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In: Widerspruch Nr. 44 Ausverkauf der Philosophie (2006), S.163-164Autor: <strong>Wolfgang</strong> <strong>Melchior</strong>RezensionPeter Prechtl (Hg.)Grundbegriffe der analytischen Philosophiemit einer Einleitung von Ansgar Beckermann, Stuttgart 2004,Metzler, 227 S., brosch., 8.-- EURPrechtls Lexikon „Grundbegriffe der analytischen Philosophie“ enthält ca.500 Artikel. Es richtet sich an Studierende und philosophisch Interessierte.Allerdings muss hier einschränkend betont werden, dass durch den Verzichtauf eine Begriffsgeschichte jedes Eintrags und die Konzentration auf dieSystematisierung der Begriffsverwendung das Nachschlagewerk nicht unbedingtAnfängern der analytischen Philosophie anzuempfehlen ist. Dafür werdendie Begriffe zu konzise behandelt und verzichten auf jede Diskussion.Die meisten Einträge enthalten sehr brauchbare Literaturverweise. Die Artikelstammen von ca. 30 Autoren und lassen sich in Personen- und Sachbegriffsartikelunterteilen. Es mag ja eine Frage des philosophischen Geschmackssein, welche Personen einen eigenen Artikel verdienen und welche nicht, jedochdie vergebliche Suche nach so wichtigen analytischen Philosophen wieDennett, Moore, Fodor und Goodman wundert doch etwas. Ohne dasWerk unnötig aufzublähen wäre es zudem hilfreich gewesen, wenn Prechtl allengenannten Personen einen Personenartikel gewidmet und dort – wennschon keine ausführliche Biographie – wenigstens auf die behandelten Sachbegriffedieser Autoren verwiesen hätte, etwa: Gödel Unvollständigkeitssatz.Dieser Service hätte dem Leser zumindest einen Überblick über die denjeweiligen Philosophen zugeordneten Sachthemen verschafft.Auffällig und kritikabel ist ebenfalls, dass drei wesentliche Bereiche oderDisziplinen der analytischen Philosophie eindeutig zu kurz kommen:– die Philosophie der Mathematik oder Meta-Mathematik (Hilbert, Cantor, Gödel):Weder zur Turing-These noch zum Intuitionismus noch zur RussellschenMengenantinomie findet man Einträge, dafür bietet der Themenkreis Intentiongleich vier Artikel (wie auch die der Personenartikel zu John Searle ungewöhnlichlang geraten ist).


– die (philosophischen) Logiken: Im Artikel „Modalität“ wird zwar auf einen Eintragzur Modallogik verwiesen, den man leider vergebens sucht (entweder einDruckfehler oder ein redaktionelles Versehen), genauso wie Einträge zu denso wichtigen philosophischen Logiken des nicht-monotonen Schließens (inklusivedes Monotonieprinzips selbst), des natürlichen Schließens oder vonmehrwertigen Logiken. Zu den Grundbegriffen der analytischen Philosophiegehören auch ganz sicher logische Grundbegriffe wie Junktor undFunktor, die der Band auch vermissen lässt. Auch kommen die Artikel zurPrädikatenlogik bzw. zum Begriff Prädikat nur wenig über die AristotelischenBestimmungen hinaus. Dort sollte doch zumindest der Unterschied zwischenPrädikat als Allgemeinbegriff und dem von Individuenkonstanten alseinschlägig auftauchen.– Wissenschaftstheorie und Wissenschaftsgeschichte: Mit ihrer Ablehnung spekulativerPhilosophie und Metaphysik – wie sie etwa vom Wiener Kreis (Carnap,Neurath, Schlick) oder dem frühen Wittgenstein formuliert wurden – hatsich die analytische Philosophie dezidiert der (Natur-)wissenschaft als neuemKandidaten guter Theoriebildung zugewandt. Ob als systematisches Unternehmenwie vom Strukturalismus (Stegmüller, Balzer, Moulines) vorgetragenoder als historisch wie von Kuhn, Fraasen oder Lakatos formuliert:Grundbegriffe zu diesem Themenkomplex lässt das Lexikon ebenfallsvermissen.Leider fehlt ebenso der zwar etwas jüngere, doch zunehmend an Bedeutunggewinnende Bereich der Analytischen Ethik (Gefangenendilemma,Spieltheorie, Entscheidungstheorie, Theory of Social Choice etc.). Das istnicht weiter schlimm, sollte jedoch dem Leser wenigstens einleitend mitgeteiltwerden. Die meisten Artikel kreisen um die Sprachphilosophie undPhilosophie des Bewusstseins und drei Namen: Searle, Davidson, Quine.Einen Hinweis für diese sprachanalytische Beschränkung liefert der Einführungsartikelvon Ansgar Beckermann, der nicht nur einen kurzen historischenAbriss gibt, sondern auch ein emphatisches Bekenntnis zur analytischenPhilosophie ablegt. „Gut 100 Jahre ist die Analytische Philosophiejetzt alt, und alles in allem kann man ihre bisherige Geschichte durchaus alsErfolgsgeschichte bezeichnen“, schreibt Ansgar Beckermann. Doch auchhier wird die analytische Philosophie im Wesentlichen mit ihrer ursprünglicheAufgabe als Sprachphilosophie oder Sprachanalyse identifiziert ohnedarauf zu achten, was sich daraus für Forschungsvorhaben ergeben habenund noch ergeben könnten. Die Selbstverpflichtung zur Sprachanalyse bedeuteteeben keinen reinen negativen Impetus als anti-spekulative oder antimetaphysischeBewegung wie dies Beckermanns Artikel nahe legt, sondernfand in den drei Hauptströmungen der Philosophie der Normalsprache, derIdealsprachphilosophie (worunter Logik und Meta-Mathematik zu neuerBlüte erlangten) und der neopositivistischen Wissenschaftstheorie (Verifika-


tionismus, Falsifikationismus) konkrete neue Gestaltungsräume.Beckermann sieht die analytische Philosophie nicht als eine weltanschaulicheStrömung, die selbst eigene Systeme entwirft, sondern als ein „normalesFach“, das die großen und kleinen Fragen der Philosophie als Sachfragen systematischund mit methodischer Strenge beleuchten will. Als das Gemeinsameder analytischen Philosophie bleiben auf diese Weise zwei formale odermethodische Leitlinien und eine inhaltliche Leitlinie übrig. Inhaltlich geht esum die Klärung von Sachfragen. Formal soll dies erreicht werden durch dieVerpflichtung auf Rationalitätsstandards sowie die Klarheit und Transparenzder Argumentation. Klar ist, dass die analytische Philosophie damit einStück Normalität (zurück-)gewonnen hat, weil sie sich unter den genanntenRichtlinien auch Fragen widmet, die ein Frege, Carnap oder Wittgensteinnoch als metaphysischen Unsinn abgetan hätten – allerdings, so würde Beckermannsagen: mit einer anderen Zielrichtung (Sachfragen-Charakter) undmit anderen Methoden.Trotz der genannten Mängel ist Prechtls Nachschlagewerk insgesamt alsein ganz gelungener Versuch zu sehen. Es bedarf Ergänzungen, man kannund sollte aber darauf aufbauen.<strong>Wolfgang</strong> <strong>Melchior</strong>

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