Menschen – Maschinen – Momente - Bindereport
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125 Jahre bindereport<br />
<strong>Menschen</strong> <strong>–</strong> <strong>Maschinen</strong> <strong>–</strong> <strong>Momente</strong><br />
Eine Fortsetzungsreihe der Druckverarbeitungsgeschichte in Tagesdaten (Folge 2)<br />
Technikgeschichte ist zugleich Kulturgeschichte.<br />
Bücher haben stets eine besondere<br />
Rolle eingenommen. Handwerkliche<br />
wie industrielle Drucke zu verarbeiten<br />
und zu binden, erlebte im Laufe<br />
der letzten 400 Jahre eine Entwicklung,<br />
die es im Zeitalter elektronischer Medien<br />
verdient, einmal <strong>–</strong> soweit sie bekannt<br />
sind <strong>–</strong> festgehalten zu werden. <strong>Bindereport</strong><br />
jubiliert 2012 mit dem 125. Jahrgang,<br />
offizieller Start des „Allgemeinen Anzeigers<br />
für Buchbindereien“ war der 1. Januar<br />
1887. Anlass genug, an ein paar Daten und<br />
Fakten inner- und außerhalb dieses Fachgebiets<br />
zu erinnern. HANS JOACHIM LAUE<br />
DaTEn unD FakTEn<br />
TAgEbUCH dEr<br />
drUCkvErArbEITUNgSgESCHICHTE<br />
7. Januar 1927<br />
von diesem Tag an vor 85 Jahren hatte<br />
die Patentschrift Nr. 482 741 des deutschen<br />
reiches über eine „vorrichtung<br />
zum Schneiden von Pappbogen für<br />
buchdeckel“, die der Erfinder August<br />
kolbus aus rahden anmeldete, rechtskraft.<br />
das Patent wurde ihm am 5. September<br />
1929 erteilt. Schon auf der Leipziger<br />
Herbstmesse 1927 stellte kolbus<br />
dem Fachpublikum die erste deutsche<br />
buchdeckenmaschine mit dem kürzel kd<br />
40 bindereport 3/2012<br />
detailzeichnung aus der<br />
Patentschrift Nr. 482 741 zur buchdeckenmaschine<br />
kd. FOTO: kOLbUS<br />
vor. Sie ermutigte die rahdener <strong>Maschinen</strong>fabrik<br />
kolbus, deren Wurzeln in das<br />
Jahr 1775 zurückreichen, bereits 1928<br />
zur Markteinführung der buchdeckenmaschine<br />
gd. diese beiden <strong>Maschinen</strong><br />
standen insbesondere mit der amerikanischen<br />
konkurrenz im Wettbewerb.<br />
29. Januar 1897<br />
Im Alter von fast 64 Jahren starb vor 115<br />
Jahren der 1833 im österreichischen Südungarn<br />
geborene Ingenieur Friedrich von<br />
Martini. 1863 gründete<br />
er zusammen<br />
mit dem Mechaniker<br />
Heinrich Tanner<br />
(1832<strong>–</strong>1898) die<br />
Mechanische<br />
Werkstätte Martini,<br />
Tanner & Co. in<br />
Frauenfeld<br />
(Schweiz). die Firma<br />
ging aus der<br />
1860 entstandenen<br />
<strong>Maschinen</strong>bauanstalt<br />
Frauenfeld<br />
(vormals Sulzberger<br />
& graf) hervor.<br />
das Fabrikations-<br />
Friedrich von Martini<br />
um 1883.<br />
FOTO: vErEIN FÜr WIrT-<br />
SCHAFTSHISTOrISCHE<br />
STUdIEN<br />
programm umfasste Eisenwaren, gewehre,<br />
gas- und Petrolmotoren sowie<br />
Stickerei-, Müllerei- und buchbindereimaschinen.<br />
dem konstrukteur Friedrich von<br />
Martini wurden in der Schweiz und in<br />
deutschland zwischen 1877 und 1897<br />
siebzehn Patente erteilt. Im Jahre 1876<br />
kam die Entwicklung einer doppelfalzmaschine<br />
mit dampfbetrieb auf den<br />
Markt. die Leistung von 2600 bogen pro<br />
Stunde galt lange Zeit als unerreichbar.<br />
An der Landesausstellung in Zürich 1883<br />
wurde sie in betrieb gezeigt.<br />
3. März 1902<br />
Mit der Entwicklung und der Fabrikation<br />
unterschiedlichster Papierschneidemaschinen<br />
und Pappscheren sowie kniehebelpressen<br />
für blinddruck und vergoldung<br />
war karl krause, der an diesem<br />
Tag vor 110 Jahren gestorben ist, ein<br />
Wegbereiter industrieller Produktionsprozesse<br />
in den buchbindereien. Fünf<br />
Jahre vor seinem Tode lieferte die <strong>Maschinen</strong>fabrik<br />
karl krause, Leipzig, die<br />
50 000. Maschine aus.<br />
krause, 1823<br />
als elftes kind geboren,<br />
erlernte<br />
zwischen 1842 und<br />
1846 das Schlosser-Handwerk,<br />
begab sich zwei<br />
Jahre auf Wanderschaft,<br />
die ihn<br />
auch in die<br />
Schweiz führte.<br />
karl krause (1823<strong>–</strong><br />
1902). FOTO: WIkIPEdIA<br />
danach arbeitete<br />
er bis 1855 in Leipziger<strong>Maschinen</strong>-<br />
fabriken, bis er eine eigene reparaturwerkstätte<br />
gründete. Zwei Jahre später<br />
folgte die fabrikmäßige Unternehmensvergrößerung<br />
mit einer Eisengießerei.<br />
1859 wurden die ersten <strong>Maschinen</strong> für<br />
die papierverarbeitende Industrie der<br />
Firma karl krause exportiert. 1893 trat<br />
krauses Schwiegersohn, dr. Heinrich<br />
biagosch, ins Unternehmen ein. Unter<br />
seiner Leitung zählte die Firma vor Ausbruch<br />
des 1. Weltkrieges rund 1500 Mitarbeiter.<br />
1948 wurde der in der sowjetischen<br />
besatzungszone liegende betrieb enteignet,<br />
dann zu ddr-Zeiten in verschiedenen<br />
konstellationen und Namen als<br />
volkseigener betrieb geführt. die Fabrik<br />
Eine Martini-<br />
doppelfalzmaschine.<br />
FOTO: brOCkHAUS
das bürogebäude<br />
der <strong>Maschinen</strong>fabrik<br />
karl krause<br />
in Leipzig nach<br />
1905.<br />
FOTO: ArCHIv HJL<br />
überlebte die politische Wende bis etwa<br />
1994. die Familie biagosch gründete<br />
1949 in der brd die krause-biagosch<br />
gmbH, bielefeld. Heute ist dieses Unternehmen<br />
der Horstmann-gruppe weltweit<br />
ein Technologieführer wegweisender<br />
Systeme für die druckvorstufe.<br />
4. März 1792<br />
Heftgeräte der Marken bostitch (boston<br />
Wire Stitcher) oder Leitz sind in jedem<br />
büro eine Selbstverständlichkeit, und in<br />
manchen Haushalten sind sogar Tacker<br />
vorhanden. Selbst dem so einfach anmutenden<br />
Heften von Papieren und anderen<br />
Materialien mit drahtklammen gingen<br />
lange Entwicklungen voraus. der vor 220<br />
Jahren in den USA geborene Sam Slocum<br />
(1792<strong>–</strong>1861) erfand in England eine<br />
Was im 19. Jahrhundert<br />
mit einem<br />
drahthefter für<br />
broschüren von<br />
Sam Slocum<br />
begann, wird<br />
heute zum beispiel<br />
industriell mit<br />
einem Heftkopf<br />
Universal 70/20<br />
(von zwei blatt bis<br />
20 mm) erledigt.<br />
FOTO: HOHNEr<br />
bindereport 3/2012 41
125 Jahre bindereport<br />
Maschine für die Herstellung von schmiedeeisernen<br />
Nägeln.<br />
Zurück in den Staaten, gründete er<br />
mit einem Partner die Firma Slocum & Jilson,<br />
die ein gerät zum Heften von Papier<br />
mittels Stecknadeln aus einem Spender<br />
entwickelte. damit war der erste brauchbare<br />
Hefter geboren, der am 30. September<br />
1841 patentiert wurde. bis zu den<br />
heutigen modernen drahtheftmaschinen<br />
mit einem oder mehreren Heftköpfen,<br />
denen die zu heftenden bogen über<br />
eine Sammelkette oder Sammeltrommel<br />
zugeführt werden, ist ein weiter Weg<br />
zurückgelegt worden.<br />
13. März 1917<br />
In Offenbach am Main ist vor 95 Jahren<br />
das deutsche Ledermuseum eröffnet<br />
worden. Unter demselben dach sind das<br />
Ethnologische Museum, das deutsche<br />
Schuhmuseum und das Museum für Angewandte<br />
kunst vereint. die Sparte der<br />
angewandten kunst sammelt historische<br />
Lederwaren aus aller Welt, darunter auch<br />
lederne bucheinbände.<br />
das Offenbacher Museum beherbergt<br />
auch eine Sammlung historischer<br />
bucheinbände aus Leder.<br />
FOTO: dEUTSCHES LEdErMUSEUM<br />
3. april 1967<br />
vor 45 Jahren lieferte MbO ihre erste,<br />
selbst konstruierte kombi-Falzmaschine<br />
<strong>–</strong> Typ k 65/4 kL <strong>–</strong> mit Flachstapelanleger<br />
aus. Ausgestellt vom 26. Mai bis 8.<br />
Juni 1967 an der 5. drUPA in düsseldorf,<br />
weckte diese Maschine das Interesse<br />
eines breiten Fachpublikums. Seit<br />
42 bindereport 3/2012<br />
Schon in den Anfängen übernahm MbO<br />
(„Folding Technology“) mit Innovationen im<br />
Falzmaschinenbau weltweit eine führende<br />
rolle. FOTO: HJL<br />
ihren Anfängen übernahm die 1965 von<br />
dipl.-kfm. Heinz binder gegründete<br />
MbO <strong>Maschinen</strong>bau Oppenweiler<br />
binder gmbH & Co. mit Innovationen<br />
im Falzmaschinenbau weltweit eine<br />
führende rolle.<br />
die betriebsaufnahme der Firma erfolgte<br />
zunächst mit der Fertigung von<br />
Präzisionsteilen. Parallel dazu sind die<br />
ersten Falzmaschinen in Zusammenarbeit<br />
mit externen konstruktionsbüros<br />
entwickelt worden. Einen Monat nach<br />
der drUPA wurde bereits die erste Taschen-Falzmaschine<br />
mit zehn Taschen an<br />
einen französischen kunden ausgeliefert.<br />
Schon im Jahr darauf konnte eine<br />
komplette Taschen-Falzmaschinen-<br />
baureihe vorgestellt werden, außerdem<br />
Palettenanleger für kombi- und Taschen-<br />
Falzmaschinen. Ein Jahr später erhielt<br />
MbO das Patent für den bandantrieb der<br />
Falzmaschinen, der sich durch extreme<br />
Laufruhe und wartungsfreie Laufzeit<br />
auszeichnet.<br />
10. april 1807<br />
die vor 205 Jahren gestorbene Herzogin<br />
Anna Amalia von Sachsen-Weimar-Eisenach<br />
(1739<strong>–</strong>1807) übernahm 1759 nach<br />
dem frühen Tod ihres Mannes testamentarisch<br />
die regentschaft des Herzogtums.<br />
Sie gilt als Förderin der 1691 begründeten<br />
herzoglichen bibliothek, die<br />
mit einer 1400 bücher umfassenden<br />
Sammlung startete. 1766 wurde die bibliothekssammlung<br />
vom residenzschloss<br />
ins grüne Schloss verlegt. besonders<br />
berühmt ist der darin gelegene ovale<br />
rokokosaal, der über drei geschosse<br />
reicht. 1991 <strong>–</strong> 300 Jahre nach ihrer gründung<br />
<strong>–</strong> wurde diese bibliothek nach der<br />
Herzogin Anna Amalia benannt, deren<br />
bibliotheksbestand rund eine Million<br />
Einheiten umfasste.<br />
Schwerpunkt der Forschungsbibliothek<br />
für Literatur- und kulturgeschichte<br />
ist die deutsche Literatur aus der Zeit um<br />
1800. Zudem werden literarische Zeugnisse<br />
vom 9. bis zum 21. Jahrhundert aufbewahrt,<br />
nach formalen wie inhaltlichen<br />
gesichtspunkten erschlossen und zur<br />
benutzung bereitgestellt.<br />
durch den brand im September 2004<br />
gingen um die 50 000 bände unwiederbringlich<br />
verloren, etwa 60 000 sind<br />
durch brand und Löschung beschädigt.<br />
Sie werden, nach Schadensklassen eingestuft,<br />
bis zum Jahr 2015 restauriert.<br />
Nach der Sanierung konnte die bibliothek<br />
im Herbst 2007 wiedereröffnet<br />
werden. die Herzogin Anna Amalia<br />
bibliothek bemüht sich nach wie vor<br />
um Ersatzbeschaffungen der verlorenen<br />
bibliotheksbestände.<br />
die Herzogin Anna Amalia bibliothek in<br />
Weimar ist seit 2007, drei Jahre nach dem<br />
brand, wieder öffentlich zugänglich (im bild<br />
der berühmte rokokosaal).<br />
FOTO: kLASSIk STIFTUNg WEIMAr