13.07.2015 Aufrufe

Wird die Frühförderung dem Rahmenvertrag gerecht? - Arbeitsstelle ...

Wird die Frühförderung dem Rahmenvertrag gerecht? - Arbeitsstelle ...

Wird die Frühförderung dem Rahmenvertrag gerecht? - Arbeitsstelle ...

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

2. bayerischer Gesamtarbeitskreis FrühförderungDrei Jahre bayerischer <strong>Rahmenvertrag</strong> Frühförderung:Positionen und Postulate31. Juli 2009<strong>Wird</strong> <strong>die</strong> Frühförderung <strong>dem</strong> <strong>Rahmenvertrag</strong> <strong>gerecht</strong>?Impulsreferat Helga Treml-SiederIn den vergangenen Wochen und Monaten war <strong>die</strong> Diskussion im Bereich derFrühförderung davon bestimmt, einerseits <strong>die</strong> Verwaltungsabläufe zu regeln in Bezug aufBeantragung, Genehmigung, Abrechnung, Weitergewährung und Beendigung derFrühfördermaßnahmen und andererseits eine kostendeckende Finanzierung zu erreichen.Hinzu kam, dass <strong>die</strong> ambulante Eingliederungshilfe vom örtlichen zum überörtlichenSozialhilfeträger verlagert wurde.Vor kurzem wurden <strong>die</strong> Gemeinsamen Vollzugshinweise von den Verhandlungspartnernverabschiedet. In der Zukunft wird sich erweisen, ob <strong>die</strong>s tatsächlich eine verlässlicheGrundlage für eine vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen den Kostenträgern, derkassenärztlichen Vereinigung und den Interdisziplinären Frühförderstellen darstellt, wie esin der Präambel heißt. Hingegen befindet sich das Tauziehen um eine kostendeckendeFinanzierung noch in der heißen Phase.All <strong>die</strong>s hat dazu geführt, dass <strong>die</strong> Diskussion über Inhalte und Konzeptionen stark in denHintergrund gedrängt wurde. Die Kapazitäten reichten einfach nicht aus, um sich auf allenEbenen zu engagieren – am Wichtigsten war es, das Überleben zu sichern.Heute wollen wir den Fokus erneut auf den <strong>Rahmenvertrag</strong> richten, jedoch mit eineranderen Gewichtung. Während der <strong>Rahmenvertrag</strong> ständig daraufhin überprüft wird, ob erder Frühförderung <strong>gerecht</strong> wird, möchte ich heute <strong>die</strong> Perspektive verändern und stelledazu etwas provokant <strong>die</strong> Frage: „<strong>Wird</strong> <strong>die</strong> Frühförderung <strong>dem</strong> <strong>Rahmenvertrag</strong> <strong>gerecht</strong>?“Dazu wollen wir einige Aussagen des <strong>Rahmenvertrag</strong>es zu bestimmten Themen genauerbetrachten. Die Beschreibung der Leistungsmodule sowie <strong>die</strong> Anlagen mit Ausnahme desLeistungsprofils habe ich dabei außer Acht gelassen, ebenso <strong>die</strong> ausführlichenArbeitsbeschreibungen für Leitung und Mitarbeiter. Ich gehe besonders auf <strong>die</strong> rotmarkierten Aussagen ein.Seite 1 von 5


Definitionen PräambelMit der Einführung des Begriffes der Komplexleistung in § 30 und § 56 SGB IX hat derGesetzgeber zum Ausdruck gebracht, dass bei der Früherkennung und FrühförderungLeistungskomplexe entstehen, <strong>die</strong> sowohl Leistungen der Früherkennung undFrühförderung im Sinne des § 26 SGB IX als auch Leistungen zur Teilhabe am Leben inder Gemeinschaft gemäß §§ 55,56 SGB IX umfassen. Die Inanspruchnahme von„Leistungen aus einer Hand“ wird damit ermöglicht. § 4 (1)Interdisziplinäre Frühförderstellen sind familien- und wohnortnahe (lebensweltorientierte)Dienste zur Erbringung von Maßnahmen der Komplexleistung § 5Kinder sind behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelischeGesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von <strong>dem</strong> für dasLebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in derGesellschaft beeinträchtigt ist. Sie sind von Behinderung bedroht, wenn <strong>die</strong>Beeinträchtigung zu erwarten ist. Im übrigen sind auch Kinder mit anderer Behinderungnach § 53 Abs. 1 Satz 2 SGB XII erfasst. Leistungsprofil 2.Die drohende Behinderung kann auch von Entwicklungsstörungen, -gefährdungen und -beeinträchtigungen (einschließlich Verhaltens- und seelischen Störungen) ausgehen.Zu <strong>die</strong>sen Kindern gehören vor allem:o Frühgeborene Kinder und Säuglinge mit Entwicklungsrisiko (z.B. mit angeborenerBehinderung, Syndromen);o Kinder, <strong>die</strong> von Behinderung bedroht sind;o Kinder mit Behinderung;o Kinder, <strong>die</strong> in ihrer kognitiven und/oder motorischen und/oder sprachlichenund/oder sozial-emotionalen Entwicklung verzögert sind;o Kinder, <strong>die</strong> wegen ihrer sozialen Benachteiligung in ihrer Entwicklung gefährdetsind.Auftrag § 1 (2)Gewährleistung der Komplexleistung für behinderte und von Behinderungbedrohte Kinder § 3(drohende) Behinderungen und ihre Folgen zum frühest möglichen Zeitpunkterkennen und durch gezielte Förder- und Behandlungsmaßnahmen vermeiden,ausgleichen oder mindern. Leistungsprofil 1.Interdisziplinäre Frühförderstellen sind familien- und wohnortnahe(lebensweltorientierte) Einrichtungen mit <strong>dem</strong> Auftrag eine interdisziplinäreGrundversorgung im Rahmen der Früherkennung und Frühförderung vonbehinderten und von Behinderung bedrohten Kindern ab ihrer Geburt bis zumSchuleintritt ambulant und mobil (aufsuchend) vorzuhalten.Interdisziplinarität PräambelInanspruchnahme von Leistungen „aus einer Hand“Seite 2 von 5


Leistungsprofil 1.Die gemeinsame Verantwortung besteht sowohl für den medizinischtherapeutischenBereich als auch für den pädagogischen Bereich im Rahmen derjeweiligen Fachkompetenz. § 2 (3)Konzeption über das interdisziplinäre Förder- und Behandlungsangebot § 8Im Leistungsmodul „Eingangsdiagnostik“ wird der konkrete Bedarf fürFrühfördermaßnahmen vom behandelnden Arzt im Zusammenwirken mit derInterdisziplinären Frühförderstelle ermittelt und der individuelle Förder- undBehandlungsplan entwickelt. Leistungsprofil 1Diese gemeinsame Orientierung wird durch Informationsabgleich undKooperationsstrukturen aller an <strong>dem</strong> Leistungsangebot beteiligten Fachkräftegewährleistet. Im Rahmen der Komplexleistung werden <strong>die</strong> Leistungen zurmedizinischen Rehabilitation und <strong>die</strong> heilpädagogischen Leistungen konzeptionellintegriert und organisatorisch zusammengeführt. § 9Die Erbringung der Komplexleistung wird durch interdisziplinäre Teamgespräche ergänzt.Individuelle Förderung § 3<strong>die</strong> persönliche Entwicklung des behinderten oder von einer Behinderungbedrohten Kindes ganzheitlich zu fördern und seine Teilhabe am Leben in derGesellschaft zu ermöglichen und zu erleichtern. § 4 (1)Einbeziehung der Eltern/Bezugspersonen Leistungsprofil 1.Alle Leistungselemente sind darauf gerichtet, <strong>die</strong> Kompetenzen des Kindes zurTeilhabe am Leben in der Gesellschaft zu erkennen, zu fördern und zu stärkensowie <strong>die</strong> Eltern/Bezugspersonen zu beraten und zu unterstützen (gemäß § 5 Abs. 2FrühV). Leistungsprofil 3.3Frühförderung richtet sich schwerpunktmäßig an das Kind; sie kann sich auch auf<strong>die</strong> Interaktion zwischen Eltern und Kind beziehen oder <strong>die</strong> Beratung der Elternzeitweise zur vorrangigen Aufgabe haben.Qualität der Arbeit § 11 (3)Grundlage der fachlichen Qualität der Arbeit und des Verlaufs der Förderung undBehandlung sind <strong>die</strong>ser <strong>Rahmenvertrag</strong>, <strong>die</strong> Konzeption der Frühförderstelle sowie <strong>die</strong>individuellen Förder- und Behandlungspläne der Kinder. § 11 (4)Im Rahmen der zur Fortschreibung des Förder- und Behandlungsplans erforderlichenDiagnostik (Verlaufsdiagnostik) und bei der Abschlussbefundung (Abschlussdiagnostik) istzu überprüfen und zu dokumentieren, ob und in welchem Ausmaß <strong>die</strong> im individuellenFörder- und Behandlungsplan beschriebenen Förder- und Behandlungsziele erreichtwurden. § 14 (1)Die Gewährleistung der Qualität der Leistungserbringung, <strong>die</strong> Entwicklung und BewertungSeite 3 von 5


der Qualität sowie deren Nachweise sind <strong>die</strong> dauerhaften Aufgaben der Träger. Der Trägerder Interdisziplinären Frühförderstelle setzt Qualitätsentwicklungs- bzw.Selbstevaluierungsmaßnahmen ein und weist <strong>die</strong>s hinsichtlich Struktur-, Prozess- undErgebnisqualität in geeigneter Weise nach. Die Vertragsparteien werden hierzuentsprechende Richtlinien vereinbaren. 1 § 14 (2)Als Maßnahmen zur Gewährleistung der fachlichen Qualität <strong>die</strong>nen insbesondere- interne Beratung und Anleitung,- Fortbildung und Supervision,- regelmäßige Fallberatungen im Team,- Dokumentation der Entwicklung des Kindes,- Controlling,- Qualitätsmanagement. Leistungsprofil 5.1Eine Festanstellung der Leitung sowie eines Vertreters aus <strong>dem</strong> medizinischtherapeutischenBereich, eines Vertreters aus <strong>dem</strong> heilpädagogischen Bereich und einesVertreters aus <strong>dem</strong> psychologischen Bereich wird aus Qualitätsgesichtspunkten erwartet.Vernetzung Leistungsprofil 3.4Zusammenarbeit mit anderen Einrichtungen und DienstenFür <strong>die</strong> Förderung und Behandlung findet bei Bedarf im Rahmen der gesetzlichenBestimmungen bzw. mit Einverständnis der Sorgeberechtigten ein Informationsaustauschmit anderen Einrichtungen und Diensten (wie z.B. Sozialpädiatrischen Zentren,integrativen und heilpädagogischen Kindertageseinrichtungen, Regelkindergärten,Förderschulen einschließlich SVE, Familienentlastenden Diensten, Fachkliniken,niedergelassenen Therapeuten, Vertragsärzten, Schwangerenkonfliktberatungsstellen undErziehungsberatungsstellen) statt. Hierzu gehört insbesondere <strong>die</strong> fachliche Beratung undMitwirkung beim Übergang in eine andere Einrichtung, sowie <strong>die</strong> Vermittlung an andereFachkräfte.Eine institutionelle Vernetzung wird im <strong>Rahmenvertrag</strong> (noch) nicht berücksichtigt. ImHinblick darauf, dass ein Auftrag zur Grundversorgung von Kindern mit Behinderung bzw.drohender Behinderung besteht und dass dafür Ansprachen über Vernetzung vonAngeboten erforderlich sind, über Abgrenzungen und Ergänzungen, sowie überÖffentlichkeitsarbeit sind hierfür <strong>die</strong> entsprechenden Voraussetzungen erforderlich.1Dies ist auch für <strong>die</strong> Gemeinsamen Vollzugshinweise vorgesehen.Seite 4 von 5


Zusammenfassend lässt sich sagen, dass der <strong>Rahmenvertrag</strong> wichtige Aussagen macht zu denBereichenDefinitionen (IFS / Behinderung)AuftragInterdisziplinaritätIndividuelle FörderungQualität der ArbeitVernetzungDiese von mir gewählten Bereiche bedürfen – wie auch andere – einerseits der Realisation,andererseits der Weiterentwicklung. Dazu ist <strong>die</strong> Mitwirkung der Vertragspartner, derFrühförderstellen und der Fachorganisationen – also der <strong>Arbeitsstelle</strong> Frühförderung Bayern undihres Trägervereins sowie der VIFF-Bayern erforderlich. Zumindest der Verband der Bezirke hatsignalisiert, dass er <strong>die</strong>s zu seinen Aufgaben zählt. Der Präsident des Verbandes der bayerischenBezirke Herr Manfred Hölzlein hat am 26. Juni bei der Verbandsversammlung in Bambergfolgendes zur Frühförderung gesagt:„Zu unseren neuen Aufgaben in der ambulanten Eingliederungshilfe zählt auch <strong>die</strong> Frühförderung.Diese liegt mir besonders am Herzen…Die Frühförderung hat eine immense Bedeutung, weil ein interdisziplinäres Teammedizinisch-therapeutische Komplexleistungen erbringt, <strong>die</strong> Entwicklungsdefizite behebenund eine drohende Behinderung verhindern können. Ein niederschwelliger Zugang und einoffenes Beratungsangebot sind dabei unabdingbar.Wegweisend für das flächendeckend hohe Niveau der Frühförderung war der Abschlussdes <strong>Rahmenvertrag</strong>s im Jahr 2006. Da <strong>die</strong> Bezirke als Leistungserbringer derüberregionalen Frühförderung von Anfang an Vertragspartner waren, kannten sie allefachlichen Probleme. Nun sind sie als Kostenträger der heilpädagogischen Leistungen inden Vertrag eingetreten und werden bei der Weiterentwicklung und Optimierung derFrühförderung Verantwortung übernehmen.“Um <strong>die</strong> Eingangs gestellte Frage zu beantworten: Die Frühförderung kann <strong>dem</strong><strong>Rahmenvertrag</strong> nur dann <strong>gerecht</strong> werden, wenn <strong>die</strong> Rahmenbedingungen und insbesondere<strong>die</strong> Finanzierung <strong>die</strong>s ermöglichen; <strong>die</strong> Überprüfung der eigenen Organisations- undAblaufstrukturen kann dabei auch ein Thema sein.Allerdings: So wie sich der <strong>Rahmenvertrag</strong> und insbesondere seine Umsetzung jetztdarstellt, muss <strong>die</strong> Frage eigentlich ganz anders gestellt werden. Nämlich: „<strong>Wird</strong> der<strong>Rahmenvertrag</strong> <strong>dem</strong> <strong>Rahmenvertrag</strong> <strong>gerecht</strong>?“ Er ist in mehrfacher Hinsicht merkwürdigzweigeteilt – einerseits sind <strong>die</strong> Anforderungen an <strong>die</strong> Frühförderung weitgehend gutdargestellt. Andererseits wird ihnen gleichzeitig der Boden entzogen, auf <strong>dem</strong> sie gedeihenund weiter entwickelt werden können. Außer<strong>dem</strong>: Die Verwirklichung derKomplexleistung bedarf eines integrierten Vorgehens, nicht einer Addition vonLeistungen. Es bleibt also in Zukunft noch sehr viel zu tun!Seite 5 von 5

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!