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Die „Marie Antoinette“ - Roland Verlag GmbH

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15.05.2010 bis 15.09.2010 3,10 Euro H12719<br />

foyer<br />

Das Kulturjournal<br />

für Bremen und den Nordwesten<br />

85


EDITORIAL<br />

„Jedem Kind ein Instrument“, so lautet die<br />

Bezeichnung einer kulturellen Bildungsinitiative<br />

des Landes Nordrhein-Westfalen.<br />

Alle Grundschulkinder des Ruhrgebietes<br />

haben demnach die Möglichkeit, ein Musikinstrument<br />

ihrer Wahl zu erlernen. Über<br />

das gemeinsame Musizieren in Klassen<br />

oder im Schulorchester sollen möglichst<br />

viele Kinder, unabhängig von sozialen Unterschieden,<br />

die Welt der Musik spielerisch<br />

entdecken.<br />

Ein entscheidender Beitrag also, die musische<br />

Sensibilität im frühen Kindesalter zu<br />

wecken, zu entwickeln und dadurch die Integration<br />

unterschiedlicher Gruppen zu erleichtern.<br />

<strong>Die</strong>ses Modell, das ursprünglich<br />

als ein Beitrag zum Gesamtprogramm der<br />

Kulturhauptstadt gedacht war, bietet sich<br />

beispielhaft auch für weitere Bundesländer<br />

an, gerade auch für Bremen.<br />

Warum?<br />

Wir haben in unserer Stadt zwei namhafte<br />

Orchester, die seit Jahren neben ihren eigentlichen<br />

vielfältigen Aufgaben geradezu<br />

vorbildliche musikalische Kinder -und Jugendarbeit<br />

leisten.<br />

So erreichen zum Beispiel die Bremer Philharmoniker<br />

über ihre „musikwerkstatt bremen“<br />

jährlich derzeit etwa 10.000 Kinder<br />

und Jugendliche mit steigender Tendenz.<br />

<strong>Die</strong> Deutsche Kammerphilharmonie Bremen<br />

darf sich nicht nur zu den weltweit<br />

führenden Orchestern zählen, sondern<br />

sorgt außerdem durch das „Zukunftslabor“<br />

und durch die Ansiedlung von Probenräumen<br />

in der Gesamtschule Bremen Ost für<br />

überregionale Schlagzeilen.<br />

Beide Orchester engagieren sich verstärkt<br />

in Stadtteilen, die zu den sozialen Brennpunkten<br />

zählen. Was nützt aber die geweckte<br />

Begeisterung am Musizieren,<br />

wenn Eltern selbst die Leihgebühren für<br />

ein Instrument nicht aufbringen können.<br />

„Jedem Kind ein Instrument“, wäre demnach<br />

in modifizierter Form eine sinnvolle<br />

Idee zu Ergänzung und Unterstützung des<br />

Engagements unserer beiden Orchester.<br />

Ganz bremisch, ließe sich ein solches Vorhaben<br />

wohl eher über eine entsprechende<br />

Bürgerstiftung finanzieren, als über die<br />

leere Staatskasse. Einige Ohren und auch<br />

Geldbeutel sind für einen derartigen Fond<br />

in Bremen bereits offen.<br />

Es mögen viele weitere folgen.<br />

Ihre<br />

Marie-Clothilde Kronenberg<br />

„Prinz Calaf“<br />

INHALT<br />

INHALT 3<br />

.................................................<br />

Theater<br />

04 GROSSE OPER „Turandot“ auf der Seebühne<br />

06 AUFBRUCH AM GOETHEPLATZ Der Spielplan 2010/11<br />

08 ZU NEUEN UFERN Hans-Joachim Frey im Gespräch<br />

10 ZERPLATZTE TRÄUME Liederabend am Leibnizplatz<br />

12 ÖFFNUNG NACH AUSSEN Spielplan Bremerhaven<br />

13 ENDE EINER ÄRA Abschied von Intendant Grisebach<br />

14 UNENDLICHE WELT DER FANTASIE Rolf Becker<br />

15 RARITÄT IN BREMERHAVEN Weills „Silbersee“<br />

16 UMBAU ALS CHANCE <strong>Die</strong> neue Saison in Oldenburg<br />

18 OPERNPREMIEREN AN NORDDEUTSCHEN BÜHNEN<br />

24 KOLUMNE NACHGEDACHT Alles in Ordnung<br />

25 BOULEVARD Neues von Bremer Bühnen<br />

.................................................<br />

Musik<br />

26 MENSCHEN IM FOYER<br />

29 PORTRÄT <strong>Die</strong> Künstlerin Gisela Eufe<br />

30 KOMPETENTE VIELFALT 14. Oldenburger Promenade<br />

32 BREMER PHILHARMONIKER Klassik für Kinder<br />

34 KONZERTTIPPS<br />

36 MUSIKFEST BREMEN Interview mit Prof. Albert<br />

38 MUSIKFEST BREMEN Tipps aus dem Programm<br />

40 KULTURSOMMER Vom Barkenhoff zur „Breminale“<br />

45 EIN SCHATZ WIRD GEHOBEN Schumann-Jahr<br />

46 JAZZTIPPS<br />

48 ROLLENSPIEL<br />

48 SCHAUSPIELRÄTSEL<br />

49 OPERNRÄTSEL<br />

.................................................<br />

Kunst<br />

50 WISSENSCHAFT Jade Hochschule: <strong>Die</strong> Praxis im Blick<br />

52 WIRTSCHAFT Bremen auf der EXPO 2010 in Shanghai<br />

54 ARCHITEKTUR Das Röhlig-Haus in der Überseestadt<br />

56 LITERATUR<br />

58 SERIE <strong>Die</strong> neue Kunsthalle Bremen<br />

60 SPARKASSE KULTUR SCHAFFEND Ausstellung<br />

62 KUNSTWERKE<br />

64 KINOTIPPS<br />

66 KULTURKALENDER Premierendaten<br />

67 KULINARISCHES Jürgenshof<br />

69 THEATERGALERIE Jörg Landsberg<br />

74 NACHKLANG FOYER-AUTOREN IMPRESSUM


4 THEATER BREMEN Turandot<br />

Spektakuläres Musiktheater mit Freude am<br />

circensischen Event: Puccinis „Turandot“<br />

auf der Seebühne<br />

Text: Stephan Cartier<br />

DIE EISPRINZESSIN<br />

STICHT IN SEE<br />

Eisschollen auf der Weser. Und das im<br />

Sommer! Was im Januar die Chancen<br />

des Schneiders bei der Bremer<br />

Eiswette für eine fußläufige Überquerung<br />

des Flusses deutlich erhöhen würde,<br />

ist hier ein Zeichen für das frostige Gemüt<br />

der Prinzessin Turandot. Im Eise lebt sie,<br />

und ihr Herz ist entsprechend tief temperiert.<br />

Nur die Liebe könnte es erwärmen –<br />

und die Musik Giacomo Puccinis.<br />

<strong>Die</strong> künstlichen Schollen gehören zum<br />

Bühnenbild der dritten Open-Air-Oper, die<br />

das Bremer Theater nach 2008 und 2009 auf<br />

die Beine – pardon: die Weser – stellt. Nach<br />

dem „Fliegenden Holländer“ von Wagner<br />

und Verdis „Aida“ steht nun „Turandot“ auf<br />

dem Programm der Seebühne, die die Bremer<br />

Philharmoniker bespielen werden.<br />

„Es wird ganz große Oper werden“, verspricht<br />

der scheidende Bremer Generalintendant<br />

Hans-Joachim Frey sich und sei-<br />

nem Publikum. Mit einigen Kosten, aber vor<br />

allem viel Mühen will er im Hafenbecken<br />

vor dem Einkaufszentrum „Waterfront“ auf<br />

dem rund 700 Quadratmeter großen Ponton<br />

den 2500 Gästen, die die Tribüne an der Promenade<br />

fasst, wieder spektakuläres Musiktheater<br />

bieten. Für die musikalische Qualität<br />

der zwölf Aufführungen bürgt als Leiter<br />

der Erste Kapellmeister der Philharmoniker,<br />

Daniel Montané.<br />

„Turandot“ ist wie geschaffen für diesen<br />

Ope(r)n-Air-Event. Der Wechsel zwischen<br />

Arien voller Pathos, intimen Duetten und<br />

großen Chorszenen bedient die gesamte<br />

Emotionspalette, zu der italienische Oper<br />

ein Publikum in Resonanzschwingung<br />

versetzen kann. „Man sagt, Sentimentalität<br />

sei ein Zeichen von Schwäche“, schrieb<br />

Puccini an einen seiner beiden Librettisten,<br />

Giuseppe Adami. „Aber ich finde es so<br />

schön, schwach zu sein! Den so genannten<br />

‚starken Männern’ überlasse ich die Er-<br />

„Aida“ auf der Seebühne; Fotos: Jörg Landsberg<br />

folge, die in nichts zergehen: für uns sind<br />

die, welche bleiben.“ Puccini drängte seine<br />

Texter, jedes dramaturgische Mittel zu<br />

nutzen, um Gefühle zu wecken: „Nur Mut!<br />

Und pressen Sie sich Hirn und Herz aus,<br />

um für mich etwas zu schaffen, das die<br />

Welt weinen machen soll.“<br />

Und die Geschichte der Prinzessin Turandot<br />

ist in der Tat tränenreiche Unterhaltung.<br />

Immerhin findet die Dame besonders<br />

großes Gefallen daran, ihre Verehrer<br />

zu töten. Der Stoff, den Puccini bearbeiten<br />

ließ, entstammt dem orientalischen Sagenkreis,<br />

hatte aber durch das gleichnamige<br />

Theaterstück Carlo Gozzis aus dem Jahr<br />

1786 und eine Erzählung Friedrich Schillers<br />

bereits seine Spuren in der westlichen<br />

Literatur hinterlassen.<br />

Im Zentrum steht die Rache Turandots an<br />

all jenen, die sich um ihre Hand bewerben.<br />

<strong>Die</strong> Schmach, die eine ihrer Vorgängerinnen<br />

viele tausend Jahre zuvor durch einen<br />

Mann erdulden musste, macht Turandot<br />

zu einer eiskalten Henkersfrau. Drei<br />

Fragen müssen die Bewerber beantworten,<br />

bevor sie ihre Hand erhalten können,<br />

sonst werden sie hingerichtet. Doch bislang<br />

schaffte dies keiner der Angetretenen.<br />

Letztlich scheiterten alle daran, ihren Namen<br />

zu erraten.


<strong>Die</strong> dreifache Turandot-Besetzung (von links): Elena Zelenskaya, Anna Shafajinskaia, Kelly Cae Hogan<br />

Dass gleich zu Beginn der Oper mit dem<br />

tartarischen Prinzen Calaf ein hartnäckiger<br />

und gut aussehender neuer Bewerber<br />

auftritt, der Turandot bezwingen will, lässt<br />

ahnen, dass nach drei<br />

Akten das Ganze trotz<br />

aller blutigen Verwicklungen<br />

doch noch gut<br />

ausgehen wird. Da fällt die Hinrichtung eines<br />

gescheiterten Bewerbers im ersten Akt<br />

nicht ins Gewicht, macht aber deutlich,<br />

dass Liebe und Tod nahe beieinander liegen.<br />

Nicht nur in der Oper.<br />

<strong>Die</strong> Tragik des Werks ist auch die Tragik<br />

seines Komponisten: Puccini erlebte<br />

die Aufführung seiner Oper nicht mehr.<br />

Fast fünf Jahre hatte der erfolgsverwöhnte<br />

Komponist an seiner „Turandot“ geschrieben,<br />

als ihm eine Erkrankung seines Kehlkopfes<br />

immer mehr zu schaffen machte.<br />

Bei der Operation des Karzinoms in einem<br />

Brüsseler Krankenhaus starb Puccini<br />

überraschend am 29. November 1924.<br />

Der Oper fehlte allein noch das Schlussduett<br />

von Calaf und Turandot. Bei der Uraufführung<br />

in der Mailänder Scala 1926 beendet<br />

Arturo Toscanini das Werk genau an der<br />

Stelle, für die Puccini seine letzten Noten<br />

geschrieben hatte. Erst zur zweiten Aufführung<br />

spielte man das nach Puccinis Skizzen<br />

von Franco Alfano komplettierte Finale.<br />

„Turandot“ wurde postum ein Riesenerfolg<br />

für Puccini. Nach „Madame Butterfly“ hatte<br />

er sich erneut in das fernöstliche, diesmal<br />

das chinesische Sujet bewegt. Pucci-<br />

ni besaß nicht<br />

den Ehrgeiz,<br />

Musikethnologie<br />

zu betreiben,<br />

aber er machte sich intensiv mit der<br />

chinesischen Musik vertraut, um ihr in seiner<br />

„Turandot“ einen Nachklang zu geben.<br />

Mit pentatonischen Tonfolgen, einem<br />

exotisch gefärbten Instrumentarium und<br />

seinem bekannten Arien-Schmelz schuf<br />

Puccini auf diese Weise eine wunderbare<br />

Melange bürgerlicher Weltmusik. Der Höhepunkt<br />

einer jeden „Turandot“-Aufführung,<br />

der auch den Top-Ten-Verwurstungen<br />

in den Pop-Charts nicht zum Opfer<br />

fallen kann, bleibt natürlich die Arie „Nessun<br />

dorma“. Und an dieser schönen Tradition<br />

wird sich auch in der Bremer Seebühnen-Inszenierung<br />

nichts ändern.<br />

„Turandot“ ist wie geschaffen für<br />

diesen Ope(r)n-Air-Event.<br />

Optisch setzt man noch mehr auf Effekte<br />

als in den beiden Jahren zuvor. Es bleibt<br />

zwar im Kern eine konzertante Aufführung,<br />

die Prinzessin Turandot schwebt<br />

aber nicht nur musikalisch, sondern auch<br />

ganz praktisch. Rund 20 Meter wird sie von<br />

Zeit zu Zeit an Seilen über der Seebühne<br />

in der Höhe hängen und dem Treiben der<br />

Heiratsbewerber zusehen.<br />

THEATER BREMEN Turandot 5<br />

Mit Freude am circensischen Event soll<br />

beispielsweise auch ein Rennen von Drachenbooten<br />

das Geschehen auf der Bühne<br />

umspielen, und in den „Zwischenakten“<br />

der Pausen bleibt China ebenfalls maßgebend.<br />

Catering ganz nach Art der „Sieben<br />

Schätze“ ist geordert und soll den Abend<br />

geschmacklich abrunden. „Wir werden die<br />

chinesische Seele in jeder Hinsicht streicheln“,<br />

verspricht denn auch Hans-Joachim<br />

Frey.<br />

Politisch, so Frey, wolle man das Thema<br />

nicht überstrapazieren. Zwar geht es auch<br />

in „Turandot“ um die schwierigen kulturellen<br />

und politischen Verhältnisse in China,<br />

ein Anknüpfen an die Diskussionen<br />

um Menschenrechte und Zensur läge also<br />

nahe. Aber eine Märchenoper bleibe eben<br />

eine Märchenoper, meint Frey: „Assoziationen<br />

zur aktuellen politischen Lage in<br />

China darf sich aber jeder machen.“<br />

Das Happy End ist in jedem Fall garantiert.<br />

„Am Ende fallen sich der Prinz und die<br />

Prinzessin in die Arme“, so der Intendant.<br />

Und dann dürfte es wohl – trotz Eisschollen<br />

– auch so manchem Gast auf der Tribüne<br />

an der „Waterfront“-Promenade warm<br />

ums Herz werden.<br />

Unterstützt von der Sparkasse Bremen.


6 THEATER BREMEN Spielplan 2010/2011<br />

Wiederaufnahme: <strong>Die</strong> Fledermaus<br />

Intendantenlose Zeit – eine schreckliche<br />

Zeit? Muss nicht sein, jedenfalls<br />

nicht in Bremen. Denn als die erste<br />

Suche nach einem Nachfolger für den zurückgetretenen<br />

Hans-Joachim Frey ohne<br />

griffiges Ergebnis blieb und die Intendantenkür<br />

jetzt ohnehin nur auf Sparflamme<br />

züngelt, hat sich längst eine neue „Künstlerische<br />

Leitung“ etabliert, zusammengesetzt<br />

aus den Spartenleitern Hans-Georg<br />

Wegner (Oper), Marcel Klett (Schauspiel),<br />

Dr. Patricia Stöckemann (Tanztheater)<br />

und Rebecca Hohmann (Moks) sowie dem<br />

Künstlerischen Betriebsdirektor Martin<br />

Wiebcke. <strong>Die</strong> erste öffentliche Tat: Ein<br />

respektabler, durchaus „machbarer“<br />

Spielplan 2010/2011.<br />

Das Beispiel könnte Schule machen – zunächst<br />

für die angekündigten zwei Jahre<br />

und so es denn weiterhin harmonisch<br />

funktioniert. Stolpersteine der Rivalität sind<br />

nicht immer auf Anhieb aus dem Weg zu<br />

räumen; die<br />

Aufteilung des<br />

ohnehin sehr<br />

schmalen Etats, die Position des Verhandlungsführers<br />

gegenüber der Behörde, der<br />

anderen Kulturinstitutionen der Stadt, der<br />

Verbände, Terminabsprachen und andere<br />

Probleme könnten das jetzt einträchtige<br />

Quintett zu einer „Fünferbande“ degradieren.<br />

Aber man soll nicht unken, deshalb<br />

gilt den neuen „Machern“ ein ehrliches, ja<br />

herzliches „toi, toi, toi!“<br />

Der Spielplan ist deutlich nach dem Prinzip<br />

des Möglichen ausgerichtet: das heißt,<br />

auf Spezielles erfordernde Stücke muss<br />

verzichtet werden, wenn man wegen des<br />

eingefrorenen Etats, der Schuldentilgung<br />

in Höhe von 250 000 Euro pro Spielzeit und<br />

anderer Sparmaßnahmen auf Gäste weitgehend<br />

verzichten muss. Jedenfalls beginnt<br />

der musikalische Auftakt festlich mit dem<br />

„Rosenkavalier“ von Richard Strauss. Der<br />

Regisseur der aufwendigen, nicht eben<br />

leicht zu inszenierenden Oper ist Tobias<br />

Kratzer, ein hier noch total unbeschriebenes<br />

Blatt. Aber als Garanten stehen Strauss-<br />

Experte Markus Poschner und die Bremer<br />

Philharmoniker bereit, die – das zeugt das<br />

nachfolgende Angebot – sich über Mangel<br />

an Arbeit wahrlich nicht beklagen können.<br />

Generalmusikdirektor Markus Poschner,<br />

dem künftig aus vielerlei vernünftigen<br />

Gründen die Position des Operndirektors<br />

zufallen muss, leitet ferner Mozarts<br />

grandiosen „Idomeneo“ und die Urauffüh-<br />

Neue Künstlerische Leitung am Theater Bremen<br />

präsentierte den Spielplan 2010/2011<br />

Text: Simon Neubauer<br />

AUFBRUCH AM GOETHEPLATZ<br />

Den neuen „Machern“ ein ehrliches, ja herzliches „toi, toi, toi!“<br />

rung des Musiktheater „Kryos“ von dem<br />

in Hamburg lebenden Komponisten Jörn<br />

Arnecke, ein Auftragswerk des Theater Bremen,<br />

das nur mit starker finanzieller Hilfe<br />

der Theaterfreunde realisiert werden kann.<br />

Kapellmeister Daniel Montané, auch längst<br />

metiererfahren, leitet Tschaikowskys „Mazeppa“,<br />

Puccinis „Madama Butterfly“ und<br />

– am Ende der Spielzeit – Bizets „Carmen“<br />

auf der Seebühne. Márton Terts, jüngst aus<br />

der Solorepetition zum Dirigentenpult emporgestiegen,<br />

ist für die Kinderoper „Drei<br />

alte Männer wollten nicht sterben“ und für<br />

mehrere Wiederaufnahmen zuständig.<br />

Regie im Reich des Musiktheaters führen<br />

überwiegend Bekannte: Tatjana Gürbaca<br />

(„Mazeppa“ in der Übernahme aus der<br />

Vlaamse Opera Antwerpen), Kay Kuntze<br />

(„Idomeneo“ in einer neuartigen „Visuellen<br />

Gestaltung“), Philipp Himmelmann<br />

(„Kyros“) sowie Frank Hilbrich. Sein „Vetter<br />

aus Dingsda“ soll im Stil der Zwanziger<br />

Jahre auftreten, begleitet<br />

von zwei unvergessenen<br />

Lieblingen des Bremer Publikums:<br />

Eva Gilhofer und Karsten Küsters.<br />

Für musikalischen Hochgenuss soll der<br />

neue engagierte Florian Ziemen sorgen,<br />

der auch sonst noch die viel beschäftigten<br />

Dirigenten entlasten soll.


Wiederaufnahme: Don Giovanni<br />

Sehr anregend (zumindest nach der Papierform) mischt das Schauspiel Alt<br />

und Neu, Drama und Komödie, Provokantes und Unterhaltsames. Hier dürfen<br />

mehrere junge Regisseure ihre Handschriften zur Diskussion stellen, etwa<br />

Herbert Fritsch mit Hebbels Koloss „<strong>Die</strong> Nibelungen“. Robert Schuster und<br />

Mirja Biel haben im Neuen Schauspielhaus bereits gezeigt, wie sich nach ihrer<br />

Meinung ein Stück für das heutige Publikum aufbereiten lässt. Karsten Dahlem,<br />

ein Newcomer, inszeniert als „Weihnachtsmärchen“ die viel gerühmte<br />

„Ronja Räubertochter“, ein Stück nach Astrid Lindgren, wogegen Dirk Böhling,<br />

sonst zuständig für diese Spezies, den Dauerbrenner „Mein Freund Harvey“ in<br />

Szene setzt.<br />

Erinnerungen an eine große Bremer Theaterzeit werden wach bei der Wiederbegegnung<br />

mit Rainer Werner Fassbinders „In einem Jahr mit 13 Monden“.<br />

Geht es hier um das Schicksal einer Transsexuellen, steht bei Botho<br />

Strauss eine junge Frau im Mittelpunkt, die an der mitmenschlichen Kälte<br />

leidet. „Groß und klein“ war übrigens schon einmal am Goetheplatz zu sehen,<br />

nämlich 1980 in einer Inszenierung von Nicolas Brieger.<br />

Novum im Tanztheater Nordwest: Es wird keine gemeinsame Produktion<br />

mehr geben, doch sollen die einzelnen Abende wie bisher zwischen Oldenburg<br />

und Bremen ausgetauscht werden. Von dort, wo ein neuer Choreograph<br />

die Arbeit aufnimmt, wird nach bisherigen Planungen nur „Triple Bill“ kommen,<br />

ein Tanztheater, von dem gleich drei Autoren genannt werden. Bremen<br />

hingegen listet drei Novitäten auf: „Flash Mob“ von Henrietta Horn, „Trotz/<br />

Suite“ von Emanuel Gat und als einzige neue Arbeit des Bremer „Stammchoreographen“<br />

Urs <strong>Die</strong>trich „Perpetuum mobile“, das allerdings spartenübergreifend<br />

auf der Bühne des Theaters am Goetheplatz uraufgeführt wird.<br />

Das Moks mischt das trefflich gegliederte Angebot wiederum für die Kleinen<br />

und die Größeren in bewährter „Aufmachung“, und die „Jungen Akteure“<br />

nutzen die Plattform mit drei Produktionen, wobei das Projekt „Monster<br />

2011“ mit Jugendlichen aus verschiedenen Bremer Stadtteilen erarbeitet wird.<br />

THEATER BREMEN Spielplan 2010/2011 7<br />

Theater Bremen<br />

Premieren 2011/12<br />

Oper<br />

Richard Strauss Der Rosenkavalier<br />

Piotr Iljitsch Tschaikowsky Mazeppa<br />

Eduard Künneke Der Vetter aus Dingsda<br />

Giacomo Puccini Madama Butterfly<br />

Wolfgang Amadeus Mozart Idomeneo<br />

Jörn Arnecke Kryos<br />

Guus Ponsioen Drei alte Männer wollten<br />

nicht sterben<br />

Georg Bizet Carmen<br />

Schauspiel<br />

William Shakespeare Was ihr wollt<br />

Lukas Bärfuss <strong>Die</strong> Reise von Klaus und<br />

Edith durch den Schacht zum Mittelpunkt<br />

der Erde<br />

Botho Strauss Groß und klein<br />

nach Astrid Lindgren Ronja Räubertochter<br />

Mary Chase Mein Freund Harvey<br />

Friedrich Hebbel <strong>Die</strong> Nibelungen<br />

Ein neues Stück (UA)<br />

Ödön von Horváth Glaube Liebe Hoffnung<br />

Martin Crimp Angriff auf Anne<br />

Rainer Werner Fassbinder In einem Jahr<br />

mit 13 Monden<br />

George Tabori Mein Kampf<br />

Henrik Ibsen Ein Volksfeind<br />

Tanztheater<br />

Henrietta Horn Flash Mob (UA)<br />

Emanuel Gat Trotz / Suite (UA)<br />

Urs <strong>Die</strong>trich Perpetuum Mobile (UA)<br />

Arco Renz, Iztok Kova und Omar Rajeh:<br />

Triple Bill (UA)<br />

Moks<br />

Dennis Kelly DNA<br />

Theo Fransz Für ewig und hundertmillionen<br />

Tage (UA)<br />

Guus Kuijer Wir alle für immer zusammen<br />

Wajdi Mouawad <strong>Die</strong> Durstigen<br />

Junge Akteure<br />

Steffen Hildebrandt, Arne Mües<br />

Das Haus (UA)<br />

Tina Müller Ich kann zaubern, ehrlich<br />

wahr (UA)<br />

Stückentwicklung – Schauspielprojekt mit<br />

Jugendlichen aus verschiedenen Stadtteilen:<br />

Monster 2011 (UA)


8 THEATER BREMEN Hans-Joachim Frey<br />

<strong>Die</strong> <strong>„Marie</strong> <strong>Antoinette“</strong> war sein<br />

Schicksal. Jedenfalls in seiner Funktion<br />

als Generalintendant des Theater<br />

Bremen. Nach dem finanziellen Misserfolg<br />

des Musicals zog Hans-Joachim Frey<br />

im August 2009 persönlich die Konsequenzen<br />

und bat die Stadt Bremen um eine vorzeitige<br />

Beendigung seines seit 2007 laufenden<br />

Vertrages zum Ende dieser Spielzeit.<br />

Für foyer hat Peter Schulz mit dem scheidenden<br />

Intendanten gesprochen.<br />

Ihre Arbeit in Bremen weist zahlreiche<br />

künstlerische Glanzpunkte auf. Ich denke<br />

insbesondere an die Wagner-Oper „Ri-<br />

enzi“,<br />

an „Gegen<br />

die<br />

Wand“,<br />

aber auch an dreimal Rossini oder „Norma“.<br />

Doch das alles, so hat es den Anschein,<br />

zählt in vielen Augen nicht mehr…<br />

Stimmt, alles wird überschattet von einem<br />

einzigen Stück, das im übrigen künstlerisch<br />

ein voller Erfolg war und immerhin<br />

zum „Musical des Jahres“ gewählt wurde.<br />

Aber die Intendanz in Bremen war – das<br />

zeigen die Beispiele meiner Vorgäner – immer<br />

ein Pulverfass der Polarisierung, immer<br />

mit vielen Emotionen verbunden. Hier<br />

gibt es eine große Bürgerschicht mit der<br />

Sehnsucht nach sinnlichem, aber zugleich<br />

die Forderung nach politischem Theater;<br />

hier wird leider auch rasch eine Schublade<br />

aufgezogen. So war es bei <strong>„Marie</strong> <strong>Antoinette“</strong>,<br />

das trotz seines hohen Niveaus als<br />

kompletter Misserfolg abgestuft wurde. Auf<br />

der anderen Seite konnte ich – Sie nannten<br />

das Stichwort – mit „Rienzi“ eine ausgesprochen<br />

selten gespielte Oper realisieren,<br />

wobei die Urenkelin des Komponisten<br />

Regie führte. Wo gab es so etwas schon zuvor?<br />

Trotzdem wurde „Rienzi“ als „Event“<br />

abqualifiziert, obwohl es sich um eine völlig<br />

ernsthafte Auseinandersetzung mit dem<br />

Jugendwerk Richard Wagners handelte. Das<br />

empfand ich als<br />

ausgesprochen<br />

schade mit Blick<br />

auf die inhaltliche<br />

Arbeit, die wir hier in den vergangenen Jahren<br />

gemacht haben.<br />

Hinsichtlich des Musiktheaters wage ich<br />

den Satz: Es war kein einziger Flop dabei.<br />

Wobei ein großer Spannungsbogen geschlagen<br />

wurde von – um zwei Beispiele<br />

zu nennen – „Maometto“ bis zu den „Gehetzten“,<br />

also von Tradition zu Avantgarde.<br />

Hat Sie das besonders gereizt?<br />

Das Musiktheater ist bekanntlich meine<br />

künstlerische Heimat, weshalb ich schon<br />

stolz darauf bin, hier drei Uraufführungen<br />

und insgesamt sechs zeitgenössische Wer-<br />

foyer-Gespräch mit dem<br />

scheidenden Generalintendanten<br />

Hans-Joachim Frey<br />

„AUF ZU<br />

NEUEN UFERN“<br />

ke auf die Bühne gebracht zu haben. Dazu<br />

kamen „Ausgrabungen“ wie die Zemlinsky-Stücke,<br />

„Gegen die Wand“ oder eben<br />

„Rienzi“. Daneben galt mein Streben der<br />

Pflege gewisser Repertoireteile, die bisher<br />

weniger gespielt wurden, also das Belcanto.<br />

Das führte zum Rossini-Zyklus, zu Bellini<br />

und zur Kooperation mit dem Pesaro-<br />

Festival etwa in Sachen „Maometto“.<br />

Ein bisschen Intendanten-Glück gehört<br />

aber auch dazu, oder?<br />

Hinsichtlich des Musiktheaters wage ich<br />

den Satz: Es war kein einziger Flop dabei.<br />

Für mich ist es allerdings fatal, dass alles<br />

am finanziellen Ergebnis von <strong>„Marie</strong> <strong>Antoinette“</strong><br />

gemessen wird, was schließlich<br />

zum Vertragsende führte, wobei der Vergleich<br />

mit anderen aktuellen Theaterereignissen<br />

etwa in Lissabon oder Moskau interessant<br />

ist: Dort wurde aus künstlerischen<br />

Gründen entlassen. Ich kenne wenige Beispiele,<br />

wo dies aufgrund finanzieller Erträge<br />

geschah, wobei ich noch einmal betone:<br />

Es war meine Entscheidung zu gehen. Ein<br />

Klaus Pierwoß hätte dies in meiner Situation<br />

sicher nicht getan, der hätte gekämpft<br />

bis heute. Übrigens war die finanzielle Situation<br />

des Bremer Theaters zu seiner Zeit<br />

damals ebenso kritisch, wenn nicht sogar<br />

schlimmer als heute.


10 THEATER Wut und Wiege<br />

ZERPLATZTE<br />

TRÄUME<br />

Als sich der Vorhang im Theater<br />

am Leibnizplatz öffnet, sehen wir<br />

sechs Personen in einem Gewirr<br />

aus Rollkisten, Kleiderständer mitsamt<br />

Kleidern, Kühlschrank, Stahlgerüst und<br />

hinten einem kleinen Podium. Das Ganze<br />

wirkt unfertig, ein „work in progress“.<br />

Sind wir bei Pirandello? Suchen hier sechs<br />

Personen einen Autor? <strong>Die</strong> Personen sind<br />

die Schauspielerinnen Svea M. Auerbach,<br />

Janina Zamani, Beate Weidenhammer,<br />

die Schauspieler<br />

Tim<br />

D. Lee und<br />

Markus Seuß sowie der Musiker Thorsten<br />

zum Felde. Sie haben gemeinsam mit dem<br />

Regisseur Torsten Krug „Wut und Wiege“<br />

mit dem Untertitel „Ein Stück Revolution<br />

aus Musik“ erarbeitet und auf die Bühne<br />

gebracht.<br />

„Ein Stück Revolution aus Musik“<br />

„Wut und Wiege“ ist kein Theaterstück, es ist<br />

vielmehr ein inszenierter Liederabend ohne<br />

sinnfällige Handlung im eigentlichen Sinne.<br />

Ein Liederabend ist ein durchaus kühnes<br />

Unterfangen, denn es singen eben Schauspieler,<br />

und wenn sie sich beispielsweise an<br />

Schumanns „Ich grolle nicht“ wagen, geht<br />

das gründlich schief. Bei anderen Songs,<br />

die eher dem Poplager zuzuschlagen sind,<br />

funktioniert es besser, deren Melodien sind<br />

im Schnitt auch einfacher komponiert.<br />

<strong>Die</strong> Klammer, die den Abend zusammenhalten<br />

soll, sind zwei Pophits. Mit „Let<br />

me entertain you“ von Robbie Williams<br />

geht er los, mit „The show must go on“<br />

von Queen endet er. Das weist auf einen<br />

lockeren Abend hin, ein Showspaß mit<br />

Scherz, Satire und ohne tiefere Bedeutung.<br />

Titel und Untertitel dagegen sprechen eine<br />

andere Sprache, scheinen<br />

auf erhellende Erkenntnisse<br />

zu zielen, deuten<br />

auf Gewichtiges. Solche Momente gibt es<br />

tatsächlich, als Markus Seuß die Übrigen<br />

bei dem unschuldig grausamen Volkslied<br />

„Auf einem Baum ein Kuckuck saß“ auf die<br />

Disziplin des Chorsingens konditioniert<br />

(wer aus der Reihe tanzt, wird niedergemacht),<br />

sie schließlich bei Atemübungen<br />

immer wieder erstarren lässt, während er<br />

ein Zahlenwerk über das exemplarische<br />

globale Dorf herunterrattert.<br />

Das hat durchaus etwas Bedrohliches, das<br />

Gruppenzwangsprozesse vorführt, die die<br />

Truppe schließlich sich kämpferisch im<br />

Marschtritt bei „Brüder, zur Sonne, zur<br />

Freiheit“ an der Rampe versammeln lässt.<br />

Shakespeare Company präsentiert Liederabend<br />

„Wut und Wiege“ und bittet<br />

wieder zum Festival im Bürgerpark<br />

Text: Christian Emigholz<br />

Aus diesem zwanghaft „eingenordeten“ Kollektiv<br />

bricht nur Beate Weidenhammer aus,<br />

die überhaupt mehrfach an diesem Abend<br />

gemeuchelt wird. Sie wandelt sich später<br />

zu einer Art RAF-Terroristin, die allerdings<br />

als Waffe einen überdimensionierten Fisch<br />

auf die Revolutionsunwilligen richtet, will<br />

sagen, sie ist zur Öko-Terroristin geworden.<br />

Hier blitzt so etwas wie Handlung auf, verliert<br />

sich aber bald wieder.<br />

<strong>Die</strong> andere Seite sind eher lustig ironische<br />

Lieder wie Funny van Dannens „Schilddrüsenunterfunktion“.<br />

Tim D. Lee trägt<br />

es gekonnt vor, und mit den Textzeilen<br />

„Ich hatte sogar Sympathie für Umsturz<br />

und Revolution, doch es war Schilddrüsenunterfunktion“<br />

sind wir sogar beim<br />

Thema Revolution. Sie wird hier aber als<br />

bloße Fehlfunktion abgetan, während der<br />

Beatles-Song „Revolution“ sie grundsätzlich<br />

in Frage stellt, und beim Gustav-Song<br />

„Rettet die Wale“ alle Hoffnung auf Veränderung<br />

einem lakonisch beliebigen Ton<br />

gewichen ist. So helfen nur noch Träume<br />

wie die Arie „Nessun dorma“ aus Puccinis<br />

„Turandot“ oder das bittere „Der Traum ist<br />

aus“ von Ton Steine Scherben. Insgesamt<br />

ist es weniger ein Abend über Revolution,<br />

als vielmehr einer über zerplatzte Träume.


Zum 15. Mal im Park<br />

Der lockere Spruch „Ich glaub’, ich bin im Wald“ ist bei Shakespeares<br />

„Wie es euch gefällt“ Wirklichkeit geworden, denn die Handlung spielt<br />

vor allen Dingen ebendort. So betrachtet ist diese Komödie idealer<br />

Auftakt für den 15. Theatersommer „Shakespeare im Park“, denn<br />

schließlich ist die Melcherswiese rundum von den Bäumen des Bürgerparks<br />

umstanden. Am 25. August eröffnet die Shakespeare Company<br />

mit „Wie es euch gefällt“ dort ihre Freiluftsaison. Einen Abend<br />

später spielt schon wieder der Wald eine einigermaßen wichtige Rolle,<br />

wenn nämlich bei „Macbeth“ der Wald von Birnam plötzlich Beine<br />

bekommt und scheinbar auf die Burg des Mörders zumarschiert. Jörg<br />

Steinbergs Inszenierung streicht das Martialische und Blutige des<br />

Stückes drastisch und in eindrucksvollen Bildern heraus.<br />

Wieder leichter und lustiger wird es am 27. August bei „Ende gut, alles<br />

gut“. Hier geht es um die verschmähte Liebe der Helena zu Bertram,<br />

der vor ihr flieht, aber – wie der Stücktitel schon verrät – am Schluss<br />

ist dann doch alles in<br />

Butter. „Ich glaub’, ich bin im Wald“<br />

So glimpflich geht<br />

es, einen Abend später, bei „Julius Cäsar, Cleopatra, Antonius“, einer<br />

speziellen Kombination der Company von gleich zwei Shakespeare-<br />

Stücken, selbstverständlich nicht ab. Hier sind, historisch belegt, die<br />

Titelhelden schließlich tot, und nicht alle erst am Ende.<br />

Das Finale von „Shakespeare im Park“ am 29. August ist dann wieder<br />

leicht und locker: „Ein Königreich für einen Ball“ ist quasi noch einmal<br />

ein Nachschlag zur Fußball-WM. Vom Ensemble und Regisseur<br />

Jörg Steinberg entwickelt, erwachen hier zahlreiche Shakespeare-<br />

Figuren zum Leben und liefern sich einen erbitterten Kampf (um<br />

den Ball) in neunzig Minuten plus Nachspielzeit. <strong>Die</strong> beiden letzten<br />

Abende auf der Melcherswiese beginnen bereits um 18 Uhr, ansonsten<br />

ist die Anfangszeit 19.30 Uhr, wie auch im Theater am Leibnizplatz<br />

üblich.<br />

THEATER Shakespeare im Park 11


12 THEATER BREMERHAVEN Spielplan 2010/11<br />

Stadttheater Bremen<br />

Spielplan 2010/11<br />

Musiktheater<br />

Benjamin Britten Peter Grimes<br />

Leonard Bernstein On the Town<br />

Giacomo Puccini Tosca<br />

Emmerich Kálmán <strong>Die</strong> Csárdásfürstin<br />

Henry Purcell / Herzog Dido und Aeneas<br />

Béla Bartók Blaubarts Burg<br />

Wolfgang Amadeus Mozart Così fan Tutte<br />

Giuseppe Verdi Un Giorno di Regno<br />

Ballett<br />

Sergei Vanaev/Peter I. Tschaikowsky<br />

Das Nussknackerspiel<br />

Sergei Vanaev Amon-Ra<br />

Sergei Vanaev Rotkäppchen und der<br />

böse Wolf<br />

Ballett Extra<br />

Junge Choreographen im TiF Ego-Zoo-<br />

ming<br />

Ballett-Gala<br />

Schauspiel<br />

Großes Haus<br />

Sophokles König Ödipus<br />

Friedrich Schiller Maria Stuart<br />

Patrick Schimanski Prima Klima UA<br />

John von Düffel nach Thomas Mann<br />

Buddenbrooks<br />

Kleines Haus<br />

nach Ilija Trojanow <strong>Die</strong> Welt ist groß und<br />

Rettung lauert überall<br />

nach John Buchan und Alfred Hitchcock<br />

<strong>Die</strong> 39 Stufen<br />

Dirk Laucke Alter Ford Escort dunkelblau<br />

Gerhard Meister<br />

Ein Text für Bremerhaven UA<br />

In der Stadt<br />

nach Sten Nadolny <strong>Die</strong> Entdeckung der<br />

Langsamkeit<br />

Theaterprojekt von Lukas Matthaei<br />

Verzögerte Heimkehr<br />

nach Franz Kafka Amerika<br />

Internationales Theaterfestival<br />

Odyssee: Heimat<br />

Kinder- und Jugendtheater<br />

Tina Müller Türkisch Gold<br />

nach Erich Kästner Pünktchen und Anton<br />

Ulrich Hub Der dickste Pinguin vom Pol<br />

Heiner Kondschak Das Schätzchen der<br />

Piratin<br />

Lorenz Hippe Sonjas Entscheidung<br />

Stadttheater Bremerhaven stellt in der Spielzeit<br />

2010/11 den Bezug zur Seestadt heraus<br />

Text: Karin Hiller<br />

ÖFFNUNG NACH<br />

AUSSEN<br />

Ein Spielzeitheft in klaren Farben und<br />

neuem Design, eine junge, vor Ideen<br />

sprühende Mannschaft unter dem<br />

neuen Intendanten Ulrich Mokrusch, ein<br />

Spielplan mit innovativem Ansatz – was<br />

will man mehr? Das neue Leitungsteam<br />

des Stadttheaters hat sich vorgenommen,<br />

der Stadt Bremerhaven ein neues kulturelles<br />

Selbstbewusstsein zu geben.<br />

In den Theaterproduktionen und vor allem<br />

in Projekten, die unter dem Oberbegriff „In<br />

der Stadt“ an speziell ausgewählten Orten<br />

stattfinden, wird der Bezug zur Seestadt<br />

gesucht. So wird ein Stück über das Leben<br />

des Polarforschers John Franklin nach Nadolnys<br />

Roman „<strong>Die</strong> Entdeckung der Langsamkeit“<br />

als theatrale Museumsführung<br />

ins Schiffahrtsmuseum gebracht und eine<br />

Bühnenfassung von Kafkas „Amerika“ im<br />

Auswandererhaus zu sehen sein.<br />

Das Theater stellt sich seiner sozialen und<br />

gesellschaftlichen Verantwortung und<br />

wird sich mehr nach außen öffnen. Man<br />

will verstärkt mit anderen kulturellen Institutionen<br />

zusammenarbeiten, Menschen<br />

aus Kultur und Wissenschaft zusammenbringen<br />

und aktiv an der Zukunftsgestaltung<br />

der Stadt mitwirken. Außerdem soll,<br />

so Mokrusch, das Thema Schule massiv in<br />

den Fokus gerückt werden.<br />

<strong>Die</strong> Spielzeit startet mit einer musikalischen<br />

Herausforderung: Brittens Operndrama<br />

des Außenseiters „Peter Grimes“, in<br />

dem expressive Orchesterzwischenspiele<br />

das Meer in seiner Naturgewalt zum Tosen<br />

bringen. Spannenden Hörgenuss verspricht<br />

ein Opernabend mit im tonalen<br />

Kontext extrem unterschiedlichen Werken:<br />

Purcells „Dido und Aeneas“ und Bartóks<br />

„Herzog Blaubarts Burg“.<br />

Ballettchef Sergei Vanaev bringt die Geschichte<br />

vom „Nussknacker“ in seiner Version<br />

etwas anders als gewohnt auf die<br />

Bühne, hält sich dabei aber genau an die<br />

Originalmusik von Tschaikowsky. Ein experimentelles<br />

Stück mit zeitgenössischer<br />

Musik ist „Amon-Ra“, in dem Vanaev sich<br />

der Lebensgeschichte des Pharaos Echnaton<br />

nähert. Musikalisch leichter und ein<br />

bisschen verrückt ist das Kinderballett<br />

„Rotkäppchen“.<br />

Das Schauspiel schlägt den Bogen von den<br />

Anfängen des Theaters mit Sophokles’<br />

„Ödipus“, bis zu neuen Texten wie „Alter<br />

Ford Escort dunkelblau“ von Dirk Laucke,<br />

einem der erfolgreichsten jungen Autoren<br />

der Gegenwart. In der Uraufführung des<br />

Musikers und Komponisten Patrick Schimanski<br />

„Prima Klima“, einer musikalischen<br />

Expedition entlang des Längengrades<br />

8 Ost, wird Bremerhaven als Stadt der<br />

Klimaforschung im Mittelpunkt stehen.


In Bremerhaven neigt sich eine Ära dem<br />

Ende zu. Peter Grisebach, seit 16 Jahren<br />

leitender Intendant des Stadttheaters,<br />

stellt sich noch einmal neuen Herausforderungen<br />

und verlässt die Seestadt<br />

am Ende der Spielzeit. Damit geht – so<br />

Verwaltungsdirektor Jürgen Ahlf – „ein<br />

verlässlicher Partner“, der er „in den 16<br />

Jahren der gemeinsamen Leitungsverantwortung<br />

als überaus kompetenten Theaterfachmann<br />

mit hoher Sachkompetenz<br />

in allen künstlerischen Entscheidungen<br />

und auch in allen administrativen und organisatorischen<br />

Angelegenheiten kennen<br />

und schätzen gelernt“ habe.<br />

Jürgen Ahlf muss es wissen: Zusammen<br />

packten sie die Sanierung des Großen Haus<br />

an, das 2000 mit einer hochmodernen<br />

Bühnentechnik, die manches andere Theater<br />

in den Schatten stellt, feierlich wieder<br />

eröffnet wurde. <strong>Die</strong> Renovierung des Kleinen<br />

Hauses folgte einige Jahre später.<br />

Im Musiktheater inszenierte Grisebach<br />

auch selbst. Neben den erfolgreichen großen<br />

romantischen Opern bleiben moderne<br />

Produktionen wie Bergs „Lulu“ und Reimanns<br />

„Melusine“ in bester Erinnerung.<br />

<strong>Die</strong> drohende Schließung der Ballettsparte<br />

wusste Grisebach zu verhindern und<br />

rettete damit das Dreispartenhaus. Jungen<br />

Choreographen wie Ricardo Fernando,<br />

Intendant Peter Grisebach verlässt<br />

das Stadttheater Bremerhaven<br />

Text: Karin Hiller<br />

DREI KONZERTE<br />

ZUM ABSCHIED<br />

Jörg Mannes und Sergei Vanaev gab er die<br />

Chance und die Zeit, ihren eigenen choreographischen<br />

Stil mit einem kleinen Ensemble<br />

zu entwickeln.<br />

Auf Wunsch von Peter Grisebach kam im<br />

Jahr 2000 Generalmusikdirektor Stephan<br />

Tetzlaff nach Bremerhaven, der die umfassende<br />

Fachkenntnis seines Intendanten<br />

lobt: „Er weiß immer, wovon er spricht,<br />

und man kann sich auf sein Urteil verlassen.<br />

Und er hat es geschafft, junge talentierte<br />

Sänger zu entdecken und ans Haus<br />

zu binden.“<br />

Das letzte Sinfoniekonzert der Spielzeit<br />

(21., 22. und 23. Juni) widmet Tetzlaff dem<br />

scheidenden Intendanten. Neben dem Vorspiel<br />

zur Oper „Es war einmal“ von Zemlinsky<br />

und einer Suite von Karl-Rudi Griesbach<br />

(!) wird auch ein Stück aus Richard Strauss’<br />

„Rosenkavalier“ zu hören sein. „Das war unsere<br />

in jeder Hinsicht erfolgreichste gemeinsame<br />

Produktion“, schwärmt Tetzlaff.<br />

Gute Wünsche für die Zukunft nimmt Peter<br />

Grisebach sicher gerne entgegen. Seine<br />

Aufgabe als Generalintendant des Landestheaters<br />

Schleswig-Holstein wird ihn<br />

bis an die Grenzen des Machbaren fordern.<br />

Das Theater, das sich in schweren finanziellen<br />

Nöten befindet, muss saniert werden.<br />

Da bleibt nur zu sagen: viel Glück und einen<br />

optimistischen Blick nach vorne!<br />

THEATER BREMERHAVEN Peter Grisebach 13<br />

Ballettgala „Spitzen-Tanz“<br />

Bereits zum dritten Mal bietet das Stadttheater<br />

den Ballettfans eine hochkarätige Gala<br />

mit ausgewählten Gästen aus der internationalen<br />

Ballettszene. Heinz Spoerli schickt<br />

Tänzer aus Zürich, das Scapino Ballet Rotterdam<br />

ist ebenso dabei wie Tänzer aus Berlin,<br />

Essen, Saarbrücken und Wiesbaden. Zu<br />

sehen gibt es Ausschnitte aus klassischen<br />

Choreographien, aber auch modernen, athletischen<br />

Ausdruckstanz. Sergei Vanaev und<br />

seine Bremerhavener Compagnie präsentieren<br />

zwei neue, speziell für diesen Abend<br />

choreographierte Stücke.<br />

29. Mai, 19.30 Uhr, Stadttheater, Großes<br />

Haus<br />

Lange Nacht der Kultur<br />

An 35 verschiedenen Orten der Stadt gibt<br />

es am 5. Juni in der „Langen Nacht der Kultur“<br />

Außergewöhnliches zu sehen und zu<br />

hören: klassische oder jazzige Musik in<br />

den Kirchen und auf den Straßen, die Tuareg<br />

im Klimahaus, Improvisationstheater<br />

zum Mitmachen und vieles mehr. Unter<br />

der fachkundigen Leitung von Profitänzern<br />

kann man Salsa oder Tango lernen, im<br />

Dock der Rickmers Lloyd Werft verzaubert<br />

das Theater „Feuervogel“ mit Licht und<br />

Tanz. Das Stadttheater, die Musikschule,<br />

Museen und Galerien öffnen ihre Türen für<br />

ein besonderes Programm in dieser Nacht<br />

der unbegrenzten Möglichkeiten und der<br />

kulturellen Begegnungen.<br />

5. Juni, ab 17 Uhr<br />

Comedy bis zum Abwinken<br />

Zwei Brüder, ein Programm. Und was für<br />

eins! Denn „Irgendwas is’ immer“. Podewitz<br />

– der Deutsche Meister im Drumrum-Reden<br />

und sein unmusikalischer<br />

Bruder – präsentieren 90 Minuten kopfloses<br />

Koma-Plauschen und Flatrate-Palaver,<br />

warnen vor Haustürgeschäften mit Kirchenvertretern<br />

und zeigen eine echt islamistische<br />

Modenschau. Ihr Motto: „Wer<br />

jetzt noch Fragen hat, darf sie behalten!“<br />

19. August, 20 Uhr, Theater im Fischereihafen


14 THEATER BREMERHAVEN Rolf Becker<br />

Bremerhaven.<br />

Erleben und staunen.<br />

Ankerplatz für Kreuzfahrtschiffe und andere<br />

„dicke Pötte“ der Weltmeere, Schiffbau<br />

auf den Werften, ein modernes Containerterminal<br />

als Umschlagsplatz im<br />

internationalen Warenverkehr – in Bremerhaven<br />

weht noch der Wind einer echten<br />

Seestadt. Der größte Fischereihafen<br />

des Kontinents ist Zentrum der Fischverarbeitung,<br />

daneben wachsender Standort<br />

für die Lebensmittelindustrie und Biotechnologie<br />

<strong>Die</strong> „Sail Bremerhaven 2010“ wirft bereits<br />

seine Schatten voraus. Vom 25. - 29. August<br />

2010 ist die Seestadt wieder Treffpunkt zahlreicher<br />

stolzer Windjammer aus aller Herren<br />

Länder. Attraktive Törnangebote von der<br />

Halbtages- über Tagesfahrten bis hin zu<br />

Mehrtagestörns werden auf unterschiedlichsten<br />

Segelschiffen angeboten. Ganzjährig<br />

bietet die Seestadt ihren Besuchern attraktive<br />

Sehenswürdigkeiten wie das neu<br />

eröffnete Klimahaus® Bremerhaven 8° Ost,<br />

das Deutsche Auswandererhaus, das Deutsche<br />

Schiffahrtsmuseum, Führungen Havenwelten<br />

– Gestern tritt Heute, den Hafen-<br />

Bus, das Historische Museum Bremerhaven/<br />

Morgenstern-Museum u. v. m..<br />

Das „Stadttheater Bremerhaven“, ein klassisches<br />

Dreispartenhaus, genießt einen<br />

ausgezeichneten Ruf, ebenso die „Kunsthalle<br />

Bremerhaven“, das weltweit renommierte<br />

„Kabinett für internationale<br />

Kunst“, das neu eröffnete Kunstmuseum<br />

Bremerhaven und das lebendige „Theater<br />

im Fischereihafen“ (TiF). Zur regen Bremerhavener<br />

Kulturszene zählen auch die<br />

Kleinkunstbühne „Pferdestall“ und kleine<br />

Galerien: das „Paul-Ernst-Wilke-Haus“,<br />

die „Galerie 149“, die „Paul Galerie“.<br />

Im überregional anerkannten „Capitol“<br />

sind regelmäßig die Größen der deutschen<br />

Kabarett-, Comedy- und Satireszene zu<br />

Gast. Ob „Internationale Meisterkonzerte“,<br />

Gospel-Konzerte oder Mönchs-<br />

Gesänge: Musikfreunde finden ihr Programm<br />

in der „Großen Kirche“ und in der<br />

Christuskirche.<br />

Lassen auch Sie sich von der kulturellen<br />

Vielfalt der „Welt am Meer“ begeistern.<br />

Wir freuen uns auf Ihren Besuch!<br />

BIS Bremerhaven Touristik<br />

H.-H.-Meier-Straße 6 (Hafeninsel)<br />

27568 Bremerhaven<br />

Tel.: 04 71 / 41 41 41<br />

Fax: 04 71 / 9 46 46 190<br />

touristik@bis-bremerhaven.de<br />

www.bremerhaven-tourism.de<br />

Rolf Becker liest „Kleiner<br />

weißer Vogel“ im TiF<br />

Text: Karin Hiller<br />

UNENDLICHE WELT<br />

DER FANTASIE<br />

Was wäre das Leben ohne die Fantasie,<br />

ohne die vielen fantastischen<br />

Bücher, die den Alltag vergessen<br />

lassen, den Gedanken Flügel verleihen und<br />

in ferne Welten versetzen? Unter den Autoren<br />

fantastischer Romane nimmt der schottische<br />

Schriftsteller und Dramatiker James<br />

Matthew Barrie einen besonderen Platz ein.<br />

Sein Bühnenstück „Peter Pan oder der Junge,<br />

der nicht erwachsen werden wollte“, das<br />

1904 uraufgeführt wurde, war so erfolgreich,<br />

dass Barrie es bald darauf auch in einer<br />

Prosaversion veröffentlichte. Seitdem<br />

lesen und lieben Kinder wie Erwachsene<br />

auf der ganzen Welt die Geschichte von Peter<br />

Pan und seinen Abenteuern in Nimmerland,<br />

dem Land der Fantasie, in dem Kinder<br />

nicht erwachsen werden.<br />

Zum 150. Geburtstag von J. M. Barrie ist<br />

jetzt dessen Buch „Kleiner weißer Vogel“<br />

erstmalig in deutscher Sprache erschienen.<br />

Erzählt wird die Geschichte des einsamen<br />

Captain W., der sich im Park mit<br />

einem Jungen anfreundet und mit ihm<br />

zusammen die fantastischen Abenteuer<br />

des Peter Pan erfindet. <strong>Die</strong>ser sehr persönliche,<br />

fast autobiographische Roman<br />

geht zurück auf die Freundschaft Barries<br />

mit der Familie Llewelyn-Davies und seine<br />

Erlebnisse mit ihren vier Kindern und<br />

war auch Basis für den mehrfach preis-<br />

gekrönten Film „Finding Neverland“ mit<br />

Johnny Depp und Kate Winslet in den<br />

Hauptrollen. Barrie, der Kinder über alles<br />

liebte, blieb selbst kinderlos und vermachte<br />

alle Rechte an seinen Büchern, Filmen<br />

und Theaterstücken einem Londoner<br />

Kinderkrankenhaus.<br />

Der Schauspieler Rolf Becker nahm den<br />

runden Geburtstag von J. M. Barrie zum<br />

Anlass für eine Lesereise, auf der er Barries<br />

Roman „Kleiner weißer Vogel“ im TiF in<br />

Bremerhaven vorstellt und damit Einblicke<br />

gibt in die Entstehungsgeschichte des Kinderbuchklassikers<br />

„Peter Pan“. Becker, ein<br />

in zahlreichen Projekten sozial und politisch<br />

stark engagierter Mensch, versteht es<br />

mit seiner Erfahrung als Schauspieler und<br />

Synchronsprecher wie kein anderer, seine<br />

tiefe, markante Stimme einzusetzen, um<br />

die Zuhörer mitzunehmen in die unendliche<br />

Welt der fantastischen Geschichten.<br />

Wie Barrie liegt auch Rolf Becker das Wohl<br />

der Kinder sehr am Herzen. Noch als 65jähriger<br />

adoptierte der bereits vierfache Vater<br />

mit seiner Frau einen kleinen Jungen, der<br />

schwer vermittelbar war und keine Chance<br />

auf eine Zukunft in einer Familie gehabt<br />

hätte.<br />

Lesung mit Rolf Becker am 26. Mai im<br />

Theater im Fischereihafen


UTOPIE DER<br />

MENSCHLICHKEIT<br />

Eine selten aufgeführte musikalische<br />

Rarität ist Kurt Weills Bühnenstück<br />

„Der Silbersee“, ein poetisches Musikdrama,<br />

eine Art modernes Märchen,<br />

das Weill selbst als „Musikalisches Theater“<br />

bezeichnete. Kurz nach der Machtergreifung<br />

Hitlers 1933 zeitgleich in Leipzig,<br />

Magdeburg und Erfurt uraufgeführt,<br />

wurde dieses Genre übergreifende Stück<br />

von den Nationalsozialisten als „musiktheatralischer<br />

Bastard“ verfemt und noch<br />

im selben Jahr verboten. Es war die letzte<br />

Arbeit Weills vor seiner Flucht zunächst<br />

nach Paris, später nach Amerika.<br />

Jetzt ist die gelungene Synthese aus Oper<br />

und Schauspiel mit dem Text des expressionistischen<br />

Dramatikers Georg Kaiser,<br />

die geprägt ist durch Kurt Weills charakteristischen<br />

Kompositionsstil, in Bremerhaven<br />

zu sehen. Obwohl das Stück soziale<br />

und politische Themen wie Arbeitslosigkeit<br />

und Wirtschaftskrise anspricht, hebt<br />

die Regisseurin Sarah Kohrs in ihrer Inszenierung<br />

die mystischen und märchenhaften<br />

Elemente hervor. Denn das Stück<br />

verfolgt eine Utopie, den Wunsch, dass jeder<br />

Mensch Sensibilität für den anderen<br />

entwickeln kann.<br />

Arm und Hunger leidend haust der arbeitslose<br />

Landarbeiter Severin in einer Moor-<br />

„Der Silbersee“ von Kurt Weill beschließt die<br />

Spielzeit in Bremerhaven<br />

Text: Karin Hiller<br />

hütte am Silbersee. In seiner Not überfällt<br />

er zusammen mit anderen Leidensgefährten<br />

ein Lebensmittelgeschäft. Doch<br />

er stiehlt kein Brot, sondern nur eine Ananas.<br />

„Ein Genussmittel“, registriert der Polizist<br />

Olim, der den flüchtenden Severin<br />

durch einen Schuss schwer verletzt. Durch<br />

einen Lotteriegewinn zu Reichtum gelangt,<br />

nimmt der von schlechtem Gewissen<br />

geplagte Olim den <strong>Die</strong>b bei sich auf und<br />

pflegt ihn. Doch Severin sinnt auf Rache<br />

und Olim beginnt<br />

sich vor ihm<br />

zu fürchten. Aber<br />

Zorn und Angst<br />

sind die beiden<br />

Zorn und Angst sind die beiden<br />

Leidenschaften, die das Elend<br />

begründen<br />

Leidenschaften, die das Elend begründen.<br />

Aus eigener Kraft lernt Olim seine Angst zu<br />

besiegen und Severin überwindet seine Rachegefühle.<br />

Aus Feinden werden Freunde.<br />

Georg Kaiser sah die Aufgabe des Theaters<br />

in der Darstellung menschlichen Verhaltens.<br />

Während Brecht in seinen Stücken<br />

immer wieder die Frage nach dem besten<br />

politischen System stellte, fragte sich Kaiser,<br />

wozu der Mensch selbst in der Lage ist,<br />

was er ändern und bewirken und wo er Verantwortung<br />

übernehmen kann. So lässt er<br />

Olim sagen: „Ich bin niemals stark genug,<br />

eine bessere Weltordnung durchzudrücken,<br />

so widme ich mich dem Einzelnen.“<br />

THEATER BREMERHAVEN Der Silbersee 15<br />

Weills rhythmische und ausdrucksstarke<br />

Musik verstärkt die Aussagen des Stücks<br />

und charakterisiert die Personen. Den Lotterieagenten<br />

führt er mit einem eingängigen<br />

Tango ein. Marcel Zaba lässt in seiner<br />

eher kargen Ausstattung Raum für<br />

die Fantasie des Zuschauers: „Alles soll<br />

schwebend bleiben, zur Gedankenarbeit<br />

anregen, Assoziationen wach rufen.“<br />

Durch widrige Umstände verarmt und auf<br />

ihre nackte Existenz<br />

zurückgeworfen, suchen<br />

Olim und Severin<br />

den Freitod im Silbersee.<br />

Doch wie durch<br />

ein Wunder friert der See mitten im Sommer<br />

zu und weist ihnen den Weg in die<br />

Zukunft. „Olim und Severin haben ein<br />

Schicksal zu schultern, das sie nicht gewählt<br />

haben“, erklärt Sarah Kohrs. „Eigentlich<br />

wollten sie den Freitod. Sie haben die<br />

Pflicht, etwas zu tun, eine schwere Aufgabe<br />

zu bewältigen. Sie sollen verkünden,<br />

was Menschsein bedeutet. <strong>Die</strong>se Aufgabe<br />

kommt nicht von Gott, sondern aus dem<br />

Kern des Menschen heraus.“ Der vereiste<br />

See bedeutet Hoffnung, es gibt eine positive<br />

Perspektive. So heißt es am Schluss:<br />

„Wer weiter muss, den trägt der Silbersee.“<br />

Premiere am 22. Mai im Großen Haus.<br />

Musikalische Leitung: Richard Fletcher


16 THEATER OLDENBURG Spielplan 2010/11<br />

UMBAU ALS CHANCE<br />

Generalintendant Markus Müller über den<br />

Spielplan des Oldenburgischen Staatstheaters<br />

Text: Michael Pitz-Grewenig<br />

Am Oldenburgischen Staatstheater<br />

knistert es mal wieder im Gebälk,<br />

aber diesmal ist das wörtlich<br />

zu nehmen. Das große Haus muss dringend<br />

renoviert werden. Toll ist, dass dafür<br />

die finanziellen Mittel bereitgestellt werden.<br />

Aber noch toller ist, dass Generalintendant<br />

Markus Müller und sein Ensemble<br />

den Umbau als Chance zur Erspielung<br />

neue Räume und Plätze verstehen, etwa<br />

in der Halle 10 auf dem ehemaligen Fliegerhorst.<br />

Wirft man einen Blick in das neue Programmheft,<br />

so keimt die begründete Hoffnung,<br />

dass auch während der neuen Spielzeit<br />

mit ihren vielen Unabwägbarkeiten,<br />

die der räumlichen Situation geschuldet<br />

sind, wieder ein Theater gezeigt wird, das<br />

nicht nur sein Geld wert ist (das der Gesellschaft)<br />

oder auch den Phantasieeinsatz<br />

seiner Macher, sondern es auch wert ist,<br />

besucht zu werden (vom Publikum). Der<br />

Philosoph Georg F. Hegel sprach im Hinblick<br />

auf segensreiche Wirkungen, die unbeabsichtigt<br />

sind, von der „List der Vernunft“,<br />

auch von der „List der Natur“.<br />

Vielleicht gibt es auch eine „List der baulichen<br />

Veränderungen.“<br />

Ob der große Umbau auch ein Glücksmoment<br />

dafür sein kann, dass sich das Staatstheater<br />

Oldenburg noch mehr in die Region<br />

integriert, darüber sprachen wir mit<br />

dem Generalintendanten Markus Müller.<br />

Im neuen, optisch sehr gelungenen Programmheft<br />

zur neuen Spielzeit kommen<br />

Sie fast ins Schwärmen, ob der neuen<br />

Möglichkeiten. Sie zitieren sogar Goethe,<br />

dessen Werther im fiktiven Ort Wahlheim<br />

sein Glück sucht. Ein schöner Vergleich,<br />

aber wollen Sie sich auch am Ende dieser<br />

für das Ensemble wie für den Intendanten<br />

schwierigen Spielzeit das Leben nehmen?<br />

Glücklicherweise unterscheidet uns von<br />

Goethes Werther, dass wir uns nicht in etwas<br />

verliebt haben, das wir nicht erreichen<br />

können… Und die intensive Wahrnehmung,<br />

die poetische Kraft und die Leidenschaft,<br />

die Werther durch sein und in<br />

seinem ‚Wahlheim’ entwickelt, finde ich<br />

unbedingt nachahmenswert. Theatertode<br />

werden sicher wieder viele gestorben in<br />

der neuen Saison. Aber wie immer stellvertretend<br />

für uns alle – wir leben darum gerne<br />

weiter.<br />

Scherz beiseite, in Bremen wird darüber<br />

nachgedacht, ob man einen Generalintendanten<br />

überhaupt noch benötigt. Ist das<br />

noch ein Traumjob?<br />

Das Schöne an meinem Beruf ist, dass ich<br />

als „Ermöglicher“ Kunst entstehen sehe<br />

und dadurch meinen Beitrag dazu leisten<br />

darf. Künstlern den Raum zu geben (in der<br />

nächsten Spielzeit lässt sich das ziemlich<br />

wörtlich verstehen), den sie brauchen, um<br />

gutes Theater zu machen, ist eine sehr befriedigende<br />

Aufgabe. Kein Theaterabend<br />

funktioniert ohne sehr intensives Teamwork.<br />

<strong>Die</strong>se Art der Arbeit entspricht mir


Fotos: Mario Dirks<br />

sehr und macht mir viel Freude. Also: Ja,<br />

ein Traumjob.<br />

Standen 2008/09 noch Frauengestalten<br />

im Mittelpunkt der Programmgestaltung,<br />

war es 2009/10 das Verhältnis Mensch und<br />

Welt, jetzt das Verhältnis Ort – Existenz.<br />

Können Sie das bitte erläutern?<br />

Während, oder besser weil die Welt immer<br />

unübersichtlicher wird, wird der Raum um<br />

uns herum immer wichtiger für uns. Was<br />

Soziologen „Cocooning“ getauft haben, benennt<br />

die Sehnsucht nach Halt, Orientierung<br />

und Übersichtlichkeit in einer Zeit, in<br />

der von jedem Einzelnen höchste Flexibilität<br />

verlangt wird. Plötzlich erfahren Begriffe<br />

wie Heimat, Zuhause etc. eine enorme<br />

Aufwertung. Auch ein Theater ist ein<br />

definierter Raum, in dem wir uns mit Hilfe<br />

des Bühnengeschehens unserer selbst vergewissern,<br />

uns – bewusst oder unbewusst<br />

– als Teil einer bestimmten Kulturtradition<br />

begreifen und in der Auseinandersetzung<br />

damit ihr zuordnen. Der vorübergehende<br />

Umzug auf unsere Ersatzspielstätte,<br />

der neue Raum und die Umbruchsituation<br />

bestimmen also selbstverständlich auch<br />

den Spielplan. In der Oper allein durch die<br />

Größe der Halle, die auch die großen Stoffe<br />

– wie „Tosca“, „<strong>Die</strong> Walküre“ oder Händels<br />

Oratorium „Saul“ – fordert, im Schauspiel<br />

geht es um Auf- und Umbrüche in<br />

eine neue Epoche, ein neues Leben oder<br />

am Vorabend des Krieges – in Tschechows<br />

„Kirschgarten“ etwa oder Shaws „Haus<br />

Herzenstod“ oder in der Uraufführung von<br />

Marc Beckers „Aus der Mitte der Gesellschaft“.<br />

<strong>Die</strong> Figuren in diesen und vielen<br />

anderen Produktionen suchen nach einem<br />

Ort für sich, im Leben, in der Gesellschaft,<br />

in der Familie. Sie ängstigen sich vor dem<br />

Neuen oder wagen es. Und sie lassen uns<br />

daran teilhaben.<br />

Seit dem Beginn Ihrer Intendanz ist die inhaltliche<br />

Attraktivität des Staatstheaters<br />

stetig gestiegen. Man kann durchaus von<br />

einem künstlerischen Erfolg sprechen! Gilt<br />

dies auch unter ökonomischem Aspekt?<br />

Wir haben unser Einnahmesoll bislang in<br />

jeder Spielzeit erreicht. Auch mit den Besucherzahlen,<br />

die natürlich von vielen Variablen<br />

wie Großveranstaltungen, Open Airs<br />

etc. abhängen, sind wir sehr zufrieden.<br />

Zurück zum attraktiven Programm der<br />

neuen Spielzeit. Es fällt auf, dass es im Bereich<br />

Musiktheater und Schauspiel überaus<br />

spannend zugeht. Welche Produktionen<br />

liegen Ihnen besonders am Herzen?<br />

Natürlich freue ich mich sehr auf die großen<br />

Klassiker in der außergewöhnlichen<br />

Umgebung unserer „Wahlheimat“ auf dem<br />

Fliegerhorst. Besonders am Herzen liegen<br />

mir aber immer die Produktionen, die<br />

ganz unberechenbar sind, bei denen wir<br />

völlig auf die Künstler vertrauen, mit denen<br />

wir teilweise schon lange zusammen<br />

arbeiten oder die wir neu für Oldenburg<br />

entdecken. Dass ich außerdem gespannt<br />

die Produktionen unseres leitenden Regisseurs<br />

K. D. Schmidt und unseres Haus-<br />

THEATER OLDENBURG Spielplan 2010/11 17<br />

autors und -regisseurs Marc Becker erwarte,<br />

versteht sich von selbst.<br />

Auch das musikalische Programm der<br />

Sinfoniekonzerte und der Kammerkonzerte<br />

ist überaus attraktiv: Werken unter<br />

anderem von Boris Blacher, Salvatore Sciarrino,<br />

Lugi Nono, Uraufführungen. Befürchten<br />

Sie nicht, dass da das Musikpublikum<br />

zu Hause bleibt?<br />

Wir freuen uns in der laufenden Spielzeit<br />

über auffallend stark gestiegene Besucherzahlen.<br />

Offensichtlich gibt es hier<br />

ein Publikum, das genau diese Spielplangestaltung<br />

annimmt und gern kommt. Ich<br />

mache mir darum über diesen Punkt gar<br />

keine Sorgen.<br />

Letzte Frage: Welche Änderung sind nach<br />

dem Umbau zu erwarten?<br />

Es wird eine komplett neue, elektronisch<br />

gesteuerte Obermaschinerie eingebaut,<br />

sämtliche Handzüge werden durch Maschinenzüge<br />

ersetzt. Außerdem wird der<br />

Orchestergraben vergrößert und der Zuschauerraum<br />

saniert. Im gesamten Gebäude<br />

werden alle Wasserleitungen erneuert,<br />

im Zuge dessen werden auch die Besuchertoiletten<br />

saniert und ihre Anzahl verdoppelt.<br />

Und das Probengebäude in der<br />

ehemaligen Helene-Lange-Schule wird<br />

ebenfalls grundständig saniert und mit einem<br />

Anbau versehen. Alles enorme Verbesserungen<br />

für Mitarbeiter und Publikum<br />

und ein gutes Fundament für eine sichere<br />

und fruchtbare Zukunft des Staatstheaters!


18 THEATER IN NORDEN Opernpremieren<br />

Opernpremieren an norddeutschen<br />

Theatern<br />

Text: Simon Neubauer<br />

<strong>Die</strong> Gehetzten, Foto: Jörg Landsberg<br />

VON POESIE BIS GROTESKE<br />

Theater Bremen<br />

„<strong>Die</strong> Gehetzten“<br />

„<strong>Die</strong> Gehetzten“, das sind natürlich wir.<br />

Wir getriebenen und deshalb umtriebigen<br />

Zeitgenossen, die sich heutzutage auf diesem<br />

Erdenball tummeln und die „Wahrheit“<br />

suchen, also den Sinn eines Lebens,<br />

das sie mehr oder minder selbstschuldig<br />

demontieren. Aber Bernd Redmann, dessen<br />

Opernfarce diesen Titels im Neuen Schauspielhaus<br />

Bremen uraufgeführt wurde,<br />

nimmt das alles nicht so ernst, wählt für<br />

das sich oft auch absurd gebärdende Gegenwartsdasein<br />

die Form der Burleske, in<br />

der sich selbst Leben und Tod schrill und<br />

schräg präsentieren lassen.<br />

Ausgerechnet ein blinder Bettler führt<br />

durch das Kaleidoskop des Wesens und<br />

Wirkens, ein Mann also, der nichts sieht,<br />

aber gehörgeschädigt die mitunter brüllend<br />

lauten Tagesverläufe wahrnimmt und<br />

sie für uns zu übersetzen versucht. Gleich<br />

geht es mit einer tödlich endenden Beziehungskiste<br />

zwischen Billy und Sheila los,<br />

Zeitungen verdienen sofort die Makulatur,<br />

die holde, verführerisch süß flötende<br />

Miss Netzwerk treibt die Leute in die Euphorie<br />

und ein Aufmarsch der Menschen<br />

aus verschiedenen Epochen offenbart,<br />

dass es früher auch nicht anders, nur primitiver<br />

war: Man bringt sich gegenseitig<br />

um, Schlagworte zerplatzen wie Seifenblasen,<br />

die neue Kunst hat überhaupt keine<br />

Wirkungschancen, Börsenmakler durchstehen,<br />

wenn auch mühsam, ein radikales<br />

Mobbing, und wenn schon der Gedanke<br />

an Sterben und Tod aufglimmt, wirken die<br />

tänzelnden Gerippe nur fröhlich.<br />

Vielfältig wie das bunte Geschehen ist<br />

auch Redmanns Musik, ein polytonales,<br />

ein stilistisches Mixtum compositum, das<br />

über Posaunengrundierung glitzert und<br />

zirpt, im Vokalen von Arioso über Parlando,<br />

Rapperpalaver, Schlagervarianten,<br />

mystifizierende Choräle und dann wieder<br />

sehr komplexe Klangsounds zusammenfügt.<br />

Für die Bremer Philharmoniker,<br />

die hinter einer Blechmauer zwar unsichtbar<br />

und trotzdem sehr differenziert musizieren,<br />

überhaupt kein Problem, zumal Dirigent<br />

Tarmo Vaask das Klanggeschehen<br />

suggestiv auffaltet. Großes Lob auch für<br />

den Chor des Bremer Theaters, der Gesang<br />

und selbst ungewöhnliche Darstellungsformen<br />

ausgezeichnet beherrscht.<br />

Kay Kuntze, der Regisseur, hat die Vorlage<br />

genau verstanden und häuft deshalb Stil-


20 THEATER IM NORDEN Opernpremieren<br />

Opernpremieren an norddeutschen Theatern<br />

Text: Simon Neubauer<br />

re Partien nahe, etwa den Octavian im „Rosenkavalier“,<br />

den sie zu Beginn der nächsten<br />

Spielzeit singen wird.<br />

Zu den sehr erfreulichen Entdeckungen<br />

zählte Leonardo Ferrando (Graf Almaviva),<br />

der mit seinem licht und klangfrisch geführten<br />

Tenorino an den jungen Carreras<br />

erinnerte, nachdem er, noch etwas lampenfiebrig,<br />

die Eröffnungs-Kavatine absolviert<br />

hatte. Und die andere Überraschung:<br />

Alberto Albarrán, eben noch der Masetto<br />

im „Don Giovanni“, ist jetzt ein liebenswürdig<br />

pfiffiger Figaro mit einem Schelmenbariton,<br />

dem Farbe und Volumen noch<br />

zuwachsen werden.<br />

Weitere Positiva der mit beifallsreichem<br />

Wohlgefallen aufgenommenen Schmonzette:<br />

Der behände Männerchor des Bremer<br />

Theaters und Agnes Selma Weiland als<br />

keineswegs verhuschte, weil selbstbewusste<br />

und dabei wohllautend singende Haushälterin<br />

Berta.<br />

Zusatz der Redaktion: Für Freunde traditioneller<br />

Opernaufführungen sehr zu empfehlen.<br />

Staatsoper Hamburg<br />

„Trilogie der Frauen“<br />

Zwei Tragödien und dazwischen eine Satire:<br />

Schwere, den Hörer stark in die Pflicht<br />

nehmende Szenefolgen offeriert die Hamburgische<br />

Staatsoper als „Trilogie der<br />

Frauen“: Zwei dieser Frauen mittleren Alters<br />

rekapitulieren in Endstationen ihr Leben,<br />

sehr schmerzhaft, sehr aufwühlend<br />

in Klage und utopischer Hoffung. Auch<br />

ihre Klanggewänder sind höchst konträr<br />

geschneidert, denn Arnold Schönberg<br />

und Wolfgang Rihm fanden für ähnliche<br />

Schicksale unüberbrückbare Gegensätze.<br />

Doch die dirigierende Hausherrin Simone<br />

Young und ein potent besetztes Staatsorchester<br />

fanden das jeweils richtige, kräftige,<br />

weil deutend pointierte und auch psychologisch<br />

stützende Farbregister.<br />

Allerdings mochte man mit den Inszenierungen<br />

von Matthew Jocelyn nicht immer<br />

übereinstimmen, weil er – zumindest in<br />

den beiden Rahmenstücken des Abends –<br />

das geheimnisumdüsterte Geschehen ins<br />

knallig Konkrete übersetzte und so dem<br />

Einakter weitgehend die Spannung raubte.<br />

<strong>Die</strong> Frau, die in Schönbergs „Erwartung“<br />

während einer nächtlichen Wande-<br />

„Trilogie der Frauen“<br />

rung durch den Wald ihr erschütterndes<br />

Seelendrama preisgibt, ist hier jedoch bereits<br />

in der Klapsmühle eines Hochsicherheitstrakts<br />

gelandet, wo nicht mehr lang<br />

der elektrische Stuhl auf sie wartet.<br />

<strong>Die</strong> andere in den Dschungel ihrer Gefühle<br />

verstrickte Frau in „Das Gehege“ von Wolfgang<br />

Rihm schleudert ihre in hektische<br />

Frustrationen eingebundene Anklagen<br />

nicht etwa gegen einen stummen Adler,<br />

sondern nach der Deutung des englischen<br />

Regisseurs an einen gelangweilten Mann,<br />

der sich im Gerippe des Riesenvogels eingenistet<br />

hat. Aber in beiden Fällen sorgen<br />

die Protagonistinnen für beklemmenden<br />

vokalen Furor: Deborah Polaski beherrscht<br />

anscheinend mühelos in Klang und Artikulation<br />

Schönbergs Zwölftonsprache;<br />

Hellen Kwon beglaubigt mit ihrem leuchtenden<br />

Sopranglanz die menschliche Legitimation<br />

der Rihmschen Klangarkaden.<br />

<strong>Die</strong> Frau im uraufgeführten „Le Bal“ ist von<br />

ganz anderer Statur und wesentlich einfacherem<br />

Geiste. Als ziemlich zickige Neureiche<br />

lädt sie die gesamte Hautevolee ihrer<br />

Umgebung zum festlichen Abend ein,<br />

aber keiner kommt, weil die pubertierende,<br />

noch immer als Kind behandelte Tochter


Wir können schnell von<br />

schneller unterscheiden.<br />

Schnell sind wir natürlich immer. Doch für die wirklich dringenden<br />

Sendungen unserer Kunden brechen wir gern auch mal Rekorde.<br />

Dazu stehen bei Hellmann ständig spezielle Hochleistungsdienste in<br />

den Startlöchern. Wenn’s darauf ankommt, gewinnen Sie souverän<br />

jeden Wettlauf mit der Zeit.<br />

www.hellmann.net<br />

THINKING AHEAD – MOVING FORWARD


22 THEATER IM NORDEN Opernpremieren<br />

Samson und Dalila<br />

Opernpremieren an norddeutschen Theatern<br />

Text: Simon Neubauer<br />

alle Einladungen in den Müll geworfen hat.<br />

Das unterhaltsame Stück mit der gestisch<br />

und stimmungsvoll unterstreichenden Musik<br />

von scar Strasnoy lebte überwiegend<br />

vom nervigen Porträt, das Miriam Gordon-<br />

Stewart der Hauptakteurin inmitten eines<br />

differenziert zeichnenden kleinen Ensembles<br />

mit parodierender Wonne vermittelt.<br />

Stadttheater Bremerhaven<br />

„Samson und Dalila“<br />

Kann man ein religiöses Drama, das sich<br />

laut Bibel vor mehreren tausend Jahren abgespielt<br />

hat, in einen aktuellen Nahost-<br />

Thriller verwandeln? Man kann, jedenfalls<br />

versuchte es Stefan Heinrichs, als er<br />

„Samson und Dalila“ inszenierte, die einzige<br />

Oper von Camille Saint-Saëns, von der<br />

man meist nur das schmeichelnde Duett<br />

„Sieh, mein Herz erschließt sich dir“ kennt.<br />

Da stehen sich nun also zwei in Religion,<br />

Kultur und Gesellschaft höchst verschiedene<br />

Völker gegenüber, nach der Bibel die unterdrückten<br />

Juden und die ihre Gewaltherrschaft<br />

rigoros ausübenden Philister. Geht<br />

man jetzt von der Kostümierung im Bremer-<br />

havener Stadttheater aus, sind aber die verhärmt<br />

flehenden, ihren Allah anbetenden<br />

Moslems die Gefangenen, die Juden, genauer<br />

die Israeli, herrschen, militärisch bestens<br />

ausgerüstet, als Besatzer. Ist also Israel der<br />

Feind und der Iran der Freund?<br />

Natürlich kann man bei solchen Konstellationen<br />

nicht mehr erwarten, dass in Samsons<br />

langem Haar das Geheimnis seiner<br />

ungeheuren Kraft verborgen liegt. Sie würde<br />

ihm auch nichts nützen, als er von der<br />

Zuneigung heuchelnden Dalila in Feindeshand<br />

und in den öden Kerker gerät.<br />

Er mag danach trachten, sich als Selbstmordattentäter<br />

zu betätigen, aber, verurteilt<br />

von einer Art Volksgerichtshof, bleibt<br />

ihm, weil bomben- und waffenlos, nur eine<br />

andere Rache: Er betet zu Gott und dieser<br />

Gott schickt ein Flugzeug, das sich wie<br />

im September 2001 in einen New Yorker<br />

World Trade Tower stürzt. Und da gehen<br />

dann alle unter, das juxig feiernde, Luftschlangen<br />

werfende, in Abendrobe und<br />

mit Karnevalshütchen Polonäse tanzende<br />

Volk ebenso wie das Komplott-Paar Mullah<br />

(Oberpriester) und Dalila, die gar nicht<br />

früh genug mit ihrem „Führungsoffizier“<br />

den Beischlaf vollziehen kann.<br />

Der Schluss mit dem von welchem Gott<br />

auch immer gesandten Vernichtungs-Flugzeug<br />

war aber den Premierenbesuchern<br />

dann doch zuviel: es reagierte mit einem<br />

in diesem Haus lange nicht mehr vernommenen<br />

Buhsturm, wobei mancher Frust<br />

wegen mangelnder Personenführung der<br />

Geheimdienstler, Partisanen und Waffenträger<br />

mitschwingen mochte.<br />

Manolito Mario Franz kämpfte sich mutig<br />

durch die eigentlich einen differenzierten<br />

Charakter erfordernden Aufgaben Samsons,<br />

wobei ihm das eherne Höhenregister<br />

besser glückte als die Geschmeidigkeit des<br />

Liebenden. Zdravka Ambric gab mit üppig<br />

fließendem, aussagestarken Mezzo der Dalila<br />

die deutlich geforderte Raffinesse und<br />

eine Portion Hohn. Kai-Moritz von Blanckenburg<br />

machte mit Bassesschwärze aus<br />

dem Hohepriester einen Gewaltmenschen.<br />

Starken Eindruck hinterließen die bewegten<br />

Chöre der Guten und der Bösen. Stephan<br />

Tetzlaff dirigierte wie stets mit Hingabe,<br />

wobei sich allerdings immer wieder<br />

auch pauschal geformter Klang in die aufrauschenden<br />

Wogen mischte, das Lyrische<br />

hingegen hatte Duft und Zärtlichkeit.


Il Viaggio a Reims<br />

Staatsoper Hannover<br />

„Il Viaggio a Reims“<br />

Aktueller kann Theater nun wirklich nicht sein. Gioacchino Rossini hat einst<br />

in seiner köstlichen Oper „Il Viaggio a Reims“ feine Herrschaften aus verschiedenen<br />

Ländern in einem französischen Kurort versammelt, von dem<br />

aus sie zur Krönung Karl X. weiter reisen wollten. Aber welch grand malheur:<br />

Es sind keine Kutschen aufzutreiben, man sitzt fest.<br />

Matthias Davids hat selbstverständlich das Geschehen in die Gegenwart<br />

verlegt: ebenso markante wie signifikante Typen des internationalen Jetset<br />

treffen in der Lounge eines großen Flughafens (Marina Hellmann) ein,<br />

bleiben aber im Transit dort hängen, weil das Flugzeug erst Verspätung hat,<br />

dann leuchtet auf dem Monitor das Wörtchen „cancelled“ auf und das Management<br />

bedauert: Weiterreise vorderhand nicht möglich.<br />

In der Premiere an der Staatsoper Hannover wurde dieser wohlbekannte Zustand<br />

mit Amüsement aufgenommen, doch in der von mir besuchten dritten<br />

Vorstellung hing die Vulkanasche über halb Europa, kein Flugzeug durfte<br />

starten , die Opernhandlung war also Gegenwart geworden. War man nicht<br />

direkt betroffen, so konnte man wenigstens im Fernsehen beobachten, welche<br />

Szenen sich auf den Airports abspielten.<br />

Hier nun trafen feine Leute aus mehreren Herren Ländern aufeinander, Typen<br />

mit Macken und Marotten, die dem Regisseur eine Fülle an Material<br />

lieferten, um einen überaus kurzweiligen, zudem hübsch parodierenden<br />

Abend zu entwickeln, dessen Vergnügen sich enorm steigerte, weil alle<br />

14 Solisten mit Verve spielten und – zum größten Teil – auch erstklassig sangen.<br />

Und nicht zuletzt: Gregor Bühl am Dirigentenpult, ein launig aufgelegtes<br />

Orchester und der wie immer putzmuntere Chor schöpften den Melodienschatz<br />

Rossinis bis zur Neige aus.<br />

THEATER IM NORDEN Opernpremieren 23


24 KOLUMNE<br />

Nachgedacht:<br />

Text: Stephan Cartier<br />

ALLES IN ORDNUNG<br />

Der Mensch wird in den Lehrbüchern<br />

der Anthropologie als „Jäger und<br />

Sammler“ geführt. Nicht als „Sucher<br />

und Finder“; in diesen Disziplinen hat er<br />

evolutionsgeschichtliche Defizite. Deswegen<br />

schätzte der Mensch so sehr die Ordnung.<br />

Wer einen Beleg hierfür möchte,<br />

muss in den Supermarkt. Denn hierhin<br />

geht man nicht, um Dinge zu kaufen, sondern<br />

um sie zu suchen.<br />

Außerhalb des Supermarktes gibt es einen<br />

gütigen Gott, Hegels Weltgeist oder die universale<br />

Vernunft, die diese Ordnung schafft.<br />

Im Laden herrscht allein der Filialleiter.<br />

Sollte es einen Beweis dafür geben, dass die<br />

Ordnung unseres Lebens eben doch von<br />

Menschen gemacht wird, dann ist er hier zu<br />

finden. Wenn man bei der Suche Glück hat.<br />

Das wird besonders deutlich, wenn der<br />

Proband in einem neuen Laden stöbert,<br />

wo völlig unbekannte Ordnungssystematiken<br />

und Begriffe von Kundenführung existieren.<br />

Im fremden Kaufland werden selbst<br />

Himbeersirup oder eine Packung Semmelbrösel<br />

zum Prüfstein für die Ordnung der<br />

Dinge in dieser Welt. Denn beide Waren<br />

werden nicht mutwillig in diesem Labyrinth<br />

der Gänge und Regale von einem bösen<br />

Geist versteckt. Der Laden will ja verdienen,<br />

und das Personal antwortet auf<br />

Fragen gewissenhaft.<br />

Sirupe – die stehen bei den Brotaufstrichen<br />

und Marmeladen. Schließlich werden sie in<br />

der Regel zum Frühstück oder Abendbrot<br />

konsumiert. Kriterium für diese Ordnung<br />

wären also der soziale Kontext und die Verwendung<br />

des Produkts. Am bezeichneten<br />

Platz angekommen, wird man enttäuscht,<br />

findet nur Waldmeistersirup, Erdbeersirup<br />

und einige andere Geschmacksrichtungen<br />

mehr. Also wird die Anfrage präzisiert:<br />

Himbeersirup ist gesucht. Ach, so – exotische<br />

Fruchtgetränke stehen bei den Säften.<br />

Wahrscheinlich, so mutmaßt man, weil<br />

dort die teureren Trinkprodukte konzentriert<br />

sind. Entscheidend für die Einordnung<br />

wäre also der Wert der Ware.<br />

Semmelbrösel vermutet man in der Nähe<br />

der Brotwaren – der gemeinsamen Herkunft<br />

wegen. Man kann es aber auch nach seinem<br />

pulvrigen Aggregatzustand ins Regal ordnen,<br />

und zu den Instant-Produkten legen.<br />

Davon ist man jedenfalls in diesem Laden<br />

hier felsenfest überzeugt, wie nach einer<br />

Viertelstunde des Herumirrens klar wird.<br />

All diese Standortbegründungen machen<br />

auf ihre Weise Sinn. Und weil dies so ist,<br />

steht am Ende eines Einkaufes, der für zehn<br />

Produkte des alltäglichen Verzehrs fast<br />

die Dauer eines Fußballspiels in Anspruch<br />

nahm, die Erkenntnis, dass nur ein einziges<br />

Prinzip die Ordnung im Supermarkt über<br />

alle Grenzen des Wissens, der sozialen Herkunft<br />

und religiösen Gestimmtheit hinweg<br />

garantieren kann: das Alphabet.<br />

<strong>Die</strong> großartige Idee der Enzyklopädisten<br />

des 17. und 18. Jahrhunderts, das Wissen<br />

durch eine ganz und gar willkürliche Systematik<br />

der Buchstabenfolge zugänglich<br />

zu machen, hat ihren Erfolg über mehr als<br />

300 Jahre hinweg bewiesen. <strong>Die</strong> neuzeitliche<br />

„Ordnung der Dinge“, von der Michel<br />

Foucault so bestechend schrieb, bestand<br />

eben darin, ohne Rücksicht auf sachliche<br />

Zusammenhänge, die Worte von den Gegenständen<br />

zu trennen, die sie bezeichnen.<br />

Was neue Möglichkeiten schafft: „Wenn<br />

aber die Sprache nicht mehr unmittelbar<br />

den Dingen ähnelt, die sie bezeichnet, ist<br />

sie dennoch nicht von der Welt getrennt.<br />

In einer anderen Form ist sie weiterhin der<br />

Ort der Enthüllungen und hat teil an dem<br />

Raum, in dem die Wahrheit sich gleichzeitig<br />

manifestiert und äußert“, versprach<br />

Foucault.<br />

In der Demokratie der Dinge ständen im<br />

Supermarkt die Dosen mit „Linsensuppe“<br />

direkt neben der Mundspülung „Listerine“<br />

und das „Bier“ neben dem Bratfett „Biskin“.<br />

All diese Produkte würden keinerlei<br />

Verwandtschaften im Gebrauch, der Herkunft<br />

oder der Verwendung mehr haben, –<br />

aber man könnte sie einfach finden.<br />

Auch das Verfassen von Einkaufszetteln<br />

und deren Abarbeitung wäre so ein Kinderspiel.<br />

Kein Hinundherlaufen mehr, sondern<br />

einfach nach dem Alphabet geordnet,<br />

könnte man die Liste vom Eingang, wo sich<br />

der Aal findet, bis zum Zucker kurz vor der<br />

Kasse abarbeiten.<br />

Zu guter Letzt hätte dieses lexikalische<br />

Prinzip im Supermarkt der gedruckten Enzyklopädie<br />

sogar noch etwas voraus. Ist<br />

eine Ware ausverkauft oder fehlt sie ganz<br />

im Sortiment, kann sie im Regal schnell<br />

aufgefüllt oder ergänzt werden. Wer aber<br />

hätte schon im „Großen Brockhaus“ oder<br />

der „Encyclopaedia Britannica“ ein Recht<br />

auf jedes Wort dieser Welt. Für fehlende<br />

oder beschädigte Begriffe gibt es hier leider<br />

keinen Schadensersatz.


BOULEVARD<br />

Weh’ dem, der lügt!<br />

„Indiskret“ hieß die Hollywood-Komödie<br />

von Stanley Donen, in der 1958 Cary Grant<br />

und Ingrid Bergmann brillierten. Sie gibt<br />

darin die berühmte Schauspielerin Anna,<br />

die sich in Paris in Philip, den ebenso charmanten<br />

wie eloquenten Anwärter auf einen<br />

NATO-Posten verliebt. Einziges Hindernis:<br />

Er gibt vor, verheiratet zu sein, was sich allerdings<br />

als glatte Lüge entpuppt. „Rache ist<br />

süß“, denkt sich Anna und verpflichtet einen<br />

wildfremden Mann mit allerdings dürftigem<br />

schauspielerischem Talent, damit er<br />

Philips vermeintlichen Nebenbuhler mimt.<br />

Ganz ähnlich ist die „Gefechtslage“ in der<br />

Boulevard-Komödie „Rache ist süß“, die im<br />

Waldau-Theater zu sehen ist. Barbara Begerow<br />

steht als Marcia Hornbeam auf der<br />

Bühne. <strong>Die</strong> hat ein kleines Problem, denn<br />

sie hat ihren Göttergatten mit einem verheirateten<br />

Mann betrogen. Das bleibt auch<br />

der eifersüchtigen Ehefrau nicht verborgen,<br />

die damit droht, noch am selben Abend<br />

Marcias gehörntem Ehemann alles brühwarm<br />

zu erzählen. Doch dann fällt der seitensprungfreudigen<br />

Marcia ein, dass die<br />

Gattin ihres Geliebten gar nicht weiß, wie<br />

Mr. Hornbeam eigentlich aussieht.<br />

Da kommt nun der bislang eher glücklose<br />

Schauspieler Walter ins Spiel. Der ehemalige<br />

Angestellte der städtischen Gaswerke, der<br />

sich mit einem Anstreicher-Job über Wasser<br />

hält, hofft auf die Rolle seines Lebens,<br />

indem er Mr. Hornbeam mimt. Doch bald<br />

wird sich zeigen: „Weh’ dem, der lügt!“ Denn<br />

seine schauspielerischen Qualitäten lassen<br />

zu wünschen übrig.<br />

Bis Ende Mai im Waldau-Theater<br />

Text: Sigrid Schuer<br />

Ruf’ mich an!<br />

„Nur nicht aus Liebe weinen…“ – der Titel<br />

des alten Zarah-Leander-Hits trifft voll und<br />

ganz die Gemütslage von Cora Hübsch, der<br />

Romanheldin aus Ildikò von Kürthys Buch<br />

„Mondscheintarif“. Denn sie stirbt tausend<br />

Tode, als sich der verteufelt attraktive Dr.<br />

Daniel Hoffmann nach der ersten gemeinsamen<br />

Nacht auch am dritten Tag noch<br />

nicht meldet. <strong>Die</strong> Minderwertigkeitskomplexe<br />

beginnen an Cora zu nagen. Denn<br />

die goldene Regel Nummer eins („Ruf’ einen<br />

Mann nie zuerst an, wenn Du mit ihm<br />

im Bett gewesen bist“) wird ihr von angeblich<br />

wohlwollenden Freunden eingeschärft.<br />

Also schwört sich Cora, wirklich niemals<br />

bei Daniel anzurufen.<br />

„Liebe ist das Schönste, was es gibt. Aber<br />

verliebt sein, das ist die Hölle“, heißt es in<br />

der launigen Vorankündigung des Packhaus-Theaters<br />

für die Erfolgs-Produktion<br />

„Mondscheintarif“ mit Boulevard-Star Heidi<br />

Jürgens, die wegen der großen Nachfrage<br />

wieder auf dem Programm steht. Offenbar<br />

können sich Frauen mit dem Gefühlschaos<br />

von Cora Hübsch identifizieren. Männer<br />

finden es dagegen nicht minder interessant,<br />

Einblick in die Mysterien der weiblichen<br />

Seele zu nehmen und zu ergründen,<br />

weshalb Frauen so irrational reagieren,<br />

wenn sie sich verliebt haben. Das ist jedenfalls<br />

den Internetforen zu „Mondscheintarif“<br />

zu entnehmen. So lautet ein Kommentar:<br />

„Ein Meisterstreich! Das Stück macht<br />

wirklich sichtbar, wie Liebe heute läuft!“<br />

Vom 26. bis 30. Mai im Packhaus-Theater<br />

Gestaltung: blaukontor<br />

THEATER Boulevard 25<br />

Zeitlose Tepiche<br />

Mit ihren Pastellfarben in creme<br />

und rot sind diese in klassischer<br />

Musterung gehaltenen Teppiche<br />

die ideale Ergänzung zu Ihrem<br />

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26 MENSCHEN IM FOYER<br />

Wiederaufnahme La Traviata im<br />

Theater Bremen<br />

Fotos: Martin Rospek<br />

Peter Ruzicka, Prof. Dr. Klaus Bernbacher


die 5 Finalisten, die am 24. und 25.10. den letzten Solodurchgang gespielt haben<br />

MENSCHEN IM FOYER 27


28 BUCH UND MUSIK Nach dem Schlussakkord<br />

KUNST DES<br />

AUFHÖRENS<br />

Text: Simon Neubauer<br />

Klavierdeckel zu und alle Fragen offen?<br />

– Keineswegs, denn der Weltklasse-Pianist<br />

Alfred Brendel begab<br />

sich ja nicht in die Reihe der „großen<br />

Schweiger“, als er sich vom Konzertpodium<br />

verabschiedete. Zwar tritt er, wie ausdrücklichbekun-<br />

det, nicht mehr<br />

öffentlich auf, aber<br />

er hält Vorträge,<br />

schreibt Gedichte, sinniert, da oft bedrängt,<br />

über die „Kunst des Aufhörens“<br />

nach – sowohl bei den Studien bestimmter<br />

Werke als auch über das Ende überhaupt.<br />

„Es wird, solange ich lebe, hoffentlich keine<br />

Biografie von mir geben und gewiss keine<br />

Autobiografie.“ <strong>Die</strong>ser Satz steht unmissverständlich<br />

gleich im Vorwort des<br />

Bändchens „Nach dem Schlussakkord“.<br />

Muss man also die Sehnsucht unterdrücken,<br />

viel des Ungesagten, des Ungefragten<br />

im Leben des Menschen und vor allem<br />

des großen Künstlers Alfred Brendel erfahren<br />

zu können? Ganz und gar nicht, denn<br />

gerade diese Neuerscheinung gibt reich-<br />

lich Auskunft, zum Teil in eigenen Äußerungen,<br />

in außerordentlichen, weil tief<br />

in die Substanz dringenden Interviews<br />

und Gesprächen, die Martin Meyer 2006<br />

über „Gedanken zu Leben und Kunst“ und<br />

dann 2008 Andreas Dorschel unter dem Ti-<br />

„Es wird, solange ich lebe, hoffentlich keine Biografie<br />

von mir geben und gewiss keine Autobiografie.“<br />

tel „<strong>Die</strong> Coda ist entzückt“ geführt haben,<br />

sehr fesselnde „Mitteilungen“, die schließlich<br />

Peter Hamm unter dem Thema „Untröstlichkeit<br />

und Trost“ im Nachwort zusammengefasst<br />

hat.<br />

Aber natürlich gibt Brendel, oft gepriesen<br />

als „Philosoph am Flügel“, nicht nur<br />

als „Antwortgeber“ viel sagende Auskunft.<br />

Das Buch enthält Artikel etwa über das<br />

„Hören“, „Erinnerungen eines Musikers an<br />

Isaiah Berlin“ und vor allem etliche seiner<br />

Gedichte, oft skurrile, in Rhythmen gefasste<br />

Absichten, die nicht zuletzt eine total<br />

unvermutete Seite in Brendels Charakter<br />

offenbaren: seine Lust am Witz, zum Ab-<br />

surden, zu Dada. Und wenn er Zeit hat,<br />

schaut er sich gerne die besten Filme von<br />

Buñuel und Chaplin an.<br />

Aber am schönsten für seine unzähligen<br />

Verehrer in aller Welt sind doch Alfred<br />

Brendels Äußerungen über die<br />

Komponisten, über Schubert<br />

zumal, über die späten Sonaten<br />

Beethovens, über die lange<br />

schlummernde Liebe zu Haydn und immer<br />

wieder über Mozart, dessen „Sonaten gut<br />

zu spielen immer noch das Schwierigste<br />

(für Künstler) ist“. Und noch ein Satz, den<br />

sich mancher Kollege ins Stammbuch<br />

schreiben sollte: „Kein Kritiker hat das<br />

Recht, arrogant zu sein.“<br />

Alfred Brendel „Nach dem Schlussakkord“.<br />

Hanser <strong>Verlag</strong> München. 108 Seiten,<br />

12,90 Euro.


MEISTERIN DES<br />

FRAUENAKTS<br />

Gisela Eufe atmet auf. Eben ist der<br />

letzte ihrer „Skywalker“ fertig geworden,<br />

eine ultramarinblaue Figur<br />

aus gegossenem Aluminium, die in Vechta<br />

hoch über den Köpfen der Betrachter aufgestellt<br />

wird. Ähnliche Skulpturen gibt es<br />

bereits in Bremen. Hier hat die Bildhauerin<br />

für den Hemelinger Marktplatz die<br />

Skulpturengruppe „Szenario“ geschaffen,<br />

auch dies blau gefasste Aluminiumgüsse,<br />

die auf Edelstahlsäulen montiert sind.<br />

In fünf Meter Höhe stehen dort Sängerin,<br />

Tänzerin, Applaudierender, Jongleur und<br />

eine Frauenfigur, die im nächsten Moment<br />

runter ins Leben zu springen scheint.<br />

Passen Körper und Bewegung zueinander?<br />

Wie ist die Wirkung im Raum? „Das<br />

Spannende an meiner Arbeit ist die Suche<br />

nach der fertigen Figur“, sagt Gisela Eufe,<br />

die seit 1994 in Worpswede ein Gemeinschaftsatelier<br />

mit Bernd Altenstein hat.<br />

Das funktioniere gut, sagt sie, weil sie sehr<br />

unterschiedlich arbeiten und denken. Geht<br />

es Altenstein immer wieder um die Verschränkung<br />

von Block und Figur, konzentriert<br />

sich Eufe auf Standbilder, meist<br />

weibliche Aktfiguren.<br />

Besessene Suche nach der richtigen<br />

Form: <strong>Die</strong> Bildhauerin Gisela Eufe<br />

Text: Sabine Komm<br />

Foto: Jochen Mönch<br />

<strong>Die</strong> Frau, die so wenig wie möglich von<br />

sich selbst preisgibt, kommt von einem<br />

Hof in Ostfriesland und ist über Umwege<br />

zur Kunst gelangt. Als sie dann in Bielefeld<br />

Textildesign und im Nebenfach auch<br />

Bildhauerei studierte, wurde ihr Talent entdeckt.<br />

Auf Anraten ihres damaligen Professors<br />

wechselte sie zur Hochschule für Künste<br />

in Bremen, um in den Bildhauerklassen<br />

von Waldemar Otto und Bernd Altenstein zu<br />

studieren.<br />

Damals arbeitete Gisela Eufe nach Modellen.<br />

Heute verlässt sich die Bildhauerein<br />

mit den hennaroten Haaren auf ihr Bildgedächtnis.<br />

Während sie ihre Figuren baut,<br />

forscht sie nach neuen Proportionen. Später<br />

experimentiert sie mit Farben. Bei einigen<br />

Frauenakten hat sie Arme und Schuhe<br />

bunt bemalt. Dass die Figuren dadurch<br />

nicht mehr nackt wirken, obwohl sie so<br />

noch nackt sind, interessiert die Künstlerin.<br />

Engel, Tänzerinnen und Reiterinnen<br />

gehören zu ihrem Figurenkosmos. „Ich bin<br />

früher selbst mit dem Pferd über die Weiden<br />

gejagt“, sagt sie. Deshalb habe sie eine<br />

besondere Beziehung zu diesem Thema.<br />

PORTRÄT Gisela Eufe 29<br />

Gisela Eufe arbeitet sehr langsam: „Immer<br />

wieder erfühle ich die Skulptur mit geschlossenen<br />

Augen. Jedes Detail muss durch<br />

meine Hand gegangen sein.“ Von den ersten<br />

„Knet-Skizzen“ bis zum fertigen Werk vergehen<br />

Wochen und Monate. Dass sie ihre<br />

Skulpturen trotzdem als unfertig empfindet,<br />

ist für sie der Anreiz, immer neue Figuren<br />

zu schaffen: „Ich bin geradezu süchtig<br />

danach.“ Seit zehn Jahren habe sie keinen<br />

Urlaub mehr gemacht. Wenn sie zwei, drei<br />

Tage nicht mehr im Atelier gewesen ist, fehlt<br />

ihr etwas.<br />

Neuerdings baut sie Miniaturen, die so<br />

klein sind, dass sie die Gesichter und Münder<br />

mit einer Stecknadel modelliert. <strong>Die</strong><br />

Frage, ob ihre Gipse, Keramiken und Bronzen,<br />

die von winzig klein bis lebensgroß<br />

reichen, Selbstbildnisse sind, kann sie<br />

nicht beantworten. Aber Gisela Eufe weiß,<br />

dass ihre Werke sehr viel von ihrem Innersten<br />

preisgeben: „Meine Figuren zeigen<br />

meine besessene Suche nach der richtigen<br />

Form.“


30 MUSIK Oldenburger Promenade<br />

TANZ AUF<br />

DEM VULKAN<br />

<strong>Die</strong> „mutige, kompetente und selbstlose<br />

Bürgerinitiative“ (so der Laudator<br />

Werner Brinker) erhielt 2009 unter<br />

der Leitung der Oldenburger Pianistin<br />

Elena Nogaeva den Praetorius-Musikpreis<br />

des Landes Niedersachsen. Seit nunmehr<br />

14 Jahren organisiert sie die „Oldenburger<br />

Promenade“. Und auch für dieses Jahr<br />

ist der Truppe für die Wandelkonzerte –<br />

man kann an zwei Tagen drei Konzerte<br />

hintereinander an einem Abend wählen<br />

– in der Lamberti-Kirche, dem Oldenburger<br />

Schlossgarten und im Marmorsaal des<br />

Schlosses bei gleichzeitig feiner kulinarischer<br />

Versorgung viel neues eingefallen;<br />

ohne – ein schier unermesslicher Kraftakt<br />

– öffentliche Gelder.<br />

Vor einigen Jahren war es noch so, dass es<br />

zwar zur Klassik „auch“ Jazzkonzerte oder<br />

Cross-Over-Projekte gab, diese Angebote<br />

aber irgendwie doch als Fremdkörper<br />

wirkten. Doch Elena Nogaeva ist diesen<br />

Weg mit ihren Mitarbeiterinnen<br />

und Mitarbeitern derart konsequent<br />

weitergegangen, dass die stilistische Vielseitigkeit<br />

von Musik diesmal selbst Programm<br />

ist. Und was auch immer man erwartet, es<br />

ist dabei: Vokalmusik aus der Zeit von 1520,<br />

das Modern String Quartett mit Werken von<br />

unter anderem Duke Ellington, angekün-<br />

digt als ein „Tanz auf dem Vulkan“, oder die<br />

Preisträger des Jugendwettbewerbs 2009 mit<br />

großen Werken der Klassik.<br />

Außerdem zu erleben: Ein Orgelkonzert mit<br />

Hansjörg Albrecht, der eine eigene Transkription<br />

der „Bilder einer Ausstellung“ von<br />

Mussorgski vorstellen wird. – Nebenbei:<br />

Auch in Bremen gibt es zwei Transkriptionen<br />

des großen russischen Klavierwerkes,<br />

und zwar von dem schwedischen Organisten<br />

Hans Ola Ericsson am 10. Juni (19 Uhr)<br />

im Bremer Dom und dem Schlagzeuger Olaf<br />

Tzschoppe, der am 22. Januar 2011 in St. Stephani<br />

eine Fassung für Orgel und Schlagzeug<br />

zur Uraufführung bringen wird.<br />

Doch zurück nach Oldenburg: Auf dem<br />

Programm stehen zudem das polnische Filip<br />

Wojciechowski-Trio mit „Classic meets<br />

Jazz“, ein Konzert mit russischen Liedern<br />

und Arien, und<br />

nicht zuletzt der<br />

spannungsvoll<br />

erwartete Auftritt<br />

des berühmten Münchner Bach-Chores<br />

mit zwei der wunderbaren achtstimmigen<br />

Motetten von Johann Sebastian Bach.<br />

Was auch immer man<br />

erwartet, es ist dabei<br />

Dann sind große Namen für die Jazz-Nacht<br />

(5. Juni) zu nennen: Jocelyn B. Smith, Na-<br />

<strong>Die</strong> 14. Oldenburger Promenade bietet<br />

mehr denn je und stabilisiert damit<br />

ihr einzigartiges Programmprofil<br />

Text: Ute Schalz-Laurenze<br />

tascha Osterkorn, Mike Sanchez und Laura<br />

B. <strong>Die</strong> 12 Cellisten der Berliner Philharmoniker<br />

kennt fast jeder Konzertbesucher, etwas<br />

unbekannter ist, dass es auch seit 1993<br />

aus demselben Orchester „<strong>Die</strong> philharmonischen<br />

Geigen Berlin“ gibt. <strong>Die</strong> zehn Geiger<br />

spielen das Eröffnungskonzert am 6.<br />

Juni mit einem Riesenprogramm von Vivaldi<br />

bis Schostakowitsch.<br />

Zudem ist in Kooperation mit dem Staatstheater<br />

Oldenburg noch die ganz selten<br />

gespielte Oper „Aleko“ von Sergej Rachmaninoff<br />

zu hören. Und das traditionelle<br />

Familienfest (ab 6 Jahren) am 13. Juni wird<br />

gestaltet von den Bremer Philharmonikern.<br />

Außerdem werden Schwerpunkt für<br />

zwei Jubilare zu deren 200. Geburtstag gesetzt:<br />

für den poetischen Meister der leisen<br />

Töne, Frédéric Chopin, und einen der letzten<br />

Meister der deutschen Romantik, Robert<br />

Schumann. Als Pianistin spielt Nogaeva<br />

unter anderem ein Chopin-Rezital.<br />

Wer dabei sein möchte, sollte sich beeilen:<br />

Für viele Konzerte gibt es nur noch wenige<br />

Restkarten. <strong>Die</strong> Oldenburger Promenade<br />

findet vom 5. bis 13. Juni 2010 statt. Informationen<br />

unter<br />

www.oldenburger-promenade.de<br />

und Telefon 04 41 - 5 94 92 22.


32 MUSIK Bremer Philharmoniker<br />

Klassik ist uncool – das war einmal.<br />

Inzwischen sind Generalmusikdirektor<br />

Markus Poschner und der<br />

zeitgenössische Komponist Erkki-Sven<br />

Tüür bei vielen Kids mindestens genauso<br />

„angesagt“ wie Eminem oder Sido. Und<br />

das hat gute Gründe: <strong>Die</strong> „Graswurzel-<br />

Arbeit“, mit der die Bremer Philharmoniker<br />

2002/2003 begannen, trägt bereits<br />

reiche Früchte. Als besonderer Coup erwies<br />

sich 2006 die Einrichtung der mittlerweile<br />

mehrfach preisgekrönten Musikwerkstatt<br />

im Bremer Domizil des<br />

Orchesters. Seitdem sind hier Schulklassen<br />

regelmäßig zu Gast – im letzten Jahr<br />

fast 12.000 Kinder -, um Berührungsängste<br />

zur klassischen Musik abzubauen.<br />

Auf die Idee kam Marko Gartelmann, bei<br />

den Bremer Philharmonikern Koordinator<br />

für die Musikvermittlung. Inzwischen<br />

zieht die Musikwerkstatt Interessierte<br />

aus dem gesamten Nordwesten an – nicht<br />

nur Kinder, sondern auch Erwachsene.<br />

Denn neben den Projektwochen, Work-<br />

<strong>Die</strong> Nachwuchsarbeit der Bremer Philharmoniker<br />

trägt reiche Früchte<br />

Text: Sigrid Schuer<br />

shops und Schulaktionen stehen die Türen<br />

der Bremer Philharmoniker allen Altersgruppen<br />

für Probenbesuche und After<br />

Work-Veranstaltungen weit offen. <strong>Die</strong> Projekte<br />

„Nussknacker“ (im Dezember in der<br />

„Glocke“ stürmisch gefeiert) und „Karneval<br />

der Tiere“ wurden gleich an mehreren<br />

Grundschulen mit jeweils 18 Orchestermitgliedern<br />

realisiert.<br />

„Solche Termine sind bei den Musikerinnen<br />

und Musikern sehr beliebt. Da entwickeln<br />

sich richtige Fan-Beziehungen“,<br />

schmunzelt Christian Kötter-Lixfeld, Intendant<br />

der Bremer Philharmoniker. Gemeinsam<br />

mit Marko Gartelmann erkannte<br />

er die Bedeutung der Nachwuchsförderung<br />

und baute sie konsequent zu einer<br />

wichtigen Säule aus. „Allein in der letzten<br />

Saison haben wir hier 200 Veranstaltungen<br />

gehabt. <strong>Die</strong> Musikwerkstatt wurde von 120<br />

Schulen besucht, dazu kamen rund 100<br />

weitere Veranstaltungen“, berichtet Christian<br />

Kötter-Lixfeld. Inzwischen arbeiten<br />

18 Honorarkräfte in der Musikwerkstatt.<br />

TÜÜR IST<br />

Kein Wunder, dass so mancher Filius inzwischen<br />

die Eltern nervt: „Ich will auch<br />

ein Instrument!“ Doch Leihinstrumente<br />

sind speziell an Brennpunkt-Schulen ein<br />

schier unerschwingliches Gut. Deshalb<br />

träumte Marko Gartelmann davon, Schulen<br />

mit einem Instrumentenfundus auszustatten.<br />

Denn die Verfügbarkeit ist eine<br />

ganz entscheidende Voraussetzung für das<br />

Erlernen von Instrumenten.<br />

Insofern ist für den Musiker, der viel Herzblut<br />

in die Projektarbeit investiert hat,<br />

ein absoluter Wunschtraum in Erfüllung<br />

gegangen. Denn der Reeder Niels Stolberg,<br />

mit seiner Beluga-Flotte und für sein<br />

nachhaltiges, gesellschaftliches Engagement<br />

weit über die Grenzen der Hansestadt<br />

hinaus bekannt, sichert über mehrere<br />

Jahre hinweg mit einer erheblichen<br />

Sponsorensumme die umfassende musikalische<br />

Ausbildung an den Bremer<br />

Grundschulen „Ellenerbrookweg“ und<br />

„Am Pulverberg“, die beide in Stadtteilen<br />

liegen, in denen ein Großteil der Eltern-


„ANGESAGT“ WIE SIDO<br />

schaft finanziell nicht eben auf Rosen gebettet<br />

ist.<br />

<strong>Die</strong> Kooperationsvereinbarung mit diesen<br />

beiden Schulen begann vor einem Jahr mit<br />

dem Besuch der Musikwerkstatt, gefolgt<br />

vom Projekttag „Karneval der Tiere“. Am<br />

11. Juni steht nun ein Ausflug zum Schulkonzert<br />

der Bremer Philharmoniker auf<br />

dem Programm. In dem eigens für sie konzipierten<br />

Konzert werden Improvisationen<br />

über „<strong>Die</strong> Moldau“ interpretiert. Und als<br />

Sahnehäubchen ist die Einrichtung von<br />

Streicherklassen für das zweite und dritte<br />

Projektjahr geplant. „<strong>Die</strong> Intention von<br />

Niels Stolberg ist es, nicht nur Geld zu geben,<br />

er will auch sehen, was passiert und<br />

den Prozess begleiten“, freut sich Christian<br />

Kötter-Lixfeld. Und das ist eine Menge. Es<br />

ist inzwischen wissenschaftlich erwiesen,<br />

dass früher Musikunterricht die soziale<br />

Kompetenz, die Lern- und Leistungsmotivation<br />

sowie Teamfähigkeit, Konzentration<br />

und Kreativität von Kindern fördert.<br />

„Ohne Musik wäre das Leben ein Irrtum“<br />

– von diesem Nietzsche-Credo sind inzwischen<br />

auch die Schülerinnen und Schüler<br />

des Max-Planck-Gymnasiums in Delmenhorst<br />

felsenfest überzeugt. In einem über<br />

mehrere Jahre hinweg angelegten Projekt<br />

erhalten die Musikprofilklassen der<br />

Jahrgangsstufen 5 bis 9 ein breit gefächertes<br />

Angebot von den Bremer Philharmonikern.<br />

<strong>Die</strong> 9d realisierte im März 2009 in der<br />

„Glocke“ in enger Zusammenarbeit mit Orchester<br />

und Generalmusikdirektor einen<br />

ganz besonderen Konzertabend. „Der Funke<br />

muss überspringen, wenn Jugendliche<br />

Gleichaltrigen und Jüngeren etwas vermitteln.<br />

Dann ist das Interesse viel eher da“,<br />

weiß Markus Poschner.<br />

Gesagt, getan. Und siehe da, die erste Ausgabe<br />

des außergewöhnlichen Konzertformates<br />

„phil sagend“ machte seinem Namen<br />

alle Ehre: <strong>Die</strong> Kinder beleuchteten<br />

das Werk des zeitgenössischen estnischen<br />

Komponisten Erkki-Sven Tüür mit Feuereifer<br />

von allen nur erdenklichen Seiten.<br />

Musikwerkstatt Bremen<br />

Das besondere Musikerlebnis für Groß und Klein<br />

MUSIK Bremer Philharmoniker 33<br />

<strong>Die</strong> Musikwerkstatt steht aber nicht nur<br />

Kindern im Rahmen eines Schulprojektes<br />

offen, sondern bietet auch nachmittags und<br />

am Wochenende zahlreiche Programmangebote<br />

für alle Alterstufen. Ursprünglich<br />

konzipiert für jedes Vierteljahr und orientiert<br />

an den vier Jahreszeiten war das Musikwerkstatt-Format<br />

„Musik mit Pfiff“, in<br />

dem Pädagoginnen den Jüngsten spielerisch<br />

den Zugang zu klassischer Musik eröffnen.<br />

„Musikbegeisterte Kleinkinder besuchen<br />

uns mit ihren Eltern inzwischen<br />

jeden Freitag“, freut sich Gwendolyn Schubert,<br />

Leiterin der Musikwerkstatt. „Ab der<br />

nächsten Saison werden wir darüber hinaus<br />

nicht nur einmal im Monat, sondern<br />

wöchentlich unseren Familiensamstag anbieten.“<br />

Hinzu kommen Instrumentenbau-<br />

und Rhythmusworkshops und fast jedes<br />

Wochenende ein „Klingender Kindergeburtstag“<br />

– die Musikvermittlung hat ihren<br />

festen Platz im Selbstverständnis des<br />

Orchesters gefunden.<br />

Ob für Sie und Ihre Familie, Freunde oder Kollegen – das breite Angebot der Musikwerkstatt<br />

hält für jeden etwas Passendes bereit – Herzlich willkommen!<br />

Nähere Informationen:<br />

Musikwerkstatt Bremen<br />

Plantage 13, 28215 Bremen<br />

Telefon 0421 / 62 67 314 www. musikwerkstatt-bremen.de


34 MUSIK Konzerttipps<br />

Zum Weinen schön<br />

(SN) Von Erfolg zu Erfolg eilend, zieht<br />

„L’Arpeggiata“ seit beinahe einem Jahrzehnt<br />

durch die Lande. Christina Pluhar<br />

(nicht zu verwechseln mit der bekannten<br />

Erika Pluhar), während der Konzerte die<br />

Theorbe spielend, hat das multikulturelle<br />

Ensemble geformt. Gestützt auf erstklassige<br />

Instrumentalisten und Sänger entsteht<br />

ein Musizieren absoluter Spitzenklasse.<br />

Das beweist die jüngst bei Virgin Classics<br />

erschienene CD „Via Crucis“: sie führt hinein<br />

in die Welt der christlichen Mysterienspiele<br />

und Prozessionen, die Jesu Leidensweg<br />

in erschütternde Klänge umsetzen.<br />

„Zum Weinen schön“ schrieb ein Kritiker.<br />

Wichtiger für Bremen ist „Teatro d’Amore“,<br />

denn dieses Programm wird beim kommenden<br />

Musikfest für Aufsehen sorgen.<br />

Es enthält, den Hörer wunderbar verzaubernd,<br />

Werke von Claudio Monteverdi,<br />

ausgewählt aus den berühmten Madrigalbüchern<br />

und ländlichen Tanzweisen. Und<br />

wenn Nuria Rial mit engelsgleich schwebendem<br />

Sopran als Poppea („Krönung des<br />

Poppea“) Liebesschwüre singt und Philippe<br />

Jaroussky als Nerone mit verinnerlicht<br />

schmeichelnder Sehnsucht antwortet,<br />

können tatsächlich Tränen fließen.<br />

28. August, 20 Uhr, Glocke<br />

Feines Festival<br />

KONZERTTIPPS<br />

((UM) Eigentlich sollte im letzten Jahr<br />

nur der Steinway im Vegesacker KITO<br />

überholt werden. Aber noch während der<br />

Arbeiten entstand die Idee, dieses nun so<br />

wundervoll klingende Instrument einmal<br />

ganz in den Mittelpunkt der solistischen<br />

„klassischen“ Klaviermusik zu stellen. <strong>Die</strong><br />

Resonanz darauf war groß, und nun wird<br />

diese Idee bereits zum zweiten Mal in die<br />

Tat umgesetzt. „Klavier pur“ heißt sie<br />

und bietet ein kleines, aber feines Vegesacker<br />

Klavierfestival an den Pfingsttagen.<br />

Immerhin fünf Pianisten lassen sich mit<br />

einem Programm hören, das von Scarlatti,<br />

Beethoven und natürlich dem Geburtstagskind<br />

Chopin bis in die Moderne reicht.<br />

Aber das alles reichte den Veranstaltern<br />

noch nicht, und so entwickelt dieses<br />

Festival einen ganz besonderen Charme:<br />

Alle Pianisten sind nämlich Preisträger<br />

des Bremer Klavierwettbewerbs, so dass<br />

man auf interessante Wiederbegegnungen<br />

gespannt sein darf. Picknick wird es geben<br />

und einen speziellen Familien-Nachmittag<br />

rund um das Thema Tanz mit Isabell<br />

Gabbe. Neben ihr sind Julian Gorus (Foto<br />

oben), Denys Proshayev, Eugene Mursky<br />

und Oljesja Ursova eingeladen.<br />

21. bis 24. Mai, KITO<br />

Traditioneller Blues<br />

(che) Traditioneller Countryblues, den<br />

noch eine Erinnerung an die harte Arbeit<br />

auf den Baumwollfeldern durchweht, ist<br />

bei uns nicht allzu häufig zu hören. Jetzt<br />

kommt ein junger Bluesmann auf Einladung<br />

von „Sparkasse in Concert“ und<br />

Radio Bremens Jazzredaktion in die Hansestadt,<br />

der sich eindeutig auf die alten<br />

Bluesgrößen bezieht. Samuel James ist erst<br />

Ende 20 und hat sich doch für den traditionellen<br />

akustischen Blues entschieden,<br />

denn sein Credo lautet: „Du kannst Dir<br />

nicht Son House oder Skip James anhören,<br />

und mir dann erzählen, dass ZZ Top mit<br />

ihrer Verstärkung das erreichen können.“<br />

Samuel James ist ein guter Songwriter,<br />

ein eindringlicher Sänger und vor allen<br />

Dingen ein feiner Stilist auf Gitarre, Banjo,<br />

Harmonika und – bei Bedarf – dem Piano.<br />

Speziell auf der Gitarre zeigt er hohes<br />

technisches Niveau, gleichgültig ob als<br />

Slide-Gitarrist oder bei ausgeklügelten Fingerstyle-Passagen.<br />

Samuel James ist, wie<br />

man bei uns sagt, in seinem Leben durch<br />

den Scheuersack gegangen und sammelte<br />

dabei Erlebnisse an, durch die man schon<br />

den Blues bekommen kann.<br />

25. Mai, 21 Uhr, Moments (Vor dem Steintor<br />

65)


Wortwitzig und chaotisch<br />

(ps) Er begann seine Karriere als Solotänzer<br />

des Royal Ballet in London, gründete jedoch<br />

schon 1988 eine nach ihm benannte Formation.<br />

Seit 2002 arbeitet Jonathan Burrows,<br />

britischer Choreograf und Tänzer, immer<br />

wieder mit dem italienischen Musiker und<br />

Komponisten Matteo Fargion zusammen,<br />

mit dem er jetzt in Bremen zum Auftakt des<br />

Choreografielabors „Lime“ des „steptext<br />

dance projects“ auftritt.<br />

Der Doppelabend beginnt mit „Cheap<br />

Lecture“, einer rhythmisch gesprochenen<br />

Performance zu Musik, die sich in ihrer<br />

Struktur an die Komposition „Lecture on<br />

Nothing“ von John Cage anlehnt – eine<br />

wortwitzige Tirade über leere Hände,<br />

das Publikum, Zeit, Wiederholung und<br />

das Tanzen. Im zweiten Teil des Abends<br />

präsentieren Burrows und Fargion in „The<br />

Cow Piece“ ihre humorvoll chaotische<br />

Betrachtung zum Thema Tanz und Sterblichkeit.<br />

Im Anschluss an die Aufführungen<br />

gibt Burrows gemeinsam mit Adrian<br />

Heathfield vier Tage lang Einblicke in seine<br />

künstlerischen Arbeitsweisen, Methoden<br />

und Erfahrungen. Im Workshop „Writing<br />

Dance“ erkunden sie die Dynamik des Gestaltens<br />

im Tanz mit reduzierten Mitteln.<br />

8. Juni, 20 Uhr, Schwankhalle<br />

Keine Belanglosigkeiten<br />

(hip) Der Tourneetitel ist Programm: „Kein<br />

Ende in Sicht“ nennen Konstantin Wecker<br />

und Hannes Wader ihren Abend, mit dem<br />

sie in diesem Sommer unterwegs sind.<br />

In den 70er Jahren gehörten sie zu den<br />

erfolgreichsten „Liedermachern“, und so<br />

wie dieses Wort inzwischen zu den vom<br />

Aussterben bedrohten Begriffen zählt,<br />

ist auch ihre Art, mit engagierten Texten<br />

und handgemachter Musik das Publikum<br />

aufzurütteln, längst passé.<br />

Aber ihr Publikum ist ihnen treu geblieben,<br />

und deshalb sind ihnen ordentlich gefüllte<br />

Konzertsäle gewiss. <strong>Die</strong> beiden so unterschiedlichen<br />

Temperamente ergänzen sich<br />

dabei erstaunlich gut. Während Wecker am<br />

Klavier zusammen mit einem Gitarristen<br />

und einem Perkussionisten versucht, seine<br />

alten Stücke möglichst anspruchsvoll zu<br />

interpretieren, gibt Wader steif wie eh und<br />

je sein „Heute hier, morgen dort“ oder „Das<br />

Fiakerlied“ zum besten.<br />

In einer Kritik über ihr ausverkauftes (!) Konzert<br />

in Stuttgart hieß es: „Belanglosigkeiten<br />

sind ihre Sache nicht, denn wenn sie nicht<br />

gerade politisieren, dann singen sie übers<br />

Altern, über die Sinnsuche in der Stille.“<br />

30. Juni, 20 Uhr, Musical Theater Bremen<br />

MUSIK Konzerttipps 35


36 MUSIKFEST BREMEN<br />

Intendant Prof. Thomas Albert über neue<br />

Aspekte beim 21. Musikfest Bremen<br />

Text: Peter Schulz<br />

Mit 34 Konzerten an 26 Spielstätten<br />

schlägt das Programm für das<br />

diesjährige Musikfest Bremen<br />

vom 21. August bis 11. September einmal<br />

mehr einen weiten Bogen, und zwar geographisch<br />

von Bremen bis Emden und Otterndorf<br />

wie inhaltlich vom „Alten Werk“<br />

bis zu „Tango zum Abheben“. Und zum<br />

Auftakt gibt’s wieder die beliebte „Große<br />

Nachtmusik“. Also alles wie gehabt?<br />

Irrtum: <strong>Die</strong> 21. Auflage des Festivals verheißt<br />

spannende Neuerungen. foyer hat<br />

darüber mit dem Musikfest-Intendanten<br />

Prof. Thomas Albert gesprochen.<br />

Im Festival-Programmheft fällt der Blick<br />

auf ein paar bunte Knallbonbons und die<br />

Überschrift „Musikfest Surprise“. Was<br />

steckt dahinter?<br />

Eine wirklich tolle Überraschung, nämlich<br />

aufregende Musik in ungewohnten Konstellationen.<br />

Wir<br />

<strong>Die</strong> 21. Auflage des Festivals verheißt<br />

spannende Neuerungen.<br />

greifen mit dieser<br />

zusätzlichen<br />

Veranstaltungsreihe<br />

aktuelle Entwicklungen im Musikleben<br />

auf, präsentieren unter anderem bekannte<br />

Künstler mit gänzlich anderen<br />

Repertoires oder sogenannte Geheimtipps,<br />

ÜBERRASCHENDES<br />

ZUM FEST<br />

die im Ausland schon längst keine mehr<br />

sind. <strong>Die</strong>se Mischung hat bereits überregional<br />

großes Interesse etwa bei unseren Medienpartnern<br />

Deutschlandfunk und Deutschlandradio<br />

Kultur ausgelöst und zeigt mir,<br />

wie groß doch das Vertrauen in die Marke<br />

Musikfest ist.<br />

Was soll die Besucher denn so ins Staunen<br />

versetzen?<br />

Wir haben sechs Konzerte im Programm,<br />

die – jedes für sich – ein völlig ungewohntes<br />

Musikerlebnis bieten. Jos van Immerseel<br />

als Pianist, der gemeinsam mit Claire<br />

Chevallier auf zwei historischen Érard-<br />

Flügeln spielen wird; Matt Herskowitz, der<br />

Pianist des Absolute Ensembles, mit seiner<br />

Komposition „Jerusalem Trilogy“; das<br />

höchst talentierte Ensemble „Alarm Will<br />

Sound“, das wie selbstverständlich Musik<br />

von John Adams bis zum Rap interpretiert<br />

– das sind Sensa-<br />

tionen für die Ohren.<br />

Dazu „Spira mirabilis“<br />

mit der faszinierenden<br />

Geigerin Lorenza Borrani aus dem<br />

Umfeld von Claudio Abbado, eine absolute<br />

Surprise als Kammerorchester, das „Quatuor<br />

Ebène“, das ich für das derzeit beste<br />

Streichquartett halte, und zum Abschluss<br />

der Brite Gwilym Simcock mit seinem Trio<br />

– also ich kann nur sagen: kommen, zuhören<br />

und staunen!<br />

Surprise – das gilt ja auch hinsichtlich des<br />

Veranstaltungsortes und der Eintrittspreise,<br />

oder?<br />

Ja, wir haben das BLG-Forum in der Überseestadt<br />

ganz bewusst gewählt, um den<br />

Blick auf diesen aufstrebenden Standort<br />

zu lenken. Und die niedrig gehaltenen Einheitspreise<br />

von 25 Euro sollen den Besuchern<br />

signalisieren: Riskiert mal etwas, lasst<br />

euch auf etwas Ungewöhnliches ein! Ich bin<br />

sicher: Enttäuscht wird niemand sein, zumal<br />

wir die Halle an jedem Abend etwas anders<br />

inszenieren werden und auch damit<br />

überraschende Akzente setzen wollen.<br />

Steckt hinter „Surprise“ ebenso wie hinter<br />

dem 1. Arp-Schnitger-Festival, über<br />

das wir gleich noch sprechen wollen, die<br />

erklärte Absicht, das Bremer Musikfest<br />

noch deutlicher von anderen Musikfestivals<br />

abzugrenzen?<br />

Wir bieten mit diesen Programmen einige<br />

Deutschland-Premieren und keine Schubladen-Ware,<br />

also etwas ganz Besonderes.


Da werden keine Klischees bedient, sondern<br />

Grenzen überschritten. Unser Ziel ist<br />

es dabei, positiv ins Gespräch zu kommen,<br />

denn eine Festival-Landschaft, die quasi<br />

zur zweiten Saison wird, bringt niemanden<br />

weiter. Wir haben die Chance, etwas<br />

auszuprobieren als Labor für Erfahrungen.<br />

Und das wollen wir auch in den nächsten<br />

Jahren verstärkt tun. Das Musikfest kann<br />

die Bühne bieten für Vorhaben, die sonst<br />

nur schwer realisierbar wären, etwa für<br />

das Schumann-Projekt, das <strong>Die</strong> Deutsche<br />

Kammerphilharmonie in diesem Jahr verwirklicht.<br />

<strong>Die</strong> Vergangenheit gibt uns übrigens<br />

damit Recht: Beim Musikfest Bremen<br />

waren viele Programme erstmals zu hören,<br />

die mittlerweile, fünf oder sechs Jahre später,<br />

auch anderswo gespielt werden.<br />

Wie reagieren denn die eingangs erwähnten<br />

Rundfunkanstalten darauf?<br />

Deutschlandradio, NDR Kultur und Nordwestradio<br />

übernehmen unsere Konzerte<br />

in erheblichem Umfang, eben weil sie sich<br />

von anderen Angeboten so unterscheiden!<br />

So wird beispielsweise der diesjährige Eröffnungsabend<br />

erneut live übertragen –<br />

bundesweit auf 9 Klassikkanälen der ARD!<br />

Stichwort Schnitger: Was hat Sie bewegt,<br />

ein eigenes Orgel-Festival aus der Taufe<br />

zu heben?<br />

Das hat auch persönliche Hintergründe,<br />

weil ich schon als Schüler mit dem Orgel-<br />

Papst Harald Vogel die Kirchen der Region<br />

abgeklappert habe. Seither weiß ich, welchen<br />

einmaligen musikhistorischen Schatz<br />

der Nordwesten besitzt, denn in den wenigsten<br />

Fällen sind diese Orgeln im Laufe<br />

der Jahrhunderte kaputtmodernisiert<br />

worden. Es hat mich seit eh und<br />

je bewegt, diesen Schatz für das<br />

Musikfest zu heben. <strong>Die</strong> meisten<br />

dieser wunderbaren Instrumente sind<br />

mittlerweile hervorragend saniert worden,<br />

die besten Orgelspieler der Welt haben<br />

schon auf ihnen gespielt und waren begeistert.<br />

Deshalb war es auch nicht schwer,<br />

zehn von ihnen für die Mitarbeit in einer<br />

Jury unter dem Vorsitz von Hans Davidsson<br />

(Orgelprofessor Rochester/USA und<br />

HfK Bremen) zu bewegen, die die Leistungen<br />

vielversprechender Talente bewertet<br />

und über die Vergabe des Arp-Schnitger-<br />

Preises entscheidet. Ein Preis, der dank der<br />

Unterstützung der EWE mit 10.000 Euro<br />

dotiert ist und damit die weltweit höchste<br />

Auszeichnung für Organisten darstellt!<br />

MUSIKFEST BREMEN 37<br />

Neben dem Wettbewerb geht es Ihnen also<br />

auch darum, das Wissen um die Bedeutung<br />

dieser Orgeln weiterzutragen?<br />

Das ist mir ganz wichtig. <strong>Die</strong>ses Werk gehört<br />

eigentlich in die Kategorie Weltkulturerbe<br />

und wird in liebevoller Kleinarbeit von den<br />

Küstern, Organisten und Pastoren gepflegt,<br />

die schon immer um seine Bedeutung gewusst<br />

haben. Das Arp-Schnitger-Festival<br />

soll auch ein kleiner Dank an sie sein. Dabei<br />

präsentieren wir freilich die Orgeln nicht<br />

nur alleinsolistisch,<br />

sondern im Kontext mit Solisten und Instrumentalisten,<br />

wie es der Praxis des 16. und 17.<br />

Jahrhunderts entsprach.<br />

Wer mitfährt, erlebt eine kleine<br />

Musikfest-Reise ...<br />

Nun liegen die Standorte von Altenbruch<br />

bis Weener zumeist weit von Bremen entfernt.<br />

Wie wollen Sie das Publikum motivieren,<br />

diese Konzerte zu besuchen?<br />

Es ist uns in Zusammenarbeit mit<br />

Deutschlandradio gelungen, einen komfortablen<br />

Bustransfer zu organisieren, der<br />

vor der Glocke beginnt und auch endet.<br />

Wer mitfährt, erlebt eine kleine Musikfest-<br />

Reise – natürlich mit Überraschungen!


38 MUSIKFEST BREMEN<br />

Janine Jansen, Foto: Felix Broede Jérémie Rhorer, Foto: Yannick Coupannec Susan Graham, Foto: Dario Acosta<br />

Janine und ihre Freunde<br />

Kammermusik mit der Star-Geigerin<br />

Obwohl als Solistin international heiß begehrt,<br />

erfüllt sich Weltklassegeigerin Janine<br />

Jansen immer wieder einen Herzenswunsch:<br />

Sie spielt selbst ausgesuchte<br />

Kammermusik mit ausgewählten Partnern.<br />

Im vorjährigen Musikfest begnügte<br />

sie sich mit einem Trio, jetzt kommt die<br />

sympathische holländische Künstlerin in<br />

der selten anzutreffenden Formation eines<br />

Streichsextetts. Nicht alle ihrer angekündigten<br />

Freunde sind schon international<br />

bekannt, aber man kann ganz sicher sein,<br />

dass sie zusammen mit Janine Jansen auf<br />

höchstem Niveau musizieren werden.<br />

<strong>Die</strong> Wahl fiel auf Arnold Schönbergs „Verklärte<br />

Nacht“, das oft auch in der Orchesterfassung<br />

zu hören ist – hier natürlich<br />

im Original. Ein anderes Werk gleicher<br />

Gattung ist das Streichsextett von Erwin<br />

Schulhoff, der im KZ Auschwitz zuerst<br />

noch Musik machen durfte, ehe ihn<br />

die Nazis ermordeten. <strong>Die</strong> Aufführung dieses<br />

noch tonal gebundenen Stückes gleicht<br />

sozusagen einer unbedingt fälligen Ehrenrettung.<br />

Dazwischen erklingt das<br />

Streichquintett Nr. 2 G-Dur, ein ausgesprochen<br />

klangsinnliches Werk von Johannes<br />

Brahms, mit dem sich der Komponist – so<br />

steht es im Brief an seinen Verleger – „von<br />

[s]einer Musik verabschieden“ wollte.<br />

26. August, 20 Uhr, Glocke<br />

Das 21. Musikfest Bremen bietet vom<br />

21. August bis 11. September wieder eine<br />

Fülle erstklassiger Konzerterlebnisse. foyer<br />

hat einige Empfehlungen zusammengestellt.<br />

Text: Simon Neubauer<br />

Mozart geht fremd<br />

„Thamos in Ägypten“ mit Jérémie Rhorer<br />

Thomas Albert, dem Intendanten des Musikfest<br />

Bremen, sei Dank. Denn er holte vor<br />

zwei Jahren das damals hierzulande noch<br />

völlig unbekannte Ensemble „Le Cercle de<br />

l’Harmonie“ in die Hansestadt. Das Debüt<br />

mit Glucks „Orphée“ geriet zu einer musikalischen<br />

Sternstunde. Im Vorjahr begeisterten<br />

die von Jérémie Rhorer geleiteten<br />

Sänger und Instrumentalisten mit Mozarts<br />

„Così fan tutte“ und Haydns „L’infedeltà<br />

delusa“.<br />

„Mozart in Ägypten“ lautet das diesjährige<br />

Programm, das die Pariser Sinfonie<br />

KV 297 und die Schauspielmusik zu „Thamos<br />

in Ägypten“ enthält. Das Drama selbst<br />

ist heute kaum bekannt: Es geht um das<br />

Schicksal des dem Kreis der Sonnenjungfrauen<br />

angehörenden Mädchens Sais, das<br />

sich inmitten eines Intrigenkomplotts zwischen<br />

Gelübde und Liebe entscheiden<br />

muss. Mozart schrieb dafür nicht nur die<br />

Zwischenaktsmusiken, sondern auch Arien<br />

und Chöre. Fast völlig in Vergessenheit<br />

geraten ist der deutsche Komponist Henri-Joseph<br />

Rigel (1741-1799), obwohl er ein<br />

sehr umfangreiches Werk hinterlassen hat.<br />

In Paris lebend und stark von Gluck beeinflusst,<br />

schrieb er z. B. das Oratorium „La<br />

sortie d’Egypte“, das zur Entstehungszeit<br />

ein Riesenerfolg war.<br />

1. September, 20 Uhr, Glocke<br />

Stimme ohne Grenzen<br />

Bremen-Debüt von Susan Graham<br />

Sie ist schon so weit nach oben geklettert,<br />

um den Ruhm der legendären Mezzosopranistin<br />

Marilyn Horne zu erreichen: Susan<br />

Graham, gefeiert an der Metropolitan<br />

Opera und in der Carnegie Hall, im Covent<br />

Garden London, an der Wiener und<br />

der Münchener Staatsoper, zudem ausgezeichnet<br />

mit mehreren bedeutenden Preisen<br />

wie dem „Grammy“ für ihre Interpretationen<br />

von Ives-Liedern. Sie brilliert als<br />

Octavian („Rosenkavalier“) und als Komponist<br />

(„Ariadne auf Naxos“), als Cherubino<br />

(„Hochzeit des Figaro“) und als Dorabella<br />

(„Così fan tutte“).<br />

Das sind nur einige ihrer groß gefeierten<br />

Rollenporträts auf den Opernbühnen der<br />

Welt, aber nicht minder erfolgreich ist Susan<br />

Graham als Liedgestalterin, wobei sie<br />

besonders mit dem Zyklus „Les Nuits d’été“<br />

von Berlioz fasziniert. Doch ihr Repertoire<br />

reicht weit über die Jahrhunderte und über<br />

die Stile hinweg. <strong>Die</strong>sen Radius wird Susan<br />

Graham, die in New Mexico geboren wurde<br />

und in Texas aufwuchs, bei ihrem Musikfest-Konzert<br />

von Mozart bis Debussy<br />

spannen, begleitet von ihrem Lieblingspianisten<br />

Malcolm Martineau, ein ebenfalls<br />

vielfach ausgezeichneter Künstler, der zudem<br />

mit der Mezzosopranistin schon etliche<br />

CDs eingespielt hat.<br />

5. September, 20 Uhr, Glocke


Sol Gabetta, Foto: Marco Borggreve Philippe Herreweghe, Foto: Michel Garnier Rinaldo Alessandrini<br />

Ein feudales Trio<br />

Junge Stars für Beethovens Tripelkonzert<br />

Sol Gabetta, in Bremen schon längst „heimische“<br />

Cellistin, hat sich orchestraler<br />

Rückendeckung versichert, nämlich des<br />

Kammerorchesters Basel, das erst kürzlich<br />

Cecilia Bartoli bei ihrem Glocke-Gastspiel<br />

kompetent begleitet hat. Gabettas Partner<br />

bei der Wiedergabe von Beethovens Tripelkonzert<br />

sind Patricia Kopatchinskaja und<br />

Dejan Lazic. <strong>Die</strong> moldawische Geigerin,<br />

beim Musikfest Bremen 2006 ausgezeichnet<br />

mit dem Förderpreis Deutschlandfunk,<br />

war zuletzt vor zwei Jahren mit ihren Eltern<br />

als Musikerkollegen hier. Der Kroate<br />

Dejan Lazic ist ein Pianist von hoher Reputation,<br />

die er sich bei renommierten Orchestern<br />

und als Kammermusiker erworben<br />

hat.<br />

Neben dem Tripelkonzert erklingt Beethovens<br />

Siebte Sinfonie, ein großartiges<br />

Werk, das Richard Wagner als „Apotheose<br />

des Tanzes“ bezeichnete. Dirigent des<br />

Abends ist der Mailänder Giovanni Antonini,<br />

der viele herausragende Orchester wie<br />

<strong>Die</strong> Deutsche Kammerphilharmonie Bremen<br />

und Aufführungen an der Scala geleitet<br />

hat. Mit dem Kammerorchester Basel<br />

arbeitet er gerade an der Einspielung aller<br />

Beethoven-Sinfonien auf CD.<br />

10. September, 20 Uhr,<br />

Stadttheater Bremerhaven<br />

Beethovens Botschaft<br />

Missa solemnis mit Philippe Herreweghe<br />

„Von Herzen – möge es wieder – zu Herzen<br />

gehen“ überschrieb Ludwig van Beethoven<br />

das Autograph des Kyrie seiner Missa<br />

solemnis. <strong>Die</strong>se berührende Botschaft<br />

fehlt allerdings auf allen anderen handschriftlichen<br />

Quellen, ist also nicht an die<br />

Menschheit gerichtet, sondern an den ihm<br />

freundschaftlich verbundenen Erzherzog<br />

Rudolph, gedacht zu dessen Inthronisation<br />

zum Erzbischof der mährischen Stadt Olmütz.<br />

Aber zu diesem Ereignis wurde die<br />

Messe nicht fertig, denn Beethovens Vertonung<br />

des Liturgie-Textes wuchs sich mehr<br />

und mehr aus, weitete Gedanken und<br />

Empfindungen, die über das Maß einer für<br />

den Gottesdienst geeigneten Messe weit<br />

hinaus gingen.<br />

Jedenfalls bezeichnete Beethoven seine<br />

festliche Messe als sein „bestes Werk“. Und<br />

diese Größe sollte sich bei jeder Aufführung<br />

widerspiegeln. Das wird ohne Zweifel<br />

in Verden geschehen, denn Garant hierfür<br />

ist Philippe Herreweghe, der bei jedem<br />

seiner früheren Musikfest-Konzerte starken<br />

Eindruck hinterlassen hat. Aufgeboten<br />

für dieses Großereignis werden neben sorgfältig<br />

ausgewählten Solisten das Orchestre<br />

des Champs-Élysées, das Collegium Vocale<br />

Gent und der Coro dell’Academia Chigiana.<br />

25. August, 20 Uhr, Dom zu Verden<br />

MUSIKFEST BREMEN 39<br />

Marias Schmerzen<br />

Vertonungen von Scarlatti und Pergolesi<br />

Das Programm des erstmals beim Musikfest<br />

Bremen auftretenden Concerto Italiano<br />

bestimmen gleich zwei bedeutende<br />

Vertonungen des „Stabat mater“. <strong>Die</strong> aus<br />

dem Mittelalter stammende Sequenz war<br />

zum Gedächtnis der Schmerzen Marias unter<br />

dem Kreuz Jesu Jahrhunderte lang sowohl<br />

als Passions- wie als Kirchenlied sehr<br />

beliebt und forderte ungewöhnlich viele<br />

Meister zu Kompositionen heraus. Das<br />

„Stabat mater“ von Giovanni Battista Pergolesi<br />

(1710-1736) zeichnet sich durch melodischen<br />

Reichtum und elegante Deklamation<br />

aus. <strong>Die</strong> nicht minder berühmte<br />

Vertonung durch Domenico Scarlatti (1685-<br />

1757) gehört zu seinen herausragenden<br />

Chorwerken – in Bezug auf die Besetzung,<br />

die freie melodische Behandlung des tradierten<br />

Textes und das Gespür für dramaturgische<br />

Effekte.<br />

Dirigent Rinaldo Alessandrini, eine weltweit<br />

gefragte Kapazität, und das von ihm<br />

gegründete Concerto Italiano zählen zu<br />

den kompetentesten Interpreten der geistlichen<br />

Vokalmusik des 17. und 18. Jahrhunderts.<br />

Solisten sind die besonders für<br />

diesen Stil gelobte Sopranistin Gemma<br />

Bertagnolli und die Altistin Sara Mingardo.<br />

7. September, 20 Uhr,<br />

St. Laurentius-Kirche Langförden


40 MUSIK Kultursommer<br />

Musik in Gärten<br />

Zugegeben, der Sommer muss schon schön<br />

werden, damit das Gartenkultur-Musikfes-<br />

tival vom 31. Juli bis zum 29. August wieder<br />

ein Erfolg werden kann. Denn wie der Name<br />

schon sagt, spielt die Musik in Gärten und<br />

Parks, wobei es sich teilweise um Privatgär-<br />

ten handelt, in die der geneigte Besucher<br />

normalerweise gar nicht hineinkäme. <strong>Die</strong><br />

Mehrzahl der Veranstaltungsorte in Bremen<br />

und seinem so genannten Speckgürtel<br />

ist allerdings öffentlich zugänglich. Das<br />

Programm weist insgesamt 51 Veranstal-<br />

tungen an 45 Orten aus, die Musikauswahl<br />

ist dabei breit gestreut. Von leichter Klassik,<br />

alter Musik zur Gitarre, beschwingter Kaf-<br />

feehausmusik, Folklore, Klezmer, Jazz und<br />

Swing reicht die Palette bis zu Blues, Boogie<br />

Woogie und französischen Chansons.<br />

Eröffnet wird das Gartenkultur-Musik-<br />

festival am 31. Juli um 19 Uhr im Garten<br />

der BEGU in Lemwerder durch das En-<br />

semble Schné. Unter dem Namen der<br />

jungen Hamburger Sängerin haben sich<br />

große Teile der Gruppe Mellow Melange<br />

zusammengeschlossen, die einen intelli-<br />

genten Kammerpop spielen. Das Finale des<br />

Festivals findet am 29. August (18 Uhr) im<br />

Garten des Schlosses Erbhof in Theding-<br />

hausen statt. Dort wird dann die Klassische<br />

Text: Christian Emigholz<br />

KULTURSOMMER<br />

Philharmonie NordWest zu hören sein. Als<br />

Neuerung bietet in diesem Jahr der Allge-<br />

meine Deutsche Fahrrad Club (ADFC) zu<br />

einigen Konzerten geführte Fahrradtouren<br />

von Bremen und Achim aus an.<br />

www.gartenkultur-musikfestival.de<br />

Sommerreihe bei Focke<br />

Das Bremer Focke-Museum hat sich wie<br />

schon in den vergangenen Jahren mit drei<br />

Konzerten seiner Sommerreihe in Fockes<br />

Pavillon dem Gartenkultur-Musikfestival<br />

angeschlossen. Zuvor gibt es schon Frei-<br />

luftkonzerte im Garten des Museums. Der<br />

Reigen beginnt am Pfingstmontag (24.<br />

Mai), wenn ein aus den Reihen der Bremer<br />

Philharmoniker rekrutiertes Streichquar-<br />

tett Salonmusik und Schlager spielt. Am<br />

13. Juni bietet der Deutsche Tonkünstler-<br />

verband Bremen seine „junge Garde“ auf:<br />

Das BremerQuerflötenEnsemble stellt<br />

eigene Arrangements vor, anschließend<br />

ist das Perkussionsensemble Trick Stick<br />

mit seiner Trommelkunst zu erleben. <strong>Die</strong><br />

Sopranistin Hanna Thyssen und Susanne<br />

Peuker (Gitarre, Chitarrone) bilden das<br />

Duo Fortune’s Musicke, das sich am 18.<br />

Juli dem Thema Liebe mit Werken aus dem<br />

Barock und der Zeit des Belcanto widmet.<br />

Das Konzert am 1. August mit Café Bru-<br />

nette findet dann, wie schon erwähnt, im<br />

Zeichen des Gartenkultur-Musikfestivals<br />

statt. Das Bremer Quartett spielt Jazz,<br />

Swing und Musettewalzer. Am 15. August<br />

ist der Kölner Gitarrist Peter Korbel mit<br />

Werken der Romantik zu hören, bringt aber<br />

auch Südamerikanisches von Villa-Lobos<br />

mit. Das Finale am 29. August bestreitet<br />

dann erneut ein Streichquartett, aber mit<br />

einem ungewöhnlichen Programm, denn<br />

die vier Bremer Musikerinnen widmen sich<br />

keltischer Folklore. Alle Konzerte begin-<br />

nen um 11.30 Uhr.<br />

www.focke-museum.de<br />

Auf dem Barkenhoff<br />

Ute Falkenstein und Oliver Peuker von der<br />

Cosmos Factory haben in den vergange-<br />

nen Jahren eine ganze Reihe sehenswerter<br />

Stücke für den lauschigen Garten des Bar-<br />

kenhoffs in Worpswede entwickelt und ge-<br />

schrieben, die alle mehr oder minder auch<br />

Worpswede und seine Künstler zum Thema<br />

hatten. Bisher hat das Gespann die Stücke<br />

„Rilke 1903“, „Paula & Frida“ sowie „Tetjus<br />

Tügel“ speziell für den Garten inszeniert.<br />

In diesem Jahr gibt es nun eine neue Pro-<br />

duktion unter dem Titel „Berge der Utopie“<br />

mit dem erläuternden Untertitel „Künstler,


Kolonien, Kommunen – Aufbrüche zwi-<br />

schen Weyerberg und Monte Verità.“<br />

Nach Recherchen in Worpswede und Asco-<br />

na widmet sich die Cosmos Factory damit<br />

den visionären Künstlerkommunen, die<br />

zu Beginn des 20. Jahrhunderts gegründet<br />

wurden. Dabei setzte Heinrich Vogeler in<br />

Worpswede mit seiner „Arbeitsgemein-<br />

schaft Barkenhoff“ im Jahr 1918 eine Idee<br />

um, die ein wenig vorher auf dem Monte<br />

Verità im Tessin entwickelt worden war. <strong>Die</strong>-<br />

se Suche nach neuen Lebensformen wird in<br />

„Berge der Utopie“ aufgenommen. Und die<br />

Cosmos Factory erläutert dazu: „Ein Stück<br />

über Heinrich Vogeler, die Rote Marie, Fritz<br />

Jordi, Friedrich Wolf und Charlotte Bara, ein<br />

Stück über Kropotkin, Gusto Gräser, Erich<br />

Mühsam, Rudolf von Laban, Mary Wigman<br />

und viele andere mehr.“ Am 27. Juli (21 Uhr)<br />

hat „Berge der Utopie“ Premiere im Garten<br />

des Barkenhoff. Weitere Vorstellungen fin-<br />

den vom 28. Juli bis 21. August, immer von<br />

Mittwoch bis Sonnabend, jeweils um 21 Uhr<br />

statt – auch bei Regen, denn die Zuschauer<br />

sitzen unter einem Dach.<br />

Sommer in Lesmona<br />

In „Bella Italia“ ist es Mitte August oft viel<br />

zu heiß – jedenfalls für viele Nordlichter.<br />

Vielleicht ist die Deutsche Kammerphil-<br />

harmonie Bremen deshalb darauf verfal-<br />

len, „Bella Italia“ kurzerhand nach Bremen<br />

zu verlegen. Unter diesem Motto steht<br />

jedenfalls das größte Picknick hierzulande:<br />

Der 16. „Sommer in Lesmona“, diesmal in<br />

der jenseits der Alpen als „Ferragosto“ be-<br />

zeichneten Mitte des Augustes, und zwar<br />

vom 13. bis 15. (Fußball-WM und Bremer<br />

Sommerferien machen’s möglich).<br />

Auf dem Programm stehen – wen<br />

wundert’s – die Werke der einschlägig Ver-<br />

dächtigen, also von Verdi, Puccini, Rossini<br />

und Donizetti, denn schließlich fällt dem<br />

klassisch geneigten Musikinteressierten<br />

zu Italien vor allen Dingen der Belcan-<br />

to ein. Während also auf der Bühne die<br />

Musiker ins Schwitzen kommen, darf sich<br />

das Publikum in Knoops Park an den drei<br />

Tagen dem „dolce far niente“ hingeben,<br />

dem süßen Nichtstun, das nur aus Zuhören<br />

und gut Speisen besteht. Prämiert wird<br />

dabei wie immer das schönste Picknick-Ar-<br />

rangement, wobei in diesem Jahr wohl nur<br />

Tische und Decken mit den zum Thema<br />

passenden Antipasti eine Chance haben<br />

dürften.<br />

www.kammerphilharmonie.com<br />

MUSIK Kultursommer 41<br />

Noch mehr freiraum!<br />

Auf 800 Quadratmetern finden Sie<br />

exklusive Wohntrends, hochwertige<br />

Möbel namhafter Marken und frische<br />

Einrichtungsideen.<br />

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42 MUSIK Kultursommer<br />

Kultursommer Oldenburg<br />

Normalerweise beginnt der Oldenburger<br />

Kultursommer Anfang Juli, aber „König<br />

Fußball“ führt seine eigene Regentschaft.<br />

Deshalb startet das Festival erst am 15. Juli<br />

und läuft bis zum 8. August. Wie schon im<br />

Vorjahr finden die eröffnenden Internationalen<br />

Oper-Air-Konzerte nicht auf dem<br />

Schlossplatz (er wird umgebaut), sondern<br />

auf dem Prinzenpalais-Platz statt. Viele unterschiedliche<br />

Stile stecken in der diesjährigen<br />

Open-Air-Wundertüte. Zum Auftakt<br />

am 15. Juli kommt die angesagte britische<br />

Band Oi Va Voi, deren Name zwar an<br />

traditionelle Klezmermusik denken lässt,<br />

die aber Klezmer frech mit Hip-Hop-Beats,<br />

elektronischen Einschüben und Jazzballaden<br />

kombiniert. Einen Abend später steht<br />

krachender Mestizo-Sound in französischer<br />

Variante auf dem Programm. Kiemsa<br />

nennen sich die Herren, die Rock’n’Roll,<br />

Ska, Punk und Hip-Hop miteinander verquirlen<br />

und mit sattem Bläsersatz antreten.<br />

Am 17. Juli geht es mit Re:Jazz in Jazz-Richtung.<br />

<strong>Die</strong> Band des Pianisten Matthias Vogt<br />

remixt gerne Stücke, und verpasst ihnen<br />

einen fließenden Soul-Touch, in dem auch<br />

Pop-Elemente zu finden sind.<br />

Drei Sängerinnen stehen an der Front der<br />

Gruppe Ganes aus Südtirol und singen auf<br />

Ladinisch. Fans von Hubert von Goisern<br />

Text: Christian Emigholz<br />

KULTURSOMMER<br />

dürften sie bekannt sein, denn bei seiner<br />

letzten Tour waren Maria Moling, Marlene<br />

und Elisabeth Schuen dabei, nach Oldenburg<br />

kommen sie am 18. Juli mit eigenen<br />

Songs. Einen Abend später wird es fetzig:<br />

<strong>Die</strong> Amsterdam Klezmer Band ist eine der<br />

mitreißendsten europäischen Klezmergruppen,<br />

die sich gerne wilde Bläserduelle<br />

auf der Bühne liefert und hier und da einen<br />

Klezmer-Rap (auf Holländisch) anstimmt.<br />

Am 20. Juli geht es dann dem portugiesischen<br />

Fado an den Kragen: OqueStrada<br />

heißt das Sextett um die Sängerin Marta<br />

Miranda, das afrikanische und südamerikanische<br />

Rhythmen in den getragenen Fado<br />

einbaut und zu einem wilden Fado-Folk-Pop<br />

aufmischt. Zum Abschluss der Internationalen<br />

Konzerte spielt die Band Tinariwen<br />

aus Mali ihren Sahara-Blues. <strong>Die</strong> Musiker<br />

gehören zum Volk der Tuareg und verbinden<br />

ihre traditionelle Musik mit harten<br />

Rock-Elementen. Nach diesem fulminanten<br />

Auftakt geht es munter weiter mit Konzerten,<br />

Tanznächten, (Straßen-)Theater und<br />

Ausstellungen bis zum 8. August.<br />

www.oldenburg.de<br />

Festival Maritim in Vegesack<br />

Sie heißen Banana Boat, Bleeding Hearts,<br />

Paddy’s Passion, t’Scheepsfolk, Beckedorfer<br />

Schifferknoten oder ganz schlicht<br />

Shanty-Chor Nordenham, und damit<br />

ist schon klar: Hier geht es um Seasongs<br />

und Shantys. Schauplatz ist das Festival<br />

Maritim in Vegesack, das in diesem<br />

Jahr zum zwölften Mal und vom 6. bis<br />

8. August an der Vegesacker Weserkante<br />

stattfindet. Gelegentlich darf es dabei auch<br />

ein wenig Irish Folk oder Cajun aus den<br />

Südstaaten der USA sein, denn diese Stile<br />

passen irgendwie auch zu Shantys. Aber<br />

im Kern setzen die drei Tage auf klassische<br />

Shantys, und am besten von großen<br />

Chören dargeboten. <strong>Die</strong> oben angeführten<br />

Gruppen werden in diesem Jahr dabei sein,<br />

außerdem noch viele mehr und wie üblich<br />

kommen sie aus aller Herren Länder,<br />

mitunter sogar aus Städten, die überhaupt<br />

keine Meeresanbindung haben. Irgendeine<br />

Gruppe wird dann vielleicht auch das Lied<br />

vom „Hamburger Veermaster“ anstimmen,<br />

was man ja eigentlich in Bremen nicht<br />

ganz so gerne hört.<br />

www.festival-maritim.de<br />

Straße frei für „La Strada“<br />

Der gewiefte Bremer weiß Bescheid, wenn<br />

ihm im August mitten in der Stadt jemand<br />

auf die Schulter tippt, und er plötzlich Teil<br />

von etwas ist, wovon er nicht unbedingt Teil<br />

sein wollte, etwa in einem schnell improvisierten<br />

Stück, als Gerätehalter oder Hilfestellungsgeber.<br />

Wenn das passiert, dann<br />

ist „La Strada“ in der Stadt, das Straßenzirkusfestival<br />

mit Akrobaten und Jongleuren,


Stelzenläufern, Clowns und durchgeknallten<br />

Theaterinszenierungen. Vom 13. bis 15.<br />

August machen die „La Strada“-Künstler die<br />

Innenstadt unsicher, überraschen, verunsichern<br />

und verzaubern. Wie üblich kann<br />

man stehen bleiben oder auch weitergehen,<br />

und das alles ohne Entgelt – allerdings<br />

dürfte jeweils ein Hut vorhanden sein, der<br />

herumgeht. Wer das Beste von „La Strada“<br />

lieber im Saal (und dann gegen Entgelt)<br />

erleben will: Am 14. und 15. August (jeweils<br />

20.30 Uhr) ist „La Strada“ mit seiner Gala in<br />

der Shakespeare Company zu Gast.<br />

Breminale mit Stolperstein<br />

<strong>Die</strong> Schreckensmeldung zuerst: Auf der<br />

diesjährigen Breminale wird es einen<br />

Zaun geben. Es folgt sogleich die Entwarnung:<br />

Er wird nicht das Gelände auf<br />

den Weserwiesen umspannen, so dass<br />

ein Eintrittspreis erhoben werden kann,<br />

geht vielmehr irgendwie quer durch die<br />

Stände und Zelte und soll zum Nachdenken<br />

anregen. Schließlich ist seit Jahren<br />

die Finanzierbarkeit des Festivals in der<br />

Diskussion. Nun also ein Zaun als Stolperstein.<br />

Ansonsten wird wieder gesammelt<br />

(wie schon in den Vorjahren) und es gibt<br />

Breminale-Devotionalien (etwa T-Shirts) –<br />

immer schön am Zaun entlang.<br />

Das diesjährige Festival startet am 30. Juni<br />

und dauert bis zum 4. Juli. Wie im Vorjahr<br />

wird es wieder vier Zelte (Weltbühne, Bremen-4-Zelt,<br />

Flut-Bühne und das vieleckige<br />

Zelt deDrome) geben sowie den Baltic-<br />

Raw-Tower. Zusätzlich macht wieder die<br />

MS Treue am Breminale-Gelände fest und<br />

auch die Kogge soll herumschippern. In der<br />

eigenwilligen Holzkonstruktion des Baltic-<br />

Raw-Tower findet die ganze Zeit über das<br />

Bremer One-Man-Band-Festival statt, die<br />

MS Treue bietet ihr eigenes Programm aus<br />

Rock, Pop und Jazz. Als Bands für die Zelte<br />

sind bisher fest nominiert Ex-Blumfeld-<br />

Kopf Jochen <strong>Die</strong>stelmeyer, die Gewinner<br />

des Live-in-Bremen-Wettbewerbs, es wird<br />

einen Abend mit dem Hamburger Tapete-<br />

Label geben (mit Bernd Begemann und den<br />

Fehlfarben) und die Berliner Balkan-Pop-<br />

Expertin Miss Platnum ist annonciert.<br />

Bremen 1 ist mit einem nostalgischen<br />

Beat-Club-Abend vertreten, nicht dabei<br />

sind allerdings das Nordwest Radio und<br />

Sparkasse in concert mit ihren beiden<br />

Abenden, die traditionell live im Radio<br />

übertragen wurden. <strong>Die</strong> Flut-Bühne, wie<br />

üblich vom Lagerhaus bespielt, beginnt<br />

mit Bremensien, nämlich mit Distemper<br />

und den Mad Monks, Kogge-Pop bestückt<br />

sein Programm mit Bands wie Bratze, und<br />

das Funkhaus Europa hat Hilfestellung<br />

geleistet beim Ska-Punk-Reggae-Abend mit<br />

Skalinka, Abuela Coca und den Ohrbooten.<br />

Daneben gibt es erneut ein reichhaltiges<br />

Kinderprogramm sowie zahlreiche so genannte<br />

„Walking Acts“ auf dem Gelände.<br />

MUSIK Kultursommer 43


Konzert, Symposium und Radiosendungen:<br />

Neuentdeckungen zum Schumann-Jahr<br />

Text: Ulrich Matyl EIN<br />

Er liebte die Musik und die Literatur<br />

gleichermaßen, er wollte Pianist<br />

werden und scheiterte an sich selber.<br />

Er verachtete die „Seichtheit“ in der Musik<br />

seiner Zeitgenossen und ersehnte sich,<br />

an die Musik der alten Meister anknüpfen<br />

zu können, sehnte sich, „die Poesie der<br />

Kunst“ mit neuem Leben zu erwecken. Als<br />

Persönlichkeit war er vielschichtig, als<br />

Komponist fühlte er sich unverstanden,<br />

und tatsächlich riss man sich zu seinen<br />

Lebzeiten nicht gerade darum, seine<br />

Werke zu spielen oder gar zu drucken.<br />

Ein zweites Standbein schuf sich Robert<br />

Schumann als Musikrezensent und vermochte<br />

so auf publizistische Weise seine<br />

künstlerischen<br />

Ziele<br />

zu verfolgen.<br />

Dazu gründete<br />

er 1834 mit mehreren Teilhabern die<br />

„Neue Zeitschrift für Musik“. Sie wurde<br />

zu einem der wichtigsten Foren für die<br />

Diskussion neuer Musik und zu einem<br />

Dokument von unschätzbarem Wert über<br />

das Musikgeschehen im 19. Jahrhundert.<br />

Und sie existiert bis heute! Zehn Jahre lang<br />

verantwortete Schumann als Chefredakteur<br />

die Herausgabe der Zeitschrift, in<br />

der sich seine ästhetischen Positionen im<br />

zeitgenössischen Musikschaffen reflektieren.<br />

Reflexionen, die keineswegs nur the-<br />

Wer kennt Adolph Henselt,<br />

Oswald Lorenz oder Julius Becker?<br />

oretischer Art waren, denn zwischen 1838<br />

und 1841 hatte Schumann der Zeitschrift<br />

vierteljährlich Notenbeilagen als Geschenk<br />

für die Leser hinzugefügt.<br />

Als „Sammlungen von Musik-Stücken alter<br />

und neuer Zeit“ erschienen so insgesamt<br />

16 Hefte. Und Schumann hoffte, sie<br />

möglichst zahlreich auf den Klavierpulten<br />

des bürgerlichen Publikums zu finden,<br />

waren doch hierin – als Pendant zu den<br />

oberflächlichen Opernpotpourris – Musterbeispiele<br />

erhabener Kunst zu finden.<br />

Nicht ohne Stolz präsentierte Schumann<br />

diese Auswahl von insgesamt 70 Kompositionen,<br />

denn bei allen Stücken handelt es<br />

sich um Erstdrucke! Klavierstücke, Lieder<br />

und Chorsätze finden<br />

sich, Kompositionen<br />

von Beethoven und<br />

Schumann selber und<br />

vor allem von vielen, heute völlig unbekannten<br />

Komponisten: Wer kennt Adolph<br />

Henselt, Oswald Lorenz oder Julius Becker?<br />

Aber gerade diese machen die Sammlung<br />

heute zu einer wahren Schatztruhe.<br />

Der 200. Geburtstag des Komponisten war<br />

für Prof. Dr. Ulrich Tadday, Musikwissenschaftler<br />

und Schumann-Forscher an der<br />

Universität Bremen, Anlass genug, mit<br />

Unterstützung von Radio Bremen und der<br />

Philharmonischen Gesellschaft Bremen<br />

MUSIK Schumann-Jahr 45<br />

SCHATZ<br />

WIRD GEHOBEN<br />

diesen Schatz endlich wissenschaftlich<br />

und musikalisch zu heben. Für die wissenschaftliche<br />

Aufarbeitung legt eine Dissertation<br />

von Johanna Steiner das Fundament.<br />

Darüber hinaus lädt die Universität<br />

zu einem Symposium über dieses Thema<br />

ein. Höhepunkt des Projektes wird ein von<br />

Radio Bremen veranstaltetes Konzert im<br />

Sendesaal sein, in dem zahlreiche dieser<br />

kostbaren Kleinodien als Musik erklingen.<br />

Bei den meisten Stücken dürfte es sich<br />

hierbei um Uraufführungen handeln!<br />

Als Abschluss dieses Konzertes gibt es<br />

dann Robert Schumanns äußerst selten<br />

zu hörendes und zu unrecht abgeurteiltes<br />

Märchen-Oratorium „Der Rose Pilgerfahrt“<br />

zu hören. Rundfunkmitschnitt und<br />

CD-Produktion werden dieses „Geburtstagsgeschenk“<br />

später dokumentieren.<br />

<strong>Die</strong> Termine<br />

28. und 29. Mai: Wissenschaftliches Symposium<br />

zum Themenkreis „Musikalische<br />

Beilagen“ zur „Neuen Zeitschrift für Musik“<br />

28. Mai, 20 Uhr: Konzert für Robert Schumann,<br />

Sendesaal Bremen<br />

Viele weitere Informationen zum umfangreichen<br />

Schumann-Projekt gibt es über<br />

die Internetseiten von Universität, Radio<br />

Bremen und Sendesaal Bremen.


46 MUSIK Jazztipps<br />

JAZZTTIPPS<br />

„So Weiss“ mit hohem<br />

Anspruch<br />

(hip) „Doch ich schäme mich, dass mein<br />

Herz so weiß ist“ lässt Shakespeare Lady<br />

Macbeth sagen – höher kann man mit einem<br />

Bandnamen kaum langen. Aber die Berliner<br />

Formation „So Weiss“ löst diesen hohen Anspruch,<br />

den die Musiker sich selber setzten,<br />

sowohl musikalisch wie auch literarisch<br />

ein, wenn sie etwa die Lyrik von Shakespeare,<br />

Ben Johnson, WB. Yeats und Robert<br />

Frost vertonen. <strong>Die</strong> Vokalistin Kristiina<br />

Tuomis gibt dabei den Texten eine elegisch,<br />

sinnliche Grundnote, durch die dann auch<br />

die von ihrer Mitspielerin Susanne Folk<br />

geschriebenen Pop-Texte geadelt werden, in<br />

denen es eher um großstädtische Romantik<br />

und enge U-Bahn-Schächte geht.<br />

Susanne Folk studierte Jazz-Saxophon an<br />

der Folkwang Hochschule in Essen und<br />

liefert manchmal auch auf der Klarinette<br />

die zweite Melodiestimme. <strong>Die</strong>se seltsame<br />

Instrumentierung hat einen ganz eigenen<br />

Reiz, über den die Zeitschrift „Jazzthetik“<br />

schrieb: „Mit großem Einfallsreichtum<br />

erfindet sie zur Gesangsmelodie unterstützende<br />

und umspielende Gegenstimmen.“<br />

Geerdet werden diese beiden manchmal<br />

ins Ätherische abhebenden Musikerinnen<br />

durch den warm groovenden Kontrabass<br />

von <strong>Roland</strong> Fidezius, dessen eigene Formation<br />

„Odd Shot“ immerhin im New Yorker<br />

„Time Out Magazine“ als „quirky und fresh<br />

avant-jazz“ gelobt wurde. Hier schafft sein<br />

Spiel dagegen einen ruhenden Kontrapunkt<br />

zu den Höhenflügen der beiden Frauen.<br />

Das Trio erweitert sein originelles Klangbild<br />

beim Konzert im KITO noch durch die<br />

Gastmusiker Tino Drado am Akkordeon<br />

und Ketan Bhatti (Perkussion). So darf man<br />

gespannt sein auf die Musik von „So Weiss“,<br />

und dies, obwohl der Name unter Jazzern ja<br />

durchaus auch spöttisch als „nicht schwarz<br />

genug“ gedeutet werden könnte.<br />

28. Juni im KITO, Vegesack<br />

Jazz-Dialoge auf<br />

höchstem Niveau<br />

„Face To Face“ wurde im Sendesaal<br />

aufgenommen<br />

(che) Im September 2009 waren der luxemburgische<br />

Vibraphonist Pascal Schumacher<br />

und der belgische Pianist Jef Neve für einige<br />

Tage im Sendesaal Bremen, um dort für das<br />

renommierte Jazzlabel Enja eine CD aufzunehmen.<br />

Nun liegt das Album unter dem Titel<br />

„Face To Face“ (9 Tracks, 45 Minuten) vor.<br />

Neve und Schumacher gehören zur jüngeren<br />

Jazz-Generation (beide Anfang dreißig)


und werden jeweils auf ihrem Instrument<br />

als große europäische Hoffnung gefeiert.<br />

Einige Zeit haben die beiden Jungstars<br />

gemeinsam in Schumachers Quartett<br />

gespielt, inzwischen gehen sie eigene Wege,<br />

die sich aber in der musikalischen Auffassung<br />

nicht wesentlich unterscheiden. <strong>Die</strong><br />

Tage im Sendesaal scheinen die Kongruenzen<br />

noch gefördert zu haben, so dass ein<br />

überaus intensives Album entstanden ist.<br />

Beide lieben Grenzüberschreitungen, die<br />

lässig auch in den Klassikbereich wechseln,<br />

ohne dass „Face To Face“ nun eine Jazz-<br />

Klassik-Crossover-CD geworden wäre. Es<br />

sind eher die Klangfarben, die bei diesen<br />

intensiven Dialogen zwischen Vibraphon<br />

und Flügel an Brahms oder auch Debussy<br />

denken lassen. Was Neve und Schumacher<br />

hier vorexerzieren, ist ein gekonnter Tanz<br />

auf der ganzen Musikgeschichte, insofern<br />

auch durchaus geeignet für Hörer, die nicht<br />

unbedingt mit Jazz vertraut sind.<br />

Nur echt mit Ente Anton<br />

Florian Zenker Tiny Tribe legt zweite CD vor<br />

(che) Vor rund zehn Jahren konnte man<br />

den Bremer Jazzgitarristen Florian Zenker<br />

häufiger in der Stadt mit seinem „Zenker-<br />

Kappe 4tet“ hören. Mittlerweile lebt Florian<br />

Zenker in Köln und hat dort 2004 „Tiny<br />

Tribe“ gegründet, im Kern ein Trio aus dem<br />

Bassisten Jens Loh und dem Perkussionisten<br />

Afra Mussawisade sowie natürlich dem<br />

Gitarristen selbst, das sich aber durchaus<br />

gerne Gäste einlädt.<br />

So auch auf der neuen, zweiten CD „Strange<br />

Stories & Faraway Places (11 Tracks,<br />

44 Minuten, erschienen bei NRW-Jazz).<br />

Hier wächst das Trio nämlich bei einem<br />

Titel zum Sextett an. Aber auch der pure<br />

Triosound ist farbenreich, denn Zenker<br />

und Loh operieren zusätzlich mit elektronischen<br />

Effekten.<br />

Jazz ist fraglos der entscheidende Bestandteil<br />

der „Tiny Tribe“-Ideen, einen beträchtlichen<br />

Teil machen aber auch weltmusikalische<br />

und folkloristische Melodien und<br />

Rhythmen aus. Eine Reise nach Zimbabwe<br />

dürfte das ihre dazu beigetragen haben,<br />

außerdem steuert der iranische Perkussionist<br />

Afra Mussawisade Metren aus dem<br />

reichen arabisch-persischen Feld bei.<br />

Ein schönes Album, auf dem Plastikenten<br />

fröhlich übers Meer dümpeln („Adventurous<br />

Anton“), sich kraftvolle Aufschwünge<br />

finden („A tribute to my Car Mechanic“),<br />

durch das aber bei „En Lyd i Skogen“ auch<br />

ein Hauch nordischer Elegie weht.<br />

MUSIK Jazztipps 47<br />

Bremer<br />

KartenKontor


48 ROLLENSPIEL<br />

Schauspielrätsel<br />

(SN) <strong>Die</strong> Personen seiner Stücke sind aus<br />

dem realen Leben gegriffen – aus einem<br />

kleinbürgerlichen Leben, das es nicht gut<br />

mit den Menschen meint. Im Mittelpunkt<br />

dieses „kleinen Totentanzes“ scheitert<br />

eine junge Frau an miserablen Umständen.<br />

Sie braucht einen Wandergewerbeschein,<br />

damit sie als Vertreterin ihr Brot<br />

verdienen kann. Deshalb versucht sie<br />

ihren Körper in der Anatomie für 150<br />

Mark zu verkaufen. Aber der Präparator<br />

sagt, dass man einen lebenden Körper<br />

nicht verkaufen kann. Und zweitens<br />

schwindle sie ihm etwas vor, weil sie das<br />

Geld braucht, um eine Strafe zu bezahlen.<br />

Eine Firma streckt ihr den Wandergewerbeschein<br />

vor, aber sie hat keinen Erfolg<br />

damit. Schließlich gerät die junge Frau an<br />

einen Polizisten, der sie heiraten will und<br />

ihr vorab wöchentlich etwas Geld zukommen<br />

lässt. Als er jedoch erfährt, dass sie<br />

vorbestraft ist, gibt er ihr den Laufpass –<br />

sie geht ins Wasser.<br />

Auch hier hat der Autor die Geschichte<br />

nach einem alltäglichen Fall vor Gericht<br />

behandelt. Ihn interessiert daran vor allem<br />

der Kontrast zwischen scheinbarem<br />

Edelmut und rüdem Zynismus. Wie heißt<br />

er, wie lautet der Titel des Schauspiels?<br />

Antworten bitte bis zum 15. Juli 2010 an<br />

foyer, <strong>Roland</strong> <strong>Verlag</strong> <strong>GmbH</strong>, Schlachte 43,<br />

28195 Bremen. <strong>Die</strong> Teilnahme ist auch online<br />

möglich: www.rolandverlag.de (Publikationen/Foyer)<br />

Zu gewinnen sind 5 x 2 Karten für das<br />

Bremer Schauspiel.<br />

<strong>Die</strong> Auflösung des Schauspielrätsels in<br />

foyer 84 lautet: „Torquato Tasso“ von<br />

Goethe.<br />

Gewonnen haben:<br />

Fee Engemann, Bremen<br />

Ubbo Friedrich, Bad Zwischenahn<br />

Martina Huntemann, Delmenhorst<br />

Dr. J. Kollmeier, Marklohe<br />

Frauke Lüllmann, Bremen<br />

ROLLENSPIEL<br />

(che) Der Bremer Komponist und Musiker<br />

Christoph Ogiermann (Foto rechts) realisiert<br />

als Mitglied der Experimentalgruppe<br />

Klank seit rund zwei Jahren ungewöhnliche<br />

Perfomances und Raumbespielungen.<br />

So initiierte und inszenierte Klank im vorigen<br />

Jahr eine neue Interpretation von Cornelius<br />

Cardews „Great Learning“, die mit<br />

rund 70 Beteiligten (darunter auch Kinder<br />

einer Grundschule) als „Großes Lernen“ im<br />

Güterbahnhof aufgeführt wurde.<br />

In diesem Jahr wird es noch eine Nummer<br />

größer, denn nun wird eine ganze Stadt<br />

bespielt. <strong>Die</strong> Gruppe Klank, das sind neben<br />

Ogiermann Reinhart Hammerschmidt,<br />

Tim Schomacker und Hainer Wörmann,<br />

ist nämlich einer der Gewinner des Wettbewerbs<br />

Zukunftsmusik beim Festival<br />

„Musik der Jahrhunderte“ geworden. Und<br />

so führt Klank am 8. Oktober in Waiblingen<br />

eine Stadtbespielung unter dem Titel<br />

„StadtKlank“ mit rund 700 Beteiligten<br />

auf. In einem siebenstrahligen „Klang-<br />

Gang“ ziehen die Musiker zum Marktplatz<br />

in der Altstadt von Waiblingen, wobei auch<br />

Anwohner und Geschäftsleute an dieser<br />

Musikperformance beteiligt sein werden.<br />

Wer sich vorher einen Eindruck der avantgardistischen<br />

Experimenten von Klank<br />

verschaffen will: Am 21. Juni (20 Uhr) bespielt<br />

die Gruppe, dann nur zu viert, das<br />

Gerhard-Marcks-Haus.<br />

(SN) Dr. Ralf Waldschmidt, während der<br />

Ära Pierwoß viele Spielzeiten lang Leitender<br />

Musikdramaturg und schließlich<br />

Chefdramaturg am Theater Bremen, wird<br />

Intendant der Städtischen Bühnen Osnabrück.<br />

Nach der Vorstellung vieler Kandidaten<br />

war Waldschmidt in die Endaus<br />

scheidung gekommen und erhielt das einstimmige<br />

Votum der 20köpfigen Findungskommission.<br />

Er tritt als Nachfolger von<br />

Holger Schultze, der nach Heidelberg<br />

geht, seine erste Intendanz zu Beginn der<br />

Spielzeit 2011/2012 an. Ralf Waldschmidt<br />

war bei dem Bremer Intendantenwechsel<br />

von Klaus Pierwoß zu Hans-Joachim Frey<br />

als Operndirektor an das Theater Augsburg<br />

gegangen. Zusammen mit der Intendantin<br />

Juliane Votteler, die ja damals auch im<br />

Fokus der Bremer Findungskommission gestanden<br />

hatte, glückte dort eine vielfach<br />

gerühmte, von neuem Wind getragene künstlerische<br />

Arbeit.<br />

Übrigens scheint das Bremer Dramaturgenamt<br />

immer wieder als Sprungbrett zu<br />

dienen. Waldschmidts Vorgänger Norbert<br />

Klein ist stellvertretender Intendant am<br />

Staatstheater Nürnberg. <strong>Die</strong>ter Schwarz,<br />

vor Jahren in der Hansestadt sehr beliebt,<br />

kam über Mannheim als Operndirektor<br />

nach Basel, wo es ihm gelang, zweimal<br />

den Titel „Oper des Jahres“ an das Haus zu<br />

holen, wurde kürzlich zum Intendanten<br />

der Deutschen Oper Berlin gewählt.


(ps) Zwölf Philharmonische Konzerte,<br />

neun Sonderkonzerte, sechs Opernproduktionen,<br />

dazu Kammermusik, Familienkonzerte,<br />

Schulprojekte und die<br />

Musikwerkstatt – die Bremer Philharmoniker<br />

und ihr Generalmusikdirektor<br />

Markus Poschner haben sich für die<br />

kommende Spielzeit mit rund 400 Veranstaltungen<br />

wieder ein beachtliches Programm<br />

vorgenommen. Dabei sollen Werke<br />

im Mittelpunkt stehen, die in ihrer Entstehung<br />

und Wirkung zahlreiche Parallelen<br />

aufweisen. „Alle sind Zeugnisse einer<br />

fast unvorstellbaren Schaffenskraft und<br />

kosteten die Komponisten Unmengen an<br />

Energie. Und das Ergebnis ist“, so Markus<br />

Poschner, „etwas völlig Neuartiges. Es<br />

kommt einem Urknall gleich, einem gigantischen<br />

Befreiungsschlag.“<br />

Als Gäste werden unter anderem die Pianisten<br />

Anna Vinnitskaya und Rudolf<br />

Buchbinder sowie Sol Gabetta (Cello), Sabine<br />

Meyer (Klarinette) und Dame Felicity<br />

Lott (Sopran) erwartet. Für den Februar<br />

wird „eine kleine Sensation“ angekündigt:<br />

Wagners „Tristan und Isolde“ als konzertante<br />

Aufführung mit Texten von Herbert<br />

Feuerstein und einer Einführungsveranstaltung<br />

mit Nike Wagner – drei Akte, drei<br />

Tage! Dabei wird der in Bremen so beliebte<br />

George Stevens den Kurvenal singen. Für<br />

Bruckner-Fans ein Muss: <strong>Die</strong> 8. Sinfonie<br />

mit Peter Schneider am Pult.<br />

(sg) Wenn Martin Baum von seiner Arbeit<br />

spricht, dann leuchten seine Augen. Es ist<br />

in diesem Fall wohl die Vorfreude auf eine<br />

ganz raffinierte Komödie. Eine Komödie,<br />

die mit all den Tricks eines gut gebauten<br />

Verwechslungstrubels lockt. Und Baum,<br />

der seit fünf Jahren als Schauspieler am<br />

Bremer Theater wirbelt, darf, soll und<br />

muss nun als Regisseur auf Pointenjagd<br />

gehen. Handwerk und Humor sind gefragt.<br />

Dabei vollzieht Baum den Rollentausch<br />

hin zum Regisseur nicht zum ersten Mal.<br />

Auch in Kassel und Mainz hat er bereits<br />

Witziges mit Anspruch inszeniert. Und am<br />

Bremer Theater brachte er zuletzt mit dem<br />

„Messias“ eine freche Farce ins Foyer. Und<br />

so schwärmt Baum im Gespräch von dem<br />

dunklen Humor sowie den herrlich bösartigen<br />

Missgeschicken, die der englischen<br />

Meisterdramatiker Peter Shaffer um seine<br />

Figuren schraubt. Bei dieser „Komödie im<br />

Dunklen“ herrscht die Dramaturgie der<br />

Zwickmühle: Kurzschluss! <strong>Die</strong> Lichter sind<br />

aus. Munkeln im Dunklen ist Programm.<br />

Doch die Zuschauer sehen natürlich alles...<br />

Aus Heimlichkeit wird Lächerlichkeit.<br />

Und dieses gerissene Stück kommt so auch<br />

dem Anspruch von Theatermann Baum<br />

nahe: Gemeinsam mit den Zuschauern<br />

einen Abend im Wechselwirbel der Gefühle<br />

zu erleben.<br />

Premiere: 29. Mai, Bremer Schauspielhaus<br />

Opernrätsel<br />

ROLLENSPIEL 49<br />

(SN). Maria heißt das Mädchen. Gewiss<br />

kein seltener Name. Ebenso wenig selten<br />

ist es, wenn eine junge Frau die Liebe<br />

eines wesentlich älteren Mannes erwidert.<br />

Und standhaft bleibt. Denn der Vater hatte<br />

für sie einen jungen Freier ausgeguckt.<br />

Abgelehnt! Auch als ihr Vater das Heiratsersuchen<br />

des Älteren, mit dem er sogar<br />

befreundet ist, strikt von sich weist, entscheidet<br />

sich Maria für den Geliebten.<br />

Papa denunziert diesen voller Hass. Aber<br />

der Zar steht zu seinem Kosakenhauptmann,<br />

lässt den Verleumder in den Knast<br />

bringen, wo er gefoltert und später hingerichtet<br />

wird. Maria erfährt das von ihrer<br />

heimlich aufgetauchten Mutter, und die<br />

Tochter hat nichts anderes mehr im Sinn,<br />

als ihren Vater zu retten. Inzwischen musste<br />

ihr Geliebter an der Schlacht von Poltawa<br />

teilnehmen, wird geschlagen und flieht.<br />

Als er Maria wieder findet, erkennt sie ihn<br />

nicht mehr – sie ist wahnsinnig geworden.<br />

Grausam, nicht wahr?<br />

<strong>Die</strong>se Oper des russischen Komponisten<br />

wird im Gegensatz zu zwei berühmten<br />

Bühnenwerken aus seiner Feder sehr selten<br />

aufgeführt. Es lässt sich jedoch beim<br />

Studieren der neuen Spielpläne rasch herausfinden,<br />

wie der Komponist heißt und<br />

wie der Titel dieser Oper lautet.<br />

Bitte schreiben Sie Ihre Antwort bis<br />

zum 15. Juli 2010 an foyer, <strong>Roland</strong> <strong>Verlag</strong><br />

<strong>GmbH</strong>, Schlachte 43, 28195 Bremen. <strong>Die</strong><br />

Teilnahme ist auch online möglich: www.<br />

rolandverlag.de (Publikationen/Foyer)<br />

Zu gewinnen sind 5 x 2 Karten für das<br />

Theater Bremen, das Stadttheater Bremerhaven<br />

und das Oldenburgische<br />

Staatstheater.<br />

<strong>Die</strong> Auflösung aus Foyer 84 lautet: „Herzog<br />

Blaubarts Burg“ von Béla Bartók.<br />

Gewonnen haben:<br />

Charlotte Acker, Oldenburg<br />

Elsbeth Beger, Delmenhorst<br />

Karin Brooksiek, Wardenburg<br />

Petra Heiling, Bremerhaven<br />

Elisabeth Hertz, Bremen<br />

Manfred Kaese, Bremen<br />

Martina Kammann, Stuhr<br />

Jürgen Koch, Oldenburg<br />

Monika Marxen, Hannover<br />

Herta Pirke, Bremerhaven<br />

Gudrun Plakinger, Bremerhaven<br />

Hans-A. Schumacher, Loxstedt<br />

Wim Stam, NL-AP Emmen<br />

Gerda Strecke, Rotenburg<br />

Inge Westphal, Lübeck


50 WISSENSCHAFT Jade Hochschule<br />

Dr. Elmar Schreiber<br />

<strong>Die</strong> Geschichte von den „Sound-Designern“,<br />

die in den Entwicklungsstudios<br />

der großen Autokonzerne am<br />

„richtigen“ Klang tüfteln, der beim Zuschlagen<br />

der Fahrertür eines schnittigen<br />

Sportwagens erwartet wird, hat Dr. Inga<br />

Holube bestimmt schon hundertmal erzählt.<br />

Dennoch sie freut sich sichtlich,<br />

welches Interesse ihre Anekdote immer<br />

wieder findet. Schließlich hat so mancher<br />

Ingenieur das Fachwissen für seine Suche<br />

nach dem satten „Plopp“ beim „Klapp“ an<br />

der Jade Hochschule erworben.<br />

Genau gesagt im Oldenburger Institut für<br />

Hörtechnik und Audiologie, dessen Vorsitzende<br />

Professorin Holube ist und das jährlich<br />

von rund 30 Absolventen verlassen<br />

wird – den Bachelor im Gepäck und glänzende<br />

berufliche Perspektiven vor sich.<br />

„Viele von ihnen haben bereits vor der Abschlussprüfung<br />

einen Arbeitsvertrag in der<br />

Tasche“, berichtet Inga Holube und verweist<br />

auf das besondere, hierzulande nahezu<br />

einzigartige Profil des Instituts, das<br />

freilich nicht nur die Personalchefs der Automobilindustrie<br />

aufhorchen lässt.<br />

Denn die anwendungsorientiert ausgebildeten<br />

Ingenieure des Oldenburger Studiengangs<br />

„Hörtechnik und Audiologie“, der<br />

in Kooperation mit der Universität Oldenburg<br />

betrieben wird, sind vor allem in Unternehmen<br />

der Hörgeräteakustik gefragte<br />

Leute. „Ihr späteres Arbeitsgebiet liegt<br />

neben der Industrie auch in Kliniken und<br />

schließt die Hörgeräte- oder Raumakustik<br />

ebenso ein wie die Studio- und Audiotech-<br />

Wie die Ingenieurausbildung zum überregional<br />

guten Image der Jade Hochschule beiträgt<br />

Text: Peter Schulz<br />

PROFILE FÜR<br />

DIE PRAXIS<br />

nik“, zählt Inga Holube auf. „Eben überall<br />

dort, wo das Hören im Mittelpunkt steht.“<br />

Genau dies ist auch im 2002 eröffneten<br />

„Haus des Hörens“ der Fall; einer mit Bundesmitteln<br />

geförderten, mittlerweile weltweit<br />

bekannten Einrichtung der Audiologie,<br />

die enge Verbindungen zur regionalen<br />

wie zur internationelen Wirtschaft pflegt<br />

und die Projektgruppe Hör-, Sprach- und<br />

Audiotechnologie des Fraunhofer-Instituts<br />

Illmenau beherbergt.<br />

Aspekte der Sinneswahrnehmung im Allgemeinen<br />

prägen den im vergangenen Herbst<br />

ins Leben gerufenenen Bachelor-Studiengang<br />

„Assitive Technologien“ des Instituts.<br />

Der Schwerpunkt liegt in<br />

der Ausbildung von Inge-<br />

nieuren, die unterstützende<br />

Technologien für ältere<br />

und behinderte Menschen entwickeln und<br />

ihnen damit ein eigenständig geführtes Leben<br />

ermöglichen – etwa durch ausgeklügelte<br />

Hilfsmittel, die bei der Steuerung des Haushaltes<br />

helfen oder die Kommunikation mit<br />

Pflegediensten erleichtern. Und dabei kann<br />

beispielsweise verfeinerten, einfach zu bedienenden<br />

Rufanlagen in Seniorenwohnungen<br />

eine entscheidende Rolle zukommen.<br />

„Auch dieser Studiengang dürfte dazu beitragen,<br />

den überregionalen Ruf der Jade<br />

Hochschule zu verstärken und noch mehr<br />

Schulabgänger für ein Studium bei uns zu<br />

interessieren“, ist Dr. Elmar Schreiber, Präsident<br />

der in Oldenburg, Wilhelmshaven<br />

und Elsfleth angesiedelten Fachhochschule,<br />

überzeugt. Ein Aspekt von weitreichen-<br />

der Bedeutung. Denn einerseits hat sich es<br />

unter Wirtschaftsförderern längst herumgesprochen,<br />

wie wichtig das gute Image einer<br />

Studieneinrichtung für die Ansiedlung<br />

neuer Unternehmen ist. Andererseits müssen<br />

in Zeiten des demographischen Wandels<br />

auch die Hochschulen selbst darauf bedacht<br />

sein, auf potentielle Studierende besonders<br />

attraktiv zu wirken. „Und dazu tragen kleine,<br />

feine Studiengänge wie jene des Instituts<br />

für Hörtechnik und Audiologie ebenso bei<br />

wie die Angebote unserer ‚Flaggschiffe’ wie<br />

etwa der Ingenieurwissenschaften.“<br />

Prof. Dr. Heiner Köster ist der Dekan dieses<br />

in Wilhelmshaven angesiedelten Fach-<br />

bereichs, dessen<br />

Tradition bis ins<br />

Jahr 1965 zurückreicht<br />

und der heute<br />

die Bereiche Maschinenbau, Elektrotechnik<br />

und Mechatronik umfasst. „Wir sind die<br />

klassischen Ingenieurs-Ausbilder“, erklärt er<br />

mit Blick auf die rund 100 Mitarbeiterinnen<br />

und Mitarbeiter des Fachbereichs, die sich<br />

über insgesamt 200 erfolgreiche Absolventen<br />

pro Studienjahr freuen können und einen<br />

intensiven Technologie-Transfer in die<br />

Wirtschaft in Gang gesetzt haben.<br />

Praxisverbund lautet das<br />

entsprechende Schlüsselwort<br />

Praxisverbund lautet das entsprechende<br />

Schlüsselwort, das ein bundesweit einzigartiges,<br />

von allen Beteiligten als „Glücksfall“<br />

eingestuftes Modell umschreibt. Das<br />

sehen einerseits die Studierenden so, die<br />

2,2 Jahre ihrer insgesamt vierjährigen Verbundstudienzeit<br />

an der Jade Hochschule,<br />

die restlichen 1,8 Jahre aber im Betrieb


und damit in der Praxis verbringen. Das<br />

gelte andererseits aber auch für die beteiligten<br />

Unternehmen wie Airbus, Mercedes<br />

oder die Meyer-Werft, die – so Heiner Köster<br />

– „genau wissen, dass wir für sie genau<br />

jene hoch motivierten Nachwuchskräfte<br />

ausbilden, die sie dringend benötigen.“<br />

Herzstück des Modells ist der jeweilige<br />

Ausbildungsvertrag, den die Firma zuvor<br />

mit einem als talentiert und qualifiziert<br />

eingestuften Abiturienten abgeschlossen<br />

hat, der sich anschließend durchaus<br />

so fühlen kann als habe er das große Los<br />

gezogen. Denn die Ingenieure in spe erhalten<br />

während ihres Studiums eine Ausbildungsvergütung<br />

und zudem die Gewissheit,<br />

nach erfolgreichem Abschluss einen<br />

Studienort Wilhelmshaven der Jade Hochschule<br />

interessanten Job im Betrieb antreten zu<br />

können. <strong>Die</strong> Jade Hochschule wiederum<br />

begleitet das Verfahren und knüpft im Einzelfall<br />

die Verbindungen zwischen den Unternehmen<br />

und den 35 Studierenden, die<br />

pro Jahr die Vorteile des Praxisverbundes<br />

nutzen können.<br />

Heiner Köster, vor seiner Lehrtätigkeit<br />

sechs Jahre beim Flugzeugbauer Airbus,<br />

hat gemeinsam mit Kollegen des Fachbereichs<br />

dazu beigetragen, das Modell aufzubauen<br />

und der Jade Hochschule damit<br />

ein „echtes Pfund zu liefern, das wir heute<br />

im Vergleich mit anderen Studienorten<br />

in die Waagschale werfen können.“ Zudem<br />

werde das Netzwerk mit jedem Absolventen<br />

immer größer, weshalb sich die Kunde<br />

WISSENSCHAFT Jade Hochschule 51<br />

vom erfolgreichen Wilhelmshavener Verbundmodell<br />

(Köster: „<strong>Die</strong> Abbrecherquote<br />

liegt pro Semester unter zehn Prozent –<br />

das sucht seinesgleichen“) immer weitere<br />

Verbreitung findet. Und zwar bis nach China<br />

oder ins Baltikum.<br />

Doch der Fachbereich Ingenieurwissenschaften,<br />

dem weltweit acht Partnerhochschulen<br />

verbunden sind, hat noch viel<br />

mehr zu bieten. Zum Beispiel den neuen<br />

Studiengang für Meerestechnik, der zum 1.<br />

September gemeinsam mit der Universität<br />

Oldenburg etabliert und zunächst 30 Studienplätze<br />

bieten wird. Den Auslöser dafür<br />

lieferte eine hochschulinterne Analyse, deren<br />

Auswertung eine Lücke im Studienangebot<br />

europäischer Hochschulen hinsichtlich<br />

der Ausbildung von Messtechnikern<br />

und Meeresmechatronikern schließen soll.<br />

„<strong>Die</strong>se Ingenieure können später an Bord<br />

eines Schiffes oder auf einer Offshore-<br />

Windanlage arbeiten, aber auch zum Beispiel<br />

Förderanlagen konstruieren und betreuen“,<br />

sagt Heiner Köster.<br />

„Erneut ein Studiengang, der zu uns und<br />

zur Region passt“, urteilt Präsident Schreiber<br />

und verweist darauf, dass man hier<br />

wie in allen anderen Bereichen die enge<br />

Zusammenarbeit mit den Unternehmen<br />

im Nordwesten suchen wird. „<strong>Die</strong> Jade<br />

Hochschule sieht sich schließlich auch als<br />

<strong>Die</strong>nstleister für die regionale Wirtschaft<br />

und ist bestrebt, ihr Studienangebot an<br />

den Anforderungen der Praxis auszurichten.<br />

Genau hier liegt eine unserer großen<br />

Stärken.“


52 WIRTSCHAFT Bremen auf der EXPO<br />

EINE VISION,<br />

VIELE PARTNER<br />

Dänemark hat seine Kleine Meerjungfrau<br />

für die EXPO nach Shanghai geflogen;<br />

die Spanier stellten einen<br />

acht Meter hohen Roboter auf, der wie ein<br />

Baby aussieht. Im italienischen Pavillon –<br />

wo sonst? – ist ein Pumps im XXXXL-Format<br />

die große Attraktion. Und Bremen?<br />

<strong>Die</strong> Freie Hansestadt setzt an ihrem Stand<br />

in der „Urban Best Practice Area“ (UBPA)<br />

in Halle B2 voll auf ihre Stadtmusikanten.<br />

Okay, das UNESCO-Welterbe Rathaus und<br />

<strong>Roland</strong> ist auch vertreten. Und natürlich<br />

Werders Fußballer. Doch das tierische<br />

Quartett, visuell umgesetzt durch eine<br />

Medienskulptur von Studenten der Bremer<br />

Hochschule für Künste, stiehlt ihnen<br />

und allen anderen Blickfängen die Schau.<br />

Soll es auch, sagt Staatsrat Dr. Heiner Heseler,<br />

im Senat verantwortlich für den Bremer<br />

EXPO-Auftritt: „<strong>Die</strong> Stadtmusikanten<br />

sind in der ganzen Welt bekannt und können<br />

deshalb als Synonym für Bremen eingestuft<br />

werden. Besonders in China hat<br />

nahezu jedes Kind die Geschichte der Gebrüder<br />

Grimm schon einmal gehört. Also<br />

wären wir schlecht beraten, wenn wir bei<br />

der Weltausstellung in Shanghai nicht auf<br />

die Attraktivität des Märchens von den vier<br />

Stadtmusikanten setzen würden.“<br />

Nahezu märchenhaft wirkt es ohnehin,<br />

dass das kleine Bremen neben 242 Nationen<br />

und internationalen Organisationen auf<br />

der EXPO vertreten ist und sich damit den<br />

70 Millionen Besuchern präsentieren kann,<br />

Wie die Stadtmusikanten zu Leitfiguren des<br />

Bremer EXPO-Auftritts in Shanghai wurden<br />

Text: Peter Schulz<br />

die bis zum 31. Oktober erwartet werden.<br />

Schließlich waren die prestigeträchtigen<br />

Plätze auf dem EXPO-Gelände heiß begehrt,<br />

weshalb die Gastgeber im Vorfeld einen internationalen<br />

Wettbewerb ausschrieben,<br />

den sie mit der Erwartung konkreter Vorschläge<br />

für eine Teilnahme verknüpften.<br />

Bremens Weg zur EXPO ebnete eine Delegationsreise,<br />

die Bürgermeister Jens<br />

Böhrnsen im Juni 2006 nach Shanghai unternahm.<br />

Dabei wurden die Besucher von<br />

der Weser auch vom Shanghaier Vizebürgermeister<br />

empfangen, der sie mit herzlichen<br />

Worten dazu einlud, eine Bewerbung<br />

abzugeben. Einen heißen Tipp dafür gab<br />

der Chinese den Bremern mit auf den Weg:<br />

Stellt die Themen Car-Sharing und nachhaltige<br />

Mobilität in den Mittelpunkt eures<br />

Standkonzepts! Denn auf diesem Gebiet<br />

besteht bei uns großes Interesse an Informationen<br />

aus erster Hand.<br />

Genau die kann Bremen bieten, ist die<br />

Stadt doch in Sachen Car-Sharing konzeptionell<br />

wie hinsichtlich des Umsetzungsgrades<br />

in der EU führend. Parallel<br />

dazu wurde der Gedanke entwickelt, den<br />

Nordwesten Deutschlands als innovativen<br />

Wirtschafts- und Wissenschaftsstandort<br />

zu präsentieren. So entstand nach und<br />

nach eine Gemeinschaftsaktion von Hochschulen<br />

in Bremen, Bremerhaven und Oldenburg<br />

unter Einbeziehung bedeutender<br />

Unternehmen der Region Nordwest. Alle<br />

Partner teilen eine gemeinsame Vision,


weshalb es nahe lag, dem Stand ein Motto<br />

zu geben: „Sharing A Vision“.<br />

Und genau hier treten wieder die Stadtmusikanten<br />

auf den Plan. Denn auch sie hatten<br />

eine Vision, die sie miteinander teilten:<br />

Eine sichere Zukunft, ein besseres Leben.<br />

In Shanghai führen sie die Besucher als Erzähler<br />

und Hauptdarsteller durch den Bremen-Stand<br />

und liefern zudem auf der UBPA-<br />

Plaza eine tägliche<br />

Akrobatik-Show ab,<br />

die voll und ganz<br />

dem Geschmack<br />

der überwiegend<br />

chinesischen EXPO-Besucher entspricht.<br />

Als Protagonisten dafür wurden Artisten<br />

der Dalian Acrobatic Group gewonnen, jener<br />

international geschätzten Artistenschule<br />

in Bremens chinesischer Partnerstadt Dalian,<br />

in der viele Mitglieder des chinesischen<br />

Staatszirkus’ ihr circensisches „Handwerk“<br />

gelernt haben.<br />

Sie studierten eine – so Klaus Sondergeld,<br />

Geschäftsführer der Wirtschaftsförderung<br />

Bremen <strong>GmbH</strong> und Projektleiter des Bremer<br />

EXPO-Auftritts – „sehr chinesisch geprägte<br />

Version“ des Grimm’schen Märchens ein<br />

und reicherten die Geschichte mit ironisch<br />

gefärbten Texten zum Thema Harmonisierung<br />

an, das im mit eiserner Hand regierten<br />

China von den Machthabern ganz in ihrem<br />

Sinne interpretiert wird. <strong>Die</strong> Reise der Stadtmusikanten<br />

nach Bremen wird durch Tanz,<br />

Schlager, Slapstick und artistische Glanz-<br />

stücke der Parterre-Akrobatik und Jonglage<br />

ergänzt, wobei die insgesamt sieben Mitwirkenden<br />

besonders mit ihren HipHop-Nummern<br />

und Michael Jacksons „Moonwalk“<br />

brillieren.<br />

„Riesigen Beifall gibt es“, so erzählt Klaus<br />

Sondergeld, „wenn die Darsteller von Esel,<br />

Hund, Katze und Hahn eine Pyramide bilden<br />

und somit das klassische Stadtmusi-<br />

<strong>Die</strong> Stadtmusikanten sind in der ganzen Welt<br />

bekannt und können deshalb als Synonym für<br />

Bremen eingestuft werden.<br />

kantenbild präsentieren.“ Schlusspunkt<br />

der Show: Das Quartett besiegt die beiden<br />

Räuber und trifft das EXPO-Maskottchen<br />

Haibao, um mit ihm gemeinsam im Transrapid<br />

nach Shanghai zu düsen.<br />

Ein vielleicht kitschig wirkendes, aber<br />

gleichwohl augenfälliges Bild, das geschickt<br />

an das Bremer EXPO-Leitmotiv<br />

„Sharing a Vision“ anknüpft. „<strong>Die</strong>se Symbolik<br />

greifen wir rein inhaltlich gesehen<br />

auf dem Bremen-Stand mit den Schwerpunkten<br />

Elektromobilität und erneuerbare<br />

Energien auf“, urteilt Klaus Sondergeld.<br />

„Sharing a Vision“ – das bedeutet nachhaltige<br />

Stadtentwicklung, aber auch Offshore-Windenergie,<br />

Car-Sharing, Energieeffizienz<br />

und intelligente Netze. Eine<br />

Bandbreite, die sich dem EXPO-Motto<br />

„Better City, Better Life“ anpasst.<br />

WIRTSCHAFT Bremen auf der EXPO 53<br />

Visuell soll dies anhand augenfälliger Beispiele<br />

für den nachhaltigen Umgang mit<br />

Energie deutlich werden. So präsentiert der<br />

Oldenburger Energiekonzern EWE das gemeinsam<br />

mit dem Karosseriebauer Karmann<br />

entwickelte Elektro-Auto „E3”. Ein<br />

Fahrzeug, das nachts Ökostrom „tankt” und<br />

bei Bedarf tagsüber wieder ins Netz abgeben<br />

kann. Ein Beispiel für nachhaltige urbane<br />

Mobilität zeigt das Modell „cambio” auf:<br />

Autos gemeinsam nutzen – in Bremen funktioniert<br />

das schon seit Jahren mit großem<br />

Erfolg in der Praxis. Weitere Exponate steuerten<br />

unter anderem die Bremer Spezialreederei<br />

„Beluga Shipping” sowie die Bremer<br />

Unternehmen Kaefer Isoliertechnik, BEGO<br />

und GT BiomeScilt bei. Weitere Standpartner<br />

sind die Universität Bremen mit dem<br />

Forschungsverbund Marum, die Universität<br />

Oldenburg, die Hochschule Bremen, die<br />

Hochschule Bremerhaven, die Hochschule<br />

für Künste Bremen, die Jacobs University<br />

Bremen und das Alfred-Wegener-Institut für<br />

Polar- und Meeresforschung.<br />

Ebenso zielgerichtet wie die Konzeption<br />

ist auch die Struktur des Bremer Expo-Projektes:<br />

<strong>Die</strong> Federführung liegt beim Senator<br />

für Wirtschaft und Häfen, der die Wirtschafsförderung<br />

Bremen <strong>GmbH</strong> (WFB) mit<br />

der Realisierung des Standes beauftragt<br />

hat. Um dessen Design und Gestaltung<br />

kümmerten sich Professor <strong>Roland</strong> Lambrette<br />

von der Bremer Hochschule für Künste<br />

und das Frankfurter Atelier Markgraph.<br />

Akteur und Ansprechpartner vor Ort ist<br />

das Bremen Liaison Office Shanghai.


54 ARCHITEKTUR Röhlig<br />

Ortstermin im „Haus am Fluss“. Als wir<br />

das Bürogebäude mit dem Grundriss<br />

eines Schmetterlings betreten, beeindruckt<br />

uns zuallererst die Aussicht. <strong>Die</strong><br />

neue Zentrale der Firma Röhlig liegt an der<br />

Weser. Schöner arbeiten, das wird schnell<br />

klar, ist kaum möglich. Am liebsten würden<br />

wir uns in einen der leuchtend orangenen<br />

Filzsessel setzen und beobachten, wie<br />

der Wind die Weser aufwühlt. Doch Kommunikationschefin<br />

Andrea Struss drängt.<br />

Es gibt viel zu sehen.<br />

Der Neubau wirkt klar, modern, solide – Eigenschaften,<br />

die dem Traditionsunternehmen<br />

wichtig sind. Mitte des 19. Jahrhundert<br />

wurde Röhlig in Bremen gegründet. Heute<br />

zählt die Firma mit einem Umsatz von mehr<br />

als 500 Millionen Euro im Jahr zu den größten<br />

Speditionsunternehmen bundesweit.<br />

Kerngeschäft sind Seefracht, Luftfracht und<br />

Projektlogistik. In 29 Ländern ist Röhlig vertreten,<br />

darunter Südkorea, Taiwan, Südafrika,<br />

die USA und die Vereinigten Emirate.<br />

1850 Menschen arbeiten für das Familienunternehmen,<br />

120 davon in Bremen.<br />

In dem Neubau Am Weser-Terminal 8 sitzen<br />

sie erstmals unter einem Dach. Es ist<br />

Platz für Büros, Seminar- und Konferenzräume,<br />

sogar für Gastbüros: Heute arbeitet<br />

dort der Managing Director aus Hong Kong.<br />

Hinter seinem Schreibtisch zeigen Uhren<br />

die Weltzeit an.<br />

<strong>Die</strong> Firma Röhlig setzt im neuen Domizil in der<br />

Überseestadt auf Transparenz und Design<br />

Text: Sabine Komm<br />

KONZERNZENTRALE<br />

MIT WEITBLICK<br />

Vor drei Jahren hatte Firmenchef Thomas<br />

W. Herwig zusammen mit dem Architekten<br />

Bernd Müller der Gruppe GME den entscheidenden<br />

Spaziergang durch die Unkrautbrache<br />

am Eingang der Überseestadt<br />

gemacht. Damals wurde viel diskutiert<br />

über diesen Ort, an dem früher der Weserbahnhof<br />

stand und den die Immobilienfirma<br />

Siedentopf inzwischen im großen<br />

Stil bebaut hat. Herwig hatte genug Fantasie,<br />

sich hier seinen neuen Firmensitz vorzustellen.<br />

Als Unternehmer ist er gewohnt,<br />

mutige Entscheidungen zu treffen. Und die<br />

Firma Siedentopf, der das „Haus am Fluss“<br />

gehört, ließ ihm freie Hand bei der Planung<br />

maßgeschneiderter Büros.<br />

<strong>Die</strong> Gruppe GME wurde engagiert, die in<br />

Bremen Projekte wie das Bürohaus Seekamp/HMMH<br />

und das Restaurant Madame<br />

Hô realisiert hat. <strong>Die</strong> Herausforde-<br />

rung beim „Haus am Fluss“ war die Lage.<br />

Am Ufer der Weser ist der Baugrund weich.<br />

Das fünfstöckige Bürohaus steht auf mehr<br />

als 80 massiven Betonpfeilern. Damit möglichst<br />

viele Büros Weserblick haben, ist der<br />

Grundriss V-förmig. Doch reizvoll ist die<br />

Aussicht überall, auch dort, wo man auf<br />

die Innenstadt, die alte Rösterei und die<br />

Speicher am Europahafen sieht.<br />

„Unsere Architektur ist sehr transparent,<br />

aber auch hanseatisch gediegen“, sagt Architekt<br />

Axel <strong>Die</strong>derichs. Kalkstein aus Süddeutschland<br />

gibt den Fassaden eine klare<br />

Struktur. Das sei eben etwas ganz anderes<br />

als der Weser Tower nebenan, dieser Superlativ<br />

aus Glas und Stahl des Chicagoer<br />

Architekten Helmut Jahn.<br />

Auch im Innenraum haben die Planer auf<br />

edle Werkstoffe gesetzt. Am Empfang amerikanisches<br />

Nussbaumholz, in den Fluren


dunkler Granit, gelasert und schwarz verfugt.<br />

Schließlich ist Röhlig einer der größten<br />

Granitspediteure Europas. In einem<br />

der Flure steht eine futuristische Bar, darauf<br />

das Modell einer alten Lufthansa-Maschine.<br />

„Hier findet der Monday-Morning-<br />

Coffee unserer vier Geschäftsführer statt“,<br />

sagt Andrea Struss.<br />

Glaswände ermöglichen Transparenz. Im<br />

Vergleich zu den alten Räumen Am Brill sei<br />

hier alles viel heller und freundlicher, sagen<br />

die Kollegen. Einiges haben sie von drüben<br />

mitgenommen. Das Ölbild des Firmengründers<br />

natürlich, das Modell eines Frachters<br />

der Hansa-Linie, eine Schiffsglocke –<br />

ein bisschen Nostalgie im neuen Ambiente,<br />

das noch puristischer ist als bisher. „Es sollte<br />

nicht<br />

motzig<br />

sein,<br />

auf keinen<br />

Fall überkandidelt“, sagt Horst Dirking<br />

vom Einrichtungshaus Popo. <strong>Die</strong> Inneneinrichtung<br />

sei im besten Sinne hanseatisch –<br />

ein Lieblingswort der Firma Röhlig.<br />

Wir passieren die Konferenzräume „Rotterdam“,<br />

„Johannesburg“ und „Chicago“<br />

und kommen in „Kopenhagen“ an. Auch<br />

hier stehen Designklassiker. <strong>Die</strong> lichtgrauen<br />

Regale des Möbelbausystems USM Hal-<br />

ler zum Beispiel, dazu Bürostühle von<br />

Charles Eames. Wie überall im Haus absorbiert<br />

ein Deckensegel den Schall. Für<br />

das perfekte Raumklima sorgt das innovative<br />

Prinzip der Betonkernaktivierung.<br />

In den Zimmerdecken ist ein Rohrsystem<br />

eingelassen, in dem Wasser zirkuliert, das<br />

die Räume erwärmt oder kühlt. „Jeder, der<br />

schon mal im Sommer einen Kirchenraum<br />

betreten hat, weiß, was Strahlungskühle<br />

ist“, sagt <strong>Die</strong>derichs. „Wir arbeiten mit dieser<br />

angenehmen Kühle.“<br />

In der Speditionsabteilung zwei Etagen tiefer,<br />

wo Im- und Export den Takt angeben,<br />

überraschen zwei Flüstercouchen vom Typ<br />

„Alcove“. Ihre Rücklehnen sind so hoch,<br />

dass man mitten im Großraumbüro unter<br />

sich sein kann: ein<br />

„Unsere Architektur ist sehr transparent,<br />

aber auch hanseatisch gediegen“<br />

Raum im Raum.<br />

Das neue Design<br />

bedeutet Lebensqualität,<br />

ein wichtiges Argument für die<br />

Firmenchefs. Personal ist Kapital. Wer sich<br />

wohlfühlt, arbeitet besser.<br />

Dazu passt die Philosophie des richtigen<br />

Lichts. Jeder Mitarbeiter kann seine Stehleuchte<br />

individuell programmieren. Bewegungsmelder<br />

sorgen dafür, dass das Licht<br />

erlischt, wenn die Kollegen ihr Büro verlassen<br />

und hinunter in das ebenfalls von<br />

ARCHITEKTUR Röhlig 55<br />

GME Design gestaltete Firmenbistro gehen.<br />

Auch dort spielt Licht eine zentrale<br />

Rolle. Über dem Nussbaumtisch der Geschäftsführer<br />

sind die Designerleuchten<br />

„Skygarden“ installiert, schwarz glänzende<br />

Halbkugeln, die innen mit einem Gartenblumen-Relief<br />

aus Gipsstuck überraschen.<br />

Nebenan hängen Designlampen<br />

mit Scheinwerferoptik.<br />

Und wenn am Ende des Arbeitstages drinnen<br />

die Lichter ausgehen, beginnt draußen<br />

das „Haus am Fluss“ zu leuchten. 38 Strahler<br />

an der Dachkante führen das Licht wie<br />

eine Krone von oben nach unten und betonen<br />

so die Pfeilerstruktur der Fassade. „Ein<br />

absoluter Hingucker, wenn man auf der B<br />

75 fährt“, sagt man in der Firma Lichtwerke<br />

Bremen, die das Konzept entwickelt hat.<br />

Zum Schluss schlägt Andrea Struss den<br />

Geschäftsbericht auf und weist darauf<br />

hin, dass parallel zur neuen Architektur<br />

auch Logo und Corporate Design der Firma<br />

komplett überarbeitet worden sind. Ein<br />

Hochglanzfoto in dem Bericht zeigt einen<br />

Schwarm von Zugvögeln, Sinnbild für die<br />

Dynamik des auf allen Kontinenten operierenden<br />

Unternehmens. Dynamisch, engagiert,<br />

weltoffen – diese Eigenschaften<br />

spiegelt auch das „Haus am Fluss“: eine<br />

Firmenzentrale mit Weitblick.


56 LITERATUR Das Labyrinth der Wörter<br />

LITERATUR Text:<br />

Inge Zenker-Baltes<br />

Wege aus der Einsamkeit<br />

Marie-Sabine Roger erzählt von der Magie<br />

des Lesens<br />

Eine aufregende literarische Entdeckung<br />

für das deutsche Publikum ist die 1957 in<br />

Bordeaux geborene Französin Marie-Sabine<br />

Roger. Mit ihrem Roman „Das Labyrinth<br />

der Wörter“ eroberte sie im Februar<br />

auch den hiesigen Markt. In Frankreich erhielt<br />

die schon seit Jahren mit 17 Romanen<br />

und zahlreichen illustrierten Büchern sehr<br />

bekannte und preisgekrönte Schriftstellerin<br />

dafür den renommierten Prix Inter,<br />

bereits im Juni wird das Buch mit Gérard<br />

Dépardieu in der Hauptrolle verfilmt – eine<br />

Traumbesetzung, denn dieser wandlungsfähige<br />

Schauspieler eignet sich hervorragend<br />

für die Rolle des hünenhaften, geistig<br />

etwas schwerfälligen und doch hochsensiblen<br />

Germain.<br />

Als der 45-jährige Protagonist und Ich-Erzähler<br />

im Park eine zarte alte Dame kennen<br />

lernt, spürt er zum erstenmal in seinem<br />

bislang traurigen und einsamen<br />

Leben zärtliche Gefühle für einen anderen<br />

Menschen. Germain lebt im Wohnwagen<br />

im Garten seiner lieblosen Mutter. Da er<br />

keinen Schulabschluss hat, ernährt er sich<br />

von Gelegenheitsjobs, hin und wieder hat<br />

er belanglosen Sex mit einer Freundin.<br />

<strong>Die</strong> gebildete und äußerst belesene<br />

Margueritte, die nicht von ungefähr in ihrer<br />

bescheidenen Freundlichkeit an die<br />

gleichnamige Blume erinnert, ist wie Germain<br />

fasziniert von Tauben. <strong>Die</strong> beiden<br />

freunden sich behutsam an, und die kultivierte<br />

Dame versucht, Germain für ihre<br />

Welt, die der Bücher, zu begeistern. Da entdeckt<br />

sie, dass er kaum lesen kann. Und<br />

auch sie selbst hütet ein Geheimnis, das<br />

wiederum von Germain aufgedeckt wird.<br />

<strong>Die</strong> französische Erfolgsautorin und frühere<br />

Grundschullehrerin Marie-Sabine Roger<br />

sieht nicht nur die Sonnenseiten des Lebens,<br />

für die Schilderung seines bisherigen<br />

Daseins legt sie ihrem Helden harte und<br />

bittere Worte in den Mund. Erst nach und<br />

nach kriecht der früher von Lehrern und<br />

selbst seiner Mutter verachtete und gequälte<br />

Mann aus seinem Schneckenhaus,<br />

entdeckt in der Hinwendung zu Margueritte<br />

und der Leidenschaft für Bücher eine


58 SERIE <strong>Die</strong> neue Kunsthalle Bremen<br />

FASZINATION<br />

DER SYMMETRIE<br />

Standort Wallanlagen, die Weser im<br />

Rücken: Sie wachsen empor, die beiden<br />

Anbauten der Kunsthalle Bremen.<br />

Und sie nehmen Konturen an. Bald<br />

wird der westliche Baukörper durch die<br />

großzügige Verglasung unten und oben<br />

sehr leicht wirken, sagt Dr. Andreas Kreul,<br />

Kustos des Museums und derzeit Baustellenbeauftragter.<br />

<strong>Die</strong> geschlossenen Wände<br />

des mittleren Bereiches aber seien notwendig,<br />

weil dort die Kunstwerke hängen<br />

würden, die kein Tages- und schon gar<br />

kein Sonnenlicht vertragen. Früher hät-<br />

ten Museen durchaus geöffnete<br />

Fassaden gehabt. Aber „heute<br />

weiß man, dass Fenster aus<br />

konservatorischen Gründen völlig unpraktisch<br />

sind und natürlich auch für die<br />

Hängungen.“ Zudem würden die Gesimse<br />

der Altbaufassade auf den neuen Flügeln<br />

fortgesetzt mit Schriftbändern.<br />

Eine Baustellenbesichtigung – natürlich<br />

mit obligatorischem Helm auf dem Kopf –<br />

ist ein spannendes Erlebnis. Im neuen Untergeschoß<br />

rechts neben der Kunsthalle<br />

zu stehen, zu Füßen der großen alten Blutbuche,<br />

und sich, umgeben von kahlen Betonwänden,<br />

Stahlträgern und Kabeln die<br />

Zukunft dieser Räumlichkeiten vorzustel-<br />

len: Hartwig Dingfelder, Leiter der museumspädagogischen<br />

Abteilung, die jetzt<br />

‚Bildung und Vermittlung‘ heißt, fällt das<br />

leicht. Hier, wo gerade noch grüne Wiese<br />

war, entstünden seine neuen Arbeitsräume<br />

mit „wunderbaren Lichtverhältnissen.“<br />

Der Umzug aus den Räumen im Untergeschoss<br />

des Altbaus an der gegenüberliegenden<br />

Ostseite, mit kleinen Fenstern und<br />

wenig Tageslicht, sei „eine hervorragende<br />

Weiterentwicklung dessen, was wir bisher<br />

hatten. Wir waren ganz ordentlich ausge-<br />

Symmetrie als Grundprinzip des Klassizismus, der<br />

Zeit, in der die alte Kunsthalle entstanden ist.<br />

stattet, jetzt werden wir gut ausgestattet<br />

sein.“ Der Stellenwert der Museumspädagogik<br />

sei schon seit vielen Jahren groß gewesen,<br />

dem werde nun architektonisch<br />

Rechnung getragen. „Wir führten das<br />

für museumspädagogische Angebote der<br />

1970/80er Jahre typische Kellerdasein. Und<br />

den Keller verlassen wir nun.“<br />

Im Moment gibt es – ganz wie beim Pizza-Service<br />

– „Außer Haus“-Angebote für<br />

die verschiedensten Zielgruppen: Schulen,<br />

Kindertagesstätten und Begegnungsstätten<br />

in den Stadtteilen. Zusätzlich finden<br />

Copyright: Kunsthalle Bremen - Der Kunstverein in Bremen<br />

Foto: Harald Rehling<br />

Veranstaltungen in anderen Institutionen<br />

statt und auch in den Museen, in denen die<br />

„Noblen Gäste“ gezeigt werden, die Leihgaben<br />

aus der Kunsthalle. Und natürlich<br />

laufen auch die Planungen zur Wiedereröffnung<br />

und zur ersten großen Sonderausstellung<br />

auf Hochtouren.<br />

Im Untergeschoss des Kubus rechts vom<br />

Altbau werden also bald die Museumspädagogen<br />

wirken und den vor ihren Räumen<br />

liegenden Flur auch zu eigenen Ausstellungen<br />

nutzen können. Er ist gleichzeitig Ein-<br />

gangsbereich zum neuen<br />

Vortragssaal, der<br />

bald hinter den zu Türen<br />

geöffneten früheren<br />

Fenstern im historischen Bau eingerichtet<br />

wird. Dahinter sind in der Mitte des<br />

alten Gebäudes schon die Räumlichkeiten<br />

des neuen Cafés zu erkennen, durch<br />

das gerade ein Baustellenfahrzeug kurvt.<br />

„Groß und repräsentativ“ werde es sein,<br />

schwärmt Andreas Kreul, und sich mit drei<br />

Türen aus der alten Fassade heraus öffnen<br />

auf eine Sommerterrasse zu Füßen der Altmannshöhe<br />

in den Wallanlagen.<br />

<strong>Die</strong> Logik des Umbaus der Kunsthalle mit<br />

der Erweiterung um zwei seitliche Flügelbauten,<br />

die Direktor Herzogenrath gern


60 SPARKASSE KULTUR SCHAFFEND<br />

ZWISCHEN<br />

„DAMALS“ UND „JETZT“<br />

Der erste zweistellige Geburtstag! Das<br />

bleibt ein einschneidendes Erlebnis<br />

in jedem jungen Leben. Kein Wunder:<br />

Nur die Wenigsten schaffen den nächsten<br />

Sprung zum dreistelligen Wiegenfest.<br />

Das gilt auch für Veranstaltungsreihen.<br />

Also darf jubiliert und gratuliert werden:<br />

<strong>Die</strong> Ausstellungsserie „Junge Kunst Bremen“<br />

der Sparkasse Bremen feiert ihr<br />

Zehnjähriges!<br />

Es ist für sie ein Schritt auf dem Weg zur<br />

offiziellen Volljährigkeit und ein Beleg ihrer<br />

Effizienz. <strong>Die</strong>s umso mehr, als die Reihe<br />

sich kokett jünger macht als sie ist. Beinahe<br />

20 Jahre hat sie tatsächlich auf dem<br />

Buckel – verbrachte ihre erste Zeit unter<br />

anderem Namen. Aber kleine Schummeleien<br />

beim Alter sind eben ein Vorrecht im<br />

Reich der Schönheit.<br />

Wenn in der Kundenhalle am Brill nun<br />

also zur Jubiläumsschau die Positionen<br />

Bremer oder in Bremen groß gewordener<br />

Künstler zu sehen sein werden, dann lässt<br />

dies die wichtigsten Stationen des engagierten<br />

Förderprogramms Revue passieren.<br />

Chika Aruga, Norbert Bauer, Frauke<br />

Beeck, Benjamin Beßlich, Stefan Bohnhoff,<br />

Ulrik Dannenberg, Susanne Dittler,<br />

Eva Matti, Christian Holtmann oder Katrin<br />

Schädlich sind nur einige der Namen, denen<br />

man aus der Liste der geförderten Talente<br />

wieder begegnen kann – ihnen und<br />

ihrer Entwicklung in der Kunst.<br />

Denn zwischen den Polen des „Damals“<br />

und des „Jetzt“ liegt der Reiz dieser Schau.<br />

Zu sehen sind Arbeiten aus den ursprünglichen<br />

Ausstellungen, die mit aktuellen Werken<br />

der Künstler kombiniert wurden. Somit<br />

liegt der Blick frei auf die Entwicklung<br />

einer Generation Bremer Bildender Künst-<br />

ler: „Zehn Jahre Junge Kunst Bremen und<br />

mehr“ heißt die Schau zu Recht, die vom<br />

25. August bis 17. September zu sehen ist.<br />

Es ist eben genau dieses „mehr“, das bei<br />

der Exposition am Brill von besonderem<br />

Interesse sein wird. Es soll auch mehr als<br />

nur eine Rückschau gehalten werden – dies<br />

ließe sich auch mit einer Jubiläumsschrift<br />

abhandeln. <strong>Die</strong> für die Reihe bei der Spar-<br />

kasse verantwortliche Elke Heussler möchte<br />

mit der Zäsur zum Zehnjährigen das Potenzial<br />

des Programms zeigen. „Wir haben<br />

viel erreicht mit der ‚Jungen Kunst Bremen’.<br />

Es gibt keinen Grund, nicht noch<br />

mehr zu wagen“, so Heussler.<br />

Neben der Ausstellung im eigenen Haus<br />

werden Kooperationen mit weiteren Kunstinstitutionen<br />

in Bremen den Radius während<br />

des Jubiläums erweitern. Mit den<br />

„Geburtstagsfeierlichkeiten“, die auch Vor-


Mehr als nur eine Rückschau: Zehn Jahre<br />

Ausstellungsreihe „Junge Kunst Bremen“<br />

Text: Stephan Cartier<br />

träge und Diskussionsrunden bieten, soll<br />

gezeigt werden, dass man sich nicht auf<br />

seinen Lorbeeren auszuruhen gedenkt.<br />

Das Programm, jungen Bremer Künstlern<br />

Ausstellungen mit Katalog auszurichten, begann<br />

dort, wohin es jetzt vorübergehend zurückkehrt:<br />

in der Unternehmenszentrale am<br />

Brill. Das war nun vor fast 20 Jahren. Seither<br />

betreut die Kunsthistorikerin Katerina Vat-<br />

sella die Kunstausstellungen der Sparkasse<br />

Bremen. Viele der Künstler, die damals<br />

in der Sparkasse ein Schaufenster für ihre<br />

Kunst erhielten, haben seitdem ihren Weg in<br />

der deutschen und teilweise auch internationalen<br />

Kunstszene gemacht: Nikola Blaskovic,<br />

Hermann Stuzmann, Edeltraut Rath,<br />

Veronika Dobers oder Frank Zucht und <strong>Die</strong>ter<br />

Begemann gehören hierzu.<br />

Leider hatten die sehr ambitionierten Ausstellungen<br />

nicht immer die Resonanz,<br />

die ihnen gebührt und die man ihnen gewünscht<br />

hätte. Kunst in der Kassenhalle –<br />

so der damalige Titel – das blieb angesichts<br />

der hier herrschenden Geschäftigkeit oftmals<br />

unbeachtet. Man vertraute der Projektidee<br />

aber zu sehr, als dass man sie fallen<br />

lassen wollte und änderte das Konzept.<br />

Statt in der Zentrale am Brill sollten die<br />

Kunstausstellungen nun in den drei großen<br />

Filialen der Sparkasse an der Bahn-<br />

hofstraße, der Schwachhauser Heerstraße<br />

und der Gerhard-Rohlfs-Straße gezeigt<br />

werden. <strong>Die</strong> Filialen erhielten Mitspracherecht<br />

bei der Auswahl der Künstler, die unter<br />

Beratung von Kuratorin Katerina Vatsella<br />

vorausgewählt werden. Das erhöhte<br />

die Identifikation und Akzeptanz bei den<br />

Mitarbeitern und die Professionalisierung<br />

in der Außenwirkung, meint Heussler.<br />

Andererseits kam man mit der Kunst in<br />

den Außenstellen näher an die Kunden he-<br />

SPARKASSE KULTUR SCHAFFEND 61<br />

ran, denen wiederum die junge Kunst aus<br />

Bremen näher gebracht werden soll. <strong>Die</strong>se<br />

Philosophie der doppelt kurzen Distanzen<br />

hat sich bezahlt gemacht – und das darf<br />

man in einem Geldinstitut als höchstes<br />

Lob verstehen. Für die Sparkasse Bremen<br />

ist das Projekt zugunsten junger Künstler<br />

der Stadt Teil ihrer umfassenden Förderung<br />

von Kunst und Kultur vor Ort. <strong>Die</strong><br />

Künstler – 20 waren es in den zehn Jahren<br />

– wiederum konnten ihre Interpretationen<br />

durch Ausstellung und einen Katalog dort<br />

zur Diskussion stellen, wo sie Publikum erreichen,<br />

das Galerien und Kunsthochschulen<br />

eher selten besucht. Eine Win-Win-Situation<br />

auf unabsehbare Zeit, so wie es<br />

Bänker lieben.<br />

Am Ende wird die „Junge Kunst Bremen“<br />

noch ihren dreistelligen Geburtstag erleben.


62 KUNST Ausstellungen<br />

KUNSTWERKE Text:<br />

<strong>Die</strong> Kraft der Linie<br />

Pablo Picasso (1881-1973) war vieles: Genie,<br />

Verführer, Maler. Und er war ein großer Grafiker.<br />

Das zeigt die Sonderausstellung „Picasso<br />

– <strong>Die</strong> Kraft der Linie“ im Horst-Janssen-Museum<br />

Oldenburg. Rund 100 Blätter<br />

hat Jutta Moster-Hoos, wissenschaftliche<br />

Leiterin des Hauses, dafür aus dem Bestand<br />

des Graphikmuseums Pablo Picasso Münster<br />

herausgepickt. Darunter Arbeiten aus der<br />

„Suite Vollard“, die zwischen 1930 und 1937<br />

entstanden ist. Zu entdecken sind Atelierszenen,<br />

allerlei Erotisches und immer wieder<br />

der Minotaurus. Das Mischwesen aus<br />

Mensch und Stier ist in Picassos Werk so etwas<br />

wie das Alter Ego des Künstlers, wuchtig,<br />

lebensbejahend, eroberungswütig.<br />

Mitte der 40er Jahre hat sich Picasso dann<br />

der Lithografie und ihren eher malerischen<br />

Möglichkeiten zugewandt. Aus der Sammlung<br />

Huizinga, ebenfalls in Münster verwahrt,<br />

sind Arbeiten dieser Zeit zu sehen,<br />

darunter große Frauenporträts. Mit dabei<br />

die „Jeune fille aux grands cheveux“ von<br />

1945, die genialisch einfach gezeichnete<br />

„Françoise“ sowie die „Femme au corsage à<br />

fleurs“ von 1958.<br />

Bis 29. August 2010. Horst-Janssen-Museum<br />

Oldenburg.<br />

Chronistin<br />

Sabine Komm<br />

Fotos von Herlinde Koelbl wurden bereits<br />

1997 in Oldenburg gezeigt, jetzt ist<br />

das Werk der großen Chronistin zurück in<br />

der Stadt. Im Oldenburger Schloss ist die<br />

Werkschau „Mein Blick“ zu sehen. Mehr<br />

als 350 Fotos sind darin zu Themenblöcken<br />

zusammengefasst, darunter die „Jüdischen<br />

Porträts“; Schwarz-Weiß-Bilder, die Erfahrungen<br />

von Überlebenden des Holocausts<br />

spürbar machen. Andere Serien sind in<br />

deutschen Wohnzimmern und Schlafzimmern<br />

entstanden und am Sterbebett.<br />

Faszinierend ist auch der Werkzyklus „Spuren<br />

der Macht – <strong>Die</strong> Verwandlung des Menschen<br />

durch das Amt“, Koelbls bislang<br />

größtes Projekt. Von 1991 bis 1998 hatte sie<br />

Jahr für Jahr 15 Persönlichkeiten aus Politik<br />

und Wirtschaft interviewt und fotografiert.<br />

<strong>Die</strong> Langzeitstudie zeigt die Veränderung<br />

von Prominenten wie Joschka Fischer, Gerhard<br />

Schröder und Angela Merkel.<br />

Typisch für Koelbl auch hierbei: Sie ist neugierig,<br />

aber nicht voyeuristisch. Ihre Leidenschaft<br />

gilt den Langezeitprojekten, bei<br />

denen sie den Menschen sehr nahe kommt<br />

– eine Voraussetzung für Fotos von großer<br />

Tiefe.<br />

Bis 13. Juni. Landesmuseum für Kunst<br />

und Kulturgeschichte Oldenburg.<br />

Märchenhaft morbide<br />

Junge Künstler zu fördern ist zentrales Ziel<br />

der Kunsthalle Wilhelmshaven. Der jüngste<br />

Coup, den das Team dort gelandet hat,<br />

ist gleichzeitig eine Deutschlandpremiere.<br />

Erstmals sind hier Arbeiten des Schweizers<br />

Léopold Rabus zu entdecken: zehn Großformate,<br />

zum Teil wandfüllend, gemalt im<br />

Stil der alten Meister. Doch ihre Ästhetik<br />

bewegt sich am Rande des Abgrunds.<br />

Was uns Rabus bietet, ist ein Schauspiel<br />

der anderen Art, tiefgründig und verstörend.<br />

So märchenhaft und morbide wirken<br />

seine Figuren, dass sie uns bis in die<br />

tiefsten Träume verfolgen. Menschen mit<br />

riesigen Köpfen und präzise gescheitelten<br />

Frisuren bevölkern Rabus’ Werk. Es sind<br />

versponnene Wesen, die schon mal an der<br />

Decke eines surreal möblierten Zimmers<br />

schweben, halbnackt unter Giftpilzen kauern<br />

oder wie Aussätzige in einer verwilderten<br />

Natur herumzuirren scheinen.<br />

Nach Holland und der Schweiz zeigt die<br />

Wanderausstellung jetzt in Wilhelmshaven,<br />

auf welch ungewöhnliche Weise sich<br />

der 33jährige mit existentiellen Themen<br />

wie Einsamkeit, Liebe und Tod auseinandersetzt.<br />

Von 13. Juni bis 5. September in der<br />

Kunsthalle Wilhelmshaven.


Rizzi Superstar<br />

James Rizzi – Superstar. Der Pop-Art-<br />

Künstler, der gern in einem Atemzug mit<br />

Andy Warhol und Keith Haring genannt<br />

wird, hat offenbar keine Berührungsängste<br />

mit Öffentlichkeit und Kommerz. Jetzt wird<br />

der New Yorker, 60 Jahre alt. Noch bevor es<br />

im Herbst so weit ist, feiert man ihn mit einer<br />

Mega-Schau.<br />

Aber warum ausgerechnet in Bremen? Und<br />

warum in einer Messehalle? Weil sich das<br />

angeboten habe, sagt der Künstler leichthin.<br />

Weil hier alles gepasst habe, ergänzt<br />

Kurator Bernhard Feil. Und so kommt es,<br />

dass das Team der Messe Bremen gemeinsam<br />

mit der Düsseldorfer Popular Art<br />

<strong>GmbH</strong> alles daran gesetzt hat, um mit einem<br />

satten Superlativ zu klotzen: Mehr als<br />

1.200 Werke. <strong>Die</strong> Veranstalter sprechen von<br />

der weltgrößten Retrospektive.<br />

Das die nicht ganz ohne Kommerz auskommt,<br />

versteht sich von selbst. Im Art<br />

Shop werden Grafiken, Zeichnungen und<br />

Gemälde angeboten. Schon lange sind die<br />

Werke des Stars ja in allen Variationen zu<br />

haben: Rizzi-Tassen, Rizzi-Schirme, Rizzi-<br />

Thermoskanne. Eine Vermarkungsstrategie,<br />

die ihm Kritiker ankreiden.<br />

Passend dazu kennt auch die Sonderausstellung<br />

„Rizzis Welt“ keine Grenzen. Klar,<br />

dass bei dem Großprojekt nicht nur Gemälde<br />

und Zeichnungen zu sehen sind. Es geht<br />

um die schrill-bunte Briefmarke, um Plattencover,<br />

Turnschuhe und 3D-Grafiken.<br />

Und um Großformatiges: ein VW Käfer im<br />

Rizzi-Look ist dabei, außerdem das Modell<br />

einer Boeing von Condor, der sogenannte<br />

Rizzi-Bird, und ein Originalstück der Berliner<br />

Mauer mit Friedens- und Liebessymbolen<br />

des Meisters.<br />

Und dann sind da noch die eigens für das<br />

Event produzierten „Bremer Stadtmusikanten“,<br />

die wieder mal deutlich machen, was<br />

den Künstler umtreibt: die Angst vor der<br />

Leere. Überall Blumen, Sterne, Herzen. Sogar<br />

innerhalb der Umrisslinien dieser „Bremen<br />

Town Musicians“ herrscht heiteres<br />

Treiben. Auf dem Leib des rosaroten Esels<br />

ist New Yorks Skyline auszumachen. Hinter<br />

den Tieren klappt Rizzi mit naiver Lust<br />

einen Blumenteppich hoch, der in einen<br />

knalligen Himmel mit Mond und Sternen<br />

übergeht. Kunterbunte Märchenwelt, die –<br />

Kommerz muss sein – im Internet für 340<br />

Euro angeboten wird.<br />

Rizzi gilt wegen seiner perfekt kultivierten<br />

Naivität als „Urban Primitive Artist“. Selbst<br />

eingefleischte Kritiker sind angesichts seiner<br />

Gute-Laune-Welt versucht zu lächeln.<br />

Bis 4. Juli 2010. Messe Bremen / Halle 6.<br />

www.rizzi-Bremen.de<br />

KUNST Ausstellungen 63<br />

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64 KINO Das Lied von den zwei Pferden<br />

KINOTIPPS<br />

Eine mongolische Odyssee<br />

„Das Lied von den zwei Pferden“ von<br />

Byambasuren Davaa<br />

Von der mongolischen Steppe und ihren<br />

nomadischen Hirtenvölkern hat es in den<br />

vergangenen Jahren schon einige Filme<br />

gegeben, denn sie zählen zu den wenigen<br />

noch halbwegs intakten Urlandschaften<br />

und traditionellen Kulturen. Den westlichtouristischen<br />

Blick können die Filmemacher<br />

aus Europa dabei trotz der besten Absichten<br />

nicht vermeiden, und so schwelgte<br />

auch ein Volker Schlöndorff in „Ulzhan“<br />

zu sehr in elegischen Stimmungsbildern.<br />

Ideal wären dagegen Heimatfilme aus dieser<br />

Region, und genau diese macht Byambasuren<br />

Davaa, die in der Mongolei geboren<br />

und aufgewachsen ist, dann aber<br />

in Deutschland das Filmemachen studierte.<br />

Ihr international gefeiertes Debüt<br />

war „<strong>Die</strong> Geschichte vom weinenden<br />

Kamel“, und dies ist nun schon der dritte<br />

Film, den sie nach der gleichen Methode<br />

in ihrem Mutterland inszeniert. Dabei<br />

werden die Grenzen zwischen Dokumentar-<br />

und Spielfilm verwischt, denn Davaa<br />

zeigt zwar, wie die Menschen in den<br />

archaischen Landschaften leben und ihre<br />

Kultur pflegen, aber ihre Protagonisten<br />

sind Darsteller und es gibt ein Drehbuch,<br />

Text: Wilfried Hippen<br />

in dem die Erzählstränge und Dialoge<br />

vorgegeben werden.<br />

So wird in „Das Lied von den zwei Pferden“<br />

die Geschichte der Sängerin Urna erzählt,<br />

die ihrer Großmutter an deren Sterbebett<br />

das Versprechen gab, das Familienheiligtum<br />

restaurieren zu lassen. <strong>Die</strong>s ist<br />

eine Pferdekopfgeige, die während der chinesischen<br />

Kulturrevolution zerstört wurde.<br />

Am Hals waren die Strophen des uralten<br />

Volkslieds „<strong>Die</strong> zwei Pferde von Dschingis<br />

Kahn“ eingraviert, doch Teile davon<br />

sind nicht mehr zu entziffern, und der Text<br />

scheint vergessen. Urna macht sich nun auf<br />

die Suche nach diesem Lied und reist dabei<br />

sowohl durch die schon sehr verstädterte<br />

innere Mongolei wie auch durch die noch<br />

viel ursprünglichere äußere Mongolei. Dabei<br />

trifft sie Hirten, Sänger und Schamanen,<br />

von denen sie hofft, dass sie das uralte<br />

Lied kennen und ihr vorsingen.<br />

<strong>Die</strong>se Dramaturgie von der Suche nach<br />

einem alten, verlorenen Schatz ist nicht<br />

umsonst seit Jasons goldenem Vlies und<br />

dem heiligen Gral von König Arthur nie<br />

aus der Mode gekommen, denn so lässt<br />

es sich spannend von einer Reise erzählen<br />

und ansonsten unzusammenhängende<br />

Abenteuer und Begegnungen sinnvoll<br />

aneinanderreihen. Davaa nutzt die-<br />

sen altgedienten Trick, um ein Panorama<br />

des Lebens der Menschen in der Mongolei<br />

von heute zu zeigen. Dabei zeigt sie aber<br />

eben nicht nur das noch unversehrte Alte,<br />

sondern auch die Müllberge und Plattenbauten<br />

der Hauptstadt Ulan Bator, wo die<br />

chinesische Regierung versucht, die traditionelle<br />

Kultur zu zerstören.<br />

Natürlich wird in einem Film, bei dem es<br />

um ein Lied geht, viel gesungen, und die<br />

Hauptdarstellerin ist die in der Mongolei<br />

berühmte Musikerin Urna Chahar-Tugchi.<br />

Wie wichtig dieser Film auch als das Dokument<br />

einer bedrohten Kultur ist, wird<br />

dadurch deutlich, dass wenige Tage nach<br />

den Dreharbeiten bei politischen Unruhen<br />

einige der wertvollsten Instrumente<br />

und Schriften, die im Film zu sehen sind,<br />

in einem Kulturzentrum zerstört wurden.<br />

So erzählt Davaa auch davon, wie schwer<br />

der Verlust auch nur eines einzigen Liedes<br />

wiegen kann.<br />

Kinostart: 3. Juni<br />

Schlechte Nachrichten<br />

vom Krieg<br />

„The Messenger“ von Oren Moverman<br />

Während in Deutschland die in Afghanistan<br />

gefallenen Soldaten noch so unge-


wohnt und selten sind, dass mit Schlagzeilen<br />

und direkten Reaktionen von Politikern<br />

auf sie reagiert wird, sind Todesfälle<br />

aus Kriegseinsätzen in den USA längst alltäglich.<br />

Dort werden Soldaten extra dazu<br />

abgestellt, den Familien der Opfer persönlich<br />

die Nachricht zu überbringen. Von<br />

zwei dieser Boten erzählt dieser Film, in<br />

dem die ganz persönlichen Verluste, die<br />

in den Familien durch den Einsatz im Irak<br />

entstehen, so eindrucksvoll wie selten vorher<br />

gezeigt werden. Und dies gerade, weil<br />

der Film ganz auf Bilder vom Krieg selber<br />

verzichtet, und die Kamera nur diese beiden<br />

Männer begleitet, die in den Vororten<br />

vom Amerika an den Türen klingeln und<br />

den Menschen dort ihre verheerende Botschaft<br />

überbringen.<br />

Eine harte, undankbare Arbeit, und so<br />

gibt der Veteran Captain Tony Stone dem<br />

Sergeanten Will Montgomery an dessen<br />

ersten Tag bei diesem Einsatz die Regeln<br />

mit auf den Weg, durch die sie auch nur<br />

halbwegs erträglich wird: „Berühre sie<br />

nicht! Umarme sie nicht! Zeige nicht dein<br />

Mitgefühl!“ <strong>Die</strong> Benachrichtigung ist wie<br />

ein sehr striktes Ritual mit festgelegten<br />

Wortwendungen und Gesten.<br />

Im Laufe des Films werden die beiden Boten<br />

sechsmal solch eine Nachricht über-<br />

bringen, und die Reaktionen sind eine Bestätigung<br />

von Tolstois berühmten Duktus,<br />

dass alle Menschen im Glück gleich<br />

und im Unglück verschieden sind. Der eine<br />

bricht weinend zusammen, der andere beginnt<br />

zu schreien, einer klammert sich an<br />

die Hoffnung, dass alles nur ein Irrtum ist<br />

und noch ein anderer bittet die beiden höflich<br />

ins Haus und tut so, als sei nichts passiert.<br />

<strong>Die</strong>se Szenen des Schmerzes und der<br />

Verzweiflung haben nichts voyeuristisches<br />

an sich, denn der israelitische Filmemacher<br />

Oren Moverman erzählt zusammen<br />

mit dem italienischen Drehbuchschreiber<br />

Alessandro Camon so empathisch und nuancenreich,<br />

dass der Film ganz ohne melodramatische<br />

Effekte auskommt und dennoch<br />

sehr berührend wirkt.<br />

Aber das Regiedebüt von Moverman ist<br />

auch so einfühlsam inszeniert, dass der<br />

Film der moralischen Komplexität des<br />

Dramas gerecht wird. Jeder Filmfigur wird<br />

genügend Raum gegeben, damit sie auf<br />

der Leinwand lebendig wird, und dies gilt<br />

nicht nur für die inspiriert spielenden Protagonisten<br />

Woody Harrelson und Ben Foster.<br />

Und so ist der Film trotz des grausamen<br />

Themas so vielschichtig, dass er<br />

auch Platz für überraschend komische Momente<br />

bietet.<br />

Kinostart: 3. Juni<br />

Demnächst im Kino:<br />

KINO The Messenger 65<br />

Manchmal ist der Titel schon ein sarkastischer<br />

Kommentar: „Versailles“ (Kinostart:<br />

27. Mai) erzählt keine aristokratische<br />

Geschichte, sondern von den wilden<br />

Nachbarn des Prachtschlosses nahe Paris.<br />

In den Wäldern lebt dort ein extremer<br />

Außenseiter in einer Holzhütte ohne Elektrizität,<br />

und ausgerechnet diesem modernen<br />

Einsiedler überlässt eine hilflose Mutter<br />

ihren kleinen Sohn. Der bei den Filmfestspielen<br />

in Cannes hoch gelobte Film<br />

von Pierre Schöller ist die Studie eines radikal<br />

alternativen Lebens, das durch die<br />

Menschlichkeit und Solidarität seiner Protagonisten<br />

überzeugt.<br />

„Forgetting Dad“ (3. Juni) wirkt über weite<br />

Strecken wie eine filmische Psychotherapie.<br />

Rick Minnich untersucht in dieser<br />

Dokumentation sein schwieriges Verhältnis<br />

zu seinem Vater, der nach einem Autounfall<br />

sein Gedächtnis verloren hat. Oder<br />

sollte er diese Amnesie nur vorgetäuscht<br />

haben, um sich von der ihm lästigen Familie<br />

zu trennen? Der Filmemacher scheint<br />

ihm dies durchaus zuzutrauen, und so<br />

wird der Film zu einer eigentümlichen<br />

Spurensuche, bei der man letztlich mehr<br />

über Minnich selber als über seinen Vater<br />

erfährt.<br />

Inzwischen gibt es ja schon das Subgenre<br />

der „Globalisierungsfilme“, in denen verschiedene<br />

Erzählstränge in möglichst weit<br />

entfernten Ländern sich gegenseitig beeinflussen<br />

und bedingen. „Mammoth“<br />

(10. Juni) von Lukas Moodyson ist ein typisches<br />

Beispiel für diesen Trend. Ein erfolgreiches<br />

Paar lässt seine Tochter in New<br />

York von dem philippinischen <strong>Die</strong>nstmädchen<br />

aufziehen, dieses hat Schwierigkeiten<br />

mit seiner Familie in Manilla, und<br />

der Amerikaner wird zudem noch in Thailand<br />

in die Probleme eines Barmädchens<br />

verwickelt. Leider wirkt dies genauso konstruiert<br />

wie es sich liest und die antiglobalistische<br />

Botschaft wird mit dramaturgischen<br />

Holzhämmern eingeschlagen.<br />

In dem Antikriegsfilm „Lebanon“ (15. Juli)<br />

des israelischen Regisseurs Samuel Maoz<br />

stranden vier Soldaten während des Feldzugs<br />

des Jahres 1982 in einem Panzer im<br />

feindlichen Libanon. Der in Venedig mit<br />

dem Golden Löwen ausgezeichnete Film<br />

wird wegen seiner klaustrophobischen<br />

Verengung auf den Panzer als Schauplatz<br />

mit Wolfgang Petersens „Das Boot“ verglichen.


66 KULTURKALENDER<br />

KULTUR<br />

TERMINE<br />

FORUM<br />

PREMIERENDATEN<br />

15. Mai 2010 bis 15. September 2010<br />

...................................................<br />

Bremen<br />

22. 5. (S) Nis-Momme Stockmann: Das blaue blaue Meer.<br />

Brauhauskeller<br />

29. 5. (S) Peter Shaffer: Komödie im Dunkeln.<br />

Neues Schauspielhaus<br />

12. 6. (M) Giacomo Puccini: Turandot.<br />

Seebühne an der Waterfront<br />

16. 6. (T) Ina Christel Johannessen: Nr. 8.<br />

Neues Schauspielhaus<br />

2. 9. (S) William Shakespeare: Was ihr wollt.<br />

Theater am Goetheplatz<br />

10. 9. (S) Dennis Kelly: DNA. Neues Schauspielhaus<br />

15. 9. (S) Steffen Hildebrandt, Arne Mües: Das Haus.<br />

Theaterkontor (UA)<br />

Abkürzungen:<br />

P = Premiere<br />

WA = Wiederaufnahme<br />

z.l.M. = zum letzten Mal<br />

w.n.a.a. = wenn nicht anders angegeben<br />

BREMEN<br />

Theater Bremen<br />

Tel. 04 21 – 36 53 – 3 33<br />

.....................................<br />

Theater am Goetheplatz<br />

(Beginn, w.n.a.a.: 19.30 h)<br />

Gastspiel Gayle Tufts Mai 15.<br />

Double Lives Mai 16. (18 h)<br />

Sofia Tolstaja Lesung mit Eva Gosciejewicz<br />

Mai 16. (20 h, Rangfoyer)<br />

Back Stage Mai 17. (10 h)<br />

Lieder im Foyer Liederabend des Internationalen<br />

Opernstudios Mai 17. (Rangfoyer)<br />

La Traviata Mai 18., 23. (15.30 h)<br />

La Cenerentola Mai 20.<br />

Il Barbiere di Seviglia Mai 21.; Juni 1.<br />

Eugen Onegin Mai 22., 29.<br />

Da capo Große Operngala Mai 24.; Juni 4.<br />

Norma Mai 28.<br />

Internationales Kulturforum mit Bernd<br />

Neumann. Mai 28. (20 h, Rangfoyer)<br />

Eine florentinische Tragödie / Der Zwerg<br />

Mai 30. (18 h)<br />

<strong>Die</strong> Macbeth Tragödie Mai 31.<br />

<strong>Die</strong> Fledermaus Juni 2.<br />

Don Giovanni Juni 3.<br />

<strong>Die</strong> Räuber Juni 5.<br />

Double Lives Juni 6. (18 h)<br />

.....................................<br />

Seebühne an der Waterfront<br />

(Beginn, w.n.a.a.: 20.30 h)<br />

Turandot Juni 12. (P), 15., 16., 17., 18., 19.,<br />

20., 22., 23., 24., 25., 26.<br />

.....................................<br />

Neues Schauspielhaus<br />

(Beginn, w.n.a.a.: 20 h)<br />

Dangerous Ein Michael Jackson-Abend.<br />

Mai 15., 21.; Juni 9., 25.<br />

...................................................<br />

Bremerhaven<br />

22. 5. (M) Kurt Weill: Der Silbersee. Großes Haus<br />

11. 9. (M) Benjamin Britten: Peter Grimes. Großes Haus<br />

...................................................<br />

Oldenburg<br />

21. 5. (T) Ina Christel Johannessen: Nr. 8. Exerzierhalle<br />

4. 6. (M) Arthur Sullivan: <strong>Die</strong> Piraten. Großes Haus<br />

6. 6. (S) Henrik Ibsen: Ein Volksfeind. Kleines Haus<br />

4. 9. (M) Viktor Ullmann: Der Kaiser von Atlantis.<br />

Kleines Haus<br />

10. 9. (S) Marc Becker: Aus der Mitte der Gesellschaft.<br />

Kleines Haus<br />

11. 9. (S) Bertolt Brecht/Kurt Weill: <strong>Die</strong> Dreigroschenoper.<br />

Halle 10, Fliegerhorst<br />

(Abkürzungen:<br />

M = Musiktheater, S = Schauspiel, T = Tanztheater)<br />

Einsame Menschen Mai 16. (18 h), 19., 28.;<br />

Juni 18., 22.<br />

La dolce Vita Mai 23. (18 h); Juni 20. (18 h)<br />

Das Versprechen Mai 24. (18 h)<br />

Komödie im Dunkeln Mai 29. (P), 30. (18<br />

h); Juni 5., 6. (18 h), 8., 10., 13. (18 h), 17., 23.<br />

Vortrag „Lebendiges oder totes Theater“<br />

mit Peter Konwitschny Mai 31. (19 h)<br />

<strong>Die</strong> Gehetzten Juni 1.<br />

Voice Juni 3., 11., 27. (18 h)<br />

Poetry on the Road Juni 4.<br />

Der Gott des Gemetzels Juni 12.<br />

Nr. 8 Juni 16. (P), 19., 24., 26.<br />

Verleihung des Hübner-Preises Juni 21.<br />

.....................................<br />

Moks<br />

(Beginn, w.n.a.a.: 20 h)<br />

Zwei Schwestern Mai 19. + 20. + 21. + 31.<br />

(10.30 h); Juni 1. + 3. + 4. (10.30 h), 6. (16 h),<br />

8. + 9. (10.30 h)<br />

Jubiläum Junge Akteure Juni 12. (19 h)<br />

<strong>Die</strong> Glasmenagerie Juni 25., 26., 27.


Traditions-Restaurant „Jürgenshof“ lockt in<br />

die Pauliner Marsch<br />

Er war ganz offensichtlich ein Mann<br />

der Tat, dieser Brünje Bischoff. Erst<br />

stellte er einen respektablen Neubau<br />

auf die Warft in der Pauliner Marsch,<br />

dann eröffnete er in der <strong>Die</strong>le des schmucken<br />

Bauernhofs eine Schankwirtschaft,<br />

in der er seinen Gästen auf zünftig-ländlichem<br />

Mobiliar Kaffee, Wein und einen<br />

ordentlichen Korn kredenzte. Genau 200<br />

Jahre ist das jetzt her, und bis heute fühlen<br />

sich die Gäste im später „Jürgenshof“<br />

genannten Ausflugslokal mit Sommergarten<br />

behaglich wohl und gut umsorgt.<br />

Natürlich geht es nicht mehr so handfest<br />

zu wie zu Brünje Bischoffs Zeiten. Doch<br />

wer sich in dem mit eleganten Möbeln, geschmackvoller<br />

Tischwäsche und liebevollen<br />

Dekorationen ausgestatteten Restaurant<br />

umschaut, erfährt beim Blick auf die<br />

wuchtigen Eichenständer und das dunkle<br />

Gebälk in dem weitläufigen Raum eine<br />

Vorstellung vom einstigen Schankbetrieb,<br />

den Bischoffs Stiefsohn Hinrich Depken<br />

1850 in kluger Voraussicht erweiterte.<br />

Denn seine Gartenwirtschaft vor den<br />

Toren der Stadt war zum beliebten Ausflugsziel<br />

geworden, „sehr häufig von Spaziergängern<br />

frequentiert und von den<br />

Schullehrern zu ihren Schulfesten benutzt“,<br />

wie er in einem Gesuch um eine<br />

Konzession an den Senat schrieb.<br />

Auch Johann Jürgens, der 1870 in die Familie<br />

einheiratete, erweiterte das Lokal<br />

und betrieb wie seine Vorgänger zu-<br />

GASTLICHKEIT<br />

SEIT 1810<br />

sätzlich die später „Jürgenshof“ genannte<br />

Landwirtschaft in der Pauliner Marsch.<br />

Fast ein Jahrhundert später wurde das Anwesen<br />

von der Sparkasse Bremen als Stiftung<br />

übernommen und seither nach einer<br />

grundlegenden Umgestaltung verpachtet.<br />

Seit 2006 setzen nun Karin und Thomas<br />

Fitzke die gastliche Tradition fort,<br />

doch dem Haus sind sie bereits 16 Jahre als<br />

Geschäftsführer verbunden, kennen hier<br />

somit jeden Winkel und begrüßen jeden<br />

Stammgast mit Handschlag und Namen.<br />

„Viele sind uns freundschaftlich verbunden“,<br />

berichtet Thomas Fitzke und erzählt,<br />

dass man quasi gemeinsam durch die Zeit<br />

gegangen sei. „Es gibt etliche Gäste, die<br />

haben vielleicht vor 17 Jahren hier bei uns<br />

geheiratet, zwei Jahre später im ‚Jügenshof’<br />

die Taufe des ersten Kindes gefeiert<br />

und mittlerweile dessen Konfirmation bei<br />

uns ausgerichtet.“ Auch auf den nahezu familiären<br />

Umgang mit den 36 Mitarbeiterinnen<br />

und Mitarbeitern sind die Fitzkes<br />

stolz, „etliche haben bereits bei uns gelernt<br />

und sind gern geblieben.“ Apropos Familie:<br />

Sohn Sebastian steht den Eltern seit einem<br />

Jahr neben dem Studium hilfreich zur Seite;<br />

gut möglich, dass er eines Tages in ihre<br />

Fußstapfen tritt.<br />

Doch der „Jürgenshof“ bietet nicht allein<br />

das stimmige Ambiente für Familienfeiern<br />

(„Bis Oktober sind schon alle Sonnabende<br />

für Hochzeiten gebucht“), die zur Sommerzeit<br />

bei gutem Wetter gern im idyllischen<br />

KULINARISCHES Jürgenshof 67<br />

Garten ausgerichtet werden. Der kulinarische<br />

Kalender des Hauses wird durch den<br />

Auftakt in die Spargelsaison am 30. April<br />

und das Martinsgansessen am 11. November<br />

flankiert, hinzu kommen zwei adventliche<br />

Liederabende zu festlichen Menüs,<br />

wobei die Plätze für alle Veranstaltungen<br />

laut Thomas Fitzke „nahezu vererbt werden.“<br />

Unverzichtbar sind zudem die wechselnden<br />

Menüs des Monats mit dazu ausgewähltem<br />

Wein, wobei sich Küchenchef<br />

Manfred Schmidt und seine Kollegin Insa<br />

Hinrichs stets am jahreszeitlichen Marktangebot<br />

orientieren.<br />

Und dann gibt es natürlich jene lauen<br />

Sommerabende, an denen der Gast auf der<br />

ländlich-eleganten Terrasse Platz nimmt,<br />

den Blick in die Marschenlandschaft mit<br />

den grasenden Pferden schweifen lässt und<br />

dazu vielleicht ein paar Gambas vom Grill<br />

oder einen lecker-leichten Salat nebst gut<br />

gekühltem Weißwein genießt. Abende, von<br />

denen man noch Monate später schwärmt<br />

und die auch weit gereiste Gäste ins Staunen<br />

versetzen: Dass es so etwas gibt, mitten<br />

in Bremen! Karin und Thomas Fitzke<br />

kennen Ausrufe wie diesen. „Bei uns“,<br />

so sagen sie lächelnd, „werden selbst Hamburger<br />

sprachlos.“<br />

Restaurant Jürgenshof<br />

Pauliner Marsch 1<br />

www.juergenshof.com<br />

info@juergenshof.com<br />

Telefon (04 21) 44 10 37


68 KULTURKALENDER<br />

Kultur Forum<br />

(ps) Unter der neuen Bezeichnung „Komödie<br />

im Schnoor“ soll das altgediente<br />

Packhaus-Theater künftig in erster Linie<br />

gute Unterhaltung bieten. <strong>Die</strong> künstlerische<br />

Leitung des Hauses haben Stefan<br />

Schneider und Joshy Peters übernommen.<br />

Auf dem Programm steht unter anderem<br />

die Komödie „Willkommen in Deinem<br />

Leben“ (ab 17. Juni) und Yasmina Rezas<br />

Erfolgsstück „Kunst“.<br />

Das Musical Theater Bremen ist vom 6.<br />

bis 14. Juli Schauplatz der wunderbaren<br />

Gershwin-Oper „Porgy and Bess“. Über 50,<br />

gemäß einer Verfügung des Komponisten<br />

ausschließlich schwarze Mitwirkende des<br />

New York Harlem Theatre bringen das<br />

selten gespielte Stück auf die Bühne.<br />

Unter der Leitung von Sylvain Cambreling<br />

führt die EuropaChorAkademie am 5. Juni<br />

(20 Uhr) in der Glocke „Les Noces“ von<br />

Igor Strawinsky (mit vier Klavieren und<br />

Schlagwerk!) sowie „Catulli Carmina“ von<br />

Carl Orff auf. <strong>Die</strong> Solisten sind Fionnuala<br />

McCarthy (Sopran), Fredrika Brillembourg<br />

(Alt), Jean-Noel Briend (Tenor) und Radu<br />

Cojocariu (Bass).<br />

Eine hervorragende Bilanz kann das internationale<br />

Festival TANZ Bremen 2010<br />

vorweisen. <strong>Die</strong> Veranstaltungen vom 9. bis<br />

17. April wurden von insgesamt 5500 Zuschauern<br />

besucht. Damit war das Festival<br />

zu 95 Prozent ausgelastet.<br />

Eintragungen in den<br />

foyer-Kulturkalender nur<br />

5 Euro pro Zeile zzgl. MWSt<br />

Kontakt<br />

<strong>Roland</strong> <strong>Verlag</strong><br />

Telefon 04 21 - 1 26 63, Fax 04 21 - 1 33 17<br />

info@rolandverlag.de<br />

.....................................<br />

Brauhauskeller<br />

(Beginn, w.n.a.a.: 20.30 h)<br />

Das bleibt! Mai 15.; Juni 6., 22.<br />

Tanz extra Mai 20. (20 h); Juni 13. (20 h)<br />

Das blaue blaue Meer Mai 22. (P), 27., 29.;<br />

Juni 2., 5., 19., 23., 24.<br />

Theatertreffen Mai 28.; Juni 25.<br />

Engel in Amerika Juni 4.<br />

Clyde und Bonnie Juni 10. + 11. (10.30 h),<br />

13. (18 h), 14. + 15. + 16. (20 h), 26.<br />

Lieder Gundermann Juni 20.<br />

.....................................<br />

Musical Theater Bremen<br />

(Beginn, w.n.a.a.: 20 h)<br />

<strong>Die</strong>ter Nuhr Mai 16.<br />

Konstantin Wecker & Hannes Wader Juni<br />

30.<br />

Porgy and Bess 6. bis 14. Juli (Di. – Fr. 20 h,<br />

Sa. 15 + 20 h, So. 14. + 19 h)<br />

.....................................<br />

Glocke<br />

Tel. 04 21 – 33 66 99<br />

(Beginn, w.n.a.a.: 20 h)<br />

Internationales Salsa Festival Bremen<br />

Mai 15. (21 h)<br />

Grigorij Leps Mai 16. (19 h)<br />

Bayami Northern Spirit Mai 26.<br />

(Kleiner Saal)<br />

Glocke spezial The Anoushka Shankar<br />

Project 2010 Mai 28.<br />

Glocke Kindertag „lebensfreudig“ Mai 29.<br />

(10 h / Foyer)<br />

Alexander Malinin Mai 29. (19.30 h)<br />

Bremer Kaffeehaus-Orchester Mai 30.<br />

(15.30 h / Kleiner Saal)<br />

12. Philharmonisches Konzert Kolsimcha<br />

– The World Quintet, Bremer Philharmoniker;<br />

Markus Poschner, Dirigent. Juni 30.<br />

(11 h), 31.<br />

Bremer Philharmoniker Öffentliche Präsentation<br />

der Spielzeit 2010/11. Juni 5. (12 h)<br />

EuropaChorAkademie; Mannheimer<br />

Schlagwerk; Sylvain Cambreling, Leitung.<br />

Juni 5.<br />

B-2 Juni 6. (18 h)<br />

<strong>Die</strong> Deutsche Kammerphilharmonie Bremen<br />

Viktoria Mullova, Violine; Paavo Järvi,<br />

Dirigent. Juni 7.<br />

Glocke Backstage Besucherführung. Juni<br />

12. (jew. 14 h)<br />

30 Jahre Jugendsinfonieorchester Bremen-Mitte<br />

Juni 17.<br />

Brahms-Chor; Göttinger Symphonie-Orchester;<br />

Leitung: Joshard Daus. Juni 20.<br />

(18 h)<br />

Galakonzert Anne-Sophie Mutter Juni 21.<br />

<strong>Die</strong> Deutsche Kammerphilharmonie Bremen<br />

Hilary Hahn, Violine; Paavo Järvi, Dirigent.<br />

Juli 26.<br />

21. Musikfest Bremen – Eine große Nachtmusik<br />

August 21. (19.30, 21 h, 22.30 h)<br />

21. Musikfest Bremen – Elias August 24.<br />

21. Musikfest Bremen – Janine Jansen &<br />

Friends August 26.<br />

21. Musikfest Bremen – Teatro d’Amore<br />

August 29.<br />

21. Musikfest Bremen – Verdis Requiem<br />

August 31.<br />

21. Musikfest Bremen – Mozart und Ägypten<br />

Sept. 1.<br />

21. Musikfest Bremen – Symphonie Fantastique<br />

Sept. 2.<br />

21. Musikfest Bremen – Susan Graham<br />

Sept. 5.<br />

21. Musikfest Bremen – Das Schumann-<br />

Projekt I Sept. 6.<br />

21. Musikfest Bremen – Das Schumann-<br />

Projekt II Sept. 7.<br />

21. Musikfest Bremen – Mozart-Rossini-<br />

Gala Sept. 11.<br />

.....................................<br />

bremer shakespeare company<br />

Tel. 04 21 – 50 03 33<br />

(Beginn, w.n.a.a.: 19.30 h)<br />

Lesung David Safier Mai 16. (11 h)<br />

Open Range II Mai 16. (Falstaff)<br />

Circus Schule Jokes Mai 17. + 18. (18 h)<br />

<strong>Die</strong> Leiden des jungen Werther Mai 19.<br />

Macbeth Mai 20.<br />

Ende gut, alles gut Mai 21.<br />

Julius Cäsar, Cleopatra, Antonius Mai 22.;<br />

Juni 12.<br />

Viel Lärm um nichts Mai 23.; Juni 17.<br />

Gastspiel 17 ½ Minuten Kalte Wut Mai 26.<br />

(10 h + 19.30 h); Juni 8. (10 h + 19.30 h)<br />

Lenz Mai 27.<br />

Hamlet Mai 28.; Juni 3., 25.<br />

Ein Königreich für einen Ball<br />

Mai 29.; Juni 19.


Ausdrucksstarke Theaterfotografien von<br />

Jörg Landsberg sind in der Theatergalerie<br />

am Goetheplatz zu sehen. Seine Arbeiten<br />

fangen die Atmosphäre jeder Inszenierung<br />

ein und werden regelmäßig auch in<br />

foyer veröffentlicht.<br />

Vorspiel<br />

Titus<br />

Maometto<br />

Voice<br />

With your eyes<br />

AUSSTELLUNG Jörg Landsberg 69


70 KULTURKALENDER<br />

Rampenfieber Mai 31.; Juni 7. (Falstaff)<br />

Herrenverkehr Der Fall Kolomak. Landgericht,<br />

Schwurgerichtssaal. Juni 1., 2., 7., 8., 13.<br />

Maß für Maß Juni 4.<br />

Poetry on the Road Juni 5. (20 h)<br />

Gastspiel menschen! formen! Juni 6.<br />

Gastspiel In 80 Tagen um die Welt<br />

Juni 9., 10., 11.<br />

Wut und Wiege Juni 13.<br />

Kabale und Liebe für zwei Juni 16.<br />

Gastspiel Alvaro Solar: Socken, Lügen &<br />

Wein Juni 18.<br />

Open Range III Juni 20. (Falstaff)<br />

<strong>Die</strong> große La Strada-Gala August 14. + 15.<br />

(20.30 h)<br />

Shakespeare im Park: Wie es euch gefällt<br />

August 25.<br />

Shakespeare im Park: Macbeth August 26.<br />

Shakespeare im Park: Ende gut, alles gut<br />

August 27.<br />

Shakespeare im Park: Julius Cäsar, Cleopatra,<br />

Antonius August 28. (18 h)<br />

Shakespeare im Park: Ein Königreich für<br />

einen Ball August 29. (18 h)<br />

.....................................<br />

Kulturkirche St. Stephani<br />

www.kulturkirche-bremen.de<br />

Kunstausstellung Fair Play – Blaumeiers<br />

große Sportschau. Bis 18. Juli<br />

Lange Nacht der Museen Kunsthalle Bremen,<br />

Blaumeier-Atelier und Kulturkirche<br />

St. Stephani präsentieren: <strong>Die</strong> große<br />

Sportschau. Mai 29. (ab 16 h)<br />

Axion esti – Lobgepriesen sei Mikis Theodorakis<br />

zum 85. Geburtstag. Oratorium<br />

für Sprecher, 2 Bariton-Soli, Chor und Orchester.<br />

Juni 12. (20 h), 13. (15 h)<br />

Das Blaue Einhorn: „Wo find ich meine<br />

Seele“ Lieder von Krieg und Frieden. Mikis<br />

Theodorakis zum 85. Geburtstag. Juni<br />

19. (20 h)<br />

Kulturgottesdienst Blaumeier die Zweite.<br />

Juni 20. (18 h)<br />

Órganon Melodien von und für Mikis Theodorakis<br />

zum 85. Geburtstag. Aug. 13. (20 h)<br />

„LebenskunSterben“ Fotoausstellung von<br />

Gülay Keskin. 15. August bis 11. September<br />

Flanieren in Stephani Unterwegs zu einer<br />

Stadt für alle. Aug. 19. (17.30 h)<br />

<strong>Die</strong> Prinzen Kirchentour. Sept. 14. (20 h)<br />

Wise Guys – unplugged Sept. 25. (16 h)<br />

Nacht der Kirchen Sept. 29. (ab 18 h)<br />

Noble Gäste Meisterwerke der Kunsthalle Bremen<br />

Während der Schliesszeit zu Gast in 22 deutschen Museen. Auch in Bremen:<br />

Dom-Museum Bremen im St. Petri Dom<br />

Stiftung Bremer Dom e.V.<br />

Sakrale Kunst<br />

www.stpetridom.de<br />

Kunstsammlungen Böttcherstraße<br />

Paula Modersohn-Becker Museum<br />

Lucas Cranach, Paula Modersohn-Becker<br />

www.pmbm.de<br />

.....................................<br />

DKV-Residenz in der<br />

Contrescarpe<br />

Tel. 04 21 – 3 22 90<br />

Weltklassik am Klavier „I love Chopin!“<br />

Mit Haiou Zhang. Mai 30., 17 h.<br />

Viva Piano Italia Mit Gabriele Leporatti.<br />

Juni 27., 17 h<br />

Von Barock und Klassik bis Romantik Mit<br />

William Youn. Juli 25., 17 h<br />

„Lieben Sie Brahms?“ Mit Boris Kusnezow.<br />

Aug. 29., 17 h<br />

.....................................<br />

swb-Kundencenter<br />

Sögestraße/Am Wall<br />

Tel. 04 21 - 83 11 41 (LeseArt)<br />

Tel. 04 21 - 34 49 08 (energiejazz)<br />

Tel. 04 21 - 34 31 70 (bremer hörkino)<br />

hörkino (20 h):<br />

Juni 2.: Marc Thöner „Morde unter deutschen<br />

Schutz? <strong>Die</strong> Bundeswehr und die<br />

Menschenrechtsverletzungen in ihrem afghanischen<br />

Regionalkommando“<br />

Sept. 1.: Charly Kowalczyk „Angelika – Annäherung<br />

an ein Kinderleben“<br />

LeseArt (19 h):<br />

Mai 20.: Hanns-Josef Ortheil: <strong>Die</strong> Erfindung<br />

des Lebens<br />

Juni 17.: Prof. Dr. Nicolas Schalz: Mozarts<br />

späte Opern als Spiegel der Gesellschaft<br />

Weserburg Museum für moderne Kunst<br />

Moderne Plastik, Fotografie<br />

www.weserburg.de


.....................................<br />

Overbeck-Museum<br />

Tel. 04 21 – 66 36 65<br />

Tägl. 11-18 h außer Mo<br />

Im Dialog II: Overbecks und Uphoffs. 6.<br />

Juni bis 26. September<br />

WORPSWEDE<br />

Tel. 04792 – 935 820<br />

www.theatersommer-barkenhoff.de<br />

Theatersommer auf dem Barkenhoff<br />

Berge der Utopie Ein Stück der Cosmos<br />

Factory Theaterproduktion. 27. Juli (P) bis<br />

21. August, jew. Mi-Sa 21 h<br />

OLDENBURG<br />

.....................................<br />

Oldenburgisches Staatstheater<br />

Tel. 04 41 – 22 25 111<br />

Großes Haus<br />

(Beginn, w.n.a.a.: 19.30 h)<br />

Faust Mai 15., 22., 29.; Juni 8.<br />

Ich, Heinz Erhardt Mai 16., 19.<br />

König Lear Mai 21., 28., 30.; Juni 5., 12., 22.<br />

Gastspiel Nazareth Mai 24. (20.30 h)<br />

Der Troubadour Mai 25.; Juni 3., 10.<br />

3. Familienkonzert Mai 30. (11.15 h)<br />

<strong>Die</strong> Piraten Juni 4., 9., 11., 16., 18., 19.<br />

8. Sinfoniekonzert Juni 13. (11.15 h), 14., 15.<br />

4. Familienkonzert Juni 20. (11.15 h)<br />

Kleines Haus<br />

(Beginn, w.n.a.a.: 20 h)<br />

Breaking the Waves Mai 15., 29.<br />

5. Kammerkonzert Mai 16. (11.15 h)<br />

As in’n Heven Mai 16., 21., 28.<br />

Kinder im Orchester Mai 17. + 21. (11 h)<br />

Biografie. Ein Spiel Mai 20., 30.; Juni 19.<br />

Der nackte Wahnsinn Mai 22.<br />

Matinée <strong>Die</strong> Piraten Mai 23. (11.15 h)<br />

Gastspiel In 80 Tagen um die Welt Mai 24.<br />

Ein Volksfeind Juni 6., 10., 20.<br />

.....................................<br />

Exerzierhalle<br />

(Beginn, w.n.a.a.: 20 h)<br />

My Name is Peggy Mai 15., 22.<br />

Nr. 8 (UA) Mai 21. (P), 26., 29.<br />

Extra-Nacht Mai 28. (22.30 h)<br />

Uni am Markt Mai 29. (11 h)<br />

.....................................<br />

Andere Spielorte<br />

(Beginn, w.n.a.a.: 20 h)<br />

Junges Staatstheater Nur ein Tag (ab 5 J.)<br />

/ Spielraum. Mai 16. (11.30 h), 17. (10 + 17<br />

h), 18. (10 h)<br />

Junges Staatstheater <strong>Die</strong> Wanze (ab 8 J.) /<br />

Spielraum. Mai 23. (11.30 h), 26.+27. (10 h)<br />

4. Schlosskonzert Mai 27. Schloss Oldenburg<br />

Junges Staatstheater <strong>Die</strong> kleine Zoogeschichte<br />

(ab 4 J.) / Spielraum. Mai 29.<br />

(11.30 h)<br />

.....................................<br />

Landesmuseum für Kunst<br />

und Kulturgeschichte<br />

Tel. 04 41 – 2 20 73 00<br />

www.landesmuseum-oldenburg.niedersachsen.de<br />

Herlinde Koelbl – eine Werkschau. Fotografien<br />

1976 – 2009. In Kooperation mit<br />

dem Kulturspeicher Oldenburg. Bis 13. Juni.<br />

Stille Wasser und perfekte Wellen Schülerkunst<br />

zum Thema Wasser. Bis 24. Oktober.<br />

Flüsse im Strom der Zeit. Norddeutsche<br />

Wasserstraßen in der Fotografie. 15. August<br />

bis 24. Oktober.<br />

Internationaler Museumstag 16. Mai<br />

10-17 h, Eintritt frei.<br />

.....................................<br />

Landesmuseum Natur und<br />

Mensch<br />

Tel. 04 41 – 92 44-300<br />

www.naturundmensch.de<br />

Kalte Zeiten – Warme Zeiten Klimawandel(n)<br />

in Norddeutschland. Bis 1. August<br />

KULTURKALENDER 71<br />

Chancen für Menschen<br />

in Namibia<br />

Unterstützen Sie zwei neue Projekte<br />

Engagement für ein besseres Leben<br />

Immer mehr Menschen in der Kavango-Region<br />

wandern aus Not in die Slums der großen Städte<br />

ab. <strong>Die</strong> beiden Projekte der Rotary-Clubs<br />

Bremen-Bürgerpark und Westerstede ermöglichen<br />

es ihnen, in ihrer Heimat zu bleiben.<br />

Mit Ihrer Spende unterstützen Sie Maßnahmen,<br />

die regional wirken:<br />

• dörliche und familiäre Strukturen bleiben<br />

erhalten<br />

• die Bildungs- und Gesundheitssituation<br />

kann deutlich verbessert werden<br />

• die Bevölkerung erhält Hilfe zur Selbsthilfe<br />

• ein minimaler Wirtschaftskreislauf<br />

entsteht<br />

Jeder Spender kann sicher sein, dass seine<br />

Zuwendung dort ankommt, wo sie gebraucht wird.<br />

Sie erhalten für Ihre Spende eine Quittung, die<br />

steuerlich abzugsfähig ist.<br />

Gern geben wir Ihnen weitere Informationen!<br />

Natalie Burwitz, LL.M.<br />

Präsidentin Rotary-Club Bremen-Bürgerpark<br />

Telefon: 04 21 - 2 23 51 31<br />

natalie.burwitz@uni-oldenburg.de<br />

Spendenkonto<br />

Förderverein des RC Bremen-Bürgerpark e.V.:<br />

Bankhaus Plump (290 304 00)<br />

Kontonummer: 770 20<br />

Verwendungszweck: „Namibia Projekte“


72 KULTURKALENDER<br />

.....................................<br />

Oldenburger Kunstverein<br />

Tel. 04 41 – 27 109<br />

www.kunstverein-oldenburg.de<br />

Silke Wagner Cover Works (New Works).<br />

Bis 30. Mai<br />

Lotte Lindner & Till Steinbrenner We<br />

don’t trust you. 19. Juni bis 2. August<br />

Wir helfen Ihnen!<br />

Helfen Sie uns!<br />

In kritischen Situationen<br />

topit und besonnen.<br />

Dank einer guten Schwimm-<br />

und Rettungsschwimmausbildung<br />

der DLRG.<br />

Mit Ihrer Stiftung fördern<br />

Sie langfristig die Arbeit der<br />

DLRG in Bremen.<br />

DLRG-Stiftung Bremen<br />

Berenberg Bank<br />

BLZ 201 200 00<br />

Konto 517 59 009<br />

.....................................<br />

Horst-Janssen-Museum<br />

Tel. 04 41 – 2 35 28 91<br />

www.horst-janssen-museum.de<br />

Di-So 10-18 h<br />

Picasso – <strong>Die</strong> Kraft der Linie<br />

Bis 29. August<br />

.....................................<br />

Palais Rastede<br />

Tel. 0 44 02 – 8 15 52<br />

www.palais-rastede.de<br />

Mi-Fr + So 11-17 Uhr u.n.V.<br />

Sven Hoffmann „Aqua Globalis“. 16. Mai<br />

bis 18. Juli<br />

Helmut Feldmann „Grafik und Malerei“.<br />

30. Mai bis 18. Juli<br />

Sommeratelier <strong>Die</strong> Technik der Vergoldung<br />

mit Blattgold. <strong>Die</strong> Technik der Kaltnadelradierung.<br />

12. bis 13. Juli<br />

EMDEN<br />

.....................................<br />

Kunsthalle Emden<br />

Tel. 0 49 21 – 97 50 0<br />

www.kunsthalle-emden.de<br />

Di-Fr 10-17 h (jeder 1. Di 10-21 h). Sa, So,<br />

Feiertage 11-17 h. Mo geschlossen.<br />

Highlights aus der Sammlung Henri Nannen<br />

und Sonderpräsentation Brigitte Waldach.<br />

5. Juni bis 5. September<br />

„Erich Heckel – Vom Aquarell zum Gemälde“.<br />

11. September bis 9. Januar 2011<br />

.....................................<br />

Stadttheater Bremerhaven<br />

Tel. 04 71 – 4 90 01<br />

Großes Haus<br />

(Beginn, w.n.a.a.: 19.30 h)<br />

Samson und Dalila Mai 15., 21., 26.; Juni<br />

13. (z.l.M.)<br />

Eröffnungsveranstaltung zu Der Silbersee<br />

Mai 16. (11 h)<br />

The Scarlet Pimpernel Mai 16. (z.l.M.)<br />

<strong>Die</strong> heilige Johanna der Schlachthöfe Mai<br />

20.; Juni 6.<br />

Der Silbersee Mai 22. (P), 30.; Juni 3., 11.,<br />

16. (z.l.M.)<br />

Sugar (Manche mögen’s heiß) Mai 23., 27.;<br />

Juni 4., 12. (z.l.M.)<br />

Ballett Extra: Spitzen-Tanz II Mai 29.<br />

Lange Nacht der Kultur Juni 5. (20 h)<br />

Was für ein Theater…! Juni 17.<br />

Das war Spitze! Juni 18.<br />

Zum Abschied ein Fest! Juni 19.<br />

8. Sinfoniekonzert Juni 21. (20 h), 22., 23.<br />

Kleines Haus<br />

(Beginn, w.n.a.a.: 19.30 h)<br />

Clyde und Bonnie Mai 15., 21., 29.; Juni 11.,<br />

19. (z.l.M.)<br />

Das andalusische Mirakel Mai 16.; Juni 2.,<br />

20. (z.l.M.)<br />

Amaretto Mai 20., 23., 27., 28.; Juni 12., 17.,<br />

18. (z.l.M.)<br />

Drei große Frauen Mai 22., 30.; Juni 13.<br />

(z.l.M.)<br />

Löwenherz Juni 4. (18.30 h), 6. (16 h)<br />

Theaterjugendclub Juni 10., 16.<br />

.....................................<br />

TiF Theater im Fischereihafen<br />

Tel. 04 71 – 93 93 20<br />

(Beginn, w.n.a.a.: 20 h)<br />

Ingolf Lück Mai 21.<br />

instant impro Mai 22.; Juni 19.; Aug. 21., 27.<br />

Rolf Becker Mai 26.<br />

Wolfgang Trepper Mai 28.<br />

tonSpurX Mai 29..<br />

Götz Alsmann Juni 2., 3.<br />

Juno Juni 4..<br />

Christina Lux Juni 5. (20 + 21.15 h)


ROTSTIFT-REGISSEURE<br />

Seitdem auf unseren Bühnen Regisseure<br />

regieren, die Wilhelm Tell für einen Gangsta-Rapper<br />

halten und Werther für ein<br />

Mitglied seiner Gang, machen betagtere<br />

Theatergänger so jenseits der 30 große Augen.<br />

Und altgediente Rezensenten verzweifeln,<br />

weil sie sich in ihren Klassikern<br />

nicht mehr auskennen. Denn am deutschen<br />

Theater kann laut Peter Stein „inzwischen<br />

ja jeder machen was er will.“<br />

Gut geschimpft, Alter! Da versetzt das<br />

Staatstheater Kötzschenbroda Romeo und<br />

Julia in eine DDR-Kolchose („Wo man Liebe<br />

aussät, da wächst Freude empor“), während<br />

Schillers Jungfrau von Orleans an<br />

der Volksbühne Wuppertal-Oberbarmen<br />

in einer Schönheitsklinik spielt („Kurz ist<br />

der Schmerz und ewig währt die Freude“).<br />

Und im Opernhaus der Hallig Hooge<br />

müssen Wagners Rheintöchter, gekleidet<br />

in Ostfriesennerze mit nix drunter, durch<br />

den Schlick waten und immer nur „Wagalaweia!<br />

Wallala, weiala weia!“ singen.<br />

Alles absurd und ausgesprochen albern?<br />

Egal! Hauptsache knallig, knackig und vor<br />

allem griffig, also erheblich kürzer als im<br />

Original. Denn das ist ohnehin – man erinnere<br />

sich an endlose Deutschstunden in<br />

der Unterprima – sterbenslangweilig. Und<br />

so darf Theater natürlich niemals sein.<br />

Aus eben diesem Grunde kommen auch<br />

immer mehr Klassiker als Comics auf den<br />

Markt. Aktuell hat es Goethes „Faust“ erwischt.<br />

Natürlich nicht als schnöde Nacherzählung,<br />

sondern als im heutigen Berlin<br />

spielende Adaption. Faust ist hier ein Öko,<br />

Gretchen eine junge Türkin und Mephisto<br />

nennt sich cool nur „Meph“. Heftig gekürzt<br />

wird das Werk natürlich auch, und<br />

zwar bis auf den Kern, den selbst der Pudel<br />

knurrend verschmäht.<br />

Peter Schulz<br />

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IMPRESSUM<br />

Herausgeberin<br />

Marie-Clothilde Kronenberg (v.i.S.d.P.) 1<br />

Redaktionsleitung Peter Schulz 2<br />

Kfm. Leitung Sonja Chrobok 14<br />

Anzeigenverkauf Martina Vosgerau 21<br />

Autoren dieser Ausgabe<br />

Dr. Stephan Cartier 16, Christian Emigholz 3,<br />

Sven Garbade 19, Michael Pitz-Grewenig 11,<br />

Karin Hiller 4, Wilfried Hippen 5,<br />

Dr. Sabine Komm 6, Christine Krause 7,<br />

Dr. Ulrich Matyl 8, Simon Neubauer 17,<br />

Carsten Preisler 10, Dr. Meike Rotermund 18,<br />

Sigrid Schuer 12, Ute Schalz-Laurenze 9,<br />

Peter Schulz 2, Inge Zenker-Baltes 15<br />

<strong>Verlag</strong>, Vertrieb, Redaktion und<br />

Anzeigenverwaltung <strong>Roland</strong> <strong>Verlag</strong> <strong>GmbH</strong>,<br />

Schlachte 43, 28195 Bremen,<br />

Telefon 04 21 - 1 26 63, Fax 04 21 - 1 33 17<br />

E-mail info@rolandverlag.de<br />

www.rolandverlag.de<br />

Gestaltung und Satz<br />

Birgit Holtkötter 20<br />

Start04 – Agentur für Gestaltung<br />

Telefon 025 32 - 200 709<br />

www.start04.de<br />

Basislayout Haase & Knels, Bremen<br />

Druck ASCO STURM DRUCK Bremen<br />

Vertriebsstruktur Theater- und Vorverkaufsstellen<br />

Bremen, Bremerhaven und Oldenburg,<br />

Theater, Museen, Konzerthäuser und<br />

-büros, Ticket-Service-Center, Hotels, Abonnementvertrieb,<br />

Fach-Zeitschriften handel Bremen,<br />

Bremerhaven und Oldenburg<br />

Bezugspreis Einzelpreis 3,10 Euro<br />

Jahresabonnement 15,00 Euro<br />

Auflage 10.000 Exemplare<br />

Erscheinungsweise zweimonatlich<br />

Nächste Ausgabe 15. September 2009<br />

Redaktionsschluss 15. August 2009<br />

ISSN-Nr. 1618-0852<br />

Titelmotiv Patricia Kopatchinskaja<br />

Foto: Marco Borggreve, Amsterdam<br />

<strong>Die</strong>se Zeitschrift und alle in ihr enthaltenen Beiträge<br />

sind urheberrechtlich geschützt. Nachdruck,<br />

auch aus zugsweise, nur mit Ge neh migung des<br />

Herausge bers. Bei Veröffent lichung wird nur presserechtlich<br />

Verant wor tung übernommen. Für unverlangt<br />

eingesandte Manuskripte und Fotos keine<br />

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