong>Die</strong>se Oper des russischen Komponisten<br />
wird im Gegensatz zu zwei berühmten<br />
Bühnenwerken aus seiner Feder sehr selten<br />
aufgeführt. Es lässt sich jedoch beim<br />
Studieren der neuen Spielpläne rasch herausfinden,<br />
wie der Komponist heißt und<br />
wie der Titel dieser Oper lautet.<br />
Bitte schreiben Sie Ihre Antwort bis<br />
zum 15. Juli 2010 an foyer, <strong>Roland</strong> <strong>Verlag</strong><br />
<strong>GmbH</strong>, Schlachte 43, 28195 Bremen. <strong>Die</strong><br />
Teilnahme ist auch online möglich: www.<br />
rolandverlag.de (Publikationen/Foyer)<br />
Zu gewinnen sind 5 x 2 Karten für das<br />
Theater Bremen, das Stadttheater Bremerhaven<br />
und das Oldenburgische<br />
Staatstheater.<br />
<strong>Die</strong> Auflösung aus Foyer 84 lautet: „Herzog<br />
Blaubarts Burg“ von Béla Bartók.<br />
Gewonnen haben:<br />
Charlotte Acker, Oldenburg<br />
Elsbeth Beger, Delmenhorst<br />
Karin Brooksiek, Wardenburg<br />
Petra Heiling, Bremerhaven<br />
Elisabeth Hertz, Bremen<br />
Manfred Kaese, Bremen<br />
Martina Kammann, Stuhr<br />
Jürgen Koch, Oldenburg<br />
Monika Marxen, Hannover<br />
Herta Pirke, Bremerhaven<br />
Gudrun Plakinger, Bremerhaven<br />
Hans-A. Schumacher, Loxstedt<br />
Wim Stam, NL-AP Emmen<br />
Gerda Strecke, Rotenburg<br />
Inge Westphal, Lübeck
50 WISSENSCHAFT Jade Hochschule<br />
Dr. Elmar Schreiber<br />
<strong>Die</strong> Geschichte von den „Sound-Designern“,<br />
die in den Entwicklungsstudios<br />
der großen Autokonzerne am<br />
„richtigen“ Klang tüfteln, der beim Zuschlagen<br />
der Fahrertür eines schnittigen<br />
Sportwagens erwartet wird, hat Dr. Inga<br />
Holube bestimmt schon hundertmal erzählt.<br />
Dennoch sie freut sich sichtlich,<br />
welches Interesse ihre Anekdote immer<br />
wieder findet. Schließlich hat so mancher<br />
Ingenieur das Fachwissen für seine Suche<br />
nach dem satten „Plopp“ beim „Klapp“ an<br />
der Jade Hochschule erworben.<br />
Genau gesagt im Oldenburger Institut für<br />
Hörtechnik und Audiologie, dessen Vorsitzende<br />
Professorin Holube ist und das jährlich<br />
von rund 30 Absolventen verlassen<br />
wird – den Bachelor im Gepäck und glänzende<br />
berufliche Perspektiven vor sich.<br />
„Viele von ihnen haben bereits vor der Abschlussprüfung<br />
einen Arbeitsvertrag in der<br />
Tasche“, berichtet Inga Holube und verweist<br />
auf das besondere, hierzulande nahezu<br />
einzigartige Profil des Instituts, das<br />
freilich nicht nur die Personalchefs der Automobilindustrie<br />
aufhorchen lässt.<br />
Denn die anwendungsorientiert ausgebildeten<br />
Ingenieure des Oldenburger Studiengangs<br />
„Hörtechnik und Audiologie“, der<br />
in Kooperation mit der Universität Oldenburg<br />
betrieben wird, sind vor allem in Unternehmen<br />
der Hörgeräteakustik gefragte<br />
Leute. „Ihr späteres Arbeitsgebiet liegt<br />
neben der Industrie auch in Kliniken und<br />
schließt die Hörgeräte- oder Raumakustik<br />
ebenso ein wie die Studio- und Audiotech-<br />
Wie die Ingenieurausbildung zum überregional<br />
guten Image der Jade Hochschule beiträgt<br />
Text: Peter Schulz<br />
PROFILE FÜR<br />
DIE PRAXIS<br />
nik“, zählt Inga Holube auf. „Eben überall<br />
dort, wo das Hören im Mittelpunkt steht.“<br />
Genau dies ist auch im 2002 eröffneten<br />
„Haus des Hörens“ der Fall; einer mit Bundesmitteln<br />
geförderten, mittlerweile weltweit<br />
bekannten Einrichtung der Audiologie,<br />
die enge Verbindungen zur regionalen<br />
wie zur internationelen Wirtschaft pflegt<br />
und die Projektgruppe Hör-, Sprach- und<br />
Audiotechnologie des Fraunhofer-Instituts<br />
Illmenau beherbergt.<br />
Aspekte der Sinneswahrnehmung im Allgemeinen<br />
prägen den im vergangenen Herbst<br />
ins Leben gerufenenen Bachelor-Studiengang<br />
„Assitive Technologien“ des Instituts.<br />
Der Schwerpunkt liegt in<br />
der Ausbildung von Inge-<br />
nieuren, die unterstützende<br />
Technologien für ältere<br />
und behinderte Menschen entwickeln und<br />
ihnen damit ein eigenständig geführtes Leben<br />
ermöglichen – etwa durch ausgeklügelte<br />
Hilfsmittel, die bei der Steuerung des Haushaltes<br />
helfen oder die Kommunikation mit<br />
Pflegediensten erleichtern. Und dabei kann<br />
beispielsweise verfeinerten, einfach zu bedienenden<br />
Rufanlagen in Seniorenwohnungen<br />
eine entscheidende Rolle zukommen.<br />
„Auch dieser Studiengang dürfte dazu beitragen,<br />
den überregionalen Ruf der Jade<br />
Hochschule zu verstärken und noch mehr<br />
Schulabgänger für ein Studium bei uns zu<br />
interessieren“, ist Dr. Elmar Schreiber, Präsident<br />
der in Oldenburg, Wilhelmshaven<br />
und Elsfleth angesiedelten Fachhochschule,<br />
überzeugt. Ein Aspekt von weitreichen-<br />
der Bedeutung. Denn einerseits hat sich es<br />
unter Wirtschaftsförderern längst herumgesprochen,<br />
wie wichtig das gute Image einer<br />
Studieneinrichtung für die Ansiedlung<br />
neuer Unternehmen ist. Andererseits müssen<br />
in Zeiten des demographischen Wandels<br />
auch die Hochschulen selbst darauf bedacht<br />
sein, auf potentielle Studierende besonders<br />
attraktiv zu wirken. „Und dazu tragen kleine,<br />
feine Studiengänge wie jene des Instituts<br />
für Hörtechnik und Audiologie ebenso bei<br />
wie die Angebote unserer ‚Flaggschiffe’ wie<br />
etwa der Ingenieurwissenschaften.“<br />
Prof. Dr. Heiner Köster ist der Dekan dieses<br />
in Wilhelmshaven angesiedelten Fach-<br />
bereichs, dessen<br />
Tradition bis ins<br />
Jahr 1965 zurückreicht<br />
und der heute<br />
die Bereiche Maschinenbau, Elektrotechnik<br />
und Mechatronik umfasst. „Wir sind die<br />
klassischen Ingenieurs-Ausbilder“, erklärt er<br />
mit Blick auf die rund 100 Mitarbeiterinnen<br />
und Mitarbeiter des Fachbereichs, die sich<br />
über insgesamt 200 erfolgreiche Absolventen<br />
pro Studienjahr freuen können und einen<br />
intensiven Technologie-Transfer in die<br />
Wirtschaft in Gang gesetzt haben.<br />
Praxisverbund lautet das<br />
entsprechende Schlüsselwort<br />
Praxisverbund lautet das entsprechende<br />
Schlüsselwort, das ein bundesweit einzigartiges,<br />
von allen Beteiligten als „Glücksfall“<br />
eingestuftes Modell umschreibt. Das<br />
sehen einerseits die Studierenden so, die<br />
2,2 Jahre ihrer insgesamt vierjährigen Verbundstudienzeit<br />
an der Jade Hochschule,<br />
die restlichen 1,8 Jahre aber im Betrieb
und damit in der Praxis verbringen. Das<br />
gelte andererseits aber auch für die beteiligten<br />
Unternehmen wie Airbus, Mercedes<br />
oder die Meyer-Werft, die – so Heiner Köster<br />
– „genau wissen, dass wir für sie genau<br />
jene hoch motivierten Nachwuchskräfte<br />
ausbilden, die sie dringend benötigen.“<br />
Herzstück des Modells ist der jeweilige<br />
Ausbildungsvertrag, den die Firma zuvor<br />
mit einem als talentiert und qualifiziert<br />
eingestuften Abiturienten abgeschlossen<br />
hat, der sich anschließend durchaus<br />
so fühlen kann als habe er das große Los<br />
gezogen. Denn die Ingenieure in spe erhalten<br />
während ihres Studiums eine Ausbildungsvergütung<br />
und zudem die Gewissheit,<br />
nach erfolgreichem Abschluss einen<br />
Studienort Wilhelmshaven der Jade Hochschule<br />
interessanten Job im Betrieb antreten zu<br />
können. <strong>Die</strong> Jade Hochschule wiederum<br />
begleitet das Verfahren und knüpft im Einzelfall<br />
die Verbindungen zwischen den Unternehmen<br />
und den 35 Studierenden, die<br />
pro Jahr die Vorteile des Praxisverbundes<br />
nutzen können.<br />
Heiner Köster, vor seiner Lehrtätigkeit<br />
sechs Jahre beim Flugzeugbauer Airbus,<br />
hat gemeinsam mit Kollegen des Fachbereichs<br />
dazu beigetragen, das Modell aufzubauen<br />
und der Jade Hochschule damit<br />
ein „echtes Pfund zu liefern, das wir heute<br />
im Vergleich mit anderen Studienorten<br />
in die Waagschale werfen können.“ Zudem<br />
werde das Netzwerk mit jedem Absolventen<br />
immer größer, weshalb sich die Kunde<br />
WISSENSCHAFT Jade Hochschule 51<br />
vom erfolgreichen Wilhelmshavener Verbundmodell<br />
(Köster: „<strong>Die</strong> Abbrecherquote<br />
liegt pro Semester unter zehn Prozent –<br />
das sucht seinesgleichen“) immer weitere<br />
Verbreitung findet. Und zwar bis nach China<br />
oder ins Baltikum.<br />
Doch der Fachbereich Ingenieurwissenschaften,<br />
dem weltweit acht Partnerhochschulen<br />
verbunden sind, hat noch viel<br />
mehr zu bieten. Zum Beispiel den neuen<br />
Studiengang für Meerestechnik, der zum 1.<br />
September gemeinsam mit der Universität<br />
Oldenburg etabliert und zunächst 30 Studienplätze<br />
bieten wird. Den Auslöser dafür<br />
lieferte eine hochschulinterne Analyse, deren<br />
Auswertung eine Lücke im Studienangebot<br />
europäischer Hochschulen hinsichtlich<br />
der Ausbildung von Messtechnikern<br />
und Meeresmechatronikern schließen soll.<br />
„<strong>Die</strong>se Ingenieure können später an Bord<br />
eines Schiffes oder auf einer Offshore-<br />
Windanlage arbeiten, aber auch zum Beispiel<br />
Förderanlagen konstruieren und betreuen“,<br />
sagt Heiner Köster.<br />
„Erneut ein Studiengang, der zu uns und<br />
zur Region passt“, urteilt Präsident Schreiber<br />
und verweist darauf, dass man hier<br />
wie in allen anderen Bereichen die enge<br />
Zusammenarbeit mit den Unternehmen<br />
im Nordwesten suchen wird. „<strong>Die</strong> Jade<br />
Hochschule sieht sich schließlich auch als<br />
<strong>Die</strong>nstleister für die regionale Wirtschaft<br />
und ist bestrebt, ihr Studienangebot an<br />
den Anforderungen der Praxis auszurichten.<br />
Genau hier liegt eine unserer großen<br />
Stärken.“
52 WIRTSCHAFT Bremen auf der EXPO<br />
EINE VISION,<br />
VIELE PARTNER<br />
Dänemark hat seine Kleine Meerjungfrau<br />
für die EXPO nach Shanghai geflogen;<br />
die Spanier stellten einen<br />
acht Meter hohen Roboter auf, der wie ein<br />
Baby aussieht. Im italienischen Pavillon –<br />
wo sonst? – ist ein Pumps im XXXXL-Format<br />
die große Attraktion. Und Bremen?<br />
<strong>Die</strong> Freie Hansestadt setzt an ihrem Stand<br />
in der „Urban Best Practice Area“ (UBPA)<br />
in Halle B2 voll auf ihre Stadtmusikanten.<br />
Okay, das UNESCO-Welterbe Rathaus und<br />
<strong>Roland</strong> ist auch vertreten. Und natürlich<br />
Werders Fußballer. Doch das tierische<br />
Quartett, visuell umgesetzt durch eine<br />
Medienskulptur von Studenten der Bremer<br />
Hochschule für Künste, stiehlt ihnen<br />
und allen anderen Blickfängen die Schau.<br />
Soll es auch, sagt Staatsrat Dr. Heiner Heseler,<br />
im Senat verantwortlich für den Bremer<br />
EXPO-Auftritt: „<strong>Die</strong> Stadtmusikanten<br />
sind in der ganzen Welt bekannt und können<br />
deshalb als Synonym für Bremen eingestuft<br />
werden. Besonders in China hat<br />
nahezu jedes Kind die Geschichte der Gebrüder<br />
Grimm schon einmal gehört. Also<br />
wären wir schlecht beraten, wenn wir bei<br />
der Weltausstellung in Shanghai nicht auf<br />
die Attraktivität des Märchens von den vier<br />
Stadtmusikanten setzen würden.“<br />
Nahezu märchenhaft wirkt es ohnehin,<br />
dass das kleine Bremen neben 242 Nationen<br />
und internationalen Organisationen auf<br />
der EXPO vertreten ist und sich damit den<br />
70 Millionen Besuchern präsentieren kann,<br />
Wie die Stadtmusikanten zu Leitfiguren des<br />
Bremer EXPO-Auftritts in Shanghai wurden<br />
Text: Peter Schulz<br />
die bis zum 31. Oktober erwartet werden.<br />
Schließlich waren die prestigeträchtigen<br />
Plätze auf dem EXPO-Gelände heiß begehrt,<br />
weshalb die Gastgeber im Vorfeld einen internationalen<br />
Wettbewerb ausschrieben,<br />
den sie mit der Erwartung konkreter Vorschläge<br />
für eine Teilnahme verknüpften.<br />
Bremens Weg zur EXPO ebnete eine Delegationsreise,<br />
die Bürgermeister Jens<br />
Böhrnsen im Juni 2006 nach Shanghai unternahm.<br />
Dabei wurden die Besucher von<br />
der Weser auch vom Shanghaier Vizebürgermeister<br />
empfangen, der sie mit herzlichen<br />
Worten dazu einlud, eine Bewerbung<br />
abzugeben. Einen heißen Tipp dafür gab<br />
der Chinese den Bremern mit auf den Weg:<br />
Stellt die Themen Car-Sharing und nachhaltige<br />
Mobilität in den Mittelpunkt eures<br />
Standkonzepts! Denn auf diesem Gebiet<br />
besteht bei uns großes Interesse an Informationen<br />
aus erster Hand.<br />
Genau die kann Bremen bieten, ist die<br />
Stadt doch in Sachen Car-Sharing konzeptionell<br />
wie hinsichtlich des Umsetzungsgrades<br />
in der EU führend. Parallel<br />
dazu wurde der Gedanke entwickelt, den<br />
Nordwesten Deutschlands als innovativen<br />
Wirtschafts- und Wissenschaftsstandort<br />
zu präsentieren. So entstand nach und<br />
nach eine Gemeinschaftsaktion von Hochschulen<br />
in Bremen, Bremerhaven und Oldenburg<br />
unter Einbeziehung bedeutender<br />
Unternehmen der Region Nordwest. Alle<br />
Partner teilen eine gemeinsame Vision,
weshalb es nahe lag, dem Stand ein Motto<br />
zu geben: „Sharing A Vision“.<br />
Und genau hier treten wieder die Stadtmusikanten<br />
auf den Plan. Denn auch sie hatten<br />
eine Vision, die sie miteinander teilten:<br />
Eine sichere Zukunft, ein besseres Leben.<br />
In Shanghai führen sie die Besucher als Erzähler<br />
und Hauptdarsteller durch den Bremen-Stand<br />
und liefern zudem auf der UBPA-<br />
Plaza eine tägliche<br />
Akrobatik-Show ab,<br />
die voll und ganz<br />
dem Geschmack<br />
der überwiegend<br />
chinesischen EXPO-Besucher entspricht.<br />
Als Protagonisten dafür wurden Artisten<br />
der Dalian Acrobatic Group gewonnen, jener<br />
international geschätzten Artistenschule<br />
in Bremens chinesischer Partnerstadt Dalian,<br />
in der viele Mitglieder des chinesischen<br />
Staatszirkus’ ihr circensisches „Handwerk“<br />
gelernt haben.<br />
Sie studierten eine – so Klaus Sondergeld,<br />
Geschäftsführer der Wirtschaftsförderung<br />
Bremen <strong>GmbH</strong> und Projektleiter des Bremer<br />
EXPO-Auftritts – „sehr chinesisch geprägte<br />
Version“ des Grimm’schen Märchens ein<br />
und reicherten die Geschichte mit ironisch<br />
gefärbten Texten zum Thema Harmonisierung<br />
an, das im mit eiserner Hand regierten<br />
China von den Machthabern ganz in ihrem<br />
Sinne interpretiert wird. <strong>Die</strong> Reise der Stadtmusikanten<br />
nach Bremen wird durch Tanz,<br />
Schlager, Slapstick und artistische Glanz-<br />
stücke der Parterre-Akrobatik und Jonglage<br />
ergänzt, wobei die insgesamt sieben Mitwirkenden<br />
besonders mit ihren HipHop-Nummern<br />
und Michael Jacksons „Moonwalk“<br />
brillieren.<br />
„Riesigen Beifall gibt es“, so erzählt Klaus<br />
Sondergeld, „wenn die Darsteller von Esel,<br />
Hund, Katze und Hahn eine Pyramide bilden<br />
und somit das klassische Stadtmusi-<br />
<strong>Die</strong> Stadtmusikanten sind in der ganzen Welt<br />
bekannt und können deshalb als Synonym für<br />
Bremen eingestuft werden.<br />
kantenbild präsentieren.“ Schlusspunkt<br />
der Show: Das Quartett besiegt die beiden<br />
Räuber und trifft das EXPO-Maskottchen<br />
Haibao, um mit ihm gemeinsam im Transrapid<br />
nach Shanghai zu düsen.<br />
Ein vielleicht kitschig wirkendes, aber<br />
gleichwohl augenfälliges Bild, das geschickt<br />
an das Bremer EXPO-Leitmotiv<br />
„Sharing a Vision“ anknüpft. „<strong>Die</strong>se Symbolik<br />
greifen wir rein inhaltlich gesehen<br />
auf dem Bremen-Stand mit den Schwerpunkten<br />
Elektromobilität und erneuerbare<br />
Energien auf“, urteilt Klaus Sondergeld.<br />
„Sharing a Vision“ – das bedeutet nachhaltige<br />
Stadtentwicklung, aber auch Offshore-Windenergie,<br />
Car-Sharing, Energieeffizienz<br />
und intelligente Netze. Eine<br />
Bandbreite, die sich dem EXPO-Motto<br />
„Better City, Better Life“ anpasst.<br />
WIRTSCHAFT Bremen auf der EXPO 53<br />
Visuell soll dies anhand augenfälliger Beispiele<br />
für den nachhaltigen Umgang mit<br />
Energie deutlich werden. So präsentiert der<br />
Oldenburger Energiekonzern EWE das gemeinsam<br />
mit dem Karosseriebauer Karmann<br />
entwickelte Elektro-Auto „E3”. Ein<br />
Fahrzeug, das nachts Ökostrom „tankt” und<br />
bei Bedarf tagsüber wieder ins Netz abgeben<br />
kann. Ein Beispiel für nachhaltige urbane<br />
Mobilität zeigt das Modell „cambio” auf:<br />
Autos gemeinsam nutzen – in Bremen funktioniert<br />
das schon seit Jahren mit großem<br />
Erfolg in der Praxis. Weitere Exponate steuerten<br />
unter anderem die Bremer Spezialreederei<br />
„Beluga Shipping” sowie die Bremer<br />
Unternehmen Kaefer Isoliertechnik, BEGO<br />
und GT BiomeScilt bei. Weitere Standpartner<br />
sind die Universität Bremen mit dem<br />
Forschungsverbund Marum, die Universität<br />
Oldenburg, die Hochschule Bremen, die<br />
Hochschule Bremerhaven, die Hochschule<br />
für Künste Bremen, die Jacobs University<br />
Bremen und das Alfred-Wegener-Institut für<br />
Polar- und Meeresforschung.<br />
Ebenso zielgerichtet wie die Konzeption<br />
ist auch die Struktur des Bremer Expo-Projektes:<br />
<strong>Die</strong> Federführung liegt beim Senator<br />
für Wirtschaft und Häfen, der die Wirtschafsförderung<br />
Bremen <strong>GmbH</strong> (WFB) mit<br />
der Realisierung des Standes beauftragt<br />
hat. Um dessen Design und Gestaltung<br />
kümmerten sich Professor <strong>Roland</strong> Lambrette<br />
von der Bremer Hochschule für Künste<br />
und das Frankfurter Atelier Markgraph.<br />
Akteur und Ansprechpartner vor Ort ist<br />
das Bremen Liaison Office Shanghai.
54 ARCHITEKTUR Röhlig<br />
Ortstermin im „Haus am Fluss“. Als wir<br />
das Bürogebäude mit dem Grundriss<br />
eines Schmetterlings betreten, beeindruckt<br />
uns zuallererst die Aussicht. <strong>Die</strong><br />
neue Zentrale der Firma Röhlig liegt an der<br />
Weser. Schöner arbeiten, das wird schnell<br />
klar, ist kaum möglich. Am liebsten würden<br />
wir uns in einen der leuchtend orangenen<br />
Filzsessel setzen und beobachten, wie<br />
der Wind die Weser aufwühlt. Doch Kommunikationschefin<br />
Andrea Struss drängt.<br />
Es gibt viel zu sehen.<br />
Der Neubau wirkt klar, modern, solide – Eigenschaften,<br />
die dem Traditionsunternehmen<br />
wichtig sind. Mitte des 19. Jahrhundert<br />
wurde Röhlig in Bremen gegründet. Heute<br />
zählt die Firma mit einem Umsatz von mehr<br />
als 500 Millionen Euro im Jahr zu den größten<br />
Speditionsunternehmen bundesweit.<br />
Kerngeschäft sind Seefracht, Luftfracht und<br />
Projektlogistik. In 29 Ländern ist Röhlig vertreten,<br />
darunter Südkorea, Taiwan, Südafrika,<br />
die USA und die Vereinigten Emirate.<br />
1850 Menschen arbeiten für das Familienunternehmen,<br />
120 davon in Bremen.<br />
In dem Neubau Am Weser-Terminal 8 sitzen<br />
sie erstmals unter einem Dach. Es ist<br />
Platz für Büros, Seminar- und Konferenzräume,<br />
sogar für Gastbüros: Heute arbeitet<br />
dort der Managing Director aus Hong Kong.<br />
Hinter seinem Schreibtisch zeigen Uhren<br />
die Weltzeit an.<br />
<strong>Die</strong> Firma Röhlig setzt im neuen Domizil in der<br />
Überseestadt auf Transparenz und Design<br />
Text: Sabine Komm<br />
KONZERNZENTRALE<br />
MIT WEITBLICK<br />
Vor drei Jahren hatte Firmenchef Thomas<br />
W. Herwig zusammen mit dem Architekten<br />
Bernd Müller der Gruppe GME den entscheidenden<br />
Spaziergang durch die Unkrautbrache<br />
am Eingang der Überseestadt<br />
gemacht. Damals wurde viel diskutiert<br />
über diesen Ort, an dem früher der Weserbahnhof<br />
stand und den die Immobilienfirma<br />
Siedentopf inzwischen im großen<br />
Stil bebaut hat. Herwig hatte genug Fantasie,<br />
sich hier seinen neuen Firmensitz vorzustellen.<br />
Als Unternehmer ist er gewohnt,<br />
mutige Entscheidungen zu treffen. Und die<br />
Firma Siedentopf, der das „Haus am Fluss“<br />
gehört, ließ ihm freie Hand bei der Planung<br />
maßgeschneiderter Büros.<br />
<strong>Die</strong> Gruppe GME wurde engagiert, die in<br />
Bremen Projekte wie das Bürohaus Seekamp/HMMH<br />
und das Restaurant Madame<br />
Hô realisiert hat. <strong>Die</strong> Herausforde-<br />
rung beim „Haus am Fluss“ war die Lage.<br />
Am Ufer der Weser ist der Baugrund weich.<br />
Das fünfstöckige Bürohaus steht auf mehr<br />
als 80 massiven Betonpfeilern. Damit möglichst<br />
viele Büros Weserblick haben, ist der<br />
Grundriss V-förmig. Doch reizvoll ist die<br />
Aussicht überall, auch dort, wo man auf<br />
die Innenstadt, die alte Rösterei und die<br />
Speicher am Europahafen sieht.<br />
„Unsere Architektur ist sehr transparent,<br />
aber auch hanseatisch gediegen“, sagt Architekt<br />
Axel <strong>Die</strong>derichs. Kalkstein aus Süddeutschland<br />
gibt den Fassaden eine klare<br />
Struktur. Das sei eben etwas ganz anderes<br />
als der Weser Tower nebenan, dieser Superlativ<br />
aus Glas und Stahl des Chicagoer<br />
Architekten Helmut Jahn.<br />
Auch im Innenraum haben die Planer auf<br />
edle Werkstoffe gesetzt. Am Empfang amerikanisches<br />
Nussbaumholz, in den Fluren
dunkler Granit, gelasert und schwarz verfugt.<br />
Schließlich ist Röhlig einer der größten<br />
Granitspediteure Europas. In einem<br />
der Flure steht eine futuristische Bar, darauf<br />
das Modell einer alten Lufthansa-Maschine.<br />
„Hier findet der Monday-Morning-<br />
Coffee unserer vier Geschäftsführer statt“,<br />
sagt Andrea Struss.<br />
Glaswände ermöglichen Transparenz. Im<br />
Vergleich zu den alten Räumen Am Brill sei<br />
hier alles viel heller und freundlicher, sagen<br />
die Kollegen. Einiges haben sie von drüben<br />
mitgenommen. Das Ölbild des Firmengründers<br />
natürlich, das Modell eines Frachters<br />
der Hansa-Linie, eine Schiffsglocke –<br />
ein bisschen Nostalgie im neuen Ambiente,<br />
das noch puristischer ist als bisher. „Es sollte<br />
nicht<br />
motzig<br />
sein,<br />
auf keinen<br />
Fall überkandidelt“, sagt Horst Dirking<br />
vom Einrichtungshaus Popo. <strong>Die</strong> Inneneinrichtung<br />
sei im besten Sinne hanseatisch –<br />
ein Lieblingswort der Firma Röhlig.<br />
Wir passieren die Konferenzräume „Rotterdam“,<br />
„Johannesburg“ und „Chicago“<br />
und kommen in „Kopenhagen“ an. Auch<br />
hier stehen Designklassiker. <strong>Die</strong> lichtgrauen<br />
Regale des Möbelbausystems USM Hal-<br />
ler zum Beispiel, dazu Bürostühle von<br />
Charles Eames. Wie überall im Haus absorbiert<br />
ein Deckensegel den Schall. Für<br />
das perfekte Raumklima sorgt das innovative<br />
Prinzip der Betonkernaktivierung.<br />
In den Zimmerdecken ist ein Rohrsystem<br />
eingelassen, in dem Wasser zirkuliert, das<br />
die Räume erwärmt oder kühlt. „Jeder, der<br />
schon mal im Sommer einen Kirchenraum<br />
betreten hat, weiß, was Strahlungskühle<br />
ist“, sagt <strong>Die</strong>derichs. „Wir arbeiten mit dieser<br />
angenehmen Kühle.“<br />
In der Speditionsabteilung zwei Etagen tiefer,<br />
wo Im- und Export den Takt angeben,<br />
überraschen zwei Flüstercouchen vom Typ<br />
„Alcove“. Ihre Rücklehnen sind so hoch,<br />
dass man mitten im Großraumbüro unter<br />
sich sein kann: ein<br />
„Unsere Architektur ist sehr transparent,<br />
aber auch hanseatisch gediegen“<br />
Raum im Raum.<br />
Das neue Design<br />
bedeutet Lebensqualität,<br />
ein wichtiges Argument für die<br />
Firmenchefs. Personal ist Kapital. Wer sich<br />
wohlfühlt, arbeitet besser.<br />
Dazu passt die Philosophie des richtigen<br />
Lichts. Jeder Mitarbeiter kann seine Stehleuchte<br />
individuell programmieren. Bewegungsmelder<br />
sorgen dafür, dass das Licht<br />
erlischt, wenn die Kollegen ihr Büro verlassen<br />
und hinunter in das ebenfalls von<br />
ARCHITEKTUR Röhlig 55<br />
GME Design gestaltete Firmenbistro gehen.<br />
Auch dort spielt Licht eine zentrale<br />
Rolle. Über dem Nussbaumtisch der Geschäftsführer<br />
sind die Designerleuchten<br />
„Skygarden“ installiert, schwarz glänzende<br />
Halbkugeln, die innen mit einem Gartenblumen-Relief<br />
aus Gipsstuck überraschen.<br />
Nebenan hängen Designlampen<br />
mit Scheinwerferoptik.<br />
Und wenn am Ende des Arbeitstages drinnen<br />
die Lichter ausgehen, beginnt draußen<br />
das „Haus am Fluss“ zu leuchten. 38 Strahler<br />
an der Dachkante führen das Licht wie<br />
eine Krone von oben nach unten und betonen<br />
so die Pfeilerstruktur der Fassade. „Ein<br />
absoluter Hingucker, wenn man auf der B<br />
75 fährt“, sagt man in der Firma Lichtwerke<br />
Bremen, die das Konzept entwickelt hat.<br />
Zum Schluss schlägt Andrea Struss den<br />
Geschäftsbericht auf und weist darauf<br />
hin, dass parallel zur neuen Architektur<br />
auch Logo und Corporate Design der Firma<br />
komplett überarbeitet worden sind. Ein<br />
Hochglanzfoto in dem Bericht zeigt einen<br />
Schwarm von Zugvögeln, Sinnbild für die<br />
Dynamik des auf allen Kontinenten operierenden<br />
Unternehmens. Dynamisch, engagiert,<br />
weltoffen – diese Eigenschaften<br />
spiegelt auch das „Haus am Fluss“: eine<br />
Firmenzentrale mit Weitblick.
56 LITERATUR Das Labyrinth der Wörter<br />
LITERATUR Text:<br />
Inge Zenker-Baltes<br />
Wege aus der Einsamkeit<br />
Marie-Sabine Roger erzählt von der Magie<br />
des Lesens<br />
Eine aufregende literarische Entdeckung<br />
für das deutsche Publikum ist die 1957 in<br />
Bordeaux geborene Französin Marie-Sabine<br />
Roger. Mit ihrem Roman „Das Labyrinth<br />
der Wörter“ eroberte sie im Februar<br />
auch den hiesigen Markt. In Frankreich erhielt<br />
die schon seit Jahren mit 17 Romanen<br />
und zahlreichen illustrierten Büchern sehr<br />
bekannte und preisgekrönte Schriftstellerin<br />
dafür den renommierten Prix Inter,<br />
bereits im Juni wird das Buch mit Gérard<br />
Dépardieu in der Hauptrolle verfilmt – eine<br />
Traumbesetzung, denn dieser wandlungsfähige<br />
Schauspieler eignet sich hervorragend<br />
für die Rolle des hünenhaften, geistig<br />
etwas schwerfälligen und doch hochsensiblen<br />
Germain.<br />
Als der 45-jährige Protagonist und Ich-Erzähler<br />
im Park eine zarte alte Dame kennen<br />
lernt, spürt er zum erstenmal in seinem<br />
bislang traurigen und einsamen<br />
Leben zärtliche Gefühle für einen anderen<br />
Menschen. Germain lebt im Wohnwagen<br />
im Garten seiner lieblosen Mutter. Da er<br />
keinen Schulabschluss hat, ernährt er sich<br />
von Gelegenheitsjobs, hin und wieder hat<br />
er belanglosen Sex mit einer Freundin.<br />
<strong>Die</strong> gebildete und äußerst belesene<br />
Margueritte, die nicht von ungefähr in ihrer<br />
bescheidenen Freundlichkeit an die<br />
gleichnamige Blume erinnert, ist wie Germain<br />
fasziniert von Tauben. <strong>Die</strong> beiden<br />
freunden sich behutsam an, und die kultivierte<br />
Dame versucht, Germain für ihre<br />
Welt, die der Bücher, zu begeistern. Da entdeckt<br />
sie, dass er kaum lesen kann. Und<br />
auch sie selbst hütet ein Geheimnis, das<br />
wiederum von Germain aufgedeckt wird.<br />
<strong>Die</strong> französische Erfolgsautorin und frühere<br />
Grundschullehrerin Marie-Sabine Roger<br />
sieht nicht nur die Sonnenseiten des Lebens,<br />
für die Schilderung seines bisherigen<br />
Daseins legt sie ihrem Helden harte und<br />
bittere Worte in den Mund. Erst nach und<br />
nach kriecht der früher von Lehrern und<br />
selbst seiner Mutter verachtete und gequälte<br />
Mann aus seinem Schneckenhaus,<br />
entdeckt in der Hinwendung zu Margueritte<br />
und der Leidenschaft für Bücher eine
58 SERIE <strong>Die</strong> neue Kunsthalle Bremen<br />
FASZINATION<br />
DER SYMMETRIE<br />
Standort Wallanlagen, die Weser im<br />
Rücken: Sie wachsen empor, die beiden<br />
Anbauten der Kunsthalle Bremen.<br />
Und sie nehmen Konturen an. Bald<br />
wird der westliche Baukörper durch die<br />
großzügige Verglasung unten und oben<br />
sehr leicht wirken, sagt Dr. Andreas Kreul,<br />
Kustos des Museums und derzeit Baustellenbeauftragter.<br />
<strong>Die</strong> geschlossenen Wände<br />
des mittleren Bereiches aber seien notwendig,<br />
weil dort die Kunstwerke hängen<br />
würden, die kein Tages- und schon gar<br />
kein Sonnenlicht vertragen. Früher hät-<br />
ten Museen durchaus geöffnete<br />
Fassaden gehabt. Aber „heute<br />
weiß man, dass Fenster aus<br />
konservatorischen Gründen völlig unpraktisch<br />
sind und natürlich auch für die<br />
Hängungen.“ Zudem würden die Gesimse<br />
der Altbaufassade auf den neuen Flügeln<br />
fortgesetzt mit Schriftbändern.<br />
Eine Baustellenbesichtigung – natürlich<br />
mit obligatorischem Helm auf dem Kopf –<br />
ist ein spannendes Erlebnis. Im neuen Untergeschoß<br />
rechts neben der Kunsthalle<br />
zu stehen, zu Füßen der großen alten Blutbuche,<br />
und sich, umgeben von kahlen Betonwänden,<br />
Stahlträgern und Kabeln die<br />
Zukunft dieser Räumlichkeiten vorzustel-<br />
len: Hartwig Dingfelder, Leiter der museumspädagogischen<br />
Abteilung, die jetzt<br />
‚Bildung und Vermittlung‘ heißt, fällt das<br />
leicht. Hier, wo gerade noch grüne Wiese<br />
war, entstünden seine neuen Arbeitsräume<br />
mit „wunderbaren Lichtverhältnissen.“<br />
Der Umzug aus den Räumen im Untergeschoss<br />
des Altbaus an der gegenüberliegenden<br />
Ostseite, mit kleinen Fenstern und<br />
wenig Tageslicht, sei „eine hervorragende<br />
Weiterentwicklung dessen, was wir bisher<br />
hatten. Wir waren ganz ordentlich ausge-<br />
Symmetrie als Grundprinzip des Klassizismus, der<br />
Zeit, in der die alte Kunsthalle entstanden ist.<br />
stattet, jetzt werden wir gut ausgestattet<br />
sein.“ Der Stellenwert der Museumspädagogik<br />
sei schon seit vielen Jahren groß gewesen,<br />
dem werde nun architektonisch<br />
Rechnung getragen. „Wir führten das<br />
für museumspädagogische Angebote der<br />
1970/80er Jahre typische Kellerdasein. Und<br />
den Keller verlassen wir nun.“<br />
Im Moment gibt es – ganz wie beim Pizza-Service<br />
– „Außer Haus“-Angebote für<br />
die verschiedensten Zielgruppen: Schulen,<br />
Kindertagesstätten und Begegnungsstätten<br />
in den Stadtteilen. Zusätzlich finden<br />
Copyright: Kunsthalle Bremen - Der Kunstverein in Bremen<br />
Foto: Harald Rehling<br />
Veranstaltungen in anderen Institutionen<br />
statt und auch in den Museen, in denen die<br />
„Noblen Gäste“ gezeigt werden, die Leihgaben<br />
aus der Kunsthalle. Und natürlich<br />
laufen auch die Planungen zur Wiedereröffnung<br />
und zur ersten großen Sonderausstellung<br />
auf Hochtouren.<br />
Im Untergeschoss des Kubus rechts vom<br />
Altbau werden also bald die Museumspädagogen<br />
wirken und den vor ihren Räumen<br />
liegenden Flur auch zu eigenen Ausstellungen<br />
nutzen können. Er ist gleichzeitig Ein-<br />
gangsbereich zum neuen<br />
Vortragssaal, der<br />
bald hinter den zu Türen<br />
geöffneten früheren<br />
Fenstern im historischen Bau eingerichtet<br />
wird. Dahinter sind in der Mitte des<br />
alten Gebäudes schon die Räumlichkeiten<br />
des neuen Cafés zu erkennen, durch<br />
das gerade ein Baustellenfahrzeug kurvt.<br />
„Groß und repräsentativ“ werde es sein,<br />
schwärmt Andreas Kreul, und sich mit drei<br />
Türen aus der alten Fassade heraus öffnen<br />
auf eine Sommerterrasse zu Füßen der Altmannshöhe<br />
in den Wallanlagen.<br />
<strong>Die</strong> Logik des Umbaus der Kunsthalle mit<br />
der Erweiterung um zwei seitliche Flügelbauten,<br />
die Direktor Herzogenrath gern
60 SPARKASSE KULTUR SCHAFFEND<br />
ZWISCHEN<br />
„DAMALS“ UND „JETZT“<br />
Der erste zweistellige Geburtstag! Das<br />
bleibt ein einschneidendes Erlebnis<br />
in jedem jungen Leben. Kein Wunder:<br />
Nur die Wenigsten schaffen den nächsten<br />
Sprung zum dreistelligen Wiegenfest.<br />
Das gilt auch für Veranstaltungsreihen.<br />
Also darf jubiliert und gratuliert werden:<br />
<strong>Die</strong> Ausstellungsserie „Junge Kunst Bremen“<br />
der Sparkasse Bremen feiert ihr<br />
Zehnjähriges!<br />
Es ist für sie ein Schritt auf dem Weg zur<br />
offiziellen Volljährigkeit und ein Beleg ihrer<br />
Effizienz. <strong>Die</strong>s umso mehr, als die Reihe<br />
sich kokett jünger macht als sie ist. Beinahe<br />
20 Jahre hat sie tatsächlich auf dem<br />
Buckel – verbrachte ihre erste Zeit unter<br />
anderem Namen. Aber kleine Schummeleien<br />
beim Alter sind eben ein Vorrecht im<br />
Reich der Schönheit.<br />
Wenn in der Kundenhalle am Brill nun<br />
also zur Jubiläumsschau die Positionen<br />
Bremer oder in Bremen groß gewordener<br />
Künstler zu sehen sein werden, dann lässt<br />
dies die wichtigsten Stationen des engagierten<br />
Förderprogramms Revue passieren.<br />
Chika Aruga, Norbert Bauer, Frauke<br />
Beeck, Benjamin Beßlich, Stefan Bohnhoff,<br />
Ulrik Dannenberg, Susanne Dittler,<br />
Eva Matti, Christian Holtmann oder Katrin<br />
Schädlich sind nur einige der Namen, denen<br />
man aus der Liste der geförderten Talente<br />
wieder begegnen kann – ihnen und<br />
ihrer Entwicklung in der Kunst.<br />
Denn zwischen den Polen des „Damals“<br />
und des „Jetzt“ liegt der Reiz dieser Schau.<br />
Zu sehen sind Arbeiten aus den ursprünglichen<br />
Ausstellungen, die mit aktuellen Werken<br />
der Künstler kombiniert wurden. Somit<br />
liegt der Blick frei auf die Entwicklung<br />
einer Generation Bremer Bildender Künst-<br />
ler: „Zehn Jahre Junge Kunst Bremen und<br />
mehr“ heißt die Schau zu Recht, die vom<br />
25. August bis 17. September zu sehen ist.<br />
Es ist eben genau dieses „mehr“, das bei<br />
der Exposition am Brill von besonderem<br />
Interesse sein wird. Es soll auch mehr als<br />
nur eine Rückschau gehalten werden – dies<br />
ließe sich auch mit einer Jubiläumsschrift<br />
abhandeln. <strong>Die</strong> für die Reihe bei der Spar-<br />
kasse verantwortliche Elke Heussler möchte<br />
mit der Zäsur zum Zehnjährigen das Potenzial<br />
des Programms zeigen. „Wir haben<br />
viel erreicht mit der ‚Jungen Kunst Bremen’.<br />
Es gibt keinen Grund, nicht noch<br />
mehr zu wagen“, so Heussler.<br />
Neben der Ausstellung im eigenen Haus<br />
werden Kooperationen mit weiteren Kunstinstitutionen<br />
in Bremen den Radius während<br />
des Jubiläums erweitern. Mit den<br />
„Geburtstagsfeierlichkeiten“, die auch Vor-
Mehr als nur eine Rückschau: Zehn Jahre<br />
Ausstellungsreihe „Junge Kunst Bremen“<br />
Text: Stephan Cartier<br />
träge und Diskussionsrunden bieten, soll<br />
gezeigt werden, dass man sich nicht auf<br />
seinen Lorbeeren auszuruhen gedenkt.<br />
Das Programm, jungen Bremer Künstlern<br />
Ausstellungen mit Katalog auszurichten, begann<br />
dort, wohin es jetzt vorübergehend zurückkehrt:<br />
in der Unternehmenszentrale am<br />
Brill. Das war nun vor fast 20 Jahren. Seither<br />
betreut die Kunsthistorikerin Katerina Vat-<br />
sella die Kunstausstellungen der Sparkasse<br />
Bremen. Viele der Künstler, die damals<br />
in der Sparkasse ein Schaufenster für ihre<br />
Kunst erhielten, haben seitdem ihren Weg in<br />
der deutschen und teilweise auch internationalen<br />
Kunstszene gemacht: Nikola Blaskovic,<br />
Hermann Stuzmann, Edeltraut Rath,<br />
Veronika Dobers oder Frank Zucht und <strong>Die</strong>ter<br />
Begemann gehören hierzu.<br />
Leider hatten die sehr ambitionierten Ausstellungen<br />
nicht immer die Resonanz,<br />
die ihnen gebührt und die man ihnen gewünscht<br />
hätte. Kunst in der Kassenhalle –<br />
so der damalige Titel – das blieb angesichts<br />
der hier herrschenden Geschäftigkeit oftmals<br />
unbeachtet. Man vertraute der Projektidee<br />
aber zu sehr, als dass man sie fallen<br />
lassen wollte und änderte das Konzept.<br />
Statt in der Zentrale am Brill sollten die<br />
Kunstausstellungen nun in den drei großen<br />
Filialen der Sparkasse an der Bahn-<br />
hofstraße, der Schwachhauser Heerstraße<br />
und der Gerhard-Rohlfs-Straße gezeigt<br />
werden. <strong>Die</strong> Filialen erhielten Mitspracherecht<br />
bei der Auswahl der Künstler, die unter<br />
Beratung von Kuratorin Katerina Vatsella<br />
vorausgewählt werden. Das erhöhte<br />
die Identifikation und Akzeptanz bei den<br />
Mitarbeitern und die Professionalisierung<br />
in der Außenwirkung, meint Heussler.<br />
Andererseits kam man mit der Kunst in<br />
den Außenstellen näher an die Kunden he-<br />
SPARKASSE KULTUR SCHAFFEND 61<br />
ran, denen wiederum die junge Kunst aus<br />
Bremen näher gebracht werden soll. <strong>Die</strong>se<br />
Philosophie der doppelt kurzen Distanzen<br />
hat sich bezahlt gemacht – und das darf<br />
man in einem Geldinstitut als höchstes<br />
Lob verstehen. Für die Sparkasse Bremen<br />
ist das Projekt zugunsten junger Künstler<br />
der Stadt Teil ihrer umfassenden Förderung<br />
von Kunst und Kultur vor Ort. <strong>Die</strong><br />
Künstler – 20 waren es in den zehn Jahren<br />
– wiederum konnten ihre Interpretationen<br />
durch Ausstellung und einen Katalog dort<br />
zur Diskussion stellen, wo sie Publikum erreichen,<br />
das Galerien und Kunsthochschulen<br />
eher selten besucht. Eine Win-Win-Situation<br />
auf unabsehbare Zeit, so wie es<br />
Bänker lieben.<br />
Am Ende wird die „Junge Kunst Bremen“<br />
noch ihren dreistelligen Geburtstag erleben.
62 KUNST Ausstellungen<br />
KUNSTWERKE Text:<br />
<strong>Die</strong> Kraft der Linie<br />
Pablo Picasso (1881-1973) war vieles: Genie,<br />
Verführer, Maler. Und er war ein großer Grafiker.<br />
Das zeigt die Sonderausstellung „Picasso<br />
– <strong>Die</strong> Kraft der Linie“ im Horst-Janssen-Museum<br />
Oldenburg. Rund 100 Blätter<br />
hat Jutta Moster-Hoos, wissenschaftliche<br />
Leiterin des Hauses, dafür aus dem Bestand<br />
des Graphikmuseums Pablo Picasso Münster<br />
herausgepickt. Darunter Arbeiten aus der<br />
„Suite Vollard“, die zwischen 1930 und 1937<br />
entstanden ist. Zu entdecken sind Atelierszenen,<br />
allerlei Erotisches und immer wieder<br />
der Minotaurus. Das Mischwesen aus<br />
Mensch und Stier ist in Picassos Werk so etwas<br />
wie das Alter Ego des Künstlers, wuchtig,<br />
lebensbejahend, eroberungswütig.<br />
Mitte der 40er Jahre hat sich Picasso dann<br />
der Lithografie und ihren eher malerischen<br />
Möglichkeiten zugewandt. Aus der Sammlung<br />
Huizinga, ebenfalls in Münster verwahrt,<br />
sind Arbeiten dieser Zeit zu sehen,<br />
darunter große Frauenporträts. Mit dabei<br />
die „Jeune fille aux grands cheveux“ von<br />
1945, die genialisch einfach gezeichnete<br />
„Françoise“ sowie die „Femme au corsage à<br />
fleurs“ von 1958.<br />
Bis 29. August 2010. Horst-Janssen-Museum<br />
Oldenburg.<br />
Chronistin<br />
Sabine Komm<br />
Fotos von Herlinde Koelbl wurden bereits<br />
1997 in Oldenburg gezeigt, jetzt ist<br />
das Werk der großen Chronistin zurück in<br />
der Stadt. Im Oldenburger Schloss ist die<br />
Werkschau „Mein Blick“ zu sehen. Mehr<br />
als 350 Fotos sind darin zu Themenblöcken<br />
zusammengefasst, darunter die „Jüdischen<br />
Porträts“; Schwarz-Weiß-Bilder, die Erfahrungen<br />
von Überlebenden des Holocausts<br />
spürbar machen. Andere Serien sind in<br />
deutschen Wohnzimmern und Schlafzimmern<br />
entstanden und am Sterbebett.<br />
Faszinierend ist auch der Werkzyklus „Spuren<br />
der Macht – <strong>Die</strong> Verwandlung des Menschen<br />
durch das Amt“, Koelbls bislang<br />
größtes Projekt. Von 1991 bis 1998 hatte sie<br />
Jahr für Jahr 15 Persönlichkeiten aus Politik<br />
und Wirtschaft interviewt und fotografiert.<br />
<strong>Die</strong> Langzeitstudie zeigt die Veränderung<br />
von Prominenten wie Joschka Fischer, Gerhard<br />
Schröder und Angela Merkel.<br />
Typisch für Koelbl auch hierbei: Sie ist neugierig,<br />
aber nicht voyeuristisch. Ihre Leidenschaft<br />
gilt den Langezeitprojekten, bei<br />
denen sie den Menschen sehr nahe kommt<br />
– eine Voraussetzung für Fotos von großer<br />
Tiefe.<br />
Bis 13. Juni. Landesmuseum für Kunst<br />
und Kulturgeschichte Oldenburg.<br />
Märchenhaft morbide<br />
Junge Künstler zu fördern ist zentrales Ziel<br />
der Kunsthalle Wilhelmshaven. Der jüngste<br />
Coup, den das Team dort gelandet hat,<br />
ist gleichzeitig eine Deutschlandpremiere.<br />
Erstmals sind hier Arbeiten des Schweizers<br />
Léopold Rabus zu entdecken: zehn Großformate,<br />
zum Teil wandfüllend, gemalt im<br />
Stil der alten Meister. Doch ihre Ästhetik<br />
bewegt sich am Rande des Abgrunds.<br />
Was uns Rabus bietet, ist ein Schauspiel<br />
der anderen Art, tiefgründig und verstörend.<br />
So märchenhaft und morbide wirken<br />
seine Figuren, dass sie uns bis in die<br />
tiefsten Träume verfolgen. Menschen mit<br />
riesigen Köpfen und präzise gescheitelten<br />
Frisuren bevölkern Rabus’ Werk. Es sind<br />
versponnene Wesen, die schon mal an der<br />
Decke eines surreal möblierten Zimmers<br />
schweben, halbnackt unter Giftpilzen kauern<br />
oder wie Aussätzige in einer verwilderten<br />
Natur herumzuirren scheinen.<br />
Nach Holland und der Schweiz zeigt die<br />
Wanderausstellung jetzt in Wilhelmshaven,<br />
auf welch ungewöhnliche Weise sich<br />
der 33jährige mit existentiellen Themen<br />
wie Einsamkeit, Liebe und Tod auseinandersetzt.<br />
Von 13. Juni bis 5. September in der<br />
Kunsthalle Wilhelmshaven.
Rizzi Superstar<br />
James Rizzi – Superstar. Der Pop-Art-<br />
Künstler, der gern in einem Atemzug mit<br />
Andy Warhol und Keith Haring genannt<br />
wird, hat offenbar keine Berührungsängste<br />
mit Öffentlichkeit und Kommerz. Jetzt wird<br />
der New Yorker, 60 Jahre alt. Noch bevor es<br />
im Herbst so weit ist, feiert man ihn mit einer<br />
Mega-Schau.<br />
Aber warum ausgerechnet in Bremen? Und<br />
warum in einer Messehalle? Weil sich das<br />
angeboten habe, sagt der Künstler leichthin.<br />
Weil hier alles gepasst habe, ergänzt<br />
Kurator Bernhard Feil. Und so kommt es,<br />
dass das Team der Messe Bremen gemeinsam<br />
mit der Düsseldorfer Popular Art<br />
<strong>GmbH</strong> alles daran gesetzt hat, um mit einem<br />
satten Superlativ zu klotzen: Mehr als<br />
1.200 Werke. <strong>Die</strong> Veranstalter sprechen von<br />
der weltgrößten Retrospektive.<br />
Das die nicht ganz ohne Kommerz auskommt,<br />
versteht sich von selbst. Im Art<br />
Shop werden Grafiken, Zeichnungen und<br />
Gemälde angeboten. Schon lange sind die<br />
Werke des Stars ja in allen Variationen zu<br />
haben: Rizzi-Tassen, Rizzi-Schirme, Rizzi-<br />
Thermoskanne. Eine Vermarkungsstrategie,<br />
die ihm Kritiker ankreiden.<br />
Passend dazu kennt auch die Sonderausstellung<br />
„Rizzis Welt“ keine Grenzen. Klar,<br />
dass bei dem Großprojekt nicht nur Gemälde<br />
und Zeichnungen zu sehen sind. Es geht<br />
um die schrill-bunte Briefmarke, um Plattencover,<br />
Turnschuhe und 3D-Grafiken.<br />
Und um Großformatiges: ein VW Käfer im<br />
Rizzi-Look ist dabei, außerdem das Modell<br />
einer Boeing von Condor, der sogenannte<br />
Rizzi-Bird, und ein Originalstück der Berliner<br />
Mauer mit Friedens- und Liebessymbolen<br />
des Meisters.<br />
Und dann sind da noch die eigens für das<br />
Event produzierten „Bremer Stadtmusikanten“,<br />
die wieder mal deutlich machen, was<br />
den Künstler umtreibt: die Angst vor der<br />
Leere. Überall Blumen, Sterne, Herzen. Sogar<br />
innerhalb der Umrisslinien dieser „Bremen<br />
Town Musicians“ herrscht heiteres<br />
Treiben. Auf dem Leib des rosaroten Esels<br />
ist New Yorks Skyline auszumachen. Hinter<br />
den Tieren klappt Rizzi mit naiver Lust<br />
einen Blumenteppich hoch, der in einen<br />
knalligen Himmel mit Mond und Sternen<br />
übergeht. Kunterbunte Märchenwelt, die –<br />
Kommerz muss sein – im Internet für 340<br />
Euro angeboten wird.<br />
Rizzi gilt wegen seiner perfekt kultivierten<br />
Naivität als „Urban Primitive Artist“. Selbst<br />
eingefleischte Kritiker sind angesichts seiner<br />
Gute-Laune-Welt versucht zu lächeln.<br />
Bis 4. Juli 2010. Messe Bremen / Halle 6.<br />
www.rizzi-Bremen.de<br />
KUNST Ausstellungen 63<br />
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64 KINO Das Lied von den zwei Pferden<br />
KINOTIPPS<br />
Eine mongolische Odyssee<br />
„Das Lied von den zwei Pferden“ von<br />
Byambasuren Davaa<br />
Von der mongolischen Steppe und ihren<br />
nomadischen Hirtenvölkern hat es in den<br />
vergangenen Jahren schon einige Filme<br />
gegeben, denn sie zählen zu den wenigen<br />
noch halbwegs intakten Urlandschaften<br />
und traditionellen Kulturen. Den westlichtouristischen<br />
Blick können die Filmemacher<br />
aus Europa dabei trotz der besten Absichten<br />
nicht vermeiden, und so schwelgte<br />
auch ein Volker Schlöndorff in „Ulzhan“<br />
zu sehr in elegischen Stimmungsbildern.<br />
Ideal wären dagegen Heimatfilme aus dieser<br />
Region, und genau diese macht Byambasuren<br />
Davaa, die in der Mongolei geboren<br />
und aufgewachsen ist, dann aber<br />
in Deutschland das Filmemachen studierte.<br />
Ihr international gefeiertes Debüt<br />
war „<strong>Die</strong> Geschichte vom weinenden<br />
Kamel“, und dies ist nun schon der dritte<br />
Film, den sie nach der gleichen Methode<br />
in ihrem Mutterland inszeniert. Dabei<br />
werden die Grenzen zwischen Dokumentar-<br />
und Spielfilm verwischt, denn Davaa<br />
zeigt zwar, wie die Menschen in den<br />
archaischen Landschaften leben und ihre<br />
Kultur pflegen, aber ihre Protagonisten<br />
sind Darsteller und es gibt ein Drehbuch,<br />
Text: Wilfried Hippen<br />
in dem die Erzählstränge und Dialoge<br />
vorgegeben werden.<br />
So wird in „Das Lied von den zwei Pferden“<br />
die Geschichte der Sängerin Urna erzählt,<br />
die ihrer Großmutter an deren Sterbebett<br />
das Versprechen gab, das Familienheiligtum<br />
restaurieren zu lassen. <strong>Die</strong>s ist<br />
eine Pferdekopfgeige, die während der chinesischen<br />
Kulturrevolution zerstört wurde.<br />
Am Hals waren die Strophen des uralten<br />
Volkslieds „<strong>Die</strong> zwei Pferde von Dschingis<br />
Kahn“ eingraviert, doch Teile davon<br />
sind nicht mehr zu entziffern, und der Text<br />
scheint vergessen. Urna macht sich nun auf<br />
die Suche nach diesem Lied und reist dabei<br />
sowohl durch die schon sehr verstädterte<br />
innere Mongolei wie auch durch die noch<br />
viel ursprünglichere äußere Mongolei. Dabei<br />
trifft sie Hirten, Sänger und Schamanen,<br />
von denen sie hofft, dass sie das uralte<br />
Lied kennen und ihr vorsingen.<br />
<strong>Die</strong>se Dramaturgie von der Suche nach<br />
einem alten, verlorenen Schatz ist nicht<br />
umsonst seit Jasons goldenem Vlies und<br />
dem heiligen Gral von König Arthur nie<br />
aus der Mode gekommen, denn so lässt<br />
es sich spannend von einer Reise erzählen<br />
und ansonsten unzusammenhängende<br />
Abenteuer und Begegnungen sinnvoll<br />
aneinanderreihen. Davaa nutzt die-<br />
sen altgedienten Trick, um ein Panorama<br />
des Lebens der Menschen in der Mongolei<br />
von heute zu zeigen. Dabei zeigt sie aber<br />
eben nicht nur das noch unversehrte Alte,<br />
sondern auch die Müllberge und Plattenbauten<br />
der Hauptstadt Ulan Bator, wo die<br />
chinesische Regierung versucht, die traditionelle<br />
Kultur zu zerstören.<br />
Natürlich wird in einem Film, bei dem es<br />
um ein Lied geht, viel gesungen, und die<br />
Hauptdarstellerin ist die in der Mongolei<br />
berühmte Musikerin Urna Chahar-Tugchi.<br />
Wie wichtig dieser Film auch als das Dokument<br />
einer bedrohten Kultur ist, wird<br />
dadurch deutlich, dass wenige Tage nach<br />
den Dreharbeiten bei politischen Unruhen<br />
einige der wertvollsten Instrumente<br />
und Schriften, die im Film zu sehen sind,<br />
in einem Kulturzentrum zerstört wurden.<br />
So erzählt Davaa auch davon, wie schwer<br />
der Verlust auch nur eines einzigen Liedes<br />
wiegen kann.<br />
Kinostart: 3. Juni<br />
Schlechte Nachrichten<br />
vom Krieg<br />
„The Messenger“ von Oren Moverman<br />
Während in Deutschland die in Afghanistan<br />
gefallenen Soldaten noch so unge-
wohnt und selten sind, dass mit Schlagzeilen<br />
und direkten Reaktionen von Politikern<br />
auf sie reagiert wird, sind Todesfälle<br />
aus Kriegseinsätzen in den USA längst alltäglich.<br />
Dort werden Soldaten extra dazu<br />
abgestellt, den Familien der Opfer persönlich<br />
die Nachricht zu überbringen. Von<br />
zwei dieser Boten erzählt dieser Film, in<br />
dem die ganz persönlichen Verluste, die<br />
in den Familien durch den Einsatz im Irak<br />
entstehen, so eindrucksvoll wie selten vorher<br />
gezeigt werden. Und dies gerade, weil<br />
der Film ganz auf Bilder vom Krieg selber<br />
verzichtet, und die Kamera nur diese beiden<br />
Männer begleitet, die in den Vororten<br />
vom Amerika an den Türen klingeln und<br />
den Menschen dort ihre verheerende Botschaft<br />
überbringen.<br />
Eine harte, undankbare Arbeit, und so<br />
gibt der Veteran Captain Tony Stone dem<br />
Sergeanten Will Montgomery an dessen<br />
ersten Tag bei diesem Einsatz die Regeln<br />
mit auf den Weg, durch die sie auch nur<br />
halbwegs erträglich wird: „Berühre sie<br />
nicht! Umarme sie nicht! Zeige nicht dein<br />
Mitgefühl!“ <strong>Die</strong> Benachrichtigung ist wie<br />
ein sehr striktes Ritual mit festgelegten<br />
Wortwendungen und Gesten.<br />
Im Laufe des Films werden die beiden Boten<br />
sechsmal solch eine Nachricht über-<br />
bringen, und die Reaktionen sind eine Bestätigung<br />
von Tolstois berühmten Duktus,<br />
dass alle Menschen im Glück gleich<br />
und im Unglück verschieden sind. Der eine<br />
bricht weinend zusammen, der andere beginnt<br />
zu schreien, einer klammert sich an<br />
die Hoffnung, dass alles nur ein Irrtum ist<br />
und noch ein anderer bittet die beiden höflich<br />
ins Haus und tut so, als sei nichts passiert.<br />
<strong>Die</strong>se Szenen des Schmerzes und der<br />
Verzweiflung haben nichts voyeuristisches<br />
an sich, denn der israelitische Filmemacher<br />
Oren Moverman erzählt zusammen<br />
mit dem italienischen Drehbuchschreiber<br />
Alessandro Camon so empathisch und nuancenreich,<br />
dass der Film ganz ohne melodramatische<br />
Effekte auskommt und dennoch<br />
sehr berührend wirkt.<br />
Aber das Regiedebüt von Moverman ist<br />
auch so einfühlsam inszeniert, dass der<br />
Film der moralischen Komplexität des<br />
Dramas gerecht wird. Jeder Filmfigur wird<br />
genügend Raum gegeben, damit sie auf<br />
der Leinwand lebendig wird, und dies gilt<br />
nicht nur für die inspiriert spielenden Protagonisten<br />
Woody Harrelson und Ben Foster.<br />
Und so ist der Film trotz des grausamen<br />
Themas so vielschichtig, dass er<br />
auch Platz für überraschend komische Momente<br />
bietet.<br />
Kinostart: 3. Juni<br />
Demnächst im Kino:<br />
KINO The Messenger 65<br />
Manchmal ist der Titel schon ein sarkastischer<br />
Kommentar: „Versailles“ (Kinostart:<br />
27. Mai) erzählt keine aristokratische<br />
Geschichte, sondern von den wilden<br />
Nachbarn des Prachtschlosses nahe Paris.<br />
In den Wäldern lebt dort ein extremer<br />
Außenseiter in einer Holzhütte ohne Elektrizität,<br />
und ausgerechnet diesem modernen<br />
Einsiedler überlässt eine hilflose Mutter<br />
ihren kleinen Sohn. Der bei den Filmfestspielen<br />
in Cannes hoch gelobte Film<br />
von Pierre Schöller ist die Studie eines radikal<br />
alternativen Lebens, das durch die<br />
Menschlichkeit und Solidarität seiner Protagonisten<br />
überzeugt.<br />
„Forgetting Dad“ (3. Juni) wirkt über weite<br />
Strecken wie eine filmische Psychotherapie.<br />
Rick Minnich untersucht in dieser<br />
Dokumentation sein schwieriges Verhältnis<br />
zu seinem Vater, der nach einem Autounfall<br />
sein Gedächtnis verloren hat. Oder<br />
sollte er diese Amnesie nur vorgetäuscht<br />
haben, um sich von der ihm lästigen Familie<br />
zu trennen? Der Filmemacher scheint<br />
ihm dies durchaus zuzutrauen, und so<br />
wird der Film zu einer eigentümlichen<br />
Spurensuche, bei der man letztlich mehr<br />
über Minnich selber als über seinen Vater<br />
erfährt.<br />
Inzwischen gibt es ja schon das Subgenre<br />
der „Globalisierungsfilme“, in denen verschiedene<br />
Erzählstränge in möglichst weit<br />
entfernten Ländern sich gegenseitig beeinflussen<br />
und bedingen. „Mammoth“<br />
(10. Juni) von Lukas Moodyson ist ein typisches<br />
Beispiel für diesen Trend. Ein erfolgreiches<br />
Paar lässt seine Tochter in New<br />
York von dem philippinischen <strong>Die</strong>nstmädchen<br />
aufziehen, dieses hat Schwierigkeiten<br />
mit seiner Familie in Manilla, und<br />
der Amerikaner wird zudem noch in Thailand<br />
in die Probleme eines Barmädchens<br />
verwickelt. Leider wirkt dies genauso konstruiert<br />
wie es sich liest und die antiglobalistische<br />
Botschaft wird mit dramaturgischen<br />
Holzhämmern eingeschlagen.<br />
In dem Antikriegsfilm „Lebanon“ (15. Juli)<br />
des israelischen Regisseurs Samuel Maoz<br />
stranden vier Soldaten während des Feldzugs<br />
des Jahres 1982 in einem Panzer im<br />
feindlichen Libanon. Der in Venedig mit<br />
dem Golden Löwen ausgezeichnete Film<br />
wird wegen seiner klaustrophobischen<br />
Verengung auf den Panzer als Schauplatz<br />
mit Wolfgang Petersens „Das Boot“ verglichen.
66 KULTURKALENDER<br />
KULTUR<br />
TERMINE<br />
FORUM<br />
PREMIERENDATEN<br />
15. Mai 2010 bis 15. September 2010<br />
...................................................<br />
Bremen<br />
22. 5. (S) Nis-Momme Stockmann: Das blaue blaue Meer.<br />
Brauhauskeller<br />
29. 5. (S) Peter Shaffer: Komödie im Dunkeln.<br />
Neues Schauspielhaus<br />
12. 6. (M) Giacomo Puccini: Turandot.<br />
Seebühne an der Waterfront<br />
16. 6. (T) Ina Christel Johannessen: Nr. 8.<br />
Neues Schauspielhaus<br />
2. 9. (S) William Shakespeare: Was ihr wollt.<br />
Theater am Goetheplatz<br />
10. 9. (S) Dennis Kelly: DNA. Neues Schauspielhaus<br />
15. 9. (S) Steffen Hildebrandt, Arne Mües: Das Haus.<br />
Theaterkontor (UA)<br />
Abkürzungen:<br />
P = Premiere<br />
WA = Wiederaufnahme<br />
z.l.M. = zum letzten Mal<br />
w.n.a.a. = wenn nicht anders angegeben<br />
BREMEN<br />
Theater Bremen<br />
Tel. 04 21 – 36 53 – 3 33<br />
.....................................<br />
Theater am Goetheplatz<br />
(Beginn, w.n.a.a.: 19.30 h)<br />
Gastspiel Gayle Tufts Mai 15.<br />
Double Lives Mai 16. (18 h)<br />
Sofia Tolstaja Lesung mit Eva Gosciejewicz<br />
Mai 16. (20 h, Rangfoyer)<br />
Back Stage Mai 17. (10 h)<br />
Lieder im Foyer Liederabend des Internationalen<br />
Opernstudios Mai 17. (Rangfoyer)<br />
La Traviata Mai 18., 23. (15.30 h)<br />
La Cenerentola Mai 20.<br />
Il Barbiere di Seviglia Mai 21.; Juni 1.<br />
Eugen Onegin Mai 22., 29.<br />
Da capo Große Operngala Mai 24.; Juni 4.<br />
Norma Mai 28.<br />
Internationales Kulturforum mit Bernd<br />
Neumann. Mai 28. (20 h, Rangfoyer)<br />
Eine florentinische Tragödie / Der Zwerg<br />
Mai 30. (18 h)<br />
<strong>Die</strong> Macbeth Tragödie Mai 31.<br />
<strong>Die</strong> Fledermaus Juni 2.<br />
Don Giovanni Juni 3.<br />
<strong>Die</strong> Räuber Juni 5.<br />
Double Lives Juni 6. (18 h)<br />
.....................................<br />
Seebühne an der Waterfront<br />
(Beginn, w.n.a.a.: 20.30 h)<br />
Turandot Juni 12. (P), 15., 16., 17., 18., 19.,<br />
20., 22., 23., 24., 25., 26.<br />
.....................................<br />
Neues Schauspielhaus<br />
(Beginn, w.n.a.a.: 20 h)<br />
Dangerous Ein Michael Jackson-Abend.<br />
Mai 15., 21.; Juni 9., 25.<br />
...................................................<br />
Bremerhaven<br />
22. 5. (M) Kurt Weill: Der Silbersee. Großes Haus<br />
11. 9. (M) Benjamin Britten: Peter Grimes. Großes Haus<br />
...................................................<br />
Oldenburg<br />
21. 5. (T) Ina Christel Johannessen: Nr. 8. Exerzierhalle<br />
4. 6. (M) Arthur Sullivan: <strong>Die</strong> Piraten. Großes Haus<br />
6. 6. (S) Henrik Ibsen: Ein Volksfeind. Kleines Haus<br />
4. 9. (M) Viktor Ullmann: Der Kaiser von Atlantis.<br />
Kleines Haus<br />
10. 9. (S) Marc Becker: Aus der Mitte der Gesellschaft.<br />
Kleines Haus<br />
11. 9. (S) Bertolt Brecht/Kurt Weill: <strong>Die</strong> Dreigroschenoper.<br />
Halle 10, Fliegerhorst<br />
(Abkürzungen:<br />
M = Musiktheater, S = Schauspiel, T = Tanztheater)<br />
Einsame Menschen Mai 16. (18 h), 19., 28.;<br />
Juni 18., 22.<br />
La dolce Vita Mai 23. (18 h); Juni 20. (18 h)<br />
Das Versprechen Mai 24. (18 h)<br />
Komödie im Dunkeln Mai 29. (P), 30. (18<br />
h); Juni 5., 6. (18 h), 8., 10., 13. (18 h), 17., 23.<br />
Vortrag „Lebendiges oder totes Theater“<br />
mit Peter Konwitschny Mai 31. (19 h)<br />
<strong>Die</strong> Gehetzten Juni 1.<br />
Voice Juni 3., 11., 27. (18 h)<br />
Poetry on the Road Juni 4.<br />
Der Gott des Gemetzels Juni 12.<br />
Nr. 8 Juni 16. (P), 19., 24., 26.<br />
Verleihung des Hübner-Preises Juni 21.<br />
.....................................<br />
Moks<br />
(Beginn, w.n.a.a.: 20 h)<br />
Zwei Schwestern Mai 19. + 20. + 21. + 31.<br />
(10.30 h); Juni 1. + 3. + 4. (10.30 h), 6. (16 h),<br />
8. + 9. (10.30 h)<br />
Jubiläum Junge Akteure Juni 12. (19 h)<br />
<strong>Die</strong> Glasmenagerie Juni 25., 26., 27.
Traditions-Restaurant „Jürgenshof“ lockt in<br />
die Pauliner Marsch<br />
Er war ganz offensichtlich ein Mann<br />
der Tat, dieser Brünje Bischoff. Erst<br />
stellte er einen respektablen Neubau<br />
auf die Warft in der Pauliner Marsch,<br />
dann eröffnete er in der <strong>Die</strong>le des schmucken<br />
Bauernhofs eine Schankwirtschaft,<br />
in der er seinen Gästen auf zünftig-ländlichem<br />
Mobiliar Kaffee, Wein und einen<br />
ordentlichen Korn kredenzte. Genau 200<br />
Jahre ist das jetzt her, und bis heute fühlen<br />
sich die Gäste im später „Jürgenshof“<br />
genannten Ausflugslokal mit Sommergarten<br />
behaglich wohl und gut umsorgt.<br />
Natürlich geht es nicht mehr so handfest<br />
zu wie zu Brünje Bischoffs Zeiten. Doch<br />
wer sich in dem mit eleganten Möbeln, geschmackvoller<br />
Tischwäsche und liebevollen<br />
Dekorationen ausgestatteten Restaurant<br />
umschaut, erfährt beim Blick auf die<br />
wuchtigen Eichenständer und das dunkle<br />
Gebälk in dem weitläufigen Raum eine<br />
Vorstellung vom einstigen Schankbetrieb,<br />
den Bischoffs Stiefsohn Hinrich Depken<br />
1850 in kluger Voraussicht erweiterte.<br />
Denn seine Gartenwirtschaft vor den<br />
Toren der Stadt war zum beliebten Ausflugsziel<br />
geworden, „sehr häufig von Spaziergängern<br />
frequentiert und von den<br />
Schullehrern zu ihren Schulfesten benutzt“,<br />
wie er in einem Gesuch um eine<br />
Konzession an den Senat schrieb.<br />
Auch Johann Jürgens, der 1870 in die Familie<br />
einheiratete, erweiterte das Lokal<br />
und betrieb wie seine Vorgänger zu-<br />
GASTLICHKEIT<br />
SEIT 1810<br />
sätzlich die später „Jürgenshof“ genannte<br />
Landwirtschaft in der Pauliner Marsch.<br />
Fast ein Jahrhundert später wurde das Anwesen<br />
von der Sparkasse Bremen als Stiftung<br />
übernommen und seither nach einer<br />
grundlegenden Umgestaltung verpachtet.<br />
Seit 2006 setzen nun Karin und Thomas<br />
Fitzke die gastliche Tradition fort,<br />
doch dem Haus sind sie bereits 16 Jahre als<br />
Geschäftsführer verbunden, kennen hier<br />
somit jeden Winkel und begrüßen jeden<br />
Stammgast mit Handschlag und Namen.<br />
„Viele sind uns freundschaftlich verbunden“,<br />
berichtet Thomas Fitzke und erzählt,<br />
dass man quasi gemeinsam durch die Zeit<br />
gegangen sei. „Es gibt etliche Gäste, die<br />
haben vielleicht vor 17 Jahren hier bei uns<br />
geheiratet, zwei Jahre später im ‚Jügenshof’<br />
die Taufe des ersten Kindes gefeiert<br />
und mittlerweile dessen Konfirmation bei<br />
uns ausgerichtet.“ Auch auf den nahezu familiären<br />
Umgang mit den 36 Mitarbeiterinnen<br />
und Mitarbeitern sind die Fitzkes<br />
stolz, „etliche haben bereits bei uns gelernt<br />
und sind gern geblieben.“ Apropos Familie:<br />
Sohn Sebastian steht den Eltern seit einem<br />
Jahr neben dem Studium hilfreich zur Seite;<br />
gut möglich, dass er eines Tages in ihre<br />
Fußstapfen tritt.<br />
Doch der „Jürgenshof“ bietet nicht allein<br />
das stimmige Ambiente für Familienfeiern<br />
(„Bis Oktober sind schon alle Sonnabende<br />
für Hochzeiten gebucht“), die zur Sommerzeit<br />
bei gutem Wetter gern im idyllischen<br />
KULINARISCHES Jürgenshof 67<br />
Garten ausgerichtet werden. Der kulinarische<br />
Kalender des Hauses wird durch den<br />
Auftakt in die Spargelsaison am 30. April<br />
und das Martinsgansessen am 11. November<br />
flankiert, hinzu kommen zwei adventliche<br />
Liederabende zu festlichen Menüs,<br />
wobei die Plätze für alle Veranstaltungen<br />
laut Thomas Fitzke „nahezu vererbt werden.“<br />
Unverzichtbar sind zudem die wechselnden<br />
Menüs des Monats mit dazu ausgewähltem<br />
Wein, wobei sich Küchenchef<br />
Manfred Schmidt und seine Kollegin Insa<br />
Hinrichs stets am jahreszeitlichen Marktangebot<br />
orientieren.<br />
Und dann gibt es natürlich jene lauen<br />
Sommerabende, an denen der Gast auf der<br />
ländlich-eleganten Terrasse Platz nimmt,<br />
den Blick in die Marschenlandschaft mit<br />
den grasenden Pferden schweifen lässt und<br />
dazu vielleicht ein paar Gambas vom Grill<br />
oder einen lecker-leichten Salat nebst gut<br />
gekühltem Weißwein genießt. Abende, von<br />
denen man noch Monate später schwärmt<br />
und die auch weit gereiste Gäste ins Staunen<br />
versetzen: Dass es so etwas gibt, mitten<br />
in Bremen! Karin und Thomas Fitzke<br />
kennen Ausrufe wie diesen. „Bei uns“,<br />
so sagen sie lächelnd, „werden selbst Hamburger<br />
sprachlos.“<br />
Restaurant Jürgenshof<br />
Pauliner Marsch 1<br />
www.juergenshof.com<br />
info@juergenshof.com<br />
Telefon (04 21) 44 10 37
68 KULTURKALENDER<br />
Kultur Forum<br />
(ps) Unter der neuen Bezeichnung „Komödie<br />
im Schnoor“ soll das altgediente<br />
Packhaus-Theater künftig in erster Linie<br />
gute Unterhaltung bieten. <strong>Die</strong> künstlerische<br />
Leitung des Hauses haben Stefan<br />
Schneider und Joshy Peters übernommen.<br />
Auf dem Programm steht unter anderem<br />
die Komödie „Willkommen in Deinem<br />
Leben“ (ab 17. Juni) und Yasmina Rezas<br />
Erfolgsstück „Kunst“.<br />
Das Musical Theater Bremen ist vom 6.<br />
bis 14. Juli Schauplatz der wunderbaren<br />
Gershwin-Oper „Porgy and Bess“. Über 50,<br />
gemäß einer Verfügung des Komponisten<br />
ausschließlich schwarze Mitwirkende des<br />
New York Harlem Theatre bringen das<br />
selten gespielte Stück auf die Bühne.<br />
Unter der Leitung von Sylvain Cambreling<br />
führt die EuropaChorAkademie am 5. Juni<br />
(20 Uhr) in der Glocke „Les Noces“ von<br />
Igor Strawinsky (mit vier Klavieren und<br />
Schlagwerk!) sowie „Catulli Carmina“ von<br />
Carl Orff auf. <strong>Die</strong> Solisten sind Fionnuala<br />
McCarthy (Sopran), Fredrika Brillembourg<br />
(Alt), Jean-Noel Briend (Tenor) und Radu<br />
Cojocariu (Bass).<br />
Eine hervorragende Bilanz kann das internationale<br />
Festival TANZ Bremen 2010<br />
vorweisen. <strong>Die</strong> Veranstaltungen vom 9. bis<br />
17. April wurden von insgesamt 5500 Zuschauern<br />
besucht. Damit war das Festival<br />
zu 95 Prozent ausgelastet.<br />
Eintragungen in den<br />
foyer-Kulturkalender nur<br />
5 Euro pro Zeile zzgl. MWSt<br />
Kontakt<br />
<strong>Roland</strong> <strong>Verlag</strong><br />
Telefon 04 21 - 1 26 63, Fax 04 21 - 1 33 17<br />
info@rolandverlag.de<br />
.....................................<br />
Brauhauskeller<br />
(Beginn, w.n.a.a.: 20.30 h)<br />
Das bleibt! Mai 15.; Juni 6., 22.<br />
Tanz extra Mai 20. (20 h); Juni 13. (20 h)<br />
Das blaue blaue Meer Mai 22. (P), 27., 29.;<br />
Juni 2., 5., 19., 23., 24.<br />
Theatertreffen Mai 28.; Juni 25.<br />
Engel in Amerika Juni 4.<br />
Clyde und Bonnie Juni 10. + 11. (10.30 h),<br />
13. (18 h), 14. + 15. + 16. (20 h), 26.<br />
Lieder Gundermann Juni 20.<br />
.....................................<br />
Musical Theater Bremen<br />
(Beginn, w.n.a.a.: 20 h)<br />
<strong>Die</strong>ter Nuhr Mai 16.<br />
Konstantin Wecker & Hannes Wader Juni<br />
30.<br />
Porgy and Bess 6. bis 14. Juli (Di. – Fr. 20 h,<br />
Sa. 15 + 20 h, So. 14. + 19 h)<br />
.....................................<br />
Glocke<br />
Tel. 04 21 – 33 66 99<br />
(Beginn, w.n.a.a.: 20 h)<br />
Internationales Salsa Festival Bremen<br />
Mai 15. (21 h)<br />
Grigorij Leps Mai 16. (19 h)<br />
Bayami Northern Spirit Mai 26.<br />
(Kleiner Saal)<br />
Glocke spezial The Anoushka Shankar<br />
Project 2010 Mai 28.<br />
Glocke Kindertag „lebensfreudig“ Mai 29.<br />
(10 h / Foyer)<br />
Alexander Malinin Mai 29. (19.30 h)<br />
Bremer Kaffeehaus-Orchester Mai 30.<br />
(15.30 h / Kleiner Saal)<br />
12. Philharmonisches Konzert Kolsimcha<br />
– The World Quintet, Bremer Philharmoniker;<br />
Markus Poschner, Dirigent. Juni 30.<br />
(11 h), 31.<br />
Bremer Philharmoniker Öffentliche Präsentation<br />
der Spielzeit 2010/11. Juni 5. (12 h)<br />
EuropaChorAkademie; Mannheimer<br />
Schlagwerk; Sylvain Cambreling, Leitung.<br />
Juni 5.<br />
B-2 Juni 6. (18 h)<br />
<strong>Die</strong> Deutsche Kammerphilharmonie Bremen<br />
Viktoria Mullova, Violine; Paavo Järvi,<br />
Dirigent. Juni 7.<br />
Glocke Backstage Besucherführung. Juni<br />
12. (jew. 14 h)<br />
30 Jahre Jugendsinfonieorchester Bremen-Mitte<br />
Juni 17.<br />
Brahms-Chor; Göttinger Symphonie-Orchester;<br />
Leitung: Joshard Daus. Juni 20.<br />
(18 h)<br />
Galakonzert Anne-Sophie Mutter Juni 21.<br />
<strong>Die</strong> Deutsche Kammerphilharmonie Bremen<br />
Hilary Hahn, Violine; Paavo Järvi, Dirigent.<br />
Juli 26.<br />
21. Musikfest Bremen – Eine große Nachtmusik<br />
August 21. (19.30, 21 h, 22.30 h)<br />
21. Musikfest Bremen – Elias August 24.<br />
21. Musikfest Bremen – Janine Jansen &<br />
Friends August 26.<br />
21. Musikfest Bremen – Teatro d’Amore<br />
August 29.<br />
21. Musikfest Bremen – Verdis Requiem<br />
August 31.<br />
21. Musikfest Bremen – Mozart und Ägypten<br />
Sept. 1.<br />
21. Musikfest Bremen – Symphonie Fantastique<br />
Sept. 2.<br />
21. Musikfest Bremen – Susan Graham<br />
Sept. 5.<br />
21. Musikfest Bremen – Das Schumann-<br />
Projekt I Sept. 6.<br />
21. Musikfest Bremen – Das Schumann-<br />
Projekt II Sept. 7.<br />
21. Musikfest Bremen – Mozart-Rossini-<br />
Gala Sept. 11.<br />
.....................................<br />
bremer shakespeare company<br />
Tel. 04 21 – 50 03 33<br />
(Beginn, w.n.a.a.: 19.30 h)<br />
Lesung David Safier Mai 16. (11 h)<br />
Open Range II Mai 16. (Falstaff)<br />
Circus Schule Jokes Mai 17. + 18. (18 h)<br />
<strong>Die</strong> Leiden des jungen Werther Mai 19.<br />
Macbeth Mai 20.<br />
Ende gut, alles gut Mai 21.<br />
Julius Cäsar, Cleopatra, Antonius Mai 22.;<br />
Juni 12.<br />
Viel Lärm um nichts Mai 23.; Juni 17.<br />
Gastspiel 17 ½ Minuten Kalte Wut Mai 26.<br />
(10 h + 19.30 h); Juni 8. (10 h + 19.30 h)<br />
Lenz Mai 27.<br />
Hamlet Mai 28.; Juni 3., 25.<br />
Ein Königreich für einen Ball<br />
Mai 29.; Juni 19.
Ausdrucksstarke Theaterfotografien von<br />
Jörg Landsberg sind in der Theatergalerie<br />
am Goetheplatz zu sehen. Seine Arbeiten<br />
fangen die Atmosphäre jeder Inszenierung<br />
ein und werden regelmäßig auch in<br />
foyer veröffentlicht.<br />
Vorspiel<br />
Titus<br />
Maometto<br />
Voice<br />
With your eyes<br />
AUSSTELLUNG Jörg Landsberg 69
70 KULTURKALENDER<br />
Rampenfieber Mai 31.; Juni 7. (Falstaff)<br />
Herrenverkehr Der Fall Kolomak. Landgericht,<br />
Schwurgerichtssaal. Juni 1., 2., 7., 8., 13.<br />
Maß für Maß Juni 4.<br />
Poetry on the Road Juni 5. (20 h)<br />
Gastspiel menschen! formen! Juni 6.<br />
Gastspiel In 80 Tagen um die Welt<br />
Juni 9., 10., 11.<br />
Wut und Wiege Juni 13.<br />
Kabale und Liebe für zwei Juni 16.<br />
Gastspiel Alvaro Solar: Socken, Lügen &<br />
Wein Juni 18.<br />
Open Range III Juni 20. (Falstaff)<br />
<strong>Die</strong> große La Strada-Gala August 14. + 15.<br />
(20.30 h)<br />
Shakespeare im Park: Wie es euch gefällt<br />
August 25.<br />
Shakespeare im Park: Macbeth August 26.<br />
Shakespeare im Park: Ende gut, alles gut<br />
August 27.<br />
Shakespeare im Park: Julius Cäsar, Cleopatra,<br />
Antonius August 28. (18 h)<br />
Shakespeare im Park: Ein Königreich für<br />
einen Ball August 29. (18 h)<br />
.....................................<br />
Kulturkirche St. Stephani<br />
www.kulturkirche-bremen.de<br />
Kunstausstellung Fair Play – Blaumeiers<br />
große Sportschau. Bis 18. Juli<br />
Lange Nacht der Museen Kunsthalle Bremen,<br />
Blaumeier-Atelier und Kulturkirche<br />
St. Stephani präsentieren: <strong>Die</strong> große<br />
Sportschau. Mai 29. (ab 16 h)<br />
Axion esti – Lobgepriesen sei Mikis Theodorakis<br />
zum 85. Geburtstag. Oratorium<br />
für Sprecher, 2 Bariton-Soli, Chor und Orchester.<br />
Juni 12. (20 h), 13. (15 h)<br />
Das Blaue Einhorn: „Wo find ich meine<br />
Seele“ Lieder von Krieg und Frieden. Mikis<br />
Theodorakis zum 85. Geburtstag. Juni<br />
19. (20 h)<br />
Kulturgottesdienst Blaumeier die Zweite.<br />
Juni 20. (18 h)<br />
Órganon Melodien von und für Mikis Theodorakis<br />
zum 85. Geburtstag. Aug. 13. (20 h)<br />
„LebenskunSterben“ Fotoausstellung von<br />
Gülay Keskin. 15. August bis 11. September<br />
Flanieren in Stephani Unterwegs zu einer<br />
Stadt für alle. Aug. 19. (17.30 h)<br />
<strong>Die</strong> Prinzen Kirchentour. Sept. 14. (20 h)<br />
Wise Guys – unplugged Sept. 25. (16 h)<br />
Nacht der Kirchen Sept. 29. (ab 18 h)<br />
Noble Gäste Meisterwerke der Kunsthalle Bremen<br />
Während der Schliesszeit zu Gast in 22 deutschen Museen. Auch in Bremen:<br />
Dom-Museum Bremen im St. Petri Dom<br />
Stiftung Bremer Dom e.V.<br />
Sakrale Kunst<br />
www.stpetridom.de<br />
Kunstsammlungen Böttcherstraße<br />
Paula Modersohn-Becker Museum<br />
Lucas Cranach, Paula Modersohn-Becker<br />
www.pmbm.de<br />
.....................................<br />
DKV-Residenz in der<br />
Contrescarpe<br />
Tel. 04 21 – 3 22 90<br />
Weltklassik am Klavier „I love Chopin!“<br />
Mit Haiou Zhang. Mai 30., 17 h.<br />
Viva Piano Italia Mit Gabriele Leporatti.<br />
Juni 27., 17 h<br />
Von Barock und Klassik bis Romantik Mit<br />
William Youn. Juli 25., 17 h<br />
„Lieben Sie Brahms?“ Mit Boris Kusnezow.<br />
Aug. 29., 17 h<br />
.....................................<br />
swb-Kundencenter<br />
Sögestraße/Am Wall<br />
Tel. 04 21 - 83 11 41 (LeseArt)<br />
Tel. 04 21 - 34 49 08 (energiejazz)<br />
Tel. 04 21 - 34 31 70 (bremer hörkino)<br />
hörkino (20 h):<br />
Juni 2.: Marc Thöner „Morde unter deutschen<br />
Schutz? <strong>Die</strong> Bundeswehr und die<br />
Menschenrechtsverletzungen in ihrem afghanischen<br />
Regionalkommando“<br />
Sept. 1.: Charly Kowalczyk „Angelika – Annäherung<br />
an ein Kinderleben“<br />
LeseArt (19 h):<br />
Mai 20.: Hanns-Josef Ortheil: <strong>Die</strong> Erfindung<br />
des Lebens<br />
Juni 17.: Prof. Dr. Nicolas Schalz: Mozarts<br />
späte Opern als Spiegel der Gesellschaft<br />
Weserburg Museum für moderne Kunst<br />
Moderne Plastik, Fotografie<br />
www.weserburg.de
.....................................<br />
Overbeck-Museum<br />
Tel. 04 21 – 66 36 65<br />
Tägl. 11-18 h außer Mo<br />
Im Dialog II: Overbecks und Uphoffs. 6.<br />
Juni bis 26. September<br />
WORPSWEDE<br />
Tel. 04792 – 935 820<br />
www.theatersommer-barkenhoff.de<br />
Theatersommer auf dem Barkenhoff<br />
Berge der Utopie Ein Stück der Cosmos<br />
Factory Theaterproduktion. 27. Juli (P) bis<br />
21. August, jew. Mi-Sa 21 h<br />
OLDENBURG<br />
.....................................<br />
Oldenburgisches Staatstheater<br />
Tel. 04 41 – 22 25 111<br />
Großes Haus<br />
(Beginn, w.n.a.a.: 19.30 h)<br />
Faust Mai 15., 22., 29.; Juni 8.<br />
Ich, Heinz Erhardt Mai 16., 19.<br />
König Lear Mai 21., 28., 30.; Juni 5., 12., 22.<br />
Gastspiel Nazareth Mai 24. (20.30 h)<br />
Der Troubadour Mai 25.; Juni 3., 10.<br />
3. Familienkonzert Mai 30. (11.15 h)<br />
<strong>Die</strong> Piraten Juni 4., 9., 11., 16., 18., 19.<br />
8. Sinfoniekonzert Juni 13. (11.15 h), 14., 15.<br />
4. Familienkonzert Juni 20. (11.15 h)<br />
Kleines Haus<br />
(Beginn, w.n.a.a.: 20 h)<br />
Breaking the Waves Mai 15., 29.<br />
5. Kammerkonzert Mai 16. (11.15 h)<br />
As in’n Heven Mai 16., 21., 28.<br />
Kinder im Orchester Mai 17. + 21. (11 h)<br />
Biografie. Ein Spiel Mai 20., 30.; Juni 19.<br />
Der nackte Wahnsinn Mai 22.<br />
Matinée <strong>Die</strong> Piraten Mai 23. (11.15 h)<br />
Gastspiel In 80 Tagen um die Welt Mai 24.<br />
Ein Volksfeind Juni 6., 10., 20.<br />
.....................................<br />
Exerzierhalle<br />
(Beginn, w.n.a.a.: 20 h)<br />
My Name is Peggy Mai 15., 22.<br />
Nr. 8 (UA) Mai 21. (P), 26., 29.<br />
Extra-Nacht Mai 28. (22.30 h)<br />
Uni am Markt Mai 29. (11 h)<br />
.....................................<br />
Andere Spielorte<br />
(Beginn, w.n.a.a.: 20 h)<br />
Junges Staatstheater Nur ein Tag (ab 5 J.)<br />
/ Spielraum. Mai 16. (11.30 h), 17. (10 + 17<br />
h), 18. (10 h)<br />
Junges Staatstheater <strong>Die</strong> Wanze (ab 8 J.) /<br />
Spielraum. Mai 23. (11.30 h), 26.+27. (10 h)<br />
4. Schlosskonzert Mai 27. Schloss Oldenburg<br />
Junges Staatstheater <strong>Die</strong> kleine Zoogeschichte<br />
(ab 4 J.) / Spielraum. Mai 29.<br />
(11.30 h)<br />
.....................................<br />
Landesmuseum für Kunst<br />
und Kulturgeschichte<br />
Tel. 04 41 – 2 20 73 00<br />
www.landesmuseum-oldenburg.niedersachsen.de<br />
Herlinde Koelbl – eine Werkschau. Fotografien<br />
1976 – 2009. In Kooperation mit<br />
dem Kulturspeicher Oldenburg. Bis 13. Juni.<br />
Stille Wasser und perfekte Wellen Schülerkunst<br />
zum Thema Wasser. Bis 24. Oktober.<br />
Flüsse im Strom der Zeit. Norddeutsche<br />
Wasserstraßen in der Fotografie. 15. August<br />
bis 24. Oktober.<br />
Internationaler Museumstag 16. Mai<br />
10-17 h, Eintritt frei.<br />
.....................................<br />
Landesmuseum Natur und<br />
Mensch<br />
Tel. 04 41 – 92 44-300<br />
www.naturundmensch.de<br />
Kalte Zeiten – Warme Zeiten Klimawandel(n)<br />
in Norddeutschland. Bis 1. August<br />
KULTURKALENDER 71<br />
Chancen für Menschen<br />
in Namibia<br />
Unterstützen Sie zwei neue Projekte<br />
Engagement für ein besseres Leben<br />
Immer mehr Menschen in der Kavango-Region<br />
wandern aus Not in die Slums der großen Städte<br />
ab. <strong>Die</strong> beiden Projekte der Rotary-Clubs<br />
Bremen-Bürgerpark und Westerstede ermöglichen<br />
es ihnen, in ihrer Heimat zu bleiben.<br />
Mit Ihrer Spende unterstützen Sie Maßnahmen,<br />
die regional wirken:<br />
• dörliche und familiäre Strukturen bleiben<br />
erhalten<br />
• die Bildungs- und Gesundheitssituation<br />
kann deutlich verbessert werden<br />
• die Bevölkerung erhält Hilfe zur Selbsthilfe<br />
• ein minimaler Wirtschaftskreislauf<br />
entsteht<br />
Jeder Spender kann sicher sein, dass seine<br />
Zuwendung dort ankommt, wo sie gebraucht wird.<br />
Sie erhalten für Ihre Spende eine Quittung, die<br />
steuerlich abzugsfähig ist.<br />
Gern geben wir Ihnen weitere Informationen!<br />
Natalie Burwitz, LL.M.<br />
Präsidentin Rotary-Club Bremen-Bürgerpark<br />
Telefon: 04 21 - 2 23 51 31<br />
natalie.burwitz@uni-oldenburg.de<br />
Spendenkonto<br />
Förderverein des RC Bremen-Bürgerpark e.V.:<br />
Bankhaus Plump (290 304 00)<br />
Kontonummer: 770 20<br />
Verwendungszweck: „Namibia Projekte“
72 KULTURKALENDER<br />
.....................................<br />
Oldenburger Kunstverein<br />
Tel. 04 41 – 27 109<br />
www.kunstverein-oldenburg.de<br />
Silke Wagner Cover Works (New Works).<br />
Bis 30. Mai<br />
Lotte Lindner & Till Steinbrenner We<br />
don’t trust you. 19. Juni bis 2. August<br />
Wir helfen Ihnen!<br />
Helfen Sie uns!<br />
In kritischen Situationen<br />
topit und besonnen.<br />
Dank einer guten Schwimm-<br />
und Rettungsschwimmausbildung<br />
der DLRG.<br />
Mit Ihrer Stiftung fördern<br />
Sie langfristig die Arbeit der<br />
DLRG in Bremen.<br />
DLRG-Stiftung Bremen<br />
Berenberg Bank<br />
BLZ 201 200 00<br />
Konto 517 59 009<br />
.....................................<br />
Horst-Janssen-Museum<br />
Tel. 04 41 – 2 35 28 91<br />
www.horst-janssen-museum.de<br />
Di-So 10-18 h<br />
Picasso – <strong>Die</strong> Kraft der Linie<br />
Bis 29. August<br />
.....................................<br />
Palais Rastede<br />
Tel. 0 44 02 – 8 15 52<br />
www.palais-rastede.de<br />
Mi-Fr + So 11-17 Uhr u.n.V.<br />
Sven Hoffmann „Aqua Globalis“. 16. Mai<br />
bis 18. Juli<br />
Helmut Feldmann „Grafik und Malerei“.<br />
30. Mai bis 18. Juli<br />
Sommeratelier <strong>Die</strong> Technik der Vergoldung<br />
mit Blattgold. <strong>Die</strong> Technik der Kaltnadelradierung.<br />
12. bis 13. Juli<br />
EMDEN<br />
.....................................<br />
Kunsthalle Emden<br />
Tel. 0 49 21 – 97 50 0<br />
www.kunsthalle-emden.de<br />
Di-Fr 10-17 h (jeder 1. Di 10-21 h). Sa, So,<br />
Feiertage 11-17 h. Mo geschlossen.<br />
Highlights aus der Sammlung Henri Nannen<br />
und Sonderpräsentation Brigitte Waldach.<br />
5. Juni bis 5. September<br />
„Erich Heckel – Vom Aquarell zum Gemälde“.<br />
11. September bis 9. Januar 2011<br />
.....................................<br />
Stadttheater Bremerhaven<br />
Tel. 04 71 – 4 90 01<br />
Großes Haus<br />
(Beginn, w.n.a.a.: 19.30 h)<br />
Samson und Dalila Mai 15., 21., 26.; Juni<br />
13. (z.l.M.)<br />
Eröffnungsveranstaltung zu Der Silbersee<br />
Mai 16. (11 h)<br />
The Scarlet Pimpernel Mai 16. (z.l.M.)<br />
<strong>Die</strong> heilige Johanna der Schlachthöfe Mai<br />
20.; Juni 6.<br />
Der Silbersee Mai 22. (P), 30.; Juni 3., 11.,<br />
16. (z.l.M.)<br />
Sugar (Manche mögen’s heiß) Mai 23., 27.;<br />
Juni 4., 12. (z.l.M.)<br />
Ballett Extra: Spitzen-Tanz II Mai 29.<br />
Lange Nacht der Kultur Juni 5. (20 h)<br />
Was für ein Theater…! Juni 17.<br />
Das war Spitze! Juni 18.<br />
Zum Abschied ein Fest! Juni 19.<br />
8. Sinfoniekonzert Juni 21. (20 h), 22., 23.<br />
Kleines Haus<br />
(Beginn, w.n.a.a.: 19.30 h)<br />
Clyde und Bonnie Mai 15., 21., 29.; Juni 11.,<br />
19. (z.l.M.)<br />
Das andalusische Mirakel Mai 16.; Juni 2.,<br />
20. (z.l.M.)<br />
Amaretto Mai 20., 23., 27., 28.; Juni 12., 17.,<br />
18. (z.l.M.)<br />
Drei große Frauen Mai 22., 30.; Juni 13.<br />
(z.l.M.)<br />
Löwenherz Juni 4. (18.30 h), 6. (16 h)<br />
Theaterjugendclub Juni 10., 16.<br />
.....................................<br />
TiF Theater im Fischereihafen<br />
Tel. 04 71 – 93 93 20<br />
(Beginn, w.n.a.a.: 20 h)<br />
Ingolf Lück Mai 21.<br />
instant impro Mai 22.; Juni 19.; Aug. 21., 27.<br />
Rolf Becker Mai 26.<br />
Wolfgang Trepper Mai 28.<br />
tonSpurX Mai 29..<br />
Götz Alsmann Juni 2., 3.<br />
Juno Juni 4..<br />
Christina Lux Juni 5. (20 + 21.15 h)
ROTSTIFT-REGISSEURE<br />
Seitdem auf unseren Bühnen Regisseure<br />
regieren, die Wilhelm Tell für einen Gangsta-Rapper<br />
halten und Werther für ein<br />
Mitglied seiner Gang, machen betagtere<br />
Theatergänger so jenseits der 30 große Augen.<br />
Und altgediente Rezensenten verzweifeln,<br />
weil sie sich in ihren Klassikern<br />
nicht mehr auskennen. Denn am deutschen<br />
Theater kann laut Peter Stein „inzwischen<br />
ja jeder machen was er will.“<br />
Gut geschimpft, Alter! Da versetzt das<br />
Staatstheater Kötzschenbroda Romeo und<br />
Julia in eine DDR-Kolchose („Wo man Liebe<br />
aussät, da wächst Freude empor“), während<br />
Schillers Jungfrau von Orleans an<br />
der Volksbühne Wuppertal-Oberbarmen<br />
in einer Schönheitsklinik spielt („Kurz ist<br />
der Schmerz und ewig währt die Freude“).<br />
Und im Opernhaus der Hallig Hooge<br />
müssen Wagners Rheintöchter, gekleidet<br />
in Ostfriesennerze mit nix drunter, durch<br />
den Schlick waten und immer nur „Wagalaweia!<br />
Wallala, weiala weia!“ singen.<br />
Alles absurd und ausgesprochen albern?<br />
Egal! Hauptsache knallig, knackig und vor<br />
allem griffig, also erheblich kürzer als im<br />
Original. Denn das ist ohnehin – man erinnere<br />
sich an endlose Deutschstunden in<br />
der Unterprima – sterbenslangweilig. Und<br />
so darf Theater natürlich niemals sein.<br />
Aus eben diesem Grunde kommen auch<br />
immer mehr Klassiker als Comics auf den<br />
Markt. Aktuell hat es Goethes „Faust“ erwischt.<br />
Natürlich nicht als schnöde Nacherzählung,<br />
sondern als im heutigen Berlin<br />
spielende Adaption. Faust ist hier ein Öko,<br />
Gretchen eine junge Türkin und Mephisto<br />
nennt sich cool nur „Meph“. Heftig gekürzt<br />
wird das Werk natürlich auch, und<br />
zwar bis auf den Kern, den selbst der Pudel<br />
knurrend verschmäht.<br />
Peter Schulz<br />
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IMPRESSUM<br />
Herausgeberin<br />
Marie-Clothilde Kronenberg (v.i.S.d.P.) 1<br />
Redaktionsleitung Peter Schulz 2<br />
Kfm. Leitung Sonja Chrobok 14<br />
Anzeigenverkauf Martina Vosgerau 21<br />
Autoren dieser Ausgabe<br />
Dr. Stephan Cartier 16, Christian Emigholz 3,<br />
Sven Garbade 19, Michael Pitz-Grewenig 11,<br />
Karin Hiller 4, Wilfried Hippen 5,<br />
Dr. Sabine Komm 6, Christine Krause 7,<br />
Dr. Ulrich Matyl 8, Simon Neubauer 17,<br />
Carsten Preisler 10, Dr. Meike Rotermund 18,<br />
Sigrid Schuer 12, Ute Schalz-Laurenze 9,<br />
Peter Schulz 2, Inge Zenker-Baltes 15<br />
<strong>Verlag</strong>, Vertrieb, Redaktion und<br />
Anzeigenverwaltung <strong>Roland</strong> <strong>Verlag</strong> <strong>GmbH</strong>,<br />
Schlachte 43, 28195 Bremen,<br />
Telefon 04 21 - 1 26 63, Fax 04 21 - 1 33 17<br />
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Gestaltung und Satz<br />
Birgit Holtkötter 20<br />
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Basislayout Haase & Knels, Bremen<br />
Druck ASCO STURM DRUCK Bremen<br />
Vertriebsstruktur Theater- und Vorverkaufsstellen<br />
Bremen, Bremerhaven und Oldenburg,<br />
Theater, Museen, Konzerthäuser und<br />
-büros, Ticket-Service-Center, Hotels, Abonnementvertrieb,<br />
Fach-Zeitschriften handel Bremen,<br />
Bremerhaven und Oldenburg<br />
Bezugspreis Einzelpreis 3,10 Euro<br />
Jahresabonnement 15,00 Euro<br />
Auflage 10.000 Exemplare<br />
Erscheinungsweise zweimonatlich<br />
Nächste Ausgabe 15. September 2009<br />
Redaktionsschluss 15. August 2009<br />
ISSN-Nr. 1618-0852<br />
Titelmotiv Patricia Kopatchinskaja<br />
Foto: Marco Borggreve, Amsterdam<br />
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sind urheberrechtlich geschützt. Nachdruck,<br />
auch aus zugsweise, nur mit Ge neh migung des<br />
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