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RaDIKaL MUSIKAL(ISCH) – Erfahren, entspannen, tun im ...

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Berndt Vogel, D-Reichartshausen/CH-OberschanWorkshop: „<strong>RaDIKaL</strong> <strong>MUSIKAL</strong>(<strong>ISCH</strong>) –<strong>Erfahren</strong>, <strong>entspannen</strong>, <strong>tun</strong> <strong>im</strong> KlangRAUM“Sie ist die schönste Nebensache der Welt und so alt wie die Menschheit ist Sie auch. Siebegleitet uns täglich, und sie begleitet uns ein Leben lang. Es gibt wohl keinenMenschen auf dieser Erde, der sich ihrer Anziehungskraft, je nachdem in welcher Art undForm sie sich präsentiert, entziehen kann. Sie begleitet uns jedoch nicht nur. Sie tut auchetwas mit uns. Sie beruhigt uns, lenkt uns von Unangenehmen ab, inspiriert, tröstet,putscht auf. Seit Menschengedenken ist sie Helferin und Heilerin. Seit vielen Jahrenn<strong>im</strong>mt sie einen wichtigen Stellenwert in der Therapielandschaft ein. Die Rede ist vonder Musik.Was Musik so einzigartig macht ist ihre Inklusivität. Musik ist inklusiv in der Form, dass siekeinen Menschen ausschließt. Jeder kann an dem Phänomen Musik teilnehmen. Sei esüber das gemeinsame Musik hören oder das gemeinsame Musik machen. Immer bestehtinnerhalb musikalischer Prozesse die Möglichkeit, Sozialisierungs-, Gemeinschafts- undKommunikationsprozesse zu erleben. Das Vertraut machen mit Phänomenen wieZeitfolge, Klang, Kreativität, Rhythmus, Bewegung und der gesamten Palette derGefühlswelt ist innerhalb der Musik für jeden Menschen möglich.In der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen und speziell bei Menschen mit einerBehinderung ist Musik nicht wegzudenken. Hier ist es das Elementare, das Integrativeund das Multisensorielle, das Musik so einzigartig macht. Und wenn man sich dann nochvor Augen hält wie viele Bereiche in die Musik hineinspielen, beziehungsweise mit Hilfeder Musik motivierbar und erklärbar sind, wird diese Einzigartigkeit noch deutlicher. Sowerden etwa über eine Sensibilisierung des Hörprozesses das Erlebnis- und dasVorstellungsvermögen gefördert. Zu denken ist an Konzentrations-, Koordinations - undAssoziationsübungen, an die Sinnesschulung in Form von Ansprache des Optischen, desAkustischen, des Taktilen und der Kinästhetik.Häufig ist es ausnahmslos über das Medium Musik möglich, eine direkte Ansprache undKontaktaufnahme zu Menschen mit einer Behinderung aufzubauen. Musik ist ein Weg mitjedem Menschen, ganz gleich wie schwer beeinträchtigt er auch sein mag, in eine Situationeines erlebbaren und wechselseitigen Austausches zu gelangenFachtagung 2007 R a D I K a L Seite 20 von 112


Der KlangRAUM :das Erfahrungs – und Entspannungskonzept nach Berndt Vogel®Musik ist der zentrale Punkt des hier vorgestellten Entspannungs – Erfahrungskonzeptes.Der KlangRAUM = Wasser, Klang, Interaktion = <strong>entspannen</strong>, erfahren, <strong>tun</strong>.Auf eine ganz einzigartige Art und Weise wird bei diesem Konzept Musik erfahren. Nämlich inder Form, dass Musik, Klänge und Sprache am ganzen Körper wahrgenommen werden. Musikwird hier über das Hören und Fühlen erlebt. Klänge bewegen sich um den Körper - bewegensich durch den Körper. Möglich wird dies mit Hilfe eines Wasserbettes und eines speziellentwickelten Klangkonzeptes. Indem der Klangraum ganz gezielt das Element Wasser miteinbezieht, erfährt der Teilnehmer eine ganz neuartige Erfahrung. Es ist zum einen dieErfahrung, dass der Körper auf einer angenehm warmen Wasserfläche sehr bewusstwahrgenommen wird. Die Wasserbewegungen auf der Wasserfläche reichen von wiegenden,schaukelnden, wellen – und spiralförmigen Bewegungen bis hin zu totaler Ruhe. DieGewichtsentlas<strong>tun</strong>g und das Getragenwerden auf der Wasserfläche gebe ein Gefühl derSchwerelosigkeit und der Leichtigkeit. Und es ist andererseits die Erfahrung, von fließendenKlang – und Wasserbewegungen getragen zu werden. Musik wird quasi dreid<strong>im</strong>ensionalerfahren. Zusätzlich kommt der Musik die Funktion zu, eine musikalisch-emotional anregendeUmgebung bereitzustellen, innerhalb der sich die Teilnehmer so sicher zu fühlen vermögen,dass sie Mut finden, sich für neue, ihnen bisher unbekannte Erlebnisinhalte zu öffnen.Somit kommen Entspannung, Erfahrung und Interaktion gleichermaßen zum Tragen. Und essind die unterschiedlichen Komponenten, Klang und Wasser, und natürlich die räumlicheGestal<strong>tun</strong>g, welche zur besonderen Atmosphäre dieses Raumes beitragen.Der KlangRAUM, das ist ein Konzept, das emotional stützt und neue Wege zurEntspannung öffnet. Über das Anknüpfen an Bekanntem werden verloren geglaubteFähigkeiten wieder entdeckt. Es werden Erfahrungen vermittelt und es wird zu neuenAktivitäten motiviert. Dabei geht der Klangraum von einem ganzheitlichen Ansatz aus, das denMenschen nicht zum Objekt einer Förderung macht sondern seine Individualität in denMittelpunkt stellt. Auf der Grundlage des entspannten Körpergefühles, der angenehmgestalteten Raumatmosphäre und der Vermittlung unterschiedlicherWahrnehmungsangebote wird innerhalb dieses Konzeptes zur aktiven Beteiligung angeregt.So zum Beispiel bei Menschen, die nicht über die kognitive Schiene angesprochen werdenkönnen, wo aber gezielt über Wahrnehmungsangebote eine Kommunikation aufgebautwerden kann.Vor allem aber ist der KlangRAUM ein multi-sensorielles Konzept. Ein Konzept, bei dem überdie vestibulär - cochleare St<strong>im</strong>ulation und die bioenergetische Aktivierung desFachtagung 2007 R a D I K a L Seite 21 von 112


Gesamtorganismus die funktionale Aufmerksamkeit in Rich<strong>tun</strong>g einer aktivenInformationsaufnahme und Interaktion angeregt und gefördert wird.Ein weiteres wichtiges Merkmal dieses Konzeptes ist die Vermittlung elementarster Angeboteauf den unterschiedlichen Sinnesebenen. Die Sinnesvielfalt soll sehr gezielt erfahren und erlebtwerden. Auf vielfältige Weise werden alle Sinne angesprochen. Ziel ist es die Türen und Fensterzur Welt der Sinne behutsam zu öffnen. Türen und Fenster, die bei vielen Menschen oftmalsnur einen kleinen Spalt geöffnet, manchmal sogar ganz verschlossen sind. Es ist eine Einladungaktiv an der Umwelt teilzunehmen und es wird motiviert, den Austausch mit dem direktenUmfeld und darüber hinaus mit der erweiterten Umwelt zu suchen. Und so macht diesesKonzept sehr gezielte Angebote, sowohl am kulturellen Reichtum der Töne und Klänge, derFarben und Formen, als auch an der Vielfalt der Gerüche teilzunehmen. Ein Weg zu einersinnvollen Selbstentfal<strong>tun</strong>g, weg von der Isolation und hin zur Integration.Abgeleitet ist der KlangRAUM von dem Mitte der 70iger Jahre <strong>im</strong> Rahmen der Musiktherapiebei Schwerst- und Mehrfachbehinderten entwickelten Pränatalraum. (siehe Abschnitt 7 -„Musik und Vibration – wie eine Idee umgesetzt wird“.) Der Pränatalraum ist inzwischen festerBestandteil der Musiktherapie. Durch früheste intrauterine Klangererfahrungen, visuelle Reizeund eine Ruhe ausstrahlende Athmosphäre wird konsequent die Situation <strong>im</strong> Mutterleibumgesetzt. Innerhalb dieses therapeutischen Settings werden traumatische Erlebnisseaufgearbeitet und früh-, bzw. vorgeburtliche Erfahrungen wiedererlebt.In den folgenden Jahren sind einzelne Elemente der Pränatalraum Therapie in dieBehindertenpädagogik, speziell in die Musikpädagogik <strong>im</strong> Behindertenbereich, eingeflossenund entsprechend weiterentwickelt worden. Entstanden ist ein musikagogisches Konzept, dassich heute als der KlangRAUM präsentiert. Der KlangRAUM ist keine Therapie, folgedessen wirauch nicht von Therapeut und Patient, sondern von Begleiter und Teilnehmer sprechen. DerKlangRAUM ist Musikagogigk : das Wecken von Neugierde an Musik, das Wecken von Lust aufMusik. Während sich der Begriff Agogik in der Musik mit den Veränderungen des Temposbefasst (zum Beispiel accelerando – beschleunigend oder piu moss – bewegter), verbindet derBegriff Musikagogig die Elemente Musik, Sinneserfahrung und Interaktion, sowie Faszinationund Motivation. Die Aufgabe des Musikagogen besteht darin auf einer partnerschaftlichen undvor allem einer kooperativen Ebene, zum Spielen, zum Exper<strong>im</strong>entieren und zum <strong>Erfahren</strong> zumotivieren. Der Musikagoge als Begleiter, spielerisch und frei von Leis<strong>tun</strong>gserwar<strong>tun</strong>gen anden Teilnehmer.Was dieses Konzept nicht ist und wo es sich deutlich von anderen Methoden und Technikenabhebt : der Klangraum ist keine künstlich geschaffene Softplay – Erlebniswelt, die nur passivkonsumiert werden kann. Kein Freizeitangebot für Menschen mit schwerer geistigerBehinderung, in dem s<strong>im</strong>ple, überwiegend isolierte Reizmuster angeboten werden. IsolierteReizmuster, die verhindern, dass integrative Erfahrungen gemacht werden können. Hier findetkeine Reizüberflu<strong>tun</strong>g in Form einer bunten Kunststoffwelt statt, der jeglicher Bezug zur realenUmwelt fehlt. Und der Klangraum ist auch kein vorgefertigtes Konzept, frei nach dem MottoFachtagung 2007 R a D I K a L Seite 22 von 112


„alles ist erlaubt – die verschiedenen Angebote sind kategorisiert – die vorgefertigtenSchemata machen alles von selbst“.Der KlangRAUM ist vielmehr ein Konzept, das von der individuellen Lebenswirklichkeit undden subjektiven Bedürfnisse ausgeht. Anknüpfend an die real erlebten Vorerfahrungen wirdzunächst versucht alle vorhandenen Ressourcen ausfindig zu machen. Durch aktives Tun wirdzu einer sinn-vollen, einer sinn-erfüllten Lebensgestal<strong>tun</strong>g verholfen. Dabei hat diemenschliche Zuwendung, lebensnotwendig für alle unsere Entfal<strong>tun</strong>g und Entwicklung, einengroßen Stellenwert. Die Individualität des Menschen wird in seiner Gesamtheit gefordert undgefördert. Der KlangRAUM macht Angebote und zwingt sie nicht auf. Und : hierbei werdenUmwelterfahrungen in aktuelle und soziale Situationszusammenhänge integriert. EinenAnspruch, den dieses Konzept durchgehend bei allen Angeboten hat ist der, dass die <strong>im</strong>KlangRAUM gemachte Erfahrungen sich in den Alltag übertragen lassen.Über die Entspannung zu neuen Erfahrungen führenIn der über 30 jährigen Praxis mit schwerst-mehrfachbehinderten Kindern und Jugendlichen ,mit Kindern, die starke autistische Züge aufweisen, mit Körperbehinderten und mitverhaltenauffälligen und milieugeschädigten Kindern und Jugendlichen hat sich eines <strong>im</strong>merwieder bewahrheitet : ein entsprechend gestalteter Raum ist die Grundlage für jegliche Formvon Entspannung. Entspannung durch Ruhe und durch auf ein Min<strong>im</strong>um reduzierte Reize vonAußen. In einem Ruhe und Geborgenheit ausstrahlenden , und vor allem Entspannungzulassendem Umfeld ist es möglich in einen Dialog mit anderen Menschen zu treten. Genauhier setzt das Klangraum – Konzept an. Zuerst muss ein schützendes Umfeld geschaffenwerden, das Entspannung ermöglicht. Dann können aus einer Entspannung bereitstellendenSituation heraus Angebote gemacht werden, die über das Gewohnte und Alltäglichehinausgehen und einen neuen Zugang zum Anderen ermöglichen. Der Klangraum stellt diesesschützende Umfeld bereit in dem über das in Entspannung bringen zu neuen Erfahrungengeführt werden kann. Dabei handelt es sich um einen Vorgang, der uns allen sehr vertraut is<strong>tun</strong>d den wir tagtäglich erleben. Wenn wir uns wohl fühlen, sind wir eher bereit uns auf etwasNeues einzulassen, als wenn wir unter Stress stehen. Wenn wir entspannt sind, wenn wir „gutdrauf“ sind, gehen wir ungezwungener auf eine fremde Person zu, als wenn wir noch zehnDinge zu erledigen haben, das Telefon permanent klingelt und wir auch noch einen wichtigenTermin vor uns haben.Raumgestal<strong>tun</strong>g, Farbgebung, Lichtprojektion, Düfte, Klangfläche. Alle diese Komponentensind in ihrer Gesamtheit zu sehen. Sie schaffen eine Atmosphäre um in Interaktion treten zukönnen. Alle diese Komponenten sind Hilfsmittel, deren Gestal<strong>tun</strong>g und Verwendung wohlüberlegt sein wollen. Hilfsmittel, die den Weg zu Kommunikation und Interaktion leichterfinden lassen. Bei aller Faszination, die von der Gestal<strong>tun</strong>g von Räumen ausgeht, darf jedochnie vergessen werden, dass die Interaktion mit dem Begleiter der eigentliche AuslöserFachtagung 2007 R a D I K a L Seite 23 von 112


dynamischer Prozesse ist. Im Mittelpunkt aller Bemühungen stehen die uns anvertrautenMenschen, stehen Sensibilität und Zuwendung.Durch das Einbeziehen regressiver Komponenten in das Konzept ist es möglich, dass sichTeilnehmer und Begleiter auf eine nonverbale und nonrationale Ebene begeben. Dabei istRegression nicht als Widerstandsform, als Abwehrmechanismus oder als Faktor in derPathogenese, zu sehen. Vielmehr ist die Regression Teil eines dynamischen Prozesses und alsBündnispartners hin zur Progression zu sehen. Regression als Grundlage für eine angenehmeSelbst- und Lebenserfahrung und damit Basis für weiterführende Förderangebote.Innerhalb dieses Abschnittes soll nicht verstandesgemäß reagiert werden, sondern hier solleine Plattform bereitgestellt werden, auf der Empfindungen und Gefühle die wesentlichenVerständnis – und Verständigungsmittel darstellen. Dieser vorwiegend die affektivenBedürfnisse berücksichtigende Ansatzpunkt bietet einen Freiraum für Rückzugs- undEntspannungsmöglichkeiten. Wirken nach außen, verbunden mit einem Horchen nach innen.Der eigentliche Auslöser kommt dabei weniger vom Begleiter als vielmehr vom elementarenCharakter des Klangraumes selbst. Aufgabe des Begleiters ist es, fernab vonLeis<strong>tun</strong>gsanforderungen und Fördergedanken eine angstfreie Situation entstehen zu lassen.Beschreibung eines entwicklungsfördernden HandwerkzeugsDer Klangraum ist zu sehen wie ein Musikinstrument. Ein Musikinstrument auf dem manspielen und mit dem man exper<strong>im</strong>entieren kann. Der Klangraum - ein Raum, der ähnlich wieein Musikinstrument eine große Bandbreite an Spiel- Exper<strong>im</strong>entier - undEntfal<strong>tun</strong>gsmöglichkeiten besitzt. Ein Instrumentarium, bestehend aus Raum, Wasserflächeund Musik. Der Klangraum, dieser „Raum <strong>im</strong> Raum“, hat eine max<strong>im</strong>ale Grundfläche von 2,50 x2.50 m und kann in jedem Z<strong>im</strong>mer ab einer Quadratmeterzahl von 30 m_ aufgestellt werden.Dass man sich in diesem Raum entfalten kann und eine Vielzahl von Möglichkeiten zumAgieren in und mit diesem Raum bestehen, wird schon be<strong>im</strong> Betreten des Klangraumesdeutlich. Bevor die Ohren angesprochen werden, gibt es <strong>im</strong> Klangraum erst einmal einiges zusehen.Da ist zum einen die Wasserklangfläche. Ein mit blauem Stoff überzogener 2 x 2 Meter großerQuader aus Schaumstoff, in dem ein handelsübliches Wasserbett eingebaut ist. Nicht sichtbarin diesem Quader ist die Musikübertragungseinheit. Sie befindet sich unter der Wasserflächeund versetzt diese über eine Verstärkeranlage in Schwingung. Angeschlossen ist daran ein CDPlayer und ein Mikrophon. Umrahmt wird das ganze von einem Holzrahmen, in dem sich eineLichtschiene befindet. Diese indirekte Beleuch<strong>tun</strong>g ist mehr als nur ästhetische Komponentezur Raumgestal<strong>tun</strong>g. Entsprechend der individuell veränderbaren Farbgebung st<strong>im</strong>uliert,verändert, verstärkt oder dämpft das Licht. Der Holzrahmen selbst eignet sich alsSitzgelegenheit, wenn Spielaktionen ausserhalb der Wasserfläche stattfinden sollen.Fachtagung 2007 R a D I K a L Seite 24 von 112


Wasserfläche durchdringt den gesamten Körper und ermöglicht eine schnelle Entspannung.Der Körper selbst benötigt hierbei keine Energie für den Ausgleich von Temperaturschwankungen,was nicht zuletzt auch dazu führt, dass der Kreislauf reguliert wird. Wärme, dieVorraussetzung für eine wirksame Entspannung der Muskulatur, wird dem Körper zugeführ<strong>tun</strong>d nicht genommen. Das Bewegtwerden auf der Wasserfläche ermöglicht ein intensives undangenehmes Spüren des Körpers. Die Körperwahrnehmung erfährt hier eine grundlegendandere Bedeu<strong>tun</strong>g und gewinnt an Qualität in der Form, dass sich sehr bewußt einKörperbewusstsein entwickeln kann. Muskuläre Anspannungen lösen sich , ein inneresAufatmen wird möglich. Inneres Aufatmen auch in der Form, dass die Atmung selbst spürbarerlebt wird und somit zu einer tiefen Entspannung geführt wird.Liegende Körperposition, Druckverteilung des Körpergewichtes, die sanften Bewegungen aufdem Wasser und die konstante Wärme der temperierten Wasserfläche bewirken, dass eineeinzigartige Atmosphäre entsteht. Alle diese Komponenten vermitteln ein Gefühl dessituativen Sichwohlfühlens. Innerhalb sehr kurzer Zeit stellt sich eine innere Ruhe ein. Esentsteht das Gefühl von fliesenden Wasserschwingungen getragen zu werden.Hilfsmittel zur Lagerung, wie etwa Keile, Rollen oder Sandsäckchen, normalerweiseunabdingbar bei Teilnehmern mit einer Körperbehinderung, werden bei der Lagerung aufeiner Wasserfläche nur sehr vereinzelt benötigt. Dies ist jedoch <strong>im</strong> Einzelfall mit einemKrankengymnasten abzuklären. Grundsätzlich gilt hier : je mehr Unterlagen unter den Körpergelegt werden, desto mehr geht die eigentliche Wirkung der Wasserbewegungen verloren.Unbedingt beachtet sollte bei allen Teilnehmern werden, dass der Kopf ein wenig höher alsder Rest des Körpers liegt. Bedingt durch die gleichmäßige Gewichtsverteilung auf derWasserfläche, sinkt der Kopf auf einer Wasserfläche mehr in die Unterlage ein als dies bei einerüblichen Lagerungsmatte der Fall ist. Das Gleichgewichtsorgan wäre ohne einentsprechendes Hilfsmittel tiefer als der restliche Körper, was zu unangenehmen Irritationenführt. Abhilfe kann ganz einfach durch ein kleines Kissen unter dem Kopf geschaffen werden.Fachtagung 2007 R a D I K a L Seite 26 von 112


Vielfalt – die AngeboteDie Bandbreite der <strong>im</strong> Klangraum möglichen Angebote ist sehr vielschichtig. Zur besserenÜbersicht lassen sich die Angebote in die Bereiche kennenlernen, <strong>entspannen</strong>, erfahren und<strong>tun</strong> unterteilen :kennenlernen- erste Erfahrungen mit dem Raum- erste Erfahrungen mit der Wasserfläche<strong>entspannen</strong>- Wasser bewegt sich – Wasser bewegt mich- hören in der Stille- hören nach Innenerfahren- Musik und Vibration- musikalisches Streicheln<strong>tun</strong>- Wasserklänge- Musik-Spiel-Instrumente- Spiel und freie Improvisationkennenlernen:erste Erfahrungen mit dem RaumDie ersten S<strong>tun</strong>den <strong>im</strong> Klangraum stehen für kennenlernen. Kennenlernen der neuenSituation, des neuen Begleiters, der neuen Eindrücke und der neuen Angebote. Kennen lernenheißt : die Tür zum Klangraum öffnen und erst einmal hineinschauen. Schon auf den erstenBlick wird deutlich : hier gibt es etwas zu hören, zu sehen und zu riechen. Ziel diesesAbschnittes ist es, mit dem Raum und seinen Möglichkeiten vertraut zu machen. Behutsamund tastend – neugierig und abwartend.Kennenlernen steht auch für die neuen Personen, die in diesem Raum agieren. Nähe ist beider hier vorgestellten Arbeitsweise ein wesentlicher Bestandteil und der soll sich langsamentwickeln können. Nähe aufzwingen würde keinerlei Sinn machen. Sinnvoll dagegen ist es,wenn eine Person, die den Teilnehmer gut kennt und Auskunft über Verhaltenänderungenund Wer<strong>tun</strong>g der Reaktionen geben kann, zu den ersten S<strong>tun</strong>den <strong>im</strong> Klangraum mitkommenkann. Um den Teilnehmer richtig einschätzen zu können ist es wichtig zu wissen, welcheAusdrucksmöglichkeiten, welche Bewegungsmöglichkeiten und Wahrnehmungsfähigkeitenzur Verfügung stehen. Und natürlich erleichtert des den Beginn, wenn bekannt ist wofür sichder Teilnehmer interessiert, wo er „abgeholt“ werden kann und wo etwaige Unsicherheitenund Ängste zu vermuten sind. „Abholen“ kann zum Beispiel bedeuten, dass <strong>im</strong> Hintergrundeine dem Teilnehmer bekannte Musik, vielleicht sogar seine vorher ausfindig gemachte„Lieblingsmusik“, zu hören ist. Generell jedoch sollte Musik zu diesem Zeitpunkt derFachtagung 2007 R a D I K a L Seite 27 von 112


Kennenlernphase dezent <strong>im</strong> Hintergrund bleiben. Auf keinen Fall sollte Musik zum Einsatzkommen, die starke Bässe beinhaltet und bei der die Vibrationen tiefer Basstöne zu spürensind. Vibrationen kommen erst viel später zum Tragen.Kennenlernen kann auch bedeuten, dass in einer Kleingruppe gearbeitet wird, und sich dieTeilnehmer untereinander erst einmal vertraut machen müssen. Bei der Zusammenstellungsolcher Mini-Gruppen stehen nicht etwa Rationalisierungsgedenken <strong>im</strong> Vordergrund. Vielmehrist es das Ziel, mit anderen Teilnehmern neue Erfahrungen machen zu können und in dieserruhigen Atmosphäre einfacher Kontakt zu anderen Menschen aufnehmen zu können.Und auch das Verlassen des Klangraums hat eine klare Vorgehensweise und endet nichteinfach abrupt durch das Öffnen der Tür und Hinausgehen. Dem Teilnehmer wird auch hierZeit gegeben, das Erlebte langsam ausklingen zu lassen. Die Beleuch<strong>tun</strong>g wird langsam demnormalen Tageslicht angepasst und auch die Musik und Vibrationen werden langsamer <strong>im</strong>merleiser, beziehungsweise <strong>im</strong>mer weniger. So kann der Teilnehmer in Ruhe noch 5 bis 10Minuten auf der Wasserfläche liegend die Angebote der S<strong>tun</strong>de auf sich wirken zu lassenbevor der Klangraum gemeinsam verlassen wird.kennenlernen:erste Erfahrungen mit der WasserflächeDie erste Begegnung mit der Wasserfläche sollte behutsam angegangen werden. Zwar könnendie 800 Liter Wasser des Wasserbettes, einmal in Bewegung gebracht, keine Seekrankheitauslösen. Aber irritierend bis unangenehm kann eine heftig schaukelnde Wassermatratzeschon sein. Vor allem dann, wenn man noch nie auf solch einem Untergrund gelegen hat. Undman sieht es dieser Liegefläche von außen auch nicht an, dass sich darin Wasser befindet.Daher ist es sinnvoll das „Geschehen“ erst einmal von außen zu beterachten, indem sichTeilnehmer und Begleiter auf den stabilen Schaumstoffrand setzen. Zunächst ist es die Handdes Begleiters, die auf die Wasserhülle drückt. Erst zaghaft und dann <strong>im</strong>mer heftiger lässt sichdaraus ein Spiel entwickeln, indem auch der Teilnehmer mit seinen Händen die Wasserflächein Bewegung versetzt. Interessant ist dabei zu beobachten, wie die auf das Wasser gesetztenDruck<strong>im</strong>pulse, ähnlich einer Billardkugel, zum gegenüberliegenden Ende der Matratze laufenund dann wieder zum Ausgangspunkt zurückkommen. Welche Bewegungen das Wasser allemachen kann, lässt sich besonders bei Kindern mit Hilfe eines Teddybären oder einer Puppegut sichtbar machen. Einmal auf die Wassermatratze gelegt, wird die „Testperson Teddy oderPuppe“ in Bewegung gebracht. Alle diese Schritte dienen dem Zweck, sich zusammen mitdem Teilnehmer langsam an das Thema Wasser in Verbindung mit Bewegung heranzutasten.Häufig befinden sich in der Wasserhülle kleinere und auch größere Luftblasen, die da jaeigentlich nicht sein sollten (siehe Vorberei<strong>tun</strong>g). Hier, in diesem Fall sind diese Luftblasenallerdings äußerst interessant, produzieren sie doch Blubbergeräusche und regen so zumspielerischen Umgang mit der Wasserfläche an.Fachtagung 2007 R a D I K a L Seite 28 von 112


<strong>entspannen</strong>:Wasser bewegt sich – Wasser bewegt michWurde bis jetzt das „Geschehen“ von außen betrachtet, so ist der nächste Schritt, dass sich derBegleiter zusammen mit dem Teilnehmer auf den Rand der Wasserfläche setzen. Jetzt wirdschon deutlicher : da bewegt sich was und ich selbst kann diese Bewegungen auslösen, kannsie auch steuern. Für diese neue Erfahrung sollte ausreichend Zeit zur Verfügung stehen.Dieses Kennenlernen kann wenige Minuten, eine S<strong>tun</strong>de oder eine Woche dauern. Schließlichsollen ja keinen neue Ängste erzeugt werden. Ein Fortschreiten erfolgt erst dann, wenn derTeilnehmer deutlich macht, dass er neugierig für weitere Schritte ist. Und auch die wiegendenBewegungen gehen erst <strong>im</strong> weiteren Verlauf in der Form in gleichmäßigeSchaukelbewegungen über, so wie dies der Teilnehmer zulässt.Als nächsten Schritt legt sich der Teilnehmer ganz auf die Wasserfläche oder er wird vorsichtigauf die Wasserfläche gelegt. Dabei ist zu achten, dass der gesamte Körper in Rückenlage aufder Wasserfläche liegt und ein kleines Kissen für den Kopf zur Verfügung steht. EinengendeKleidungsstücke sollten gelockert werden, Schuhe und eventuell auch eine Brille solltenabgelegt werden. Es ist wichtig, dass sich der Teilnehmer sicher fühlt und sich in der zunächstnoch neuen Situation langsam <strong>entspannen</strong> kann. Nur bei einer behutsamen Vorgehensweisekann der Teilnehmer zu Eigenaktivitäten motiviert werden.In der Regel setzt sich der Begleiter an den Rand oder legt sich in Seitenlage auf dieWasserfläche. Die Anordnung sollte jedoch <strong>im</strong>mer so sein, dass der Begleiter den Teilnehmergut beobachten kann. Seine Aufmerksamkeit solle sich dabei vor allem auf Veränderungenvon Gestik und M<strong>im</strong>ik, Veränderungen der Atmung und auf Eigengeräusche des Teilnehmersrichten. Auch hier ist es wieder das Einfühlungsvermögen des Begleiters gefragt umfestzustellen, wie viel Nähe der Teilnehmer wünscht, beziehungsweise wie viel Nähe derTeilnehmer braucht. Zunächst gehen allen Wasserbewegungen vom Begleiter aus.Die sanften Bewegungen der Wasserfläche ermöglichen, die Körper-Raum-Wahrnehmungintensiv zu erleben und Körpererfahrungen bewusst zu erfahren. Selbst geringsteEigenbewegungen übertragen sich auf die gesamte Wasserfläche und werden dabei in ihrerIntensität auch noch verstärkt. Dabei vermitteln die Bewegungen einen permanenten Hautreiz.Durch die eigenen Bewegungen des Teilnehmers können Veränderungen der Körperhal<strong>tun</strong>gbewusst gemacht werden. Insbesondere bei Teilnehmern mit schweren körperlichenBeeinträchtigungen kann ein Gefühl der Freude an den eigenen Bewegungen entwickeltwerden.Fachtagung 2007 R a D I K a L Seite 29 von 112


<strong>entspannen</strong>:hören in der StilleEs klingt wahrscheinlich paradox : der Klangraum, dieser Raum, in dem es klingt und tönt undin der Musik als Vibration erfahrbar gemacht werden kann, ist auch ein Raum der Stille. Indiesem Fall ist der Klangraum ein Raum, in dem die Ohren ganz bewusst abgeschalten können.Unsere Ohren sind ständig den unterschiedlichen Höreindrücken ausgesetzt. Im Gegensatz zuunseren Augen, die wir schließen können oder mit denen wir wegsehen können, können wirdas mit unseren Ohren nicht. Unsere Ohren sind ständig „auf Empfang“ gestellt. SelbstGeräusche, die einige Meter von uns auftreten, lassen sich mit dem „Fernsinn“ Gehörwahrnehmen. Und auch „um die Ecke“ hören ist kein Problem für uns. Unsere Ohren sindständig den unterschiedlichsten Höreindrücken ausgesetzt. „Noise pollution“ nennen das dieAmerikaner, was neudeutsch so viel bedeutet wie Verschmutzung der Umwelt durch Lärm.Dabei steigt das Ausmaß der akustischen Beeinflussung durch Höreindrücke von Tag zu Tag.Hinzu kommt, dass sich unsere akustische Umwelt stetig verändert – und das leider nicht zuunseren Gunsten. Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, dass Lärm sehr unterschiedlich undindividuell empfunden wird. Lärm ist nämlich kein physikalischer, sondern ein psychologischerBegriff, der <strong>im</strong>mer mit positiven oder negativen Erfahrungen in Verbindung gebracht wird.„Das Ohr ist das Tor zur Seele“, besagt ein indisches Sprichwort. Hören, das ist nicht nur einSinn zur Wahrnehmung. Hören können heißt offen zu sein zum Kommunizieren und zumEmpfinden. Insbesondere auf der sozialen und der emotionalen Ebene ist das Hören einwichtiger Teil der Lebensqualität. Es ist wichtig, dass wir uns nicht nur vor Lärm schützen,sondern dass wir uns ganz bewusst und vor allem gezielt mit dieser akustischen Umweltauseinandersetzen. Ziel ist der sinnvolle Umgang mit der akustischen Umwelt; dasBewusstmachen von HörenDer Klangraum bietet innerhalb seiner Gesamtkonzeption diese Möglichkeit die Stille zuentdecken. Zielsetzung ist dabei mit dieser Stille bewusst umzugehen. Es gilt sich vor der Stillenicht zu fürchten und Stille nicht mit Leere gleichzusetzen. Die Stille zu hören bedeutet alsonicht, nichts zu hören. Es ist vielmehr ein langsames Heranführen an <strong>im</strong>mer weniger Töne undGeräusche bis hin zur Stille. Ein Instrument auf diesem Weg ist die Klangpyramide, die mit ihrerharmonischen Obertonstruktur eine ganz besondere Raumatmosphäre für das Erleben derStille schafft. Häufig ist es ein langer Weg diese Stille (wieder) zu finden und mit ihr (wieder)umgehen zu können.erfahren:hören nach InnenUnsere eigene, unsere inneren Musik ist ständig präsent : die Vielzahl körpereigene Rhythmenin Form von Alltagsgeräuschen, dem Pulsieren de Blutes, dem Herz – und Pulsschlag, dieunendlichen Ausdrucksmöglichkeiten unserer St<strong>im</strong>me. Es ist so etwas wie die Sinfonie unseresLebens.Fachtagung 2007 R a D I K a L Seite 30 von 112


Das Hören körpereigener Geräusche ist das Bewusst machen von Eigenrhythmen (jederMensch hat ein eigenes biologisches Tempo) und ein Hineinhören in die innere Welt deseigenen Körpers. Atemgeräusche und Puls, Geräusche, die bei Bewegungsabläufen entstehen,der Herzschlag usw werden mit einem Stethoskop hörbar gemacht bzw mit Hilfe einesPhonoskopes (ein Stethoskop, das elektronisch verstärkt werden kann) auf dieWasserklangfläche übertragen.erfahren:Musik und VibrationDie Wasserklangfläche, wichtiger Bestandteil des Klangraumes, macht es möglich : mehr Bass -mehr Erlebnis. Das Entscheidende bei der Wasserklangfläche ist, dass bei geringer LautstärkeMusik nicht auf dem Luftweg, sondern direkt auf den Körper übertragen wird. Bei einerherkömmlichen Klangübertragung werden Schallwellen durch unser menschliches Ohraufgenommen und dort in Nerven<strong>im</strong>pulse umgewandelt. Diese werden dann an unser Gehirnweitergeleitet werden. Anders bei der Übertragung von Musik auf die Wasserklangfläche. InFolge seines hohen Wassergehaltes wird bei dieser Beschallung der Körper durch Klangwellenin Schwingungen versetzt. Das Innere des menschlichen Organismus wird je nachKlangangebot unterschiedlich stark massieren. Dabei ist jedoch die Klangübertragung nichtganz unproblematisch. In einem trägen Medium wie Wasser können Frequenzen bis max. 2000Hz als Vibration gefühlt werden. Wichtig ist dabei, dass nicht nur Bässe und tiefe Frequenzenübertagen werden. Auch die höhere Frequenzen müssen <strong>im</strong> allgemeinen Klangbild vorhandensein. Nur wenn dieses Gesamtklangbild, bestehend aus Bässen, mittleren Frequenzen undHöhen vorhanden ist, ist ein Erfühlen von Musik möglich. Durch diese spezielleMusikübertragung haben tiefe Frequenzen eine <strong>entspannen</strong>de und beruhigende Wirkung undbieten sich besonders für relaxierende Massnahmen an. Das gleiche gilt fürKlangkompositionen, die sich aus winzigen Elementen zusammensetzen und sich über einenlängeren Zeitraum allmählich verändern, sowie Klangkompositionen, die über einemgleichbleibenden Rhythmus aufgebaut sind.erfahren:Musikalische StreichelnAlle <strong>im</strong> Laufe unseres Lebens gemachten Erfahrungen speichern sich in unserem Körper.Verletzungen und Ängste manifestieren sich in Verspannungen. Viele dieser Verspannungensind aber auch ein Spiegel dessen, wie wir mit unserem Körper umgehen.Ziel des musikalischen Streicheln ist es, über die Arbeit mit dem Körper, einen direktrenZugang zu unserer Lebendigkeit und zu unseren Gefühlen zu bekommen. Dieses Empfindenund Erleben der eigenen Person hängt dabei sehr stark von der Wahrnehmungsfähigkeit derHaut ab. Die Haut, als aufnehmendes Sinnesorgan, die auf Berührungen unmittelbar mit demGefühl reagiert, ist ausschlaggebend für die gesamte Entwicklung des menschlichenVerhaltens. Das musikalisches Streicheln baut dabei weitgehend auf Empfindungen auf, dieFachtagung 2007 R a D I K a L Seite 31 von 112


ausschließlich über die Haut wahrgenommen werden. Unter den Berührungen <strong>entspannen</strong>sich die Muskeln, der Atem fliesst besser und das Wohlbefinden erhöht sich. Während dieserAngebote ist Musik weder hörbar noch als Vibration fühlbar. Es sind vielmehr sehr reduzierte,sehr wenige Eindrücke, die vermittelt werden, um eine Reizüberflu<strong>tun</strong>g auszuschliessen.Musikalisches Streicheln wird mit St<strong>im</strong>mgabeln und mit Musikinstrumenten, mitInstrumentenschlegeln und der flachen Handfläche durchgeführt.Zum „Einstieg“ eignet sich die St<strong>im</strong>mgabel, die zunächst aus grösserer Distanz zum Ohr hinund die über den ganzen Körper des Teilnehmers geführt wird. Der Übergang vom Hörendieses einzelnen Tones hin zum Fühlen des Tones auf dem Körper geschieht in der Form, dassdie angeschlagene St<strong>im</strong>mgabel auf einzelne Knochenpartien aufgesetzt wird, wodurch derTon direkt am Körper spürbar wird. Ob nun Armknochen, Brustbein, Schläfenbein, Kniescheibeoder sogar Fußknochen : dieser St<strong>im</strong>mgabel – Ton ist unterschiedlich intensiv <strong>im</strong>mer fühlbar.Je nachdem wie weit sich der Aufsatzpunkt der St<strong>im</strong>mgabel am Körper vom Kopf wegbewegt,ist der Ton auch hörbar.Unter musikalischem Streicheln ist auch zu verstehen wenn Musikinstrumente, die Töne vonsich geben wenn sie über den Körper bewegt werden, verwendet werden. Hierfür eignen sichvor allem die Cabasa, Schellentrommel, Glöckchen oder Maracas.Eine weitere Form des musikalischen Streicheln ist die, wenn mit den Fingerspitzen, derfalchen Hand oder mit einem weichen Trommelschlegel der Körper des Teilnehmers <strong>im</strong>Rhythmus von Musik abgeklopft wird. Anregend, st<strong>im</strong>ulierend und belebend durch schnellesAbklopfen mit den Fingern bei rhythmisch betonter Musik. Bei ruhiger und sanfter Musik sindes ruhige und <strong>entspannen</strong>de Bewegungen der flachen Hand über einzelne Körperpartien wieder Arme und Hände des Teilnehmers.Nicht zuletzt diese Form des musikalischen Streicheln : der Teilnehmer liegt in Rückenlage aufder Wasserklangfläche und wird <strong>im</strong> Rhythmus der vorgegebenen und über dieWasserklangfläche eingespielten Musik mit weichen Trommelschlägeln oder mit der flachenHand „abgeklopft“.<strong>tun</strong>:WasserklängeIm Klangraum zieht sich das Element Wasser wie ein roter Faden durch das gesamte Konzept.Eigentlich müsste man sagen Wasser „fließt - mäandert“ durch das Klangraum – Konzept. Dasind die Bewegungen auf der Wasserfläche. Musik und Sprache werden auf Wasser übertragen.Wassergeräusche werden gehört und Wasser lädt zur Klang- Improvisation ein. Wasser spielthier also eine wortwörtlich „tragende“ Rolle und Wasser ermöglicht völlig neue Hör- undSpielerlebnisse. Dass man mit Wasser auch Musik machen kann ist eine zusätzliche, eineäusserst interessante Erfahrung sein. Da ist zum Beispiel die Wassertrommel, eines der ganzwenigen Musikinstrumente, das nur mit Wasser zum Klingen gebracht werden kann.Fachtagung 2007 R a D I K a L Seite 32 von 112


Ursprünglich kommt dieses Instrument aus Afrika und dufte früher nur von Frauen gespieltwerden. Es sind dumpfe, fast singende Töne, die man mit einer Wassertrommel produzierenkann. Dabei besteht dieses Instrument aus jeweils zwei zu drei Viertel mit Wasser gefülltenKürbisschalen, in die mit dem Rand nach unter, wiederum eine kleinere Schale gestülpt wird.Wenn man mit einem Filz- oder Gummiklöppel darauf schlägt, erklingt der Ton. Verändern lässtsich der Ton, indem man den Rand der kleineren Schale vorsichtig aus dem Wasser hebt unddann wieder hinein senkt.Oder die Wassermusik mit Schüsseln, Töpfen und sonstigen Gefäßen. Wasser wird von einemGefäß in ein anderes umgeschüttet. Wasser wird in große Schüsseln gefüllt, in denen man mitden Händen herumpatschen kann. Wasser wird zum Blubbern gebracht, indem man mitTrinkhalmen in halb gefüllte Wassergefäße hineinbläst. Diese Wassermusik sollte auf jeden Fallaufgenommen werden und später gemeinsam angehört werden.Aus China kommt die Wasserspringschale. Die auf einer weichen Unterlage stehende und ausBronze gefertigte Schale wird bis zum Griffansatz mit Wasser gefüllt. Reibt man nun mitfeuchten Händen gegenläufig über die beiden an der Schale eingearbeiteten Griffe, gerät sie ineine Schwingung. Diese Schwingungen manifestieren sich in einem hörbaren Ton und insichtbaren, in kleinen Wasserfontänen kulminierenden Interferenzen auf der Oberfläche desWassers.Fachtagung 2007 R a D I K a L Seite 33 von 112


Musik-Spiel-Instrumente <strong>im</strong> KlangRAUMIm KlangRAUM wird ausschließlich mit Musikinstrumenten gearbeitet, die kein musikalischesKönnen voraussetzen. Ein „unmusikalisch“ gibt es dabei nicht. Berührungsängste sind nichtangebracht. Musik entsteht <strong>im</strong> Dialog : in Dialog treten und Resonanz finden. Folgedessenkann Musik nie richtig oder falsch sein. Was richtig oder was falsch ist, ist <strong>im</strong>mer eineWirklichkeitskonstruktion. Wirklichkeitskonstruktionen gibt es so viele wie es Menschen gibt.Wirklichkeiten entstehen <strong>im</strong>mer nur darin, dass sich der Mensch seine eigene Wirklichkeitschafft.Um das breite Spektrum ein wenig überschaubar zu machen, haben wir die uns für die Praxissinnvoll erscheinenden Musikinstrumente in sechs Bereiche unterteilt.KlangreisenDie Anwendungsmöglichkeiten der hier zusammengestellten Musikinstrumente reichen vonden leisen bis hin zu den lauten Tönen. Vom schwebenden Klang der Klangschalen bis zumtiefen Grollen des Gongs. Die meisten von ihnen zeichnen sich durch lang klingende Töneoder feine Obertonschwingungen aus. Allen gemeinsam ist, dass sie sich für Raumklänge undeinzigartige Klangerfahrungen eignen; und natürlich zum Kennenlernen fremder Kulturen.Freie Improvisation und Gruppen<strong>im</strong>provisationMusikinstrumente für freies Spiel, Spielerlebnis, Spiel <strong>im</strong> Dialog und Gruppen<strong>im</strong>provisation.Tiefe, warme, dumpfe und trockene Klänge, Basisrhythmen, Spiel mit Fingerspitzen, flacherHand oder unterschiedlichsten Schlägeln. Die faszinierende Vielfalt des Trommeln, dieelementarste Form des Musizierens.Ein einzigartiges Improvisationsinstrument, vor allem wenn es innerhalb einer Spielaktionentsprechend unfunktioniert wird, ist der Flügel. Und das soll klingen ? Ja ! Und Spaß macht esauch.Naturklänge und TiergeräuscheBei den Geräusch- und Tonerzeugern, welche die Laute von unterschiedlichen Tieren oder dasZwitschern von allen möglichen Vögeln <strong>im</strong>itieren ist alleine schon ihr Erscheinungsbildinteressant, lustig und bunt. Einige haben Form und Farbe einer Birne oder einer Banane undgeben be<strong>im</strong> Schütteln laute Rasseltöne von sich. Diese Musikinstrumente motivieren zum indie Hand nehmen und zum Spielen. Aber auch die Klänge von Wind und Regen sindvertreten. Diese schier endlose Vielfalt von Geräusch- und Klangobjekten bilden die Grundlagefür ein gezieltes Heranführen an Hörprozesse. Hörerfahrungen verbunden mit sehen, fühlen,greifen und riechen.Fachtagung 2007 R a D I K a L Seite 34 von 112


Hinzu kommt der spielerische Umgang mit Geräuschen und Tönen, mit Formen und Farben.Eine allzu ausführliche Beschreibung kann man sich bei den meisten Exponaten fast ersparen,denn schon alleine ihre Namen haben genügend Aussagekraft.Musikinstrumente für die musikalisch-basale St<strong>im</strong>ulationTief vibrierende Töne und Klänge. Schwingungen werden auf den Körper übertragen undbewirken Entspannung. Musik wird am gesamten Körper intensiv spürbar – Musik wird zurKörper-Erfahrungen. Die vorgestellten Musikinstrumente für die musikalisch.basale St<strong>im</strong>ulationvermitteln unterschiedliche Sinnesangebote : der obertonreiche Klang der meist auf eineneinzigen Ton gest<strong>im</strong>mten Saiten klingt anregend und <strong>entspannen</strong>d. Durch die Berührungenmit dem Instrument werden die Schwingungen der Saiten spürbar –wie eine sanfte Massage.Und es sind andererseits Musikinstrumente, deren Töne durch Berührung zum Klingengebracht werden.SaitenklängeDie gute, alte Gitarre. Was lässt sich nicht alles mit ihr begleiten: Kindergeburtstage,morgendliche Stuhlkreise, Andachten, Grillfeste und vieles mehr. Wenn, ja wenn man fleißigviele Monate geübt hat und dann die entsprechenden Akkorde greifen kann. Es geht auchanders – mit der V-Gitarre. Mit einem einfach zu bedienenden Akkordgreifer werden, „perKnopfdruck“ die drei wichtigsten Akkorde für jede Liedbeglei<strong>tun</strong>g gespielt.Ähnlich funktioniert auch die Autoharp, bei der ebenfalls ohne jegliche Notenkenntnisse Liedergespielt werden.Darüber hinaus haben wir für den Streichpsalter, ein für das Begleiten von Liedern ebenfallsäußerst interessantes und einfach zu handhabende Instrumente, einfache Spielanweisungenzusammengestellt.digital soundMusik kommt nicht nur aus der Steckdose, auch wenn die hier vorgestellten Musikinstrumenteohne einen Stecker und eine Steckdose nicht auskommen. Da ist zum einen das Keyboard miteiner Vielfalt an Klangfarben, einer schier endlosen Anzahl von Rhythmen und programmiertenLiedern zum Üben und Mitspielen. Das elektronische Drumkit mit berührungsempfindlichenDrum Pads bietet nicht nur Kindern und Jugendlichen einen guten Einstieg in den Umgangmit Tönen und Geräuschen und ermöglichen eine eigene Musizierdynamik. Bei denPercussions Tubes ist ein Spielen von unterschiedlichen Percucsionsinstrumenten gar überBewegungssensoren möglich.Viele der aufgeführten und für den KlangRAUM geeigneten Musikinstrumente lassen sich übereinen Tonabnehmer direkt an die Musikübertragungseinheit anschliessen. Die kompletteWasserfläche wird dann zur Klangfläche und alle Töne werden je nach angespielter TonhöheFachtagung 2007 R a D I K a L Seite 35 von 112


hör – und fühlbar. Je nach angespielter Tonhöhe bedeutet, dass natürlich nur tiefe Töne auchals Vibration gespürt werden können.Musik ist Spiel, Interaktion, Lebensfreude. Das ist Musik machen, <strong>im</strong> Sinne einer spontanenmusikalischen Handlung. Es ist gerade dieser spielerische Umgang mit Musikinstrumenten, derlebendige und pr<strong>im</strong>äre Kräfte frei setzt. Es ist die wert - freie Improvisation mi<strong>tun</strong>terschiedlichen Klängen und Tönen, die das Vertraut- und Bewusstmachen einer in jedemMenschen vorhandenen Musikalität ermöglicht.Durch das Bereitstellen einfachster Musik – Spiel – Möglichkeiten werden die eigenenHandlungskompetenzen erweitert. Erlebnisorientierte Situationen erlauben es, in einendirekten Kontakt zur eigenen Person und zu anderen Menschen zu treten. Und so ist <strong>im</strong>KlangRAUM neben Musikinstrumenten und Materialien zur Sinneserfahrung, das wichtigsteHandwerkzeug zum Auslösen dynamische Prozesse die Interaktion.Der AutorBerndt Vogel, Lehrmusiktherapeut DGMT/DBVMT, Leiter KlangINSTITUTButtel 4, CH – 9479 OberschanEmail: berndt.vogel@klanginstitut.com, www.klanginstitut.comProjektleiter LandschaftsSINNfonie Lukashaus,Grabs+41 81 750 31 81www.landschaftssinnfonie.chFachtagung 2007 R a D I K a L Seite 36 von 112

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