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Stephan Schlak: Ernst Jüngers letzte Worte

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Letzte <strong>Worte</strong>Herz zwei Jahre später zu seiner endgültig «<strong>letzte</strong>n Expedition»aufbricht, scheint es der Nachwelt eine <strong>letzte</strong> Nachricht zu verweigern.Diese Leerstelle verblüfft, hatte Jünger doch seit demKrieg die ganze zweite Hälfte seines Lebens <strong>letzte</strong> <strong>Worte</strong> bedeutender,aber auch namenloser Verstorbener gesammelt.Im Schatten der vielen Toten des Krieges, aber in der Mitteseines eigenen Lebens beginnt Jünger in den fünfziger Jahren dieSammlung. Zwar rebellierte er in seinen Schriften zeitlebens gegendie rational geordnete Apothekerwelt seines Vaters. Aber alsSammler von Käfern, Sanduhren oder eben <strong>letzte</strong>n <strong>Worte</strong>n legteer selbst Systematik und erstaunliche Pedanterie an den Tag. Eigenshatte er sich Postkarten drucken lassen, auf deren Rückseite dieSparten «Autor», «Letztes Wort» und «Quelle» schon vorab tabellarischeingefügt waren. Vorgedruckt adressiert waren die Todesbotschaftenan – «<strong>Ernst</strong> Jünger / Wilhelm Hauff-Str. 18 / Ravensburg.»Die Fundstellen sollten ihm als Todesbotschaften ins Haus flattern.Die meisten Karten beschriftete Jünger selbst – bisweilen ergänzteer die Sammlung aber auch um ein <strong>letzte</strong>s Wort, das ihmvon seinen Sekretären Armin Mohler und Albert von Schirndingoder Freunden zugesteckt wurde, die er mit den vorgedrucktenKarten versorgt hatte. Unmengen von <strong>letzte</strong>n <strong>Worte</strong>n hat Jüngerdurch alle Zeiten und Räume, von Sokrates bis Oscar Wilde, mitden Jahren aufgespießt, in alphabetische Ordnung gebracht, ohneRücksicht auf den Rang oder seine Wertschätzung der Toten. Blättertman sich im Marbacher Literaturarchiv, wo die Hunderte vonSentenzen in vier Karteischubern aufbewahrt sind, nach der Artdes Daumenkinos durch die Sammlung, so folgen auf eine vergesseneHamburger Kiezgröße, den Einbrecherkönig «Hannack», dersich auf dem Schafott noch einmal Luft macht («Wat dann sinmut, mut sin.»), der Feldherr Hannibal («Ich will den Römern dieFurcht vor einem alten Manne nehmen.»), gleich darauf der NobelpreisträgerGerhart Hauptmann, der in seinem Haus in Agnetendorfstirbt, kurz vor der angekündigten Vertreibung aus seinerschlesischen Heimat («Bin ich noch in meinem Hause?»).Der Tod ist der große Gleichmacher. Was durch Jahrhundertegetrennt war, durch ideologische Lager oder intellektuelle Sphären,folgt hier aufeinander. Der berühmte Mathematiker Thomas Fantetde Lagny, der am Projekt der Verzifferung festhält und auch in

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