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FAKTOR­A.ARBEITSAGENTUR.DEAusgabe 04|13faktor-a.arbeitsagentur.deNoch mehr Serviceund Informationenzu diesem und vielenweiteren Themenfinden Sie im Web.FÜHRUNGSQUALITÄTSprachbegabtAls Englischlehrerin fand Barbara Jaeschke keinen Job, heute arbeiten fast300 Leute <strong>für</strong> ihre Sprachschule auf einem Campus mitten in Berlin.Als Frau an der Spitze eines Mittelständlers setzt sie auf das Führungsprinzip,von dem ihr Unternehmen lebt: Kommunikation. Seite 12


FAKTOR A | SCHWERPUNKTFAKTOR A | SCHWERPUNKTFÜHRUNGSQUALITÄTVertrauen lernenUm Mitarbeiter zu binden, müssen Unternehmen anspruchsvolleTätigkeiten und Spaß an der <strong>Arbeit</strong> bieten, dazu einenfairen Umgang miteinander. Diese Werte müssen gelebt werden –denn hohle Phrasen werden leicht durchschaut.faktor-a.arbeitsagentur.de/themen/fuehrungsqualitaet4Detlef Lohmann (rechts) mit Kollegen beiAllsafe Jungfalk. 160 Mitarbeiter stellenProdukte <strong>für</strong> die Ladegutsicherung her.Seit Lohmann 1999 einstieg, hat er denUmsatz vervierfacht und den Gewinnverzwölfacht. Sein Credo: Vertrauen in dieMitarbeiter, Verantwortung delegieren.Wird schon schiefgehen.Der Spruch ging DetlefLohmann nicht ausdem Kopf. Wird schonschiefgehen, wennseine Leute anstehende Probleme selbstlösen und nicht jede Entscheidung vomChef und dessen Chef abgenickt wird. Wirdschon schiefgehen, wenn jeder Mitarbeiterselbst Verantwortungübernimmt.„Klärt das untereinander,ihr„DAS LOSLASSEN IST MIR NICHThabt das Knowhow“,lautete sei-LEICHTGEFALLEN.“ne Ansage. „Warumsoll ich euchDETLEF LOHMANNda reinpfuschen?“,fragte Lohmann und guckte in verwunderteGesichter. Ihm gehört der AutozuliefererAllsafe Jungfalk, er ist doch derChef. „Aber das heißt doch nicht, dass ichalles besser weiß“, sagt der 55-Jährige.Wer den Allwissenden vorgibt, frustrieregerade die guten Mitarbeiter und bremsederen Initiative aus. Lohmann wollte siebelohnen, indem er sie selbst denken undentscheiden lässt.„Das Loslassen ist mir nicht leichtgefallen“,gibt Lohmann heute zu. Er fragte sich,ob er seinen Leuten nicht zu viel zutraute,vielleicht auch zumutete. Tatsächlich rumpelteund hakte es, aber nach ein paar Monatenlief es wieder rund. Alles wie vorher,und doch ganz anders.„Heute denken die Mitarbeiter mit,sie haben das Unternehmen als Ganzesim Blick“, sagt Lohmann. Und dieses Unternehmenwächst. Als Lohmann 1999 inEngen unweit des Bodensees anfing, produzierteAllsafe Jungfalk mit 40 MitarbeiternSperrstangen<strong>für</strong> Autos und Flugzeugeim Wert vonrund 10 MillionenEuro. Heute kommen160 Mitarbeiterauf den vierfachenUmsatz. Wasist das Geheimnisdieses Erfolges, Herr Lohmann? „Lernen zuvertrauen.“Das sagt sich einfach, ist aber schwerumzusetzen. Es braucht Strukturen, damites nicht beim guten Willen und Absichtserklärungenbleibt. Und es fordert demVorgesetzten ab, Vertrauen vorzuschießenund gleichzeitig permanent als Vorbildvoranzugehen. „Nichts ist schlimmer, alswenn Werte postuliert werden, die sich alshohle Phrasen entpuppen“, sagt Lohmann.Je krasser die Fallhöhe zwischen Anspruchund Wirklichkeit, desto gefährlicher dieKonsequenzen.5


FAKTOR-A.ARBEITSAGENTUR.DEFAKTOR A | SCHWERPUNKTFAKTOR A | SCHWERPUNKTERFAHRUNGAuf WanderschaftAbitur mit 18, zack, zack ein paarUni-Semester – und die junge Führungskraftist fit <strong>für</strong> ihre Aufgaben?Nein, so funktioniert das nicht,erkannte die Wittenstein AG underinnerte sich an eine mittelalterlicheTradition: die Walz. DerIgersheimer Mechatronik-Konzernbietet jungen Frauen und Männernnach Ausbildung oder Studiumdie Chance, vor dem Eintritt insBerufsleben die Welt kennenzulernen.Wer <strong>für</strong> Wittenstein auf dieWalz gehen mag, stellt sich selbsteine Aufgabe und organisiert dannselbstständig seinen zwei- bisdreimonatigen Aufenthalt in einemfremden Land. Die „Wanderschaft“soll den Horizont erweitern undden jungen Menschen andereKulturkreise und Lebensformennäherbringen.Keineswegs uneigennützig: „Diepersönlichen Erfahrungen undder offene Blick der Pioniere aufdie Welt wird ihnen und damitauch unserem Unternehmen imBerufsalltag ungemein nützlichsein“, sagt der VorstandsvorsitzendeManfred Wittenstein. Fürdie künftige Entwicklung vonMitarbeitern und Märkten wieauch des Unternehmens sei esentscheidend, sich in fremdeKulturkreise hineinversetzen zukönnen und sie zu verstehen, heißtes bei Wittenstein. Wie denken undfühlen Menschen in anderen Teilender Welt? Wie funktionieren undinteragieren die dortige Kultur unddas <strong>Arbeit</strong>sleben? Welche Wertezählen wo in der Welt?Es stellt die Loyalität der Mitarbeiterauf eine harte Probe, wenn sie von Kunden– oder auch im Familien- und Freundeskreis– auf ihre <strong>Arbeit</strong>sbedingungenangesprochen werden. Nicht jeder bleibtda diplomatisch, schon gar nicht nach demdritten Bier. Hinzu kommt: Was früher imkleinen Kreis blieb, findet heute oft denWeg ins Internet – und ist damit <strong>für</strong> jedenzugänglich. So spricht sich herum, wie eswirklich bestellt ist um das Firmenethos.<strong>Arbeit</strong>en die Kollegen eher gegen- odermiteinander? Wird Eigeninitiative gefördertoder verkümmert sie unter der Knuteder Chefs? Heißt es „Nicht geschimpft istLob genug“? Sind Überstunden täglicheRoutine, werden Teilzeitkräfte nicht <strong>für</strong>voll genommen, welche Perspektiven werdenden Mitarbeitern aufgezeigt?Das alles sind gelebte Werte, „undWerte vermitteln sich durch Rollenmodelleund deren Beobachtung“, sagt ThomasSattelberger, Themenbotschafterder Initiative NeueQualität der <strong>Arbeit</strong>.Ziel dieser vomBundesarbeitsministeriumgefördertenInitiative ist es,den Umgang mit <strong>Arbeit</strong> so zu verbessern,dass sowohl Unternehmen als auch Beschäftigteprofitieren. Dabei helfen Checks,Handlungshilfen und Selbsttests wie „GuterMittelstand“ oder „Personalführung“.Ein weiteres Thema ist die psychischeGesundheit in der <strong>Arbeit</strong>swelt. Denn esschlägt durchaus aufs Gemüt, wenn Chefsihre Mitarbeiter anschnauzen, selbst aberkritikresistent wurschteln dürfen. Oderwenn eigene Vorschläge regelmäßig abgeschmettertwerden und Bevormundung alstägliche Routine erlebt wird.Jeder Mitarbeiter sieht, wie Kollegenmiteinander umgehen, welche Rolle dieChefs einnehmen, wie auf Kritik reagiertwird – und leitet daraus ab, welche Wertegelten. Wem die nicht passen, der hatkaum eine andere Möglichkeit als zukündigen. Denn die herrschenden Wertein einem Betrieb auf Knopfdruck zuändern, sagt Experte Sattelberger, istunmöglich. Wer es ernst meint, brauchteinen langen Atem.„WIR HABEN DIE WERTE VONIHREM HOHEN ROSS HERUN-TERGEHOLT.“THOMAS SATTELBERGERINFO IM NETZKönnen Sie führen?Ziel der vom Bundesministerium <strong>für</strong> <strong>Arbeit</strong>und Soziales geförderten Initiative NeueQualität der <strong>Arbeit</strong> ist es, den Umgangmit <strong>Arbeit</strong> so zu verbessern, dass sowohlUnternehmen als auch Beschäftigte profitieren.Dabei helfen Checks, Handlungshilfenund Selbsttests. Auch zum ThemaPersonalführung gibt es Hilfe. Jüngsterarbeitete Infos sind im Internet unterwww.inqa-check-personalfuehrung.dezu finden. Ein weiteres Thema, um das sichdie Initiative kümmert, ist die psychischeGesundheit in der <strong>Arbeit</strong>swelt.Die Deutsche Telekom hat es versucht.„Wir haben ,Werte’ von ihrem hohen Rossheruntergeholt und gefragt: Wie gehen wirmiteinander um, wie werden Integritätund Vertrauen gelebt“, sagt Sattelberger,bis 2012 Personalvorstandund<strong>Arbeit</strong>sdirektorder Telekom. InGesprächskreisenging es anfangsum den Austausch,aber schon imzweiten Schritt darum, etwas zu ändern:„Was können wir selber anpacken? Undwo müssen wir die nächsthöhere Stufe einbinden?“Die oberste Stufe, die Geschäftsleitung,muss sowieso eingebunden sein.Wenn die nicht signalisiert, wie wichtigdiese sogenannten weichen <strong>Faktor</strong>en sind,bleibt alles bei bloßem Gerede. „Wir habendas Führungsverhalten nicht nur zum Themabei den Personalgesprächen gemacht,sondern auch vergütungsrelevant“, sagtSattelberger. Bis zu zehn Prozent der mittelfristigen,also auf bis zu drei Jahre ausgelegtenvariablen Vergütung wurden Managernabgezogen, die allzu rambohaft mitihren Mitarbeitern umgingen.Welchen Wert die Werte haben, zeigtsich bei Beförderungen: Bekommt derfachlich gute Rambo den Posten oderjemand mit sozialer Kompetenz? „Wiesolch eine Entscheidung ausfällt“, sagtSattelberger, „das hat immer eine Signalwirkung.“Und sorgt gegebenenfalls<strong>für</strong> Verdruss, oft bei den besten – weilkreativsten – Mitarbeitern. Die gehendann.Die LVM Versicherung verliert eherselten Mitarbeiter. In der Zentrale inMünster beträgt die durchschnittlicheBetriebszugehörigkeit 15 Jahre. AndreaHaeusler, Verkaufsförderin in derHaftpflichtversicherung, ist noch längerdabei. Ihr gefällt „die große Wertschätzung,die teilzeitbeschäftigten Frauenhier entgegengebracht wird“. Wer kannund will, darf die halbe <strong>Arbeit</strong>szeit zuhauseverbringen. Ohne jede Kontrolle?„Naja, die Leistung muss natürlichstimmen“, sagt Werner Schmidt. DerIT-Vorstand der LVM hat das Telearbeit-Programm von Anfang an begleitet, inden 1990ern war das, als die Zentraleaus allen Nähten platzte. Aus dieser Notheraus fragte die LVM ihre Mitarbeiter,ob sie nicht von zu Hause aus arbeitenwollten – und war überrascht von derenthusiastischen Reaktion. Heute arbeitetfast jeder Dritte der mehr als 3000Angestellten der Zentrale zeitweise zuHause.Der Weg dorthin war nicht ganz einfach,die LVM ist in manche Sackgassegetappt. Zum Beispiel der wochenweiseWechsel zwischen Büro und zu Hause:„Das funktioniert nicht“, sagt Schmidt.„Wenn jemand so lange draußen ist,dann fehlt der soziale Kitt, der Austauschmit den Kollegen.“ Womit auchTratsch und Klatsch gemeint sind. Heutewird meist von Tag zu Tag gewechselt.Schwer taten sich anfangs auch einigeVorgesetzte mit der Telearbeit. „AusAngst vor Status- und Kontrollverlust“,sagt Schmidt. Sie zitierten ihre Mitarbeiteran Teletagen in die Zentrale – umzu zeigen, wer am längeren Hebel sitzt.So lang war der Hebel dann doch nicht:Nachdem die Mitarbeiter vorgerechnethatten, wie viel <strong>Arbeit</strong> liegen blieb,wenn sie nach Münster und zurück pendeln,gingen den Chefs die Argumenteaus.Die Beziehungen ändern sich. Mitarbeiterwerden selbstständiger, und Vorgesetztemüssen das anerkennen – obsie wollen oder nicht. „Dass Managerin einer solchen Situation umlernen, er-Beobachterrolle:Detlef Lohmann hatgelernt loszulassenund Mitarbeiternzu vertrauen.„Nur weil ich derChef bin, heißt dasnicht, dass ich allesbesser weiß.“67


FAKTOR A | SCHWERPUNKTFAKTOR A | SCHWERPUNKT4Fachsimpelei unter Kollegen:Alltag im Großraumbüro bei AllsafeJungfalk.Für den Kick zwischendurch:An- und Entspannung gehören zueinem produktiven Tag.Seltener Anblick: Feste Meetingshat Detlef Lohmann (links)abgeschafft. Diskutiert wird nurnoch bei akutem Gesprächsbedarf.4 Erfolg mit zufriedenen Mitarbeitern:Schon zum dritten Mal erhieltAllsafe Jungfalk das Siegel „Top Job“und zählt damit zu den 100 besten<strong>Arbeit</strong>gebern im Mittelstand.warten wir von Führungskräften“, sagt Damit schließt sich derSchmidt. Auch wenn die von der Einführungder Teletage überrascht wurden:chen ihre MitarbeiterKreis: Unternehmer brau-Der Vorstand hatte das Programm mitauch als Botschafter. Imdem Betriebsrat vereinbart, vorbereitendeGespräch mit diesen BotschafternSchulungen <strong>für</strong> Manager fielen ausZeitgründen aus. „Das würde ich nächstesMal anders machen“, sagt Schmidt.Heute sind die Vorgesetzten vor allemals Coach gefragt. Wichtiger alsFachkenntnisse sind echte Führungsqualitäten,Kommunikation, gemeinsamzu treffende Entscheidungen. Geht esfair zu im Team, was die Büro- und Telezeitenbetrifft? Mutet sich niemand zuviel zu? Eigenverantwortlichentscheiden mögliche Kandi-daten: Lohnt es sich, hier anzufangen– oder lieber nicht? Die Zeiten, in denenBewerber Schlange standen, um überhauptin Lohn und Brot zu kommen, sindin vielen Branchen vorbei. Unternehmensuchen verzweifelt Fachkräfte, oftmonate- oder gar jahrelang. QualifizierteLeute wissen längst, dass sie sich ihren<strong>Arbeit</strong>geber aussuchen können. GutesGeld gibt es über-undall. Umso wichdaten:selbst organisierttiger werden die„WIR HABEN GANZ BEWUSSTzu arbeiten, dasweichen <strong>Faktor</strong>en:liegt nicht jedem.„Wir achten darauf,niemanden zuüberfordern“, sagtSchmidt. „SchließlichWENIG FESTE REGELN.“WERNER SCHMIDTder Spaß an der<strong>Arbeit</strong>, die Aussicht,etwas bewegenzu können,und die Aussichtsoll es ja klappen mit der Work-Life-Balance.“ Dabei helfen Teletage, nichtnur, weil das lästige Pendeln wegfällt.„Wegen der fehlenden Ablenkung sindTelearbeiter auch produktiver“, habensie bei LVM festgestellt. Deshalb müssenvon den Telearbeitern – so ist esmit dem Betriebsrat abgemacht – fünfProzent mehr Leistung erbracht werden.„Da schmunzeln die Kollegen drüber“,sagt Schmidt.Wenn Telearbeit also Zeit und Geldspart, warum zögern so viele Unternehmen?„Weil es Vertrauen und Mut erfordert“,sagt Schmidt. Sein Unternehmensei <strong>für</strong> diesen Mut reichlich belohntworden. Feste Regeln würde jeder zuseinen Gunsten auslegen oder dehnen,sagt Schmidt. Wem hingegen vertrautwürde, der wolle dieses Vertrauen nichtenttäuschen. „Deshalb haben wir ganzbewusst so wenig feste Regeln wie möglich– das funktioniert einfach besser.“Und es spricht sich herum. „Wirauf genügend Leben jenseits des Jobs.Das bieten nicht nur die Metropolen.Mögen andere Unternehmer fluchen,deren Betriebe weitab der großen Städteliegen, Detlef Lohmann im 6000-Einwohner-StädtchenEngen sieht keinenGrund zur Klage. „Mittlerweile bekommeich auch <strong>für</strong> die qualifizierten Postendie Leute, die ich brauche“, sagt derChef von Allsafe Jungfalk. „Es hat sichoffenbar herumgesprochen, wie wir hierarbeiten.“Jeder so eigenverantwortlich wiemöglich. Und was macht der Chef, wenndoch ein Mitarbeiter vor ihm steht undnicht weiter weiß? „Erst einmal tiefdurchatmen.“ Dann stellt Lohmann einpaar Fragen, um das Problem besser zudurchdringen. „Dabei kommt er meistschon von selbst auf die richtigen Gedanken.“Chef Lohmann grinst: „Das wissenwir doch seit Sokrates: Wer fragt, derführt.“brauchen keine Imagekampagnen, umuns als <strong>Arbeit</strong>geber interessant zu machen“,sagt LVM-Personalleiter GuidoHilchenbach. „Wir verfügen über einviel wirksameres Werbemittel: unsereMitarbeiter.“Text: Michael PrellbergFotos: Christian Schnur, picture-alliance/dpaCHECKLISTEWas kann ich tun,um die Vertrauenskulturzu stärken?Reden Sie miteinander: RichtenSie Gesprächsrunden ein,in denen hierarchieübergreifenddie gewünschten Werte vereinbartwerden – und Maßnahmen,um sie umzusetzen.Seien Sie Vorbild: Die Wertemüssen von der Geschäftsführungnicht nur unterstützt,sondern in der täglichen <strong>Arbeit</strong>gelebt werden. Die Vorbildfunktionist zentraler Erfolgshebel.Notieren Sie Eckpunkteschriftlich: Flankiert wird diesesVorgehen von einem Führungsleitbild,das direkte und offeneKommunikation auf allen Ebenenbetont.Machen Sie den Check-up:Überprüfen Sie die Unternehmensstruktur(Aufbau, Abläufe,Zuständigkeiten) und gleichenSie sie an die gewünschtenProzesse an.Schulen Sie Ihre Leute:Sowohl Führungskräfte wie dieBelegschaft müssen vertrautgemacht werden mit den neuenAbläufen – das neue Wertesystembildet sich dann von selbst(allerdings nie von heute aufmorgen).Definieren Sie Standards:Werte zeigen sich im Umgangmiteinander. Zentrale Fragensind dabei: Wie gehen wir mitMeetings um, wie mit Feedback?Pflegen Sie das offene Wort:Mediationsgespräche bei Konfliktenzeigen insbesondere inden ersten Monaten, in welcheRichtung sich das Unternehmenentwickeln soll – und wie ernstes den Beteiligten ist.FAKTOR-A.ARBEITSAGENTUR.DE89


FAKTOR A | STANDPUNKTFAKTOR A | STANDPUNKTFÜHRUNGSQUALITÄTGEMEINSAMESPITZEIn deutschen Unternehmen führen oftdie Falschen, weil die Anforderungenan die Manager unterschätzt werden.Das demotiviert Kollegen –und kostet Millionen.faktor-a.arbeitsagentur.de/themen/fuehrungsqualitaetPrimus inter Pares:Talent und Motivation sind Voraussetzungguter Führung. Nicht jederist da<strong>für</strong> geeignet – und nicht jederwill unbedingt führen.Führungsfragen bekommennicht die Beachtung, die sieverdienen. In der öffentlichenArena diskutieren wir nurselten und oberflächlich, wasgute Führung ist. Dabei kosten Führungsfehlerdie deutsche Wirtschaft in Summeweit mehr, als jede Anhebung der Lohnnebenkostendies je könnte. So dürfen wiruns nicht wundern, dass wir nicht nur keineneinheitlichen, sondern erst recht keineneindeutig positiv besetzten Führungsbegriffhaben. Dass Führung prinzipiellein breites Spektrum – von Beteiligungbis hin zu Gefolgschaft – umfasst, ist eineErklärung, aber keine Entschuldigung. InDeutschland führen oft die Falschen. SozialeKompetenz, Empathie oder die Fähigkeitzur Reflexion spielen kaum eine Rolle.Deshalb wollen wir im Folgenden einigePrämissen guter Führung benennen undso zu einer Verbesserung der Führungskulturbeitragen.1Gestalteteine zeitgemäßeFührungskulturEine Hochglanz-Broschüre allein reichtnicht. Führung braucht zuallererst eingemeinsames Verständnis, in dem dasbesondere Führungsideal eines Unternehmenstransparent wird. Bewährt habensich diesbezüglich sogenannte Führungsleitbilder.Die wichtigsten Führungswertesind dabei Vertrauen, Klarheit, Gleichberechtigung,Vielfalt sowie Innovation.Die Kunst besteht darin, die unternehmensspezifischenWerte und Leitsätze,die in der Regel im oberen Führungskreiserarbeitet wurden, durch stetige Präsenzund aktive Anwendung im Unternehmenzu verankern und damit in authentischesalltägliches Tun zu überführen.2Identifiziertdiejenigen, dieführen können und wollenTalent und Motivation sind entscheidend.Die Führungskultur ist aber nur das Bühnenbildund damit lediglich notwendigeVoraussetzung guter Führung. Entscheidendersind die Akteure. Deshalb kommtder Identifizierung der tatsächlichen Führungspotenzialträgererhebliche Bedeu-tung zu - das gilt <strong>für</strong> Konzerne wie <strong>für</strong>Mittelständler. Wichtig wäre hier, sowohlauf Talent als auch auf Motivation zu achten.Um sicher herauszufinden, wie beideausgeprägt sind, kommt es vor allem daraufan, geeignete eignungs- und potenzialdiagnostischeInstrumente einzusetzen.Dazu gehören Verhaltensbeobachtung, Interviewtechniken,psychometrische Testsund das Assessment Center. Dabei solltennur solide konstruierte Verfahren zumEinsatz kommen. Alles, was mit der Diagnosevon Persönlichkeit zu tun hat, sollteausschließlich durch erfahrene Fachleutedurchgeführt werden. Diese Investitionlohnt sich <strong>für</strong> Unternehmen jeder Größe.3Entwickelteure FührungskräftesystematischEin paar Kurse nebenbei sind zu wenig. DieRichtigen in eine Führungsverantwortungzu bringen, reicht aber nicht aus. Ebensonotwendig ist deren konsequente Entwicklung.Angesichts der immensen Bedeutungindividueller sozialer Kompetenzen <strong>für</strong>den Führungserfolg sollte hier eine Erweiterungdes Curriculums, möglicherweisesogar eine Akzentverschiebung weg vonden präferierten „Hard Skills“ zu notwendigen„Soft Skills“ erfolgen (siehe auchArtikel Seite 18). Erforderlich sind individuellangepasste Entwicklungskonzepte, indenen geeignete Ansätze und Instrumente(zum Beispiel Selbstlernen, Unterweisung,Coaching, Projektarbeit, Training) zu einerintegrierten Entwicklungsarchitekturverbunden werden (zum Beispiel in Formmaßgeschneiderter Management- Programme).Ganz wichtig ist in diesem Zusammenhangdas Bildungscontrolling: Wir müssenmessen, was eine Maßnahme tatsächlichgebracht hat.4Überprüftden FührungserfolgregelmäßigSchlechte Führung muss Konsequenzenhaben. Um die individuelle Entwicklungbedarfsorientiert gestalten zu können, isteine regelmäßige Evaluation der tatsächlichenFührungsleistung unerlässlich.Dies kann zum Beispiel durch jährlicheFührungsfeedbacks erfolgen, in denen dieMitarbeiter das Führungsverhalten ihresdirekten Vorgesetzten anhand klar definierterKriterien einschätzen. Generell gilt:Die Evaluationsergebnisse müssen Konsequenzenhaben. Gute Führung muss sichlohnen, zum Beispiel als eine notwendigeVoraussetzung <strong>für</strong> die weitere beruflicheEntwicklung. Schlechte Ergebnisse müssengeahndet werden: Wer die Leistungnicht bringt, muss entwickelt oder in eineandere Laufbahn versetzt werden. Undwer auf Dauer weder hier noch da Erfolgeverbuchen kann, muss konsequenterweiseaus dem Management, möglicherweise sogaraus dem Unternehmen ausscheiden.5Schafftechte Alternativenzur FührungslaufbahnManagement ist mehr als Führung. FachundProjektmanagementkompetenz müssenebenso gewürdigt werden. Um dieszu gewährleisten, müssen Unternehmenernsthaft und fundiert mögliche Alternativenzur Führungslaufbahn prüfen. Dazugehören heute klassischerweise Fach- undProjektlaufbahnen. Dabei sollte vor allemderen Gleichwertigkeit gesichert sein.Eine Karriere als Führungskraft darf nichtreputationsstärker oder finanziell lukrativerals ihre Alternativen sein. Dies lässtsich relativ einfach sicherstellen, indemman vergleichbare Positionen (wie zumBeispiel Abteilungsmanager, Fachmanagerund Projektmanager) schafft, die dannfolgerichtig auch vergleichbar eingestuftund vergütet und damit letztlich auch alsvergleichbar wahrgenommen werden.Bei der Verbesserung der Führungsqualitätsollte es unser Ziel sein, möglichstlinear voranzukommen. Deshalb sind wirdavon überzeugt, dass wir uns – wie beschrieben– vom Allgemeinen zum Besonderenbewegen müssen. Ein universellesVorgehensmodell kann es allerdings nichtgeben. Nur ein unternehmensindividuellesKonzept wird zum Erfolg führen.lllustration: Niklas BrinerFotos: Privat, BPMDIE AUTOREN„Es führen oftdie Falschen“Prof. Dr. Alexander Cisik istWirtschafts- und Sozialpsychologemit Praxiserfahrung: Er warPartner bei der GeWA, Gesellschaft<strong>für</strong> WirtschaftspsychologischeAnalysen und Beratung, und leitetedie Abteilung Personalentwicklungder 3M Deutschland GmbH inNeuss – Tätigkeitsschwerpunkt„Führungskräfte- und Nachwuchsführungskräfteentwicklung“.NachBerufsjahren als Director CorporateHuman Resources bei der SIGCombibloc-Gruppe gründete ercisikconsulting, eine Agentur <strong>für</strong>Personal- und Organisationsberatungin Düsseldorf. Seit 2000 ist erProfessor <strong>für</strong> Wirtschafts-, Organisations-und <strong>Arbeit</strong>spsychologie ander Hochschule Niederrhein. CisiksBefund nach vielen Berufsjahrenin der Branche: „Es führen oft dieFalschen.“Joachim Sauer ist Präsident desBundesverbands der Personalmanager.Er war Personalchef beiAirbus, bevor er zum französischenAutomobilzulieferer Faureciazurückkehrte. Dort hatte Sauerbereits zwischen 2002 und 2008gearbeitet. Zuvor war er Geschäftsführereiner Tochtergesellschaft derDeutschen Bahn. Das Branchenblatt„Personalmagazin“ hat ihn2013 zum sechsten Mal unter die40 führenden Köpfe des Personalwesensgewählt.1011


FAKTOR A | MACHERINNENFAKTOR A | MACHERINNENSPITZENFRAUENDie WortfreundinAls Englischlehrerin fand Barbara Jaeschke vor 30 Jahrenkeinen Job, heute leitet sie ihre eigene Sprachschule in Berlinund beschäftigt fast 300 Mitarbeiter. Ihre Stärke: Sie kann nicht nurmit vielen Menschen sprechen, sondern sie dabei auchvon ihren Werten und Ideen überzeugen.faktor-a.arbeitsagentur.de/macher/barbara-jaeschkeWIE GLS FUNKTIONIERTDie Vision zählt!Keine Angst, baden zu gehen: Mit hohem persönlichenEinsatz und Risiko renoviert BarbaraJaeschke das historische Stadtbad OderbergerStraße. Nicht nur die internationalen Gäste ihrerbenachbarten Sprachschule, sondern auchdie Berliner Anwohner dürfen hier künftig ihreBahnen ziehen. Außerdem will sie das wunderschöneGründerzeitgebäude als Veranstaltungszentrum,Hotel und Restaurant nutzen.Mit ihrem nachhaltigen Konzept schlug siewesentlich zahlungskräftigere Finanzinvestorenaus dem Feld.Etwas ratlos steht BarbaraJaeschke vor einer verschlossenenTür im Untergeschossdes Stadtbads OderbergerStraße. Wo geht es bloß zumSchwimmbecken? „Letzte Woche sahdas hier noch ganz anders aus“, sagt sieund zeigt auf frische Durchbrüche undabgesperrte Gänge. 1986 wurde die historischeBadeanstalt im Berliner BezirkPrenzlauer Berg wegen baulicher Mängelgeschlossen, jetzt wird das über 100 Jahrealte Gebäude endlich saniert. Und zwarso schnell, dass Barbara Jaeschke, die Eigentümerin,schon mal den Hausmeisternach dem Weg fragen muss.Die 58-jährige Unternehmerin hatdas Bad in der Oderberger Straße Ende2011 gekauft. Nebenan in der Kastanienalleebetreibt sie schon erfolgreich dieSprachschule GLS (Global Language Services).Was also will sie mit einer marodenSchwimmhalle?Jaeschke sieht nicht Putz und Mörtel,sondern die Idee hinter dem Kauf. Für sieist die Sanierung des Stadtbads naheliegend,unternehmerisch fast zwingend. Siewill expandieren, aber sie will es nicht umjeden Preis, nachhaltig soll es sein, werteorientiert.Schon jetzt führt sie Berlins einzigeSprachschule mit eigenem Campus. Verteiltauf fünf historische Schulgebäude rund umeinen gepflegten Garten finden sich moderneSeminar- und Tagungsräume, ein Hotelmit 50 Appartements, Restaurant, Cafeteria,Buchladen – und künftig eben auch noch einSchwimmbad aus der Gründerzeit. Schulgebäudeund angrenzendes Stadtbad stammenvom selben Architekten und bilden baulicheine Einheit. Das Schulgelände hat BarbaraJaeschke 2005 von der Stadt gekauft undohne einen Cent Fördergelder komplett saniert,jetzt also die Schwimmhalle. Im Wettbewerbmit anderen Sprachschulen, davon50 allein in Berlin, hat GLS mit seinemCampus ein Alleinstellungsmerkmal, indas die Unternehmensgründerin in denletzten Jahren viel Geld und Energie investierthat – weil es ihrer persönlichen Überzeugungvom Sprachenlernen entsprichtund auch bei den Kunden ankommt. Diemüssen allerdings bereit sein, <strong>für</strong> die GLS-Kurse deutlich mehr zu zahlen als etwa<strong>für</strong> vergleichbare Angebote der BerlinerVolkshochschulen.Rund 6.000 Kursteilnehmer pro Jahr,davon 80 Prozent aus dem Ausland, bringtBarbara Jaeschke in Berlin unter. Mit demOderberger Stadtbad will sie die Bettenlückeschließen und Platz <strong>für</strong> weiteresWachstum schaffen. Bis 2015 soll aus derehemaligen <strong>Arbeit</strong>er-Badeanstalt ein Hotelmit 75 Zimmern und Pool werden, sodasskünftig noch mehr GLS-Kunden direkt nebendem Klassenzimmer wohnen können.Über zehn Millionen Euro wird sie in ihrWunschprojekt investieren, bei einemJahresumsatz von 25 Millionen Euro keinunerhebliches Risiko <strong>für</strong> die persönlichhaftende Einzelunternehmerin.Den Kaufpreis darf sie offiziell nichtverraten, fest steht jedoch, dass andereInteressenten ein Vielfaches geboten ha-Barbara Jaeschke (Jahrgang 1955)gehört, wie sie selbst sagt, zur„Generation der arbeitslosen Lehrer“.In Heidelberg und Göttingenstudierte sie Anglistik und Slawistikauf Lehramt, fand danach aberkeine passende Stelle. Statt Taxi zufahren, organisierte sie auf eigeneFaust Schülersprachreisen und entdecktedabei, wie stark das Lernenim Ausland motiviert. 1983 gründetesie im heimischen WohnzimmerGLS – ursprünglich als GöttingerLanguage School. Mit dem Umzugnach Berlin wurde daraus fünf Jahrespäter Global Language Services.Jaeschkes Geschäftsmodellsteht heute auf drei Beinen:GLS Sprachreisen vermitteltjährlich rund 5.000 lernwilligeDeutsche an Sprachschulen insAusland. Neben Schülern undStudenten nutzen heute auchBerufstätige und Senioren das umfangreicheAngebot. Auf dem GLS-Campus in Berlin bieten dagegenrund 200 Dozenten Einzel- oder Firmenkursein fast jeder gewünschtenFremdsprache an, außerdemlernen hier rund 6.000 internationaleSprachschüler pro JahrDeutsch. Für zusätzliche Einnahmenund <strong>für</strong> mehr Leben auf demCampus sorgen ein eigenes Hotel,ein Restaurant und ein Buchladen,außerdem vermietet Jaeschke ihreRäumlichkeiten <strong>für</strong> Firmenveranstaltungenund private Feiern.Heute ist sie froh, Unternehmerinzu sein und nicht Lehrerin. Über dieschlechte <strong>Arbeit</strong>smarktlage vor 30Jahren sagt sie rückblickend: „Daswar das Beste, was mir passierenkonnte. Ich war gezwungen, michumzusehen.“1213


FAKTOR A | MACHERINNENFAKTOR A | MACHERINNENben. Dass trotz klammer Kassen am Endenicht der dickste Scheck, sondern die lokaleMittelständlerin den Zuschlag vonDenkmalschützern und Bezirksregierungbekam, hat nicht zuletzt mit persönlichenWerten zu tun.Wer sich von Barbara Jaeschke über dieBaustelle führen lässt, merkt schnell, dasshier keine Turbo-Kapitalistin am Werkeist, sondern eine standortverbundene Unternehmerinvoller Herzblut. Mit elegantemEtuikleid, Seidenschal und Pumps gekleidet,führt Jaeschke über die Baustelle,fremd wirkt sie trotzdem nicht. Sie erzählt,Völkerverständigung:Eine Sprache perfektzu beherrschen findetBarbara Jaeschke garnicht so wichtig, sie zulernen aber schon –als Geste des Respektsund der Anerkennung<strong>für</strong> den Gastgeber.„ALS CHEFIN DARF MAN NICHTNUR ARBEIT DELEGIEREN,SONDERN MUSS AUCH VERANT-WORTUNG ABGEBEN.“Bloß nicht abschotten:Im lebendigen SzeneviertelPrenzlauerBerg sieht BarbaraJaeschke das idealeUmfeld <strong>für</strong> interkulturelleBegegnungen.wie sie GLS auf Nachhaltigkeit trimmt. Einumweltfreundliches Blockheizkraftwerksoll künftig <strong>für</strong> mehr Energieeffizienz sorgen.Baulich möchte sie möglichst viel vonder historischen Substanz erhalten.Das ist Jaeschkes unternehmerischesDenken: Wachsen, aber im Einklang mitder natürlichen und sozialen Umwelt, etwamit den Anwohnern. Die dürfen künftigauch in ihrem Schwimmbad ihre Bahnenziehen. Nicht schnelles Umsatzwachstumoder die Aussicht auf leicht verdiente Spekulationsgewinnetreiben sie an, sondernder Wunsch nach einer lebendigen Begegnungsstätte<strong>für</strong> den interkulturellen Austausch.„Sprachen lernt man nicht <strong>für</strong> denLehrer und auch nicht allein aus dem Lehrbuch“,sagt die Gymnasiallehrerin. Seit sieals junge Kursleiterin erlebt hat, wie selbstmäßige Schüler beim Feriensprachkursplötzlich aufblühten, setzt sie auf Begegnungund Kommunikation. Die Kundenmerken das. Ebay, Siemens oder Vattenfallzählen inzwischen zu den Auftraggebern,ebenso wie viele kleinere Unternehmenmit internationalem Geschäft - und fremdsprachigemKommunikationsbedarf.Jaeschkes Konzept ist eigentlich simpel:Hotel, Schwimmbad und Restaurant imStadtbad wird GLS in Eigenregie betreiben– genau wie sämtliche Einrichtungen aufdem Campus in der Kastanienallee. Mit eigenenMitarbeitern lässt sich ihr Verständnisvon Service und Qualität besser durchsetzen,ist die Chefin überzeugt. Ihr istwichtig, dass alle sich als Teil des Ganzenbegreifen: Ein potenzieller Neukunde, derzum Mittagessen in „Die Schule“ kommt,kann sich im Hausrestaurant zum Beispielauch über Sprachkurse informieren odernach Zimmerpreisen fragen – und umgekehrt.Offene, reibungslose Kommunikationist Barbara Jaeschke auch intern ein wichtigesAnliegen, denn seit der Gründung vor30 Jahren ist GLS stark gewachsen.Ihre ersten drei Mitarbeiter kannteJaeschke persönlich. „Die wusstengenau, wie ich ticke“, sagt sie. Heutebeschäftigt sie 85 feste Mitarbeiterund knapp 200 Honorarkräfte.„Von denen kann ich nicht erwarten, dasssie meine Gedanken lesen“, gibt sie zu verstehen.Als wachsendes Unternehmen müsseman bereit sein, Strukturen einzuführenund funktionierende Kommunikationswegezu etablieren. Als Geschäftsführerin derGLS ist sie inzwischen vor allem <strong>für</strong> Marketingund Akquise zuständig und viel aufReisen. Wenn sie nicht unterwegs ist, stehtihre Bürotür <strong>für</strong> die Mitarbeiter stets offen,ein Vorzimmer oder eine Sekretärin gibt esnicht. Ohnehin ist die kommunikative Chefin,die auf dem Campus viele Gäste empfängt,im ganzen Haus unterwegs und sammeltdabei auch selbst Papier vom Bodenauf oder füllt den Prospektständer nach.Ein Kontrollfreak ist Barbara Jaeschkeallerdings nicht: „Als Chefin darf mannicht nur <strong>Arbeit</strong> delegieren, sondern mussauch Verantwortung abgeben.“ Ihren Mitarbeiternlässt sie Freiraum <strong>für</strong> eigeneEntscheidungen. Schul- und Abteilungsleiterinnenwählen ihre neuen Mitarbeiterselbstständig aus. Von allen wird erwartet,durch eigene Ideen die Unternehmensentwicklungweiter voranzutreiben. Werins Team kommt, hat gute Chancen, sichmit der wachsenden Firma weiterzuentwickeln.Neueinstellungen erfolgen überwiegendauf den unteren Ebenen, Führungspositionenwerden dagegen aus deneigenen Reihen besetzt.Angesichts einer Frauenquote vonfast 90 Prozent gibt es im GLS-Team natürlichauch reichlich Nachwuchs. BarbaraJaeschke, selbst dreifache Mutter,trägt es mit Fassung: „Kinder reifen miteiner berufstätigen Mutter“, sagt sie undrät Frauen davon ab, vorschnell auf Berufoder Familie zu verzichten. Weil die verschiedenenGeschäftsbereiche starkensaisonalen Schwankungen unterworfensind, gibt es umgekehrt auch stets guteMöglichkeiten, <strong>Arbeit</strong>szeiten flexibel zugestalten und Zeitpolster <strong>für</strong> längere Auszeitenzu sammeln. Die kann man <strong>für</strong> dieFamilie nutzen, aber auch <strong>für</strong> eine Weiterbildung.Sprachkurse und Sprachreisendürfen die eigenen Mitarbeiter gratis oderzum Selbstkostenpreis absolvieren. Aberauch IT- oder Managementkurse werdengesponsert.Vielleicht wäre Barbara Jaeschke aucheine gute Pädagogin geworden. Stattdessengründete die Lehrerin, die keinen Jobfand, ihre Schule einfach selbst. Großesentsteht eben mitunter aus der Ablehnung:Im Juni kam Barbara Jaeschke beider Wahl zur „Berliner Unternehmerin desJahres 2012/13“ auf den zweiten Platz.Text: Kirstin von ElmFotos: Julia Baier1415


FAKTOR A | WIDERWORTEFAKTOR A | WIDERWORTEFAKTOR A ONLINEStimmen Sie ab!Machen Kleider Leute?Der eine setzt auf den Geschmack seiner Mitarbeiter. „Natürlich muss guter Kleidungsstilgeübt werden“, sagt er. Der andere findet, dass eine schriftliche Regelung <strong>für</strong> alle Beteiligten die besteLösung ist: „Manchen Mitarbeitern fällt es schwer, bei der Garderobe die richtige Wahl zu treffen.Klare Vorgaben helfen.“Herr Eckhardt, Ihre Sparkasse hat zuJahresbeginn eine feste Kleiderordnungeingeführt, die zum 31. 12. <strong>für</strong>alle Mitarbeiter verbindlich wird. Warum?ECKHARDT: Wenn ein Kunde eine unsererFilialen betritt, soll er sofort Orientierungbekommen: Wer ist Bankmitarbeiter, wenkann ich ansprechen. Die Kleidung unsererMitarbeiter hat dabei eine wichtige Funktion.Die Menschen erwarten, dass ein Kundenbetreuereinen Anzug trägt und eine Krawatte,eine Beraterin sollte ein Businesskostüm tragen,egal ob Rock oder Hose.NEUKIRCH: Natürlich gibt es in jeder Firmaeinen Dresscode. Wenn ein Kunde aufseine Bank stolz ist und ihr vertraut, möchteer oder sie auf gut gekleidete Berater treffen,das ist ganz klar. Die Frage ist aber: Muss soein Dresscode vorgegeben werden oder wirder durch eine Entwicklung festgelegt, die dieMitarbeiter selbst beeinflussen.ECKHARDT versus NEUKIRCHfaktor-a.arbeitsagentur.de/widerworteECKHARDT: Das hat bei uns nicht funktioniert.Deshalb haben wir vor Jahren schoneine Liste mit den „Don´ts“ aufgestellt – aberauch die war im Alltag nicht ausreichend.Bei den Männern haben sich Anzüge, Hemdenund Krawatten gut durchgesetzt, aberbei der Garderobe unserer Mitarbeiterinnengab es naturgemäß mehr Interpretationsspielraum,der von den Damen unterschiedlichgenutzt wurde.Haben Sie Beispiele?ECKHARDT: Wir haben etwa die Vorgabegemacht, dass unsere Mitarbeiter keineJeans tragen sollen. Aber was ist mit Leinenhosen?Gerade im Hochsommer istes ein schmaler Grat zwischen Freizeitlookund tatsächlicher Businesskleidung.Da helfen einfach klare Vorgaben. Wennsich einmal eine gewisse „Laxheit“ in dieKleiderordnung eingeschlichen hat, ist esschwer, ein einheitliches Erscheinungsbildzu gewährleisten.NEUKIRCH: Das sehen wir pragmatischer:Warum soll ein Mitarbeiter ohne Kundenkontaktbei 30 Grad und Sonnenschein mitSchweiß auf der Stirn in seinem dunkelblauenAnzug im Büro sitzen?ECKHARDT: Das erwarten wir auch nicht.Er kann sein Sakko ausziehen und die Ärmelhochkrempeln oder von mir aus unterdem Anzug ein kurzärmeliges Hemd tragen.Aber auf dem Weg zur <strong>Arbeit</strong> oder wenn erin die Schalterhalle muss, sollte auch einBüromitarbeiter angemessen gekleidet sein.Unsere Mitarbeiter repräsentieren auch außerhalbihres Büros die Sparkasse und transportierenein Image.ANDREAS NEUKIRCH, 54, ist seit 2002 Vorstandsmitgliedder GLS Bank Bochum und unteranderem zuständig <strong>für</strong> die Mitarbeiterentwicklung.Die GLS Bank ist ein genossenschaftlich organisiertesUnternehmen und wurde 1974 als erstesozial-ökologische Universalbank gegründet. Derzeitbeschäftigt die Bank rund 400 Mitarbeiter amHauptsitz in Bochum sowie in den sieben Filialen.Herr Neukirch, warum, glauben Sie,funktioniert bei Ihnen die Ordnungohne Zwang?NEUKIRCH: Kleidung ist immer ein Spannungsfeldzwischen eigenem Geschmack,Erwartungen der anderen und einer Vorstellung,wie man sich darstellen möchte. Wirerwarten von unseren Mitarbeitern, dass siesich situativ anpassen können: Im Büro gehörtdazu heute der Anzug oder das Kostüm.Wenn einer unserer Berater zum Beispiel einenBiobauern auf seinem Hof besucht, kannes auch angemessen sein, ihn in Cordhose,Hemd und Wachsjacke zu besuchen. Wirtrauen den Mitarbeitern zu, dass sie solcheSituationen gut einschätzen können. Aber esmuss geübt werden.ECKHARDT: Dass guter Stil geübt werdenmuss, ist auch unsere Erfahrung. Deshalbhaben wir die Kleiderordnung auch nichteinfach „erlassen“, sondern unsere Mitarbeitereingebunden. Es gab Schulungen zumThema Mode und wir haben Großbestellungenorganisiert. Was nützt eine Kleiderordnung,wenn ein Anzug schlecht geschnittenist oder Farben und Muster unglücklichkombiniert werden? Es gibt Leute, die sichintuitiv gut kleiden, manchen fällt es schwerer.Unsere Regeln geben Orientierung, dierichtige Garderobe zu wählen.NEUKIRCH: Diese Orientierung gebenwir, indem wir als Vorgesetzte den Stilvorleben. Unser Institut ist als Bank <strong>für</strong>sozial-ökologische Geldanlagen seit denSiebziger- und Achtzigerjahren eher unkonventionell.Das hat sich sicher auch inder Kleidung unserer Mitarbeiter gezeigt.Aber die Zeiten ändern sich und die ThemenEthik, Ökologie und NachhaltigkeitAnzug und Krawatte <strong>für</strong> die Herren, Kostümund Bluse <strong>für</strong> die Damen - sollte dasPflicht oder jedem <strong>Arbeit</strong>nehmer selbstüberlassen sein?Hier können Siedarüber abstimmen:www.faktor-a.arbeitsagentur.de/widerwortesind längst in der Breite der Gesellschaftangekommen. So, wie Joschka Fischerseinen Stil von der Vereidigung als hessischerLandesminister in Turnschuhenbis zur Vereidigung als Außenminister imdreiteiligen Anzug verändert hat, ist auchunser Vorstand irgendwann immer mitAnzug und Krawatte ins Büro gekommen.Die Belegschaft nimmt das wahr.Ganz ohne Druck von außen?NEUKIRCH: Nein, auch bei uns gab esMitarbeiter, die kein gutes Gefühl <strong>für</strong> Kleidunghaben. In solchen Fällen sprechen dieMenschen im Umfeld ihn oder sie daraufan, punktuell müssen auch Vorgesetzte denDialog suchen. Aber soweit ich es erinnere,haben wir seit Jahren wegen der Kleidungeigentlich keine Gespräche mehr führenmüssen.ECKHARDT: Unsere Mitarbeiter sind in derMehrheit froh, dass es jetzt klare Regeln gibt.Zumal die Vorgaben genügend Freiraum zurindividuellen Entfaltung lassen: Männernsind nur Anzug, Hemd, geschlossene Businessschuheund Krawatte vorgeschrieben,Frauen Kostüm oder Hosenanzug, ein schulterbedeckendesOberteil aus Blusenstoff undStrümpfe, falls sie einen Rock tragen.PETER ECKHARDT, 57, ist seit 1998 Vorstandsvorsitzenderder Sparkasse Emsdetten, seit 2003steht er an der Spitze der Verbund-SparkasseEmsdetten Ochtrup. Das öffentlich-rechtlicheGeldhaus beschäftigt derzeit rund 220 Mitarbeiterin acht Niederlassungen im westfälischen Emsland.Die Verbund-Sparkasse entstand 2002 auseiner Fusion der beiden Stadtsparkassen Ochtrupund Emsdetten.Legen Sie wert auf einheitliche Erkennungsmerkmalewie Firmenkrawattenoder Halstücher?NEUKIRCH: Wenn es darum geht, dieMitarbeiter unseres Hauses schnell zu erkennen– an Messeständen etwa oder beiStraßenfesten –, dann sind solche Erkennungszeichensicher eine gute Wahl. Wirstatten unsere Mitarbeiter mit grünen Krawattenund die Mitarbeiterinnen mit grünenHalstüchern aus. In der Bank müssen sieallerdings nicht getragen werden.ECKHARDT: Erfolgreiche Firmen wie Applesetzen darauf, dass ihre Mitarbeiter vom Kundensofort erkannt werden. Dort sind es blaueT-Shirts mit dem Apfel-Logo, wir statten unsereMitarbeiter ebenfalls mit Krawatten undHalstüchern aus. Im Gegensatz zu Herrn Neukircherwarten wir von unseren Mitarbeitern,dass sie sie während ihrer <strong>Arbeit</strong>szeit tragen.Schalterhallen sind heute längst nicht mehrso klar gegliedert wie noch vor 20 Jahren, siesind offener. Der Kunde soll auf den erstenBlick erkennen, wer sein Ansprechpartner ist.Eine Krawatte oder ein Halstuch ist deshalbmehr als nur ein Accessoire.Text: Matthias ThieleFotos: Tillmann Franzen1617


FAKTOR A | WISSENSVORSPRUNGFAKTOR A | WISSENSVORSPRUNGSOFT SKILLSHöchst persönlichSoft Skills sind auf dem <strong>Arbeit</strong>smarkt mindestens genauso wichtigwie reine Fachkompetenz. Im Berufsleben scheitern sogar Hochqualifizierte,wenn sie nicht lernen, auf ihr Gegenüber einzugehen.faktor-a.arbeitsagentur.de/wissenMANAGER MIT GRÜNEM DAUMENEine Belegschaft ist wie ein Ziergarten: Siebraucht Pflege, der Wildwuchs muss eingedämmtwerden, ohne Dünger geht es nicht. Deswegenbrauchen Führungskräfte Soft Skills, umihr Unternehmen zum Blühen zu bringen. Werungern zusammenarbeitet und seine Mitarbeitereher als Gegner, denn als Verbündete betrachtet,der hat es schwer in der modernen <strong>Arbeit</strong>swelt.Erfolg heißt heute: zuhören, kommunizieren,organisieren, motivieren, analytisch denken -und sich am Ende trotzdem durchsetzen. Sokann jedes Unternehmen erfolgreich wachsenund gedeihen.Am Schlimmsten ist es,wenn er jemandem kündigenmuss, wenn <strong>für</strong>diesen Angestellten eineWelt zusammenbrichtund er das in seinen Augen ablesen kann.Gero Decker kann dann drei Nächte langnicht schlafen. „Wie schaffe ich es, dasser nicht vollständig die Hoffnung in seineberufliche Zukunft verliert?“, fragt sich derUnternehmer.Was der Informatiker aus seinemBerufsalltag erzählt, könnte man als Königsdisziplinim Bereich Soft Skills bezeichnen.Der 31-Jährige leitet das BerlinerSoftware-Unternehmen Signavio,seine Firma expandiert, doch ohne dasrichtige Maß an Soft Skills, weiß Decker,wäre er heute nicht so erfolgreich. Schonwährend des Studiums wurde ihm dasklar. Am Hasso-Plattner-Institut (HPI)in Potsdam lernte er in Seminaren, wiewichtig es ist, im Geschäftsleben aufsein Gegenüber einzugehen. „Aber aufKündigungen kann kein noch so gutesSeminar vorbereiten“, sagt Decker, „daserfordert ein Gespür <strong>für</strong> Menschen, dassich manchmal erst im Laufe des <strong>Arbeit</strong>slebensentwickelt. Oder einfach nie.“Soft Skills, die weichen Fähigkeitenoder sozialen Kompetenzen, sind im Berufslebengefragter denn je. Dahinter verbirgtsich das Potenzial einer Person, mitMenschen und deren Handlungsweisen,aber auch gut mit sich selbst umzugehen.In Personalgesprächen können Bewerberheute nur bestehen, wenn sie überihre eigenen emotionalen Fähigkeitennachdenken und sich ihrer Stärken undSchwächen bewusst sind. Heute arbeitenUnternehmen in flacheren Hierarchienund teamorientierter zusammen. Ideenvon Mitarbeitern aus allen Ebenen des Unternehmensliefern wichtige Impulse, dieeine Firma auf den globalen Märkten weitvoranbringen können. Strenge Hierarchiengelten als überholt. Studien belegen, dassder Erfolg im <strong>Arbeit</strong>sleben zu 50 Prozentauf Fachkompetenz basiert – die andereHälfte jedoch auf Soft Skills wie Kommunikations-und Teamfähigkeit. Doch welcheCharaktereigenschaften braucht mankonkret, um möglichst gut in einem Teamzusammenzuarbeiten?„Der richtige Einsatz von Soft Skills erfordertviel Empathie“, erklärt der PsychologeJürgen Hesse. In seinem Karriereberatungsbürobietet er Seminare <strong>für</strong> Bewerberund <strong>Arbeit</strong>nehmer aller Hierarchiestufenan. Er hat mit einem Kollegen über hundertKarriereratgeber geschrieben. „Wennich mich in andere hineinversetzen kann,reagiere ich besser auf Widerstände imTeam, kann bessere Mannschaften zusammenstellen,bin offener <strong>für</strong> neue Ideen undImpulse.“ Doch zur Empathiefähigkeit gehörees zunächst, sich selbst zu verstehen.In der Pubertät geschehe die erste größereAuseinandersetzung und Abgrenzung vonEltern oder Freunden. „Wer bin ich? Wiereagiert meine Umwelt auf mich? Was bewirkeich mit meinem Verhalten? Mit diesenFragen setzen wir uns von frühesterJugend an auseinander. Sie schulen unserSozialverhalten“, sagt der Karrierecoach.Zum Teil seien mangelnde Soft Skills auchUrsache einer mangelhaften Erziehung, einer,die weniger auf Austausch und Korrekturbasiere als auf Ignoranz. „Es gibt auchautistische Charaktere im Berufsleben, Personen,die zwar begabt sind, im Unternehmenihren Platz gefunden haben, sich abernicht in andere hineinversetzen können“,erklärt Hesse. „Diese Personen werden esnur in sehr speziellen Branchen weit bringen– wenn etwa ein Hedgefonds um einenverschrobenen Zahlen-Nerd buhlt.“1819


FAKTOR-A.ARBEITSAGENTUR.DEFAKTOR A | WISSENSVORSPRUNGFAKTOR A | WISSENSVORSPRUNGINFOSoft Skills <strong>für</strong>den Alltag1. KommunikationsfähigkeitHeißt: Botschaften klar formulieren– aber auch die anderer besserinterpretieren. Dazu muss man gutzuhören können und Mimik, Gestikund Körperhaltung entschlüsseln.2. TeamorientierungWer ungern Lösungen im Teamentwickelt, hat es schwer in dermodernen <strong>Arbeit</strong>swelt. Denk- und<strong>Arbeit</strong>sweise müssen dem Teamgeistuntergeordnet werden.3. OrganisationsfähigkeitTermine und <strong>Arbeit</strong>sabläufe soorganisieren, dass die <strong>Arbeit</strong>skraftoptimal zum Einsatz kommt.Erfolgreichen Führungskräftengelingt, die besten Ergebnisse inder kürzesten Zeit zu erzielen.4. MotivationsfähigkeitDie Basis, um menschlichesHandeln in Gang zu setzen. Bei sichselbst, aber auch bei anderen.5. Analytisches DenkenHeißt: Zusammenhänge erkennenund strukturieren. Und: sie richtiginterpretieren. Einstellungstests arbeitenoft mit Textanalyseaufgaben.6. FlexibilitätWer Technologien und Märktebeobachtet, kann sein Unternehmenund seine Mitarbeiter an dieaktuellen Anforderungen anpassen.7. Durchsetzungsvermögen:Bei Konflikten stecken Führungskräftenicht zurück. Sonst wird dasTeam zum ewigen Debattier-Club.8. Emotionale IntelligenzIntuitives Geschick mit Kollegen.Wer zuhört, Impulse und Widerständerespektiert, wird Output ernten.Quelle: Jürgen Hesse, Büro <strong>für</strong>BerufsstrategieViele Hochschulen haben schon vorJahren auf die wachsende Bedeutung vonSoft Skills reagiert. Unter anderem amHPI stehen im Studienfach IT-Systems-EngineeringSeminare und Vorlesungen zumThema im Lehrplan. „Früher wurde diekommunikative Kompetenz von Informatikerngelegentlich in Zweifel gezogen“,sagt Institutssprecher Hans-JoachimAllgaier, „sie galtenweder als rhetorisch starknoch besonders teamfähig.Manchmal wurde kritisiert,dass sie ihre <strong>Arbeit</strong> nicht genügendverständlich erklärenund dokumentieren könnten.“Das habe sich unter anderem durchdie immer weiter gefächerten Einsatzgebietevon Informatikern geändert.Wie kann ich als Fachmann miteinem Kunden verständlich kommunizieren?Wie gehe ich auf seineindividuellen Bedürfnisse ein? Wiearbeite ich bei der Softwareentwicklungpermanent und engmit ihm zusammen? Aufsolche Fragen gehe manin der Ausbildung derNachwuchsinformatikervon Anfang anein. Neben Auftrittenvon Prominentenwie Joachim Gauck oderGünther Jauch, die am HPIschon über Erfolgsstrategienund Teamwork berichteten,bot das Institut auchschon Kolloquien zum ThemaBusiness-Etikette, Motivationund Gedächtnistraining an. Esging sogar schon um „Flirttechniken“– um Erkenntnisse aus dem Privatlebenauf die Erzeugung von Sympathiezwischen Geschäftspartnern zu übertragen.Dennoch realisieren längst nichtalle potenziellen <strong>Arbeit</strong>nehmer dieWichtigkeit einer Fähigkeit, die sichin der Theorie kaum beibringen lässt.Ausgerechnet angehende Führungskräfteunterschätzen Soft Skills – unddie aktuelle Nachfragesituation aufdem <strong>Arbeit</strong>smarkt scheint sie darin zubestärken: Denn laut einer Studie derManagementberatung Kienbaum ConsultantsInternational buhlen Unternehmenheute geradezu um die sogenannten „HighPotentials“. Durch den wachsenden FachundFührungskräftemangel haben überdurchschnittlichqualifizierte Absolventenund Berufseinsteiger ausgezeichneteKarriereaussichten. Der steigende Bedarfan den Hochqualifizierten macht sich sowohlin Deutschland als auch in Österreichund der Schweiz bemerkbar: 74 Prozentder deutschen, 87 Prozent der österreichischenund 67 Prozent der schweizerischenUnternehmen planen, im kommenden Jahrbis zu 15 High Potentials einzustellen. Besondersin den Fachrichtungen Forschungund Entwicklung und IT sowie in derProduktion fällt es Unternehmen derzeitschwer, Fachkräfte zu rekrutieren. Dochselbst die begehrten Hochqualifiziertenscheitern in diesen „fetten Jahren“ anweit unterschätzten Hürden. Denn wennein deutscher High Potential versagt, liegtdas laut Studie in 94 Prozent der Fälle anseiner Selbstüberschätzung und zu 89Prozent an der mangelnden Fähigkeit zurSelbstkritik. Letztendlich reicht ein guterAbschluss allein also doch nicht aus, um<strong>Arbeit</strong>geber von sich zu überzeugen. DiePersönlichkeit muss stimmen. Der Anwärtermuss das ganze System des Unternehmensverstehen.Doch je höher die Position, desto wenigerkommt es auf Fachkompetenz an. EinManager muss nicht zwingend Ahnungvon Architektur haben, wenn er den Baueines Flughafens leitet; ein Politiker nichtunbedingt medizinisches Fachwissen mitbringen,um Gesundheitsminister zu werden.„Inszenieren und Beeindrucken istwichtiger“, sagt Jürgen Hesse. Lehrreichsei es <strong>für</strong> diese Führungskräfte, wenn sieauch mal in den unteren Etagen mitarbeiteten.Wenn ein Hotelmanager etwa dieBetten mache oder in der Küche helfenwürde. „Wenn er sich dem verweigert,macht er heutzutage eine schlechte Figur.“Der IT-Jungunternehmer Gero Deckerhat einige Jahre gebraucht, um ein gutespsychologisches Gespür <strong>für</strong> sein Team zuentwickeln. Anfangs stellte er nur hochqualifizierte Mitarbeiter ein: „Ich wolltenur die Besten, ein Team aus Rockstars,das die Firma schnell nach oben bringt“,erzählt Decker, „nur habe ich nicht damitgerechnet, dass sich dann niemand mehr<strong>für</strong> Jobs verantwortlich fühlt, die wenigerattraktiv sind, aber im Alltagsgeschäft erledigtwerden müssen. Jeder wollte immernur kreativ sein.“ Decker suchte sich daraufhinMitarbeiter mit verschiedenenFähigkeiten zusammen, Charaktere,die sich möglichst gut ergänzen. Seitdemwächst sein Unternehmen von Jahrzu Jahr. Mittlerweile hat erDependancen in den USAund Asien gegründet.Das Thema Soft Skillsist in seinen Firmen ständigpräsent. Manchmal stoßenauch seine Mitarbeiter anihre Grenzen, etwa bei Geschäftsessenmit Kollegen ausverschiedenen Nationen. „Manschwärmt nicht vom bevorstehendenWeihnachtsfest, wenn hauptsächlichMuslime am Tischsitzen“, sagtDecker, „daswird einemsehr negativangerechnet.“Es erforderekulturelles Feingefühl,das man nichtbei jedem voraussetzenkann. Interkulturelle Kompetenzist im heutigen Berufslebeneine der Schlüsselqualifikationen,dieBewerber mitbringen müssen.<strong>Arbeit</strong>geber achten etwa besondersdarauf, dass ein Jobanwärter mehrereFremdsprachen beherrscht – obwohl diesegrößtenteils nicht einmal zum Einsatzkommen. „Sprachkompetenz ist nichtgefragt, weildie Welt internationalerwird“,erklärt KarrierecoachHesse, „sondern weiljemand damit zeigt, wieweltoffen er ist. Er hat sichbeim Schüleraustausch oder alsAu-pair mit einem Land und einerSprache auseinandergesetztund zeigt damit, dasser sich in eine an-dere Kultur, in andere Menschen einfühlenkann“.Viele Schwierigkeiten im <strong>Arbeit</strong>salltaglassen sich <strong>für</strong> Gero Decker heute mit einfachemMenschenverstand lösen. Auchdas Feingefühl <strong>für</strong> andere Nationalitätenwächst mit jedem neuenGeschäftstermin, genauso wiedie Fähigkeit, auf die Lebensweltenund Bedürfnisse seinerKollegen einzugehen. „Aber jemandemzu kündigen und ihm gleichzeitigdie Zukunft nicht zu verbauen,ist immer nocheine der größten Herausforderungen“,sagt der Jungunternehmer.„Ein knallharter Rausschmisskommt im Team nichtgut an – aber vor allem will ichmich selbst am nächsten Tag nochim Spiegel ansehen können.“Text: Esther WerderinghausFAKTOR A ONLINEFührungsalltagFotos: Gio Löwe, BMW GroupIllustrationen: NiklasBrinerDie Führungsherausforderungen, dieauf Personalverantwortliche zukommen,erfordern verschiedene Kompetenzen: DieVertriebsmanager brauchen eine andereAnsprache als die Werksarbeiter, in der Kantinewird ein anderer Ton angeschlagen alsbeim Geschäftsessen. Wie Sie immer denrichtigen Ton treffen, verrät diese interaktiveGrafik: faktor-a.arbeitsagentur.de/themen/softskillsLERNEN VON DEN GROSSENSoft Skills bei BMW„Natürlich braucht man Leidenschaft<strong>für</strong> Autos und ein technischesVerständnis <strong>für</strong> unsere Produkte.Aber wir erwarten auch, dassBewerber – egal ob im Bereich Forschungund Entwicklung oder einemanderen Unternehmensbereichwie dem Personalwesen – im Teamarbeiten können. Das sind SoftSkills, die man nicht anhand derBewerbungsunterlagen erkennenkann. Anhand von Auslandserfahrungen,Hobbys, ehrenamtlichemEngagement oder sogar einer gutbegründeten Auszeit sieht mannur Ansätze, aber erst im persönlichenGespräch oder Assessmentkönnen wir einen Kandidaten sicherbeurteilen.In Gruppenübungen zeigen siedann, wie sie sich in ein Themaeinarbeiten, wie sie untereinanderAufgaben verteilen, eher sich oderdie Aufgabe in den Mittelpunktstellen, andere Teilnehmer ausredenlassen oder Rücksicht auf Ruhigerenehmen. Dann kann man immernoch nicht wissen, wie sich ein Bewerberim realen Kontakt etwa miteinem asiatischen Geschäftspartnerverhalten würde, man erkennt aber,ob die Person eine Fähigkeit zurEmpathie oder kulturelles Feingefühlhat. Soft Skills und Fachkenntnissemüssen sich bei uns die Waagehalten. Wenn die Persönlichkeitnicht stimmt, passt der Kandidatnicht ins Unternehmen. Jemand, dersich zu oft in den Mittelpunkt drängtund dessen Vorschläge dabei nichtunbedingt konstruktiv sind, verliertim Gegensatz zu jemandem, derfachlich noch nicht so weit ist – dessenPersönlichkeit aber stimmt.“Katrin Schröder arbeitet als Recruiterinbei der BMW AG in München.2021


FAKTOR A | HAUSBESUCHFAKTOR A | HAUSBESUCHUNTERNEHMER IN DER NISCHEMeister-RöstungUlrich Carroux suchte vergeblich nach der idealen Espresso-Mischung <strong>für</strong> seine Pizzeria.„Schmeckt alles nicht“, befand er – und kaufte kurzerhand eine Röstmaschine.Die Pizzeria ist Geschichte, Carroux-Kaffee längst ein Erfolgsunternehmen. Personalmanagement,Marketing und Akquise lernte der Gründer nebenbei. Die Geschichte einer Nischeneroberung.faktor-a.arbeitsagentur.de/macher/ulrich-carrouxDarboven, Segafredo, Illy. Also: Carroux.Die ersten Jahre waren hart. Er hattezwar bereits einige Kunden in der Gastronomie,aber es ging nicht so richtig weiter.Marketing, Netzwerken, Akquise: Das unternehmerischeEinmaleins musste Carrouxerst lernen.Erste Lektion: Carroux brauchte einenLaden – und Mitarbeiter, die seineIdeen verstehen und umsetzen. Also geht„WENN MICH JEMANDCHEF NENNT –DAS GEHT GAR NICHT.“„ICH HABE VOR ALLEM AUFMEINEN EIGENENGESCHMACK VERTRAUT.“ULRICH CARROUXIm Inneren des Cafés faucht undrattert es. Hin und wieder steigenkleine Dampfwolken auf. DieGäste stört das nicht. Die meistenvon ihnen sind Stammkundenund daran gewöhnt, dass Ulrich Carroux,45, in seinem Ladengeschäft im HamburgerElbvorort Blankenese zweimal in derWoche die Röstmaschine anwirft. Manchekommen nur deswegen.Am Anfang erinnern die rohen Kaffeebohnenan Erdnüsse. „Nach dem Röstenwerden sie doppelt so groß sein“, sagt Carrouxund zieht einen Kaffeesack über diehellen Holzdielen seines Ladens. Dann misster zwölf Kilogramm ab und füllt die Portionin den Trichter der Röstmaschine. Erst wenndie Anzeige auf 190 bis 200 Grad steigt,kann Carroux die Bohnen in den Ofen fallenlassen.Lilly Roberts, 22, eine seiner Mitarbeiterinnen,bringt cremigen Espresso.Der schmeckt würzig und besonders,ein feiner Espresso-Film bleibt nocheine ganze Weile auf der Zunge. Wie erdie Bohnen <strong>für</strong> seinen Espresso mischt,will Carroux nicht verraten. „Firmengeheimnis“,sagt er und seine grünenAugen blitzen hinter dem Metallgestellseiner Brille. Bis heute schwört er aufdie Hausmischung, die er sich vor zwölfJahren selbst ausgedacht hat.Ulrich Carroux ist eigentlich Tischler.Er kommt aus einem kleinen Ort in derNähe von Bremen. Den Schritt in die Gastronomiehat er schon vor vielen Jahrengetan, er betrieb früher gemeinsam miteinem Freund eine Pizzeria. Auf die Idee,Kaffee zu rösten, kam er per Zufall. Er hattevergeblich nach einer guten Espresso-Mischung gesucht. Schließlich beschlosser, seinen eigenen Kaffee herzustellen.„Spinnst Du total?“, fragten seine Kollegen,als sie die Röstmaschine in der Kücheentdeckten. Doch Carroux ließ sichnicht beirren.Es ist Carroux’ offene Art, die ihmschon damals weiterhalf. Er scheute sichnicht, auf andere Röster zuzugehen undsie um Rat zu fragen. Woher bezogen dieden rohen Kaffee? Wie lange rösteten siedie Bohnen? Worauf musste man achten?In seiner Pizzeria stellte er sich an dieRöstmaschine und probierte herum, biser seine Mischung entdeckte. „Ich habedabei vor allem auf meinen eigenen Geschmackvertraut“, sagt er.Das war der Moment, in dem aus demGastronomen ein Unternehmer wurde.„Als ich das Unternehmen 1998 gegründethabe, gab es grade den New-Economy-Hype. Ich war genau das Gegenteil: OldEconomy“, erzählt er. Doch unternehmerischhatte er damals den richtigen Riecher.Kaffee war dabei, ein Trendgetränkzu werden, viele Leute sehnten sich nachbesseren Produkten als im Supermarkt.Die Großen der Branche benannten ihrenKaffee einfach nach sich selbst: Jacobs,4Hier röstet derChef noch selbst:Carroux an seinerMaschine.Bohnen aus Südamerika:Die genaueMischung verrät derKaffeeröster nicht –Betriebsgeheimnis.Laden in Blankenese:wichtig <strong>für</strong> dieAußenwirkung.4 Mit Liebe zumDetail: Zehn Leutebeschäftigt Carroux.er anfangs beim Personal kein Risiko einund setzt auf Empfehlungen von Freunden.Carroux’ erste Mitarbeiter kennenden Gründer schon und wissen deshalb,worauf es im Geschäft ankommt: Freundlichkeit,Schnelligkeit, ein Sinn <strong>für</strong>s Edle,Gute und Wertvolle. Eine Mischung, dieCarroux so in keine Stellenanzeige schreibenkann - zu individuell sind die Vorstellungen.Schnell wird der Laden dasSchaufenster <strong>für</strong> die Rösterei. Bis heuteist er <strong>für</strong> den Umsatz nicht entscheidend,<strong>für</strong> die Markenbildung umso mehr.Aktuell beschäftigt der Kaffeerösteretwa zehn Mitarbeiter, die meisten arbeitenim Service. „Ich setze vor allem aufSelbstständigkeit und Eigenverantwortlichkeit“,sagt Carroux. Er möchte, dassseine Mitarbeiter ihre eigenen Entscheidungentreffen und ihm auf Augenhöhebegegnen. Wenn jemand ihn „Chef“ nenntund sich unterwürfig gibt, findet er das befremdlich.„Das geht gar nicht.“Ob beim Kaffeerösten oder imService – Carroux hat nicht den Anspruch,alles selbst am besten zu können.Er vertraut seinen Mitarbeitern,die vieles aus seiner Sicht sogar bessermachen. Als Lilly Roberts vor zwei Jahrenin den Laden kam und fragte, ob ernicht einen Job <strong>für</strong> sie habe, wusste ersofort, dass sie gut in den Service passenwürde. Weil sie forsch und freundlichwar und schon vorher in einem anderenLaden eigenständig gearbeitet hatte. Seitkurzem hat Carroux eine neue Mitarbeiterin.Warum sie? „Vertrauen“, sagt er,2223


FAKTOR A | HAUSBESUCHFAKTOR A | HAUSBESUCH„ich verlasse mich da einfach auf meinBauchgefühl“.Das klingt ein wenig gutgläubig, istaber vor allem seinem hanseatischen Wesenzur Untertreibung geschuldet: Überdie Jahre hat Carroux ein feines Gespür<strong>für</strong>s richtige Personal entwickelt. WennGroßkunden in seinen Laden an der Elbchausseekommen, muss er sich auf seineLeute absolut verlassen können. Kaffeekochenist einfach, einen Carroux-Espressoso zuzubereiten, dass er seinen stolzenPreis verdient, ist ein feines Handwerk,das neue Mitarbeiter erst lernen müssen.Was der Chef Bauchgefühl nennt, ist dersiebte Sinn eines begabten Personalers -mit dem Unterschied, dass Carroux keineneigenen hat.Natürlich ist der Blick <strong>für</strong> die oder denrichtigen Mitarbeiter das Ergebnis einesLernprozesses, der nie aufhört. Carrouxist selbstbewusst genug, vom Fall des neueingestellten Vertriebsmitarbeiters zuerzählen, der sich nach wenigen Wochenals Fehlbesetzung erweist. „Für mich alskleinen Mittelständler sind solche ungünstigenEntwicklungen viel schlimmer als<strong>für</strong> die große Konkurrenz“, sagt er. „Diezahlen den ausstehenden Lohn und redennicht mehr darüber.“ Carroux zahlt auch– aber die Neubesetzung der Stelle mussjetzt erst mal warten. Die Lehre? „Ich mussdas Anforderungsprofil <strong>für</strong> Jobs noch klarerdefinieren und dann kompromisslosden passenden Bewerber auswählen.“Das Geschäft mit dem Kaffeeist ein einziger Lernprozess.Das Warensortimentzum Beispiel: Zuerst habeer die Idee gehabt, nur eineneinzigen Espresso zu verkaufen, erzähltCarroux. Doch mit der Zeit sei ihmklar geworden, dass das nicht funktioniert.Also besserte er sein Konzept nach. „Ichhabe drei Filterkaffees mit ins Angebot genommen“,sagt er. Eine Idee, die bei seinenStammkunden bis heute gut ankommt. Erselbst trinkt morgens übrigens ebenfallsFilterkaffee – von seiner Lieblingsbohneaus Java, schwarz und ohne Zucker.Nach und nach wurden immer mehrGastronomen in Hamburg auf seinen Kaffeeaufmerksam. „Ein Riesenschritt war damalsHat sich von seinerIdee, guten Kaffeeeinfach selbst zurösten, nie abbringenlassen: UlrichCarroux in seinemHamburger Café.Christian Rach“, erzählt Carroux. Der Fernsehkochwar einer der ersten Gastronomen,die die Espresso-Hausmischung in ihremRestaurant ausschenkten. Die Köche, dieRach in seinem Laden ausbildete, machtensich nach und nach selbstständig und betriebeneigene Läden in Hamburg – und auchsie setzten auf Carroux-Kaffee. So wurdenHamburger Gourmet-Restaurants wie die„Küchenwerkstatt“, das „Marseille“ und das„Fillet of Soul“ zu Carroux’ Kunden. Unddurch Mundpropaganda kamen später dasVerlagshaus „Der Spiegel“ und Hotels wiedas Parkhotel in Bremen oder das BlankeneserStrandhotel hinzu.Irgendwann konnte Carroux die Produktionnicht mehr allein bewältigen. ImJahr 2005 stieg daher ein Partner mit ein.Ein Rösterkollegeaus Hannover,dessen AnlagenCarroux seithermitbenutzen kann:„Wir haben schonvorher lange zusammengearbeitetund ich war mir sicher: Ihm kann ich vertrauen.“In der Röstma schine fängt es jetzt anzu prasseln. „Das Wasser entweicht ausden Bohnen bis diese schließlich platzenund doppelt so groß werden wie im Rohzustand.“Ein letztes Mal zieht Carroux einpaar Bohnen aus der Maschine. „Fertig“,sagt er, zieht eine Klappe auf und lässt dieBohnen in ein Sieb fallen. Von unten wirdkalte Luft nach oben gepustet, damit sieschneller abkühlen.Unternehmern, die wie er ihre Nischeauf einem Milliardenmarkt suchen, rät erzu Geduld. Der Erfolg seines Unternehmenssei Schritt <strong>für</strong> Schritt gekommen,sagt Carroux. Ganz langsam ging es bergauf.Er erinnert sich noch gut an das Krisenjahr2008, in dem fast alle deutschenBetriebe große Probleme hatten. „Bei unswar zum Glück überhaupt nichts von derKrise zu spüren, die Leute haben nachwie vor ihren Kaffee getrunken“, sagt er.50 Tonnen Carroux-Kaffee werden inzwischenim Jahr produziert. Im Vergleich zuden großen Röstereien sind das noch immerKleinstmengen. „Klein, aber fein“, dasist Carroux’ Motto.„VERLASSEN SIE NIEIHREN WEG, NUR WEILKUNDEN ES WÜNSCHEN.“Anderen Unternehmen, die einenhochpreisigen Markt betreten wollen,empfiehlt er, sich nicht beirren zu lassen,sondern ihrer Ursprungsidee treu zubleiben. „Auch wenn Kunden oder Lieferantenandere Wünsche und Vorstellungenhaben, sollte man seinen Weg nichtverlassen“, sagt er. Denn andernfalls bestehedie Gefahr, dass man sein Konzeptverwässere und ein Spielball der Kundenund Lieferanten werde.Carroux weiß, wovon er spricht. Auchan ihn wurden im Laufe der Zeit immerwieder Geschäftsideen und Kooperationenherangetragen. Bis heute hält derKaffeeröster es so: Wenn ein Angebotkommt, sagt er niemals sofort zu, sondernschläft erst ein oder zwei Nächte darüberund berät sich außerdemmit seinenengsten Vertrauten.Gerade planter einen Umzug inein Gebäude zweiHäuser weiter.Doch auch das istein wohlüberlegter Schritt, <strong>für</strong> Schnellschüsseist der vierfache Vater nicht zuhaben. „Das neue Gebäude ist gemietet,insofern ist das keine größere Investition<strong>für</strong> mich“, sagt er.Nach anderthalb Stunden hat Carrouxdrei Sorten Filterkaffee und zwei LadungenEspresso geröstet. Die fertigen Bohnenwandern in große weiße Kaffeespenderim vorderen Teil des Ladens. Carrouxhält jetzt ein Klemmbrett mit einigen Formularenin den Händen. Er muss eintragen,wie viel Kaffee er heute geröstet hat.Da<strong>für</strong> ist eine Röststeuer fällig, die er sofortan das Zollamt überweisen muss. Für60 Kilo Kaffee, die er heute geröstet hat,zahlt er 120 Euro Steuern. Während erdie Zahlen einträgt, kauft vorne im Ladenjemand frisch gemahlenen Espresso. DasSurren der Mühle ist zu hören, dann breitetsich im ganzen Laden der Duft nachfrischem Kaffee aus. Und sofort bekommtman Lust auf eine weitere Tasse.Text: Anja PetersFotos: Verena BergRECRUITINGWie Sie die richtigenMitarbeiter findenJe weniger Mitarbeiter ein Unternehmenhat, desto wichtiger ist es,die Zuverlässigsten auszusuchen.Ulrich Carroux sagt, er setze beider Aus wahl auf sein Bauchgefühl.Ein paar weitere Aspekte sollten Siebeim Recruiting beachten.1. Welchen Bedarf habe ich?Überlegen Sie vor Betriebsbeginn,wie viele und welche Stellen Siewirklich besetzen müssen. BleibenSie realistisch.2. Wer kommt in Frage?Prüfen Sie die Qualifikation derBewerber anhand von Zeugnissen,Referenzen – aber vertauen Sie vorallem ihrem persönlichen Eindruck.3. Gibt es Fallstricke?<strong>Arbeit</strong>en Sie oft mit Jüngeren?<strong>Arbeit</strong>nehmer unter 18 Jahreunterliegen Sondervorschriften bei<strong>Arbeit</strong>szeit, Überstunden, Urlaubsdauer.Informieren Sie sich vorab.4. Verantwortung übernehmen?Qualifizierte <strong>Arbeit</strong>suchendemit Behinderung sind in allenBerufsgruppen zu finden. Zu denPotenzialen und Schutzvorschriftenberät Sie der <strong>Arbeit</strong>geber-Serviceder <strong>Arbeit</strong>sagenturen (arbeitsagentur.de> Unternehmen > FinanzielleHilfen > Rehabilitation).5. Chancen geben?Bei der Einstellung von arbeitslosenMenschen kann unter bestimmtenVoraussetzungen die <strong>Arbeit</strong>sagenturmit Förderleistungen unterstützen.Lassen Sie sich beraten!6. Anmeldepflichten?Kenntnisse im Sozialversicherungsgesetzsind nicht nur <strong>für</strong> Siewichtig, sondern müssen Sie auchim Rahmen Ihrer Fürsorgepflicht als<strong>Arbeit</strong>geber bei der Beschäftigungvon <strong>Arbeit</strong>nehmern interessieren.2425


FAKTOR-A.ARBEITSAGENTUR.DEFAKTOR A | AUS DEN EIGENEN REIHENFAKTOR A | AUS DEN EIGENEN REIHENARBEITGEBER-SERVICEDieser Mannnimmt jede HürdeEin gutes Auge <strong>für</strong>s Detail braucht Martin Scheib beiseiner <strong>Arbeit</strong>. Er berät Betriebe dabei, <strong>Arbeit</strong>sstättenbehindertengerecht einzurichten und so mehrMenschen mit körperlichen Einschränkungenins Berufsleben zu integrieren.faktor-a.arbeitsagentur.de/arbeitgeber-serviceVIDEOTIPPBarrierefrei im JobWie kommt der Rollstuhl in den zweitenStock? Wer zahlt den großen Monitor <strong>für</strong>Menschen mit Sehschwäche? In Deutschlandgehen über eine Million Menschenmit Schwerbehinderung ganz normal ihrer<strong>Arbeit</strong> nach. Die <strong>Bundesagentur</strong> <strong>für</strong> <strong>Arbeit</strong>hilft ihnen und ihren <strong>Arbeit</strong>gebern dabei, imVorfeld Bedenken auszuräumen, Hürden zuüberwinden und Fördermöglichkeiten auszuloten.Wie Unternehmer und Menschenmit Handicap zusammenfinden, zeigtdieses Video: www.faktor-a.arbeitsagentur.de/video-inklusionMARTIN SCHEIBIm Job …Um einschätzen zu können, wo die versteckten Fallenim <strong>Arbeit</strong>salltag <strong>für</strong> Menschen mit körperlicher Behinderunglauern, braucht es viel Einfühlungsvermögenund Sachverstand. Martin Scheib bringt außerdemErfahrungen aus der Wirtschaft mit: Als Automatisierungstechnik-Ingenieurarbeitete er vor seiner Zeitbei der <strong>Arbeit</strong>sagentur <strong>für</strong> börsennotierte Konzerne -zuerst in der Elektrosparte eines Technologiekonzerns,dann als After-Sales-Manager in der Automobilindustrie.„Dort war ich <strong>für</strong> die Betreuung von Käufernvon Sonderfahrzeugen zuständig – unter anderem <strong>für</strong>behindertengerechte Transportfahrzeuge.“Wenn Martin Scheibhinterm Steuer sitztund durch die HügelMittelfrankensfährt, kommt ihmmanchmal die Zeit nach seinem Unfallin den Sinn: Ein paar Wochen saß er imRollstuhl, wusste nicht, ob er jemalswieder würde laufen können. Dabei ister leidenschaftlicher Autofahrer, pflegtmit viel Herzblut den vom Großvater geerbtenFord 12 M, Baujahr 1955.„Die Erfahrung, auf Hilfe angewiesen zusein, hat mich geprägt“, sagt Martin Scheib,der heute wieder ganz normal laufen kann.Er arbeitet beim Technischen Beratungsdienstder <strong>Bundesagentur</strong> <strong>für</strong> <strong>Arbeit</strong> (BA)in Nürnberg. „Nicht alle Menschen habennach einem Unfall so viel Glück. Privat engagiereich mich aufgrund meiner eigenenErfahrung <strong>für</strong> die Integration behinderterMenschen.“Dabei hilft dem Familienvater seine beruflicheErfahrung: Seit neun Jahren beräter bei der BA etwa <strong>Arbeit</strong>geber, die einenkörperlich behinderten Menschen integrierenmöchten. „Weil er seinen Job antritt odernach einem Unfall zurückkehrt.“ Mit dem<strong>Arbeit</strong>geber-Service prüft er, welche Hilfenbenötigt werden, wo Umbaumaßnahmenoder neue Maschinen sinnvoll sind. Dabeihilft er auch, Fördermittel bei den richtigenTrägern zu beantragen.Weil er sich vor Ort in den Betriebenein Bild macht, ist Scheib viel unterwegs, inNürnberg und Umgebung, Erlangen, Fürth,Herzogenaurach und Neustadt an der Aisch.Bundesweit unterhält die <strong>Arbeit</strong>sagentur denTechnischen Beratungsdienst an 40 Standorten.„Wir beschäftigen uns mit <strong>Arbeit</strong>splatzgestaltungund Ergonomie, optimieren<strong>Arbeit</strong>sabläufe, um Unfälle zu verhüten, und„DIE ERFAHRUNG, AUFHILFE ANGEWIESEN ZU SEIN,HAT MICH GEPRÄGT.“schauen hinter die Kulissen“, sagt Scheib, zudessen größten Kunden der Flughafen undder Siemens-Standort Nürnberg zählen, aberauch viele mittelständische Unternehmen.Oft sind es nur Dinge wie zwei Treppenstufen,eine zu schmale Tür oder ein zuhoch angebrachter Steuerungsschalter, dieden Zugang zum <strong>Arbeit</strong>splatz erschweren.Am Ende der Beratung fasst Scheib die betrieblichenBegebenheiten und möglichenIntegrationsmaßnahmen in einer Stellungnahmezusammen. Dieses Gutachten sollbei der Entscheidung über Fördermöglichkeitenunterstützen. Bei der Förderung gehenHilfsmittel wie Spezialstühle, Einhand-Computertasta turen oder Hebehilfen in dasEigentum des <strong>Arbeit</strong>nehmers über, komplexereMaßnahmen werden meist übereinen Zuschuss an den <strong>Arbeit</strong>geber mitfinanziert.Nach <strong>Arbeit</strong>sunfällen arbeitet derTechnische Beratungsdienst zudem eng mitden Gutachtern der Berufsgenossenschaftzusammen.Eine weitere Aufgabe des TechnischenBeratungsdiensts ist die Überprüfung vonberuflichen Aus- und Weiterbildungsträgern.Dabei begegnen Scheib mitunterhaarsträubende Zustände: Statt an einemPflegebett werden angehende Altenpflegeran einfachen Holzbetten ausgebildet, Köchelernen ihr Handwerk in einer gewöhnlichenHaushaltsküche. „Das sind Einzelfälle“,sagt der Berater. „Aber sie zeigen,wie wichtig unsere <strong>Arbeit</strong> ist, um schwarzeSchafe ausfindig zu machen.“Schließlich ist Scheib auch da<strong>für</strong> zuständig,in der <strong>Arbeit</strong>sagentur selbst einbehindertengerechtes <strong>Arbeit</strong>sumfeld zuschaffen – immerhin hat sie bundesweitrund 9.000 schwerbehinderte Beschäftigteund ist damit bundesweit einer der größten<strong>Arbeit</strong>geber <strong>für</strong> Menschen mit Handicap.Text: Matthias ThieleFotos: Julia RotterNach der <strong>Arbeit</strong> …Fast 40 Jahre war er der Stolz seines Großvaters– jetzt pflegt Martin Scheib den Ford 12 M ausdem Jahr 1955. „Trotz seines Alters hat er erst104.000 Kilometer auf dem Tacho und ist noch imOriginalzustand“, sagt Scheib. Als Vorsitzendereines ADAC-Ortsclubs in Nürnberg fährt er mitdem Familienerbstück jedes Jahr zum 50er-Jahre-Event und organisiert Ausfahrten. Beim jährlichenOldtimer-Treffen donnern und knattern jedes Malmehr als 70 alte Autos durchs Nürnberger Umland.Und wenn sein 12 M einmal liegen bleibt? „Dannkann ich ihn zum Glück meistens selbst reparieren,denn der kommt noch ohne Bordelektronik undFahrassistenzsysteme aus.“ImpressumHerausgeber: <strong>Bundesagentur</strong> <strong>für</strong> <strong>Arbeit</strong>(BA), Regensburger Straße 104,90478 Nürnberg, www.arbeitsagentur.deChefredaktion BA: Anne-Kathrin Vogler(anne-kathrin.vogler@arbeitsagentur.de)Redaktionsteam BA: Dr. Oliver Fischer,Kurt Eikemeier, Nick Hannemann, AngelaSternkeVerlag: G+J Corporate Editors GmbH,Stubbenhuk 10, 20459 Hamburg,www.corporate-editors.comDruck: MKL Druck GmbH & Co. KGVerlagskoordination: Edith Fleckenstein(fleckenstein.edith@guj.de)Chefredaktion: Jochen Brenner, V. i. S. d. P.(redaktion.faktor-a@guj.de)Gestaltung: Dirk Heurich(heurich.dirk@guj.de)Mitwirkende dieser Ausgabe:Kirstin von Elm, Anja Peters, Michael Prellberg,Matthias Thiele, Esther WerderinghausLektorat: Dr. Stephanie KlosterLithografie: 4mat mediaFeedback bitte anredaktion.faktor-a@arbeits agentur.deDas Magazin können Sie kostenlos abonnierenunter faktor-a.arbeitsagentur.de© <strong>Faktor</strong> A 2013 G+J Corporate EditorsGmbH, Hamburg, <strong>für</strong> sämtliche Beiträge.Nachdruck, Aufnahme in Online-Diensteund Internet und Vervielfältigung auf Datenträgerwie CD-ROM, DVD-ROM etc. nurnach schriftlicher Zustimmung des Verlags.Für unverlangt einge sandte Manuskripteund Fotos übernehmen Verlag und Redaktionkeine Haftung.26


JETZTWENN NICHTMEINE MITARBEITER WEITERBRINgen, wann dann?!Ob mit Qualifizierungsprogrammen, Aus- oder Weiterbildungen –investieren Sie in das Know-how Ihrer Mitarbeiter und damit in dieZukunft Ihres Unternehmens. Denn so sichern Sie sich schon heuteIhre Fachkräfte von morgen. Das bringt Sie weiter! Informieren Siesich unter www.dasbringtmichweiter.de<strong>Bundesagentur</strong> <strong>für</strong> <strong>Arbeit</strong>

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