im GRÜNEN Bereich? - scriptito
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VERKEHR<br />
Effektive Trennung von Netz und Verkehr<br />
statt Privatisierung à la SPD<br />
Eine spontane, nicht repräsentative Blitzumfrage unter MitarbeiterInnen der<br />
Landtagsfraktion „Was fällt Dir als Erstes zum Thema ,Deutsche Bahn’ ein?“,<br />
brachte folgendes Ergebnis: Streik, Verspätungen, Schlechter Service,<br />
schmutzige Züge, bekloppte Automaten. Eine Mitarbeiterin platzte sofort mit<br />
den Worten „eine einzige Katastrophe!“ heraus.<br />
Erst relativ spät fand sich jemand, der als erstes<br />
sagte „Ökologie“! „Ich nutze sie eigentlich<br />
ganz gern, man kann viel entspannter<br />
reisen als mit dem Auto.“ Oder: „Man hat<br />
Zeit zum Lesen“ wurde <strong>im</strong>merhin auch genannt.<br />
Dazu kam – aber eher nachrangig – die<br />
politische Sicht mit dem Stichwort „Privatisierung“.<br />
Die Presseabteilung wusste Wortspiele<br />
beizutragen: „Tiefensee entgleist“,<br />
„falsche Weichenstellung“. In Bezug auf den<br />
Streik wird gelegentlich auch von zwei Zügen<br />
gesprochen (Schell und Mehdorn), die ungebremst<br />
aufeinander zurasen.<br />
Man darf vermuten, dass unter den Lesern<br />
dieses Beitrags relativ viele Bahnnutzer<br />
sind – auch bei der genannten Umfrage<br />
kam nur einmal der Satz „Ich fahre nie<br />
Bahn!“ Dass das umweltfreundlichste Verkehrsmittel<br />
möglicherweise nicht nur ein<br />
Image-Problem hat, ist nicht ganz von der<br />
Hand zu weisen. Es besteht ein dringender<br />
Handlungsbedarf, die Strukturen so zu gestalten,<br />
dass künftig die Eisenbahninfrastruktur<br />
auch in der Fläche Bestand hat und<br />
leistungsfähiger wird.<br />
Der Gesetzentwurf von Bundesverkehrsminister<br />
Tiefensee zur Bahnprivatisierung<br />
ist aus unserer Sicht komplett gescheitert.<br />
Mittlerweile verweigert auch die SPD ihre<br />
Gefolgschaft für völlig verkorkste Pläne,<br />
es allen recht zu machen. Allerdings halten<br />
wir auch die so genannte „Volksaktie“ für<br />
eine Mogelpackung. Wieso soll das Volk<br />
seine Bahn kaufen, die ihm doch sowieso<br />
schon gehört? Und wieso verscherbeln<br />
Sozialdemokraten, ansonsten die Anwälte<br />
des Gemeinwohls, so hemmungslos die<br />
Infrastruktur, die nach dem Grundgesetz<br />
gemeinwohlorientiert in Bundesverantwortung<br />
bleiben muss? Das Modell Volksaktie<br />
ändert nichts an der Grundstruktur des Privatisierungsmodells:<br />
Der größte Nutznießer<br />
und Betreiber, die Deutsche Bahn AG,<br />
verfügt als faktischer Eigentümer über das<br />
Netz. Besonders pikant: Der Bund darf für<br />
die Bestandserhaltung in den nächsten 15<br />
Jahren mindestens 2,5 Milliarden Euro an<br />
die privatisierte Bahn zuschießen. Wenn er<br />
allerdings nach diesem Zeitraum das Netz<br />
zurückhaben möchte, müsste er noch einmal<br />
7,5 Milliarden Euro auf den Tisch legen.<br />
Die Totalverweigerer einer Privatisierung<br />
wiederum befürchten, Arbeitsplatzabbau,<br />
Lohnsenkungen, Verschlechterung von<br />
Komfort und Service. Viele der befürchteten<br />
Entwicklungen sind jedoch schon be<strong>im</strong> Status<br />
quo, dem integrierten Konzern in Staats-<br />
hand, eingetreten. Wir meinen: Je mehr leistungsfähige<br />
Anbieter auf dem Markt sind,<br />
die in einem sozialverträglichen und fairen<br />
Wettbewerb zueinander stehen, desto eher<br />
werden sich die besten Angebote durchsetzen<br />
und die oben beschriebenen Mängel<br />
beseitigen lassen.<br />
Die Grünen <strong>im</strong> Sächsischen Landtag plädieren<br />
in einem Antrag zur Bahnprivatisierung<br />
erneut für eine vollständige organisatorische<br />
Trennung von Eisenbahnverkehr und<br />
Infrastruktur. Darüber hinaus muss es die<br />
Möglichkeit für die Länder geben, regionale<br />
Schienenwege vertraglich zu übernehmen,<br />
wenn sie dies wünschen. Hier gibt es auch<br />
in unseren Reihen noch Diskussionsbedarf.<br />
Manche befürchten, dass die Strecken<br />
zwischen den Bundesländern unter einer<br />
solchen Regelung leiden würden und es<br />
dann doch wieder der ordnenden Hand des<br />
Bundes bedürfe.<br />
Alles in allem geht es uns darum, den Bahnverkehr<br />
in der Fläche aufrechtzuerhalten<br />
und weiterzuentwickeln. Über die Privatisierungsdiskussionen<br />
hinausweisend<br />
müssen wir als Grüne offensiver als bisher<br />
dazu auch die Ziele des Landtagswahlprogramms<br />
verstärkt in den Blick nehmen. Die<br />
Stichworte „Einführung eines verlässlichen<br />
Sachsen-Taktfahrplanes“, „Moratorium bei<br />
Streckenstilllegungen“, „Gleisanschlussprogramm“,<br />
„Sachsen-Franken-Magistrale“<br />
und „intermodale Vernetzung der Verkehrsträger“<br />
sind nur einige der Baustellen, auf<br />
denen wir in den kommenden Monaten <strong>im</strong><br />
<strong>Bereich</strong> der Mobilität anspruchsvolle Konzepte<br />
vorlegen müssen.<br />
Johannes Lichdi, Mitglied des Landtages<br />
Andreas Warschau, parlament. Berater