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Qualitätsstandards in der betrieblichen Suchtprävention und ...

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IIIAbkürzungenAGGArbSchGBGFBGMBGV A 1BVBZgADHSDVEAPfagsGUV-V A 1HLSIiAWILOKTMOVERKISGBSKOLLWHOAllgeme<strong>in</strong>es GleichbehandlungsgesetzArbeitsschutzgesetzBetriebliche Ges<strong>und</strong>heitsför<strong>der</strong>ungBetriebliches Ges<strong>und</strong>heitsmanagementBerufsgenossenschaftliche Vorschriften - Allgeme<strong>in</strong>e Vorschriften:1 Prävention (Unfallverhütungsvorschriften)Betriebsvere<strong>in</strong>barungB<strong>und</strong>eszentrale für ges<strong>und</strong>heitliche AufklärungDeutsche Hauptstelle für SuchtfragenDienstvere<strong>in</strong>barungEmployee Assistance Program (Programm zur Mitarbeiterberatung meistexterner Dienstleister)Fachverband GlücksspielsuchtGeme<strong>in</strong>de-Unfallversicherung - Allgeme<strong>in</strong>e Vorschriften: 1 PräventionHessische Landesstelle für SuchtfragenInstitut für <strong>in</strong>terdiszipl<strong>in</strong>äre Arbeitswissenschaft, Leibniz Universität HannoverInternational Labour Organization (Internationale Arbeitsorganisation)Kontrolliertes Tr<strong>in</strong>kenMotivierende Kurz<strong>in</strong>tervention (bei konsumierenden Jugendlichen)Robert Koch-InstitutSozialgesetzbuchSelbstkontrolltra<strong>in</strong><strong>in</strong>gWorld Health Organization (Weltges<strong>und</strong>heitsorganisation)


E<strong>in</strong>leitung 1E<strong>in</strong>leitungBetriebliche Suchtpräventionsprogramme s<strong>in</strong>d seit 30 Jahren Bestandteil mo<strong>der</strong>ner Personalpolitik <strong>in</strong>privaten Unternehmen <strong>und</strong> öffentlichen Verwaltungen. Ursprünglich gestartet als Alkohol- o<strong>der</strong>Suchtprogramme haben sie sich hervorragend bewährt, bei Suchtproblemen am Arbeitsplatz wirksamzu unterstützen. Sie haben e<strong>in</strong>en wichtigen Beitrag zur Enttabuisierung des Themas"Suchterkrankung" auf allen Hierarchieebenen geleistet <strong>und</strong> s<strong>in</strong>d geeignet, suchtgefährdete <strong>und</strong>suchtkranke Beschäftigte frühzeitig <strong>in</strong> Beratung zu br<strong>in</strong>gen <strong>und</strong> zur Therapie zu bewegen. In <strong>der</strong>Erweiterung als betriebliches Suchtpräventionsprogramm s<strong>in</strong>d sie zugleich <strong>der</strong> wirksamste Weg, e<strong>in</strong>enGroßteil <strong>der</strong> erwachsenen Bevölkerung mit Sucht vorbeugenden Maßnahmen gezielt zu erreichen.Die systematische Aufklärung über Wirkungen von Suchtmitteln, über riskante Konsummuster <strong>und</strong>ihre ges<strong>und</strong>heitlichen sowie sozialen Folgen hat neben den erweiterten rechtlichen Regelungen zue<strong>in</strong>er Verän<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Konsumkultur im Betrieb geführt. Beschäftigte werden zu e<strong>in</strong>emverantwortlicheren Umgang mit Suchtmitteln angeregt, was sich im kollegialen wie im privaten Umfeldpositiv auswirkt. Sichtbare Erfolge s<strong>in</strong>d die Reduzierung des Alkoholkonsums <strong>und</strong> des Rauchens amArbeitsplatz. Unterstützt wird dieser Effekt durch sachgerechte <strong>und</strong> ansprechende Informationen <strong>und</strong>Informationsmaterialien. Leicht zugängliche Broschüren, wie "Alles klar?" (BZgA o.J.) o<strong>der</strong> "Rauchfreiam Arbeitsplatz - E<strong>in</strong> Leitfaden für Betriebe" (B<strong>und</strong>esvere<strong>in</strong>igung 2002), klären über (ges<strong>und</strong>heits-)riskanten Konsum auf <strong>und</strong> geben Anregungen zur <strong>in</strong>dividuellen Konsumreduzierung wie zu<strong>betrieblichen</strong> Regelungen. Die vielfältigen Ansätze <strong>in</strong> <strong>der</strong> Suchtvorbeugung lassen sich hervorragendmit den Angeboten <strong>der</strong> <strong>betrieblichen</strong> Ges<strong>und</strong>heitsför<strong>der</strong>ung verknüpfen.Ebenso bedeutsam s<strong>in</strong>d die <strong>betrieblichen</strong> Programme für die Suchthilfe. Sie haben wesentlich zue<strong>in</strong>em Verständnis von Alkoholismus <strong>und</strong> an<strong>der</strong>en Formen <strong>der</strong> Abhängigkeit alsbehandlungsbedürftige Krankheiten beigetragen. Durch konsequent mit Hilfeangeboten verb<strong>und</strong>eneInterventionen bei Auffälligkeiten am Arbeitsplatz wird e<strong>in</strong> riskanter Konsum unterb<strong>und</strong>en.Suchtgefährdeten o<strong>der</strong> suchtkranken Beschäftigten wird frühzeitig e<strong>in</strong>e Perspektive aufgezeigt, wiesie mit betrieblicher Unterstützung e<strong>in</strong>e Lösung ihrer Suchtprobleme <strong>in</strong> Angriff nehmen können. Aufdiesem Wege verbessert sich die Prognose für ambulante, teilstationäre <strong>und</strong> stationäre Therapienerheblich. Die Qualifizierung <strong>der</strong> Personalverantwortlichen, Handlungsanleitungen mit gestuftenGesprächsfolgen sowie <strong>in</strong>terne <strong>und</strong>/o<strong>der</strong> externe Beratungsangebote s<strong>in</strong>d Kernelemente <strong>der</strong>Suchthilfe im Betrieb.Die Expertise zu den „Standards <strong>der</strong> Alkohol-, Tabak-, Drogen- <strong>und</strong> Medikamentenprävention <strong>in</strong>deutschen Unternehmen <strong>und</strong> Verwaltungen“ (2005) hat den Rahmen für Aktivitäten <strong>und</strong> Ansätze <strong>in</strong><strong>der</strong> <strong>betrieblichen</strong> Suchtprävention <strong>und</strong> Suchthilfe gesteckt. Sie wurde im Auftrag <strong>der</strong> DeutschenHauptstelle für Suchtfragen (DHS) vom Institut für <strong>in</strong>terdiszipl<strong>in</strong>äre Arbeitswissenschaft (WA/IAW)<strong>der</strong> Leibniz Universität Hannover mit f<strong>in</strong>anzieller Unterstützung <strong>der</strong> B<strong>und</strong>eszentrale für ges<strong>und</strong>heitlicheAufklärung (BZgA) verfasst. Bei <strong>der</strong> Formulierung <strong>der</strong> aktuellen Standards wurden wissenschaftlicheErkenntnisse <strong>und</strong> betriebliche Erfahrungen gleichermaßen e<strong>in</strong>bezogen. Insbeson<strong>der</strong>e wurdezurückgegriffen auf• Recherchen <strong>in</strong> <strong>der</strong> Fachliteratur,• Gutachten von Experten aus Wissenschaft <strong>und</strong> Praxis,• e<strong>in</strong>e Befragung von 600 Betrieben,• die Auswertung von Modellen guter Praxis,• Gruppen<strong>in</strong>terviews mit Akteuren <strong>der</strong> <strong>betrieblichen</strong> Suchtprävention <strong>und</strong> -hilfe• Expertengespräche <strong>in</strong> <strong>der</strong> Fachwelt.Die Standards wurden <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em mehrstufigen Prozess auf breiter Basis mit den haupt- <strong>und</strong>nebenamtlichen Fachkräften aus <strong>der</strong> <strong>betrieblichen</strong> Praxis abgestimmt. Daraus entstand dieserLeitfaden <strong>der</strong> "Qualitätsstandards <strong>der</strong> <strong>betrieblichen</strong> Suchtprävention <strong>und</strong> Suchthilfe" <strong>der</strong> DHS, <strong>der</strong>2006 <strong>in</strong> erster Auflage erschienen ist. Er hat allen Interessierten e<strong>in</strong>e Anleitung an die Hand gegeben,die es ermöglicht die aktuellen Standards im Betrieb umzusetzen. Der Leitfaden bietet e<strong>in</strong>e Gr<strong>und</strong>lage


2E<strong>in</strong>leitungfür professionelles Handeln <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>betrieblichen</strong> Suchtarbeit, das längst nicht mehr nur von denhauptamtlichen Suchtberater<strong>in</strong>nen <strong>und</strong> Suchtberatern erwartet wird, son<strong>der</strong>n gleichermaßen von dennebenamtlichen Ansprechpersonen.Der Leitfaden sowie die Ergebnisse <strong>der</strong> Expertise mit allen Erhebungsdaten <strong>und</strong> ausführlichenBeschreibungen <strong>der</strong> Standards f<strong>in</strong>den Sie auf <strong>der</strong> Homepage <strong>der</strong> DHS:www.dhs.de > Arbeitsfel<strong>der</strong> > ArbeitsplatzTrotz <strong>der</strong> e<strong>in</strong>fachen Zugänglichkeit <strong>der</strong> Qualitätsstandards werden sie bei <strong>der</strong> Weiterentwicklung <strong>der</strong><strong>betrieblichen</strong> Suchtpräventionsprogramme noch nicht ausreichend berücksichtigt. Seit den 90er-Jahren haben sich jedoch die rechtlichen Gr<strong>und</strong>lagen sowie die <strong>in</strong>haltlichen, strukturellen <strong>und</strong>strategischen Bed<strong>in</strong>gungen erheblich verän<strong>der</strong>t. Im Bereich <strong>der</strong> <strong>betrieblichen</strong> Suchtprävention ist esunumgänglich spätestens alle drei bis fünf Jahre kritisch auf das bisher Erreichte zu schauen <strong>und</strong>Regelungen <strong>und</strong> Verfahren fachlich <strong>und</strong> rechtlich auf den aktuellen Stand zu br<strong>in</strong>gen.Ziel ist es, die betriebliche Suchtprävention <strong>und</strong> Suchthilfe überall als verb<strong>in</strong>dlichen Teil despräventiven Arbeitsschutzes <strong>und</strong> als wichtiges Element des mo<strong>der</strong>nen Personal- <strong>und</strong>Ges<strong>und</strong>heitsmanagements <strong>in</strong> Betrieben aller Größenordnungen fest zu verankern. Für diejenigen, dieoftmals mit viel Engagement <strong>und</strong> nicht selten als E<strong>in</strong>zelkämpfer für e<strong>in</strong> betriebliches Angebot o<strong>der</strong>Programm e<strong>in</strong>treten, stellt dies sicherlich e<strong>in</strong>e große Herausfor<strong>der</strong>ung dar. Der hier vorliegendeaktualisierte Leitfaden gibt Fachleuten wie Laien Material an die Hand, um sich fachlich an denStandards <strong>der</strong> <strong>betrieblichen</strong> Suchtprävention <strong>und</strong> Suchthilfe zu orientieren <strong>und</strong> sich als ernst zunehmen<strong>der</strong> Kooperationspartner im <strong>betrieblichen</strong> Ges<strong>und</strong>heitsmanagement positionieren zu können.Viele - vor allem kle<strong>in</strong>ere <strong>und</strong> mittlere - Unternehmen <strong>und</strong> Verwaltungen, s<strong>in</strong>d bei <strong>der</strong> E<strong>in</strong>führung,Aktualisierung o<strong>der</strong> Umsetzung e<strong>in</strong>es Suchtpräventionsprogramms auf externe fachlicheUnterstützung angewiesen. E<strong>in</strong>e erhebliche Anzahl von externen Berater<strong>in</strong>nen <strong>und</strong> Beratern, die ausSuchtpräventions- <strong>und</strong> Suchthilfee<strong>in</strong>richtungen kommen o<strong>der</strong> freiberuflich tätig s<strong>in</strong>d, können dafürh<strong>in</strong>zugezogen werden. Der Leitfaden bietet den <strong>betrieblichen</strong> Beteiligten Checklisten mit <strong>der</strong>en Hilfesie überprüfen können, wie weit sich die Anbieter mit ihren Konzepten an den aktuellen fachlichen <strong>und</strong>rechtlichen Standards ausrichten, z.B. frühe Gespräche bei "riskantem Konsum" anregen o<strong>der</strong> nachälteren Ansätzen e<strong>in</strong> Vorgehen empfehlen, das erst spät mit Interventionen bei "Suchterkrankung"beg<strong>in</strong>nt.


Kapitel 1 Standards 31. Standards <strong>der</strong> <strong>betrieblichen</strong> Suchtprävention<strong>und</strong> H<strong>in</strong>weise zur Arbeit mit dem Leitfaden1.1 Arbeit mit Standards <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>betrieblichen</strong> Suchtprävention<strong>und</strong> Suchthilfe1.1.1 Betriebliche SuchtpräventionsprogrammeBetriebliche Suchtpräventionsprogramme verdanken ihre Stellung, die sie heute im Betriebe<strong>in</strong>nehmen, zum erheblichen Teil den Standards, mit denen sie von Beg<strong>in</strong>n an gearbeitet haben. Die<strong>in</strong> den 40er-Jahren <strong>in</strong> den USA entwickelten arbeitsplatzbezogenen Alkoholprogramme, auf die sichdie aktuellen Konzepte zurückführen lassen, setzten für e<strong>in</strong>e erfolgreiche Umsetzung bereits folgendeStandards voraus: E<strong>in</strong> schriftlich abgefasstes Programm für den Umgang mit Alkoholproblemen amArbeitsplatz, das von Arbeitgeber- <strong>und</strong> Arbeitnehmerseite getragen wurde, die Festlegung <strong>der</strong>Verantwortlichen für dessen Umsetzung, e<strong>in</strong> Interventionskonzept mit gestuften Gesprächen beialkoholbed<strong>in</strong>gten Auffälligkeiten, die Qualifizierung <strong>der</strong> Führungskräfte für e<strong>in</strong>e möglichst frühzeitigeIntervention sowie e<strong>in</strong> Beratungs- <strong>und</strong> Hilfeangebot des Betriebes für alkoholgefährdete <strong>und</strong> -krankeBeschäftigte. Unter Beibehaltung dieser Kernelemente haben sich die Konzepte zu aktuellen<strong>betrieblichen</strong> Suchtpräventionsprogrammen weiterentwickelt.Abb. 1 Struktur betrieblicher Suchtpräventionsprogramme


4Kapitel 1 StandardsVon e<strong>in</strong>em <strong>betrieblichen</strong> Suchtpräventionsprogramm wird im vorliegenden Text gesprochenunabhängig davon welche Bauste<strong>in</strong>e des Programms schon realisiert o<strong>der</strong> welche Bereiche <strong>der</strong>Prävention schon abgedeckt s<strong>in</strong>d. Auch Programme, die sich noch überwiegend auf die Hilfe fürSuchtgefährdete <strong>und</strong> Suchtkranke konzentrieren, also auf die Sek<strong>und</strong>är- <strong>und</strong> Tertiärprävention,werden hier unter dem Begriff <strong>der</strong> Suchtpräventionsprogramme subsumiert. Dieses hat neben <strong>der</strong>vere<strong>in</strong>fachten Formulierung auch Richtung weisenden Charakter. Denn die Prävention vonges<strong>und</strong>heitlichen Gefährdungen ist nach dem Arbeitsschutzgesetz im Betrieb zu gewährleisten. Dasbedeutet u.a. auch die ges<strong>und</strong>heitlichen <strong>und</strong> sozialen Gefährdungen, die durch e<strong>in</strong>en riskantenKonsum von Alkohol, Tabak, Drogen <strong>und</strong> Medikamenten o<strong>der</strong> durch riskantes Verhalten entstehen,stärker <strong>in</strong> den Blick zu nehmen. Darüber h<strong>in</strong>aus lassen sich Persönlichkeit stärkende o<strong>der</strong> Belastungreduzierende Angebote <strong>in</strong> den Bereichen Personalentwicklung <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heitsför<strong>der</strong>ung noch engermit <strong>der</strong> Suchtvorbeugung verknüpfen.Die e<strong>in</strong>heitliche Nutzung des Begriffes „betriebliches Suchtpräventionsprogramm“hat den Vorteil, dasses e<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>deutige Bezeichnung für alle betriebsbezogenen Aktivitäten zur Suchtprävention<strong>und</strong> Suchthilfe gibt,diese erkennbar mit an<strong>der</strong>en <strong>betrieblichen</strong> Initiativen zur Prävention <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heitsför<strong>der</strong>ung<strong>in</strong> Verb<strong>in</strong>dung stehen <strong>und</strong> e<strong>in</strong>en def<strong>in</strong>ierten Platz im <strong>betrieblichen</strong> Arbeits- <strong>und</strong>Ges<strong>und</strong>heitsschutz sowie Ges<strong>und</strong>heitsmanagement bekommen,auch e<strong>in</strong>zelne Aktivitäten <strong>in</strong> <strong>der</strong> Suchtprävention <strong>und</strong> -hilfe als Elemente e<strong>in</strong>es ganzheitlichenProgramms <strong>und</strong> als Bauste<strong>in</strong> für se<strong>in</strong>en weiteren Ausbau verstanden werden können,darüber das Engagement aller Personen, die unterschiedliche Aktivitäten zur Suchtprävention<strong>und</strong> -hilfe im Betrieb e<strong>in</strong>br<strong>in</strong>gen, sei es als Verantwortliche, als Initiatoren o<strong>der</strong> als Berater <strong>und</strong>Ansprechpersonen, gewürdigt werden <strong>und</strong> e<strong>in</strong>e Aufwertung erfahren.1.1.2 Verwendung des Begriffs "Standard"Der Begriff „Standard“ bezieht sich zunächst auf sehr unterschiedliche Aspekte <strong>und</strong> kann z.B. e<strong>in</strong>"Normalmaß", die "Durchschnittsbeschaffenheit", die "Richtschnur", das "allgeme<strong>in</strong>e Leistungs- <strong>und</strong>Qualitätsniveau" o<strong>der</strong> e<strong>in</strong>e "Normalausführung" bezeichnen.Die Erhebung des Ist-Zustandes <strong>der</strong> <strong>betrieblichen</strong> Suchtprävention, also die „Durchschnittsbeschaffenheit“<strong>der</strong> hierzulande zum Erhebungszeitraum existierenden Suchtpräventions- <strong>und</strong>Suchthilfeprogramme, ist <strong>in</strong> <strong>der</strong> zitierten Expertise nachzulesen. Dort f<strong>in</strong>det sich auch e<strong>in</strong>e ersteBeschreibung <strong>der</strong> Ziel-Standards <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>betrieblichen</strong> Suchtprävention. Sie wurden erstens ausModellen guter Praxis, zweitens durch H<strong>in</strong>zuziehung von Veröffentlichungen <strong>und</strong> Gutachten aus <strong>der</strong>wissenschaftlichen, <strong>betrieblichen</strong> <strong>und</strong> beraterischen Fachwelt sowie drittens aus den Ergebnissene<strong>in</strong>er Reihe von systematischen Expertendiskussionen gewonnen.Der Begriff „Standard“ wird hier <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er Bedeutung als fortgeschrittener Ist-Standard bzw. als Ziel-Standard verwendet, welcher als „Richtschnur“ <strong>und</strong> alsOrientierung für e<strong>in</strong> anzustrebendes „Qualitätsniveau“ <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>betrieblichen</strong>Suchtprävention dienen kann.


Kapitel 1 Standards 51.1.3 Aktuelle Standards <strong>in</strong> <strong>betrieblichen</strong> SuchtpräventionsprogrammenAls Standard betrieblicher Suchtpräventionsprogramme <strong>in</strong> Deutschland hat sich e<strong>in</strong>e Reihe vonElementen durchgesetzt. Sie stecken zugleich den Rahmen für die verschiedenen Handlungs- <strong>und</strong>Entwicklungsfel<strong>der</strong>, <strong>in</strong> denen die Akteure <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>betrieblichen</strong> Suchtprävention <strong>und</strong> Suchthilfe tätigwerden können o<strong>der</strong> müssen. Nachfolgend wird e<strong>in</strong>e kurze Übersicht über diese spezifischenElemente gegeben, die zugleich als „roter Faden“ für diese Broschüre dienen <strong>und</strong> im Weiteren alsStandards noch näher beschrieben <strong>und</strong> weitergehend erläutert werden.Im Detail <strong>und</strong> im Umfang können die unten aufgeführten Standardelemente <strong>in</strong> den konkretenProgrammen aufgr<strong>und</strong> von Betriebsgröße, Betriebsstruktur <strong>und</strong> Betriebskultur sowie von <strong>der</strong>Kompetenz o<strong>der</strong> dem Engagement <strong>der</strong> beteiligten Fachkräfte <strong>und</strong> Gremien erheblich variieren.a) Vorbeugung von riskantem Konsum <strong>und</strong> Suchtgefährdungen im Betrieb Information <strong>und</strong> Aufklärung <strong>der</strong> Beschäftigten über e<strong>in</strong>en riskanten Konsum von Suchtmitteln o<strong>der</strong>e<strong>in</strong> riskantes Verhalten, aus dem negative ges<strong>und</strong>heitliche <strong>und</strong> soziale Folgen resultieren, u.a.Suchtgefährdungen entstehen können, über Möglichkeiten, Beson<strong>der</strong>heiten <strong>und</strong> Verlauf vontherapeutischen <strong>und</strong> beraterischen Hilfen <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e für Suchtgefährdete <strong>und</strong> -kranke; Verän<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Konsumkultur, Punktnüchternheit: Arbeiten im nüchternen Zustand,Vorbildverhalten von Schlüsselpersonen, Stärkung positiver Modelle, Reduzierung <strong>der</strong>Zugriffsmöglichkeiten, e<strong>in</strong>schränkende Regelungen für den Konsum bzw. Verbot <strong>der</strong> Arbeit unterE<strong>in</strong>fluss von Suchtmitteln; Angebot verhaltensbezogener Maßnahmen zur Unterstützung <strong>der</strong> Konsumreduzierung, u.a. Kursezum Nichtrauchen, Kontrolliertes Tr<strong>in</strong>ken, ges<strong>und</strong>e Ernährung; Abbau von Suchtmittelkonsum för<strong>der</strong>nden <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heit gefährdenden Arbeitsbed<strong>in</strong>gungen,Reduzierung psychischer Belastungen, Unterstützung <strong>in</strong> belastenden Arbeitssituationen,Präventionsmaßnahmen <strong>in</strong> Verb<strong>in</strong>dung mit Arbeitsschutz <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heitsför<strong>der</strong>ung, Ausbausalutogener Arbeitsbed<strong>in</strong>gungen; Erweiterung <strong>der</strong> Ges<strong>und</strong>heitskompetenz <strong>der</strong> Beschäftigten zur Bewältigung <strong>der</strong> Anfor<strong>der</strong>ungenaus Arbeit <strong>und</strong> Freizeit, Hilfen zur Stressbewältigung, Qualifizierung zu ges<strong>und</strong>heitsorientiertemFühren.b) Intervention bei Auffälligkeiten <strong>und</strong> Qualifizierung <strong>der</strong> Personalverantwortlichen Vere<strong>in</strong>barung e<strong>in</strong>es Interventionsleitfadens als Handlungsanleitung für Vorgesetzte mit a)Fürsorge- <strong>und</strong> b) Klärungsgespräch sowie c) e<strong>in</strong>er gestuften Gesprächsfolge zur Intervention beisuchtmittelbed<strong>in</strong>gten Auffälligkeiten von Beschäftigten am Arbeitsplatz; Handlungsanleitung für das Vorgehen bei Gefährdung <strong>der</strong> Arbeitssicherheit nach BGV A1 / GUVV A1 § 7 <strong>und</strong> §15; Qualifizierung <strong>und</strong> Sensibilisierung <strong>der</strong> Personalverantwortlichen, <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e <strong>der</strong> Vorgesetzten,für die Wahrnehmung von Verän<strong>der</strong>ungen im Arbeits- <strong>und</strong> Leistungsverhalten <strong>der</strong> Mitarbeiter<strong>in</strong>nen<strong>und</strong> Mitarbeiter, Ermutigung zur frühzeitigen Intervention, Beratung <strong>und</strong> Coach<strong>in</strong>g vonFührungskräften <strong>in</strong> Verb<strong>in</strong>dung mit lösungsorientierten Interventionen; Unterstützung <strong>der</strong> Vorgesetzten zur Entwicklung e<strong>in</strong>er ges<strong>und</strong>heits- <strong>und</strong> mitarbeiterorientiertenFührungskultur, Ansätze zur Verbesserung <strong>der</strong> Kommunikationsstrukturen im Arbeitsumfeld,Erweiterung <strong>der</strong> Kompetenz, Probleme sachgerecht ansprechen <strong>und</strong> bei Konflikten o<strong>der</strong>Fehlentwicklungen korrigierend e<strong>in</strong>greifen zu können.


6Kapitel 1 Standardsc) Interne <strong>und</strong> externe Beratungsangebote, betriebliches Unterstützungssystem Angebot von Beratung <strong>und</strong> Hilfe für Beschäftigte mit ges<strong>und</strong>heitsriskantem Verhalten,Suchtgefährdeten <strong>und</strong> Suchtkranken auf professioneller Basis, ggf. mit beson<strong>der</strong>er Ausrichtungauf spezifische Beschäftigtengruppen; E<strong>in</strong>satz haupt- o<strong>der</strong> nebenamtlicher Beratungskräfte <strong>und</strong> Ansprechpersonen, welche dieBeschäftigten <strong>in</strong>formieren, die Personalverantwortlichen qualifizieren <strong>und</strong> coachen sowie dieSuchtgefährdeten <strong>und</strong> -kranken beraten <strong>und</strong> begleiten; Abstimmung verb<strong>in</strong>dlicher Gr<strong>und</strong>lagen für die Arbeit <strong>der</strong> Beratungskräfte im Betrieb, Schaffunge<strong>in</strong>es angemessenen Rahmens für e<strong>in</strong>e professionelle Beratungstätigkeit; E<strong>in</strong>satz ressourcen- <strong>und</strong> lösungsorientierter Beratungsansätze, Hilfe zur Selbsthilfe <strong>und</strong> Stärkung<strong>der</strong> Selbstwirksamkeit als Ziel <strong>in</strong> <strong>der</strong> Beratungstätigkeit; Sicherstellung <strong>der</strong> Qualität <strong>und</strong> Aktualität des <strong>in</strong>ternen Beratungsangebotes durch e<strong>in</strong>schlägigeQualifizierung, Weiterbildung <strong>und</strong> Supervision <strong>der</strong> Fachkräfte, aktive Mitarbeit <strong>in</strong> fachbezogenenNetzwerken; Sicherstellung e<strong>in</strong>es qualifizierten Case Managements für auffällig gewordene Beschäftigte, diedies wünschen; gute Vernetzung im <strong>in</strong>ternen Unterstützungssystem mit Betriebsärzten <strong>und</strong>an<strong>der</strong>en Fachkräften sowie mit dem regionalen Fache<strong>in</strong>richtungen; Bei E<strong>in</strong>satz externer Dienstleister: qualifizierte Auswahl <strong>der</strong> Anbieter entlang <strong>der</strong> hierbeschriebenen Standards, Zusammenarbeit auf <strong>der</strong> Basis von Kontrakten <strong>und</strong> Evaluation <strong>der</strong>Arbeit.d) Organisatorischer Rahmen <strong>und</strong> strukturelle E<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung Bildung e<strong>in</strong>er Steuerungsgruppe (Arbeitskreis Suchtprävention/Ges<strong>und</strong>heit), die für diekonzeptionelle Gestaltung <strong>und</strong> praktische Umsetzung, für die Budgetierung, für die Evaluation,Qualitätssicherung <strong>und</strong> die Weiterentwicklung des Suchtpräventions- <strong>und</strong> Suchthilfeprogrammsverantwortlich ist; Schriftliche Vere<strong>in</strong>barung des Programms bzw. <strong>der</strong> Maßnahmen zur Suchtprävention- <strong>und</strong>-hilfe, möglichst <strong>in</strong> Form e<strong>in</strong>er Betriebs- o<strong>der</strong> Dienstvere<strong>in</strong>barung; Positionierung <strong>der</strong> Suchtprävention <strong>und</strong> Suchthilfe als Teil des präventiven Arbeitsschutzes zurVorbeugung <strong>und</strong> E<strong>in</strong>schränkung ges<strong>und</strong>heitlicher Gefährdungen am Arbeitsplatz durch e<strong>in</strong>enriskanten Konsum von Suchtmitteln o<strong>der</strong> suchtbed<strong>in</strong>gten Verhaltensweisen; E<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung <strong>in</strong> das betriebliche Ges<strong>und</strong>heitsmanagement, Verknüpfung mit <strong>der</strong>Ges<strong>und</strong>heitsför<strong>der</strong>ung, dem Betrieblichen E<strong>in</strong>glie<strong>der</strong>ungsmanagement, mit <strong>der</strong> Personal- sowieOrganisationsentwicklung <strong>und</strong> - wenn möglich - auch mit dem Qualitätsmanagement.e) Market<strong>in</strong>g <strong>und</strong> Qualitätssicherung Koord<strong>in</strong>ation <strong>der</strong> Aktivitäten <strong>und</strong> Maßnahmen durch e<strong>in</strong>e(n) Programmverantwortliche(n); Innerbetriebliches Market<strong>in</strong>g: Ermittlung <strong>der</strong> Unterstützungsbedarfe, beson<strong>der</strong>s auch vonPersonalverantwortlichen, Präsentation des Dienstleistungs-, Beratungsangebotes,Öffentlichkeitsarbeit im Betrieb <strong>und</strong> darüber h<strong>in</strong>aus; E<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung <strong>in</strong> betriebliche Präventionsaktivitäten des Arbeits- <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heitsschutzes <strong>und</strong> <strong>der</strong>Ges<strong>und</strong>heitsför<strong>der</strong>ung, z.B. Information über Risiken <strong>und</strong> Angebote bei <strong>der</strong> E<strong>in</strong>weisung <strong>in</strong> dieArbeitssicherheit, Präsenz auf dem Ges<strong>und</strong>heitstag; Beteiligung an fachlichen Netzwerken u.a. Regionale Arbeitskreise Suchtprävention; Qualitätssicherung <strong>der</strong> Dienstleistungen <strong>der</strong> <strong>betrieblichen</strong> Suchtprävention <strong>und</strong> -hilfe, u.a.regelmäßige Überprüfung <strong>der</strong> Aktualität <strong>der</strong> praktizierten Standards, Supervision <strong>und</strong>Weiterbildung; Evaluation <strong>der</strong> Maßnahmen <strong>und</strong> des Programms, Auswertung <strong>der</strong> Ergebnisse zur konzeptionellenWeiterentwicklung, Bericht an Steuerkreis <strong>und</strong>/o<strong>der</strong> Leitung.


Kapitel 1 Standards 7Literatur <strong>und</strong> MaterialienNORD AG Betriebliche Suchtprävention (NABS)(1999) Qualität <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>betrieblichen</strong> Suchtprävention.Orientierungshilfen für die betriebliche Praxis. Hamburg.Rahmenempfehlung (2006) Suchtprävention <strong>und</strong> Suchthilfe <strong>in</strong> <strong>der</strong> nie<strong>der</strong>sächsischen Landesverwaltung.Nie<strong>der</strong>sächsisches M<strong>in</strong>isterium für Soziales, Frauen, Familie <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heit. Hannover.www.ms.nie<strong>der</strong>sachsen.de > Themen > Ges<strong>und</strong>heit > Drogen & SuchtRehwald, R., Re<strong>in</strong>eke, G., Wienemann, E., Z<strong>in</strong>ke, E. (2008) Betriebliche Suchtprävention <strong>und</strong> Suchthilfe.Frankfurt am Ma<strong>in</strong>. B<strong>und</strong>-Verlag.Wienemann, E. /Müller, P. (2005) Standards <strong>der</strong> Alkohol-, Tabak-, Drogen- <strong>und</strong> Medikamentenprävention <strong>in</strong>deutschen Unternehmen <strong>und</strong> Verwaltungen. Expertise im Auftrag <strong>der</strong> Deutschen Hauptstelle für Suchtfragene.V., aktualisierte Fassung. www.dhs.de > Arbeitsfel<strong>der</strong> > Arbeitsplatz > ExpertiseWienemann, E. (2008) Betriebliche Suchtprävention <strong>und</strong> Suchthilfe. In: Handbuch betriebsärztlicher Dienst.Gr<strong>und</strong>lagen-Praxis-Organisation, 95. Ergänzungslieferung, Juni 2008, ecomed, XI-5.1.4, S. 1-381.2 Zur Glie<strong>der</strong>ung <strong>und</strong> zur Nutzung des vorliegenden LeitfadensDer Leitfaden versteht sich als e<strong>in</strong>e praxisorientierte Handlungshilfe für die <strong>betrieblichen</strong> Akteure zurBerücksichtigung <strong>der</strong> Standards beim Aufbau e<strong>in</strong>es Suchtpräventionsprogramms o<strong>der</strong> bei <strong>der</strong>Weiterentwicklung bestehen<strong>der</strong> Angebote.Für e<strong>in</strong>e vere<strong>in</strong>fachte Anwendung <strong>in</strong> <strong>der</strong> Praxis wird im Leitfaden e<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>heitliche Glie<strong>der</strong>ung <strong>und</strong>Abfolge <strong>der</strong> Aussagen vorgenommen, wobei nicht immer alle Aspekte gleichermaßen o<strong>der</strong> vollständigersche<strong>in</strong>en. Je<strong>der</strong> Themenblock wird mit e<strong>in</strong>er kurzen Beschreibung des jeweiligen Elements des<strong>betrieblichen</strong> Suchtpräventionsprogramms e<strong>in</strong>geleitet. In identischer Reihenfolge schließen daran diegeltenden Standards, <strong>der</strong> Begründungszusammenhang, die empfohlenen Arbeitsschritte <strong>und</strong> dieLiteratur <strong>und</strong> die Materialien an. Die e<strong>in</strong>zelnen Rubriken werden im Folgenden erläutert.StandardDie zentralen Aussagen <strong>der</strong> Leitl<strong>in</strong>ie f<strong>in</strong>den sich <strong>in</strong> <strong>der</strong> Rubrik „Standard“. Hier s<strong>in</strong>d möglichst kurz<strong>und</strong> prägnant die Zielstandards zu den e<strong>in</strong>zelnen Elementen <strong>der</strong> <strong>betrieblichen</strong> Suchtpräventionformuliert. In <strong>der</strong> praktischen Umsetzung als betriebliche Qualitätsstandards s<strong>in</strong>d die Standards nach Art,Umfang <strong>und</strong> Inhalten entsprechend <strong>der</strong> jeweiligen <strong>betrieblichen</strong> Gegebenheiten - Betriebsstruktur,-größe, -kultur - zu modifizieren. Dementsprechend erfolgt die Formulierung <strong>der</strong> Standards auch nicht im Indikativ, son<strong>der</strong>n imKonjunktiv als mögliche <strong>und</strong> empfohlene Entscheidungsoptionen. Auch wenn nicht jedes Mal e<strong>in</strong> ausdrücklicher H<strong>in</strong>weis erfolgt, sollten alle Elemente des konkretenSuchtpräventionsprogramms schriftlich formuliert werden. E<strong>in</strong>e schriftliches Konzept <strong>der</strong>Absprachen erleichtert e<strong>in</strong> geme<strong>in</strong>sames Vorgehen, dient als Gr<strong>und</strong>lage für Selbstevaluation <strong>und</strong>Qualitätsentwicklung <strong>und</strong> trägt - <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e als Betriebs- o<strong>der</strong> Dienstvere<strong>in</strong>barung zurnachhaltigen Sicherung des Angebots im Betrieb bei.


Kapitel 1 Standards 9 Am Beispiel <strong>der</strong> "Trunksucht" (Alkoholkrankheit) hat das B<strong>und</strong>essozialgericht (BSG) 1968 <strong>in</strong>e<strong>in</strong>em Gr<strong>und</strong>satzurteil die Basis für die Def<strong>in</strong>ition <strong>und</strong> die Anerkennung von Suchterkrankungenals Krankheit im sozialversicherungsrechtlichen S<strong>in</strong>ne gelegt. Für e<strong>in</strong>e Suchterkrankungbesteht dadurch nicht nur die sozialrechtliche Gleichstellung mit an<strong>der</strong>en Erkrankungen, son<strong>der</strong>nauch die arbeitsrechtliche Gleichbehandlung z.B. bei Lohnfortzahlung o<strong>der</strong> krankheitsbed<strong>in</strong>gterKündigung.Fachbegriffe <strong>der</strong> Suchtprävention In <strong>der</strong> <strong>betrieblichen</strong> Suchtprävention wird fast durchgängig mit den Begriffen Sucht,Suchtgefährdung, Suchthilfe gearbeitet. Der Begriff <strong>der</strong> Abhängigkeit, <strong>der</strong> bei <strong>der</strong> Diagnose<strong>der</strong> Suchterkrankung zur Anwendung kommt, hat sich im Betrieb bestenfalls für die Beschreibungdes Krankheitsstatus von betroffenen Personen durchgesetzt. Abhängigkeit von Beschäftigten hatim <strong>betrieblichen</strong> Kontext an<strong>der</strong>e Bedeutungs<strong>in</strong>halte <strong>und</strong> wird nicht mit Krankheit assoziiert. Im vorliegenden Leitfaden haben wir uns für die überwiegende Nutzung des Begriffs Suchtmittelentschieden, <strong>der</strong> im weiteren S<strong>in</strong>ne als Überbegriff über alle legalen <strong>und</strong> illegalen Substanzen,Gegenstände <strong>und</strong>/o<strong>der</strong> Tätigkeiten o<strong>der</strong> Verhaltensweisen verwendet wird, von denen manabhängig werden kann. (Professionelle Suchtprävention 2002) Gegenüber an<strong>der</strong>en Begriffen istSuchtmittel noch die umfassendste, präziseste anschaulichste Variante für den <strong>betrieblichen</strong>Gebrauch. Zur Erläuterung können ggf. auch an<strong>der</strong>e Begriffe o<strong>der</strong> Beschreibungen h<strong>in</strong>zugezogenwerden. Suchtbed<strong>in</strong>gtes Verhalten lässt sich durch Faktoren charakterisieren wie starkerKonsumwunsch o<strong>der</strong> zwanghaftes Wie<strong>der</strong>holen e<strong>in</strong>es Verhaltens (Crav<strong>in</strong>g), psychische <strong>und</strong>/o<strong>der</strong>physische Entzugsersche<strong>in</strong>ungen, Toleranzentwicklung, Kontrollverlust, E<strong>in</strong>schränkung vonsozialen Bezügen <strong>und</strong> Interessen; nachteilige Konsequenzen des Konsums o<strong>der</strong> Verhaltenswerden <strong>in</strong> Kauf genommen. Unter Suchtgefährdung wird das Stadium des riskanten Konsums bezeichnet, <strong>in</strong> dem sich ause<strong>in</strong>em gefährlichen Konsum e<strong>in</strong>e Abhängigkeit entwickeln kann o<strong>der</strong> bereits entwickelt hat.Analog kann von riskantem o<strong>der</strong> suchtgefährdendem Verhalten - bezogen auf nichtstoffgeb<strong>und</strong>ene Suchtgefährdungen - gesprochen werden. Die Gefährdung ist gegeben, wenn dieMenge <strong>und</strong> Häufigkeit des Konsums bzw. das Verhalten ungebrochen fortgesetzt wird, obwohlbereits negative psychische, physische <strong>und</strong>/o<strong>der</strong> soziale Folgen des Konsums e<strong>in</strong>treten. Insolchen Fällen kann e<strong>in</strong>e Suchtgefährdung angenommen werden. Der Ansatz <strong>der</strong> Suchtprävention folgt dem Pr<strong>in</strong>zip die ges<strong>und</strong> erhaltenden Ressourcen zustärken (Ges<strong>und</strong>heitsför<strong>der</strong>ung) <strong>und</strong> die Risikofaktoren, die e<strong>in</strong>en riskanten Substanzgebrauchbegünstigen <strong>und</strong> die Ges<strong>und</strong>heit gefährden, zurückzudrängen (Prävention). Übergreifend wird <strong>der</strong> Begriff Suchtprävention über die verschiedenen Ebenen <strong>der</strong> Präventiongenutzt. Die <strong>in</strong> <strong>der</strong> Präventionsforschung gebräuchlichen Unterscheidungen <strong>der</strong>Präventionsbereiche s<strong>in</strong>d im Betrieb nicht gebräuchlich <strong>und</strong> erzeugen auch ke<strong>in</strong>en größerenNutzen. Die betriebliche Suchtprävention <strong>und</strong> Suchthilfe umfasst Elemente aus allen Ebenen <strong>der</strong>traditionellen wie <strong>der</strong> neueren E<strong>in</strong>teilung:Primärprävention: z.B. Vorbeugung riskanten Verhaltens, Verh<strong>in</strong><strong>der</strong>ung künftiger Probleme,För<strong>der</strong>ung von Ges<strong>und</strong>heitskompetenzSek<strong>und</strong>ärprävention: z.B. Interventionen zu Unterbrechung riskanten Verhaltens, <strong>in</strong>dividuelleStabilisierung, M<strong>in</strong><strong>der</strong>ung ges<strong>und</strong>heitlicher RisikenTertiärprävention: z.B. Intervention bei Suchterkrankung, Beratungs- <strong>und</strong> Hilfeangebote vor,während <strong>und</strong> nach e<strong>in</strong>er Therapie, Unterstützung <strong>in</strong> <strong>der</strong> NachsorgephaseNeuere Ansätze <strong>der</strong> Präventionsforschung wählen die folgende Kategorisierung:"Universelle" präventive Intervention: Maßnahmen mit denen alle Personen e<strong>in</strong>er Populationerreicht werden z.B. alle Beschäftigten"Selektive" präventive Intervention: richtet sich an spezielle Risikogruppen (als solche werdenim Betrieb oftmals Auszubildende <strong>in</strong> Verb<strong>in</strong>dung mit illegalen Drogen betrachtet) <strong>und</strong> zielt auf


10Kapitel 1 StandardsIndividuen ab, <strong>der</strong>en Risiko beispielsweise für e<strong>in</strong>en riskanten Substanzgebrauch über demDurchschnitt liegt bzw. erhöht ist"Indizierte" präventive Intervention: Personen mit manifestem Risikoverhalten <strong>und</strong> e<strong>in</strong>emerhöhten Risiko für e<strong>in</strong>e Substanzabhängigkeit z.B. durch regelmäßigen hohenAlkoholkonsum Die Begriffe risikoarmer, riskanter, gefährlicher Konsum <strong>und</strong> abhängiger Konsum ersetzen <strong>in</strong><strong>der</strong> <strong>betrieblichen</strong> Suchtprävention die E<strong>in</strong>teilung Normalkonsum, Missbrauch <strong>und</strong> Abhängigkeitbzw. Sucht. Es ist dr<strong>in</strong>gend zu empfehlen, die Begriffe Missbrauch <strong>und</strong> Abhängigkeit o<strong>der</strong>Suchterkrankung im Zusammenhang mit <strong>betrieblichen</strong> Interventionen zu vermeiden. DerArbeitgeber ist nach <strong>der</strong> Rechtsprechung nämlich beweispflichtig, weil diesen Begriffen Diagnosenzugr<strong>und</strong>e liegen. Sie lassen sich durch die Begriffe riskanten Konsum - <strong>der</strong> im weitesten S<strong>in</strong>neauch die gefährdenden <strong>und</strong> schädigenden sowie abhängigen Konsummuster e<strong>in</strong>schließt - <strong>und</strong>Suchtgefährdung umgehen. Der Gebrauch dieser weniger wertenden <strong>und</strong> negativ belegtenBegriffe erleichtert die frühzeitige Ansprache erheblich. Kriterien für die aufgezeigten Konsumformen liegen meist nur für den Alkoholkonsum vor:Als risikoarm gilt nach den Angaben <strong>der</strong> Weltges<strong>und</strong>heitsorganisation (WHO) e<strong>in</strong>Alkoholkonsum von 0-30g für Männer <strong>und</strong> 0-20g für Frauen pro Tag bei m<strong>in</strong>destens 2alkoholfreien Tagen pro Woche. Die BZgA <strong>und</strong> die DHS reduzieren diese Werte weiter auf biszu 12g für Frauen(e<strong>in</strong> Standardglas) bis zu 24g Alkohol pro Tag für Männer (zweiStandardgläser), weil auch kle<strong>in</strong>e Konsummengen durch die Bee<strong>in</strong>flussung des Stoffwechsel-,Kreislauf- <strong>und</strong> Immunsystems bereits ges<strong>und</strong>heitliche Risiken bergen.Für die betriebliche Suchtprävention ist <strong>der</strong> riskante Konsum von beson<strong>der</strong>er Bedeutung mit30-60g WHO (bzw. 24 – 60g BZgA/DHS) bei Männern <strong>und</strong> 20-40g WHO (bzw. 12 – 40gBZgA/DHS) bei Frauen. Selbst wenn die Grenzwerte durch den regelmäßigen Konsum kle<strong>in</strong>erMengen (z.B. e<strong>in</strong> Glas We<strong>in</strong> am Abend) nicht überschritten werden, kann e<strong>in</strong>eGes<strong>und</strong>heitsgefährdung durch Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Erkrankungen des Atmungs<strong>und</strong>Verdauungssystems e<strong>in</strong>treten. Wird auf Dauer oberhalb dieser Grenzwerte konsumierts<strong>in</strong>d ges<strong>und</strong>heitliche Gefährdungen sogar wahrsche<strong>in</strong>lich.Nicht nur die Menge, son<strong>der</strong>n auch das Tr<strong>in</strong>kverhalten kann riskant se<strong>in</strong>, wenn dieser zurfalschen Zeit <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er nicht angemessenen Situation erfolgt (z.B. Straßenverkehr, Arbeit,Schwangerschaft), <strong>der</strong> Konsum regelmäßig stattf<strong>in</strong>det <strong>und</strong> Gewöhnungseffekte e<strong>in</strong>treten o<strong>der</strong>gezielte Funktionalisierungen damit verb<strong>und</strong>en s<strong>in</strong>d, z.B. zur Entspannung vom Arbeitstag.Die Gefahr besteht <strong>in</strong> <strong>der</strong> Entwicklung e<strong>in</strong>er Dosis-Abhängigkeit o<strong>der</strong> e<strong>in</strong>er Alkoholtoleranz,bei <strong>der</strong> die Alkoholmenge allmählich gesteigert werden muss.Der gefährliche Konsum liegt jeweils über diesen Grenzwerten. Es ist e<strong>in</strong> schädigen<strong>der</strong>Gebrauch, wenn trotz auftreten<strong>der</strong> Probleme psychischer, physischer o<strong>der</strong> sozialer Art(Abmahnung, Kündigung, Trennung) weiter Suchtmittel konsumiert werden.Für den abhängigen Konsum werden ke<strong>in</strong>e Schwellenwerte angesetzt.Im Betrieb bewährt es sich mit dem aufgezeigten Begriffsspektrum zu arbeiten, denn erstens ermöglicht es e<strong>in</strong>e angemessene Beschreibung <strong>der</strong> Prozesse, die den Auffälligkeitenam Arbeitsplatz zugr<strong>und</strong>e liegen, z.B. steht e<strong>in</strong>e Suchterkrankung erst am Ende e<strong>in</strong>es längerdauernden Prozesses meist schon vorher sichtbar werden<strong>der</strong> riskanter Konsum- <strong>und</strong>/o<strong>der</strong>Verhaltensmuster. zweitens wird mit den Begriffen ke<strong>in</strong>e Diagnose gestellt, sie verharmlosen nicht, beschreibenaber eher als dass sie bewerten <strong>und</strong> ermöglichen angemessene Interventionen <strong>und</strong>Hilfeangebote, denn z.B. können auch ansonsten risikoarm konsumierende Beschäftigte <strong>in</strong>bestimmten Lebensphasen o<strong>der</strong> Situationen vorübergehend e<strong>in</strong> riskantes Konsummusteraufweisen. drittens ist im Rahmen des Arbeitsschutzes auf ges<strong>und</strong>heitliche Gefährdungen amArbeitsplatz, also auch auf dort sichtbar werdendes Risikoverhalten, präventiv e<strong>in</strong>zugehen


12Kapitel 1 Standards


Kapitel 2 Vorbeugen 132. Vorbeugen von Suchtgefährdungen im Betrieb –Arbeitsschutz, Information, Aufklärung <strong>und</strong>Ges<strong>und</strong>heitsför<strong>der</strong>ungZur Vorbeugung von Suchtgefährdungen werden heute Strategien <strong>der</strong> Prävention (Schadensvermeidung)mit den Vorgehensweisen <strong>der</strong> Ges<strong>und</strong>heitsför<strong>der</strong>ung (Ressourcenför<strong>der</strong>ung) verknüpft.Menschen sollen Ges<strong>und</strong>heitskompetenz entwickeln können, d.h. befähigt werden verantwortungsbewusstmit ihrer eigenen Ges<strong>und</strong>heit umzugehen sowie an<strong>der</strong>e, für die sie Verantwortungtragen, zu unterstützen. Lag das Schwergewicht <strong>der</strong> <strong>betrieblichen</strong> Suchtpräventionzunächst auf <strong>der</strong> Vorbeugung von ges<strong>und</strong>heitlichen Gefährdungen, z.B. durch Maßnahmen zurE<strong>in</strong>schränkung des Suchtmittelkonsums <strong>und</strong> zur Reduzierung von Risiken am Arbeitsplatz, sogeht es heute auch um die Stärkung persönlicher <strong>und</strong> sozialer Kompetenzen <strong>der</strong> Beschäftigtensowie um die Entwicklung verantwortlicher E<strong>in</strong>stellungen <strong>und</strong> Verhaltensweisen im Betrieb. Insofernist die Suchtprävention eng mit <strong>der</strong> Ges<strong>und</strong>heitsför<strong>der</strong>ung <strong>und</strong> Personalentwicklung verknüpft.Sie führt zu positiven Effekten im Arbeitsverhalten <strong>und</strong> im sozialen Umgang mite<strong>in</strong>an<strong>der</strong><strong>und</strong> verbessert dadurch das Wohlbef<strong>in</strong>den am Arbeitsplatz.Die vorbeugende Arbeit lässt sich <strong>in</strong> die folgenden Bereiche unterteilen: <strong>in</strong> 'suchtmittelspezifische,suchtbezogene Prävention' <strong>und</strong> <strong>in</strong> 'übergreifende Prävention'. In diesen beiden Bereichenlassen sich wie<strong>der</strong>um verhältnisorientierte <strong>und</strong> verhaltensorientierte Maßnahmen unterscheiden.Bereiche suchtpräventiver ArbeitMaßnahmen verhältnisorientiert verhaltensorientiertsuchtmittelspezifische/ suchtbezogene PräventionübergreifendePrävention• Abbau Sucht för<strong>der</strong>n<strong>der</strong> Arbeitsbed<strong>in</strong>gungen• E<strong>in</strong>schränkung <strong>der</strong> Verfügbarkeit vonSuchtmitteln• Bereitstellung von alkoholfreien Getränken• Schaffung ges<strong>und</strong> erhalten<strong>der</strong> <strong>und</strong> motivieren<strong>der</strong>Arbeitsbed<strong>in</strong>gungen• Verbesserung des Betriebsklimas• Gefährdungsbeurteilung, Ges<strong>und</strong>heitszirkel,partizipative Arbeitsgestaltung• Ges<strong>und</strong>heitsorientierte Führung• Arbeitsbewältigungscoach<strong>in</strong>g• Betriebliches E<strong>in</strong>glie<strong>der</strong>ungsmanagement• Lebens-Balance-Konzepte, Vere<strong>in</strong>barkeitFamilie-Beruf• Information <strong>und</strong> Aufklärung über die Wirkungvon Suchtmitteln, über risikoarmen <strong>und</strong> riskantenKonsum <strong>und</strong> Suchtgefährdung sowie Ziele<strong>und</strong> Möglichkeiten <strong>der</strong> Suchtprävention <strong>und</strong> -hilfe• Angebote zur <strong>in</strong>dividuellen Konsumreduzierung(Nichtraucherkurse, Dr<strong>in</strong>k-Less-Programme)• Regelungen zum Suchtmittelgebrauch (Drogen-Alkohol-, Rauchverbote, Punktnüchternheit)• Qualifizierung <strong>und</strong> Sensibilisierung <strong>der</strong> Vorgesetzten• Intervention bei Auffälligkeiten <strong>in</strong> Verb<strong>in</strong>dungmit SuchtmittelgebrauchErweiterung <strong>der</strong> Ges<strong>und</strong>heitskompetenz• Stressbewältigung <strong>und</strong> Selbstmanagement• Konfliktmanagement• Fitness <strong>und</strong> Bewegung• Ges<strong>und</strong>heitscoach<strong>in</strong>g, Ges<strong>und</strong>heitschecks• Intervention bei Auffälligkeiten am Arbeitsplatz


14Kapitel 2 VorbeugenAbb. 3Bereiche verhaltens- <strong>und</strong> verhältnisorientierter suchtpräventiver Arbeit im Betrieb2.1 Abbau Ges<strong>und</strong>heit gefährden<strong>der</strong> Arbeitsbed<strong>in</strong>gungen<strong>und</strong> ges<strong>und</strong>heitsför<strong>der</strong>liche ArbeitsgestaltungDas Belastungsspektrum im Arbeitsleben hat sich <strong>in</strong> den letzten zwei Jahrzehnten gr<strong>und</strong>legendverän<strong>der</strong>t. Es ist u.a. gekennzeichnet durch verstärkte Individualisierung <strong>der</strong> Arbeit, Flexibilisierung<strong>der</strong> Arbeitszeit <strong>und</strong> <strong>der</strong> Arbeitsverhältnisse sowie vermehrte Informations-, Wissens- <strong>und</strong>Emotionsarbeit. Die Angst um den Arbeitsplatz <strong>und</strong> das Aufweichen <strong>der</strong> sozialen Sicherungssystemesowie die Abnahme des sozialen Zusammenhalts schaffen bei vielen Menschen e<strong>in</strong> tiefesGefühl von Verunsicherung. Steigende Arbeitsanfor<strong>der</strong>ungen, die Zunahme von Hektik <strong>und</strong>Zeitdruck, fehlende Unterstützung <strong>und</strong> Anerkennung bei <strong>der</strong> Arbeit, Unter- <strong>und</strong> Überfor<strong>der</strong>ungführen zu gesteigertem Stresserleben. Die überproportionale Zunahme von Angststörungen <strong>und</strong>Depressionserkrankungen können als Symptom dieser Entwicklungen gesehen werden. Untersolchen Bed<strong>in</strong>gungen kann <strong>der</strong> Griff zum Suchtmittel e<strong>in</strong> Bewältigungsversuch se<strong>in</strong>, sei es, umsich fit zu machen z.B. für Höchstleistungen <strong>und</strong> überlange Arbeitstage o<strong>der</strong> sei es, um nachdem Stress des Arbeitstages überhaupt wie<strong>der</strong> zur Ruhe zu kommen. Anregende <strong>und</strong> Leistungsteigernde Substanzen werden von Beschäftigten ebenso e<strong>in</strong>gesetzt wie entspannende <strong>und</strong>beruhigende Mittel, vom Nikot<strong>in</strong> zum Alkohol, über e<strong>in</strong>e Bandbreite von Medikamenten zu illegalenDrogen. Der Zusammenhang von Stresserleben <strong>und</strong> verstärktem Suchtmittelkonsum istsignifikant.Mit dem Arbeitsschutzgesetz von 1996 hat <strong>der</strong> Gesetzgeber e<strong>in</strong>e Gr<strong>und</strong>lage geschaffen, diedem Arbeitgeber auferlegt, ges<strong>und</strong>heitliche Gefährdungen am Arbeitsplatz abzubauen <strong>und</strong> dieUrsachen möglichst an <strong>der</strong> Quelle zu beseitigen. Dabei s<strong>in</strong>d die gesicherten arbeitswissenschaftlichenErkenntnisse <strong>und</strong> Verfahren h<strong>in</strong>zuzuziehen, zu denen auch die <strong>betrieblichen</strong>Suchtpräventionsprogramme gerechnet werden.Standard Die betriebliche Suchtprävention sollte ihren Auftrag so weitgehend fassen, dass sie e<strong>in</strong>enBeitrag zur Verän<strong>der</strong>ung von Ges<strong>und</strong>heit gefährdenden Arbeitsbed<strong>in</strong>gungen leistet. Siekann e<strong>in</strong>erseits den Blick auf Strukturen <strong>und</strong> Faktoren richten, die den Suchtmittelkonsum<strong>und</strong> Suchtgefährdungen för<strong>der</strong>n. Zum an<strong>der</strong>en kann sie durch Suchtprävention <strong>und</strong> Suchthilfezu ges<strong>und</strong>heitsför<strong>der</strong>lichen Arbeitsbed<strong>in</strong>gungen beitragen. Ge<strong>in</strong>sam mit dem Arbeits- <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heitsschutz kann <strong>der</strong> Aspekt erhöhter Ges<strong>und</strong>heitsgefährdungdurch Substanzkonsum z. B. <strong>in</strong> Verb<strong>in</strong>dung mit <strong>der</strong> Gefährdungserhebung <strong>und</strong> -beurteilung von psychischen Belastungen sichtbar <strong>und</strong> reduziert werden. Aspekte <strong>der</strong> Suchtprävention sollten <strong>in</strong> die Angebote <strong>der</strong> Personalentwicklung <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heitsför<strong>der</strong>unge<strong>in</strong>gebracht werden, <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e <strong>in</strong> Verb<strong>in</strong>dung mit <strong>der</strong> Erweiterung <strong>der</strong>Ges<strong>und</strong>heitskompetenz <strong>der</strong> Beschäftigten <strong>und</strong> den Themen zur ges<strong>und</strong>heitsorientiertenFührung.BegründungszusammenhangDer Abbau von Suchtmittelgebrauch för<strong>der</strong>nden Arbeitsbed<strong>in</strong>gungen ist <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>betrieblichen</strong>Suchtprävention stets gefor<strong>der</strong>t, aber selten umgesetzt worden. Dieses Ziel lässt sich auch nur


Kapitel 2 Vorbeugen 15<strong>in</strong> Zusammenarbeit mit an<strong>der</strong>en <strong>betrieblichen</strong> E<strong>in</strong>richtungen erreichen. Wenn es um die ges<strong>und</strong>heitsför<strong>der</strong>licheArbeitsgestaltung geht, s<strong>in</strong>d die Akteure <strong>in</strong> <strong>der</strong> Suchtprävention auf e<strong>in</strong>kooperatives Vorgehen mit <strong>der</strong> Arbeitsmediz<strong>in</strong>, <strong>der</strong> Arbeitssicherheit sowie <strong>der</strong> Organisations<strong>und</strong>Personalentwicklung angewiesen. Im Rahmen des <strong>betrieblichen</strong> Ges<strong>und</strong>heitsmanagementswird diese Kooperation erleichtert.Arbeit persönlichkeits- <strong>und</strong> ges<strong>und</strong>heitsför<strong>der</strong>lich <strong>und</strong>zu gestalten wird im Zuge des demographischen Wandels e<strong>in</strong>e dr<strong>in</strong>gende Aufgabe des HumanResource Managements. Suchtprävention lässt sich auch <strong>in</strong> Ansätze zum ges<strong>und</strong>heitsorientiertenFühren o<strong>der</strong> zur Ges<strong>und</strong>heitsför<strong>der</strong>ung, z.B.<strong>in</strong> Work-Life-Balance-Programmen, <strong>in</strong>tegrieren.Bei manchen Konzepten gibt es sogar e<strong>in</strong>en dr<strong>in</strong>genden Abstimmungsbedarf. Dies gilt vor allemfür das E<strong>in</strong>glie<strong>der</strong>ungsmanagement nach § 84 SGB IX, da die hierfür vorgesehenen <strong>betrieblichen</strong>Verfahren mit den Interventionskonzepten <strong>der</strong> Suchtpräventionsprogramme kollidierenkönnen.E<strong>in</strong> Pr<strong>in</strong>zip <strong>der</strong> Ges<strong>und</strong>heitsför<strong>der</strong>ung <strong>und</strong> des Ges<strong>und</strong>heitsmanagements ist die Beteiligung<strong>der</strong> Beschäftigten. Mitarbeiterbefragungen <strong>und</strong> -workshops, Gefährdungsbeurteilungen o<strong>der</strong>Ges<strong>und</strong>heitszirkel können dazu genutzt werden, belastende Arbeitsbed<strong>in</strong>gungen zu erkennen<strong>und</strong> geme<strong>in</strong>sam mit den Beteiligten geeignete Lösungen für ihren Abbau o<strong>der</strong> ihre Verän<strong>der</strong>ungzu entwickeln. Unterstützung f<strong>in</strong>den betriebliche E<strong>in</strong>richtungen dafür auch bei den Leistungsträgern,den Krankenkassen <strong>und</strong> <strong>der</strong> zuständigen gesetzlichen Unfallversicherung, dienach § 20 Abs. 2 SGB VI bzw. § 14 Abs. 2 SGB VII Betriebe bei <strong>der</strong> Verhütung arbeitsbed<strong>in</strong>gterGes<strong>und</strong>heitsgefahren unterstützen sollen.Arbeitsschritte Mit den Führungskräften <strong>und</strong> den Verantwortlichen <strong>in</strong> <strong>der</strong> Arbeitssicherheit, dem Betriebsarztbzw. betriebsärztlichen Dienst, dem Ges<strong>und</strong>heits- <strong>und</strong> Qualitätsmanagement, <strong>der</strong> Personal-<strong>und</strong> Organisationsentwicklung <strong>in</strong>s Gespräch kommen. Rahmenbed<strong>in</strong>gungen des Betriebes <strong>und</strong> betriebliche Strukturen kennen lernen; sich mit <strong>der</strong>Unternehmensphilosophie, dem Leitbild, den Führungsleitl<strong>in</strong>ien <strong>und</strong> den Managementgr<strong>und</strong>sätzen(z.B. im Personal-, Arbeitsschutz- <strong>und</strong> Qualitätsmanagement) vertraut machen. Anschlussfähigkeit <strong>der</strong> Suchtprävention erhöhen, die Interessen <strong>der</strong> verschiedenen Beteiligtenberücksichtigen; eigenes „Ressort"- <strong>und</strong> Konkurrenzdenken kritisch reflektieren. Geme<strong>in</strong>samer Austausch über die Ansatzpunkte, die Möglichkeit zur Verzahnung ges<strong>und</strong>heitlicherAktivitäten mit den Präventionsmaßnahmen des Suchtpräventionsprogramms. IntegriertePräventionskonzepte im Betrieb sollten die Suchtprävention e<strong>in</strong>beziehen. Nutzung von Fachkonferenzen <strong>und</strong> Netzwerken zur Information über Modelle guter Praxish<strong>in</strong>sichtlich <strong>der</strong> Verzahnungen von betrieblicher Suchtprävention, Ges<strong>und</strong>heitsmanagement,Arbeits- <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heitsschutz, Ges<strong>und</strong>heitsför<strong>der</strong>ung <strong>und</strong> E<strong>in</strong>glie<strong>der</strong>ungsmanagementetc.Literatur <strong>und</strong> MaterialienBertelsmann-Stiftung u. Hans-Böckler-Stiftung (Hrsg.) (2004) Zukunftsfähige betriebliche Ges<strong>und</strong>heitspolitik.Vorschläge <strong>der</strong> Expertenkommission. 2. Aufl. Gütersloh.B<strong>und</strong>eszentrale für ges<strong>und</strong>heitliche Aufklärung (Hrsg.) (2001) Was erhält Menschen Ges<strong>und</strong>?Antonovskys Modell <strong>der</strong> Salutogenese - Diskussionsstand <strong>und</strong> Stellenwert. Forschung <strong>und</strong> Praxis <strong>der</strong> Ges<strong>und</strong>heitsför<strong>der</strong>ung,Band 6, Köln, erweiterte NeuauflageGeme<strong>in</strong>same <strong>und</strong> e<strong>in</strong>heitliche Handlungsfel<strong>der</strong> <strong>und</strong> Kriterien <strong>der</strong> Spitzenverbände <strong>der</strong> Krankenkassen zurUmsetzung von § 20 Abs. 1 <strong>und</strong> 2 SGB V vom 21. Juni 2000 <strong>in</strong> <strong>der</strong> Fassung vom 2008. www.mdsev.de/media/pdf/Leitfaden_2008_150908.pdfHensen, G., Hensen, P. (Hrsg.) (2010) Ges<strong>und</strong>heits- <strong>und</strong> Sozialmanagement - Leitbegriffe <strong>und</strong> Gr<strong>und</strong>lagenmo<strong>der</strong>nen Managements. Stuttgart: Kohlhammer.Infol<strong>in</strong>e Ges<strong>und</strong>heitsför<strong>der</strong>ung. E<strong>in</strong> Informationsdienst des hessischen RKW-Arbeitskreises "Ges<strong>und</strong>heitim Betrieb". www.<strong>in</strong>fol<strong>in</strong>e-ges<strong>und</strong>heitsfoer<strong>der</strong>ung.de/ca/d/hct/Initiative Neue Qualität <strong>der</strong> Arbeit (INQA). www.<strong>in</strong>qa.de


16Kapitel 2 VorbeugenLeitfaden Nie<strong>der</strong>sachen (2008) Leitfaden zur Umsetzung von Ges<strong>und</strong>heitsmanagement <strong>in</strong> den Dienststellendes Landes Nie<strong>der</strong>sachsen. Erster Teil. Nie<strong>der</strong>sächsisches Innenm<strong>in</strong>isterium. Hannover.www.mi.nie<strong>der</strong>sachsen.de > Ges<strong>und</strong>heitsmanagementWagner-L<strong>in</strong>k, A. (2002) Lustvoll arbeiten. Mehr Spaß im Job, mehr Zeit für ges<strong>und</strong>en Ausgleich. TechnikerKrankenkasse, 5. Auflage. Hamburg.Wagner-L<strong>in</strong>k, A. (2005) Der Stress, Stressoren erkennen, Belastungen vermeiden, Stress bewältigen.Hrsg.: Techniker Krankenkasse, 15. Auflage. Hamburg.Wattendorff, F. / Wienemann, E. (2004) Betriebliches Ges<strong>und</strong>heitsmanagement. In: Ges<strong>und</strong>heit mit System.Unimagaz<strong>in</strong>, Zeitschrift <strong>der</strong> Universität Hannover, Heft 4/5: 28-31. www.wa.uni-hannover.de2.2 Information <strong>und</strong> Aufklärung <strong>der</strong> BeschäftigtenKernelement <strong>der</strong> vorbeugenden Aktivitäten <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>betrieblichen</strong> Suchtprävention ist gegenwärtigdie Information <strong>der</strong> Beschäftigten. Aufklärung über Gebrauch <strong>und</strong> Wirkung von Suchtmitteln,über Grenzen e<strong>in</strong>es verantwortungsvollen Umgangs damit wie auch mit Medikamenten, überges<strong>und</strong>heitliche <strong>und</strong> soziale Risiken e<strong>in</strong>es regelmäßigen o<strong>der</strong> missbräuchlichen Konsums <strong>und</strong>von suchtbed<strong>in</strong>gten Verhaltensweisen sowie über Beratungs- <strong>und</strong> Behandlungsmöglichkeitenbei Suchterkrankung stehen im Vor<strong>der</strong>gr<strong>und</strong>. Die Informationen werden ergänzt durch Anregung<strong>und</strong> Anleitung Konsum reduzieren<strong>der</strong> Verhaltensweisen, z.B. <strong>in</strong> Nichtrauchertra<strong>in</strong><strong>in</strong>gso<strong>der</strong> Programmen zur Reduzierung des Alkoholkonsums. Die betriebliche Suchtprävention erreichtmit ihren Informationen an die Beschäftigten gezielt e<strong>in</strong>en Großteil <strong>der</strong> erwachsenen Bevölkerung.Ziel ist die Stärkung <strong>der</strong> Ges<strong>und</strong>heitskompetenz aller Beschäftigten <strong>und</strong> För<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> E<strong>in</strong>sichtsowie <strong>der</strong> Möglichkeiten ges<strong>und</strong>heitsriskantes Verhalten zu vermeiden. "Punktnüchternheit" z.B.bei <strong>der</strong> Arbeit <strong>und</strong> im Straßenverkehr sollte e<strong>in</strong> Leitpr<strong>in</strong>zip im Betrieb werden. Beson<strong>der</strong>e Bedeutungkommt dabei dem Vorbildverhalten von Führungskräften, den Mitglie<strong>der</strong>n aus den Interessenvertretungen<strong>und</strong> an<strong>der</strong>en Schlüsselpersonen zu. Ihre Art des Umgangs mit Suchtmitteln<strong>und</strong> Auffälligkeiten am Arbeitsplatz trägt ganz wesentlich dazu bei, e<strong>in</strong>e suchtmittelfreieKultur im Betrieb zu för<strong>der</strong>n o<strong>der</strong> den Abbau ges<strong>und</strong>heitlicher Gefährdungen <strong>in</strong> diesem Bereichzu erschweren.Zur Erreichung ihrer Ziele sollte die Suchtprävention <strong>in</strong> die Präventionskonzepte des Arbeits<strong>und</strong>Ges<strong>und</strong>heitsschutzes sowie <strong>der</strong> Ges<strong>und</strong>heitsför<strong>der</strong>ung <strong>in</strong>tegriert werden. E<strong>in</strong>schlägige Informationenunterstützen die weiteren Maßnahmen e<strong>in</strong>es Suchtpräventionsprogramms <strong>und</strong>multiplizieren den Gedanken, dass gefährdete Personen sachgerechte Hilfe erhalten müssen.Sie tragen zur Enttabuisierung des Themas Suchtgefährdung <strong>und</strong> Suchterkrankung bei.Die <strong>betrieblichen</strong> Suchtpräventionsprogramme s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> den meisten Fällen <strong>in</strong> ihrer Aufklärungsarbeitabhängig von Impulsen, von Informationsmaterialien <strong>und</strong> Aktionen <strong>der</strong> für Prävention <strong>und</strong>Ges<strong>und</strong>heitsför<strong>der</strong>ung zuständigen Institutionen. Erfreulich ist es, wenn von den Trägern <strong>der</strong>Prävention auch auf die Bedarfe aus den Betrieben reagiert wird. E<strong>in</strong> Beispiel hierfür s<strong>in</strong>d dieBroschüren "Substanzbezogene Störungen am Arbeitsplatz" <strong>der</strong> DHS, "Rauchfrei am Arbeitsplatz"<strong>der</strong> B<strong>und</strong>esvere<strong>in</strong>igung für Ges<strong>und</strong>heit o<strong>der</strong> "Ess-Störungen am Arbeitsplatz", die von <strong>der</strong>Nie<strong>der</strong>sächsischen Landesstelle für Suchtfragen vorgelegt wurde.


Kapitel 2 Vorbeugen 17StandardInformation <strong>und</strong> Aufklärung im Rahmen <strong>der</strong> <strong>betrieblichen</strong> Suchtprävention Information <strong>und</strong> Aufklärung über den Gebrauch <strong>und</strong> die Wirkung von Suchtmitteln <strong>und</strong> überges<strong>und</strong>heitliche wie soziale Folgen des riskanten bis abhängigen Konsums <strong>und</strong>/o<strong>der</strong> vonsuchtbed<strong>in</strong>gten Verhaltensweisen sollte e<strong>in</strong> kont<strong>in</strong>uierlicher Bestandteil des <strong>betrieblichen</strong>Suchtpräventionsprogramms se<strong>in</strong>. Belange <strong>und</strong> Interessen <strong>der</strong> Beschäftigten sollten als konkrete Anknüpfungspunkte für Information<strong>und</strong> Aufklärung genutzt werden; dafür lassen sich viele betriebliche Anlässe (z.B.E<strong>in</strong>weisung <strong>in</strong> die Arbeitssicherheit, Betriebsversammlungen, Ges<strong>und</strong>heitstage) nutzen. Als Ziel sollte die Vermeidung bzw. Reduzierung ges<strong>und</strong>heitsriskanten Verhaltens <strong>und</strong> dieStärkung <strong>der</strong> Ges<strong>und</strong>heitskompetenz sowie die Enttabuisierung des Themas Suchtprobleme<strong>in</strong> <strong>der</strong> Arbeitswelt im Vor<strong>der</strong>gr<strong>und</strong> stehen. Aufklärung <strong>der</strong> Beschäftigten, <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e von Führungskräften über ihre rechtlichenPflichten <strong>in</strong> Verb<strong>in</strong>dung mit Arbeitssicherheit (BGV / GUV V A1 §7 <strong>und</strong> §15). Bei Bedarf sollte es ergänzende Angebote für ausgewählte Zielgruppen (z.B. Auszubildende,Frauen, Männer, bestimmte Nationalitäten, bestimmte Berufsgruppen) geben. Die Informationen sollten so aufbereitet se<strong>in</strong>, dass sie möglichst kurze, übersichtliche, strukturierteInformationen bieten („Alles auf e<strong>in</strong>en Blick“). Für die präventive Arbeit sollten Materialien aus zuverlässigen, professionellen Quellen genutztwerden, <strong>in</strong> erster L<strong>in</strong>ie von BZgA, DHS, Landesstellen für Suchtfragen, Krankenkassen<strong>und</strong> Berufsgenossenschaften. Auf die Aktualität <strong>der</strong> fachlichen <strong>und</strong> rechtlichen Standards<strong>der</strong> Konzepte <strong>und</strong> Materialien sollte <strong>in</strong> jedem Fall geachtet werden. Informationen <strong>und</strong> Aufklärungsmaßnahmen sollten aktuelle Erkenntnisse transportieren.Datenangaben s<strong>in</strong>d - z.B. mit Hilfe des aktuellen Jahrbuchs Sucht <strong>der</strong> DHS - immer wie<strong>der</strong>zu überprüfen <strong>und</strong> zu aktualisieren. Vorbeugende Aktivitäten sollten im Rahmen des Ges<strong>und</strong>heitsmanagements abgestimmtwerden, vor allem mit Angeboten des Arbeitsschutzes, <strong>der</strong> Ges<strong>und</strong>heitsför<strong>der</strong>ung <strong>und</strong> <strong>der</strong>Personalentwicklung.Information <strong>und</strong> Aufklärung zu Tabak Zur Information <strong>und</strong> Aufklärung zum Themenkreis Tabak sollten gehören: Information über die positiven Aspekte e<strong>in</strong>es rauchfreien Arbeitsplatzes <strong>und</strong> des Nichtrauchens<strong>und</strong> über Modelle guter Praxis. Aufklärung von Beschäftigten zu den ges<strong>und</strong>heitlichen Gefährdungen des Tabakkonsums<strong>und</strong> des Passivrauchens. Aufklärung von Führungskräften <strong>und</strong> Mitarbeiter/<strong>in</strong>nen über rechtliche Gr<strong>und</strong>lagen desNichtraucherschutzes; für die E<strong>in</strong>haltung s<strong>in</strong>d Vorgesetzte <strong>und</strong> Arbeitsschutz zuständig. Information von Zielgruppen mit beson<strong>der</strong>en beruflichen Belastungen über alternative Angebote<strong>und</strong> Wege des Stressabbaus. Angebot <strong>der</strong> Beratung <strong>und</strong> von Nichtrauchertra<strong>in</strong><strong>in</strong>gs für Raucher/<strong>in</strong>nen.


18Kapitel 2 VorbeugenInformation <strong>und</strong> Aufklärung zu Medikamenten Zur Information <strong>und</strong> Aufklärung zum Themenkreis Medikamente sollten gehören: Regelmäßige Information <strong>und</strong> Aufklärung von Beschäftigten, vor allem über Wahrnehmung<strong>und</strong> Reaktion verän<strong>der</strong>nde Wirkungen von Medikamenten <strong>und</strong> über die Entwicklungvon Abhängigkeiten. Information über riskanten Gebrauch von anregenden o<strong>der</strong> beruhigenden Medikamentensowie Beratungs-, Hilfe- <strong>und</strong> Therapieangebote bei Medikamentenabhängigkeit. Aufklärung von Führungskräften <strong>und</strong> Mitarbeiter/<strong>in</strong>nen über die möglichen Gefährdungen<strong>der</strong> Arbeits- <strong>und</strong> Verkehrssicherheit bei E<strong>in</strong>nahme von Medikamenten. Sensibilisierung von Zielgruppen mit beson<strong>der</strong>en arbeitsbed<strong>in</strong>gten Anfor<strong>der</strong>ungen <strong>und</strong>Belastungen, z.B. Führungskräfte, Lehrkräfte an Schulen, Pflegepersonal, berufstätigeFrauen, Auszubildende <strong>und</strong> Berufse<strong>in</strong>steiger/<strong>in</strong>nen. Angebot <strong>der</strong> Beratung durch Betriebsärzte unter verhaltens- <strong>und</strong> arbeitsplatzbezogenenAspekten, <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e für Personen mit spezifischen Ges<strong>und</strong>heitsproblemen o<strong>der</strong> Medikationen. För<strong>der</strong>ung des Ges<strong>und</strong>heitsbewusstse<strong>in</strong>s <strong>und</strong> Erweiterung <strong>der</strong> Ges<strong>und</strong>heitskompetenz,vor allem zur Bewältigung von Belastungen. Aufzeigen von ges<strong>und</strong>en Alternativen zumMedikamentene<strong>in</strong>satz.Information <strong>und</strong> Aufklärung zu Alkohol Zur Information <strong>und</strong> Aufklärung zum Themenkreis Alkohol sollten gehören: Sensibilisierung <strong>der</strong> Beschäftigten für die ges<strong>und</strong>heitlichen Risiken e<strong>in</strong>es regelmäßigen<strong>und</strong> riskanten Alkoholkonsums <strong>in</strong>nerhalb <strong>der</strong> gesellschaftlich tolerierten Grenzen. Aufklärung über riskante Konsummuster, <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e durch spezielle Tr<strong>in</strong>kstile <strong>und</strong> -kulturen <strong>in</strong> Arbeit <strong>und</strong> Freizeit. Information <strong>der</strong> Beschäftigten über Alkoholgefährdung <strong>und</strong> Alkoholabhängigkeit <strong>und</strong> denMöglichkeiten zur Therapie. Individuelle <strong>und</strong> betriebliche Regeln des bewussten Konsumverzichts im S<strong>in</strong>ne <strong>der</strong>"Punktnüchternheit". Aktion "Null Promille am Arbeitsplatz" für Arbeitssicherheit <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heit (<strong>in</strong> Betriebenohne generelles Alkoholverbot). Impulse zur Entwicklung e<strong>in</strong>er alkoholfreien Feierkultur bei <strong>betrieblichen</strong> o<strong>der</strong> persönlichenAnlässen (<strong>in</strong> Betrieben ohne generelles Alkoholverbot).Information <strong>und</strong> Aufklärung zu illegalen Drogen Zur Information <strong>und</strong> Aufklärung zum Themenkreis illegale Drogen sollten gehören: Sachliche Aufklärung <strong>der</strong> Beschäftigten <strong>in</strong> allen Altersgruppen über illegale Drogen, überKonsumkulturen <strong>und</strong> Risiken des Probier- <strong>und</strong> Experimentierkonsums sowie über Auswirkungendes Freizeitkonsums am Arbeitsplatz o<strong>der</strong> im Straßenverkehr. Information über <strong>in</strong>terne <strong>und</strong> externe Beratungsmöglichkeiten <strong>und</strong> Unterstützungsangebotefür Drogenkonsument/<strong>in</strong>nen. Information <strong>und</strong> Aufklärungsaktionen für bestimmte Zielgruppen (z.B. Auszubildende <strong>und</strong>junge Arbeitnehmer/<strong>in</strong>nen, Personalverantwortliche, Interessenvertretungen). Klare Regeln für den Konsumverzicht <strong>und</strong> die E<strong>in</strong>haltung von Konsequenzen bei Übertretungdes Regelwerks (<strong>in</strong> Betrieben ohne e<strong>in</strong> generelles Verbot illegalen Drogenkonsums).S<strong>in</strong>ne<strong>in</strong>es Verbots des Konsums illegaler Drogen für Arbeitssicherheit <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heit(<strong>in</strong> Betrieben mit e<strong>in</strong>em generellen Konsumverbot für illegale Drogen).


Kapitel 2 Vorbeugen 19Information <strong>und</strong> Aufklärung zu Ess-Störungen Zur Information <strong>und</strong> Aufklärung zum Themenkreis Ess-Störungen sollten gehören: Information über die verschiedenen Formen essgestörten Verhaltens sowie den damitverb<strong>und</strong>enen ges<strong>und</strong>heitlichen <strong>und</strong> sozialen Gefährdungen. Sensibilisierung für Auffälligkeiten von betroffenen Beschäftigten, vor allem H<strong>in</strong>blick aufdas Arbeits- <strong>und</strong> Sozialverhalten. Aufklärung über die Chancen <strong>der</strong> kollegialen Ansprache <strong>und</strong> Unterstützung sowie überdie Möglichkeiten <strong>und</strong> Grenzen <strong>der</strong> Intervention durch Führungskräfte.Information übersachgerechte Hilfe <strong>in</strong> e<strong>in</strong>schlägigen Beratungsstellen <strong>und</strong> therapeutischen E<strong>in</strong>richtungen.Information <strong>und</strong> Aufklärung zu Formen von Verhaltenssüchten Zur Information <strong>und</strong> Aufklärung zum Themenkreis verhaltensbezogene Süchte sollte gehören: Kurze, sachgerechte Informationen über die verschiedenen Formen von Verhaltenssüchten,die <strong>in</strong> Belegschaften sichtbar werden können (Glücksspielsucht, Arbeitssucht, Internetabhängigkeitu.a.). Informationen zum spezifischen Ersche<strong>in</strong>ungsbild, den ges<strong>und</strong>heitlichen <strong>und</strong> sozialen Gefährdungen<strong>und</strong> zu den Folgen am Arbeitsplatz. Aufklärung über die Ansatzpunkte <strong>betrieblichen</strong>Handelns sowie über Wege zur fachlichen Hilfe.AlkoholBegründungszusammenhangBetriebliche Informationen zum Thema Alkohol wirken sich nicht nur auf das Verhalten <strong>der</strong> Beschäftigtenam Arbeitsplatz aus, sie nehmen darüber h<strong>in</strong>aus auch E<strong>in</strong>fluss auf <strong>der</strong>en Konsumgewohnheiten<strong>in</strong> <strong>der</strong> Freizeit. Die Abst<strong>in</strong>enzraten <strong>in</strong> <strong>der</strong> erwachsenen Bevölkerung haben <strong>in</strong>Deutschland zugenommen <strong>und</strong> die Raten des Hochkonsums abgenommen. Allerd<strong>in</strong>gs hat vorallem <strong>in</strong> jüngeren Altersgruppen das Rauschtr<strong>in</strong>ken zugenommen, ebenso wie <strong>der</strong> riskante Alkoholkonsum.Informationen zum Themenkreis Alkohol sollten vor allem deutlich machen, dass schon kle<strong>in</strong>ereMengen regelmäßigen Alkoholkonsums e<strong>in</strong>e Ges<strong>und</strong>heit schädigende Wirkung haben können.Deshalb sollten Interventionen nicht erst bei ausgeprägten Krankheitssymptomen des Alkoholismuserfolgen. Ziel <strong>der</strong> <strong>betrieblichen</strong> Suchtprävention ist, bereits <strong>in</strong> <strong>der</strong> Phase des riskanten<strong>und</strong> gefährdenden Alkoholkonsums auf Auffälligkeiten zu reagieren <strong>und</strong> Stufengespräche zuführen.Für den Themenbereich Alkohol <strong>und</strong> Tabak steht f<strong>und</strong>iertes Material zur Verfügung, da bereitsvor e<strong>in</strong>igen Jahren große betriebsbezogene Kampagnen gestartet worden s<strong>in</strong>d.Die von <strong>der</strong> BZgA geför<strong>der</strong>te "Aktion Alkohol - Verantwortung setzt die Grenze", die für e<strong>in</strong>enverantwortlichen Umgang mit Alkohol sensibilisiert, hat das Pr<strong>in</strong>zip Punktnüchternheit <strong>in</strong> die<strong>betrieblichen</strong> Suchtpräventionsprogramme e<strong>in</strong>gebracht. Es beschreibt e<strong>in</strong>e <strong>in</strong>dividuelle<strong>und</strong>/o<strong>der</strong> betriebliche Selbstverpflichtung zum völligen Verzicht auf Alkohol <strong>in</strong> bestimmten Situationenu.a. bei <strong>der</strong> Arbeit <strong>und</strong> im Straßenverkehr. An<strong>der</strong>s als beim <strong>betrieblichen</strong> Alkoholverbotbegründen Verstöße gegen das Pr<strong>in</strong>zip Punktnüchternheit ke<strong>in</strong>e diszipl<strong>in</strong>arischen Sanktionen(siehe auch 2.5.1).Tabak <strong>und</strong> RauchenMit dem Gesetz zum Schutz vor den Gefahren des Passivrauchens wurden 2007 staatliche Regulierungenzum Schutz <strong>der</strong> Nichtraucher e<strong>in</strong>geführt. Dazu gehören u.a. die Rauchverbote <strong>in</strong>


20Kapitel 2 Vorbeugenöffentlichen Gebäuden, <strong>in</strong> <strong>der</strong> Personenbeför<strong>der</strong>ung <strong>und</strong> die E<strong>in</strong>schränkung des Rauchens <strong>in</strong>Gaststätten. Die seit 2002 geltende Arbeitsstättenverordnung regelt, dass an Arbeitsplätzenohne Publikumsverkehr rauchfreie Arbeitsplätze garantiert werden müssen.Die B<strong>und</strong>esvere<strong>in</strong>igung für Ges<strong>und</strong>heit e.V. hat zum Thema Rauchen das WHO PartnerschaftsprojektTabakabhängigkeit durchgeführt <strong>und</strong> Materialien erstellt. Über die BZgA könnenkostenfrei die Materialien „rauchfrei! - Informationen für rauchende <strong>und</strong> nichtrauchende Arbeitnehmer“sowie „Rauchfrei am Arbeitsplatz - E<strong>in</strong> Leitfaden für Betriebe“ angefor<strong>der</strong>t werden. Daswichtige Thema, welche Arbeitsbed<strong>in</strong>gungen den Tabakkonsum för<strong>der</strong>n bleibt lei<strong>der</strong> weitgehendausgeklammert.Die Wirksamkeit <strong>der</strong> Präventionsmaßnahmen zeigte sich im Betrieb <strong>in</strong> <strong>der</strong> Nachfrage nachNichtrauchersem<strong>in</strong>aren, die <strong>in</strong> den ersten Jahren nach E<strong>in</strong>führung <strong>der</strong> Regelungen deutlich angestiegenwar. Generell zeigen sich Erfolge vor allem an e<strong>in</strong>er gewachsenen kritischen Haltunggegenüber dem Tabakkonsum.MedikamenteDer <strong>in</strong> Umfang <strong>und</strong> Wirkung am ehesten unterschätzte Substanzkonsum am Arbeitsplatz ist <strong>der</strong>problematische Medikamentengebrauch. Viele Berufstätige s<strong>in</strong>d erst durch die zeitweise o<strong>der</strong>dauerhafte E<strong>in</strong>nahme von Medikamenten arbeitsfähig. Es ist arbeitswissenschaftlich belegt,dass hohe körperliche, soziale <strong>und</strong> psychische Belastungen <strong>und</strong> ger<strong>in</strong>ge Handlungsspielräumezu ges<strong>und</strong>heitlichen Beschwerden <strong>und</strong> Bef<strong>in</strong>dlichkeitsstörungen führen, die den Gebrauch vonArzneimitteln begünstigen. Schmerz-, Schlaf- <strong>und</strong> Beruhigungsmittel stehen <strong>in</strong> diesem Zusammenhangfür Stressabschirmung, Durchhalten, Weiterfunktionieren. Vor allem <strong>der</strong> Arzneimittelumsatzvon Antidepressiva hat sich <strong>in</strong> den letzten zehn Jahren fast verdreifacht.Immer häufiger werden auch anregende Medikamente o<strong>der</strong> Substanzen e<strong>in</strong>gesetzt, um leistungsfähigerzu se<strong>in</strong> <strong>und</strong> dem über lange Zeit erbr<strong>in</strong>gen zu können. Aktuell wird die Diskussionum das so genannte "Neuro-Enhancement" o<strong>der</strong> "Gehirn-Dop<strong>in</strong>g" mittels Psychostimulanziengeführt. Es beschreibt den E<strong>in</strong>satz von Substanzen, die sich auf die kognitive Leistungsfähigkeit<strong>und</strong>/o<strong>der</strong> psychische Bef<strong>in</strong>dlichkeit auswirken <strong>und</strong> - ohne mediz<strong>in</strong>isch <strong>in</strong>diziert zu se<strong>in</strong> - e<strong>in</strong>gesetztwerden um z.B. konzentrierter <strong>und</strong> ausdauern<strong>der</strong> zu lernen o<strong>der</strong> zu arbeiten. Strittig istunter den Fachleuten die Entwicklung e<strong>in</strong>er Abhängigkeitsgefährdung durch Psychostimulanziensowie die Frage, ob e<strong>in</strong>e nicht regelmäßige zweckgerichtete E<strong>in</strong>nahme legal erworbenerPsychopharmaka (u.a. Amphetam<strong>in</strong>e, Piperaz<strong>in</strong>-Derivate (z.B. Rital<strong>in</strong>), Antidementiva) ges<strong>und</strong>heitlich<strong>und</strong> ethisch vertretbar ist.Dafür, die Sensibilisierung <strong>der</strong> Beschäftigten für das Medikamententhema <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>betrieblichen</strong>Suchtprävention zu verstärken, spricht die geschätzte Zahl von bis zu 1,5 Mill. Medikamentenabhängigen.Es handelt sich überwiegend um e<strong>in</strong>e „Niedrigdosis-Abhängigkeit“, das heißt, diebetroffenen Personen nehmen über Jahre h<strong>in</strong>weg regelmäßig "ihre" Medikamente e<strong>in</strong> ohne erheblicheDosissteigerung. E<strong>in</strong> riskanter Medikamentengebrauch wird am Arbeitsplatz - sofern erüberhaupt wahrgenommen wird - erst dann auffällig, wenn Verhaltensän<strong>der</strong>ungen, Leistungsabfall<strong>und</strong> gesunkene Belastbarkeit nicht mehr zu übersehen s<strong>in</strong>d.Viele Arzneimittel, die längerfristig verabreicht werden wie z.B. Beta(rezeptoren)-Blocker, aberauch solche, die nur <strong>in</strong> Akutfällen e<strong>in</strong>genommen werden z.B. Grippemittel, enthalten Inhaltsstoffemit Wahrnehmung <strong>und</strong> Reaktion verän<strong>der</strong>n<strong>der</strong> Wirkung. Sie können die Arbeitssicherheitnachhaltig bee<strong>in</strong>trächtigen. Seit <strong>der</strong> Aktualisierung <strong>der</strong> Unfallverhütungsvorschriften 2004 wird<strong>in</strong> § 15 (3) BGV A1 explizit auf die Gefährdung durch Medikamente Bezug genommen. BetrieblicheSuchtprävention, Arbeitsschutz <strong>und</strong> <strong>der</strong> dafür zuständige Vorgesetzte haben seither diePflicht die Beschäftigten über Ges<strong>und</strong>heits- <strong>und</strong> Unfallgefährdungen durch Medikamente zu<strong>in</strong>formieren. Das gilt für verschriebene wie für nicht verschreibungspflichtige Medikamente. DieWarnh<strong>in</strong>weise auf den Beipackzetteln s<strong>in</strong>d deshalb ernst zu nehmen <strong>und</strong> können durch denBetriebsarzt erläutert werden.


Kapitel 2 Vorbeugen 21In <strong>der</strong> vorbeugenden Arbeit können <strong>in</strong> Kooperation mit den Betriebsärzten <strong>und</strong> <strong>der</strong> Ges<strong>und</strong>heitsför<strong>der</strong>unggesün<strong>der</strong>e Alternativen zum schnellen Griff zur Tablette z.B. <strong>in</strong> Informationenaufgezeigt werden. Angebote <strong>der</strong> Personalentwicklung können dazu beitragen z.B. mit Hilfe vonStress- <strong>und</strong> Selbstmanagement an<strong>der</strong>e Formen <strong>der</strong> Belastungsbewältigung <strong>und</strong> <strong>der</strong> Arbeits<strong>und</strong>Lebensbalance zu entwickeln.Illegale DrogenBetriebliche Suchtprävention zum Thema illegale Drogen konzentriert sich <strong>in</strong> <strong>der</strong> Regel auf Auszubildende.Schließlich werden auch die meisten Präventionsmaterialien <strong>und</strong> -aktionen zumThema illegale Drogen für die Zielgruppe Jugendliche vorgehalten. Im Betrieb sollte man sichjedoch mit <strong>der</strong> Tatsache ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>setzen, dass nicht zuletzt Leistung steigernde Substanzenwie Koka<strong>in</strong>, nicht legal erworbene Psychostimulanzien o<strong>der</strong> Ecstasy auch von erwachsenenBeschäftigten gezielt e<strong>in</strong>gesetzt werden, um den Anfor<strong>der</strong>ungen im Arbeitsprozess bestehen zukönnen. Mit <strong>der</strong> E<strong>in</strong>nahme verb<strong>und</strong>ene Wirkungen wie Risikobereitschaft, Leistungsfähigkeit,Angstfreiheit, e<strong>in</strong>geschränktes Schlafbedürfnis, Kreativität, Durchsetzungsfähigkeit, Präsenz<strong>und</strong> Individualität, das Gefühl von “Unverletzbarkeit“ verb<strong>in</strong>den sich mit den heute gefor<strong>der</strong>tenKompetenzen im Arbeitsleben. In Bereichen, <strong>in</strong> denen e<strong>in</strong> hohes Maß an Flexibilität <strong>und</strong> Leistungsbereitschafterwartet, wo je<strong>der</strong>zeit Attraktivität <strong>und</strong> Kreativität gefor<strong>der</strong>t wird, können sichriskante Konsumkulturen herauskristallisieren, die nach dem Muster “Cop<strong>in</strong>g by Dop<strong>in</strong>g“ (Bewältigungdurch Leistung steigernde Substanzen) funktionieren. Die betriebliche Suchtpräventionmuss sich noch stärker darauf e<strong>in</strong>stellen, sachliche Information <strong>und</strong> Aufklärung zu illegalenDrogen für alle Beschäftigten vorzusehen.Formen suchtbed<strong>in</strong>gten VerhaltensDie Suchtforschung belegt, dass auch exzessives Verhalten, das nicht <strong>in</strong> Verb<strong>in</strong>dung mit stofflichemSubstanzkonsum steht, zu e<strong>in</strong>er Abhängigkeit (Glücksspielsucht, Magersucht, Arbeitssucht,Kaufsucht, Internetabhängigkeit u.a.) führen kann. Bei diesen verhaltensbezogenenSüchten wird ke<strong>in</strong> Suchtmittel von außen zugeführt, doch können psychische Vorgänge <strong>und</strong>körpereigene biochemische Prozesse zu rauschähnlichen Zuständen führen. Nicht alle umgangssprachlichals Süchte bezeichneten Verhaltensweisen s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> den gebräuchlichen Diagnose-<strong>und</strong> Klassifizierungssystemen ICD 10 o<strong>der</strong> DSM-IV als Abhängigkeitserkrankung def<strong>in</strong>iert,selbst wenn die Steuerungsfähigkeit <strong>der</strong> betroffenen Personen stark e<strong>in</strong>geschränkt se<strong>in</strong>kann. Sie gelten z.B. als Abnorme Gewohnheiten, Störung <strong>der</strong> Impulskontrolle o<strong>der</strong> psychosomatischeStörung. In <strong>der</strong> allgeme<strong>in</strong>en Suchtprävention werden die verschiedenen verhaltensbezogenen"Suchtgefährdungen" bereits mehr o<strong>der</strong> weniger <strong>in</strong>tensiv thematisiert. Es ist zuempfehlen sie im Rahmen betriebliche Präventionsprogramme <strong>in</strong> die Information <strong>und</strong> Aufklärungsowie <strong>in</strong> die Beratungs- <strong>und</strong> Hilfeangebote mit e<strong>in</strong>zubeziehen.Ess-StörungenDas Thema Ess-Störungen wird <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>betrieblichen</strong> Suchtprävention vor allem <strong>in</strong> solchen Betrieben<strong>und</strong> E<strong>in</strong>richtungen systematisch aufgegriffen, <strong>in</strong> denen hauptamtliche Fachkräfte o<strong>der</strong>Betriebsärzte dafür sensibilisiert s<strong>in</strong>d <strong>und</strong> die Wichtigkeit e<strong>in</strong>er frühzeitigen Intervention kennen.Manifestiert sich e<strong>in</strong>e Ess-Störung (siehe Abb. 4) so verschlechtert sich die Prognose deutlich.Für an<strong>der</strong>e Betriebe ist es deshalb wichtig zu wissen, wo sie für präventive Aktionen gute Informationenzum Thema <strong>und</strong> <strong>in</strong> Fällen von auffälligen Ess-Störungen bei Beschäftigten sachgerechteHilfe f<strong>in</strong>den können.Prävention von Ess-Störungen kann auch durch die Stärkung ges<strong>und</strong>heitsför<strong>der</strong>licher persönlicherSchutzfaktoren (Resilienz) verfolgt werden. Dabei geht es z.B. um die För<strong>der</strong>ung vonSelbstwertgefühl, Selbstvertrauen, Fähigkeit zum Setzen von Grenzen bei überhöhten Leistungsansprüchen,Strategien zum Umgang mit Unsicherheiten <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e im H<strong>in</strong>blick aufdas eigene Körpergefühl. In vielen Bereichen gibt es bereits frauenspezifische Angebote <strong>der</strong>Personalentwicklung <strong>und</strong> Beratung, die solche Schwerpunkte setzen. Sie können mit demThema Ess-Störungen verknüpft werden. Mit Maßnahmen zur ges<strong>und</strong>en Ernährung, Selbstma-


22Kapitel 2 Vorbeugennagement o<strong>der</strong> Ges<strong>und</strong>heitscoach<strong>in</strong>g erreicht man Frauen <strong>und</strong> Männer, denn letztere s<strong>in</strong>d heutezunehmend auch mit idealisierten Körper- <strong>und</strong> Leistungsbil<strong>der</strong>n konfrontiert, die zum Entstehenvon Ess-Störungen beitragen.Die Interventionsmöglichkeiten bei Ess-Störungen s<strong>in</strong>d häufig auf <strong>der</strong> kollegialen Ebene amwirkungsvollsten. Deshalb s<strong>in</strong>d Informationen so zu gestalten, dass sie vor allem auf dieMöglichkeiten des kollegialen Umfeldes im Umgang mit Ess-Störungen e<strong>in</strong>gehen. (Siehe Abb.4). Vorgesetzte können im S<strong>in</strong>ne <strong>der</strong> Fürsorge <strong>in</strong>tervenieren <strong>und</strong> auf Beratung h<strong>in</strong>weisen. Erstwenn als Folge e<strong>in</strong>e Verletzung arbeitsvertraglicher Pflichten o<strong>der</strong> Störungen des Arbeitsablaufessichtbar werden, greift <strong>der</strong> Stufenplan. Dies kann auftreten, wenn aufgr<strong>und</strong> <strong>der</strong> Auffälligkeitenz.B. Konzentrationsmängel, körperliche Beschwerden e<strong>in</strong>e Eignung für die Tätigkeit im S<strong>in</strong>nedes Arbeitsschutzes (§7 <strong>und</strong> §15 BGV A 1) nicht mehr gewährleistet ist


Kapitel 2 Vorbeugen 23Ess-Störungen am ArbeitsplatzMagersucht (Anorexie)Unter Anorexie versteht man dauerndes, extremesHungern mit erheblichem Gewichtsverlust. Häufig istdas auffällige Essverhalten mit extremer sportlicherBetätigung verb<strong>und</strong>en. Soziale Isolation <strong>und</strong> hoheLeistungsabfor<strong>der</strong>ungen gehören zum Krankheitsbild.Formen essgestörten Verhaltens Ess-Sucht (B<strong>in</strong>ge Eat<strong>in</strong>g Disor<strong>der</strong>)Bei <strong>der</strong> Ess-Sucht werden phasenweise Fressanfällevon Phasen des kontrollierten Essens, <strong>der</strong> Diäten <strong>und</strong>Hungers abgewechselt. Meist s<strong>in</strong>d diese Personenübergewichtig. Der Unterschied zur Bulimie liegt imwesentlichen dar<strong>in</strong>, dass die während e<strong>in</strong>es Essanfallsaufgenommenen Kalorien nicht ungeschehen gemachtwerden.Ess-Brechsucht (Bulimie)Bulimie ist e<strong>in</strong>e Essstörung, bei <strong>der</strong> Heißhungerattackenvon Erbrechen gefolgt se<strong>in</strong> können. Meist versuchenBulimiker/-<strong>in</strong>nen ihr Gewicht durch verschiedeneMedikamente <strong>und</strong> an<strong>der</strong>e manipulative Maßnahmen zukontrollieren.Latente Ess-StörungenLatente Ess-Störungen werden bestimmt von Diäten,vom Zählen <strong>der</strong> Kalorien o<strong>der</strong> immer stärkerer E<strong>in</strong>grenzungauf 'ges<strong>und</strong>e' Lebensmittel. Hungersignale werdenunterdrückt, teils kommt es zu Ess-Attacken, die dannwie<strong>der</strong> durch die nächste Diätphase abgelöst werden.Mögliche Auffälligkeiten imArbeitsverhalten• Hang zum Perfektionismus• Gelegentliches Überschreiten<strong>der</strong> eigenen Kompetenzen• Konzentrationsstörungen <strong>und</strong>Vergesslichkeit• wirkliche Leistungse<strong>in</strong>brüches<strong>in</strong>d seltenMögliche Auffälligkeiten imSozialverhalten• Kritikunfähigkeit: Sachkritik wirdals Personenkritik <strong>in</strong>terpretiert• starke Stimmungsschwankungen• überangepasst <strong>und</strong> total korrekt• großes Bedürfnis nach Harmonie• betriebliche Feiern <strong>und</strong> Festewerden gemieden• zunehmende IsolationMögliche Auffälligkeiten imErsche<strong>in</strong>ungsbild• Augenfälliges Untergewicht beiMagersucht• augenfälliges Übergewicht beiEss-Sucht• „gestyltes“ – dem Schönheitsidealentsprechendes Äußeresbei Ess-Brechsucht• E<strong>in</strong>nahme von Appetitzüglern<strong>und</strong> Abführmitteln• Müdigkeit <strong>und</strong> Schw<strong>in</strong>delanfälleProblemanalyse um den Handlungsbedarf zu konkretisierenWenn am Arbeitsplatz e<strong>in</strong>e Ess-Störung bei e<strong>in</strong>er Beschäftigten vermutet wird, kann es hilfreich se<strong>in</strong>, die Situation noche<strong>in</strong>mal genauer zu betrachten.Wie äußert sich das Problem (Abnahme <strong>der</strong> Flexibilität, Leitungsschwankungen, kollegiale Konflikte, Fehlzeiten)?Wer ist von dem Problem betroffen? (Intern – Extern)Welche direkten <strong>und</strong> <strong>in</strong>direkten Folgen hat das Problem für die Person, das Arbeitsumfeld, den Betrieb?Durchführung von Gesprächen bei Ess-StörungenErgibt die Problemanalyse bei Auffälligkeiten H<strong>in</strong>weise auf e<strong>in</strong>e Ess-Störung, so ist e<strong>in</strong>e frühzeitige Intervention <strong>in</strong> Forme<strong>in</strong>es Fürsorgegesprächs angezeigt. Bei Verän<strong>der</strong>ungen im Arbeits- <strong>und</strong> Leistungsverhalten sollte <strong>in</strong> jedem Fall e<strong>in</strong> e<strong>in</strong>Klärungsgespräch nach dem Interventionskonzept (vgl. Punkt 3) geführt werden. Ziel ist es, <strong>der</strong>/den e<strong>in</strong>zelnen Beschäftigtenfrühzeitig zu signalisieren, dass sie/er Unterstützung vonseiten des Arbeitgebers bzw. des/<strong>der</strong> Vorgesetzten erwartenkann, wenn sie/er das wünscht. S<strong>in</strong>d weiterh<strong>in</strong> Störungen im Arbeitsablauf o<strong>der</strong> kollegialen Mite<strong>in</strong>an<strong>der</strong> o<strong>der</strong>Verstöße gegen arbeitsvertragliche Pflichten festzustellen, erfolgen die weiteren Gespräche nach dem Stufenplan.Abb. 4Information zu Ess-Störungen im Betrieb


24Kapitel 2 VorbeugenPathologisches Glücksspiel - GlücksspielsuchtDie Mehrheit <strong>der</strong> Beschäftigten pflegt e<strong>in</strong>en verantwortungsbewussten Umgang mit Glücksspielen.Bei den durch Glückspielsucht gefährdeten Personen, die ihr Spielverhalten nicht mehr ohneWeiteres steuern können, entstehen jedoch häufig erhebliche Folgeschäden z.B. durch physische<strong>und</strong> psychische Probleme (u.a. Entzugsere<strong>in</strong>ungen), f<strong>in</strong>anzielle Verpflichtungen (Überschuldung,Privat<strong>in</strong>solvenz), soziale Konflikte (u.a. am Arbeits-/Ausbildungsplatz) o<strong>der</strong> Straftatenzur Beschaffung f<strong>in</strong>anzieller Mittel. Nicht selten liegt gleichzeitig zum pathologischenGlücksspiel auch e<strong>in</strong>e stoffgeb<strong>und</strong>ene Gefährdung vom Alkohol o<strong>der</strong> vom Nikot<strong>in</strong> u.a. vor.Für die betriebliche Prävention des Pathologischen Glücksspiels gibt es gute Informationsmaterialienwie die Factsheets <strong>der</strong> DHS o<strong>der</strong> Materialien des Fachverbands Glücksspielsucht (fags),die im Internet abgerufen werden können. Es s<strong>in</strong>d kurz gebündelte Informationen, die jeweilsdas spezifische Ersche<strong>in</strong>ungsbild des Problems sowie die Handlungsmöglichkeiten beschreiben.Im Betrieb sollten ergänzende H<strong>in</strong>weise erstellt werden mit konkreten Angaben darüber,wo fachliche Hilfe bei entsprechenden Auffälligkeiten von Beschäftigten zu f<strong>in</strong>den ist. SpezielleBeratungsangebote sowie Ambulanzen für Spielsüchtige s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> den letzten Jahren e<strong>in</strong>gerichtetworden. Betroffene Personen können dorth<strong>in</strong> direkt Kontakt aufnehmen.Onl<strong>in</strong>e Abhängigkeit - InternetsuchtDas pathologische Computer spielen wurde zunächst als e<strong>in</strong>e spezielle Form <strong>der</strong> Spielsuchtangesehen. Bei den spielenden Personen konnten <strong>in</strong> Folge e<strong>in</strong>er anhaltenden unkontrolliertenNutzung von Computerspielen die spezifischen Symptome (z.B. unwi<strong>der</strong>stehliches Verlangen,Toleranzentwicklung, sozialer Rückzug, Vernachlässigung schulischer <strong>und</strong> beruflicher Pflichten)e<strong>in</strong>er Abhängigkeit festgestellt werden. Heute fasst man unter dem Begriff <strong>der</strong> Onl<strong>in</strong>e- o<strong>der</strong> Internetabhängigkeitdie durch verschiedene Aktivitäten im Internet (u.a. E<strong>in</strong>kaufen, Erotikkonsum,Recherchieren, Chatten, Spielen) entstehenden Abhängigkeitsprobleme zusammen.Betroffen s<strong>in</strong>d vor allem männliche Jugendliche <strong>und</strong> junge Erwachsene. Sie setzen Spiele zurBewältigung von Stress <strong>und</strong> zur Emotionsregulierung e<strong>in</strong>.Präventive Wirkung können im Betrieb klare Regelungen, die mit <strong>der</strong> Personalvertretung abgestimmts<strong>in</strong>d, zur privaten Nutzung des Internets entfalten sowie die Sperrung bestimmter Seiten.Frühzeitige Interventionen s<strong>in</strong>d auch hier bei Auffälligkeiten am Arbeitsplatz angesagt. Solches<strong>in</strong>d z.B. gesteigerte Unruhe, Unkonzentriertheit, Übermüdung, Des<strong>in</strong>teresse an <strong>der</strong> Arbeit, Zunahmevon Fehlzeiten. Gezielte Beratungsangebote <strong>und</strong> Selbsthilfegruppen f<strong>in</strong>den sich <strong>in</strong> denmeisten Regionen. Die Universitätskl<strong>in</strong>ik Ma<strong>in</strong>z bietet <strong>in</strong> <strong>der</strong> Ambulanz für Spielsucht b<strong>und</strong>esweite<strong>in</strong>e anonyme kostenlose Telefonberatung für betroffene Personen <strong>und</strong> <strong>der</strong>en Angehörigenan.ArbeitssuchtNicht je<strong>der</strong> Mensch, <strong>der</strong> lange <strong>und</strong> viel arbeitet, ist deshalb bereits arbeitssüchtig. Vielarbeiter/<strong>in</strong>nenkönnen z.B. das vollbrachte Arbeitsergebnis genießen <strong>und</strong> suchen den sozialen Kontaktzum Ausgleich. Von Arbeitssucht gefährdete Personen organisieren sich dagegen zwanghaftArbeit bis <strong>in</strong> die Freizeit h<strong>in</strong>e<strong>in</strong>. Sie erleben Situationen <strong>der</strong> Erholung <strong>und</strong> des sozialen Mite<strong>in</strong>an<strong>der</strong>svor allem als störende Ablenkung <strong>und</strong> steigern ihre Anstrengungen noch, wenn siebereits negative ges<strong>und</strong>heitliche <strong>und</strong> soziale Folgen wahrnehmen. Wie bei an<strong>der</strong>en suchtbed<strong>in</strong>gtenVerhaltensweisen verlieren sie zunehmend die Fähigkeit das eigene Arbeitsverhaltenzu steuern. Zunächst mit viel Anerkennung für ihre Leistungsfähigkeit bedacht, nimmt die Effektivitätihrer Arbeitsweise mit <strong>der</strong> Zeit häufig deutlich ab. Ges<strong>und</strong>heitliche <strong>und</strong> motivationaleProbleme (u.a. Gereiztheit, Unzufriedenheit mit <strong>der</strong> Arbeitshaltung im kollegialen Umfeld,Burnout), aufwendige Arbeitsweisen senken die Produktivität <strong>und</strong> Konflikte im Arbeitsumfeldwerden sichtbar.


Kapitel 2 Vorbeugen 25Vorbeugend können Angebote <strong>der</strong> <strong>betrieblichen</strong> Ges<strong>und</strong>heitsför<strong>der</strong>ung <strong>und</strong> Personalentwicklungwirken, die sich mit den Themen Work-Life-Balance o<strong>der</strong> Selbstmanagement befassen.Für Beschäftigte, die mit überhöhtem Anspruch an sich <strong>und</strong> an<strong>der</strong>e <strong>und</strong> starkem Kontrollbedürfnisan die Arbeit gehen, sollten ggf. auch <strong>in</strong>dividuelle Ges<strong>und</strong>heitscoach<strong>in</strong>gs angebotenwerden, <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e wenn sie <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Führungsrolle s<strong>in</strong>d. Interventionen bei Auffälligkeitenam Arbeitsplatz können außerdem z.B. mit e<strong>in</strong>er stärkeren Regulierung <strong>der</strong> Arbeitszeiten <strong>und</strong><strong>der</strong> Kontrolle ihrer E<strong>in</strong>haltung verb<strong>und</strong>en werden. Es ist davon auszugehen, dass Männer <strong>und</strong>Frauen gleichermaßen betroffen s<strong>in</strong>d. Personen, die selbstständig arbeiten können <strong>und</strong> nicht <strong>in</strong>feste Zeit- <strong>und</strong> Aufgabenstrukturen e<strong>in</strong>geb<strong>und</strong>en s<strong>in</strong>d, sche<strong>in</strong>en eher gefährdet zu se<strong>in</strong>.Hilfe <strong>und</strong> Behandlung f<strong>in</strong>den arbeitssüchtige Personen häufig erst über stationäre Aufenthalteim Krankenhaus, wenn Erkrankungen diese notwendig machen. E<strong>in</strong>e spezielle psychosomatischeRehabilitationsbehandlung kann dazu beitragen, die schädigenden Verhaltensmuster zuverän<strong>der</strong>n. Innerbetriebliche Suchtberatung kann hierfür e<strong>in</strong>e wichtige Lotsenfunktion wahrnehmen.Arbeitsschritte Kreative Ansätze zur Information <strong>und</strong> Aufklärung <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>betrieblichen</strong> Suchtprävention verstärken<strong>und</strong> dabei den Blick auf risikoarmen Konsum <strong>und</strong> die Verän<strong>der</strong>ung riskanter Konsummustero<strong>der</strong> Verhaltensweisen richten, nicht nur auf die Gefahr von Suchterkrankungenh<strong>in</strong>weisen. Entwicklung von Beiträgen <strong>der</strong> <strong>betrieblichen</strong> Suchtprävention zur Erweiterung <strong>der</strong> Ges<strong>und</strong>heitskompetenzim Betrieb. Beteiligung an Aktionen zur Ges<strong>und</strong>heitsför<strong>der</strong>ung. Nutzung aktueller <strong>und</strong> professionell aufbereiteter Informations- <strong>und</strong> Aufklärungsmaterialien,<strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e <strong>der</strong> DHS, <strong>der</strong> BZgA, <strong>der</strong> Landesstellen für Suchtfragen sowie <strong>der</strong> Krankenkassen<strong>und</strong> Berufsgenossenschaften. Entwicklung <strong>und</strong> Gestaltung spezieller Informationsmöglichkeiten z.B. für Auszubildende<strong>und</strong> neue Mitarbeiter/<strong>in</strong>nen, denn <strong>in</strong> <strong>der</strong> Phase des E<strong>in</strong>stiegs <strong>in</strong> e<strong>in</strong> neues Berufsfeld wirktdie Aufklärung nachhaltiger <strong>und</strong> för<strong>der</strong>t e<strong>in</strong>e präventive Unternehmenskultur. Stärkere Beachtung des Medikamentengebrauchs <strong>und</strong> <strong>der</strong> Suchtgefährdung durch exzessiveVerhaltensweisen <strong>in</strong> <strong>der</strong> Arbeitswelt. Vorliegenden Informationsmaterialien s<strong>in</strong>d für diebetriebliche Verwendung weiter zu entwickeln o<strong>der</strong> zu ergänzen. Kooperation <strong>und</strong> Vernetzung mit dem Ziel des Aufbaus e<strong>in</strong>es zentralen Wissensmanagementsfür die betriebliche Suchtprävention, das über die elektronischen Medien für alleleicht zugänglich ist.B<strong>und</strong>esvere<strong>in</strong>igung für Ges<strong>und</strong>heit e.V. Bonn (2002) Rauchfrei am Arbeitsplatz.E<strong>in</strong> Leitfaden für Betriebe. WHO-Partnerschaftsprojekt Tabakabhängigkeit. 3.Aufl. Köln.Literatur <strong>und</strong> MaterialienBüro für Suchtprävention Hamburg (Hrsg.)(2000) Illegale Drogen <strong>in</strong> <strong>der</strong> Arbeitswelt. Hamburg.B<strong>und</strong>eszentrale für ges<strong>und</strong>heitliche Aufklärung (Hrsg.)(o.J.)Alles klar? Tipps & Informationen für den verantwortungsvollen Umgang mit Alkohol.DHS Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen e.V. (Hrsg.)(2008)Substanzbezogene Störungen am Arbeitsplatz. Text: U. Pegel-Rimpl. 5. Aufl. Hamm. www.dhs.deDHS Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen e.V. (Hrsg.)Factsheets, Broschüren <strong>und</strong> Faltblätter zu den Themen Tabak/Nikot<strong>in</strong>, Alkohol, Medikamente, illegaleDrogen, Glücksspiel u.a., www.dhs.deDHS Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen (2010) Jahrbuch Sucht 2010.Füchtenschnie<strong>der</strong> I., Petry, J. Ottensmeier, B, (2010) Pathologisches Glücksspielen - Recht, Beratung,Therapie, Geesthacht: NeulandNette, A. (1998) Betriebliche Prävention <strong>und</strong> Intervention bei Medikamentenproblemen.In: Fuchs, R. / Rummel, M. (Hrsg.). Betriebliche Suchtprävention. Gött<strong>in</strong>gen. S.171-181.Nie<strong>der</strong>sächsische Landesstelle für Suchtfragen (Hrsg.)(2004) Ess-Störungen am Arbeitsplatz.E<strong>in</strong>e Praxishilfe für Personalverantwortliche <strong>und</strong> Kolleg<strong>in</strong>nen <strong>und</strong> Kollegen. Hannover.


26Kapitel 2 VorbeugenNordrhe<strong>in</strong>-westfälisches M<strong>in</strong>isterium für Arbeit <strong>und</strong> Soziales, Qualifikation <strong>und</strong> Technologie (Hrsg.)Arbeitswelt NRW 2000, Belastungsfaktoren – Bewältigungsformen – Arbeitszufriedenheit.Rehwald, R., Re<strong>in</strong>eke, G., Wienemann, E., Z<strong>in</strong>ke, E. (2008): Betriebliche Suchtprävention <strong>und</strong> Suchthilfe.Frankfurt am Ma<strong>in</strong>. B<strong>und</strong>-Verlag.Suchtprävention <strong>in</strong> Nie<strong>der</strong>sachsen (2008) Nie<strong>der</strong>sächsisches M<strong>in</strong>isterium für Soziales, Frauen, Familie<strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heit. Hannover. www.ms.nie<strong>der</strong>sachsen.de > Themen > Ges<strong>und</strong>heit > Drogen & Sucht2.3 Verän<strong>der</strong>ung ges<strong>und</strong>heitsriskanten Verhaltens –Betriebliche Konzepte zur Suchtprävention <strong>und</strong>Ges<strong>und</strong>heitsför<strong>der</strong>ungZur verhaltensorientierten Prävention gehören <strong>in</strong> <strong>betrieblichen</strong> Suchtpräventionsprogrammen a)die Angebote zur <strong>in</strong>dividuellen Konsumreduzierung, b) die Initiativen zur Verän<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Konsumkulturenam Arbeitsplatz sowie c) Maßnahmen <strong>und</strong> Regelungen zur E<strong>in</strong>schränkung desKonsums im Betrieb.2.3.1 Das Ampelmodell des risikoarmen, des riskanten, gefährdenden <strong>und</strong> abhängigenKonsumsDas so genannte Ampelmodell ist ursprünglich von <strong>der</strong> WHO für den Ges<strong>und</strong>heitsbereich entwickeltworden. Es differenziert zwischen präventiven Maßnahmen im risikoarmen ‚grünen’ Bereichfür alle Menschen, unterstützende Maßnahmen für riskant konsumierende <strong>und</strong> gefährdeteMenschen im riskanten ‚gelben’ Bereich sowie <strong>in</strong>tervenierende Maßnahmen <strong>und</strong> Hilfe für Menschenim stark gefährdeten ‚roten’ Bereich.Mit Hilfe des Ampelmodells kann sichtbar gemacht werden, welche Teile betriebliche Suchtpräventionsprogrammeabdecken. Die Mehrheit <strong>der</strong> Beschäftigten bef<strong>in</strong>det sich risikoarm konsumierend'im grünen Bereich'. Sie können durch Information <strong>und</strong> Aufklärung ihre Ges<strong>und</strong>heitskompetenzerweitern <strong>und</strong> für ges<strong>und</strong>heitsför<strong>der</strong>liches Verhalten gewonnen werden. Für die betrieblicheSuchtprävention beson<strong>der</strong>s bedeutend ist <strong>der</strong> 'gelbe Bereich', <strong>in</strong> dem sich e<strong>in</strong>e erheblicheZahl von Beschäftigten mit riskantem bis schädlichem Konsum <strong>und</strong> Verhalten f<strong>in</strong>det. Information<strong>und</strong> Aufklärung <strong>und</strong> frühzeitige Interventionen können hier wirksam zu e<strong>in</strong>er Verän<strong>der</strong>ungdes ges<strong>und</strong>heitsriskanten Verhaltens beitragen An den Kreis <strong>der</strong> Suchtgefährdeten <strong>und</strong>nicht mehr alle<strong>in</strong> an die Personen, die sich im 'roten Bereich' bef<strong>in</strong>den, richtet sich die im Betriebangebotene Unterstützung <strong>und</strong> Beratung. Ihre Ges<strong>und</strong>heit <strong>und</strong> ihr Arbeitsplatz s<strong>in</strong>d durchdie auftretenden Auffälligkeiten im Arbeits- <strong>und</strong> Leistungsverhalten bereits mehr o<strong>der</strong> wenigerstark gefährdet.


Kapitel 2 Vorbeugen 27Abb. 5Ansatzpunkte suchtpräventiver Arbeit nach dem AmpelmodellSuchtpräventionsprogramme nach aktuellem Standard adressieren das Angebot zur Präventionan alle Beschäftigte <strong>und</strong> sehen systematische Angebote zur Unterstützung <strong>und</strong> Hilfe bei riskantemKonsum <strong>und</strong> nicht alle<strong>in</strong> für Suchtgefährdete <strong>und</strong> -kranke vor. Interventionen nach demStufenplan <strong>und</strong> Beratungsangebote für diejenigen, die am Arbeitsplatz durch riskante Konsummustero<strong>der</strong> Verhaltensweisen auffällig werden (Motivierende Gesprächsführung) tragen erheblichdazu bei, dass sich das Problemverhalten verfestigt <strong>und</strong> sie sich ges<strong>und</strong>heitlich <strong>und</strong>/o<strong>der</strong>sozial nicht weiter schädigen. Hier setzen auch Angebote zur <strong>in</strong>dividuellen Konsumreduzierung(Nichtraucherkurse, Dr<strong>in</strong>k-Less-Programme, SKOLL) an, die sich gut <strong>in</strong> die betriebliche Ges<strong>und</strong>heitsför<strong>der</strong>unge<strong>in</strong>fügen.Standard Betriebliche Konzepte <strong>der</strong> Suchtprävention richten sich an alle Beschäftigte e<strong>in</strong>es Betriebes<strong>und</strong> tragen im umfassenden S<strong>in</strong>ne zur Prävention, bei. Riskante, gefährdende <strong>und</strong> abhängige Konsummuster <strong>und</strong> Verhaltensweisen stellen ges<strong>und</strong>heitlichenGefährdungen dar, denen im Betrieb vorgebeugt werden muss. Das Konzept,mit <strong>der</strong> Suchtprävention an ihnen anzusetzen, fügt sich <strong>in</strong> den Rahmen des präventivenArbeits- <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heitsschutzes wie <strong>der</strong> Ges<strong>und</strong>heitsför<strong>der</strong>ung e<strong>in</strong>. Suchtvorbeugung, Konsumreduzierung <strong>und</strong> Suchthilfe sollten gleichermaßen Elemente vonSuchtpräventionsprogrammen se<strong>in</strong>.BegründungszusammenhangDie Kommunikation des Ampelmodells, die Orientierung am Konzept des risikoarmen, riskanten,gefährdenden sowie abhängigen Konsums <strong>und</strong> Verhaltens, kann im Betrieb dazu beitragen,das Thema Suchtprävention <strong>und</strong> -hilfe e<strong>in</strong> Stück lebensnaher zu vermitteln. Alle Ersche<strong>in</strong>ungsformendes Suchtmittelkonsums werden <strong>in</strong> den Fokus genommen.


28Kapitel 2 VorbeugenBetriebliche Suchtprävention ist beson<strong>der</strong>s geeignet, erwachsene Menschen mit gezielten Angebotenzur Aufklärung über ges<strong>und</strong>heitsriskanten Suchtmittelkonsum zu erreichen. Zugleich istdas Arbeitsverhältnis auch e<strong>in</strong> Rahmen, <strong>in</strong> dem Verhaltensän<strong>der</strong>ungen bei Beschäftigten wirksamangeregt werden können. Und schließlich kann durch frühzeitige Interventionen bei Auffälligkeitendie E<strong>in</strong>haltung arbeitsvertraglicher Pflichten e<strong>in</strong>gefor<strong>der</strong>t <strong>und</strong> zugleich Unterstützungangeboten werden, um ges<strong>und</strong>heitsriskante o<strong>der</strong> -schädigende Konsummuster - wenn nötigüber den Weg e<strong>in</strong>er mediz<strong>in</strong>ischen <strong>und</strong> psychotherapeutischen Behandlung - zu unterbrechen<strong>und</strong> nachhaltig zu verän<strong>der</strong>n.Literatur <strong>und</strong> MaterialienB<strong>und</strong>eszentrale für ges<strong>und</strong>heitliche Aufklärung (BZgA) (Hrsg.) Alles klar? Tipps <strong>und</strong> Informationen für denverantwortungsvollen Umgang mit Alkohol. Köln.Suchtprävention <strong>in</strong> Nie<strong>der</strong>sachsen (2008) Nie<strong>der</strong>sächsisches M<strong>in</strong>isterium für Soziales, Frauen, Familie<strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heit. Hannover. www.ms.nie<strong>der</strong>sachsen.de > Themen > Ges<strong>und</strong>heit > Drogen & SuchtWienemann, E. (2008) Betriebliche Suchtprävention <strong>und</strong> Suchthilfe. In: Handbuch betriebsärztlicherDienst. Gr<strong>und</strong>lagen-Praxis-Organisation, 95. Ergänzungslieferung, Juni 2008, ecomed, XI-5.1.4, S. 1-382.3.2 Angebote zur <strong>in</strong>dividuellen Konsumreduktion bei riskantem Alkohol- <strong>und</strong>TabakkonsumE<strong>in</strong> Standbe<strong>in</strong> <strong>der</strong> suchtspezifischen Prävention <strong>und</strong> Konsumreduzierung im Betrieb s<strong>in</strong>d Kurz<strong>in</strong>terventionenbei suchtmittelbed<strong>in</strong>gten Auffälligkeiten. Dazu gehören Konzepte wie die "MotivierendeGesprächsführung" o<strong>der</strong> "Motivierende Kurz<strong>in</strong>tervention für Jugendliche" (MOVE), mit<strong>der</strong>en Hilfe betroffene Beschäftigte <strong>in</strong> Beratungsgesprächen mit Betriebsärzten <strong>und</strong>/o<strong>der</strong> BeraterInnenzur Verhaltensän<strong>der</strong>ung o<strong>der</strong> zur Teilnahme an therapeutischen Maßnahmen motiviertwerden sollen.E<strong>in</strong> weiteres Element s<strong>in</strong>d Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>gs <strong>und</strong> Unterstützungsangebote zur <strong>in</strong>dividuellen Reduzierungdes Suchtmittelkonsums wie das 'SKOLL-Selbstkontrolltra<strong>in</strong><strong>in</strong>g für den verantwortungsbewusstenUmgang mit Suchtstoffen <strong>und</strong> an<strong>der</strong>en Suchtphänomenen'. Daneben s<strong>in</strong>d es suchtmittelbezogeneAngebote wie die so genannten Dr<strong>in</strong>k-Less-Programme bei riskantem Alkoholkonsum,die unter dem Ansatz des "Kontrollierten Tr<strong>in</strong>kens" (KT) <strong>in</strong> Deutschland bekannt gewordens<strong>in</strong>d <strong>und</strong> zunächst umstritten waren. Zum an<strong>der</strong>en s<strong>in</strong>d es die Kurse <strong>und</strong> Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>gs, die sich anRaucher wenden <strong>und</strong> ihnen Anleitung <strong>und</strong> Unterstützung bieten, um den Tabakkonsum aufzugeben<strong>und</strong> zum Nichtraucher zu werden. Letztere werden häufig von den Krankenkassen imRahmen ihrer Präventionsaufgaben nach § 20 SGB V kostenmäßig unterstützt. Ergänzt werdendiese Maßnahmen teilweise auch durch Angebote im Betrieb - meist <strong>in</strong> Zusammenarbeit mit <strong>der</strong>Ges<strong>und</strong>heitsför<strong>der</strong>ung - zur ges<strong>und</strong>en Ernährung.Standard Speziell für Formen riskanten <strong>und</strong> gefährdenden Substanzkonsums sollten <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>betrieblichen</strong>Suchtprävention auf Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>gs <strong>und</strong> Unterstützungsangebote zur <strong>in</strong>dividuellen Konsumreduzierung(z.B. SKOLL, Dr<strong>in</strong>k-Less-Programme, Kurz<strong>in</strong>terventionen, Nichtraucherkurse)h<strong>in</strong>gewiesen werden, die von <strong>in</strong>ternen o<strong>der</strong> externen Anbietern durchgeführt werden können. Bei <strong>in</strong>ternen Angeboten zur <strong>in</strong>dividuellen Konsumreduktion sollte vorab geklärt werden,dass es sich um e<strong>in</strong>e freiwillige Maßnahme handelt <strong>und</strong> im Betrieb nur Beratung <strong>und</strong> Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>g,jedoch ke<strong>in</strong>e Therapie stattf<strong>in</strong>det.


Kapitel 2 Vorbeugen 29 Die Entwöhnungs- o<strong>der</strong> Reduzierungstra<strong>in</strong><strong>in</strong>gs sollten von dafür qualifizierten Fachkräftendurchgeführt werden <strong>und</strong> ihnen sollte e<strong>in</strong>e transparente wissenschaftliche F<strong>und</strong>ierungzugr<strong>und</strong>e liegen. Die Beurteilung <strong>der</strong> Effektivität sollte sich auf Untersuchungen <strong>der</strong> langfristigen,kont<strong>in</strong>uierlichen Abst<strong>in</strong>enz o<strong>der</strong> Konsumreduzierung stützen. Speziell Maßnahmen zur Umsetzung des Nicht-Raucher-Schutzes im Betrieb sollten e<strong>in</strong>erseitsim Rahmen <strong>der</strong> Suchthilfe durch Entwöhnungsangebote für Raucher flankiert <strong>und</strong> an<strong>der</strong>erseitsdurch Maßnahmen zum Abbau Sucht för<strong>der</strong>n<strong>der</strong> Arbeitsbed<strong>in</strong>gungen ergänztwerden.BegründungszusammenhangIn <strong>der</strong> <strong>betrieblichen</strong> Suchtprävention werden verschiedene Ansätze zur Konsumreduktion angeboten.Zu e<strong>in</strong>em als erfolgreich evaluierten suchtmittelübergreifenden Interventionskonzept gehörtdas Selbstkontrolltra<strong>in</strong><strong>in</strong>g 'SKOLL'. Mit ihm werden Personen mit riskantem <strong>und</strong> problematischemSuchtmittelgebrauch jeden Alters angesprochen, die sich dazu entschieden haben ihrenKonsum zu reduzieren <strong>und</strong> die Kontrolle zu behalten um e<strong>in</strong>e Abhängigkeit abzuwehren.Welches Suchtmittel konsumiert wird spielt dabei ke<strong>in</strong>e Rolle. Es geht vornehmlich darum mitUnterstützung <strong>der</strong> Gruppe die Risikokompetenz, Eigenverantwortlichkeit sowie Selbstwirksamkeitzu stärken.Auch das Präventionsprogramm 'MOVE', das sich zunächst nur an Jugendliche richtete, heuteaber für alle Altersgruppen angeboten wird, arbeitet suchtmittelübergreifend <strong>und</strong> spricht dieKonsummuster des riskanten Konsums an. Mit Hilfe des Beratungsansatzes „motivierende Gesprächsführung“wird thematisiert <strong>in</strong>wieweit Jugendliche o<strong>der</strong> auch Erwachsene motiviert s<strong>in</strong>dUnterstützung anzunehmen <strong>und</strong> ihr Verhalten zu än<strong>der</strong>n.E<strong>in</strong>en weiteren Ansatz zur <strong>in</strong>dividuellen Konsumreduzierung bei regel- o<strong>der</strong> übermäßigem Alkoholkonsumverfolgen Dr<strong>in</strong>k-Less-Programme, die <strong>in</strong> Deutschland im Wesentlichen <strong>in</strong> dem 10-Punkte-Programm zum 'Kontrollierten Tr<strong>in</strong>ken' von Körkel aufgeht <strong>und</strong> z.B. bei Führersche<strong>in</strong>verlustempfohlen wird. Es ist geeignet Beschäftigte zu unterstützen, ihren riskanten <strong>und</strong> gefährdendenAlkoholkonsum zu reduzieren. Das Konzept sollte <strong>in</strong> <strong>betrieblichen</strong> Suchtpräventionsprogrammenals Angebot für Personen mit riskanten Konsummustern noch stärker beworbenwerden. Dieser Weg kann zur Punktnüchternheit bei <strong>der</strong> Arbeit führen <strong>und</strong> damit zum Erhalt desArbeitsplatzes beitragen.Für entwöhnungswillige Raucher stehen zahlreiche von Fachleuten durchgeführte Angebotevon Nichtrauchertra<strong>in</strong><strong>in</strong>gs zur Verfügung. Die Zahl <strong>der</strong> angebotenen Raucherentwöhnungsbehandlungenist wie<strong>der</strong> rückläufig. Es gibt aber immer noch e<strong>in</strong>e Vielfalt von Angeboten, die allerd<strong>in</strong>gsnicht alle wissenschaftlich f<strong>und</strong>iert <strong>und</strong> auf Wirksamkeit h<strong>in</strong> geprüft worden s<strong>in</strong>d. InZweifelsfällen können Informationen über spezifische Angebote bei den Krankenkassen erfragtwerden, die bei anerkannten Verfahren <strong>in</strong> <strong>der</strong> Regel auch e<strong>in</strong>en Teil <strong>der</strong> Kosten übernehmen.Auch bei Rauchern kann die Konsumreduzierung im S<strong>in</strong>ne <strong>der</strong> "Punktnüchternheit" am Arbeitsplatz,also nicht während <strong>der</strong> Arbeit zu rauchen, schon e<strong>in</strong> wichtiges Ergebnis se<strong>in</strong>.Arbeitsschritte Entscheidung über die Aufnahme des Angebots von Konsum reduzierenden Maßnahmen <strong>in</strong>das betriebliche Suchtpräventionsprogramm. Klärung <strong>der</strong> Aspekte, <strong>in</strong>ternes o<strong>der</strong> externesAngebot <strong>und</strong> F<strong>in</strong>anzierung bzw. För<strong>der</strong>ung durch die zuständigen Krankenkassen. Weckung des Interesses zur Teilnahme an Nichtraucherkursen bzw. Konsumreduzierungs-Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>gs durch Information <strong>und</strong> Aufklärung <strong>der</strong> Beschäftigten. Bei erfolgreichem Nichtraucherkursgewähren e<strong>in</strong>ige Betriebe Gratifikationen (z.B. zusätzlicher Urlaubstag).


30Kapitel 2 Vorbeugen Angebote können auch als Maßnahme <strong>in</strong> regionalen Netzwerken, an denen mehrere Betriebebeteiligt s<strong>in</strong>d, erfolgen um auch Beschäftigte kle<strong>in</strong>erer <strong>und</strong> mittlerer Betriebe zu erreichen.Literatur <strong>und</strong> MaterialienBruns,B., Töns<strong>in</strong>g, C., Bös<strong>in</strong>g,S. (2006) Früh<strong>in</strong>terventionsmodell bei substanz- <strong>und</strong> verhaltensbezogenemProblemverhalten“. FreiburgB<strong>und</strong>eszentrale für ges<strong>und</strong>heitliche Aufklärung (Hrsg.) ( 2002). rauch frei! am Arbeitsplatz –e<strong>in</strong> Leitfaden für Betriebe. WHO-Partnerschaftsprojekt Tabakabhängigkeit. 3.Aufl. BonnB<strong>und</strong>eszentrale für ges<strong>und</strong>heitliche Aufklärung (Hrsg.)(2005) MOVE - Motivierende Kurz<strong>in</strong>tervention beikonsumierenden Jugendlichen. Evaluationsergebnisse des Fortbildungsmanuals sowie <strong>der</strong> ersten Implementierungsphase.Autoren: Kordula Marz<strong>in</strong>zik, Angelika Fiedler. Forschung <strong>und</strong> Praxis <strong>der</strong> Ges<strong>und</strong>heitsför<strong>der</strong>ungBd.28. Köln.Körkel, J.(o.J.) 10-Schritte-Programm zum Erlernen von kontrolliertem Tr<strong>in</strong>ken.www.kontrolliertes-tr<strong>in</strong>ken.deSelbstkontrolltra<strong>in</strong><strong>in</strong>g-SKOLL: Kurzbeschreibung. www.skoll.deUnger, C. (2010) Millionengeschäft Raucherentwöhnung. Mangelhafte Evaluation. In: Rausch 2010, 3, 22-252.3.3 Zielgruppenspezifische PräventionNeben den verschiedenen Angeboten für alle Beschäftigten sollten je nach Struktur des Betriebes<strong>und</strong> Zusammensetzung <strong>der</strong> Belegschaft auch Präventionsmaßnahmen für ausgewählteZielgruppen angeboten werden. Sie ermöglichen e<strong>in</strong>e unmittelbarere Ansprache zielgruppenspezifischerBeson<strong>der</strong>heiten <strong>und</strong> erleichtern die Herausarbeitung von Ursachen des Suchtmittelkonsums<strong>in</strong> Verb<strong>in</strong>dung mit <strong>der</strong> Situation, den Belastungen, aber auch Ressourcen <strong>der</strong> Angesprochenen.Spezifische Zielgruppen können u.a. se<strong>in</strong> Jugendliche <strong>und</strong> junge Erwachsene,Auszubildende, Führungskräfte, Beschäftigte aus an<strong>der</strong>en Kulturkreisen, ältere Beschäftigte,aber auch Beschäftigte bestimmter Organisationsbereiche e<strong>in</strong>es Betriebes. Nicht zuletzt solltenauch die unterschiedlichen Konsummuster von Männern <strong>und</strong> Frauen berücksichtigt werden.Neue Zielgruppen für die betriebliche SuchtpräventionDurch den strukturellen <strong>und</strong> sozialen Wandel <strong>in</strong> <strong>der</strong> Gesellschaft ergeben sich auch <strong>in</strong> <strong>der</strong> ArbeitsweltVerän<strong>der</strong>ungen, die neue Risikogruppen des Suchtmittelkonsums hervorbr<strong>in</strong>gen.E<strong>in</strong>e Zielgruppe, die <strong>in</strong> den letzen Jahren an Bedeutung zugenommen hat, s<strong>in</strong>d weibliche Fach<strong>und</strong>Führungskräfte, die gegenwärtig 46 Prozent <strong>der</strong> weiblichen Beschäftigten ausmachen. Generellzeigt sich e<strong>in</strong>e Zunahme des Alkoholkonsums mit ansteigen<strong>der</strong> Sozialschicht, <strong>und</strong> beiFrauen fällt diese überproportional aus. Frauen <strong>in</strong> gehobenen beruflichen Positionen weisenzum Teil e<strong>in</strong>en höheren Alkoholkonsum auf als Männer <strong>in</strong> vergleichbarer Situation. WissenschaftlicheErhebungen verweisen auf Stressbewältungsstrategien <strong>in</strong> dieser Zielgruppe, dievermehrt mit e<strong>in</strong>em riskanten Suchtmittelgebrauch verb<strong>und</strong>en s<strong>in</strong>d.Als spezifische Zielgruppe sollten auch die älteren Beschäftigten durch die betriebliche Suchtpräventionangesprochen werden. Im Zuge <strong>der</strong> demographischen Entwicklung <strong>und</strong> <strong>der</strong> Verän<strong>der</strong>ung<strong>der</strong> Sozialsysteme bleiben zukünftig größere Teile <strong>der</strong> Beschäftigten länger im aktivenBerufsleben. Zugleich lässt sich <strong>in</strong> <strong>der</strong> Altersgruppe aus den Geburtsjahren zwischen 1946 <strong>und</strong>1964 e<strong>in</strong> überdurchschnittlich hoher Substanzkonsum von Alkohol, Medikamenten <strong>und</strong> Nikot<strong>in</strong>nachweisen. Da dies auch die Generation <strong>der</strong> geburtenstarken Jahrgänge betrifft, ist mit e<strong>in</strong>emweiteren Anstieg <strong>der</strong> Zahl <strong>der</strong> Beschäftigten zu erwarten, die aufgr<strong>und</strong> ihres SuchtmittelkonsumsUnterstützung bedürfen. Während <strong>der</strong> Alkohol- <strong>und</strong> Tabakkonsum bei über 60 Jährigentendenziell abnimmt, steigt das Risiko durch Medikamentene<strong>in</strong>nahme.


Kapitel 2 Vorbeugen 31Standard Im Betrieb soll <strong>der</strong> Bedarf für spezifische Präventionsmaßnahmen für e<strong>in</strong>zelne Zielgruppengeprüft werden. Um die spezifischen Bedürfnisse <strong>und</strong> Interessen dieser Zielgruppen zu erreichen, solltenVertreterInnen <strong>der</strong> jeweiligen Zielgruppe an <strong>der</strong> Vorbereitung <strong>und</strong> ggf. Umsetzung <strong>der</strong> Maßnahmenbeteiligt werden. Zur Entwicklung <strong>und</strong> Umsetzung zielgruppenspezifischer Angebote sollte e<strong>in</strong>e Vernetzungmit an<strong>der</strong>en Betrieben - <strong>in</strong> <strong>der</strong> Region - o<strong>der</strong> mit e<strong>in</strong>schlägigen Verbänden <strong>und</strong> E<strong>in</strong>richtungen<strong>in</strong> Erwägung gezogen werden.BegründungszusammenhangPräventionsmaßnahmen für bestimmte Zielgruppen können die Wirksamkeit <strong>der</strong> vorbeugendenArbeit deutlich erhöhen. Zum e<strong>in</strong>en kann gezielt <strong>der</strong> Zusammenhang des Suchtmittelkonsumsmit den Bed<strong>in</strong>gungen, Belastungen, aber auch Ressourcen <strong>der</strong> jeweiligen Zielgruppe herausgearbeitetwerden. Zum an<strong>der</strong>en können die sozialen Merkmale <strong>und</strong> die Kulturelemente <strong>der</strong>jeweiligen Gruppe für die Erstellung von Informationen <strong>und</strong> die Entwicklung von Lösungsansätzenkonkret berücksichtigt werden. Zielgruppenspezifisch kann man auch das Pr<strong>in</strong>zip "Von denGes<strong>und</strong>en lernen" <strong>in</strong> <strong>der</strong> präventiven Arbeit nutzen <strong>und</strong> Bed<strong>in</strong>gungen <strong>und</strong> Erfahrungen vonGruppen mit risikoarmen Konsummustern auswerten, um Risikogruppen alternative Wege aufzuzeigen.In Zusammenarbeit mit an<strong>der</strong>en Betrieben <strong>der</strong> Branche o<strong>der</strong> Region o<strong>der</strong> mit Unterstützung vonKranken- <strong>und</strong> Unfallkassen, Verbänden <strong>und</strong> E<strong>in</strong>richtungen können z.B. spezifische Informations-<strong>und</strong> Beratungsangebote für e<strong>in</strong>zelne Beschäftigtengruppen bereitgestellt werden.Literatur <strong>und</strong> MaterialienDHS (Hrsg.) (2009) Substanzbezogene Störungen im Alter Informationen <strong>und</strong> Praxishilfen:www.dhs.de/makeit/cms/cms_upload/dhs/substanzbezogene_stoerungen_im_alter_neu.pdfWartmann, A. (2008) Welche Rolle spielt riskanter Alkoholkonsum im Bewältigungsverhalten bei weiblichenFührungskräften <strong>in</strong> öffentlichen Verwaltungen <strong>in</strong> Deutschland? E<strong>in</strong>e qualitative Analyse. Masterarbeitim Studiengang Public Health. Bielefeld.Landesstelle für Suchtfragen <strong>in</strong> Baden Württemberg <strong>der</strong> Liga <strong>der</strong> freien Wohlfahrtspflege e.V. (Hrsg.)(2010) Azubi <strong>und</strong> Alkohol, www.dhs.de/makeit/cms/cms_upload/dhs/azubi_<strong>und</strong>_alkohol.pdf (11/2010)RKI - Robert Koch-Institut (2008) Alkoholkonsum <strong>und</strong> alkoholbezogene Störungen. 40. Ges<strong>und</strong>heitsberichterstattungdes B<strong>und</strong>es. Hrsg.: Robert Koch-Institut. Berl<strong>in</strong>2.4 Übergreifende Prävention <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heitsför<strong>der</strong>ungAls Schlüsselkompetenz mit zunehmen<strong>der</strong> Bedeutung im Arbeitsleben erweist sich die Ges<strong>und</strong>heitskompetenz.Sie verb<strong>in</strong>det gr<strong>und</strong>legende Kenntnisse über die Ges<strong>und</strong>heit stärkenden<strong>und</strong> gefährdenden Faktoren mit <strong>der</strong> Fähigkeit, selbstverantwortlich <strong>und</strong> selbststeuernd aktivetwas für die eigene Ges<strong>und</strong>heit <strong>und</strong> das Wohlbef<strong>in</strong>den zu tun.Präventive Wirkung erzielen alle Maßnahmen, die zur Erweiterung <strong>der</strong> Ges<strong>und</strong>heitskompetenzbeitragen. Dazu gehören nicht nur Angebote <strong>der</strong> <strong>betrieblichen</strong> Ges<strong>und</strong>heitsför<strong>der</strong>ung, son<strong>der</strong>n


32Kapitel 2 Vorbeugenauch Sem<strong>in</strong>are, die <strong>in</strong> <strong>der</strong> Personalentwicklung o<strong>der</strong> Weiterbildung angeboten werden, z.B. zurSozialkompetenz o<strong>der</strong> zum Selbstmanagement. Sie haben zugleich positiven E<strong>in</strong>fluss auf denUmgang mit Belastungen <strong>und</strong> erleichtern zufrieden stellende soziale Kontakte am Arbeitsplatz.Beide Aspekte spielen für die Suchtprävention e<strong>in</strong>e wichtige Rolle.Für die Suchtprävention bedeutsam ist das Konzept des ges<strong>und</strong>heitsorientierten Führens, dasim Rahmen des <strong>betrieblichen</strong> Ges<strong>und</strong>heitsmanagements Verbreitung f<strong>in</strong>det. E<strong>in</strong>e Führungskrafthat vielfältigen E<strong>in</strong>fluss auf die Ges<strong>und</strong>heit <strong>der</strong> Mitarbeiter/<strong>in</strong>nen, z.B. durch die Gestaltung <strong>der</strong>Arbeit, <strong>der</strong> Arbeitsanfor<strong>der</strong>ungen <strong>und</strong> <strong>der</strong> Arbeitsbed<strong>in</strong>gungen. E<strong>in</strong>e maßgebliche Rolle für denZusammenhang von Motivation <strong>und</strong> Wohlbef<strong>in</strong>den, von Ges<strong>und</strong>heit <strong>und</strong> Fehlzeiten spielt auchdas Führungsverhalten selbst sowie das Betriebsklima, das gleichermaßen durch das Verhaltenvon Vorgesetzten <strong>und</strong> kollegialem Umfeld geprägt ist. Der Umgang mit ges<strong>und</strong>heits- o<strong>der</strong> sozialbed<strong>in</strong>gtenAuffälligkeiten am Arbeitsplatz - speziell bei Suchtproblemen - <strong>und</strong> das Vorbildverhaltenvon Vorgesetzten im H<strong>in</strong>blick auf e<strong>in</strong>e suchtmittelfreie Betriebskultur s<strong>in</strong>d wichtige Aspekte<strong>in</strong> diesem Zusammenhang.E<strong>in</strong>en <strong>in</strong>ternationalen Standard für e<strong>in</strong> übergreifendes Präventionsprogramm bietet das von <strong>der</strong>International Labour Organization (ILO) verbreitete Konzept SOLVE. Es handelt sich um e<strong>in</strong><strong>in</strong>teraktives Qualifizierungsprogramm, das auf die Entwicklung <strong>und</strong> das Angebot von ges<strong>und</strong>heitsför<strong>der</strong>ndenMaßnahmen gerichtet ist. Es umfasst Ansätze <strong>der</strong> Prävention von arbeitsbed<strong>in</strong>gtemStress, Alkohol-, Tabak- <strong>und</strong> Drogengebrauch, von körperlicher als auch seelischerGewalt sowie HIV / AIDS <strong>und</strong> an<strong>der</strong>en Faktoren, die zu Ges<strong>und</strong>heitsproblemen bei Arbeitnehmer/<strong>in</strong>nen<strong>und</strong> zu Produktivitätsverlusten für den Betrieb führen. Diese Probleme können aus<strong>der</strong> Wechselwirkung zwischen Zuhause <strong>und</strong> Arbeit entstehen, sie können am Arbeitsplatz beg<strong>in</strong>nen<strong>und</strong> <strong>in</strong>s Privatleben h<strong>in</strong>e<strong>in</strong>getragen werden o<strong>der</strong> umgekehrt. SOLVE bietet deshalb e<strong>in</strong><strong>in</strong>tegriertes Präventionsprogramm, das diese Vielfalt von Ursachen <strong>und</strong> Verknüpfungen berücksichtigt<strong>und</strong> e<strong>in</strong>en strategischen Prozess im Betrieb anregen will, wie es auch die mo<strong>der</strong>nenSuchtpräventionsprogramme vorsehen.Standard Betriebliche Suchtprogramme sollten auf die zunehmende Bedeutung <strong>der</strong> Entwicklung sozialerKompetenzen <strong>und</strong> <strong>der</strong> Stärkung von Ges<strong>und</strong>heitskompetenzen <strong>der</strong> Beschäftigten, <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e<strong>der</strong> Führungskräfte, h<strong>in</strong>weisen. Maßnahmen zur übergreifenden Prävention sollten von <strong>der</strong> <strong>betrieblichen</strong> Suchtpräventionangeregt <strong>und</strong> mit <strong>der</strong> Personalentwicklung, <strong>betrieblichen</strong> Weiterbildung <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heitsför<strong>der</strong>ungabgestimmt werden. Akteure aus <strong>der</strong> <strong>betrieblichen</strong> Suchtprävention sollten mit ihren Themen <strong>in</strong> <strong>der</strong> Weiterbildung<strong>der</strong> Beschäftigten <strong>und</strong> <strong>der</strong> Führungskräfteentwicklung vertreten se<strong>in</strong>. Modelle guter Praxis von <strong>in</strong>tegrierten Präventionsprogrammen aus an<strong>der</strong>en Bereichen <strong>und</strong><strong>in</strong>ternationalen Zusammenhängen sollen auf ihre Nutzbarmachung für die betrieblicheSuchtprävention geprüft werden.BegründungszusammenhangIn den Betrieben bestehen große Schnittmengen bei den angebotenen Maßnahmen aus Suchtpräventions-,Personalentwicklungs- <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heitsför<strong>der</strong>ungsprogrammen. Daraus entstehendeSynergien kann sich die betriebliche Suchtprävention noch stärker als bisher zunutzemachen. Sem<strong>in</strong>arangebote zur Stressbewältigung aus e<strong>in</strong>em <strong>der</strong> genannten Programme kön-


Kapitel 2 Vorbeugen 33nen z.B. e<strong>in</strong>en wichtigen Beitrag zur Suchtprävention leisten, wenn darauf geachtet wird, dass<strong>der</strong> Zusammenhang von Stresserfahrung <strong>und</strong> Substanzgebrauch dabei zur Sprache kommt.Wegen se<strong>in</strong>er zentralen Bedeutung ist ges<strong>und</strong>heitsorientiertes Führen e<strong>in</strong> wichtiges Elementdes <strong>betrieblichen</strong> Ges<strong>und</strong>heitsmanagements, das die Erhaltung <strong>und</strong> För<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Ges<strong>und</strong>heit<strong>der</strong> Beschäftigten zum Ziel hat. Dabei geht es gleichermaßen um die Ges<strong>und</strong>heit <strong>der</strong> Mitarbeiter/<strong>in</strong>nenwie um die Ges<strong>und</strong>heit <strong>der</strong> Führungskräfte selbst, die immer wie<strong>der</strong> <strong>in</strong> beson<strong>der</strong>emMaße gefor<strong>der</strong>t s<strong>in</strong>d, wi<strong>der</strong>sprüchliche Erwartungen auszubalancieren <strong>und</strong> Spannungsfel<strong>der</strong>auszugleichen <strong>und</strong> bei Auffälligkeiten am Arbeitsplatz frühzeitig zu <strong>in</strong>tervenieren. Dies gilt<strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e auch für weibliche Fach- <strong>und</strong> Führungskräfte, die neben den Herausfor<strong>der</strong>ungenam Arbeitsplatz une<strong>in</strong>heitliche gesellschaftliche Rollenerwartung im H<strong>in</strong>blick auf Karriere, K<strong>in</strong><strong>der</strong><strong>und</strong> Familie erfüllen sollen. Sie können z.B. durch Angebote des (Ges<strong>und</strong>heits-)Coach<strong>in</strong>gs gestärktwerden, damit <strong>der</strong> Griff zum Suchtmittel nicht als bevorzugte Bewältigungsstrategie gewähltwerden muss.Übergreifende Präventionskonzepte <strong>in</strong> <strong>der</strong> Verhältnisprävention, wie die Schaffung ges<strong>und</strong> erhalten<strong>der</strong><strong>und</strong> motivieren<strong>der</strong> Arbeitsbed<strong>in</strong>gungen o<strong>der</strong> die Verbesserung des Betriebsklimas,erfor<strong>der</strong>n <strong>in</strong> jedem Fall e<strong>in</strong>e strategische Entscheidung auf Unternehmensebene <strong>und</strong> die E<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung<strong>in</strong> betriebliche Politiken <strong>und</strong> Prozesse. Verhaltensbezogene Angebote zielen vor allemauf die Erweiterung <strong>der</strong> Ges<strong>und</strong>heitskompetenz <strong>und</strong> den Aufbau Persönlichkeit stärken<strong>der</strong> Ressourcen.Solche Konzepte, die e<strong>in</strong>e präventive Wirkung über die Suchtprävention h<strong>in</strong>auserzielen, s<strong>in</strong>d bisher hauptsächlich aus dem Bereich <strong>der</strong> Arbeit mit K<strong>in</strong><strong>der</strong>n <strong>und</strong> Jugendlichenbekannt. Sie sollten als Anregung für präventive Konzepte dienen, die auch für erwachseneBeschäftigte von Interesse se<strong>in</strong> könnten.Arbeitsschritte Die Suchtprävention im Betrieb enger mit den übergreifenden Maßnahmen <strong>der</strong> Personalentwicklung,Weiterbildung <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heitsför<strong>der</strong>ung <strong>und</strong> den Konzepten zur salutogenenArbeitsgestaltung <strong>und</strong> ges<strong>und</strong>heitsorientierten Führung verzahnen. Die Ges<strong>und</strong>heitskompetenz <strong>der</strong> Beschäftigten <strong>und</strong> <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e <strong>der</strong> Führungskräfte erweitern<strong>und</strong> Maßnahmen zum Abbau Ges<strong>und</strong>heit gefährden<strong>der</strong> Arbeitsbed<strong>in</strong>gungen <strong>und</strong> zurVerän<strong>der</strong>ung ges<strong>und</strong>heitsriskanten Verhaltens ergreifen. Sich <strong>in</strong> Netzwerken <strong>und</strong> Fachtagungen mit <strong>in</strong>tegrierten Präventionsprogramme auch ausan<strong>der</strong>en gesellschaftlichen Bereichen, auch aus <strong>in</strong>ternationalen Zusammenhängen befassen,um Anregungen für die betriebliche Suchtprävention zu erhalten.Literatur <strong>und</strong> MaterialienB<strong>und</strong>eszentrale für ges<strong>und</strong>heitliche Aufklärung (Hrsg.)(2004) Suchtprävention <strong>in</strong> <strong>der</strong> B<strong>und</strong>esrepublikDeutschland. Köln.Heidel, G.(2004) Kurzbeschreibung für das Projekt "Ges<strong>und</strong>heitsför<strong>der</strong>ungstage" <strong>der</strong> BSR.www.dhs-<strong>in</strong>tern.de/pdf/Doku.Heidel.pdfILO (2003) SOLVE - Umgang mit psychosozialen Problemen am Arbeitsplatz. Genf.Kromm, W. / Frank, G. (Hrsg.)(2009) Unternehmensressource Ges<strong>und</strong>heit. Weshalb die Folgen schlechterFührung ke<strong>in</strong> Arzt heilen kann. Düsseldorf. Symposion Publish<strong>in</strong>g.Lauterbach, M. (2008) Ges<strong>und</strong>heitscoach<strong>in</strong>g. Strategien <strong>und</strong> Methoden für Fitness <strong>und</strong> Lebensbalance imBeruf. Heidelberg: Carl Auer Verlag. 2. AuflageMattysek, A.-K. (2009) Führung <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heit. E<strong>in</strong> praktischer Ratgeber zur För<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> psychosozialenGes<strong>und</strong>heit im Betrieb. Nor<strong>der</strong>stedt. Books on Demand.Rudow, B. (2004) Das ges<strong>und</strong>e Unternehmen. Ges<strong>und</strong>heitsmanagement, Arbeitsschutz, Personalpflege.Oldenbourg


34Kapitel 2 Vorbeugen2.5 Betriebliche Absprachen <strong>und</strong> Regelungen zurE<strong>in</strong>schränkung des Konsums von Alkohol, Tabak <strong>und</strong>illegalen DrogenDas Verständnis, dass e<strong>in</strong> verantwortungsvoller Umgang mit Suchtmitteln ges<strong>und</strong>heitliche Gefährdungenreduziert <strong>und</strong> Erkrankungen vorbeugt sowie zum Erhalt des Wohlbef<strong>in</strong>dens <strong>und</strong> zurFitness beiträgt, ist unter den Beschäftigten im zurückliegenden Jahrzehnt deutlich gewachsen.Betriebliche Suchtprävention <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heitsför<strong>der</strong>ung, rechtliche Regelungen <strong>und</strong> die gewachseneBedeutung körperlicher <strong>und</strong> seelischer Fitness für die Sicherung des Arbeitsplatzeshaben dazu beigetragen.Regelungen zum Suchtmittelkonsum, <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e Maßnahmen zur E<strong>in</strong>schränkung des Tabak-<strong>und</strong> Alkoholkonsums, s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> den Betrieben häufiger geworden. Dabei spielen neben denoben genannten Faktoren vor allem gestiegene Qualitäts- <strong>und</strong> Leistungsanfor<strong>der</strong>ungen, <strong>der</strong>Wunsch nach e<strong>in</strong>em störungsfreien Betriebsablauf sowie verän<strong>der</strong>te Anfor<strong>der</strong>ungen im Arbeitsschutze<strong>in</strong>e Rolle.Nicht alle Wege, die hierbei von den Betrieben beschritten werden, s<strong>in</strong>d mit den Pr<strong>in</strong>zipien <strong>der</strong>Suchtprävention <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heitsför<strong>der</strong>ung zu vere<strong>in</strong>baren. Dies gilt vor allem für generelle,nicht an den Erfor<strong>der</strong>nissen des konkreten Arbeitsplatzes ausgerichteten Alkohol- <strong>und</strong> Drogentestso<strong>der</strong> Drogenscreen<strong>in</strong>gs.Es gibt we<strong>der</strong> rechtlich noch sachlich Anlass, für den Bereich <strong>der</strong> illegalen Drogen weitergehendeInstrumente zu for<strong>der</strong>n, als dies <strong>in</strong> <strong>der</strong> betriebliche Suchtprävention <strong>und</strong> -hilfe für den Gebrauchan<strong>der</strong>er Suchtmittel gilt. Information <strong>und</strong> Aufklärung, E<strong>in</strong>schränkung des Konsums, konsequenteIntervention bei Auffälligkeiten <strong>und</strong> Beratung sowie Hilfe bei Suchtgefährdung s<strong>in</strong>dhier wie dort die adäquaten Maßnahmen, die im Rahmen von Suchtpräventionsprogrammenvorgesehen werden sollten.Standard Das Gr<strong>und</strong>pr<strong>in</strong>zip <strong>der</strong> Suchtprävention heißt: Verantwortliches Handeln durch Information,Aufklärung <strong>und</strong> Beratung för<strong>der</strong>n <strong>und</strong> Hilfe zur Selbsthilfe leisten. Betriebliche Suchtpräventionsetzt sich auf diese Weise für ges<strong>und</strong>e <strong>und</strong> sichere Arbeitsbed<strong>in</strong>gungen <strong>und</strong> "Null Promilleam Arbeitsplatz", z.B. durch "Punktnüchternheit" e<strong>in</strong>. Betriebliche Regelungen zur E<strong>in</strong>schränkung des Konsums von Suchtmitteln, zu Suchtmittelkontrollen(Alkohol- <strong>und</strong> Drogentests, Screen<strong>in</strong>gs) <strong>und</strong> Sanktionen berühren im Gr<strong>und</strong>gesetzgarantierte Rechte. Verbote, Kontrollen <strong>und</strong> Sanktionen müssen immer auf ihre Verhältnismäßigkeit geprüft <strong>und</strong>die Mitbestimmung beachtet werden. Sie ersetzen auf ke<strong>in</strong>en Fall e<strong>in</strong> betriebliches Suchtpräventionsprogramm. Allgeme<strong>in</strong>e, nicht anlassbezogene Kontrollen des Suchtmittelkonsums im Betrieb s<strong>in</strong>drechtlich problematisch <strong>und</strong> ethisch fragwürdig. Sie wi<strong>der</strong>sprechen den Gr<strong>und</strong>pr<strong>in</strong>zipien <strong>der</strong>Suchtprävention <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heitsför<strong>der</strong>ung. Im E<strong>in</strong>zellfall können Kontrollen, die bei Auffälligkeiten <strong>in</strong>dividuell vere<strong>in</strong>bart werden, alsGegenbeweis o<strong>der</strong> als Unterstützung <strong>der</strong> Konsumreduzierung <strong>und</strong> des Abst<strong>in</strong>enzerhaltsgeeignet se<strong>in</strong>.


Kapitel 2 Vorbeugen 352.5.1 Konzept <strong>der</strong> 'Punktnüchternheit'In neueren Präventionskonzepten wird heute die so genannte 'Punktnüchternheit' angeregt. DasKonzept <strong>der</strong> Punktnüchternheit, das mit den Aktivitäten zum "Aktionsplan Alkohol" <strong>der</strong> WHOEnde <strong>der</strong> 90er-Jahre <strong>in</strong> Deutschland verbreitet wurde, erkennt an, dass Alkohol <strong>in</strong> verantwortlichemRahmen als Genussmittel e<strong>in</strong>gesetzt wird, ohne zwangsläufig Schaden anzurichten. Eslegt aber nahe, dass an bestimmten 'Punkten, d.h. Situationen des alltäglichen Lebens, ganzbewusst auf Nüchternheit Wert gelegt wird. Die Situationen, <strong>in</strong> denen Punktnüchternheit angesagtist, werden nach unterschiedlichen Kriterien wie Ort, Zeit, Umgang mit bestimmten Personen,Ges<strong>und</strong>heitszustand <strong>und</strong> dem Wissen um die Gefährdungen <strong>in</strong> solchen Situationen def<strong>in</strong>iert.Auf Alkohol konsequent verzichtet wird danach z.B. im Straßenverkehr, am Arbeitsplatz, <strong>in</strong><strong>der</strong> Schwangerschaft, bei Medikamentengebrauch.Das Konzept <strong>der</strong> Punktnüchternheit, das auch von den Suchthilfeverbänden mitgetragen wird,basiert darauf, dass je<strong>der</strong> Mensch durch e<strong>in</strong>en verantwortungsvollen Umgang mit SuchtmittelnVorbild se<strong>in</strong> kann <strong>und</strong> dadurch Risiken vermieden werden. Als Pr<strong>in</strong>zip lässt es sich auf Suchtmittelkonsumgenerell, auch auf Tabakkonsum anwenden. Es kann außerdem auf an<strong>der</strong>e Bereicheausgedehnt werden, z.B. Punktnüchternheit im Kontakt mit K<strong>in</strong><strong>der</strong>n <strong>und</strong> Jugendlichen;ke<strong>in</strong> Alkohol beim Sport u.a.m.Punktnüchternheit im Betrieb stellt auf e<strong>in</strong>en eigenverantwortlichen Konsumverzicht vor <strong>und</strong>während <strong>der</strong> Arbeit ab. Es ist e<strong>in</strong> Pr<strong>in</strong>zip <strong>der</strong> Kultur des Umgangs mit Suchtmitteln im Betrieb<strong>und</strong> kommt ohne allgeme<strong>in</strong>es Konsumverbot aus. Aufgr<strong>und</strong> von Absprachen <strong>und</strong> vere<strong>in</strong>bartenRegeln kann Punktnüchternheit unter den Beschäftigten aber auch verb<strong>in</strong>dlich gemacht werden.Es erübrigt sich dabei <strong>der</strong> Kontroll- <strong>und</strong> Sanktionsmechanismus e<strong>in</strong>es generellen Alkoholverbots.Standard Punktnüchternheit im S<strong>in</strong>ne e<strong>in</strong>es Konsumverzichts von Alkohol, illegalen Drogen <strong>und</strong> Tabakbei <strong>der</strong> Arbeit ist e<strong>in</strong> Ziel betrieblicher Suchtprävention. Absprachen zum Konsumverzicht im Betrieb <strong>und</strong> zur Punktnüchternheit bei <strong>der</strong> Arbeit werdendurch Information <strong>und</strong> Aufklärung geför<strong>der</strong>t. Punktnüchternheit hat e<strong>in</strong>e zentrale Bedeutung für die Arbeitssicherheit, <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e <strong>in</strong>Verb<strong>in</strong>dung mit <strong>der</strong> E<strong>in</strong>nahme von Medikamenten.BegründungszusammenhangDas Konzept <strong>der</strong> Punktnüchternheit ist für die betriebliche Suchtprävention e<strong>in</strong> hervorragendgeeignetes Präventionsziel. Es ist den Beschäftigten leicht zu vermitteln <strong>und</strong> von se<strong>in</strong>en Zielenher e<strong>in</strong>leuchtend. Es verzichtet auf moralische Wertungen <strong>und</strong> vermeidet erzieherische Argumentationenzum Konsumverzicht <strong>und</strong> Übergriffe <strong>in</strong> Persönlichkeitsrechte <strong>der</strong> Beschäftigten.Punktnüchternheit als Pr<strong>in</strong>zip stellt auf den eigenverantwortlichen, wenn auch teilweise durchabgestimmte Regeln verb<strong>in</strong>dlich gemachten Konsumverzicht während <strong>der</strong> Arbeit ab. Um wirksamzu se<strong>in</strong>, muss es e<strong>in</strong> Teil <strong>der</strong> Betriebskultur werden. E<strong>in</strong>e zentrale Rolle spielt dabei dasVorbildverhalten <strong>der</strong> Personalverantwortlichen <strong>und</strong> die aktive Unterstützung durch die Interessenvertretungen.Im Unterschied zu generellen Konsumverboten, die Kontrollen <strong>und</strong> - bei Verstößen - Sanktionennach sich ziehen, ist die Punktnüchternheit e<strong>in</strong> Gr<strong>und</strong>satz des sozialen Mite<strong>in</strong>an<strong>der</strong>s im Betrieb.


Kapitel 2 Vorbeugen 37Nichtraucher durch geeignete arbeitsorganisatorische Maßnahmen <strong>und</strong> Rauchbeschränkungenam Arbeitsplatz mit Angeboten <strong>der</strong> Hilfestellung zur Nikot<strong>in</strong>entwöhnung für Raucher verb<strong>in</strong>det<strong>und</strong> damit auch den Anfor<strong>der</strong>ungen des Aktionsplans Tabak <strong>der</strong> DHS entspricht.Standard Ziel <strong>der</strong> <strong>betrieblichen</strong> Suchtprävention ist es, den Weg zum 'rauchfreien Betrieb' durch Information,Aktionen, Beratung <strong>und</strong> Angebote von Nichtrauchertra<strong>in</strong><strong>in</strong>gs kompetent zu begleiten. Die Umsetzung dieses Ziels sowie des Nichtraucherschutzes sollte ohne Stigmatisierung<strong>und</strong> Ausgrenzung von Raucher/<strong>in</strong>nen verfolgt werden. Da <strong>der</strong> Nikot<strong>in</strong>konsum suchtbed<strong>in</strong>gt se<strong>in</strong> kann, sollten betriebliche Suchtpräventionsprogrammefür abhängige Raucher/<strong>in</strong>nen Beratung <strong>und</strong> Unterstützung bei Überw<strong>in</strong>dung <strong>der</strong>Nikot<strong>in</strong>abhängigkeit vorsehen.BegründungszusammenhangDer seit 2002 geltende Nichtraucherschutz nach § 5 <strong>der</strong> Arbeitsstättenverordnung legt dem Arbeitgeberauf, die erfor<strong>der</strong>lichen Maßnahmen zu treffen, damit die nichtrauchenden Beschäftigten<strong>in</strong> Arbeitsstätten wirksam vor den Ges<strong>und</strong>heitsgefahren durch Tabakrauch geschützt s<strong>in</strong>d.Der Nichtraucherschutz greift unabhängig davon, ob nichtrauchende Beschäftigte sich durchTabakrauch belästigt o<strong>der</strong> ges<strong>und</strong>heitlich bee<strong>in</strong>trächtigt fühlen o<strong>der</strong> nicht. Für den Arbeitgebergilt es vielmehr im S<strong>in</strong>ne des Arbeitsschutzes e<strong>in</strong>e ges<strong>und</strong>heitliche Gefährdung am Arbeitsplatzvorzubeugen. Die Position <strong>der</strong> Nichtraucher/<strong>in</strong>nen ist deutlich gestärkt worden. Die Verordnungwie das Gesetz aus dem Jahr 2007 sehen jedoch noch ke<strong>in</strong> vollständiges Rauchverbot im Betriebvor. Regelungen zur gegenseitigen Rücksichtnahme von Rauchern <strong>und</strong> Nichtrauchernkönnen also weiterh<strong>in</strong> erfor<strong>der</strong>lich se<strong>in</strong>.Die betriebliche Suchtprävention setzt sich mit ihren Angeboten zur Information <strong>und</strong> Aufklärungfür e<strong>in</strong>en rauchfreien Betrieb e<strong>in</strong>. Sie begleitet die <strong>betrieblichen</strong> Initiativen zum Nichtraucherschutz<strong>und</strong> gewährt denjenigen Beratung <strong>und</strong> Unterstützung, die ihren (abhängigen) Konsumreduzierenden wollen.Arbeitsschritte Mit den Materialien aus dem Projekt "Rauchfrei am Arbeitsplatz" <strong>der</strong> B<strong>und</strong>esvere<strong>in</strong>igung fürGes<strong>und</strong>heit e.V. können Aktivitäten im S<strong>in</strong>ne <strong>der</strong> <strong>betrieblichen</strong> Suchtprävention entwickeltwerden. Vorgeschlagen o<strong>der</strong> gefor<strong>der</strong>t werden:• Klare Kommunikation <strong>der</strong> Ziele zur Reduzierung des Tabakkonsums <strong>und</strong> zur Erweiterungdes Nichtraucherschutzes sowie des entwickelten Zeit-/Maßnahmeplanes für alleMitarbeiter von Anfang an.• Frühzeitige E<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung aller Betriebspartner <strong>in</strong> die Planung, klare organisatorische Zuständigkeit<strong>und</strong> Anb<strong>in</strong>dung.• Arbeitsorganisatorische Maßnahmen, <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e die Trennung von Rauchern <strong>und</strong>Nichtrauchern <strong>in</strong> Arbeits-, Pausen- <strong>und</strong> Geme<strong>in</strong>schaftsräumen, lüftungstechnischeMaßnahmen, wo s<strong>in</strong>nvoll, möglich <strong>und</strong> durchsetzbar.• E<strong>in</strong>führen von Rauchverboten überall dort, wo Nichtraucher sich aufhalten müssen, umihrer Arbeit nachzugehen o<strong>der</strong> ihre Pausen zu verbr<strong>in</strong>gen.• Werbung für e<strong>in</strong> generell rauchfreies Unternehmen.• Die Verb<strong>in</strong>dung von Nichtraucherschutzmaßnahmen mit Hilfen zur Tabakentwöhnung.


38Kapitel 2 VorbeugenLiteratur <strong>und</strong> MaterialienB<strong>und</strong>esvere<strong>in</strong>igung für Ges<strong>und</strong>heit e.V. Bonn (2002) Rauchfrei am Arbeitsplatz.E<strong>in</strong> Leitfaden für Betriebe. WHO-Partnerschaftsprojekt Tabakabhängigkeit. 3.Aufl. Köln.DHS Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen e.V. (Hrsg.)(2003) Aktionsplan Tabak.Informationen zur Suchtkrankenhilfe. 1/2003. Text: W.Farke. 2.Aufl. Hamm: DHS.Faber, U. (2004) Betriebsvere<strong>in</strong>barung <strong>und</strong> Nichtraucherschutz.Vortrag: Nie<strong>der</strong>sächsische Landesstelle gegen die Suchtgefahren, Hannover 03/2004.www.nls-suchtgefahren.deTechniker Krankenkasse (o.J.) Rauchfreier Arbeitsplatz. Erfolgreiche Nichtraucher-Strategien im Unternehmen.Hamburg2.5.3 Verbot des Konsums illegaler DrogenDie Tatsache, dass e<strong>in</strong>e Reihe von Drogen als "illegal" qualifiziert s<strong>in</strong>d, führt häufig zu <strong>der</strong> Fehlannahme,<strong>der</strong> Konsum dieser Drogen sei gesetzlich generell verboten. Die gesetzliche Regelungbezieht sich jedoch ausschließlich auf den Besitz <strong>und</strong> die Verteilung <strong>der</strong> Drogen. Darausfolgt für Betriebe <strong>und</strong> E<strong>in</strong>richtungen die Notwendigkeit, den Umgang mit illegalen Drogen amArbeitsplatz ebenso wie den mit an<strong>der</strong>en Suchtmitteln <strong>in</strong>tern zu regeln, wenn sie Fragen desKonsums nicht <strong>der</strong> alle<strong>in</strong>igen Verantwortung <strong>der</strong> Beschäftigten überlassen wollen. Dabei könnengenerelle Regelungen (Absprachen zur Punktnüchternheit / Verbot des Konsums) getroffeno<strong>der</strong> spezielle Maßnahmen zum Umgang mit illegalen Drogen vere<strong>in</strong>bart werden.Standard Das Ziel <strong>der</strong> <strong>betrieblichen</strong> Suchtprävention, Punktnüchternheit am Arbeitsplatz, bezieht sichnicht nur auf Alkohol, son<strong>der</strong>n auf alle Arten von Suchtmitteln, auch illegale Drogen. Es sollten klare Regeln für alle Beschäftigten zum Umgang mit illegalen Drogen im Betriebfestgeschrieben werden <strong>und</strong> die Sanktionen <strong>und</strong> Hilfeangebote bei Verstoß gegen die Absprachenabgestimmt se<strong>in</strong>. Folgende Regeln können z.B. unter E<strong>in</strong>beziehung des Betriebs-/ Personalrats verabschiedet werden: Der Konsum illegaler Drogen unterbleibt während <strong>der</strong> Arbeitszeit <strong>und</strong> <strong>in</strong> den Pausen.Das Mitbr<strong>in</strong>gen illegaler Drogen an den Arbeitsplatz ist untersagt. Das Verteilen illegaler Drogen auf dem Gelände des Betriebes ist verboten <strong>und</strong> wird zurAnzeige gebracht. E<strong>in</strong> Verstoß gegen e<strong>in</strong>e <strong>der</strong> vorstehenden Regelungen führt konsequent zur Intervention<strong>und</strong> zum E<strong>in</strong>stieg <strong>in</strong> den Stufenplan. Die Personalverantwortlichen sollten bei <strong>der</strong> Schulung für die Intervention bei Auffälligkeitenam Arbeitsplatz, <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e <strong>in</strong> Verb<strong>in</strong>dung mit Fragen <strong>der</strong> Arbeitssicherheit, auch auf dieMöglichkeit <strong>der</strong> Bee<strong>in</strong>flussung des Mitarbeiters bzw. <strong>der</strong> Mitarbeiter<strong>in</strong> durch illegale Drogenh<strong>in</strong>gewiesen werden.


40Kapitel 2 Vorbeugen2.5.4 Drogenkontrollen (Drogenscreen<strong>in</strong>gs)In den letzten Jahren s<strong>in</strong>d häufig generelle Drogentests, <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e Drogenkontrollen mittelsScreen<strong>in</strong>gverfahren, vorrangig <strong>in</strong> Großunternehmen, e<strong>in</strong>geführt worden. Getestet wird bei E<strong>in</strong>stellungsuntersuchungeno<strong>der</strong> nach Zufallsverfahren im laufenden Arbeitsverhältnis. Der Drogentestbezieht sich <strong>in</strong> <strong>der</strong> Regel auf ausgewählte illegale Substanzen <strong>und</strong> lässt - wenn auchnicht immer zuverlässige - Rückschlüsse auf e<strong>in</strong>en Gebrauch, nicht jedoch auf die aktuelle Bee<strong>in</strong>flussung<strong>und</strong> die spezifischen Konsummuster, zu.Rechtlich gibt es erhebliche Zweifel an <strong>der</strong> Berechtigung des Betriebes zu generellen Drogentests<strong>und</strong> e<strong>in</strong>em <strong>der</strong>artig weit reichenden E<strong>in</strong>griff <strong>in</strong> gr<strong>und</strong>gesetzlich geschützte Persönlichkeitsrechte.Drogentests dürfen im Betrieb zwar nur auf freiwilliger Basis erfolgen. Die drohendeNichtberücksichtigung bei <strong>der</strong> Besetzung des Arbeits- bzw. Ausbildungsplatzes im E<strong>in</strong>stellungsverfahreno<strong>der</strong> die Angst vor Verlust des Arbeitsplatzes im bestehenden Arbeitsverhältnis wirkenjedoch mittelbar als Zwang zur Teilnahme.An die rechtlichen schließen sich noch ethische Bedenken an. So wirken Drogentests als sogenannte mediz<strong>in</strong>ische E<strong>in</strong>stellungssperre, weil die Nichtteilnahme e<strong>in</strong>em Ausschluss aus demBewerbungsverfahren gleichkommt. Darüber h<strong>in</strong>aus öffnen Drogentests die Tür zu weitergehenden,im Betrieb gegenwärtig unzulässigen Tests bezüglich des Ges<strong>und</strong>heitszustandes e<strong>in</strong>esBewerbers o<strong>der</strong> z. B. <strong>der</strong> Schwangerschaft e<strong>in</strong>er Bewerber<strong>in</strong>.Der Stellenwert <strong>der</strong> Drogentests für die Suchtprävention ist zweifelhaft <strong>und</strong> ihre Zulässigkeitrechtlich <strong>und</strong> ethisch umstritten. Als Instrument <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>betrieblichen</strong> Suchtprävention s<strong>in</strong>d sienicht angemessen.Standard Generelle Drogentests <strong>und</strong> Screen<strong>in</strong>gs im Betrieb entsprechen nicht den Pr<strong>in</strong>zipien <strong>der</strong>Suchtprävention. Im E<strong>in</strong>zelfall, bei Auffälligkeiten am Arbeitsplatz <strong>in</strong> Verb<strong>in</strong>dung mit Substanzgebrauch, kannden Beschäftigten e<strong>in</strong> Test zur Entlastung angeboten werden. Der Test erfolgt auf freiwilligerBasis mit Zustimmung <strong>der</strong> betroffenen Person. Als Unterstützung <strong>der</strong> Konsumreduzierung o<strong>der</strong> des Abst<strong>in</strong>enzerhalts können <strong>in</strong>dividuelle,e<strong>in</strong>zelvertraglich vere<strong>in</strong>barte Konsumkontrollen geeignet se<strong>in</strong>. Sie sollten <strong>in</strong> geeigneten E<strong>in</strong>richtungenaußerhalb des Betriebes durchgeführt werden.BegründungszusammenhangGegen generelle, nicht anlassbezogene Drogenkontrollen als Standard <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>betrieblichen</strong>Suchtprävention <strong>und</strong> -hilfe sprechen folgende sachlichen, rechtlichen <strong>und</strong> ethischen Gründe.Sachliche Gründe <strong>der</strong> Ablehnung beziehen sich vor allem auf die "vorbeugend" <strong>in</strong> E<strong>in</strong>stellungsverfahrenvor allem für Auszubildende angewandten Drogentests. Aus fachlicher <strong>und</strong>suchtpräventiver Sicht wird dieses Verfahren kritisch betrachtet. Betriebliche Testverfahrengrenzen auch diejenigen aus, die z.B. Cannabisprodukte probiert haben o<strong>der</strong> gelegentlich konsumieren.Untersuchungen belegen, dass <strong>der</strong> überwiegende Teil <strong>der</strong> Jugendlichen den Konsumillegaler Drogen nach e<strong>in</strong>er Phase des Probierens wie<strong>der</strong> e<strong>in</strong>stellt <strong>und</strong> sich auf den legalenSuchtmittelkonsum beschränkt. Generelle Drogenkontrollen <strong>in</strong> E<strong>in</strong>stellungsverfahren bergen dieGefahr sachlich überzogener Sanktionen, wie Nichtberücksichtigung bei <strong>der</strong> Besetzung desAusbildungs- o<strong>der</strong> Arbeitsplatzes. Solche nachhaltig negativen Effekte für die Lebensplanungs<strong>in</strong>d nicht im S<strong>in</strong>ne <strong>der</strong> Suchtprävention.


Kapitel 2 Vorbeugen 41Die Notwendigkeit <strong>der</strong> Drogentests wird häufig mit <strong>der</strong> Arbeitssicherheit begründet. Tatsächlichs<strong>in</strong>d aber nur für wenige, sehr spezifische Tätigkeiten Kontrollen vorgeschrieben. GenerelleDrogentests im Betrieb s<strong>in</strong>d im Arbeitsschutz nicht vorgesehen. Sie täuschen außerdem e<strong>in</strong>efalsche Sicherheit vor, denn auch unter Auszubildenden <strong>und</strong> jungen Erwachsenen überwiegtimmer noch <strong>der</strong> Alkoholkonsum, <strong>der</strong> von größerer Relevanz für die Arbeitssicherheit ist.Rechtliche Bedenken bestehen gleich <strong>in</strong> mehrfacher H<strong>in</strong>sicht. Es geht z.B. um e<strong>in</strong>en E<strong>in</strong>griff <strong>in</strong>den Persönlichkeitsschutz, um körperliche Integrität, um <strong>in</strong>formationelle Selbstbestimmung <strong>und</strong>Datenschutz. Die Teilnahme an Drogentests bedarf <strong>in</strong> jedem Fall <strong>der</strong> vorherigen E<strong>in</strong>willigung<strong>der</strong> Bewerber/<strong>in</strong>nen o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Beschäftigten. Sie s<strong>in</strong>d also im Pr<strong>in</strong>zip freiwillig, bei realistischerBetrachtungsweise jedoch faktisch verpflichtend, wenn die betroffenen Personen ihre Chance<strong>der</strong> (Weiter)Beschäftigung nicht verspielen wollen.Die ethisch-rechtlichen Bedenken gegenüber allgeme<strong>in</strong>en Drogenkontrollen im Arbeitslebenbeziehen sich vor allem auf zwei Aspekte: Erstens geht es um betriebliche E<strong>in</strong>stellungsuntersuchungenals "mediz<strong>in</strong>ische E<strong>in</strong>stellungssperre". Damit ist das Problem angesprochen, dass e<strong>in</strong>eNichtteilnahme am Drogentest o<strong>der</strong> e<strong>in</strong> positiver Bef<strong>und</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> Regel zu erheblichen Rechtsnachteilenführt, obwohl sie nicht den Schluss zulassen, dass die Person Drogenabhängig ist.Zweitens geht es um den Aspekt, dass die für Drogenscreen<strong>in</strong>gs abgegebenen Ur<strong>in</strong> o<strong>der</strong> Haarprobendie Auswahl von Beschäftigten nach ges<strong>und</strong>heitlichen E<strong>in</strong>schränkungen <strong>und</strong> genetischenDispositionen gr<strong>und</strong>sätzlich ermöglichen, obwohl sie rechtlich nicht zulässig ist.Solange die ethischen Bedenken nicht ausgeräumt werden können, kommen allgeme<strong>in</strong>e Drogenkontrollendeshalb als Standard <strong>der</strong> <strong>betrieblichen</strong> Suchtprävention <strong>und</strong> -hilfe nicht <strong>in</strong>frage.Diese Position deckt sich auch mit den Anfor<strong>der</strong>ungen <strong>der</strong> <strong>in</strong>ternational vere<strong>in</strong>barten Leitl<strong>in</strong>ien<strong>der</strong> ILO. Dar<strong>in</strong> heißt es: "Wenn man anerkennt, dass die Situation <strong>in</strong> jedem Land <strong>und</strong> jedemArbeitsplatz unterschiedlich ist, dann s<strong>in</strong>d ethische Aspekte e<strong>in</strong>e <strong>der</strong> wichtigsten Angelegenheiten,die zu entscheiden s<strong>in</strong>d, bevor irgende<strong>in</strong> Test stattf<strong>in</strong>det. Rechte <strong>der</strong> Arbeitnehmer auf Privatsphäre<strong>und</strong> Vertraulichkeit, Autonomie <strong>und</strong> Fairness <strong>und</strong> die Integrität ihres Körpers müssen,<strong>in</strong> Harmonie mit nationalen <strong>und</strong> <strong>in</strong>ternationalen Gesetzen <strong>und</strong> Rechtsprechung, Normen <strong>und</strong>Werten, respektiert werden. Von Arbeitnehmern, die sich weigern sich testen zu lassen, solltenicht vermutet werden, dass sie Alkohol- <strong>und</strong> Drogengebraucher s<strong>in</strong>d." (ILO 1995)Arbeitsschritte Gezielte Information <strong>und</strong> Aufklärung aller Beschäftigten über die Gefahren für die Arbeitssicherheit<strong>und</strong> die ges<strong>und</strong>heitlichen Gefährdungen durch den Gebrauch legaler o<strong>der</strong> illegalerSubstanzen. Information von Betriebsleitungen, Betriebs- <strong>und</strong> Personalräten, Fachkräften aus dem Arbeits-<strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heitsschutz über die e<strong>in</strong>geschränkte Aussagekraft von Drogentests sowieüber <strong>der</strong>en rechtliche <strong>und</strong> ethische Problematik Bessere Aufklärung <strong>der</strong> Beteiligten, <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e <strong>der</strong> Personalverantwortlichen, <strong>der</strong> Betriebsräte<strong>und</strong> Betriebsärzte über ihre ethische <strong>und</strong> rechtliche Verantwortung im Zusammenhangmit Drogentests. Diskussion <strong>der</strong> sachlichen, rechtlichen <strong>und</strong> ethischen Fragen von Drogentests <strong>in</strong> den Netzwerken<strong>der</strong> Akteure <strong>der</strong> <strong>betrieblichen</strong> Suchtprävention <strong>und</strong> -hilfe.Literatur <strong>und</strong> MaterialienBüro für Suchtprävention Hamburg (Hrsg.)(2000) Illegale Drogen <strong>in</strong> <strong>der</strong> Arbeitswelt. Hamburg.Däubler, Wolfgang (2004) Gläserne Belegschaften? Datenschutz <strong>in</strong> Betrieb <strong>und</strong> Dienststellen.In: BTQ (Hrsg.) Betrieblicher Datenschutz – Aufgaben für Interessenvertretungen <strong>und</strong>Datenschutzbeauftragte. Hannover.Fleck, J. (2002) Rechtliche Praxis bei Drogenkonsum von Arbeitnehmern.In: F. Grotenherm, M. Karus (Hrsg.): Cannabis, Straßenverkehr <strong>und</strong> Arbeitswelt. Recht-Mediz<strong>in</strong>-Politik.Berl<strong>in</strong>, Heidelberg


42Kapitel 2 VorbeugenHeilmann, J. / Wienemann, E. / Thelen, W. (2001) Drogenprävention durch Drogen-Screen<strong>in</strong>g.In: Arbeitsrecht im Betrieb (AiB). 22 Jg., Heft 8/2001, S. 465ffILO - International Labor Office (1995) Management of alcohol- and drug-related issues <strong>in</strong> the workplace.Genf.Kohte, W. (2004) Persönlichkeitsrechte <strong>und</strong> Datenschutz bei Drogenscreen<strong>in</strong>g <strong>und</strong> Gentest.In: BTQ (Hrsg.): Betrieblicher Datenschutz - Aufgaben für Interessenvertretungen <strong>und</strong>Datenschutzbeauftragte. Hannover.Künzl, R. / Oberlan<strong>der</strong>, T. (2005) Sucht <strong>und</strong> Prävention im Betrieb. Alkohol, Drogen, Medikamente <strong>und</strong>Tabak. In: Arbeit <strong>und</strong> Arbeitsrecht. 60.Jahrg. Son<strong>der</strong>ausgabe. Berl<strong>in</strong>: Hussmedien.Suchtprävention <strong>in</strong> Nie<strong>der</strong>sachsen (2008) Nie<strong>der</strong>sächsisches M<strong>in</strong>isterium für Soziales, Frauen, Familie<strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heit. Hannover. www.ms.nie<strong>der</strong>sachsen.de > Themen > Ges<strong>und</strong>heit > Drogen & Sucht


Kapitel 3 Intervention, Beratungs- <strong>und</strong> Hilfeangebote 433. Intervention, Beratungs- <strong>und</strong> Hilfeangebote im Betrieb –Qualifizierung von Führungskräften3.1 Verfahren bei E<strong>in</strong>schränkung <strong>der</strong> Arbeitsfähigkeit <strong>und</strong> Gefährdung<strong>der</strong> Arbeitssicherheit durch SuchtmittelDie Arbeitsschutzvorschriften legen die Sicherheit <strong>der</strong> Beschäftigten bei <strong>der</strong> Arbeit <strong>und</strong> auf dem Arbeitsweg<strong>in</strong> die Verantwortung des Betriebes. Arbeit unter dem E<strong>in</strong>fluss von Alkohol, Drogen <strong>und</strong> an<strong>der</strong>enberauschenden Mitteln, zu denen explizit auch Medikamente zählen, gilt als Arbeitssicherheitsrisiko.In Situationen, <strong>in</strong> denen Beschäftigte sich selbst o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>e gefährden könnten, müssen Arbeitgeberbzw. Vorgesetzte nach den berufsgenossenschaftlichen Vorschriften handeln:Berufsgenossenschaftliche Vorschrift für Sicherheit <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heit bei <strong>der</strong> Arbeit(BGV A 1 - Privatwirtschaft / GUV V A1 - Öffentlicher Dienst)§ 7 (2)Der Unternehmer darf Versicherte, die erkennbar nicht <strong>in</strong> <strong>der</strong> Lage s<strong>in</strong>d, e<strong>in</strong>e Arbeit ohneGefahr für sich o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>e auszuführen, mit dieser Arbeit nicht beschäftigen.§ 15 (2)Versicherte dürfen sich durch den Konsum von Alkohol, Drogen o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>enberauschenden Mitteln nicht <strong>in</strong> den Zustand versetzen, durch den sie sich selbsto<strong>der</strong> an<strong>der</strong>e gefährden können.§ 15 (3)Absatz 2 gilt auch für die E<strong>in</strong>nahme von Medikamenten.Vorgesetzte s<strong>in</strong>d nach §7 (2) gr<strong>und</strong>sätzlich gehalten, die Eignung für die Tätigkeit festzustellen. Sietragen dabei e<strong>in</strong>e Verantwortung, <strong>der</strong>en sie sich häufig nicht ausreichend bewusst s<strong>in</strong>d, für die sichaber im Arbeitsrecht deutliche H<strong>in</strong>weise f<strong>in</strong>den.Neben <strong>der</strong> akuten E<strong>in</strong>schränkung <strong>der</strong> Arbeitsfähigkeit aufgr<strong>und</strong> des Konsums von Alkohol, Drogeno<strong>der</strong> Medikamenten kann e<strong>in</strong>e E<strong>in</strong>schränkung <strong>der</strong> Arbeitssicherheit von Fall zu Fall auch durch nichtsubstanzbezogenesSuchtverhalten entstehen, etwa durch überlange Arbeitszeiten bei Arbeitssucht,Schlafmangel bei Internetabhängigkeit o<strong>der</strong> mangelnde Nahrungsaufnahme bei Essstörungen. Inerster L<strong>in</strong>ie s<strong>in</strong>d es jedoch suchtmittel-, vor allem alkoholbed<strong>in</strong>gte Auffälligkeiten, die e<strong>in</strong> E<strong>in</strong>greifenerfor<strong>der</strong>n.Im S<strong>in</strong>ne <strong>der</strong> Suchtprävention sollte e<strong>in</strong>e Intervention wegen akuter Gefährdung <strong>der</strong> Arbeitssicherheitals dr<strong>in</strong>gen<strong>der</strong> Anlass genommen werden, e<strong>in</strong> Klärungsgespräch bzw. bei zugr<strong>und</strong>e liegendemSuchtmittelgebrauch e<strong>in</strong> Gespräch <strong>der</strong> ersten Stufe nach dem Stufenplan anzusetzen.Standard Es sollte e<strong>in</strong> transparentes Verfahren zur Intervention bei E<strong>in</strong>schränkung <strong>der</strong> Arbeitsfähigkeit <strong>und</strong>Gefährdung <strong>der</strong> Arbeitssicherheit abgestimmt <strong>und</strong> im Rahmen e<strong>in</strong>er Betriebs-/Dienstvere<strong>in</strong>barungfestgeschrieben werden. Die Regelung sollte e<strong>in</strong> e<strong>in</strong>heitliches Verfahren für alle Arten substanzbed<strong>in</strong>gter <strong>und</strong> suchtbed<strong>in</strong>gterGefährdung <strong>der</strong> Arbeitssicherheit vorsehen. Die Regelung sollte um Empfehlungen für Vorgesetzte zum Thema Medikamentene<strong>in</strong>nahme <strong>und</strong>Arbeitssicherheit ergänzt werden.


44Kapitel 3 Intervention, Beratungs- <strong>und</strong> Hilfeangebote Im S<strong>in</strong>ne <strong>der</strong> Suchtprävention sollte e<strong>in</strong>e Intervention wegen akuter Gefährdung <strong>der</strong> Arbeitssicherheitals dr<strong>in</strong>gen<strong>der</strong> Anlass genommen werden e<strong>in</strong> Gespräch <strong>der</strong> ersten Stufe nach dem Stufenplandurchzuführen, zum<strong>in</strong>dest jedoch e<strong>in</strong> Klärungsgespräch anzusetzen. Viele Vorgesetzte s<strong>in</strong>d sich <strong>der</strong> vollen Tragweite ihrer Verantwortung für die Arbeitssicherheit <strong>der</strong>Beschäftigten nicht bewusst. Die betriebliche Suchtprävention sollte dies bei ihrer Informations<strong>und</strong>Aufklärungsarbeit berücksichtigen. Schulungen für Personalverantwortliche sollten das Thema Gefährdung <strong>der</strong> Arbeitssicherheit <strong>und</strong>rechtliche Pflichten von Vorgesetzten beleuchten <strong>und</strong> das Verfahren zur Intervention erläutern.BegründungszusammenhangDie Vorgesetzten tragen im Auftrag des Arbeitsgebers die Verantwortung für die Sicherheit <strong>der</strong> Beschäftigten<strong>und</strong> müssen im Akutfall entscheiden, ob <strong>und</strong> wie sie <strong>in</strong>tervenieren müssen. E<strong>in</strong> abgestimmtesVerfahren gibt allen <strong>in</strong> <strong>der</strong> Situation Beteiligten <strong>und</strong> nicht zuletzt den Beschäftigten Orientierung.Es erleichtert im konkreten Fall e<strong>in</strong> lösungsorientiertes Handeln <strong>und</strong> vermeidet Unstimmigkeiten<strong>und</strong> rechtliche Ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>setzungen im Nachh<strong>in</strong>e<strong>in</strong>.Verfahren bei akuter Bee<strong>in</strong>trächtigung sicheren Arbeitens - Betriebliches Beispiel: Bei H<strong>in</strong>weisen darauf, dass e<strong>in</strong>/e Beschäftigte/r unter akutem E<strong>in</strong>fluss berauschen<strong>der</strong> Mittel -dazu gehören explizit auch Medikamente - steht, hat <strong>der</strong>/die Vorgesetzte unmittelbar zu prüfen,ob er/sie die Arbeit noch ohne Gefährdung für sich o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>e tun kann. Vorgesetzte s<strong>in</strong>d gehalten, auch den H<strong>in</strong>weisen aus dem Kreis <strong>der</strong> Beschäftigtennachzugehen. Er/sie hat zu entscheiden, ob die/<strong>der</strong> Beschäftigte ihre/se<strong>in</strong>e Arbeit fortsetzen kann. Der/die Vorgesetzte zieht m<strong>in</strong>destens e<strong>in</strong>e weitere Person als Beweishilfe h<strong>in</strong>zu <strong>und</strong> <strong>in</strong>formiertmöglichst unverzüglich den Betriebs-/Personalrat h<strong>in</strong>zu. Die Entscheidung orientiert sich an den konkreten Auffälligkeiten im Auftreten <strong>und</strong> Verhalten.Es reicht <strong>der</strong> so genannte „Beweis des ersten Ansche<strong>in</strong>s“ aufgr<strong>und</strong> <strong>der</strong> allgeme<strong>in</strong>en Lebenserfahrungdes/<strong>der</strong> Vorgesetzten. E<strong>in</strong> Alkohol- o<strong>der</strong> Drogentest ist nicht erfor<strong>der</strong>lich. Der/die Beschäftigte wird auf die Möglichkeit h<strong>in</strong>gewiesen, <strong>in</strong>nerhalb von zwei St<strong>und</strong>en nach<strong>der</strong> Ansprache auf die E<strong>in</strong>schränkungen e<strong>in</strong>en schriftlich belegten Gegenbeweis zu erbr<strong>in</strong>gen. Bei fortgesetzten Auffälligkeiten <strong>und</strong> Gefährdungen kann <strong>der</strong>/die Beschäftigte auch bei negativemTestergebnis nicht zur Arbeit e<strong>in</strong>gesetzt werden. In diesem Fall dürfen dem Mitarbeiterdaraus ke<strong>in</strong>e Nachteile entstehen. Wird <strong>der</strong>/die Beschäftigte nach Hause entlassen, trägt <strong>der</strong> Arbeitgeber dieVerantwortung für den sicheren Heimweg. Ist die/<strong>der</strong> Beschäftigte durch eigenes Verschulden an ihrer/se<strong>in</strong>er Arbeits- o<strong>der</strong>Dienstleistung verh<strong>in</strong><strong>der</strong>t, besteht für die ausgefallene Arbeitszeit ke<strong>in</strong> Anspruch auf Entgelt.Die Kosten für den Heimtransport hat <strong>in</strong> diesem Fall <strong>der</strong>/die Beschäftigte zu tragen.Der § 15 BGV A1/GUV V A1 bezieht <strong>in</strong> Absatz 3 erstmals explizit die E<strong>in</strong>nahme von Medikamentenals Gefährdungsfaktor für die Arbeitssicherheit mit e<strong>in</strong>. Das entspricht schon seit langem <strong>der</strong> Rechtssprechung,wird <strong>in</strong> den Betrieben jedoch immer noch zu wenig berücksichtigt. Es sollten deshalb spezielleEmpfehlungen für e<strong>in</strong>e angemessene E<strong>in</strong>beziehung <strong>der</strong> Medikamentenproblematik <strong>in</strong> das betrieblicheSuchtpräventions- <strong>und</strong> Arbeitssicherheitskonzept vere<strong>in</strong>bart werden. Damit lassen sich Gefährdungenam Arbeitsplatz o<strong>der</strong> auf dem Arbeitsweg vorbeugen.Die nachfolgenden Empfehlungen im H<strong>in</strong>blick auf die beson<strong>der</strong>e Berücksichtigung <strong>der</strong> Medikamentene<strong>in</strong>nahmeorientieren sich an den Vorgaben <strong>der</strong> ILO:


Kapitel 3 Intervention, Beratungs- <strong>und</strong> Hilfeangebote 45Zur Abwendung von Gefährdungen hat <strong>der</strong> Arbeitgeber die Beschäftigten über mögliche Auswirkungenvon Medikamenten auf die Arbeitssicherheit zu <strong>in</strong>formieren. Die Unterweisung hatzum Ziel, die Handlungskompetenz <strong>und</strong> Eigenverantwortung <strong>der</strong> Beschäftigten zu stärken.Beschäftigte, die Medikamente e<strong>in</strong>nehmen, dürfen ihrer Arbeit nur nachgehen, wenn sie dadurchnicht sich <strong>und</strong> an<strong>der</strong>e gefährden. Bei Medikamentene<strong>in</strong>nahme sollten H<strong>in</strong>weise (u.a.auf dem Beipackzettel) auf mögliche E<strong>in</strong>schränkungen - beson<strong>der</strong>s für die Teilnahme amStraßenverkehr <strong>und</strong> für das Bedienen von Masch<strong>in</strong>en - beachtet werden. Beschäftigte solltensich dazu von Ihrem behandelnden Arzt o<strong>der</strong> Apotheker beraten lassen <strong>und</strong> / o<strong>der</strong> ggf. e<strong>in</strong>eBeratung beim Betriebsarzt e<strong>in</strong>holen.Vorgesetzte sollen Beschäftigte nach Rückkehr aus krankheitsbed<strong>in</strong>gter Abwesenheit auf e<strong>in</strong>emögliche Gefährdung bei fortgesetzter Medikamentene<strong>in</strong>nahme h<strong>in</strong>weisen <strong>und</strong> ihnen zur Klärungggf. e<strong>in</strong>e betriebsärztliche Beratung empfehlen.Arbeitsschritte Abstimmung des Verfahrens im Falle <strong>der</strong> akuten E<strong>in</strong>schränkung <strong>der</strong> Arbeitsfähigkeit aufgr<strong>und</strong> desKonsums von Alkohol, Medikamenten <strong>und</strong> Drogen <strong>und</strong> Information <strong>der</strong> Beschäftigten. Ergänzung <strong>der</strong> Betriebs-/Dienstvere<strong>in</strong>barung, ggf. Erstellung e<strong>in</strong>er geson<strong>der</strong>ten Handlungsanleitungfür Vorgesetzte zur Intervention nach dem vere<strong>in</strong>barten Verfahren. Information <strong>und</strong> Schulung <strong>der</strong> Personalverantwortlichen für den Umgang mit Auffälligkeiten <strong>und</strong>Verstößen gegen die Arbeitssicherheit. Aufklärung <strong>der</strong> Beschäftigten über den Umgang mit Medikamenten im Betrieb, Ansprache <strong>der</strong>Mitarbeiter <strong>und</strong> Mitarbeiter<strong>in</strong>nen bei Rückkehr aus <strong>der</strong> Krankheit <strong>und</strong> H<strong>in</strong>weis durch die Vorgesetztenggf. mit e<strong>in</strong>em Merkblatt (siehe Abb. 6).Literatur <strong>und</strong> MaterialienDHS Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen e.V. (Hrsg.)(2008) Substanzbezogene Störungen am Arbeitsplatz.Text: U.Pegel-Rimpl. 5. Aufl. Hamm. www.dhs.deFleck, Jürgen (2002) Rechtliche Praxis bei Drogenkonsum von Arbeitsnehmern.In: Grotenherm, F. / Karus, M. (Hrsg.). Cannabis, Straßenverkehr <strong>und</strong> Arbeitswelt. Recht-Mediz<strong>in</strong>-Politik. Berl<strong>in</strong>/Heidelberg.Graefe, Bernd (2000) Juristische Rahmenbed<strong>in</strong>gungen im Umgang mit Suchtproblemen <strong>in</strong> <strong>der</strong> Arbeitswelt. In:Schumann, Günter (Hrsg.). Stand <strong>und</strong> Perspektive betrieblicher Suchtprävention <strong>und</strong> Suchthilfe. Oldenburg: BISUniversität Oldenburg.ILO – International Labour Office (1995) Management of Alcohol- and Drug-related Issues <strong>in</strong> theWorkplace. Genf.Rehwald, R., Re<strong>in</strong>eke, G., Wienemann, E., Z<strong>in</strong>ke, E. (2008) Betriebliche Suchtprävention <strong>und</strong> Suchthilfe. Frankfurtam Ma<strong>in</strong>. B<strong>und</strong>-Verlag.Suchtprävention <strong>in</strong> Nie<strong>der</strong>sachsen (2008) Nie<strong>der</strong>sächsisches M<strong>in</strong>isterium für Soziales, Frauen, Familie <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heit.Hannover. www.ms.nie<strong>der</strong>sachsen.de > Themen > Ges<strong>und</strong>heit > Drogen & Sucht


46Kapitel 3 Intervention, Beratungs- <strong>und</strong> HilfeangeboteGefährdung am Arbeitsplatz durch MedikamenteNebenwirkungen von MedikamentenWeitere schwer kalkulierbareKomplikationenverlängerte ReaktionszeitenGleichgewichtsstörungenmangelndes Konzentrationsvermögenverm<strong>in</strong><strong>der</strong>te Aufmerksamkeitschlechtere Informationsaufnahme <strong>und</strong> Verarbeitungnachlassende Geschicklichkeiterhöhte Blendempf<strong>in</strong>dlichkeitE<strong>in</strong>schränkungen des Sichtsfeldes<strong>in</strong>dividuelle Reaktionen, <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e zuBeg<strong>in</strong>n <strong>der</strong> Medikamentene<strong>in</strong>nahmebei Medikamenten mit hohem Suchtpotenzialüberproportional hohe Zunahme <strong>der</strong> Nebenwirkungenbei DosissteigerungWechselwirkung bei Medikamentenkomb<strong>in</strong>ationen,gleichzeitigem Alkoholkonsum o<strong>der</strong> bei zusätzlicherE<strong>in</strong>wirkung von tätigkeitsbed<strong>in</strong>gtenSchadstoffenLangzeitwirkungenUmkehrung <strong>der</strong> gewünschten Wirkung <strong>in</strong>sGegenteil bei plötzlichem Absetzen („Rebo<strong>und</strong>“)Quelle: Medikamente <strong>und</strong> Sicherheit. In: Sicherheitsbeauftragter (2002), Nr. 8. S. 6-7Empfehlung im Umgang mit Medikamenten am Arbeitsplatz1. Zur Abwendung von Gefährdungen, hat <strong>der</strong> Arbeitgeber die Beschäftigten über mögliche Auswirkungenvon Medikamenten auf die Arbeitssicherheit zu <strong>in</strong>formieren. Die Unterweisung hat zum Ziel, die Handlungskompetenz<strong>und</strong> Eigenverantwortung <strong>der</strong> Beschäftigten zu stärken.2. Beschäftigte, die Medikamente e<strong>in</strong>nehmen, dürfen ihrer Arbeit nur nachgehen, wenn sie dadurch nichtsich <strong>und</strong> an<strong>der</strong>e gefährden. Bei Medikamentene<strong>in</strong>nahme sollten H<strong>in</strong>weise auf mögliche E<strong>in</strong>schränkungen,beson<strong>der</strong>s für die Teilnahme am Straßenverkehr <strong>und</strong> für das Bedienen von Masch<strong>in</strong>en beachtetwerden. Beschäftigte sollten sich dazu von ihrem behandelnden Arzt o<strong>der</strong> dem Apotheker beraten lassen<strong>und</strong>/o<strong>der</strong> zur Klärung ggf. e<strong>in</strong>e Beratung beim Betriebsarzt e<strong>in</strong>holen.3. Vorgesetzte sollten Beschäftigte - z.B. nach Rückkehr aus krankheitsbed<strong>in</strong>gter Abwesenheit - daraufh<strong>in</strong>weisen, dass sie bei fortgesetzter E<strong>in</strong>nahme von Medikamenten die Nebenwirkungen beachten sollen,um mögliche Gefährdungen am Arbeitsplatz o<strong>der</strong> auf dem Arbeitsweg zu vermeiden. Dabei soll auch dieMöglichkeit <strong>der</strong> betriebsärztlichen Beratung aufgezeigt werden.Abb. 6 Merkblatt zum Medikamentengebrauch am Arbeitsplatz


Kapitel 3 Intervention, Beratungs- <strong>und</strong> Hilfeangebote 473.2 Intervention bei Auffälligkeiten am Arbeitsplatz<strong>und</strong> HilfeangeboteGestufte Interventionen bilden quasi das Rückgrat betrieblicher Suchtpräventionsprogramme. Siebilden e<strong>in</strong>en fachlich abgestimmten Rahmen für e<strong>in</strong> angemessenes Vorgehen bei sucht- o<strong>der</strong> suchtmittelbed<strong>in</strong>gtenAuffälligkeiten am Arbeitsplatz. Der Stufenplan beschreibt das Verfahren gegenüberBeschäftigten, die ihre arbeits- o<strong>der</strong> dienstrechtlichen Verpflichtungen im Zusammenhang mit demGebrauch von Suchtmitteln o<strong>der</strong> suchtbed<strong>in</strong>gten Verhalten vernachlässigen o<strong>der</strong> dadurch Störungenim Arbeitsablauf o<strong>der</strong> im Arbeitsumfeld verursachen. Ziel ist es, die betroffenen Personen mit denAuffälligkeiten zu konfrontieren, ihnen deutlich zu machen, welche Än<strong>der</strong>ungen im Arbeitsverhaltenvon ihnen konkret erwartet werden. E<strong>in</strong>erseits sollen die möglichen Konsequenzen aufgezeigt werden,die sich aus e<strong>in</strong>em fortgesetzten Fehlverhalten zukünftig ergeben können, an<strong>der</strong>erseits sollen Hilfenangeboten <strong>und</strong> Perspektiven eröffnet werden, wenn sie Unterstützung brauchen. Es gehört zu denorig<strong>in</strong>ären Aufgaben <strong>der</strong> Personalverantwortlichen, <strong>und</strong> hier wie<strong>der</strong>um <strong>in</strong> erster L<strong>in</strong>ie <strong>der</strong> Vorgesetzten,die betroffenen Personen darauf anzusprechen, welche Verhaltensän<strong>der</strong>ung erwartet wird <strong>und</strong>welche Hilfe <strong>der</strong> Betrieb ihnen bietet, damit sie dieser Auffor<strong>der</strong>ung zukünftig nachkommen können.Das Interventionsverfahren nach dem Stufenplan kann als e<strong>in</strong> langjährig, erprobtes, im rechtlichenS<strong>in</strong>ne als arbeitswissenschaftlich gesichertes Verfahren angesehen werden, das sich zur Vorbeugung<strong>und</strong> Abwendung ges<strong>und</strong>heitlicher Gefährdungen <strong>und</strong> zur Verhütung e<strong>in</strong>er Verschlechterung des Ges<strong>und</strong>heitszustandsvon Beschäftigten durch riskanten o<strong>der</strong> schädigenden Substanzkonsum bewährthat.In den <strong>betrieblichen</strong> Konzepten <strong>der</strong> 70er- <strong>und</strong> 80er-Jahren setzten die Interventionen bei Symptomenvon Alkoholkrankheit an. Sie verstanden sich als betriebliche Suchtkrankenhilfe <strong>und</strong> "Teil <strong>der</strong> Therapiekette",d.h. des therapeutischen Behandlungssystems. Ziel war es, suchtgefährdete <strong>und</strong> vor allemsuchtkranke Beschäftigte unter E<strong>in</strong>satz von 'konstruktivem Druck' <strong>in</strong> das Beratungs- <strong>und</strong> Behandlungssysteme<strong>in</strong>zufädeln. Viele betriebliche Modelle s<strong>in</strong>d noch immer schwerpunktmäßig auf die Hilfebei Suchtproblemen ausgerichtet. Wenn es aber heißt, bei 'Anzeichen von Suchtgefährdung o<strong>der</strong>Suchterkrankung nach dem Stufenplan vorzugehen', <strong>in</strong>tervenieren Personalverantwortliche oft erstsehr spät. Der richtige Zeitpunkt sche<strong>in</strong>t erst erreicht zu se<strong>in</strong>, wenn die Krankheitssymptome e<strong>in</strong>deutighervortreten.Betriebliche Interventionen s<strong>in</strong>d nach heutigen Konzepten als Teil <strong>der</strong> Ges<strong>und</strong>heitsför<strong>der</strong>ung <strong>und</strong>Suchtprävention zu verstehen. Tatsächlich können <strong>und</strong> sollten die Interventionszeitpunkte deutlichfrüher gewählt werden. Schon bei ersten Auffälligkeiten <strong>in</strong> Verb<strong>in</strong>dung mit dem Gebrauch von Suchtmitteln,noch vor Vernachlässigung arbeitsvertraglicher Pflichten, z.B. bei wie<strong>der</strong>holt auftreten<strong>der</strong> Alkoholfahne,kann <strong>und</strong> sollte e<strong>in</strong> Fürsorgegespräch geführt werden. Im Falle e<strong>in</strong>es generellen Alkoholverbotsim Betrieb kann an gleicher Stelle bereits e<strong>in</strong> erstes Stufengespräch (Vier-Augen-Gespräch)angezeigt se<strong>in</strong>, weil arbeitsvertragliche Pflichten verletzt wurden, ebenso wie bei e<strong>in</strong>em Verstoß gegendie Arbeitssicherheit.


48Kapitel 3 Intervention, Beratungs- <strong>und</strong> HilfeangeboteAbb. 7 Intervention bei Auffälligkeiten durch riskanten Konsum o<strong>der</strong> riskantes VerhaltenDie konsequente Früh<strong>in</strong>tervention hat gegenüber dem traditionellen Konzept viele Vorteile: Erstensmacht es deutlich, dass riskanter Konsum o<strong>der</strong> riskantes Verhalten am Arbeitsplatz e<strong>in</strong> Problem darstellt<strong>und</strong> Punktnüchternheit deshalb e<strong>in</strong> wichtiges Pr<strong>in</strong>zip <strong>der</strong> Prävention ist; zweitens erleichtert dasVorgehen es den Vorgesetzten, konsequent <strong>und</strong> frühzeitig zu <strong>in</strong>tervenieren <strong>und</strong> m<strong>in</strong><strong>der</strong>t dadurch dieGefahr verwickelt zu werden <strong>und</strong> e<strong>in</strong> so genanntes Co-Verhalten zu entwickeln; drittens ermöglicht esden angesprochenen Mitarbeiter<strong>in</strong>nen <strong>und</strong> Mitarbeitern, das beanstandete Verhalten ohne "Gesichtsverlust"zu korrigieren <strong>und</strong> für sich <strong>und</strong> den Erhalt ihres Arbeitsplatzes Verantwortung zu übernehmen,d.h. den riskanten Konsum e<strong>in</strong>zustellen, sofern sie ihr Verhalten noch selbstständig steuern können;viertens eignet es sich nicht nur zur Verhaltenskorrektur bei riskantem Konsum, son<strong>der</strong>n es wird auchschneller sichtbar, wer trotz Ansprache das Risikoverhalten fortsetzt, was weitere Interventionen <strong>und</strong>möglicherweise Sanktionen, bzw. wenn gefährdet o<strong>der</strong> suchtkrank, an<strong>der</strong>e Formen <strong>der</strong> <strong>betrieblichen</strong>Hilfe notwendig macht. So lassen sich zum<strong>in</strong>dest teilweise langjährige Suchtkarrieren, wenn nichtvöllig vermeiden, so doch sehr viel früher unterbrechen.3.2.1 Das Interventionskonzept nach aktuellem Standard:Fürsorgegespräch, Klärungsgespräch <strong>und</strong> StufenplanAls Ergebnis <strong>der</strong> Auswertung <strong>der</strong> Erfahrungen mit Stufenplänen <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>betrieblichen</strong> Praxis <strong>und</strong> vielenBeratungen mit Fachleuten aus dem Bereich <strong>der</strong> <strong>betrieblichen</strong> Suchtprävention sowie Rechtsexpertenwurde für die Expertise e<strong>in</strong> erweitertes Interventionskonzept entwickelt, nach dem <strong>in</strong> verschiedenenBetrieben nun schon mehrere Jahre mit Erfolg verfahren wird.Der aktuelle Standard ist e<strong>in</strong> Stufenplan, <strong>der</strong>1. e<strong>in</strong>gebettet ist <strong>in</strong> e<strong>in</strong> erweitertes Interventionskonzept. Dieses sieht im S<strong>in</strong>ne <strong>der</strong> Früh<strong>in</strong>tervention<strong>und</strong> <strong>der</strong> Prävention von ges<strong>und</strong>heitlichen <strong>und</strong> sozialen Problemen als frühzeitig anzusetzendeGespräche e<strong>in</strong> Fürsorge- <strong>und</strong> e<strong>in</strong> Klärungsgespräch vor;


Kapitel 3 Intervention, Beratungs- <strong>und</strong> Hilfeangebote 492. die rechtlichen Anfor<strong>der</strong>ungen aus dem Arbeits- <strong>und</strong> Dienstrecht sowie aus <strong>der</strong> neueren Rechtssprechungberücksichtigt;3. im fortgeschrittenen Verfahren e<strong>in</strong>e <strong>in</strong>tensivere Fallbegleitung o<strong>der</strong> e<strong>in</strong> Case Management vorsieht.Abb. 8 Interventionsleitfaden mit Fürsorge-, Klärungs- <strong>und</strong> StufenplangesprächenStandard Der Stufenplan sollte e<strong>in</strong>gebettet se<strong>in</strong> <strong>in</strong> e<strong>in</strong> Interventionskonzept, das im S<strong>in</strong>ne <strong>der</strong> Früh<strong>in</strong>tervention<strong>und</strong> <strong>der</strong> Prävention von ges<strong>und</strong>heitlichen <strong>und</strong> sozialen Problemen zusätzlich e<strong>in</strong> Fürsorgegespräch<strong>und</strong>/o<strong>der</strong> Klärungsgespräch vorsieht. Fürsorge- <strong>und</strong> Klärungsgespräche s<strong>in</strong>d nicht Bestandteile des Stufenplans. Sie können zwar - jenach Lage des E<strong>in</strong>zelfalls - dem E<strong>in</strong>stieg <strong>in</strong> den Stufenplan vorausgehen, s<strong>in</strong>daber nicht zwangsläufig e<strong>in</strong>em Stufengespräch vorgeschaltet. Interventionskonzept <strong>und</strong> Stufenplan müssen die rechtlichen Anfor<strong>der</strong>ungen aus dem Arbeits- <strong>und</strong>Dienstrecht sowie <strong>der</strong> aktuellen Rechtsprechung berücksichtigen. Interventionskonzept <strong>und</strong> Stufenplan sollten <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er schriftlich fixierten Vere<strong>in</strong>barung zwischen<strong>der</strong> Betriebs-/Dienststellenleitung <strong>und</strong> <strong>der</strong> Personalvertretung festgehalten werden, möglichst imRahmen e<strong>in</strong>er Betriebs-/Dienstvere<strong>in</strong>barung (BV/DV).


50Kapitel 3 Intervention, Beratungs- <strong>und</strong> Hilfeangebote Um e<strong>in</strong>e flexible Anpassung von Interventionskonzept <strong>und</strong> Stufenplan an die sich verän<strong>der</strong>ndenrechtlichen o<strong>der</strong> fachlichen Vorgaben zu erleichtern, sollten Fürsorge-, Klärungs- <strong>und</strong> Stufengespräche<strong>in</strong> <strong>der</strong> BV/DV vere<strong>in</strong>bart werden, das Interventionskonzept o<strong>der</strong> die Handlungsanleitungaber als Anlage h<strong>in</strong>zugefügt werden. Die vorgesehenen Gespräche im Interventionskonzept <strong>und</strong> Stufenplan sollten konzeptionell abgestimmtse<strong>in</strong> mit den weiteren betrieblich vorgesehenen Führungsgesprächen, wie E<strong>in</strong>glie<strong>der</strong>ungsgespräche,Krankenrückkehr- <strong>und</strong> Fehlzeitengespräche, Kritikgespräche, Vorgesetzten-Mitarbeiter-Gespräche u.a. Das Interventionskonzept sollte im fortgeschrittenen Verfahren e<strong>in</strong>e <strong>in</strong>tensive Fallbegleitung o<strong>der</strong>e<strong>in</strong> Case Management vorsehen.BegründungszusammenhangInterventionen im Rahmen <strong>der</strong> <strong>betrieblichen</strong> Suchtprävention bedeuten, Beschäftigte schon früh beiges<strong>und</strong>heitlichen o<strong>der</strong> sozialen Problemen anzusprechen. Anlass <strong>der</strong> Intervention von Vorgesetztens<strong>in</strong>d Signale im Arbeits- <strong>und</strong> Leistungsverhalten von Beschäftigten, die Störungen im Arbeitsablaufo<strong>der</strong> e<strong>in</strong>e Verletzung arbeitsvertraglicher o<strong>der</strong> dienstrechtlicher Pflichten verursachen o<strong>der</strong> sich diesemittelfristig als Folge abzeichnen.Auffälligkeiten am Arbeitsplatz können sich z.B. zeigen,a) <strong>in</strong> <strong>der</strong> Arbeit <strong>und</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> Leistung: S<strong>in</strong>kende Arbeitsleistung, verzögerte Auftragserledigung, gestiegeneFehlerhäufigkeit, abnehmende Qualität <strong>der</strong> Arbeitsergebnisse u.a.;b) <strong>in</strong> An- <strong>und</strong> Abwesenheitszeiten: Gestiegene o<strong>der</strong> auffällige Fehlzeiten, Nichte<strong>in</strong>haltenvon Pausen, Bevorzugung von Arbeitszeiten mit ger<strong>in</strong>gerer sozialer Kontrolle, überlange Arbeitszeitenu.a.;c) im sozialen Verhalten gegenüber Vorgesetzten, Kollegen/<strong>in</strong>nen <strong>und</strong> K<strong>und</strong>en: Unzuverlässigkeit,zunehmende Stimmungswechsel, häufigere Konflikte im Umfeld, unangemesseneReaktionen, gesteigerte Empf<strong>in</strong>dlichkeit, Kreisen um sich selbst, Rückzug <strong>und</strong> zunehmendeIsolation u.a.;d) im Umgang mit <strong>der</strong> eigenen Ges<strong>und</strong>heit <strong>und</strong> dem eigenen Leben: Bagatellisierung ges<strong>und</strong>heitsriskantenVerhaltens, Fortsetzung des riskanten Verhaltens auch wenn sich ges<strong>und</strong>heitliche<strong>und</strong> soziale Probleme e<strong>in</strong>stellen, Ablehnung fachgerechter Hilfe <strong>und</strong> Behandlung u.a..Diese Auffälligkeiten können durch verschiedene Faktoren verursacht werden, etwa durch persönlicheLebenskrisen, Konflikte am Arbeitsplatz, riskanter o<strong>der</strong> schädigen<strong>der</strong> Suchtmittelkonsum o<strong>der</strong> suchtähnlicheVerhaltensweisen, psychische Bee<strong>in</strong>trächtigungen, Bef<strong>in</strong>dlichkeitsstörungen.Die Fürsorge von Personalverantwortlichen im Betrieb konzentriert sich darauf, durch frühzeitige Ansprache<strong>der</strong> Auffälligkeiten e<strong>in</strong>er Verfestigung o<strong>der</strong> Verstärkung <strong>der</strong> Probleme vorzubeugen, Wege zurHilfe durch <strong>in</strong>terne o<strong>der</strong> externe Beratung aufzuzeigen <strong>und</strong> die betroffenen Personen dar<strong>in</strong> zu bestärken,das beanstandete Verhalten zu korrigieren. In Stufengesprächen wird dies unter Umständen zweio<strong>der</strong> drei Mal wie<strong>der</strong>holt. Alle weiteren Schritte zur Verbesserung des ges<strong>und</strong>heitlichen o<strong>der</strong> sozialenWohlbef<strong>in</strong>dens liegen <strong>in</strong> <strong>der</strong> Verantwortung <strong>der</strong> angesprochenen Personen selbst. Auf ihren Wunschh<strong>in</strong> sollten sie allerd<strong>in</strong>gs auf weitere betriebliche Unterstützung (z.B. Beratung, Fallbegleitung) zurückgreifenkönnen.E<strong>in</strong> Fürsorge- o<strong>der</strong> Klärungsgespräch bietet sich dann an, wenn Auffälligkeiten festgestellt werden, beidenen e<strong>in</strong> Suchtmittelgebrauch o<strong>der</strong> suchtbed<strong>in</strong>gtes Verhalten nicht wahrsche<strong>in</strong>lich ist o<strong>der</strong> - noch -nicht festgestellt werden kann. Der E<strong>in</strong>stieg <strong>in</strong> den Stufenplan erfolgt, wie bisher, immer dann, wenndie Verletzung arbeitsvertraglicher o<strong>der</strong> dienstlicher Pflichten mit Substanzkonsum o<strong>der</strong> süchtigemVerhalten <strong>in</strong> Verb<strong>in</strong>dung gebracht werden muss. (Interventionskonzept siehe Anlage 1 + 2)


Kapitel 3 Intervention, Beratungs- <strong>und</strong> Hilfeangebote 51FürsorgegesprächHat e<strong>in</strong>e Beschäftigte / e<strong>in</strong> Beschäftigter persönliche, ges<strong>und</strong>heitliche o<strong>der</strong> soziale Probleme, dieam Arbeitsplatz sichtbar werden <strong>und</strong> bei Fortsetzung des Verhaltens die Vernachlässigung arbeitsvertraglichero<strong>der</strong> dienstrechtlicher Pflichten erwarten lassen, führt <strong>der</strong>/die unmittelbare Vorgesetztemit <strong>der</strong>/dem Beschäftigten e<strong>in</strong> vertrauliches Gespräch. Im Gespräch wird alle<strong>in</strong> die Fürsorgezum Ausdruck gebracht <strong>und</strong> soziale Unterstützung angeboten.Das Fürsorgegespräch gehört zur ges<strong>und</strong>heitsorientierten Führung <strong>und</strong> soll <strong>der</strong> Verfestigung e<strong>in</strong>erSituation vorbeugen. Ziel ist es, <strong>der</strong> betroffenen Person frühzeitig zu signalisieren, dass sie Unterstützungvon Seiten des Arbeitgebers bzw. von <strong>der</strong> Führungskraft erwarten kann, wenn er/sie dieswünscht. Das Fürsorgegespräch ist nicht Bestandteil des Stufenplans <strong>und</strong> hat ke<strong>in</strong>en diszipl<strong>in</strong>arischenCharakter.KlärungsgesprächDas Klärungsgespräch setzt die - wie<strong>der</strong>holte - Vernachlässigung arbeitsvertraglicher o<strong>der</strong> dienstlicherPflichten <strong>und</strong>/o<strong>der</strong> Störungen im Arbeitszusammenhang voraus. Ziel des Klärungsgesprächsist es, e<strong>in</strong>e Rückmeldung zu den Auffälligkeiten zu geben, die Erwartungen an das zukünftigeVerhalten zu benennen <strong>und</strong> konkrete Schritte zu vere<strong>in</strong>baren sowie Beratungs- <strong>und</strong> Unterstützungsangeboteaufzuzeigen. Das Klärungsgespräch ist nicht Bestandteil des Stufenplans.Im Klärungsgespräch werden die konkreten Fakten (Zeit, Ort, Vorfall) aufgezeigt. Es wird die Besorgnisausgedrückt, dass <strong>der</strong>/die Beschäftigte Probleme hat, die sich auf das Arbeits- <strong>und</strong> Leistungsverhaltenauswirken <strong>und</strong>/o<strong>der</strong> Störungen am Arbeitsplatz verursachen. Die konkreten Erwartungendes/<strong>der</strong> Vorgesetzten an das weitere Arbeitsverhalten werden benannt <strong>und</strong> konkreteSchritte vere<strong>in</strong>bart.Bestandteil des Klärungsgesprächs ist <strong>der</strong> H<strong>in</strong>weis auf <strong>in</strong>nerbetriebliche Hilfeangebote <strong>und</strong>/o<strong>der</strong>externe Beratungsmöglichkeiten für die von dem/<strong>der</strong> Beschäftigten genannten Problem- <strong>und</strong> Ursachenbereiche.E<strong>in</strong> Ergebnis können auch konkretere H<strong>in</strong>weise auf Schwierigkeiten im Umgangmit Suchtmitteln se<strong>in</strong>.Es wird e<strong>in</strong> Rückmeldegespräch <strong>in</strong> ca. 6-8 Wochen vere<strong>in</strong>bart, um sich über die weitere Entwicklungdes Verhaltens auszutauschen. Der/die Vorgesetzte fertigt e<strong>in</strong>e Gesprächsnotiz an, diedem/<strong>der</strong> Beschäftigten ausgehändigt wird.StufenplanStufenplangespräche setzen immer dort an, wo e<strong>in</strong> Verstoß gegen arbeitsvertragliche bzw.dienstliche Pflichten o<strong>der</strong> <strong>der</strong>en Vernachlässigung mit dem Gebrauch von Alkohol, Drogen o<strong>der</strong>Medikamenten bzw. mit suchtbed<strong>in</strong>gten, nicht zwangsläufig substanzbezogenen, Verhaltensweisenverb<strong>und</strong>en ist.Liegen <strong>der</strong>/dem unmittelbaren Vorgesetzten bei Auffälligkeiten von Beschäftigten am ArbeitsplatzH<strong>in</strong>weise auf e<strong>in</strong>en riskanten Suchtmittelgebrauch o<strong>der</strong> suchtbed<strong>in</strong>gtes Verhalten vor, so ist <strong>und</strong>bleibt es auch nach dem neuen Interventionskonzept e<strong>in</strong>deutig ihre/se<strong>in</strong>e Aufgabe, e<strong>in</strong> Gespräch<strong>der</strong> ersten Stufe nach dem Stufenplan anzusetzen. Ziel des Gesprächs ist es, das auffällige Verhaltenzu korrigieren <strong>und</strong> - wenn nötig - dazu auf fachliche Hilfe zurückzugreifen. Dazu werdenWege <strong>in</strong> die <strong>in</strong>terne <strong>und</strong>/o<strong>der</strong> externe Beratung aufgezeigt. Die weitere Entwicklung hängt danndavon ab, ob die angesprochene Person bereit <strong>und</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> Lage ist, das auffällige Verhalten abzustellen.Wenn ke<strong>in</strong>e positive Verän<strong>der</strong>ung e<strong>in</strong>tritt, folgen weitere Stufengespräche entsprechenddes Verfahrens.In den letzten 20 Jahren s<strong>in</strong>d im <strong>betrieblichen</strong> Personalmanagement neue Leitbil<strong>der</strong> <strong>und</strong> Führungsleitl<strong>in</strong>ienentstanden sowie weitere Gesprächs- <strong>und</strong> Interventionskonzepte e<strong>in</strong>geführt worden. Unter an<strong>der</strong>enwerden heute verbreitet verb<strong>in</strong>dliche Mitarbeitergespräche, Jahresgespräche, Ziel- <strong>und</strong> Ent-


52Kapitel 3 Intervention, Beratungs- <strong>und</strong> Hilfeangebotewicklungsgespräche, Krankenrückkehr- <strong>und</strong> Wie<strong>der</strong>e<strong>in</strong>glie<strong>der</strong>ungsgespräche, Fehlzeitengesprächeangeboten <strong>und</strong> e<strong>in</strong> E<strong>in</strong>glie<strong>der</strong>ungsmanagement nach §84,2 SGB IX durchgeführt. Es ist deshalb wichtigerdenn je, das hier vorgestellte Interventionskonzept <strong>der</strong> <strong>betrieblichen</strong> Suchtprävention <strong>in</strong> Zusammenarbeitmit den jeweils Verantwortlichen für die an<strong>der</strong>en Gesprächskonzepte abzustimmen <strong>und</strong> mitden <strong>betrieblichen</strong> Gesprächsrout<strong>in</strong>en <strong>in</strong> E<strong>in</strong>klang zu br<strong>in</strong>gen.Arbeitsschritte Erarbeitung o<strong>der</strong> Überarbeitung <strong>und</strong> Abstimmung des Interventionskonzeptes nach den aktuellenfachlichen <strong>und</strong> rechtlichen Standards durch den Arbeitskreis/die Steuerungsgruppe bzw. mit demArbeitgeber <strong>und</strong> <strong>der</strong> Personalvertretung. E<strong>in</strong>beziehung <strong>der</strong> Erfahrungen <strong>der</strong> Führungskräfte mit dem bisherigen Stufenverfahren <strong>in</strong> die Erarbeitung,da das Interventionskonzept vorrangig Vorgesetzte <strong>in</strong> Verantwortung nimmt. Erarbeitung e<strong>in</strong>er Handlungsanleitung für Vorgesetzte, die die Aufgabe haben Fürsorge-, Klärungs-<strong>und</strong>/o<strong>der</strong> Interventionsgespräche zu führen. Abstimmung des Interventionskonzeptes zur Suchtprävention <strong>und</strong> Suchthilfe mit den Verantwortlichenfür an<strong>der</strong>e Gesprächskonzepte im Betrieb, <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e mit dem Personalwesen <strong>und</strong> / o<strong>der</strong><strong>der</strong> Personalentwicklung.Literatur <strong>und</strong> MaterialienDHS Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen e.V. (Hrsg.)(2008) Substanzbezogene Störungen am Arbeitsplatz.Text: U.Pegel-Rimpl. 5. Aufl. Hamm. www.dhs.deFleck, J. (2004) Gutachten: Rechtliche Aspekte zum Interventionsleitfaden <strong>und</strong> Stufenplan<strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>betrieblichen</strong> Suchtprävention. Berl<strong>in</strong>.Graefe, B. (2000) Juristische Rahmenbed<strong>in</strong>gungen im Umgang mit Suchtproblemen <strong>in</strong> <strong>der</strong>Arbeitswelt. In: Schumann, Günter (Hrsg.). Stand <strong>und</strong> Perspektive betrieblicher Suchtprävention <strong>und</strong> Suchthilfe.Oldenburg: BIS Universität Oldenburg.Rahmenempfehlung (2006) Suchtprävention <strong>und</strong> Suchthilfe <strong>in</strong> <strong>der</strong> nie<strong>der</strong>sächsischen Landesverwaltung. Nie<strong>der</strong>sächsischesM<strong>in</strong>isterium für Soziales, Frauen, Familie <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heit. Hannover. www.ms.nie<strong>der</strong>sachsen.de >Themen > Ges<strong>und</strong>heit > Drogen & SuchtSchumann, G. (2004) Ges<strong>und</strong>heitsför<strong>der</strong>liches Führungsverhalten <strong>und</strong> lösungsorientierte Interventionen am Arbeitsplatz.Oldenburg: BIS Universität Oldenburg.Schwandt, E.-A. (2001) Alkoholismus, die beamtenrechtliche Pflicht gegen die Sucht anzukämpfen,<strong>und</strong> <strong>der</strong> Führungsauftrag des Dienstvorgesetzten. Diskussionsbeitrag zur Jahrestagung <strong>der</strong>B<strong>und</strong>esarbeitsgeme<strong>in</strong>schaft Suchtprävention <strong>in</strong> <strong>der</strong> Polizei am 08.05.2001 <strong>in</strong> We<strong>in</strong>böhla/Dresden3.2.2 Rechtliche Anfor<strong>der</strong>ungen an Interventionsleitfaden <strong>und</strong> StufenplanDie rechtlichen Fragen im Kontext <strong>der</strong> <strong>betrieblichen</strong> Suchtprävention s<strong>in</strong>d vielfältig <strong>und</strong> mit erheblichenKonsequenzen für das Arbeitsverhältnis <strong>und</strong> die Persönlichkeitsrechte <strong>der</strong> Beschäftigten verb<strong>und</strong>en.Umso wichtiger ist es, die E<strong>in</strong>haltung <strong>der</strong> Gr<strong>und</strong> legenden rechtlichen Standards <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>betrieblichen</strong>Suchtprävention sicherzustellen, <strong>und</strong> umso schwerer wiegen Verstöße gegen f<strong>und</strong>amentale Rechtspr<strong>in</strong>zipienim Namen <strong>der</strong> Suchtprävention <strong>und</strong> Suchthilfe.Aus Sicht <strong>der</strong> <strong>betrieblichen</strong> Suchtprävention ist die Intervention bei ges<strong>und</strong>heitlichen <strong>und</strong>/o<strong>der</strong> sozialenAuffälligkeiten am Arbeitsplatz e<strong>in</strong> Teil <strong>der</strong> Fürsorgepflicht um weiterer Gefährdung entgegenzutreten.Sie ist - rechtlich gesehen - aber auch e<strong>in</strong> E<strong>in</strong>griff <strong>in</strong> die Intimsphäre <strong>der</strong> Beschäftigten. Für diepräventive Arbeit im Betrieb ergibt sich daraus e<strong>in</strong> Dilemma: e<strong>in</strong>erseits sollen im S<strong>in</strong>ne ges<strong>und</strong>heitsorientierterFührung Auffälligkeiten möglichst frühzeitig angesprochen werden, an<strong>der</strong>erseits muss <strong>der</strong>Persönlichkeitsschutz gewahrt bleiben. Alle<strong>in</strong> die Sorge um die Ges<strong>und</strong>heit e<strong>in</strong>er/e<strong>in</strong>es Beschäftigten


Kapitel 3 Intervention, Beratungs- <strong>und</strong> Hilfeangebote 53reicht nicht aus, um aus <strong>der</strong> Rolle des /<strong>der</strong> Vorgesetzten heraus zu <strong>in</strong>tervenieren, geschweige dennVerhaltensän<strong>der</strong>ungen zu for<strong>der</strong>n o<strong>der</strong> konstruktiven Druck auszuüben.Rechtliche Anfor<strong>der</strong>ungen s<strong>in</strong>d im E<strong>in</strong>zelnen vor allem zu beachten bei<strong>der</strong> Führung ges<strong>und</strong>heitsbezogener Gespräche durch Personalverantwortliche,den Anlässen für e<strong>in</strong>e betriebliche Intervention,dem Persönlichkeitsschutz <strong>in</strong> Stufengesprächen,den Hilfeangeboten, Auflagen <strong>und</strong> Sanktionen <strong>in</strong> Verb<strong>in</strong>dung mitStufenplangesprächen,dem Vorrang übergeordneter Rechte, z.B. Kündigungsschutz,<strong>der</strong> Berücksichtigung <strong>der</strong> dienstrechtlichen Voraussetzungen für Beamte.Standard Der Schutz <strong>der</strong> Persönlichkeit muss <strong>in</strong> <strong>der</strong> Suchtprävention <strong>und</strong> Suchthilfe im Betrieb je<strong>der</strong>zeitbeachtet werden <strong>und</strong> die E<strong>in</strong>haltung <strong>der</strong> Rechte <strong>in</strong> jedem Fall gewährleistet bleiben. Bei <strong>der</strong> Erstellung o<strong>der</strong> Überarbeitung von Interventionsleitfäden <strong>und</strong> Stufenplänen sollte daraufgeachtet werden, dass <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e Interventionsanlässe, Hilfeangebote <strong>und</strong> Sanktionen dengesetzlichen Anfor<strong>der</strong>ungen entsprechen <strong>und</strong> die e<strong>in</strong>schlägige Rechtssprechung angemessen berücksichtigen. Betriebe sollten sich zu den aktuellen rechtlichen Standards beraten lassen. Interne <strong>und</strong> externe Fachkräfte sowie Akteure <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>betrieblichen</strong> Suchtprävention <strong>und</strong> <strong>der</strong> Suchtkrankenhilfesollten sich fortlaufend dazu <strong>in</strong>formieren <strong>und</strong> weiterbilden. Das gilt <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e fürdie Personen, die als Expert<strong>in</strong>nen o<strong>der</strong> Experten Betriebe beraten o<strong>der</strong> betriebliche Ansprechpersonenfür Suchtfragen ausbilden.BegründungszusammenhangFolgende rechtliche Aspekte legen die Verän<strong>der</strong>ung vieler bestehen<strong>der</strong>Interventionskonzepte nahe:E<strong>in</strong>e Intervention bei Auffälligkeiten am Arbeitsplatz darf durch Personalverantwortliche nur erfolgen,wenn• e<strong>in</strong>e Vernachlässigung arbeitsvertraglicher o<strong>der</strong> dienstlicher Pflichten (Haupt- <strong>und</strong> Nebenpflichten)vorliegt o<strong>der</strong> konkret absehbar ist;• Störungen im Arbeitsablauf <strong>und</strong>/o<strong>der</strong> im Arbeitsumfeld verursacht werden;• davon auszugehen ist, dass arbeitsbed<strong>in</strong>gte Faktoren mit verursachend se<strong>in</strong> könnten bei <strong>der</strong> Entstehung<strong>der</strong> Problemen, die den Auffälligkeiten zugr<strong>und</strong>e liegen.E<strong>in</strong>e Intervention nach Stufenplan sollte immer dann erfolgen, wenn• die festgestellten Auffälligkeiten <strong>in</strong> Verb<strong>in</strong>dung mit dem Gebrauch von Substanzen o<strong>der</strong> suchtbed<strong>in</strong>gtemVerhalten stehen.Rechtlich gilt jede Erkrankung bei Tarifbeschäftigten gr<strong>und</strong>sätzlich als Privatsache <strong>und</strong> es besteht dasRecht auf freie Arzt- <strong>und</strong> Behandlungswahl. Die mit Sanktionen belegte Auflage, e<strong>in</strong>e von betrieblicherSeite vorgegebene Beratung aufzusuchen o<strong>der</strong> sogar e<strong>in</strong>e Therapie anzutreten, verstößt gegen diesesRecht. (Bei Beamten ist die rechtliche Gr<strong>und</strong>lage e<strong>in</strong>e an<strong>der</strong>e, siehe 3.2.3) Die Auffor<strong>der</strong>ung, e<strong>in</strong>eBeratungsstelle o<strong>der</strong> Therapiee<strong>in</strong>richtung aufzusuchen, muss deshalb immer deutlich als Hilfeangebotgekennzeichnet werden. Im fortgeschrittenen Stufenplan kann das Aufsuchen von Beratung sogar mit


54Kapitel 3 Intervention, Beratungs- <strong>und</strong> HilfeangeboteNachdruck empfohlen werden. Allerd<strong>in</strong>gs ist <strong>in</strong> beiden Fällen zu berücksichtigen, dass die Nichtannahmedieses Hilfeangebots nach geltendem Recht diszipl<strong>in</strong>arisch nicht zu beanstanden ist. Das gleichegilt für die Teilnahme an e<strong>in</strong>er Selbsthilfegruppe, denn sie gehört zum privaten Lebensbereich vonBeschäftigten. Die Nichtteilnahme an <strong>der</strong> Selbsthilfegruppe entgegen <strong>der</strong> <strong>betrieblichen</strong> Auflage, so dieRechtsprechung, rechtfertigt ke<strong>in</strong>e arbeitsrechtlichen Konsequenzen. Sanktioniert werden können nurdie erneuten o<strong>der</strong> fortgesetzten Verstöße gegen arbeitsvertragliche Pflichten.Solange die Auflage, e<strong>in</strong>e Beratungsstelle aufzusuchen, nicht unmittelbar aus arbeitsvertraglichenVerpflichtungen abgeleitet werden kann, besteht auch ke<strong>in</strong>e Handhabe, e<strong>in</strong>en Nachweis für das Aufsuchen<strong>der</strong> Beratungse<strong>in</strong>richtung zu verlangen. (Bei Beamten lassen sich aus dem Dienstrecht allerd<strong>in</strong>gsweitergehende Pflichten ableiten, siehe 3.2.3). Der Arbeitgeber kann Arbeitnehmern auch nichtdie Auflage machen, sich bei e<strong>in</strong>er <strong>in</strong>ternen E<strong>in</strong>richtung beraten zu lassen. Er kann sie allerd<strong>in</strong>gs verb<strong>in</strong>dlichauffor<strong>der</strong>n, sich im S<strong>in</strong>ne des erweiterten Arbeitsschutzes zur Abwendung ges<strong>und</strong>heitlicherGefährdungen durch <strong>in</strong>terne Beratungskräfte o<strong>der</strong> Ansprechpersonen über Risiken des Substanzkonsumso<strong>der</strong> suchtbed<strong>in</strong>gten Verhaltens für Arbeit <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heit sowie über Beratungsangebote <strong>in</strong>formierenzu lassen.Auflagen, die <strong>in</strong> den Stufengesprächen gemacht werden, müssen unmittelbar <strong>in</strong> Zusammenhang mitdem Dienst- o<strong>der</strong> Arbeitsverhältnis stehen o<strong>der</strong> im Weisungsrecht des Arbeitgebers liegen. Dazu kannauch e<strong>in</strong> <strong>in</strong>dividuelles Alkohol- o<strong>der</strong> Drogenkonsumverbot zählen, sofern es als Zusatz zum Arbeitsvertragvere<strong>in</strong>bart wird.E<strong>in</strong> Gespräch nach dem Interventionsleitfaden ist e<strong>in</strong> Gespräch zwischen Arbeitgeber <strong>und</strong> dem/<strong>der</strong>Beschäftigten im Rahmen des bestehenden Arbeitsvertrags. Es unterliegt damit dem beson<strong>der</strong>enPersönlichkeits- <strong>und</strong> Vertrauensschutz. Dies gilt <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e für das Stufengespräch, das zunächste<strong>in</strong> Hilfe-, aber auch e<strong>in</strong> Diszipl<strong>in</strong>argespräch ist. Weitere Personen, wie Betriebs-/Personalräte,Schwerbeh<strong>in</strong><strong>der</strong>tenvertretung, Gleichstellungsbeauftragte dürfen deshalb nur mit E<strong>in</strong>verständnis <strong>der</strong>betroffenen Person am Stufengespräch teilnehmen. Das gilt <strong>in</strong> gleicher Weise auch für <strong>in</strong>terne o<strong>der</strong>externe Beratungspersonen <strong>in</strong> <strong>der</strong> Sucht- o<strong>der</strong> Sozialberatung. Auch mit ihrer Teilnahme am Gesprächmuss <strong>der</strong> Mitarbeiter / die Mitarbeiter<strong>in</strong> sich e<strong>in</strong>verstanden erklären, ausgenommen sie werdenals Vertretung des Arbeitgebers h<strong>in</strong>zugezogen. Der/die Beschäftigte kann jedoch e<strong>in</strong>e Person ihresVertrauens aus dem Betrieb zum Gespräch mitbr<strong>in</strong>gen. Personen aus dem weiteren Umfeld, z.B. Kollegeno<strong>der</strong> Familienangehörige, sollten <strong>in</strong> ke<strong>in</strong>em Fall zu Stufengesprächen h<strong>in</strong>zugezogen werden.Der/dem betroffenen Beschäftigten können allerd<strong>in</strong>gs geme<strong>in</strong>same Beratungsgespräche mit e<strong>in</strong>emerweiterten Personenkreis angeboten werden, um auf Wunsch das soziale Umfeld mit e<strong>in</strong>zubeziehen.E<strong>in</strong>e <strong>in</strong>tensive Fallbegleitung, wie sie das neue Interventionskonzept ab <strong>der</strong> dritten Stufe des Stufenplansals Angebot vorsieht, <strong>und</strong> e<strong>in</strong>e Fallabstimmung mit an<strong>der</strong>en Beteiligten aus dem Betrieb bedarfimmer <strong>der</strong> E<strong>in</strong>willigung durch die/den betroffene/n Beschäftigte/n. Auch Kontakte während e<strong>in</strong>er stationärenTherapie durch Beauftragte des Betriebes o<strong>der</strong> Personen des kollegialen Umfeldes s<strong>in</strong>d nurmit E<strong>in</strong>verständnis <strong>der</strong> betroffenen Person zulässig.Übergeordnete Rechtsvorschriften müssen bei <strong>der</strong> Formulierung des Interventionsleitfadens <strong>und</strong> Stufenplans<strong>in</strong> jedem Fall berücksichtigt werden. E<strong>in</strong>e Betriebs- o<strong>der</strong> Dienstvere<strong>in</strong>barung kann diese nichtaußer Kraft setzen. Insofern verstößt die Formulierung „...wird die Kündigung ausgesprochen" <strong>in</strong> <strong>der</strong>letzten Stufe des Stufenplans gegen dieses Pr<strong>in</strong>zip. Das Kündigungsschutzgesetz erfor<strong>der</strong>t bei Kündigungenimmer e<strong>in</strong>e Prüfung <strong>der</strong> sozialen Angemessenheit im E<strong>in</strong>zelfall. Deshalb kann im Stufenplannur vorgegeben werden, dass "das Kündigungsverfahren e<strong>in</strong>geleitet wird" o<strong>der</strong> „...die Möglichkeit <strong>der</strong>Kündigung geprüft wird".Arbeitsschritte E<strong>in</strong>e dr<strong>in</strong>gende Überprüfung <strong>der</strong> rechtlichen Korrektheit <strong>und</strong> Angemessenheit <strong>der</strong> Regelungensowie des aktuellen fachlichen Standards <strong>in</strong> bestehenden Stufenplänen. Anpassung o<strong>der</strong> Überarbeitung <strong>der</strong> bestehenden Interventionsgr<strong>und</strong>lagen (Stufenpläne, Handlungsanleitungen).


Kapitel 3 Intervention, Beratungs- <strong>und</strong> Hilfeangebote 55 Planung von Qualifizierungs- <strong>und</strong> Weiterbildungsangeboten, Refresh<strong>in</strong>g-Sem<strong>in</strong>are für Ansprechpersonen<strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>betrieblichen</strong> Suchtprävention <strong>und</strong> Suchthilfe, für Personalverantwortliche <strong>und</strong> Interessenvertretungenzu den rechtlichen Standards für Interventionen nach Interventionsleitfaden<strong>und</strong> Stufenplan.Literatur <strong>und</strong> MaterialienDHS Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen e.V. (Hrsg.)(2008) Substanzbezogene Störungen am Arbeitsplatz.Text: U.Pegel-Rimpl. 5. Aufl. Hamm. www.dhs.deFleck, Jürgen (2004) Gutachten: Rechtliche Aspekte zum Interventionsleitfaden <strong>und</strong> Stufenplan<strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>betrieblichen</strong> Suchtprävention. Berl<strong>in</strong>.Künzl, R. / Oberlan<strong>der</strong>, T. (2005) Sucht <strong>und</strong> Prävention im Betrieb. Alkohol, Drogen, Medikamente <strong>und</strong> Tabak. In:Arbeit <strong>und</strong> Arbeitsrecht. 60.Jahrg. Son<strong>der</strong>ausgabe. Berl<strong>in</strong>: Hussmedien.Rahmenempfehlung (2006) Suchtprävention <strong>und</strong> Suchthilfe <strong>in</strong> <strong>der</strong> nie<strong>der</strong>sächsischen Landesverwaltung. Nie<strong>der</strong>sächsischesM<strong>in</strong>isterium für Soziales, Frauen, Familie <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heit. Hannover. www.ms.nie<strong>der</strong>sachsen.de >Themen > Ges<strong>und</strong>heit > Drogen & SuchtSchwandt, E.-A. (2001) Alkoholismus, die beamtenrechtliche Pflicht gegen die Sucht anzukämpfen, <strong>und</strong> <strong>der</strong> Führungsauftragdes Dienstvorgesetzten. Diskussionsbeitrag zur Jahrestagung <strong>der</strong> B<strong>und</strong>esarbeitsgeme<strong>in</strong>schaftSuchtprävention <strong>in</strong> <strong>der</strong> Polizei am 08.05.2001 <strong>in</strong> We<strong>in</strong>böhla/Dresden3.2.3 Beson<strong>der</strong>heiten des BeamtenrechtsFür Beamte ergeben sich aus dem Dienstverhältnis beson<strong>der</strong>e Pflichten, die von den arbeitsrechtlichenVerpflichtungen erheblich abweichen.So haben Beamte e<strong>in</strong>e dienstrechtlich begründete Pflicht, zur Erhaltung ihrer Ges<strong>und</strong>heit beizutragen.Daraus leitet sich u.a. ab, dass Beamte - an<strong>der</strong>s als Arbeiter <strong>und</strong> Angestellte - durchaus vom Dienstherrnaufgefor<strong>der</strong>t werden können, sich <strong>in</strong> Beratung <strong>und</strong> <strong>in</strong> Behandlung zu begeben <strong>und</strong> darüber auchNachweise zu erbr<strong>in</strong>gen.Verstöße gegen diese Pflicht können denn auch diszipl<strong>in</strong>arisch belangt werden. Für beamtete Personen,die aufgr<strong>und</strong> e<strong>in</strong>er Suchterkrankung <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Entwöhnungstherapie waren, gilt z.B. die Annahme,dass e<strong>in</strong>e Wie<strong>der</strong>aufnahme des Suchtmittelkonsums als selbstverschuldeter Rückfall, <strong>und</strong> damit alsVerstoß gegen dienstrechtliche Pflichten zu werten ist. Die Person hat <strong>in</strong> <strong>der</strong> Therapie gelernt, so dieBegründung, dass nur Abst<strong>in</strong>enz die Krankheit zum Stillstand br<strong>in</strong>gen kann. Die diszipl<strong>in</strong>argerichtlichfür e<strong>in</strong>en Rückfall verhängten Sanktionen gehen bis zur Aberkennung <strong>der</strong> Ruhestandbezüge.In den <strong>betrieblichen</strong> Interventionskonzepten <strong>und</strong> Stufenplänen s<strong>in</strong>d die spezifischen Vorschriften desB<strong>und</strong>esdiszipl<strong>in</strong>argesetzes für B<strong>und</strong>esbeamte sowie die Landesdiszipl<strong>in</strong>argesetze bzw. Landesdiszipl<strong>in</strong>arordnungenfür Landesbeamte ebenfalls zu berücksichtigen. Diese Vorschriften s<strong>in</strong>d übergeordnetesRecht <strong>und</strong> dürfen durch Dienstvere<strong>in</strong>barungen nicht e<strong>in</strong>geschränkt werden.Nach dem Legalitätspr<strong>in</strong>zip ist bei Beamten e<strong>in</strong> Diszipl<strong>in</strong>arverfahren zw<strong>in</strong>gend e<strong>in</strong>zuleiten, sobaldausreichend Anhaltspunkte bekannt werden, die den Verdacht e<strong>in</strong>es Dienstvergehens begründen.Diese Regelung erschwert e<strong>in</strong>e Berücksichtigung <strong>der</strong> Beson<strong>der</strong>heiten betrieblicher Interventionen beiSuchtmittelauffälligkeiten. Der E<strong>in</strong>stieg <strong>in</strong> den Stufenplan sieht z.B. e<strong>in</strong> Vier-Augen-Gespräch mitdem/<strong>der</strong> unmittelbaren Vorgesetzten vor, das ohne diszipl<strong>in</strong>arische Konsequenzen bleiben soll, währendbei e<strong>in</strong>em Verstoß gegen dienstrechtliche Pflichten bereits e<strong>in</strong>e Vorermittlung zum Diszipl<strong>in</strong>arverfahrene<strong>in</strong>geleitet werden müsste. Auch darf <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Stufenplan das Vorgehen im Diszipl<strong>in</strong>arverfahrennicht generalisiert werden, son<strong>der</strong>n ist nach dem Opportunitätspr<strong>in</strong>zip <strong>in</strong> jedem E<strong>in</strong>zelfall ganz<strong>in</strong>dividuell <strong>und</strong> im pflichtgemäßen Ermessen <strong>der</strong>/des Dienstvorgesetzten zu entscheiden. Der Stufenplankann dieser/diesem lediglich Anhaltspunkte für das Handeln bei Auffälligkeiten geben <strong>und</strong> H<strong>in</strong>weisezur Berücksichtigung des Gleichbehandlungsgr<strong>und</strong>satzes liefern.


56Kapitel 3 Intervention, Beratungs- <strong>und</strong> HilfeangeboteStandard Beamte sollten über die beson<strong>der</strong>en Pflichten, die aus dem Dienstverhältnis entstehen im Rahmen<strong>der</strong> <strong>betrieblichen</strong> Suchtprävention umfassend <strong>in</strong>formiert werden. Im öffentlichen Dienst müssen die Beson<strong>der</strong>heiten des Beamtenrechts bei <strong>der</strong> Formulierung desInterventionskonzepts <strong>und</strong> des Stufenplans beachtet werden. Insbeson<strong>der</strong>e sollte die Gleichbehandlung <strong>der</strong> Beamten unter Berücksichtigung <strong>der</strong> Beson<strong>der</strong>heitenaus dem Dienstrecht gewährleistet werden. Die Regelungen sollten so abgefasst se<strong>in</strong>, dass sichergestellt werden kann, dass auch Beamtene<strong>in</strong> sachlich angemessenes Hilfeangebot bei suchtmittelbed<strong>in</strong>gten Auffälligkeiten am Arbeitsplatzerhalten. Die Hilfe darf nicht unnötigerweise herausgezögert werden, weil Führungskräfte befürchten,den diszipl<strong>in</strong>arischen Weg zu früh beschreiten zu müssen. Im öffentlichen Dienst soll im Rahmen <strong>der</strong> <strong>betrieblichen</strong> Suchtprävention auch über die Beson<strong>der</strong>heiten<strong>der</strong> E<strong>in</strong>leitung <strong>und</strong> F<strong>in</strong>anzierung e<strong>in</strong>er Entwöhnungstherapie für Beamte <strong>in</strong>formiert werden.BegründungszusammenhangBei <strong>der</strong> gestuften Vorgehensweise gelten für Beamte an<strong>der</strong>e Regelungen als für tarifbeschäftigte. DasVorgehen bei Auffälligkeiten liegt rechtlich alle<strong>in</strong> im Ermessen <strong>der</strong>/des Dienstvorgesetzten. Diese/rkann sich bei Entscheidungen <strong>und</strong> dem Vorgehen an dem vere<strong>in</strong>barten Stufenplan orientieren <strong>und</strong>darüber die Gleichbehandlung <strong>der</strong> Beschäftigten sicherstellen.Für die abschließende diszipl<strong>in</strong>arrechtliche Bewertung e<strong>in</strong>es Dienstvergehens ist neben den jeweiligenPflichtverletzungen auch das Persönlichkeitsbild des Beamten von erheblicher Bedeutung. Diesalle<strong>in</strong> bewirkt e<strong>in</strong>e differenzierte Beurteilung, die wie<strong>der</strong>um Abweichungen vom Stufenplan rechtfertigenkann.Da <strong>der</strong> Stufenplan ke<strong>in</strong>e diszipl<strong>in</strong>arischen Konsequenzen gegenüber Beamten regeln kann, ist esauch rechtlich nicht möglich zu bestimmen, dass nach e<strong>in</strong>em Stufengespräch bei positiver Verhaltensän<strong>der</strong>ung"ke<strong>in</strong>e weiteren Folgen" entstehen. Auch die E<strong>in</strong>stellung e<strong>in</strong>es Verfahrens liegt alle<strong>in</strong> <strong>in</strong><strong>der</strong> Entscheidung des o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Dienstvorgesetzten.Da die rechtlichen Rahmenbed<strong>in</strong>gungen für das Vorgehen bei sucht(mittel)bed<strong>in</strong>gten Auffälligkeitenjeweils durch die Diszipl<strong>in</strong>argesetze <strong>und</strong> -verordnungen des B<strong>und</strong>es- bzw. <strong>der</strong> Län<strong>der</strong> vorgegebenwerden, empfiehlt es sich, den Stufenplan an den arbeitsrechtlichen Gr<strong>und</strong>sätzen <strong>und</strong> Auffassungenauszurichten <strong>und</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> Dienstvere<strong>in</strong>barung gr<strong>und</strong>sätzlich anzumerken, dass "die jeweiligen Maßnahmenauch für Beamt<strong>in</strong>nen <strong>und</strong> Beamte gelten, soweit sich nicht aus dem Beamten- o<strong>der</strong> Diszipl<strong>in</strong>arrechtBeson<strong>der</strong>heiten ergeben".Arbeitsschritte Überprüfung <strong>der</strong> auf die Beamten bezogenen Regelungen <strong>in</strong> bestehenden Stufenplänen <strong>und</strong> Anpassungan die aktuellen Standards. Planung von Informationsveranstaltungen <strong>und</strong>/o<strong>der</strong> Sem<strong>in</strong>aren für Dienstvorgesetzte zur Vermittlungdes Ziels von Interventionen <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>betrieblichen</strong> Suchtprävention nach Interventionsleitfaden<strong>und</strong> Stufenplan <strong>und</strong> zur Erläuterung <strong>der</strong> Vorgehensweise, um e<strong>in</strong> sachgerechtes Hilfeangebot zuplatzieren.


Kapitel 3 Intervention, Beratungs- <strong>und</strong> Hilfeangebote 57Literatur <strong>und</strong> MaterialienClaussen, H.R. / Czapski, P. (1992) Alkoholmißbrauch im öffentlichen Dienst – Gefahren <strong>und</strong> ihre Abwehr – Leitfadenmit Rechtsprechung. Köln/Berl<strong>in</strong>/Bonn/München: Carl Heymann Verlag.Fleck, Jürgen (2004) Gutachten: Rechtliche Aspekte zum Interventionsleitfaden <strong>und</strong> Stufenplan <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>betrieblichen</strong>Suchtprävention. Berl<strong>in</strong>.Honsa, Hans-Jürgen (2002) Alkohol- <strong>und</strong> Drogenmissbrauch im öffentlichen Dienst. Ursachen - Auswirkungen –Bekämpfungsstrategien. Berl<strong>in</strong>: Erich Schmidt Verlag.Schwandt, E.-A. (2001) Alkoholismus, die beamtenrechtliche Pflicht gegen die Sucht anzukämpfen, <strong>und</strong> <strong>der</strong> Führungsauftragdes Dienstvorgesetzten. Diskussionsbeitrag zur Jahrestagung <strong>der</strong> B<strong>und</strong>esarbeitsgeme<strong>in</strong>schaftSuchtprävention <strong>in</strong> <strong>der</strong> Polizei am 08.05.2001 <strong>in</strong> We<strong>in</strong>böhla/Dresden3.3 Rolle <strong>der</strong> Führungskräfte <strong>und</strong> Qualifizierung für die Suchtprävention<strong>und</strong> InterventionDen Führungskräften mit Personalverantwortung wird <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>betrieblichen</strong> Suchtprävention <strong>und</strong> Suchthilfee<strong>in</strong>e Schlüsselrolle zugewiesen. Das gestufte Interventionskonzept ist vor r<strong>und</strong> 60 Jahren alsHandlungsanleitung für Vorgesetzte entwickelt worden, um Mitarbeiter<strong>in</strong>nen <strong>und</strong> Mitarbeiter mit alkoholbed<strong>in</strong>gtenAuffälligkeiten am Arbeitsplatz lösungsorientiert Hilfe anzubieten. Das strukturierte Verfahrensollte den Umgang mit riskantem Konsum <strong>und</strong> Suchtproblemen von Beschäftigten erleichtern.Bis heute gehören die Interventionen, die bei Verstößen gegen den Arbeitsschutz o<strong>der</strong> Auffälligkeitenim Arbeits- <strong>und</strong> Leistungsverhalten <strong>in</strong> Verb<strong>in</strong>dung mit Suchtmittelkonsum, Medikamentengebraucho<strong>der</strong> suchtbed<strong>in</strong>gten Verhaltensweisen erfolgen sollen, noch immer zu den herausfor<strong>der</strong>nsten Aufgaben<strong>der</strong> Personalführung.Die Rolle <strong>der</strong> Führungskräfte ist mit den Strukturverän<strong>der</strong>ungen <strong>in</strong> <strong>der</strong> Arbeitswelt <strong>und</strong> <strong>der</strong> zunehmendenBedeutung <strong>der</strong> Ressource Mensch im Unternehmen noch anspruchsvoller geworden. Vorgesetztemüssen Leitungsaufgaben, fachliche Anleitungsfunktionen, Personalführung, Fürsorgeauftrag, sozialesVorbildverhalten <strong>und</strong> Konfliktmanagement, um nur e<strong>in</strong>ige Anfor<strong>der</strong>ungen aufzuzählen, gleichermaßenerfolgreich bewältigen. Sie sollen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em komplexen Interessengefüge die Beschäftigtenmotivieren <strong>und</strong> Spannungsfel<strong>der</strong> ausbalancieren, <strong>und</strong> zwar bei ständig zunehmenden Leistungsdruck<strong>und</strong> knapper werden<strong>der</strong> Personaldecke. Zu ihren Aufgaben gehören diverse Personalrout<strong>in</strong>en wieZiel- <strong>und</strong> Entwicklungsgespräche, Kritikgespräche, Ges<strong>und</strong>heitsgespräche, Fehlzeitengespräche <strong>und</strong>eben Interventionen bei sucht- o<strong>der</strong> suchtmittelbed<strong>in</strong>gten Auffälligkeiten.Aus <strong>der</strong> Perspektive betrieblicher Suchtpräventionsprogramme bietet e<strong>in</strong> Interventionskonzept mite<strong>in</strong>em Stufenplan den Vorgesetzten e<strong>in</strong>e gute Orientierungshilfe. Aus <strong>der</strong> Sicht <strong>der</strong> Vorgesetzten handeltes sich aber um e<strong>in</strong> höchst verb<strong>in</strong>dliches, konsequentes Vorgehen. Dem E<strong>in</strong>stieg geht deshalbe<strong>in</strong> oftmals schwieriger, von zahlreichen Ambivalenzen begleiteter Entscheidungsprozess voraus: Istdie als unangenehm empf<strong>und</strong>ene, <strong>in</strong> die Persönlichkeitssphäre des Mitarbeiters o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Mitarbeiter<strong>in</strong>h<strong>in</strong>e<strong>in</strong> reichende Ansprache des Suchtmittelkonsums angemessen? Welche Reaktionen löst sie beiden angesprochenen Personen <strong>und</strong> <strong>in</strong> ihrem Umfeld aus? Kosten die Gespräche <strong>und</strong> die notwendigeunterstützende Begleitung <strong>der</strong>/des Beschäftigten nicht über Gebühr viel Zeit <strong>und</strong> Energie?Für Vorgesetzte gibt es im <strong>betrieblichen</strong> System - vor allem bei psychosozialen Problemen von Beschäftigten- häufig ernst zu nehmende Handlungshemmnisse tätig zu werden. Es handelt sich dabe<strong>in</strong>icht zwangsläufig um e<strong>in</strong> Co-Verhalten o<strong>der</strong> sogar ‚Co-Abhängigkeit’. Solange die frühzeitige Ansprachevon Auffälligkeiten im Arbeits- <strong>und</strong> Leistungsverhalten nicht selbstverständlicher Teil <strong>der</strong> Personalführungist, bilden betriebliche Interventionen bei ges<strong>und</strong>heitlichen, sozialen <strong>und</strong> sucht- o<strong>der</strong>suchtmittelbed<strong>in</strong>gten Auffälligkeiten e<strong>in</strong>e extrem hohe Hürde. Es ist deshalb e<strong>in</strong> beson<strong>der</strong>s wichtigerBauste<strong>in</strong> betrieblicher Suchtpräventionsprogramme, Sem<strong>in</strong>are für Personalverantwortliche - möglichstmit Gesprächstra<strong>in</strong><strong>in</strong>gs - anzubieten <strong>und</strong> ihnen im E<strong>in</strong>zelfall Unterstützung durch Beratung / Coach<strong>in</strong>gzuzusichern.


58Kapitel 3 Intervention, Beratungs- <strong>und</strong> HilfeangeboteStandard Interventionen bei Auffälligkeiten am Arbeitsplatz <strong>und</strong> bei Suchtproblemen sollte <strong>in</strong> Führungsleitl<strong>in</strong>ien<strong>und</strong> Zielvere<strong>in</strong>barungen sowie <strong>in</strong> Betriebs- <strong>und</strong> Dienstvere<strong>in</strong>barungen verankert werden. Den Personalverantwortlichen sollte e<strong>in</strong> abgestimmter Interventionsleitfaden o<strong>der</strong> e<strong>in</strong>e Handlungsanleitungzum Vorgehen bei sucht- o<strong>der</strong> suchtmittelbed<strong>in</strong>gten Auffälligkeiten an die Handgegeben werden. Die Qualifizierung für die Durchführung von Fürsorge-, Klärungs- <strong>und</strong> Stufengesprächen sollte Teil<strong>der</strong> Personalentwicklung se<strong>in</strong>. Sie kann als eigenständiges Sem<strong>in</strong>arangebot konzipiert o<strong>der</strong> alsBauste<strong>in</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> Führungskräfteentwicklung <strong>in</strong>tegriert werden. Soweit ke<strong>in</strong>e Integration <strong>in</strong> die Personalentwicklung erfolgt, sollten betriebliche Suchtpräventionsprogrammefür alle Personalverantwortlichen e<strong>in</strong>e - möglichst verb<strong>in</strong>dliche - Qualifizierung zur lösungsorientiertenIntervention, <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e bei suchtmittelbed<strong>in</strong>gten Auffälligkeiten <strong>und</strong> Suchtproblemenam Arbeitsplatz, vorsehen. Für Interventionen im E<strong>in</strong>zelfall <strong>und</strong> bei <strong>der</strong> Anwendung des Interventionskonzepts sollte den PersonalverantwortlichenCoach<strong>in</strong>g o<strong>der</strong> Begleitung durch <strong>in</strong>terne o<strong>der</strong> externe Berater<strong>in</strong>nen <strong>und</strong> Beraterermöglicht werden. Bei <strong>der</strong> Auswahl <strong>der</strong> Sem<strong>in</strong>ar<strong>in</strong>halte <strong>und</strong> Sem<strong>in</strong>aranbieter sollte darauf Wert gelegt werden, dassdie aktuellen fachlichen <strong>und</strong> rechtlichen Standards von Interventionskonzepten vermittelt werden. Das Sem<strong>in</strong>arkonzept sollte vom zeitlichen <strong>und</strong> <strong>in</strong>haltlichen Rahmen sowie methodisch auf dieZielgruppe abgestimmt se<strong>in</strong>. Für den an Stufengesprächen beteiligten Personenkreis sollen Gesprächsübungenvorgesehen werden.BegründungszusammenhangQualifizierungsmaßnahmen für Führungskräfte <strong>und</strong> an<strong>der</strong>e Personalverantwortlichen, d.h. auch Personenaus Personalabteilungen <strong>und</strong> Interessensvertretungen, stellen e<strong>in</strong> unverzichtbares Elementbetrieblicher Suchtpräventionsprogramme dar. Sem<strong>in</strong>are sollten geeignet se<strong>in</strong>, die Bereitschaft zurlösungsorientierten Intervention <strong>in</strong> <strong>der</strong> Frühphase <strong>der</strong> Auffälligkeiten im Arbeits- <strong>und</strong> Leistungsverhaltenzu stärken <strong>und</strong> die sachlichen <strong>und</strong> rechtlichen Abwägungen, die Personalverantwortliche vornehmenmüssen, qualifiziert zu begleiten.Für diese Qualifizierungsmaßnahmen sollte Folgendes berücksichtigt werden:Führungskräfte sollen die Bedeutung von Suchtprävention <strong>und</strong> von konsequenten Interventionenbei - sucht(mittel)bed<strong>in</strong>gten - Auffälligkeiten nachvollziehen können. Sie dienen e<strong>in</strong>erseits <strong>der</strong>Vorbeugung von ges<strong>und</strong>heitlichen Gefährdungen am Arbeitsplatz sowie zur Hilfe bei Suchtproblemen,an<strong>der</strong>erseits tragen sie zu e<strong>in</strong>em geregelten Arbeitsablauf <strong>und</strong> zu e<strong>in</strong>em ges<strong>und</strong>heitsför<strong>der</strong>lichenArbeitsklima bei.Vorgesetzte sollten bestärkt werden, ihre Rolle <strong>in</strong> <strong>der</strong> Personalführung wahrzunehmen <strong>und</strong> beiAuffälligkeiten am Arbeitsplatz frühzeitig das Gespräch mit den Mitarbeiter<strong>in</strong>nen <strong>und</strong> Mitarbeiternzu suchen.Zentral sollte die Wahrnehmungsschärfung <strong>und</strong> die Beschreibung <strong>der</strong> Schwelle se<strong>in</strong>, ab wannAuffälligkeiten im Arbeits- <strong>und</strong> Leistungsverhalten von Beschäftigten e<strong>in</strong>e Intervention nahe legeno<strong>der</strong> erfor<strong>der</strong>n. Dies gilt vor allem <strong>in</strong> Verb<strong>in</strong>dung mit e<strong>in</strong>em riskanten Suchtmittelkonsum o<strong>der</strong>suchtbed<strong>in</strong>gten Verhaltensweisen.In Informationsveranstaltungen <strong>und</strong> Sem<strong>in</strong>aren sollten nicht nur Alkoholprobleme am Arbeitsplatzaufgegriffen werden, son<strong>der</strong>n auch an<strong>der</strong>e Formen von riskantem Konsum <strong>und</strong> Suchtgefährdun-


Kapitel 3 Intervention, Beratungs- <strong>und</strong> Hilfeangebote 59gen, die im Betrieb e<strong>in</strong>e Rolle spielen können, <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e auch <strong>in</strong> Verb<strong>in</strong>dung mit Medikamentengebrauch.Im Mittelpunkt sollten nicht ausschließlich Informationen zur Suchterkrankung stehen. Die Symptomedes Krankheitsverlaufs sollten deutlich als extremes Ende e<strong>in</strong>er Phase riskanten <strong>und</strong> schädigenVerhaltens <strong>und</strong> Konsums beschrieben werden. Führungskräfte handeln zu spät, wenn sieglauben, erst bei Anzeichen von Suchtgefährdung <strong>in</strong>tervenieren zu können.Bestandteil <strong>der</strong> Sem<strong>in</strong>are sollte möglichst e<strong>in</strong> Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>g von Fürsorge- <strong>und</strong> Klärungsgesprächensowie Stufenplangesprächen se<strong>in</strong>.Ambivalenzen <strong>und</strong> Konflikte <strong>der</strong> Personalverantwortlichen im Zusammenhang mit <strong>der</strong> Entscheidungzur Intervention sollten ernst genommen <strong>und</strong> angesprochen werden, um Lösungsschritte dafürzu entwickeln.Zur Veranschaulichung kann die Wirkung von so genanntem "Co-Verhalten" bei Suchtgefährdungerläutert werden, ohne damit moralische Wertungen <strong>und</strong> Schuldzuweisungen zu verb<strong>in</strong>den. Aufdas Konstrukt <strong>der</strong> ‚Co-Abhängigkeit’ sollte <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>betrieblichen</strong> Suchtprävention völlig verzichtetwerden.Bei <strong>der</strong> Planung <strong>und</strong> Durchführung von Qualifizierungsmaßnahmen zur Suchtprävention <strong>und</strong> Intervention,vor allem im H<strong>in</strong>blick auf den Umfang <strong>und</strong> die zeitliche Lage, sollte die jeweilige Anfor<strong>der</strong>ungs<strong>und</strong>Belastungssituation <strong>der</strong> Führungskräfte ausreichend berücksichtigt werden. E<strong>in</strong> Sem<strong>in</strong>arangebotzum falschen Zeitpunkt senkt die Nachfrage <strong>und</strong> steigert den Druck für die Führungskräfte zusätzlich.Der Sem<strong>in</strong>arort sollte möglichst so gewählt werden, dass die Personalverantwortlichen nicht ständigdurch ihr Alltagsgeschäft abgelenkt s<strong>in</strong>d. Bei Sem<strong>in</strong>aren, <strong>in</strong> denen Gesprächsübungen <strong>und</strong> Rollenspielevorgesehen s<strong>in</strong>d, ist beson<strong>der</strong>s auf dafür geeignete Räumlichkeiten zu achten.Erst e<strong>in</strong>e hohe Quote von geschulten Führungskräften sowie an<strong>der</strong>er Personalverantwortlichen sichertim Betrieb die konsequente Umsetzung des Konzepts zur Intervention bei - sucht(mittel)bed<strong>in</strong>gten -Auffälligkeiten im Arbeits- <strong>und</strong> Leistungsverhalten. Die Qualifizierungsbereitschaft ist dort am größten,wo von <strong>der</strong> Unternehmens- o<strong>der</strong> Dienststellenleitung e<strong>in</strong>e verb<strong>in</strong>dliche Teilnahme erwartet wird. DieVerb<strong>in</strong>dlichkeit <strong>der</strong> Teilnahme kann jedoch auf verschiedene Weise erreicht werden. Erstens kann dieTeilnahme an Sem<strong>in</strong>aren für alle zuständigen Führungskräfte obligatorisch gemacht werden. Zweitenswird e<strong>in</strong> Qualifizierungsbauste<strong>in</strong> <strong>in</strong> die verb<strong>in</strong>dliche Führungskräfteentwicklung e<strong>in</strong>gefügt. Drittensmüssen Bewerber für Führungspositionen mit Vorgesetztenfunktion e<strong>in</strong>e entsprechende Qualifikationnachweisen. Viertens können Interventionen bei Auffälligkeiten sowie die Teilnahme an Sem<strong>in</strong>aren <strong>in</strong>Zielvere<strong>in</strong>barungen <strong>in</strong>dividuell vere<strong>in</strong>bart <strong>und</strong> damit verb<strong>in</strong>dlich gemacht werden.Arbeitsschritte Entwicklung neuer o<strong>der</strong> Weiterentwicklung <strong>der</strong> bestehenden Angebote von Führungssem<strong>in</strong>arenentsprechend <strong>der</strong> aktuellen fachlichen <strong>und</strong> rechtlichen Standards. Kritische Überprüfung <strong>der</strong> verwendeten Materialien <strong>und</strong> Medien auf ihre rechtliche <strong>und</strong> fachlicheAktualität <strong>der</strong> Interventionskonzepte <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>betrieblichen</strong> Suchtprävention. Abstimmung mit den Verantwortlichen im Personalwesen <strong>und</strong>/o<strong>der</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> Personalentwicklung,<strong>in</strong>wieweit die Qualifizierung zur Suchtprävention <strong>und</strong> Intervention <strong>in</strong> das Entwicklungsprogrammfür Führungskräfte <strong>in</strong>tegriert o<strong>der</strong> als eigenständiges Sem<strong>in</strong>arangebot präsentiert wird. Auswahl geeigneter <strong>in</strong>terner o<strong>der</strong> externer Sem<strong>in</strong>aranbieter <strong>und</strong> -anbieter<strong>in</strong>nen unter Berücksichtigung<strong>der</strong> aktuellen Standards, <strong>der</strong> <strong>in</strong>haltlichen Ausrichtung <strong>der</strong> Sem<strong>in</strong>are sowie <strong>der</strong> gewünschtenTra<strong>in</strong>erkompetenzen durch die Steuerungsgruppe. Sorgfältige Planung <strong>der</strong> Qualifizierungsmaßnahme <strong>und</strong> Berücksichtigung von Belastungsspitzen<strong>der</strong> Führungskräfte bei <strong>der</strong> zeitlichen Lage <strong>der</strong> Sem<strong>in</strong>are.


60Kapitel 3 Intervention, Beratungs- <strong>und</strong> HilfeangeboteLiteratur <strong>und</strong> MaterialienDHS Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen e.V. (Hrsg.)(2008) Substanzbezogene Störungen am Arbeitsplatz.Text: U.Pegel-Rimpl. 5. Aufl. Hamm. www.dhs.deFuchs, R. / Rummel, M. (1998) Führungskräfte nehmen Stellung – e<strong>in</strong>e Evaluationsstudie zum Präventionsprogramm<strong>der</strong> Landesbank Berl<strong>in</strong>. In: Fuchs/Ra<strong>in</strong>er/Rummel (Hrsg.).Betriebliche Suchtprävention. Gött<strong>in</strong>gen: Verlagfür Angewandte Psychologie.Pegel-Rimpl, U. (2003) Suchtprävention am Arbeitsplatz. In Franke/Boden (Hrsg.). Personaljahrbuch 2004. Neuwied.Luchterhand Verlag.Rummel, M. / Ra<strong>in</strong>er, L. / Fuchs R. (2004) Alkohol im Unternehmen. Prävention <strong>und</strong> Intervention. Gött<strong>in</strong>gen:Hogrefe Verlag.Schumann, Günter (2004) Ges<strong>und</strong>heitsför<strong>der</strong>liches Führungsverhalten <strong>und</strong> lösungsorientierte Interventionen amArbeitsplatz. Oldenburg: Carl von Ossietzky Universität.Ziegler, H. / Brandl, G. (2005) Suchtprävention als Führungsaufgabe – Lösungsorientierte Strategienfür den Betrieb. Wiesbaden: Universum Verlagsanstalt.3.4 Beratung <strong>und</strong> Suchthilfe im BetriebBeratung <strong>und</strong> Suchthilfe ist e<strong>in</strong> weiterer Kernbestandteil betrieblicher Suchtprävention. E<strong>in</strong>richtungen<strong>der</strong> betriebs<strong>in</strong>ternen Beratung <strong>und</strong> Suchthilfe, im Folgenden kurz "<strong>in</strong>terne Beratung" genannt, können<strong>in</strong> erheblichem Maße zur Ges<strong>und</strong>heitsför<strong>der</strong>ung <strong>und</strong> zur Qualität <strong>der</strong> Arbeit beitragen. In engem Kontaktmit den Beschäftigten des Betriebes können sie bei aufkommenden Problem- <strong>und</strong> Konfliktsituationen,wenn gewünscht, frühzeitig beraten <strong>und</strong> unterstützen. So tragen sie u.a. zur Stärkung <strong>in</strong>dividuellerges<strong>und</strong>heitlicher Ressourcen <strong>der</strong> Beschäftigten, zur Verm<strong>in</strong><strong>der</strong>ung ges<strong>und</strong>heitlicher Gefährdungen,zur Vermeidung von Störungen am Arbeitsplatz <strong>und</strong> zur Entspannung des Betriebsklimas bei. Esgibt belegte H<strong>in</strong>weise, dass hauptamtlich besetzte E<strong>in</strong>richtungen <strong>der</strong> <strong>in</strong>ternen Beratung <strong>in</strong> größerenBetrieben e<strong>in</strong> Kosten e<strong>in</strong>sparen<strong>der</strong> Faktor s<strong>in</strong>d. Das Gleiche dürfte für externe Beratungsdienstleisterzutreffen, die auch <strong>in</strong> kle<strong>in</strong>eren <strong>und</strong> mittleren Betrieben tätig s<strong>in</strong>d.Die <strong>in</strong>ternen E<strong>in</strong>richtungen unterscheiden sich nach Umfang, Charakter, Ausstattung <strong>und</strong> Ressourcen<strong>in</strong> Abhängigkeit von <strong>der</strong> Größe <strong>und</strong> Struktur <strong>der</strong> jeweiligen Organisation. Vom E<strong>in</strong>zelkämpfer bis zumgut <strong>in</strong> die <strong>betrieblichen</strong> Prozesse <strong>und</strong> Strukturen <strong>in</strong>tegrierten Beratungsteam f<strong>in</strong>den sich <strong>in</strong> Betriebenhaupt- <strong>und</strong>/o<strong>der</strong> nebenamtliche <strong>in</strong>terne Beratungsangebote. Sie variieren von kollegialer Beratung beiSuchtproblemen bis h<strong>in</strong> zur Unterstützung bei ges<strong>und</strong>heitlichen <strong>und</strong> sozialen Problemlagen für alleBeratung suchenden Beschäftigten <strong>und</strong> an<strong>der</strong>en Beteiligten aus ihrem sozialen Umfeld. Alternativdazu gibt es auch solche Angebote, die durch externe Beratungsdienstleister (Beratungsstellen, Verbände,selbstständige Beratungsanbieter, EAP) bereitgestellt werden. Bei <strong>der</strong> Formulierung von Standardssollte deutlich gemacht werden, wo zwischen nebenamtlicher <strong>und</strong> hauptamtlicher Beratung zuunterscheiden ist.In <strong>der</strong> Regel erstreckt sich das Angebot <strong>der</strong> <strong>in</strong>ternen Beratung auf folgende Elemente des <strong>betrieblichen</strong>Suchtpräventionsprogramms bzw. auf e<strong>in</strong>en Ausschnitt daraus. (Siehe Abb. 7)


Kapitel 3 Intervention, Beratungs- <strong>und</strong> Hilfeangebote 61Aufgabenspektrum <strong>der</strong> <strong>in</strong>ternen E<strong>in</strong>richtungfür Beratung <strong>und</strong> SuchthilfeBeratungsaufgaben• Beratung von Personalverantwortlichen <strong>und</strong>Beschäftigten zu präventiven Themen• Beratung <strong>der</strong> Vorgesetzten <strong>und</strong> des <strong>betrieblichen</strong>Umfeldes bei Interventionen Unterstützungim Entscheidungs- Handlungsprozessen• Beratung für sucht(mittel)auffällige <strong>und</strong>suchtgefährdete Beschäftigte Case ManagementAngebote zur <strong>in</strong>dividuellenKonsumreduzierung• Dr<strong>in</strong>k-Less-Programm / KontrolliertesTr<strong>in</strong>ken, SKOLL• Nichtraucher-KurseVernetzung <strong>und</strong> Kooperation• Mit <strong>in</strong>ternen Gremien <strong>und</strong> Funktionsträgern• Mit Personal- <strong>und</strong> Organisationsentwicklung, Arbeits<strong>und</strong>Ges<strong>und</strong>heitsschutz, Ges<strong>und</strong>heitsför<strong>der</strong>ung• Mit externen Fache<strong>in</strong>richtungen <strong>der</strong> Suchtkrankenhilfe<strong>und</strong> an<strong>der</strong>en Beratungsanbietern, externen Dienstleistern• In regionalen u. überregionalen NetzwerkenInformation <strong>und</strong> Aufklärung <strong>der</strong> Beschäftigten• Regelmäßige Information <strong>der</strong> Beschäftigten• Präventionsaktionen <strong>in</strong> Zusammenarbeit mit <strong>in</strong>ternen <strong>und</strong>externen Fachleuten• Sem<strong>in</strong>are für BeschäftigteSem<strong>in</strong>are für Führungskräfte• Informationsveranstaltungen <strong>und</strong> Sem<strong>in</strong>are zuAuffälligkeiten am Arbeitsplatz• Sem<strong>in</strong>are <strong>und</strong> Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>gs für Gespräche zumInterventionskonzeptIntegration <strong>in</strong> das betrieblicheSuchtpräventionsprogramm• Mitarbeit im Arbeitskreis, Geschäftsführung• Beteiligung an <strong>der</strong> Erarbeitung von <strong>betrieblichen</strong>RegelungenQualitätssicherung• Weiterbildung <strong>und</strong> Supervision• Evaluation <strong>und</strong> DokumentationAbb.9Aufgabenspektrum <strong>der</strong> <strong>in</strong>ternen E<strong>in</strong>richtungen für Beratung <strong>und</strong> SuchthilfeIn <strong>der</strong> <strong>betrieblichen</strong> Suchtprävention <strong>und</strong> Suchthilfe lassen sich gr<strong>und</strong>sätzlich drei fachlich unterschiedlichausgerichtete Beratungsfel<strong>der</strong> unterscheiden,die Beratung zur Vorbereitung von Interventionen,die Beratung <strong>und</strong> Hilfe für Beschäftigte,die Beratung zum Themenkreis Prävention von ges<strong>und</strong>heitlichen Gefährdungen.


62Kapitel 3 Intervention, Beratungs- <strong>und</strong> Hilfeangebote3.4.1 Beratung zur Vorbereitung von InterventionenIm Rahmen <strong>der</strong> Qualifizierung <strong>der</strong> Personalverantwortlichen <strong>und</strong> <strong>in</strong> Interventionsleitfäden o<strong>der</strong> Handlungsanleitungensollte den Verantwortlichen empfohlen werden, sich zur Vorbereitung von Gesprächenmit sucht(mittel)auffälligen Beschäftigten e<strong>in</strong>e fachliche Unterstützung zu holen. Die Vorklärungzu Interventionen, <strong>in</strong> <strong>der</strong> entschieden werden muss, welche Art des Gesprächs ansteht, welche Konsequenzengefor<strong>der</strong>t <strong>und</strong> Hilfeangebote gemacht werden sollen, fällt <strong>in</strong> den Aufgabenbereich <strong>der</strong> <strong>in</strong>ternenBeratung, sowohl <strong>der</strong> hauptamtlichen Fachkräfte wie <strong>der</strong> nebenamtlichen Ansprechpersonen.Ihnen kommt auch e<strong>in</strong>e Clear<strong>in</strong>g-Funktion zu, wenn sich ke<strong>in</strong> e<strong>in</strong>deutiger Sucht(mittel)bezug zu denAuffälligkeiten herstellen lässt, <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Fürsorge- o<strong>der</strong> Klärungsgespräch aber die Probleme angesprochen<strong>und</strong> Hilfemöglichkeiten aufgezeigt werden sollen.Im Beratungsprozess geht es um die Erhöhung <strong>der</strong> Handlungsfähigkeit <strong>der</strong> Personalverantwortlichenfür e<strong>in</strong>e ebenso frühzeitige wie sachgerechte Intervention bis h<strong>in</strong> zu Art <strong>und</strong> Inhalt <strong>der</strong> Gesprächsführung.Schließlich wird <strong>der</strong> rote Faden für das lösungsorientierte Gespräch mit dem/<strong>der</strong> Vorgesetztenschriftlich festgehalten.Standard Personalverantwortliche sollten zur Vorbereitung von Interventionen je<strong>der</strong>zeit auf die <strong>in</strong>terne Beratungo<strong>der</strong> auf externe Beratungse<strong>in</strong>richtungen zugehen können. Gespräche nach dem Interventionskonzept sollten nicht ohne e<strong>in</strong>e qualifizierte Vorbereitungdurchgeführt werden. Die Vorbereitung von Stufengesprächen sollte - ohne die/den betroffene/n Beschäftigte/n- geme<strong>in</strong>sammit allen an<strong>der</strong>en Beteiligten unter E<strong>in</strong>beziehung <strong>der</strong> <strong>in</strong>ternen o<strong>der</strong> e<strong>in</strong>er externen Beratungerfolgen. Der rote Faden für Stufengespräche enthält folgende Punkte:• Auffälligkeiten, die angesprochen werden sollen, möglichst konkret mit Daten,• Konsequenzen des Verhaltens für den Arbeitsbereich/Betrieb,• H<strong>in</strong>weis auf den Zusammenhang zum Suchtmittelkonsum / zu suchtbed<strong>in</strong>gten Verhaltensweisen,• Verhalten, das zukünftig vom Mitarbeiter / von <strong>der</strong> Mitarbeiter<strong>in</strong> erwartet wird, konkretbeschreiben,• Hilfeangebot, H<strong>in</strong>weis auf <strong>in</strong>terne o<strong>der</strong> externe Beratungsangebote• Zusage <strong>der</strong> Unterstützung durch den Betrieb• H<strong>in</strong>weis auf weitere Stufengespräche <strong>und</strong> ggf. Sanktionen bei Fortsetzung desbeanstandeten Verhaltens,• Verabredung e<strong>in</strong>es Rückmeldegesprächs (sofern ke<strong>in</strong>e erneuten Auffälligkeitenauftreten).BegründungszusammenhangInterventionen bei sucht(mittel)bed<strong>in</strong>gten Auffälligkeiten stellen, wie unter Punkt 3.3. beschrieben, e<strong>in</strong>ebeson<strong>der</strong>e Herausfor<strong>der</strong>ung für die Personalverantwortlichen dar. Deshalb ist es hilfreich, wenn Berater/ Berater<strong>in</strong>nen <strong>in</strong> <strong>der</strong> Vorbereitung von anstehenden Gesprächen nach dem Interventionsleitfadennicht ausschließlich die Verantwortung <strong>der</strong> Führungskraft für die betroffene Person im Blick hat, son-


Kapitel 3 Intervention, Beratungs- <strong>und</strong> Hilfeangebote 63<strong>der</strong>n die Situation des / <strong>der</strong> Vorgesetzten mit ihren Dilemmata <strong>und</strong> Rollenkonflikten ebenfalls berücksichtigt.Es geht darum, <strong>in</strong> <strong>der</strong> Beratung für die Verantwortlichen pragmatische Lösungen zu f<strong>in</strong>den,damit sie bei Stufengesprächen mit <strong>der</strong> auffällig gewordenen Person das Ziel Verhaltensän<strong>der</strong>ung <strong>und</strong>- wenn erfor<strong>der</strong>lich - Annahme von Hilfe erreichen können.Die Fachkräfte <strong>und</strong> Ansprechpersonen <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>betrieblichen</strong> Suchtprävention sollten sich h<strong>in</strong>sichtlich<strong>der</strong> Durchführung von Stufengesprächen e<strong>in</strong>deutig positionieren: Sie br<strong>in</strong>gen ihre fachliche Kompetenz<strong>in</strong> die Beratung <strong>und</strong> Vorbereitung e<strong>in</strong>, das Gespräch muss jedoch von <strong>der</strong> / dem Vorgesetzteno<strong>der</strong> e<strong>in</strong>em an<strong>der</strong>en Personalverantwortlichen geführt werden. Hilfreich ist es, mit Vorgesetzten <strong>in</strong> <strong>der</strong>Vorbereitung e<strong>in</strong> Raster von Leitfragen zu bearbeiten. Hier e<strong>in</strong>ige Beispiele:1. WahrnehmenWas nehme ich wahr an Leistungsverän<strong>der</strong>ung, Sozialverhalten, Konsumverhalten, äußeren E<strong>in</strong>drücken,Integration <strong>in</strong>s Team, eigene Gefühle gegenüber dem Mitarbeiter o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Mitarbeiter<strong>in</strong>. WelcheAuffälligkeiten habe ich konkret festgestellt?2. BewertenKönnen die Auffälligkeiten toleriert werden o<strong>der</strong> verspüre ich den Impuls zu <strong>in</strong>tervenieren? Welche<strong>betrieblichen</strong> o<strong>der</strong> persönlichen Ansprüche an Arbeits- <strong>und</strong> Leistungsverhalten von Mitarbeitern <strong>und</strong>Mitarbeiter<strong>in</strong>nen sehe ich verletzt? Stehen die Auffälligkeiten <strong>in</strong> Verb<strong>in</strong>dung mit Suchtmittelkonsumo<strong>der</strong> nicht zuzuordnenden "irritierenden" Verhaltensweisen?3. VerantwortenWor<strong>in</strong> besteht me<strong>in</strong>e Verantwortung, was ist me<strong>in</strong>e Aufgabe? Was ist die Aufgabe an<strong>der</strong>er? Wie weitgeht me<strong>in</strong>e Fürsorgepflicht <strong>und</strong> die Führungsverantwortung, wenn es um Auffälligkeiten durch Suchtmittelgebrauchgeht?4. IntervenierenWas genau soll ich tun? Was wird von mir erwartet? Welche Voraussetzungen brauche ich dafür? Mitwelchen Konsequenzen wäre me<strong>in</strong> Handeln bzw. Nichthandeln verb<strong>und</strong>en? Wie kann ich die betroffeneMitarbeiter<strong>in</strong>, den Mitarbeiter ansprechen? Welche Än<strong>der</strong>ungen will ich konkret e<strong>in</strong>for<strong>der</strong>n? Waspassiert, wenn ich <strong>in</strong>terveniere? Wie geht es dann weiter, was s<strong>in</strong>d die nächsten Schritte?5. VerankernWie wird me<strong>in</strong> Handeln <strong>in</strong> <strong>der</strong> Organisation getragen? Welche Reaktionen s<strong>in</strong>d von wem zu erwarten?Werden me<strong>in</strong>e Vorgesetzten, die Interessenvertretungen, die Personalabteilung u.a. me<strong>in</strong> Handelnunterstützen? Welche Vorklärungen müssen noch erfolgen? Wie werden die an<strong>der</strong>en Mitarbeiter <strong>in</strong>me<strong>in</strong>em Bereich reagieren?Die Frage, ob die <strong>in</strong>terne Beratung während des Stufengesprächs anwesend se<strong>in</strong> soll, ist im E<strong>in</strong>zelfallzu entscheiden. Dabei ist allerd<strong>in</strong>gs zu berücksichtigen, dass auch <strong>der</strong> Berater / die Berater<strong>in</strong> nur mitdem E<strong>in</strong>verständnis des Mitarbeiters / <strong>der</strong> Mitarbeiter<strong>in</strong> am Stufengespräch beteiligt se<strong>in</strong> kann o<strong>der</strong> <strong>in</strong>Vertretung des Arbeitgebers (vgl. 3.2.2). Die Beratungsperson übernimmt jedoch nicht die Gesprächsführung.Bei nebenamtlich tätigen Beratern / Berater<strong>in</strong>nen, die sich als kollegiale Ansprechpersonen verstehen,ist es zu akzeptieren, wenn sie die Beratung von Personalverantwortlichen zur Durchführung von Stufengesprächennicht durchführen wollen. In e<strong>in</strong>em solchen Fall sollten an<strong>der</strong>e Unterstützungsangebotefür Vorgesetzte, z.B. durch externe Beratungse<strong>in</strong>richtungen, vorgesehen werden.Weiterführende LiteraturDHS Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen e.V. (Hrsg.)(2008) Substanzbezogene Störungen am Arbeitsplatz.Text: U.Pegel-Rimpl. 5. Aufl. Hamm. www.dhs.deFuchs/Ra<strong>in</strong>er/Rummel (1998) Alkoholprobleme bei Mitarbeitern: Entscheiden <strong>und</strong> Handeln von Führungskräftenim organisationalen Kontext. In: Fuchs/Ra<strong>in</strong>er/Rummel (Hrsg.).Betriebliche Suchtprävention. Gött<strong>in</strong>gen: Verlagfür Angewandte Psychologie.Pegel-Rimpl, U. (2003) Suchtprävention am Arbeitsplatz. In Franke/Boden (Hrsg.). Personaljahrbuch 2004. Neu-


64Kapitel 3 Intervention, Beratungs- <strong>und</strong> Hilfeangebotewied. Luchterhand Verlag.Rummel, M./Ra<strong>in</strong>er, L./Fuchs R. (2004) Alkohol im Unternehmen. Prävention <strong>und</strong> Intervention.Gött<strong>in</strong>gen: Hogrefe Verlag.Schumann, G. (2004) Ges<strong>und</strong>heitsför<strong>der</strong>liches Führungsverhalten <strong>und</strong> lösungsorientierteInterventionen am Arbeitsplatz. Oldenburg: Carl von Ossietzky Universität.Ziegler, H. / Brandl, G. (2005) Suchtprävention als Führungsaufgabe – Lösungsorientierte Strategienfür den Betrieb. Wiesbaden: Universum Verlagsanstalt.3.4.2 Beratung <strong>und</strong> Hilfe für BeschäftigteDie Information, Beratung <strong>und</strong> Hilfe für Beschäftigte zum Themenkreis Suchtmittelkonsum <strong>und</strong> Suchtgefährdungfällt <strong>in</strong> die Kernkompetenz <strong>der</strong> <strong>in</strong>ternen Beratung. Die Beratung sollte gr<strong>und</strong>sätzlich allenBeschäftigten offen stehen. Sie kann jedoch auch Teil des Interventionskonzepts se<strong>in</strong>. Immer, wenn <strong>in</strong>den Gesprächen nach dem Interventionsleitfaden die Empfehlung o<strong>der</strong> die Auffor<strong>der</strong>ung ausgesprochenwird, die Beratung aufzusuchen, s<strong>in</strong>d die rechtlichen E<strong>in</strong>schränkungen zu berücksichtigen (vgl.3.2.2). Es kann im Arbeitsverhältnis nicht verb<strong>in</strong>dlich vorgeschrieben werden, sich beraten zu lassen,wohl aber sich bei <strong>der</strong> Berater<strong>in</strong> / dem Berater im Betrieb über e<strong>in</strong>schlägige Beratungs- <strong>und</strong> Behandlungsangebotezu <strong>in</strong>formieren.Das Beratungsangebot im Rahmen betrieblicher Suchtpräventionsprogramme richtet sich <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>ean Mitarbeiter<strong>in</strong>nen <strong>und</strong> Mitarbeiter mit riskantem Substanzgebrauch o<strong>der</strong> Suchtproblemen, diedurch Vernachlässigung arbeitsvertraglicher o<strong>der</strong> dienstrechtlicher Pflichten auffällig geworden s<strong>in</strong>d.Geme<strong>in</strong>sam mit ihnen geht es darum, Ziele <strong>und</strong> Wege zu erarbeiten, um die beanstandeten Problemezu überw<strong>in</strong>den <strong>und</strong> im S<strong>in</strong>ne <strong>der</strong> Hilfe zur Selbsthilfe die eigenen Ressourcen <strong>der</strong> Betroffenen zu stärken.Das Beratungsspektrum umfasst:Information über <strong>in</strong>terne <strong>und</strong> externe Beratungsangebote <strong>und</strong> falls im Weiteren Beratung gewünschtwird;Erstgespräche im Beratungsprozess;Motivationsgespräche <strong>und</strong> begleitende Beratung zur Klärung weiterer Schritte;Fachliche Begleitung bei den ersten Schritten zur Konsumreduzierung;Vermittlung <strong>in</strong> externe Beratungs- <strong>und</strong> Therapiee<strong>in</strong>richtungen;Kontakte <strong>und</strong> Begleitung während <strong>der</strong> Therapie;Vorbereitung <strong>und</strong> Begleitung <strong>der</strong> Wie<strong>der</strong>e<strong>in</strong>glie<strong>der</strong>ung nach <strong>der</strong> Therapie;Beratung von Angehörigen.Im Rahmen <strong>der</strong> <strong>betrieblichen</strong> Suchtprävention <strong>und</strong> -hilfe können für das Arbeitsverhältnis <strong>der</strong> auffälliggewordenen <strong>und</strong>/o<strong>der</strong> Hilfe suchenden Person von Gr<strong>und</strong> legen<strong>der</strong> Bedeutung se<strong>in</strong>. Deshalb solltedas Angebot <strong>der</strong> <strong>in</strong>ternen Beratung - gleich ob es von haupt- o<strong>der</strong> von nebenamtlichen Fachkräftendurchgeführt wird - e<strong>in</strong>en professionellen Gr<strong>und</strong>standard erfüllen. Wo dieser <strong>in</strong>tern nicht gewährleistetwerden kann, sollten externe E<strong>in</strong>richtungen mit <strong>der</strong> Beratung beauftragt werden.


Kapitel 3 Intervention, Beratungs- <strong>und</strong> Hilfeangebote 65Standard Die <strong>in</strong>terne Beratung sollte auf <strong>der</strong> Basis e<strong>in</strong>es Beratungskonzepts, das alle Konsummuster vomriskanten <strong>und</strong> schädigenden bis zum abhängigen Suchtmittelkonsum sowie suchtbed<strong>in</strong>gte Verhaltensweisene<strong>in</strong>bezieht, tätig werden. Im konkreten Beratungsfall arbeiten die <strong>in</strong>ternen Fachkräfte fachlich weisungsfrei <strong>und</strong> unter E<strong>in</strong>haltung<strong>der</strong> Schweigepflicht. Die betriebliche Beratungsarbeit sollte an aktuellen fachlichen, methodischen sowie ethischenStandards ausgerichtet werden <strong>und</strong> ressourcen-, lösungs- <strong>und</strong> handlungsorientiert angelegt se<strong>in</strong>. In <strong>der</strong> <strong>betrieblichen</strong> Beratung sollten nur Ziele verfolgt werden, die mit den Hilfesuchenden explizitvere<strong>in</strong>bart wurden. Dabei s<strong>in</strong>d die Bedarfe <strong>und</strong> Wünsche <strong>der</strong> Betroffenen angemessen zu berücksichtigen. Die betriebliche Beratung orientiert sich an dem Pr<strong>in</strong>zip <strong>der</strong> Hilfe zur Selbsthilfe <strong>und</strong> sollte daraufausgerichtet se<strong>in</strong>, Selbstwirksamkeit, Autonomie <strong>und</strong> Selbstverantwortung <strong>der</strong> Hilfe suchendenPerson zu stärken. Sofern e<strong>in</strong> <strong>in</strong>ternes Beratungsangebot nach den vorstehenden Standards nicht gewährleistet werdenkann, sollte die Beratung von externen E<strong>in</strong>richtungen durchgeführt werden.BegründungszusammenhangFür die Art <strong>und</strong> die Qualität <strong>der</strong> Information <strong>und</strong> Beratung <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>betrieblichen</strong> Suchtprävention <strong>und</strong>Suchthilfe gibt es bislang ke<strong>in</strong>en abgestimmten fachlichen Standard. Aufgr<strong>und</strong> <strong>der</strong> spezifischen Traditionen<strong>und</strong> Strukturen s<strong>in</strong>d im Betrieb professionelle <strong>und</strong> semiprofessionelle Beratungspersonen sowieengagierte Laien zu f<strong>in</strong>den, die nach mehr o<strong>der</strong> weniger professionellen <strong>und</strong> erfahrungsbasierten Beratungsansätzenvorgehen. Übere<strong>in</strong>stimmung besteht bisher nur dah<strong>in</strong>gehend, dass die <strong>in</strong>terne Beratungfachlich weisungsfrei berät <strong>und</strong> für die Beratungstätigkeit Schweigepflicht vere<strong>in</strong>bart werden sollte.Da Beratungs- <strong>und</strong> Ansprechpersonen fachlich weisungsfrei arbeiten, gestalten sie <strong>in</strong> <strong>der</strong> Regel jenach Qualifikation <strong>und</strong> Vorlieben die Beratungsprozesse selbst. Das Beratungsgeschehen <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>betrieblichen</strong>Suchtprävention ist also <strong>in</strong> hohem Maße <strong>in</strong>dividualisiert. Umso wichtiger ist es, dass dieBeratungspersonen über ausgewiesene Fortbildungen für die betriebliche Suchtprävention <strong>und</strong>Suchthilfe verfügen (vgl. 4.2). Sie sollten den eigenen Beratungsrahmen darstellen können, um denBeschäftigten e<strong>in</strong>e Orientierung zu geben. E<strong>in</strong> professionelles <strong>in</strong>ternes Beratungsangebot sollte sichüber schriftlich fixierte ethische Leitsätze präsentieren. Wünschenswert ist es, dass auch <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>betrieblichen</strong>Suchtberatung mit abgestimmten Beratungskonzepten, die ressourcen-, lösungs- <strong>und</strong>handlungsorientiert angelegt s<strong>in</strong>d, gearbeitet wird.E<strong>in</strong> mit dem Arbeitskreis/Steuerungsgremium abgestimmtes Leitbild <strong>und</strong> Beratungskonzept kann dazubeitragen, dass das Beratungshandeln auf den Bedarf an Unterstützung, den die Beschäftigten <strong>in</strong> <strong>der</strong>Organisation haben, ausgerichtet wird <strong>und</strong> die vorgenannten Standards <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>betrieblichen</strong> Suchtpräventionstärker Berücksichtigung f<strong>in</strong>den.Arbeitsschritte Verständigung über die Pr<strong>in</strong>zipien <strong>und</strong> Gr<strong>und</strong>standards sowie den Rahmen des <strong>in</strong>ternen Beratungsangebotsim Arbeitskreis/Steuerungsgremium, Entwicklung e<strong>in</strong>es Leitbildes. Abstimmung e<strong>in</strong>es Konzeptes für die <strong>in</strong>terne Beratung zur <strong>betrieblichen</strong> Suchtprävention <strong>und</strong>Suchthilfe <strong>und</strong> zur Kooperation mit externen Beratungse<strong>in</strong>richtungen.


66Kapitel 3 Intervention, Beratungs- <strong>und</strong> Hilfeangebote Nutzung <strong>der</strong> Möglichkeiten zur Qualifizierung <strong>und</strong> Fortbildung für die aktuellen Standards <strong>der</strong> <strong>in</strong>ternenBeratung <strong>in</strong> <strong>betrieblichen</strong> Suchtpräventionsprogrammen. Stärkere E<strong>in</strong>beziehung ressourcenorientierter Verfahren, z.B. Motivational Interview<strong>in</strong>g o<strong>der</strong> MO-VE, <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>in</strong>ternen Beratungsarbeit.Literatur <strong>und</strong> MaterialienB<strong>und</strong>eszentrale für ges<strong>und</strong>heitliche Aufklärung (Hrsg.)(2005) MOVE - Motivierende Kurz<strong>in</strong>tervention bei konsumierendenJugendlichen. Evaluationsergebnisse des Fortbildungsmanuals sowie <strong>der</strong> ersten Implementierungsphase.Autoren: Kordula Marz<strong>in</strong>zik, Angelika Fiedler. Forschung <strong>und</strong> Praxis <strong>der</strong> Ges<strong>und</strong>heitsför<strong>der</strong>ung Bd.28.Köln.Deutscher Berufsverband <strong>der</strong> Sozialarbeiter <strong>und</strong> Sozialpädagogen e.V. (1977) Internationaler ‚Code of Ethics’ fürden Berufsstand <strong>der</strong> Sozialarbeiter / Sozialpädagogen. In: Zeitschrift ‚Der Sozialarbeiter’.Heft Januar/Februar 1977. S.23f.DHS Deutsche Hauptstelle gegen die Suchtgefahren (1999) „Ethische Pr<strong>in</strong>zipien <strong>in</strong> <strong>der</strong> professionellen Suchtkrankenhilfe“<strong>der</strong> Deutschen Hauptstelle gegen die Suchtgefahren (DHS) vom März 1999.Miller, W.R. / Rollnick, St. (2005) Motivierende Gesprächsführung. E<strong>in</strong> Konzept zur Beratung vonMenschen mit Suchtproblemen. Freiburg: Lambertus.Wienemann, E. (2000) Vom Alkoholverbot zum Ges<strong>und</strong>heitsmanagement. Entwicklung <strong>der</strong> <strong>betrieblichen</strong> Suchtpräventionvon 1800 bis 2000. Stuttgart. ibidem Verlag.3.4.3 Fallbegleitung <strong>und</strong> Fallabstimmung, Case ManagementFür die Intensität, mit <strong>der</strong> auffällig gewordene Personen durch die <strong>in</strong>terne Beratung begleitet werdensollten, wenn sie sich im Interventionskonzept bef<strong>in</strong>den, gibt es bislang ke<strong>in</strong>en e<strong>in</strong>deutigen Standard.Die Expertise empfiehlt, e<strong>in</strong>e <strong>in</strong>tensive Fallbegleitung von Personen vorzusehen, die sich <strong>in</strong> <strong>der</strong> dritteno<strong>der</strong> e<strong>in</strong>er weiter fortgeschrittenen Stufe des Stufenplanes bef<strong>in</strong>den.Ins erste Stufengespräch kommen - bei konsequentem Vorgehen nach dem neuen Interventionskonzept- Beschäftigte, die sucht(mittel)bed<strong>in</strong>gt auffällig geworden s<strong>in</strong>d, sich aber überwiegend noch imriskanten Bereich des Konsums o<strong>der</strong> Verhaltens bef<strong>in</strong>den. Sofern sie ihr Verhalten noch steuern können,entscheiden sich diese Mitarbeiter/-<strong>in</strong>nen nach dem ersten Gespräch, spätestens jedoch nach<strong>der</strong> zweiten Intervention für e<strong>in</strong>e Verhaltensän<strong>der</strong>ung, weil sie wissen, dass sie sonst ihren Arbeitsplatzgefährden würden. Personen, die <strong>in</strong> e<strong>in</strong> drittes o<strong>der</strong> weiteres Stufengespräch geladen werden,haben <strong>in</strong> <strong>der</strong> Regel Probleme damit, das Fehlverhalten aus eigener Kraft zu überw<strong>in</strong>den.Deshalb sollte dort zur Unterstützung <strong>der</strong> betroffenen Person e<strong>in</strong>e systematische Fallbegleitung angebotenwerden. Fallbegleitung me<strong>in</strong>t, dass <strong>der</strong> Mitarbeiter<strong>in</strong> / dem Mitarbeiter von Seiten des Betriebese<strong>in</strong>e für den Fall zuständige Person zugeordnet wird, die sie unterstützt, die notwendigen Schritte zurVerhaltensän<strong>der</strong>ung zu tun <strong>und</strong> den Weg <strong>in</strong> die Therapie h<strong>in</strong>e<strong>in</strong> zu ebnen. Es besteht allerd<strong>in</strong>gs ke<strong>in</strong>eVerpflichtung, das Angebot <strong>der</strong> Fallbegleitung anzunehmen.Bei entsprechen<strong>der</strong> professioneller Ausstattung <strong>der</strong> <strong>in</strong>ternen Beratung bzw. <strong>in</strong> Kooperation mit e<strong>in</strong>erexternen Beratungse<strong>in</strong>richtung kann das Angebot auch e<strong>in</strong> Case Management vorsehen. Unter CaseManagement wird e<strong>in</strong> kooperativer Prozess verstanden, <strong>in</strong> dem die konkrete Bedarfslage e<strong>in</strong>er Hilfesuchenden Person erhoben wird <strong>und</strong> die entsprechenden Dienstleistungen von e<strong>in</strong>em Fallbegleiterkoord<strong>in</strong>iert geplant, implementiert, überwacht <strong>und</strong> evaluiert werden, um den <strong>in</strong>dividuellen Versorgungsbedarfunter Rückgriff auf verfügbare Ressourcen abzudecken. E<strong>in</strong> Fallbegleiter begleitet <strong>und</strong>unterstützt die betroffene Person bei notwendigen Schritten zur Verhaltensän<strong>der</strong>ung während desInterventionsprozesses, <strong>in</strong> <strong>der</strong> Therapiephase sowie bei <strong>der</strong> anstehenden Wie<strong>der</strong>e<strong>in</strong>glie<strong>der</strong>ungsphase.Die Entscheidung, e<strong>in</strong>e Fallbegleitung anzunehmen, ist von <strong>der</strong> betroffenen Person selbst <strong>und</strong>freiwillig zu treffen. E<strong>in</strong>e Ablehnung des Angebots darf seitens des Arbeitsgebers nicht mit negativen


Kapitel 3 Intervention, Beratungs- <strong>und</strong> Hilfeangebote 67Konsequenzen verb<strong>und</strong>en se<strong>in</strong>. In <strong>der</strong> Regel wird e<strong>in</strong>e Fallbegleitung von Personen angenommen, diesich mehr Unterstützung seitens des Betriebes bei <strong>der</strong> Bewältigung ihrer Suchtprobleme wünschen.Der/die Fallbegleiter/<strong>in</strong> fungiert als Begleitung <strong>und</strong> Ablaufverantwortliche/r im Case Management <strong>und</strong>ist dafür zuständig den/die Beschäftigte/n zu unterstützen. Außerdem ist es se<strong>in</strong>e/ihre Aufgabe, dieverschiedenen beteiligten Personen z.B. zuständige Personalverantwortliche, das externe Beratungs<strong>und</strong>Therapiesystem sowie das betriebliche Umfeld <strong>in</strong> e<strong>in</strong>en koord<strong>in</strong>ierten Ablauf des Hilfeangebotse<strong>in</strong>zub<strong>in</strong>den. Geme<strong>in</strong>sam wird mit dem Betroffenen abgewogen welche Schritte notwendig s<strong>in</strong>d, ume<strong>in</strong>e zielgerichtete Lösung <strong>und</strong> die dafür notwendigen Verän<strong>der</strong>ungen zu erreichen. Nach dem Pr<strong>in</strong>zip<strong>der</strong> Hilfe zur Selbsthilfe wird immer wie<strong>der</strong> geme<strong>in</strong>sam mit <strong>der</strong> betroffenen Person geklärt welche Unterstützungsie weiter benötigt. Als Fallbegleitung können <strong>in</strong>terne o<strong>der</strong> externe Berater/<strong>in</strong>nen tätigwerden, die Akzeptanz <strong>und</strong> personelle Kont<strong>in</strong>uität gewährleisten. E<strong>in</strong> Case Management sollte wegen<strong>der</strong> hohen Sensibilität des Umgangs mit ges<strong>und</strong>heitsbezogenen Informationen im Betrieb nur vonfachlich ausgebildeten <strong>in</strong>ternen Beratern o<strong>der</strong> von externen Beratungse<strong>in</strong>richtungen durchgeführtwerden.Case Management als Konzept be<strong>in</strong>haltet u.a. e<strong>in</strong>e Unterstützung, die auf die <strong>in</strong>dividuellen Bedarfe <strong>der</strong> jeweiligen Person zugeschnitten <strong>und</strong>abgestimmt s<strong>in</strong>d, Schwerpunkte, die je nach <strong>in</strong>dividueller Situation <strong>der</strong> betroffenen Person variieren können, die Aufgabe des Fallbegleiters, geme<strong>in</strong>sam mit <strong>der</strong> betroffenen Person am Hilfeplan (Vermittlung<strong>in</strong> Beratungs- <strong>und</strong> Behandlungsmaßnahmen, klientenbezogene Kooperation mit an<strong>der</strong>en Institutioneno<strong>der</strong> Fachkräften, Wie<strong>der</strong>e<strong>in</strong>glie<strong>der</strong>ung <strong>in</strong> den Arbeitsprozess, Falldokumentation <strong>und</strong>Netzwerkarbeit mitzuwirken, die gezielte Koord<strong>in</strong>ation verschiedener E<strong>in</strong>zelleistungen.Es sollte e<strong>in</strong>e klare <strong>in</strong>nerbetriebliche Verfahrensregelung für Fallbegleitung <strong>und</strong> Case Managementgeben Die Beratungsschritte <strong>und</strong> -<strong>in</strong>tensität sollte dabei immer am <strong>in</strong>dividuellen Bedarf <strong>der</strong> betroffenenPerson ausrichtet se<strong>in</strong>..Standard Für Beschäftigte im - fortgeschrittenen - Stufenverfahren sollte <strong>der</strong> Betrieb das Angebot <strong>der</strong> Fallbegleitung(ggf. auch e<strong>in</strong> Case Management) vorsehen. Für die Fallbegleitung (<strong>und</strong> das Case Management) sollte <strong>in</strong> den <strong>betrieblichen</strong> Suchtpräventionsprogrammene<strong>in</strong> Verfahren <strong>und</strong> die zuständigen Personen festgelegt werden. Diese sollten gutvernetzt se<strong>in</strong> im <strong>in</strong>ternen <strong>und</strong> regionalen Hilfesystem. Die Fallbegleitung (o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Case Manager) werden nur auf <strong>der</strong> Basis e<strong>in</strong>er schriftlichen E<strong>in</strong>verständniserklärung<strong>der</strong>/des auffällig gewordenen Beschäftigten tätig. Als Fallbegleitung (o<strong>der</strong> Case Manager) sollten <strong>in</strong>terne o<strong>der</strong> externe Berater/Berater<strong>in</strong>nen tätigwerden, die e<strong>in</strong>e personelle Kont<strong>in</strong>uität gewährleisten. Den Beschäftigten, <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e den Personalverantwortlichen, sollte bekannt se<strong>in</strong>, welche Personfür Fallbegleitung (das Case Management) im Betrieb zuständig ist. Der Kontakt muss leichthergestellt werden können. Case ManagerInnen sollten bestimmte fachliche Anfor<strong>der</strong>ungen erfüllen, z.B. Kenntnisse <strong>in</strong> motivieren<strong>der</strong>Gesprächsführung o<strong>der</strong> beraterische Qualifikationen, E<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung <strong>in</strong> das regionale Versorgungsnetz(Beratungsstellen, Behandlungsmöglichkeiten - ambulant, teilstationär, stationär). Sofern das Case Management an e<strong>in</strong>en externen Dienstleister vergeben wird, sollte das Verfahren<strong>und</strong> die Leistungen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Kooperationsvere<strong>in</strong>barung festgeschrieben werden, wor<strong>in</strong> auchgeregelt ist, welche Person <strong>in</strong>nerbetrieblich den Kontakt hält.


68Kapitel 3 Intervention, Beratungs- <strong>und</strong> HilfeangeboteBegründungszusammenhangH<strong>in</strong>tergr<strong>und</strong> <strong>der</strong> Überlegungen zur Fallbegleitung ist die häufig unbefriedigende betriebliche Begleitungvon auffällig gewordenen Beschäftigten, während sie den Stufenplan durchlaufen. Deshalb solltendie Stufenpläne ab Stufe 3 sicherstellen, dass den betroffenen Beschäftigten e<strong>in</strong>e Fallbegleitungangeboten wird. Für Beschäftigte, die dies wünschen, sollte auch e<strong>in</strong> Case Management vorgesehenwerden.Im Betrieb ist zwar e<strong>in</strong> konsequentes Vorgehen nach Stufenplan angesagt, sobald sich die Betroffenenaber <strong>in</strong> Therapie begeben haben, verliert das betriebliche Hilfesystem sie oftmals wie<strong>der</strong> aus demBlick. Bei ambulanten Therapien besteht zudem die Unsicherheit, welche Anfor<strong>der</strong>ungen an die Beschäftigtenwährend <strong>der</strong> Therapiephase gestellt werden dürfen. Deshalb macht es S<strong>in</strong>n, die <strong>in</strong>ternen<strong>und</strong> externen Hilfeangebote <strong>und</strong> Anfor<strong>der</strong>ungen stärker mite<strong>in</strong>an<strong>der</strong> zu vernetzen.Das setzt natürlich immer e<strong>in</strong> schriftlich e<strong>in</strong>geholtes E<strong>in</strong>verständnis <strong>der</strong> betroffenen Beschäftigtenvoraus.Bei Betrieben mit hauptamtlichen Sozial- <strong>und</strong> Suchtberatungen können e<strong>in</strong> Konzept für Fallbegleitung(<strong>und</strong> Case Management) vorhalten, das klar <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er <strong>betrieblichen</strong> Verfahrensregelung verankert ist.Der Vorteil <strong>der</strong> <strong>in</strong>ternen E<strong>in</strong>richtung ist ihre gute Erreichbarkeit. Sichergestellt werden muss aber, dassdie Beratungspersonen fachlich h<strong>in</strong>reichend qualifiziert s<strong>in</strong>d.Bei Betrieben mit nebenamtlichen Ansprechpersonen kann die Fallbegleitung durch diese durchgeführt,das Case Management aber <strong>in</strong> Kooperation mit e<strong>in</strong>em externen Dienstleister organisiert werden.Es sollte festgelegt werden, <strong>in</strong> welcher Form die betriebliche Ansprechperson <strong>in</strong> die Kooperation desCase Management-Prozesses e<strong>in</strong>bezogen wird.Betriebe ohne <strong>in</strong>terne Beratungs- <strong>und</strong> Hilfestrukturen s<strong>in</strong>d für die Suchtprävention <strong>und</strong> -hilfe generellauf die Kooperation mit externen Dienstleistern angewiesen. Hier wird <strong>der</strong> Case Management-Prozessim Betrieb angestoßen, aber extern organisiert.


Kapitel 3 Intervention, Beratungs- <strong>und</strong> Hilfeangebote 69Case-Management SynopseKle<strong>in</strong>e, mittlere Betriebe <strong>und</strong>E<strong>in</strong>richtungenBetriebe mit nebenamtlichenAnsprechpersonenBetriebe mit hauptamtlichenAnsprechpersonenWer ist <strong>der</strong> Fallbegleiter?Externe ExpertenExterne BeratungsstellenSuchtambulanzen z.B. Fachkl<strong>in</strong>ikenfür Abhängigkeitserkrankun-Externe Experten <strong>in</strong> Kooperationmit <strong>in</strong>ternen AnsprechpersonenPräventionBeratungGes<strong>und</strong>heitsmanagementgenPersonalverantwortlichePersonalverantwortlicheWer bahnt denZugang?Personalverantwortliche,BetriebsarztBetriebs- / Personalrat,BetriebsarztBetriebs/-PersonalratGes<strong>und</strong>heitsmanagement,GleichstellungsbeauftragteBetriebsarztBetriebs/-PersonalratGes<strong>und</strong>heitsmanagementGleichstellungsbeauftragteAkteure im BEM u.a.Akteure im BEM u.a.AnsprechpartnerFunktion des CaseManagersImplementierungOrganisationBegleitung= Anbahner, <strong>der</strong> die Fallbegleitunge<strong>in</strong>leitetCase ManagerUnterstützungOrganisation= Begleiter/UnterstützerIntern: KooperationskonzeptQualifikation, Büro, Sprech-Qualifikation, Konzept, Büro,Anfor<strong>der</strong>ungenExtern: Zielführendes Konzept,h<strong>in</strong>reichende Qualifikationzeiten, Kooperation mitexterner/-n Fachstelle/-nSprechzeit, Kooperation mitexterner/-n Fachstelle/-nAbb. 10Case Management <strong>in</strong> unterschiedlichen <strong>betrieblichen</strong> Rahmenbed<strong>in</strong>gungenQuelle: Ebel<strong>in</strong>g 2004Arbeitsschritte Analyse bisheriger Verfahren <strong>und</strong> Klärung, <strong>in</strong>wieweit e<strong>in</strong>e optimale Fallbegleitung gewährleistet isto<strong>der</strong> ob sie durch e<strong>in</strong> abgestimmtes Verfahren <strong>der</strong> Fallbegleitung (<strong>und</strong>/o<strong>der</strong> des Case Managements)ergänzt werden sollten. E<strong>in</strong>holen von Informationen zu den regionalen Versorgungsstrukturen im Suchthilfesystem <strong>und</strong>Klären <strong>der</strong> Kooperationsmöglichkeiten. Abstimmung e<strong>in</strong>es Verfahrens für Fallbegleitung (<strong>und</strong> Case Management) mit den e<strong>in</strong>schlägigenRout<strong>in</strong>en <strong>und</strong> Abläufen. Festlegung <strong>und</strong> Bekanntmachung <strong>der</strong> <strong>in</strong>ternen Person o<strong>der</strong> E<strong>in</strong>richtung, die als Fallbegleitung(o<strong>der</strong> Case Manager/-<strong>in</strong>) beauftragt werden soll.


70Kapitel 3 Intervention, Beratungs- <strong>und</strong> HilfeangeboteLiteratur <strong>und</strong> MaterialienBBS - B<strong>und</strong>esverband Betriebliche Sozialarbeit e.V. (2000) Case Management. Tagungsdokumentation.Hillebrand, R. (2004) Gutachten: Elemente des Case Management <strong>in</strong> Prävention <strong>und</strong> Suchtberatung e<strong>in</strong>er <strong>betrieblichen</strong>Sozialberatung. Bremen.Ebel<strong>in</strong>g, J. (2004) Gutachten: Case Management <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>betrieblichen</strong> Suchtprävention <strong>und</strong> Suchthilfe. Fuldabrück.Wendt, Wolf Ra<strong>in</strong>er (1999) Case Management im Sozial- <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heitswesen. 2.Aufl. Freiburg: Lambertus.3.4.4 Beratung zum Themenkreis Prävention von ges<strong>und</strong>heitlichen GefährdungenBeratungen zum Themenkreis Prävention von ges<strong>und</strong>heitlichen Gefährdungen <strong>und</strong> Vorbeugung vonSuchtproblemen können sich auf ges<strong>und</strong>heitliche, soziale o<strong>der</strong> auf arbeitsbezogene Aspekte beziehen.Für <strong>in</strong>terne Beratungen steht z.B. auf <strong>der</strong> Seite <strong>der</strong> <strong>betrieblichen</strong> Beratung e<strong>in</strong> Beitrag zur Verän<strong>der</strong>ungvon Konsumkulturen im <strong>der</strong> Organisation o<strong>der</strong> <strong>in</strong> bestimmten Arbeitsbereichen an. Es geht umBegleitung <strong>der</strong> Entwicklung alternativer Modelle sowie zur Abstimmung <strong>der</strong> gewünschten Regelungen.Auf <strong>der</strong> Seite <strong>der</strong> <strong>in</strong>dividuellen Beratung geht es um die Entwicklung e<strong>in</strong>es persönlichen verantwortungsvollenUmgangs mit Suchtmitteln <strong>und</strong> den Möglichkeiten von Beschäftigten, ges<strong>und</strong>heitsriskanteVerhaltensweisen aufzugeben.In erster L<strong>in</strong>ie s<strong>in</strong>d es die hauptamtlich besetzten Sucht- o<strong>der</strong> Sozialberatungen, die dieses Beratungsfeldbreit bedienen können. Ihnen steht nicht nur e<strong>in</strong> größeres Zeitkont<strong>in</strong>gent für ihre Arbeit zurVerfügung, sie s<strong>in</strong>d meist auch über Ausbildung <strong>und</strong> Berufserfahrung bereits mit den Themen präventiverBeratung befasst. Außerdem s<strong>in</strong>d sie <strong>in</strong> <strong>der</strong> Regel enger <strong>in</strong> das <strong>in</strong>terne Netzwerk von Arbeitsschutz,Ges<strong>und</strong>heitsför<strong>der</strong>ung, Personalentwicklung <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heitsmanagement e<strong>in</strong>geb<strong>und</strong>en.Im E<strong>in</strong>zelnen geht es z.B. um:Beratung bei Überfor<strong>der</strong>ung, Unterstützung bei ges<strong>und</strong>heitlichen Problemen, vor allembei hoher psychischer Beanspruchung im beruflichen wie im privaten Bereich;Beratung bei kollegialen Konflikten am Arbeitsplatz, Mitarbeiter-Vorgesetztenkonflikten,bei angenommenen o<strong>der</strong> tatsächlichen Mobb<strong>in</strong>gproblemen;Sensibilisierung für die Verän<strong>der</strong>ung Sucht för<strong>der</strong>n<strong>der</strong> Arbeitsbed<strong>in</strong>gungen, Beratungzum Ausbalancieren von Arbeitsbelastungen;Beratung von Beschäftigten bei psychischen Krisen;Unterstützung bei (drohenden) sozialen Problemen o<strong>der</strong> Ängsten wie z.B.Arbeitsplatzverlust, Zukunftsängsten, Verschuldung;Beratung <strong>und</strong> Begleitung im Prozess des Ausscheidens aus dem Erwerbsleben;Beratung von Vorgesetzten bei <strong>der</strong> Umsetzung des Konzeptes desges<strong>und</strong>heitsorientierten Führens,Unterstützung von Führungskräften <strong>und</strong> MitarbeiterInnnen bei <strong>der</strong> ErmittlungGes<strong>und</strong>heit gefährden<strong>der</strong> sowie salutogener Faktoren am Arbeitsplatz.


Kapitel 3 Intervention, Beratungs- <strong>und</strong> Hilfeangebote 71Standard Die betriebliche Suchtprävention sollte eng mit <strong>der</strong> Beratung zu präventiven Themen verknüpftwerden. Die Breite des Beratungsangebots sollte festgelegt bzw. beschrieben werden, um es den Beschäftigtenbekannt zu machen. Soweit mehrere betriebliche Beratungse<strong>in</strong>richtungenexistieren, sollten die Aufgaben <strong>und</strong> Zuständigkeiten klar erkennbar se<strong>in</strong>. Betriebliche Suchtberater <strong>und</strong> -berater<strong>in</strong>nen sowie an<strong>der</strong>e Akteure <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>betrieblichen</strong> Suchtpräventionsollten für Themenbereiche, die von ihnen nicht bearbeitet werden (können), qualifiziert ankompetente <strong>in</strong>terne o<strong>der</strong> externe Stellen weitervermitteln.BegründungszusammenhangBeratung zu präventiven Themen gew<strong>in</strong>nt im Betrieb - nicht zuletzt durch Ges<strong>und</strong>heitsmanagement<strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heitsför<strong>der</strong>ung - immer stärker an Bedeutung. Neben Information <strong>und</strong> Aufklärung ist diesesBeratungsfeld e<strong>in</strong> wichtiger Raum, um den Präventionsgedanken allgeme<strong>in</strong> <strong>und</strong> suchtpräventiveZiele im Beson<strong>der</strong>en <strong>in</strong> die Betriebe h<strong>in</strong>e<strong>in</strong> zu transportieren.Beratung zu speziellen o<strong>der</strong> zu übergreifenden präventiven Themen stellt für die betriebliche Suchtpräventiongegenwärtig e<strong>in</strong>e große Herausfor<strong>der</strong>ung dar. Wenn we<strong>der</strong> die Ressourcen noch die professionellenKompetenzen <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>in</strong>ternen Beratung vorhanden s<strong>in</strong>d, sollten die Möglichkeiten <strong>der</strong>Kooperation mit an<strong>der</strong>en Beratungse<strong>in</strong>richtungen <strong>und</strong> <strong>der</strong> <strong>betrieblichen</strong> Ges<strong>und</strong>heitsför<strong>der</strong>ung o<strong>der</strong>mit externen Netzwerkpartnern geprüft werden.Arbeitsschritte Abstimmung <strong>und</strong> Entscheidung im Arbeitskreis/Steuerkreis, welche Themenbereiche <strong>der</strong> präventivenBeratung im Betrieb angeboten werden sollen <strong>und</strong> mit welchen an<strong>der</strong>en E<strong>in</strong>richtungen dazukooperiert werden muss. Beauftragung <strong>der</strong> <strong>in</strong>ternen Beratung, welche Themen von ihr neben <strong>der</strong> <strong>betrieblichen</strong> Suchtberatungmit abgedeckt werden sollen. Sicherstellung <strong>der</strong> fachlichen Weiterqualifizierung für die erweiterten Beratungsthemen.Literatur <strong>und</strong> MaterialienBürgi, A. / Eberhart, H. (2004) Beratung als strukturierter <strong>und</strong> kreativer Prozess. E<strong>in</strong> Lehrbuch für die ressourcenorientiertePraxis. Gött<strong>in</strong>gen: Vandenhoek & Ruprecht.Lauterbach, M. (2005) Ges<strong>und</strong>heitscoach<strong>in</strong>g. Strategien <strong>und</strong> Methoden für Fitness <strong>und</strong> Lebensbalance im Beruf.Heidelberg: Carl-Auer-VerlagRummel, M. (2001) Zukunftsorientierte Konzepte <strong>der</strong> Betrieblichen Suchtprävention – Qualitätsstandards <strong>und</strong>Innovationsbedarf. Vortrag bei <strong>der</strong> Internationalen Konferenz „Alkohol am Arbeitsplatz“ des Saarländischen M<strong>in</strong>isteriumsfür Frauen, Arbeit, Ges<strong>und</strong>heit <strong>und</strong> Soziales am 23.Okt.2002, Saarbrücken.Schumann, G. (2004) Ges<strong>und</strong>heitsför<strong>der</strong>liches Führungsverhalten <strong>und</strong> lösungsorientierte Interventionen am Arbeitsplatz.Oldenburg: Carl von Ossietzky Universität


72Kapitel 4Betriebliche Suchtberatung4 Betriebliche Suchtberatung – Interne E<strong>in</strong>richtungen<strong>und</strong> externe Dienstleister4.1 Art <strong>und</strong> Ausstattung <strong>der</strong> <strong>betrieblichen</strong> SuchtberatungDas Angebot von <strong>in</strong>terner Beratung ist e<strong>in</strong> Kernbauste<strong>in</strong> betrieblicher Suchtprävention <strong>und</strong> Suchthilfe.Die <strong>in</strong>ternen E<strong>in</strong>richtungen haben jedoch seit jeher sehr unterschiedliche Ausprägungen. Der Rahmenreicht von breit angelegter Sozialberatung bis h<strong>in</strong> zur nebenamtlichen Suchthilfe ohne Freistellung <strong>und</strong>hängt wesentlich von <strong>der</strong> Größe <strong>und</strong> Struktur des Betriebes <strong>und</strong> den vorhandenen Ressourcen ab.Vier Gr<strong>und</strong>modelle <strong>der</strong> Organisation <strong>und</strong> Besetzung <strong>der</strong> E<strong>in</strong>richtungen <strong>in</strong>terner Beratung lassen sichunterscheiden:• Nebenamtliche Beratung, getragen durch betriebliche Suchtkrankenhelfer/-<strong>in</strong>nen / kollegiale Berater/-<strong>in</strong>nen/ soziale Ansprechpartner/-<strong>in</strong>nen, kurz: Ansprechpersonen für Suchtfragen.• Hauptamtliche Beratung, überwiegend besetzt mit e<strong>in</strong>schlägig qualifizierten <strong>betrieblichen</strong> Sozialo<strong>der</strong>Suchtberater/-<strong>in</strong>nen o.ä..• Haupt- <strong>und</strong> nebenamtliche Beratung, Komb<strong>in</strong>ationsmodell von hauptamtlichen Beratern/-<strong>in</strong>nen<strong>und</strong> nebenamtlich tätigen Ansprechpersonen für Suchtfragen.• Durch Beauftragung externer Dienstleister (Beratungsstellen, Verbände, selbständige Berater/-<strong>in</strong>nen) gewährleistete Beratung.E<strong>in</strong>richtungen <strong>der</strong> <strong>in</strong>ternen Beratung <strong>und</strong> Suchthilfe können <strong>in</strong> erheblichem Maße zur E<strong>in</strong>schränkungges<strong>und</strong>heitlicher Gefährdungen, zur Ges<strong>und</strong>heitsför<strong>der</strong>ung <strong>und</strong> zur Qualität <strong>der</strong> Arbeit im Betrieb beitragen.Es gibt qualifizierte H<strong>in</strong>weise, dass sich <strong>in</strong>terne E<strong>in</strong>richtungen für die Betriebe als Kosten e<strong>in</strong>sparen<strong>der</strong>weisen. In engem Kontakt mit den Beschäftigten <strong>und</strong> Vorgesetzten können sie den Beteiligtenbei Auffälligkeiten durch ges<strong>und</strong>heitliche, persönliche o<strong>der</strong> soziale Probleme frühzeitig Unterstützunggeben <strong>und</strong> tragen damit zur Vermeidung von Störungen im Arbeitsablauf <strong>und</strong> zur Entspannungdes Betriebsklimas bei. Der Faktor soziale Unterstützung ist generell bedeutsam für die Bewältigungvon Stressbelastungen <strong>und</strong> das soziale Zusammenwirken im Arbeitsumfeld. Er stärkt die ges<strong>und</strong>heitsför<strong>der</strong>lichenRessourcen <strong>der</strong> Organisation <strong>und</strong> die Ges<strong>und</strong>heitskompetenz <strong>der</strong> Beschäftigten. Angesichts<strong>der</strong> Zunahme psychischer Belastungen <strong>und</strong> Probleme am Arbeitsplatz nimmt <strong>der</strong> Bedarf anBeratung <strong>und</strong> an gut funktionierende <strong>in</strong>terne Unterstützungssysteme, die sich nicht ausschließlich anSuchtgefährdete richten, weiter zu.StandardStandards für die E<strong>in</strong>richtung e<strong>in</strong>es <strong>in</strong>ternen Beratungsangebots im Bereich Vorbeugung <strong>und</strong> Hilfe beiSuchtgefährdung werden <strong>in</strong> Anlehnung an die 1999 von <strong>der</strong> Nord AG Betriebliche Suchtprävention(NABS) formulierten Orientierungshilfen <strong>und</strong> Kriterien <strong>in</strong> Abhängigkeit von den Betriebsgrößen beschrieben:


Kapitel 4 Betriebliche Suchtberatung 73 Kle<strong>in</strong>- <strong>und</strong> Handwerksbetriebe bzw. entsprechende öffentliche DienststellenKle<strong>in</strong>- <strong>und</strong> Handwerksbetriebe, soziale E<strong>in</strong>richtungen o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>e kle<strong>in</strong>ere Organisationse<strong>in</strong>heiten(bis ca. 50 Beschäftigte) sollten für Aktivitäten zur Suchtprävention <strong>und</strong> –hilfe entwe<strong>der</strong>• auf die Unterstützung von Beratungsstellen zurückgreifen,• sich an e<strong>in</strong> bestehendes regionales Netzwerk anschließen,• mit an<strong>der</strong>en Betrieben kooperieren (z.B. bei <strong>der</strong> Durchführung von Sem<strong>in</strong>aren für Personalverantwortliche)o<strong>der</strong>• e<strong>in</strong>en Vertrag mit e<strong>in</strong>em externen Dienstleister abschließen. Kle<strong>in</strong>ere Mittelbetriebe <strong>und</strong> entsprechende DienststellenKle<strong>in</strong>eren Mittelbetrieben o<strong>der</strong> entsprechenden Dienststellen (bis ca. 200 Beschäftigte) steht <strong>der</strong>oben aufgezeigte Weg <strong>in</strong> gleicher Weise offen. Darüber h<strong>in</strong>aus sollten im Betrieb aber alternativ e<strong>in</strong> o<strong>der</strong> mehrere Beauftragte benannt werden, die <strong>in</strong> engem Kontakt mit externen Beratungse<strong>in</strong>richtungenstehen, e<strong>in</strong>e nebenamtliche Ansprechperson für Suchtfragen qualifiziert <strong>und</strong> e<strong>in</strong>gesetzt werden, e<strong>in</strong>e hauptamtliche Sucht- <strong>und</strong> Sozialberatung st<strong>und</strong>enweise e<strong>in</strong>gerichtet werden. Größere Mittelbetriebe, Großbetriebe <strong>und</strong> entsprechende DienststellenBei größeren Mittelbetrieben <strong>und</strong> Großbetrieben sollte <strong>in</strong> jedem Fall e<strong>in</strong>e <strong>in</strong>terne Beratung e<strong>in</strong>gerichtetwerden, die alternativ hauptamtlich besetzt wird, durch e<strong>in</strong>e Komb<strong>in</strong>ation von Hauptamtlichen <strong>und</strong> Nebenamtlichen getragen wird, durch e<strong>in</strong>en externen Dienstleister o<strong>der</strong> durch e<strong>in</strong>e Komb<strong>in</strong>ation von nebenamtlichen Ansprechpersonen <strong>und</strong> externem Dienstleisterbedient wird. Für alle Modelle gilt, dass Gr<strong>und</strong>lage des <strong>in</strong>ternen Beratungsangebots das vom Arbeitskreis/Steuerungsgremiumerarbeitete Suchtpräventions- <strong>und</strong> Suchthilfekonzept se<strong>in</strong> sollte. Es beschreibtZiele, Inhalte, Art <strong>und</strong> Aufgaben <strong>der</strong> <strong>in</strong>ternen Suchthilfe sowie Pflichten <strong>und</strong> Rechte <strong>der</strong> <strong>in</strong><strong>der</strong> Suchtberatung tätigen Personen. Dar<strong>in</strong> sollten auch die sächlichen Voraussetzungen (Anb<strong>in</strong>dung<strong>der</strong> Stelle, Räume, Ausstattung) sowie qualifikatorischen Voraussetzungen für die Beratungstätigkeitbeschrieben werden.Ehe sich Betriebe für e<strong>in</strong> Modell <strong>der</strong> <strong>in</strong>ternen Beratung für Suchtfragen entscheiden, sollten sie sich<strong>in</strong>tensiv mit dem eigenen Bedarf an Beratungsangeboten generell, <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e auch zu psychischenBelastungen <strong>und</strong> an<strong>der</strong>en psychischen Erkrankungen ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>zusetzen. Dabei können die hierbeschriebenen Standards Orientierung geben, ebenso wie für die Auswahl geeigneter Personen fürdie haupt- <strong>und</strong>/o<strong>der</strong> nebenamtliche Beratungstätigkeit.4.1.1 Hauptamtlich besetzte E<strong>in</strong>richtungenDie Standards für hauptamtlich besetzte E<strong>in</strong>richtungen variieren, je nach Art des Modells <strong>der</strong> <strong>in</strong>ternenBeratung für das man sich <strong>in</strong> Abhängigkeit von <strong>der</strong> Betriebsgröße <strong>und</strong> –struktur im Rahmen desSuchtpräventionsprogramms entschieden hat.Zu <strong>der</strong> Frage, ab welcher Beschäftigtenzahl sich <strong>der</strong> E<strong>in</strong>satz professionellen Personals <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>betrieblichen</strong>Suchtprävention anbietet, f<strong>in</strong>den sich <strong>in</strong> <strong>der</strong> Literatur e<strong>in</strong>ige Anhaltszahlen: Die E<strong>in</strong>stellung e<strong>in</strong>er qualifizierten hauptamtlichen Kraft rechnet sich aus gewerkschaftlicherSicht schon bei e<strong>in</strong>er Mitarbeiterzahl von 500 (Russland 1988). Zum<strong>in</strong>dest lässt sich hierfürbereits e<strong>in</strong>e hautamtliche Kraft mit St<strong>und</strong>enkont<strong>in</strong>gent e<strong>in</strong>setzen. Zbrzezhy benennt e<strong>in</strong>e Rentabilitätsgrenze von 2000 bis 3000 Mitarbeitern pro hauptamtlichenBerater (Zbrzezhy 1989). Ziegler schreibt aufgr<strong>und</strong> <strong>der</strong> langjährigen Erfahrung als externer Anbieter <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>betrieblichen</strong>Suchtprävention, dass es sich „…bei Betrieben mit mehr als 1000 Beschäftigten lohnt, e<strong>in</strong>e


74Kapitel 4Betriebliche Suchtberatungqualifizierte Fachkraft, z.B. Sozialpädagogen o<strong>der</strong> Sozialarbeiter, e<strong>in</strong>zustellen“ (Ziegler/Brandl1999:86).Im Ergebnispapier <strong>der</strong> 6.B<strong>und</strong>esweiten Arbeitstagung „Betriebliche Suchtkrankenhilfe <strong>und</strong>Suchtprävention an Universitäten, Hochschulen <strong>und</strong> Universitätskl<strong>in</strong>iken“ (Arbeitsgruppe 4)wird als Qualitätsstandard benannt, dass das Aufgabenfeld <strong>der</strong> <strong>betrieblichen</strong> Suchtberatung<strong>und</strong> Suchtprävention bei etwa 3000 MitarbeiterInnen e<strong>in</strong>e Vollzeitstelle benötigt.Sicherlich kann <strong>der</strong> notwendige Stellenumfang nicht ausschließlich aus dem Faktor Anzahl <strong>der</strong> Mitarbeiter/-<strong>in</strong>nengeschlussfolgert werden, son<strong>der</strong>n es s<strong>in</strong>d gleichzeitig Art <strong>und</strong> Umfang <strong>der</strong> Aufgaben <strong>der</strong><strong>betrieblichen</strong> Suchtprävention sowie weitere Aufgaben <strong>der</strong> <strong>betrieblichen</strong> Sozialberatung, Ges<strong>und</strong>heitsför<strong>der</strong>ung,Konflikt- <strong>und</strong> Krisenberatung etc. zu berücksichtigen. Als Orientierungshilfe ersche<strong>in</strong>t aberdas Verhältnis von e<strong>in</strong>er hauptamtlich <strong>in</strong> Vollzeit besetzten <strong>in</strong>ternen Beratung auf 2000 bis 3000 Beschäftigteals angemessen. In Verb<strong>in</strong>dung mit dem beson<strong>der</strong>en Beratungsbedarf von Führungskräftenim Umgang mit ges<strong>und</strong>heitlich, <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e psychisch bee<strong>in</strong>trächtigten Personen, kann schon ab1000 Beschäftigte e<strong>in</strong> Bedarf für e<strong>in</strong>e <strong>in</strong>terne hauptamtliche E<strong>in</strong>richtung (<strong>in</strong> Teilzeit) bestehen.Als Standard def<strong>in</strong>ieren lässt sich die Gestaltung des Auftrags, die fachliche Qualifikation <strong>und</strong> dieFortbildung <strong>und</strong> Supervision <strong>der</strong> hauptamtlichen Beratungse<strong>in</strong>richtung.StandardAuftrag <strong>und</strong> Aufgaben Auftrag <strong>und</strong> Aufgaben <strong>der</strong> hauptamtlichen Kräfte <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>in</strong>ternen Beratung sollten im Steuerungsgremium/Arbeitskreisabgestimmt <strong>und</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> Betriebs- o<strong>der</strong> Dienstvere<strong>in</strong>barung <strong>und</strong>/o<strong>der</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong>Stellenbeschreibung festgelegt werden.Beispiel für die Festschreibung <strong>in</strong> <strong>der</strong> BV/DV Hauptamtliche organisieren <strong>in</strong> Abstimmung mit dem Steuerungsgremium die präventiven Maßnahmen,unterbreiten Vorschläge zur Ges<strong>und</strong>heitsför<strong>der</strong>ung, nutzen die verschiedenen Möglichkeiten,die Ursachen e<strong>in</strong>es riskanten Konsums zu ermitteln <strong>und</strong> zeigen Wege zur Beseitigung von(<strong>in</strong> <strong>der</strong> Arbeit liegenden) Ursachen e<strong>in</strong>es erhöhten Suchtmittelkonsums auf. Sie arbeiten im Rahmen ihrer Beratungstätigkeit fachlich weisungsfrei. Dabei müssen sie dierechtlichen Bestimmungen berücksichtigen. Ihre Tätigkeit <strong>in</strong> <strong>der</strong> Beratung unterliegt <strong>der</strong> Schweigepflicht. Sie arbeiten für die Ziele dieser Vere<strong>in</strong>barung eng mit den <strong>in</strong>ternen Stellen zusammen, die mitihren Aktivitäten im <strong>betrieblichen</strong> Ges<strong>und</strong>heitsmanagement vertreten s<strong>in</strong>d, <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e mit demArbeits- <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heitsschutz, dem <strong>betrieblichen</strong> E<strong>in</strong>glie<strong>der</strong>ungsmanagement, <strong>der</strong> Ges<strong>und</strong>heitsför<strong>der</strong>ungsowie <strong>der</strong> Personal- <strong>und</strong> Organisationsentwicklung. Hauptamtliche E<strong>in</strong>richtungen nehmen Aufgaben zur vorbeugenden Arbeit im Betrieb wahr <strong>und</strong><strong>in</strong>formieren die Beschäftigten, führen Sem<strong>in</strong>are, <strong>in</strong>sb. für Führungskräfte <strong>und</strong> Personalverantwortliche,durch, planen <strong>und</strong> realisieren Präventionsaktionen. Sie bieten Beschäftigten Beratung an bei eigenen Problemen sowie bei Auffälligkeiten <strong>in</strong> ihremUmfeld. Sie <strong>in</strong>formieren Beschäftigte mit riskanten Konsummustern o<strong>der</strong> Verhaltensweisen überSucht- <strong>und</strong> an<strong>der</strong>e ges<strong>und</strong>heitliche Gefährdungen. Zur Beratung kooperieren sie mit den Beratungs-<strong>und</strong> Fachstellen sowie therapeutischen E<strong>in</strong>richtungen <strong>in</strong> <strong>der</strong> Region. Sie beraten <strong>und</strong> unterstützen Vorgesetzte <strong>und</strong> sonstige Personalverantwortliche bei <strong>der</strong> E<strong>in</strong>leitungvon Maßnahmen nach den Gr<strong>und</strong>sätzen dieser Vere<strong>in</strong>barung. Sie übernehmen die Geschäftsführung bzw. Koord<strong>in</strong>ation des Steuerungsgremiums. Sofern darüber h<strong>in</strong>aus nebenamtliche Ansprechpersonen e<strong>in</strong>gesetzt werden, koord<strong>in</strong>ieren sie<strong>der</strong>en Arbeit <strong>und</strong> unterstützen sie durch Fall- <strong>und</strong> Praxisbegleitung.


Kapitel 4 Betriebliche Suchtberatung 75 Sie haben e<strong>in</strong>e Auswertungs- <strong>und</strong> Berichtspflicht über die Tätigkeiten <strong>der</strong> E<strong>in</strong>richtung, jedoch nichtüber den Inhalt <strong>der</strong> Beratungen im E<strong>in</strong>zelfall, gegenüber dem Steuerungsgremium o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Betriebs-bzw. Dienststellenleitung. Der Bericht erhält auch Angaben über die Maßnahmen zur Qualitätssicherungdes Beratungsangebots, eigene Weiterbildung <strong>und</strong> Supervision.Ausstattung hauptamtlicher E<strong>in</strong>richtungen Die hauptamtliche Beratung sollte personell so ausgestattet se<strong>in</strong> (zeitlicher Umfang <strong>der</strong> Stelle,Qualifikation <strong>und</strong> Kompetenzen des Beraters/<strong>der</strong> Berater<strong>in</strong>), dass e<strong>in</strong>e optimale Erfüllung <strong>der</strong> Aufgabenim Rahmen des Suchtpräventionsprogramms gewährleistet ist. Hauptamtliche arbeiten <strong>in</strong> <strong>der</strong> Beratungstätigkeit unabhängig <strong>und</strong> weisungsfrei. Die organisatorische Anb<strong>in</strong>dung <strong>der</strong> <strong>in</strong>ternen Beratung sollte die Neutralität <strong>der</strong> Beratungse<strong>in</strong>richtungsichtbar machen. Geeignet ist z.B. die E<strong>in</strong>richtung e<strong>in</strong>er Stabsstelle o<strong>der</strong> die E<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung <strong>in</strong>sGes<strong>und</strong>heitsmanagement. Die Ausstattung mit Räumlichkeiten sowie sachlichen <strong>und</strong> f<strong>in</strong>anziellen Mitteln sollte e<strong>in</strong>e professionelle<strong>in</strong>terne Beratung ermöglichen. Die hauptamtliche E<strong>in</strong>richtung sollte je nach Betriebsgröße <strong>und</strong> –struktur durch nebenamtlichebetriebliche Ansprechpersonen ergänzt werden. Dies bietet sich vor allem <strong>in</strong> größeren o<strong>der</strong> dezentralenOrganisationse<strong>in</strong>heiten an.Aufbildung <strong>und</strong> Qualifikation hauptamtlicher Ansprechpartner Aufgr<strong>und</strong> <strong>der</strong> komplexen Anfor<strong>der</strong>ungen, die für Hauptamtliche im Rahmen <strong>der</strong> <strong>betrieblichen</strong>Suchtpräventionsprogramme <strong>und</strong> dem Ges<strong>und</strong>heitsmanagement anfallen, sollte e<strong>in</strong>e Ausbildungmit Hochschulabschluss <strong>der</strong> Fachrichtung Psychologie, Pädagogik, Soziologie, Sozialpädagogik,Sozialarbeit o.ä. bzw. e<strong>in</strong>e vergleichbare Berufsqualifikation vorliegen. Zur Gr<strong>und</strong> legenden Qualifikation für das Arbeitsfeld betriebliche Suchtprävention <strong>und</strong> –hilfe solltendie folgenden Kompetenzen gerechnet werden:Fachliche Qualifikationen Kenntnis <strong>der</strong> aktuellen Konzepte <strong>der</strong> <strong>betrieblichen</strong> Suchtprävention <strong>und</strong> -hilfe, Kenntnis <strong>der</strong> präventivenAnsätze des Risikokonsums/Punktnüchternheit, Überblick über die Suchtkonzepte, Fähigkeitzur Erarbeitung von Präventionskonzepten, Bereitschaft zur <strong>in</strong>terdiszipl<strong>in</strong>ären Kooperation,Kenntnis <strong>der</strong> aktuellen Versorgungsstrukturen <strong>und</strong> des Case Managements, Kenntnis <strong>der</strong> Ansätze<strong>der</strong> Qualitätssicherung <strong>der</strong> Arbeit im Suchtprävention;Beratungskompetenzen Arbeit mit aktuellen Beratungsansätzen, ressourcenorientierte <strong>und</strong> lösungsorientierte Ansätze(z.B. Motivierende Gesprächsführung, MOVE), Kenntnis <strong>der</strong> Konzepte zur <strong>in</strong>dividuellen Konsumreduzierung(KT, SKOLL, Nichtraucherkurse), Erfahrung mit <strong>der</strong> Beratung im Rahmen betrieblicherInterventionskonzepte;Persönliche <strong>und</strong> soziale Kompetenzen Fähigkeit zur Kommunikation <strong>und</strong> Kommunikationsbereitschaft, Empathiefähigkeit, Bewusstheit<strong>der</strong> eigenen Ressourcen <strong>und</strong> objektiven wie subjektiven Grenzen, Konfliktfähigkeit <strong>und</strong> mediativeKompetenz; Bereitschaft zu fachlichen <strong>und</strong> persönlichen Entwicklungsprozessen z.B. durch kont<strong>in</strong>uierlicheWeiterbildung <strong>und</strong> Supervision;


76Kapitel 4Betriebliche SuchtberatungFeldkompetenzen Kenntnis <strong>der</strong> Strukturen von Wirtschafts- <strong>und</strong> Verwaltungsorganisationen, Überblick über die <strong>betrieblichen</strong>Leitl<strong>in</strong>ien <strong>und</strong> Prozesse, Funktionsbereiche <strong>und</strong> Rollen, Akzeptanz <strong>der</strong> <strong>betrieblichen</strong>Ziele <strong>in</strong> <strong>der</strong> Suchtprävention <strong>und</strong> -hilfe, Kenntnis <strong>der</strong> rechtlichen Rahmenbed<strong>in</strong>gungen <strong>und</strong> <strong>betrieblichen</strong>Regelungen, E<strong>in</strong>blick <strong>in</strong> die formalen <strong>und</strong> <strong>in</strong>formellen Strukturen e<strong>in</strong>er Organisation,Nutzung <strong>der</strong> (regionalen) Netzwerke <strong>und</strong> Versorgungsstrukturen;Strategische Kompetenzen Flexibilität <strong>in</strong> komplexen <strong>und</strong> sich schnell verän<strong>der</strong>nden Systembed<strong>in</strong>gungen, Verhandlungsfähigkeit,Fähigkeit zur För<strong>der</strong>ung <strong>und</strong> Integration des Suchtpräventionsprogramms <strong>in</strong> die <strong>betrieblichen</strong>Strukturen, Prozesse <strong>und</strong> Politiken, Fähigkeit zum Perspektivwechsel <strong>und</strong> <strong>der</strong> E<strong>in</strong>beziehung betrieblicherInteressen bei <strong>der</strong> Entwicklung <strong>und</strong> Verfolgung fachlicher <strong>und</strong> persönlicher Interessen.Weiterbildung <strong>und</strong> Supervision Fort- <strong>und</strong> Weiterbildung sowie Supervision gehören zum Standard professioneller Arbeit <strong>in</strong> <strong>der</strong><strong>betrieblichen</strong> Suchtprävention <strong>und</strong> -hilfe. Hauptamtlichen sollte die Teilnahme an Coach<strong>in</strong>gs, Fort- <strong>und</strong> Weiterbildungsmaßnahmen nachfachlichem Bedarf kont<strong>in</strong>uierlich ermöglicht werden. Regelmäßige Supervision sollte <strong>in</strong> den Arbeitsgr<strong>und</strong>lagen für die hauptamtliche E<strong>in</strong>richtung festgeschrieben<strong>und</strong> im Budget berücksichtigt werden.BegründungszusammenhangDie aktuellen Herausfor<strong>der</strong>ungen <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>betrieblichen</strong> Suchtprävention erfor<strong>der</strong>n zunehmend professionelleStrukturen. Dazu kommt auch die Integration <strong>der</strong> Suchtprävention <strong>in</strong> das betriebliche Ges<strong>und</strong>heitsmanagementmit den neuen Möglichkeiten <strong>und</strong> Aufgaben im Rahmen <strong>der</strong> Prävention ges<strong>und</strong>heitlicherGefährdungen am Arbeitsplatz vor allem durch verstärkte E<strong>in</strong>beziehung <strong>der</strong> psychischerBelastungen <strong>und</strong> des Umgangs mit Erkrankungen von Beschäftigten. Sie erfor<strong>der</strong>n die Anwendunglösungs- <strong>und</strong> ressourcenorientierten Ansätze <strong>in</strong> <strong>der</strong> Beratung, e<strong>in</strong> umfangreicheres Case Managementbei ges<strong>und</strong>heitlich bed<strong>in</strong>gten E<strong>in</strong>schränkungen <strong>und</strong> fortgesetzten Auffälligkeiten im Arbeits<strong>und</strong>Leistungsverhalten.Gr<strong>und</strong>lage für die Arbeit <strong>der</strong> <strong>in</strong>ternen Beratung sollte das vom Steuerungsgremium erarbeitete Konzept<strong>der</strong> Suchtprävention <strong>und</strong> Suchthilfe se<strong>in</strong>. Die Arbeit mit e<strong>in</strong>em abgestimmten Konzept verm<strong>in</strong><strong>der</strong>tdie Gefahr des E<strong>in</strong>zelkämpfertums <strong>und</strong> e<strong>in</strong>es re<strong>in</strong> auf die eigene Person <strong>und</strong> nicht auf den Bedarf desBetriebes abgestellten Beratungsangebots.Zum Standard hauptamtlicher Beratung im Rahmen betrieblicher Suchtpräventionsprogramme gehörtdie kont<strong>in</strong>uierliche Fort- <strong>und</strong> Weiterbildung. Darüber h<strong>in</strong>aus erfor<strong>der</strong>t e<strong>in</strong>e verantwortungsvolle qualifizierteBeratung die kont<strong>in</strong>uierliche Reflexion. Professionell gestützte Reflexion <strong>und</strong> Supervision <strong>der</strong><strong>in</strong>ternen Beratungsarbeit s<strong>in</strong>d deshalb wichtige Kriterien für die Prozess- <strong>und</strong> Ergebnisqualität <strong>in</strong> E<strong>in</strong>richtungen<strong>der</strong> <strong>betrieblichen</strong> Suchtprävention <strong>und</strong> Suchthilfe. E<strong>in</strong> gutes Market<strong>in</strong>g mit Ermittlung desBedarfs <strong>und</strong> Abstimmung <strong>der</strong> Ziele sowie die Qualitätssicherung des <strong>betrieblichen</strong>Suchtpräventionsprogramms s<strong>in</strong>d ebenfalls Bestandteil <strong>der</strong> Aufgaben.


Kapitel 4 Betriebliche Suchtberatung 77Literatur <strong>und</strong> MaterialienNORD AG Betriebliche Suchtprävention (NABS)(1999) Qualität <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>betrieblichen</strong> Suchtprävention.Orientierungshilfen für die betriebliche Praxis. Hamburg.Rehwald, R., Re<strong>in</strong>eke, G., Wienemann, E., Z<strong>in</strong>ke, E. (2008) Betriebliche Suchtprävention <strong>und</strong> Suchthilfe. Frankfurtam Ma<strong>in</strong>. B<strong>und</strong>-Verlag.Rußland, Rita (1988) Suchtverhalten <strong>und</strong> Arbeitswelt. Frankfurt a.M. Fischer Verlag.Rahmenempfehlung (2006) Suchtprävention <strong>und</strong> Suchthilfe <strong>in</strong> <strong>der</strong> nie<strong>der</strong>sächsischen Landesverwaltung. Nie<strong>der</strong>sächsischesM<strong>in</strong>isterium für Soziales, Frauen, Familie <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heit. Hannover. www.ms.nie<strong>der</strong>sachsen.de >Themen > Ges<strong>und</strong>heit > Drogen & SuchtWienemann, E. (2000) Vom Alkoholverbot zur Ges<strong>und</strong>heitsför<strong>der</strong>ung - Die Entwicklung <strong>der</strong> Betrieblichen Suchtpräventionvon 1800 bis 2000, Reihe Arbeit - Lernen - Organisation, Ibidem Verlag, StuttgartZbrzezhy, U. (1989) Rechnet sich betriebliche Suchtkrankenhilfe?In: Deutsche Hauptstelle gegen die Suchtgefahren (Hrsg.). Alkoholprobleme am Arbeitsplatz. Bd.31<strong>der</strong> Schriftenreihe zum Problem <strong>der</strong> Suchtgefahren. Hamm: Hoheneck Verlag.Ziegler, H./Brandl, G. (2005) Suchtprävention als Führungsaufgabe – Lösungsorientierte Strategienfür den Betrieb. Wiesbaden: Universum Verlagsanstalt.4.1.2 Nebenamtliche Ansprechpersonen für SuchtfragenAls "nebenamtlich" tätige Ansprechpersonen für Suchtfragen werden hier übergreifend die <strong>in</strong>ternenBerater/<strong>in</strong>nen benannt, die ihre Aufgabe neben ihrer hauptberuflichen Tätigkeit im Rahmen e<strong>in</strong>es <strong>betrieblichen</strong>Auftrags wahrnehmen <strong>und</strong> arbeits- bzw. dienstrechtlich damit als "Nebenamt" ausführen.H<strong>in</strong>ter <strong>der</strong> so bezeichneten Funktion verbergen sich unterschiedliche Konzepte. Sie s<strong>in</strong>d häufig aus<strong>der</strong> ursprünglich als "ehrenamtlich" bezeichneten Arbeit betrieblicher Suchthelfer/-<strong>in</strong>nen o<strong>der</strong> Suchtkrankenhelfer/-<strong>in</strong>neno<strong>der</strong> aus <strong>der</strong> Funktion des/<strong>der</strong> nicht hauptamtlich tätigen "Suchtbeauftragten"hervorgegangen. Die Ausdifferenzierung zu verschiedenen Konzepten von Ansprechpersonen erfolgteim Zuge <strong>der</strong> Entwicklung betrieblicher Suchtpräventionsprogramme <strong>und</strong> sozialer Unterstützungskonzepte.In <strong>der</strong> Praxis gibt es verschiedene Bezeichnungen <strong>und</strong> Ausformungen nebenamtlicher E<strong>in</strong>richtungenfür Suchtprävention <strong>und</strong> Suchthilfe, die sich zu folgenden drei Gruppen zusammenfassen lassen:Kollegiale Ansprechpartner<strong>in</strong>nen <strong>und</strong> Ansprechpartner"Kollegiale Ansprechpartner/-<strong>in</strong>nen" werden <strong>in</strong> erster L<strong>in</strong>ie <strong>in</strong> Ergänzung zu hauptamtlichen Beratungse<strong>in</strong>richtungene<strong>in</strong>gesetzt. Während letztere die zentralen Aufgaben im Suchtpräventionsprogrammübernehmen, stehen im Mittelpunkt <strong>der</strong> Tätigkeit <strong>der</strong> Kollegialen Ansprechpartner/-<strong>in</strong>nenBeratungs- <strong>und</strong> Betreuungsaufgaben für sucht(mittel)auffällige Beschäftigte sowie Informationenim eigenen Arbeitsumfeld. Außerdem engagieren sie sich bei präventiven Aktionen im Betrieb.Dieses Modell bietet sich vor allem für größere <strong>und</strong> dezentrale Organisationse<strong>in</strong>heiten an. In kle<strong>in</strong>erenBetrieben <strong>und</strong> E<strong>in</strong>richtungen ohne Hauptamtliche übernehmen Kollegiale Ansprechpersonenallerd<strong>in</strong>gs auch breiter angelegte Aufgaben <strong>in</strong>nerhalb <strong>der</strong> <strong>betrieblichen</strong> Suchtprävention.Soziale Ansprechpartner<strong>in</strong>nen <strong>und</strong> Ansprechpartner"Soziale Ansprechpartner/-<strong>in</strong>nen“ sollen als erste Anlaufstelle für Beschäftigte mit ges<strong>und</strong>heitlichen,psychischen <strong>und</strong>/o<strong>der</strong> sozialen Problemen zur Verfügung stehen. Sie vertreten e<strong>in</strong> breitesUnterstützungskonzept im Betrieb. In <strong>der</strong> Ausbildung, wie sie z.B. <strong>in</strong> Nordrhe<strong>in</strong>-Westfalen das Innenm<strong>in</strong>isteriumfür se<strong>in</strong>e Sozialen Ansprechpartner <strong>und</strong> -<strong>in</strong>nen anbietet, werden dementsprechendGr<strong>und</strong>kenntnisse vermittelt, die über das Tätigwerden bei sucht(mittel)bed<strong>in</strong>gten Auffälligkeitenh<strong>in</strong>ausgehen. Die Themen Stress <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heitsför<strong>der</strong>ung ergänzen die breite Fächerung<strong>der</strong> Ausbildungs<strong>in</strong>halte. An <strong>der</strong> Anlage <strong>und</strong> Intensität <strong>der</strong> Ausbildung sowie <strong>der</strong> begleitendenSupervision gemessen kann man hier von <strong>der</strong> Vorbereitung auf e<strong>in</strong> "semiprofessionell" ausgeführtesNebenamt sprechen.


78Kapitel 4Betriebliche SuchtberatungAnsprechpersonen für Suchtfragen im BetriebE<strong>in</strong>e Mischung aus den beiden vorgenannten Modellen stellt das Konzept <strong>der</strong> nebenamtlichenAnsprechpersonen für Suchtfragen dar. Zum e<strong>in</strong>en werden sie für den E<strong>in</strong>satz <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er ausschließlichnebenamtlich getragenen E<strong>in</strong>richtung für Suchtprävention <strong>und</strong> -hilfe vorbereitet, zum an<strong>der</strong>enarbeiten sie aber auch <strong>in</strong> größeren Organisationen mit hauptamtlichen Beratungskräften zusammen.Dieses Modell dürfte mit Modifikationen das am weitesten verbreitete se<strong>in</strong>. Für die Ausbildungzur Ansprechperson für Suchtfragen im Betrieb liegt e<strong>in</strong> ausgearbeitetes Qualifizierungsmodellvor, das den Standards <strong>der</strong> Expertise folgt (siehe unten).Nebenamtliche Ansprechpersonen verfügen entwe<strong>der</strong> über feste Freistellungskont<strong>in</strong>gente o<strong>der</strong> siewerden von ihrer beruflichen Tätigkeit (vom Hauptamt) nach Bedarf freigestellt. Für ihre Tätigkeit stehtihnen e<strong>in</strong>e gewisse Gr<strong>und</strong>ausstattung, z.B. Telefon, E<strong>in</strong>zelbüro o<strong>der</strong> Zugriff auf e<strong>in</strong>en Raum für ungestörteBeratungen, zur Verfügung.StandardAuftrag, Aufgaben <strong>und</strong> Ausstattung für nebenamtliche Suchtarbeit im Betrieb Der Aufgabenbereich für nebenamtlich tätige Ansprechpersonen sollte von dem Steuerungsgremium/Arbeitskreiso<strong>der</strong> <strong>der</strong> Leitung des Betriebes e<strong>in</strong>deutig def<strong>in</strong>iert <strong>und</strong> schriftlich festgelegtwerden, möglichst im Rahmen <strong>der</strong> Betriebs- o<strong>der</strong> Dienstvere<strong>in</strong>barung. Die schriftliche Beauftragung sollte sich auf alle wesentlichen Aspekte <strong>der</strong> Tätigkeit <strong>der</strong> nebenamtlichenAnsprechpersonen beziehen. Mit <strong>der</strong> Beauftragung sollte gesichert werden, dass aus <strong>der</strong> Wahrnehmung <strong>der</strong> Aufgaben als Ansprechpersonke<strong>in</strong>e Nachteile im Hauptamt entstehen <strong>und</strong> sie je<strong>der</strong>zeit von ihrem Nebenamt zurücktretenkönnen.Beispiel e<strong>in</strong>er Regelung <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er BV/D Die nebenamtlich tätigen Ansprechpersonen wirken <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>betrieblichen</strong> Suchtprävention zur Vorbeugungges<strong>und</strong>heitlicher Gefährdungen mit. Hierzu arbeiten sie eng mit den an<strong>der</strong>en Fachkräftendes Ges<strong>und</strong>heitsmanagements zusammen. Sie haben die Aufgabe, sowohl sucht(mittel)auffällige Beschäftigte zu beraten als auch den Personalverantwortlichen– vor allem Vorgesetzten – Unterstützung im Handeln gegenüber auffälligenBeschäftigten zu geben. Ziel <strong>der</strong> Beratungstätigkeit mit Beschäftigten ist die Annahme von Unterstützungsangeboten <strong>und</strong>Vermittlung <strong>in</strong> externe Fache<strong>in</strong>richtungen. Für die nebenamtlichen Ansprechpersonen wird e<strong>in</strong>e Schweigepflicht vere<strong>in</strong>bart. Diese gilt für alleBeratungsgespräche, die im Rahmen des Nebenamtes geführt werden, es sei denn, die zu beratendenPersonen erklären im E<strong>in</strong>zelfall schriftlich ihr ausdrückliches E<strong>in</strong>verständnis mit <strong>der</strong> Weitergabe<strong>der</strong> Information. Die Ansprechperson arbeitet <strong>in</strong> Abstimmung mit dem Arbeitskreis/Steuerungsgremium fachlichweisungsfrei. Sofern außerdem hauptamtliche Berater/-<strong>in</strong>nen <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>in</strong>ternen E<strong>in</strong>richtung arbeiten,s<strong>in</strong>d die nebenamtlichen Ansprechpersonen diesen zugeordnet. Die Ansprechperson bzw. e<strong>in</strong>/e Vertreter/<strong>in</strong> <strong>der</strong> nebenamtlichen Ansprechpersonen ist - sofernvorhanden - Mitglied im Steuerungsgremium. Die Ansprechperson arbeitet <strong>in</strong> fachlichen Netzwerken mit. Sie hält <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e den Kontaktexternen Beratungse<strong>in</strong>richtungen <strong>und</strong> zum regionalen Versorgungssystem <strong>der</strong> Suchthilfe.


Kapitel 4 Betriebliche Suchtberatung 79 Die Ansprechperson wird für die Tätigkeit <strong>in</strong> <strong>der</strong> Suchtprävention <strong>und</strong> Suchthilfe mit angemessenemZeitbudget freigestellt. Die Freistellung kann entwe<strong>der</strong> über die Anspruchnahme von Zeitnach Bedarf o<strong>der</strong> über e<strong>in</strong> festgelegtes Freistellungskont<strong>in</strong>gent geregelt werden. Die Ansprechperson wird <strong>in</strong> <strong>der</strong> Arbeitsorganisation so e<strong>in</strong>gesetzt, dass das Nebenamt störungsfreiausgeübt werden kann. Die E<strong>in</strong>satzbereiche s<strong>in</strong>d auf den Bedarf des Betriebes abzustimmen(z.B. im Schichtbetrieb). In Absprache mit dem o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Vorgesetzten kann die Ansprechperson zur Erfüllung ihrer Aufgabenden Arbeitsplatz verlassen (um z.B. Beschäftigte zu externen E<strong>in</strong>richtungen zu begleiten).Fahrten <strong>und</strong> Dienstgänge <strong>in</strong> <strong>der</strong> Ausübung des Nebenamtes werden erstattet. Ist <strong>in</strong> Ausnahmefällen e<strong>in</strong>e Tätigkeit außerhalb <strong>der</strong> Arbeitszeit erfor<strong>der</strong>lich, wird e<strong>in</strong> entsprechen<strong>der</strong>Zeitausgleich gewährt. Dies gilt <strong>in</strong> Absprache mit dem Arbeitskreis/Steuerungsgremium bzw.<strong>der</strong> Leitung auch für die Teilnahme an Schulungsveranstaltungen, Fortbildung <strong>und</strong> Supervision. Mit <strong>der</strong> Aufgabe <strong>der</strong> Ansprechperson für Suchtfragen sollen e<strong>in</strong>schlägig ausgebildete, mit denaktuellen Standards vertraute Kräfte beauftragt werden. Sofern sie nicht über e<strong>in</strong>e spezielle Ausbildungfür den <strong>betrieblichen</strong> E<strong>in</strong>satz verfügen, ermöglicht ihnen <strong>der</strong> Betrieb die Gr<strong>und</strong> legendeQualifizierung zur <strong>betrieblichen</strong> Ansprechperson für Suchtfragen. Für die Beratung werden geeignete Räumlichkeiten zur Verfügung gestellt. Für die Kontaktaufnahmemit <strong>der</strong> Ansprechperson für Suchtfragen wird e<strong>in</strong>e telefonische Leitung zur Verfügung gestellt,bei <strong>der</strong> die Zielrufnummer nicht <strong>in</strong> <strong>der</strong> Zentrale gespeichert wird.StandardQualifikation <strong>und</strong> Eignung, Weiterbildung <strong>und</strong> Supervision nebenamtlicher Ansprechpersonenfür Suchtfragen Voraussetzung für die Tätigkeit als nebenamtliche Ansprechperson sollte e<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>schlägige Qualifizierungfür die betriebliche Suchtprävention <strong>und</strong> Suchthilfe o<strong>der</strong> als soziale Ansprechperson imBetrieb se<strong>in</strong>. Die Beauftragung sollte mit <strong>der</strong> Auffor<strong>der</strong>ung zur kont<strong>in</strong>uierlichen Teilnahme an Fortbildungsmaßnahmen<strong>und</strong> Aktualisierung <strong>der</strong> fachlichen Kompetenzen verb<strong>und</strong>en werden. Regelmäßige Supervision gehört zum fachlichen Standard nebenamtlicher betrieblicher Suchtarbeit.Sie sollte für die Ansprechpersonen entwe<strong>der</strong> durch e<strong>in</strong>e <strong>in</strong>terne hauptamtliche Kraft o<strong>der</strong> <strong>in</strong>Zusammenarbeit mit externen Dienstleistern o<strong>der</strong> Beratungsstellen bereitgestellt werden. Sofern <strong>der</strong> Auftrag <strong>der</strong> nebenamtlichen Ansprechperson sich auf alle Aufgaben <strong>der</strong> <strong>in</strong>ternen Beratung<strong>in</strong>nerhalb des <strong>betrieblichen</strong> Suchtpräventionsprogramms bezieht, sollten folgende Eignungskriterienbei <strong>der</strong> Auswahl berücksichtigt werden:• Die Ansprechperson sollte e<strong>in</strong> Präventionskonzept vertreten, das am risikoarmen bisriskanten Konsum von Suchtmitteln ansetzt <strong>und</strong> nicht nur auf Suchtgefährdung <strong>und</strong> -erkrankung abzielt. Sie sollte kompetent se<strong>in</strong> neben <strong>der</strong> Alkoholgefährdung auch an<strong>der</strong>esucht(mittel)bed<strong>in</strong>gte Gefährdungen aufzugreifen.• Die Ansprechperson sollte über fachliche <strong>und</strong> kommunikative Fähigkeiten verfügen, damit sieals Berater/-<strong>in</strong> akzeptiert wird.• Sie sollte e<strong>in</strong>er Arbeitsebene angehören, die es sowohl Mitarbeiter<strong>in</strong>nen <strong>und</strong> Mitarbeitern alsauch Führungskräften erleichtert, sich Unterstützung zu holen; ggf. s<strong>in</strong>d unter diesem Aspekt,je nach Beschäftigtenstruktur, mehrere Ansprechpersonen <strong>in</strong> verschiedenen Bereichen desBetriebes e<strong>in</strong>zusetzen.• Die Ansprechperson sollte die Fähigkeit <strong>und</strong> Bereitschaft zur <strong>in</strong>terdiszipl<strong>in</strong>ären Kooperationmitbr<strong>in</strong>gen, damit vernetztes Handeln mit an<strong>der</strong>en Fachkräften im Betrieb möglich wird.


80Kapitel 4Betriebliche Suchtberatung• Die Ansprechperson sollte den eigenen Ansatz sowie das eigene Verhalten reflektierenkönnen <strong>und</strong> sich <strong>in</strong> Supervision <strong>und</strong> Fortbildung mit <strong>der</strong> Selbst- <strong>und</strong> Fremdwahrnehmung <strong>in</strong><strong>der</strong> Rolle als Ansprechperson ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>setzen.• Eigene Erfahrungen mit Abhängigkeiten können nützlich se<strong>in</strong>. Die Ansprechperson sollte aberfür die Tätigkeit Abstand zu ihren eigenen Erfahrungen <strong>in</strong> <strong>der</strong> Krankheits- wie <strong>in</strong> <strong>der</strong>Genesungs-Phase gewonnen haben. Für selbst Betroffene sollte e<strong>in</strong>e m<strong>in</strong>destens zweijährigeAbst<strong>in</strong>enzzeit vor Übernahme <strong>der</strong> Tätigkeit als nebenamtliche Ansprechperson vorausgesetztwerden.Beispiel für e<strong>in</strong> Qualifizierungskonzeptfür nebenamtliche Ansprechpersonen für Suchtfragen,Zeitlicher RahmenDie Ausbildung zur nebenamtlichen <strong>betrieblichen</strong> Ansprechperson für Suchtfragen hat e<strong>in</strong>en zeitlichen Umfangvon 140-200 St<strong>und</strong>en.E<strong>in</strong> Praktikum o<strong>der</strong> e<strong>in</strong>e Kl<strong>in</strong>ikhospitation kann die Ausbildung ergänzen.Absprachen vor Beg<strong>in</strong>n <strong>der</strong> AusbildungAufnahmegespräch mit <strong>der</strong> <strong>in</strong>teressierten Person zur Klärung <strong>der</strong> Motivation <strong>und</strong> <strong>der</strong> Teilnahmebed<strong>in</strong>gungen(Kontrakt) <strong>und</strong> <strong>der</strong> Bereitschaft zur anschließenden Praxisbegleitung bzw. Supervision <strong>und</strong> Weiterbildung.Gespräch mit dem Arbeitgeber zur Klärung <strong>der</strong> E<strong>in</strong>satzbed<strong>in</strong>gungen, <strong>der</strong> Kostenübernahme <strong>und</strong> zur Freistellungfür die Ausbildungszeiten.Ausbildungs<strong>in</strong>halteSucht- <strong>und</strong>suchtmittelspezifischeInformationenAufgaben <strong>und</strong> Rolle<strong>der</strong> <strong>betrieblichen</strong> AnsprechpersonBeratungskompetenz<strong>und</strong> ArbeitsmethodenPräventionsarbeit <strong>und</strong>Mediene<strong>in</strong>satz Suchtmittel (Alkohol, Medikamente,illegale Drogen,suchtbed<strong>in</strong>gte Verhaltensweisen(Spielsucht, Ess-Störungen u.a.)• Wirkungsweisen• Vorbeugung• Interventionsmöglichkeit Auffälligkeiten am Arbeitsplatz• Merkmale riskanten Konsums<strong>und</strong> suchbed<strong>in</strong>gtenVerhaltens• psychische Probleme <strong>und</strong>Krisen Umgang mit riskantemKonsum/Verhalten Sucht- <strong>und</strong> Abhängigkeitserkrankungen• Entstehung• Krankheitsverlauf• Behandlungsziele <strong>und</strong> -möglichkeiten• Genesungsprozess• Wie<strong>der</strong>aufnahme desKonsums/RückfallGeschlechterspezifischeAspekte• des Suchtgeschehens• <strong>der</strong> Suchtprävention<strong>und</strong> -hilfe Rollenklärung• Aufgaben <strong>und</strong> offiziellerAuftrag• Möglichkeiten <strong>und</strong>Grenzen <strong>in</strong> d. Rolle• Suchtprävention/-hilfe im SpannungsfeldbetrieblicherInteressen• Selbst- <strong>und</strong> Fremdwahrnehmung Rahmenbed<strong>in</strong>gungen<strong>der</strong> Tätigkeit• Konzept betrieblicherSuchtprävention<strong>und</strong> –hilfe• OrganisatorischerRahmen, Betriebs-/Dienstvere<strong>in</strong>barung Rechtliche Aspekte• Gr<strong>und</strong>rechte, BGB• sozial-, arbeits<strong>und</strong>dienstrechtlicheAspekte Suchtprävention imbetriebl. Ges<strong>und</strong>heitsmanagement Zusammenarbeit mitExternen Selbstmanagement Evaluation Kompetenzen zurGesprächsführung Information, Beratung<strong>und</strong> Begleitung von auffälliggewordenen Personen• Erstkontakte• Beratungsgespräche• Begleitung von Stufengesprächen,therapeutischenSchritten <strong>und</strong> <strong>der</strong>Re<strong>in</strong>tegration im <strong>betrieblichen</strong>Umfeld Kompetenzen zur Beratung<strong>und</strong> Unterstützungdes <strong>betrieblichen</strong> Umfeldes• Beratung von Vorgesetzten<strong>und</strong> Kollegen/-<strong>in</strong>nen• Gespräche mit Intressenvertretungen,Fach- <strong>und</strong> Führungskräften Methodisches Handwerkszeugfür die betrieblicheTätigkeit alsAnsprechperson Kenntnis des regionalenSuchthilfesystems Aufklärung <strong>und</strong> vorbeugendeArbeit im Betrieb• Präventionsansätze• Sem<strong>in</strong>arkonzepte• Kooperationspartner• ZielgruppenbezogeneAktionen Betriebliche Ges<strong>und</strong>heitsför<strong>der</strong>ung<strong>und</strong>Suchtprävention Medien für Informationsveranstaltungen<strong>und</strong>Schulungen


Kapitel 4 Betriebliche Suchtberatung 81BegründungszusammenhangNach den ursprünglichen Vorstellungen betrieblicher Suchtkrankenhilfe standen Ansprechpersonen <strong>in</strong>erster L<strong>in</strong>ie für Informationen zur Suchtkrankenhilfe sowie für die Beratung <strong>und</strong> Begleitung bei Suchtgefährdung<strong>und</strong> -krankheit zur Verfügung. Heute s<strong>in</strong>d noch weitere Anfor<strong>der</strong>ungen, u.a organisatorischeAufgaben zur <strong>in</strong>ternen Verankerung <strong>und</strong> Sicherung <strong>der</strong> Kont<strong>in</strong>uität <strong>der</strong> Suchtprävention <strong>und</strong>Suchthilfe im Betrieb, zu bewältigen. Nebenamtliche Ansprechpersonen s<strong>in</strong>d an <strong>der</strong> Gestaltung <strong>und</strong>Umsetzung des <strong>betrieblichen</strong> Suchtpräventionsprogramms beteiligt, übernehmen Aufgaben im Rahmen<strong>der</strong> Ges<strong>und</strong>heitsför<strong>der</strong>ung <strong>und</strong> Suchtvorbeugung o<strong>der</strong> beraten Personalverantwortliche.Für nebenamtlich tätige Ansprechpersonen ist e<strong>in</strong>e explizite Beauftragung noch wichtiger als fürhauptamtliche Berater/-<strong>in</strong>nen. Nur so können sie außerhalb des für das Hauptamt abgeschlossenenArbeitsvertrages o<strong>der</strong> Dienstverhältnisses rechtlich geschützt im Nebenamt <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>betrieblichen</strong>Suchtprävention <strong>und</strong> Suchthilfe tätig werden.Die <strong>in</strong>terne Beratungsarbeit im Betrieb setzt die Kompetenz voraus, sich <strong>in</strong> komplexen, stark von Interessengeleiteten, an Effektivität ausgerichteten Strukturen bewegen zu können. E<strong>in</strong> Überblick überdie Funktionen <strong>und</strong> Rollen im Betrieb, die Kenntnis <strong>der</strong> formalen <strong>und</strong> <strong>in</strong>formellen Kommunikations<strong>und</strong>Entscheidungswege s<strong>in</strong>d wichtige Voraussetzungen hierfür. Die früher stark betonte eigene Betroffenheitfür die Eignung als Ansprechperson ist we<strong>der</strong> zw<strong>in</strong>gend, noch für sich alle<strong>in</strong> ausreichend,um die beschriebenen Anfor<strong>der</strong>ungen zu erfüllen.In <strong>der</strong> Praxis werden von den Nebenamtlichen also meist breitere Aufgaben wahrgenommen. Dies istallerd<strong>in</strong>gs nur bei Zusicherung e<strong>in</strong>es zeitlichen Rahmens <strong>und</strong> Freistellung für die Tätigkeit als Ansprechpersonmöglich. Je nach Betriebsgröße <strong>und</strong> Aufgabenspektrum liegt <strong>der</strong> Bedarf - ohne Fort<strong>und</strong>Weiterbildung - bei e<strong>in</strong>er mittleren Betriebsgröße bei etwa 20 Arbeitsst<strong>und</strong>en im Monat.Für die nebenamtlichen Ansprechpersonen <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>betrieblichen</strong> Suchtprävention ist es nicht nur wünschenswert,son<strong>der</strong>n zw<strong>in</strong>gend erfor<strong>der</strong>lich, sich regelmäßig für die betriebliche Beratungsarbeit fortzubilden.Darüber h<strong>in</strong>aus sollte e<strong>in</strong>e verantwortungsvolle Beratungsarbeit die regelmäßige professionelleReflexion des eigenen Handelns <strong>und</strong> se<strong>in</strong>er Grenzen im Rahmen von Supervision <strong>und</strong>/o<strong>der</strong> kollegialerPraxisbegleitung unter Anleitung hauptamtlicher <strong>in</strong>terner Kräfte o<strong>der</strong> externer Beratungse<strong>in</strong>richtungenstattf<strong>in</strong>den.Literatur <strong>und</strong> MaterialienNORD AG Betriebliche Suchtprävention (NABS)(1999) Qualität <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>betrieblichen</strong> Suchtprävention.Orientierungshilfen für die betriebliche Praxis. Hamburg.Pegel-Rimpl, U. (2004) Nebenamtliche Ansprechpersonen im Betrieb. Gutachten zur Expertise. Hannover.Ra<strong>in</strong>er, L. (1998) "Nichts ist unmöglich"? E<strong>in</strong> Diskussionsbeitrag zur kollegialen Suchtkrankenhilfe. In:Fuchs/Ra<strong>in</strong>er/Rummel (Hrsg.): Betriebliche Suchtprävention. Gött<strong>in</strong>gen, Bern, Toronto, SeattleRehwald, R., Re<strong>in</strong>eke, G., Wienemann, E., Z<strong>in</strong>ke, E. (2008) Betriebliche Suchtprävention <strong>und</strong> Suchthilfe. Frankfurtam Ma<strong>in</strong>. B<strong>und</strong>-Verlag.Soziale Ansprechpartner. (o.J.) Brückenbauen = Kolleg<strong>in</strong>nen <strong>und</strong> Kollegen helfen. Innenm<strong>in</strong>isterium des LandesNordrhe<strong>in</strong>-Westfalen. Düsseldorf.4.2 Betriebliches Unterstützungssystem <strong>und</strong> vernetzte HilfeMit steigenden Arbeitsanfor<strong>der</strong>ungen, <strong>der</strong> Verän<strong>der</strong>ung des Belastungsspektrums <strong>und</strong> dem Verlust<strong>der</strong> Arbeitsplatzsicherheit, dem Anstieg <strong>der</strong> psychischen Belastungen <strong>und</strong> Erkrankungen <strong>in</strong> fast allenArbeitsfel<strong>der</strong>n haben betriebliche Beratungsangebote <strong>in</strong> den letzten Jahren erheblich an Bedeutunggewonnen. Durch gesetzliche Regelungen (Arbeitsschutzgesetz, § 84,2 SBG IX Betriebliches E<strong>in</strong>glie<strong>der</strong>ungsmanagement,AGG u.a.) s<strong>in</strong>d sie auch verb<strong>in</strong>dlicher geworden. Hatte die betriebliche Sucht-


82Kapitel 4Betriebliche Suchtberatungberatung früher oft e<strong>in</strong>en eher randständigen Status, so ist sie heute Teil e<strong>in</strong>es umfassen<strong>der</strong>en, aufverschiedene Problemlagen h<strong>in</strong> ausgerichtetes Beratungs- <strong>und</strong> Unterstützungssystem im Betrieb.Für die <strong>in</strong>ternen Berater/<strong>in</strong>nen <strong>und</strong> Ansprechpersonen ergeben sich daraus neue Herausfor<strong>der</strong>ungen,aber auch gute Chancen für e<strong>in</strong>e <strong>in</strong>tegrierte fachübergreifende Bearbeitung von Themen <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>betrieblichen</strong>Suchtprävention <strong>und</strong> Suchthilfe. So können <strong>in</strong> Fürsorge <strong>und</strong> Klärungsgesprächen o<strong>der</strong> beiInterventionen nach dem Stufenplan erweiterte Beratungsangebote (z.B. beim Betriebsarzt) o<strong>der</strong> e<strong>in</strong>betriebliches E<strong>in</strong>glie<strong>der</strong>ungsmanagement vorgeschlagen werden, um Fehlentwicklungen frühzeitig zustoppen <strong>und</strong> ihnen vorbeugend entgegenzuwirken.E<strong>in</strong>e gute Zusammenarbeit zwischen den Beteiligten setzt <strong>in</strong> <strong>der</strong> Regel voraus, dass alle bewusst ausihrer Rolle heraus agieren <strong>und</strong> ihre Aufgaben <strong>und</strong> Angebote so transparent machen, dass sie für dieBeschäftigten nachvollziehbar s<strong>in</strong>d.Standard Die <strong>in</strong>terne Beratung zur Suchtprävention <strong>und</strong> Suchthilfe sollte sich nach <strong>in</strong>nen <strong>und</strong> außen aktivmit den an<strong>der</strong>en Anbietern von Beratungsangeboten <strong>und</strong> unterstützenden Hilfen vernetzen <strong>und</strong>e<strong>in</strong>e kont<strong>in</strong>uierliche Kooperation anstreben. Über die Vernetzung nach <strong>in</strong>nen ist die <strong>in</strong>terne Beratung Teil des <strong>betrieblichen</strong> Unterstützungssystems.Sie sollte sich <strong>in</strong> Fragen <strong>der</strong> Beratung, Prävention, Intervention <strong>und</strong> Hilfeangebote mit denjeweils beteiligten <strong>betrieblichen</strong> Stellen abstimmen. Das betriebliche Unterstützungssystem bietet den Beschäftigten Beratung <strong>und</strong> Begleitung beiges<strong>und</strong>heitlichen, persönlichen <strong>und</strong> sozialen Problemen. Es unterstützt die Personalverantwortlichen bei <strong>der</strong> Umsetzung <strong>der</strong> ges<strong>und</strong>heitsorientierten Führung<strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e bei ihren Aufgaben im Rahmen des <strong>betrieblichen</strong> Suchtpräventionsprogramms. Die <strong>in</strong>terne Beratung sollte mit den externen Beratungs- <strong>und</strong> Behandlungsstellen e<strong>in</strong>e kont<strong>in</strong>uierliche,vertrauensvolle Zusammenarbeit entwickeln. Für e<strong>in</strong>e effektive Zusammenarbeit -vor allemzur Etablierung e<strong>in</strong>es Case Managements - ist es s<strong>in</strong>nvoll, Vere<strong>in</strong>barungen zu treffen <strong>und</strong> Kooperationsrout<strong>in</strong>enzu etablieren.BegründungszusammenhangE<strong>in</strong> vernetztes Arbeiten, wie es im <strong>betrieblichen</strong> Ges<strong>und</strong>heitsmanagement immer selbstverständlicherwird, eröffnet auch für die Tätigkeit <strong>der</strong> Suchtberater/<strong>in</strong>nen <strong>und</strong> Ansprechpersonen für Suchtfragenneue Chancen, vor allem im Bereich <strong>der</strong> Prävention <strong>und</strong> frühen Interventionen. Beschäftigte suchenz.B. früher Unterstützung für Konfliktsituationen am Arbeitsplatz, Vorgesetzte fragen um Hilfestellungbeim Umgang mit psychischen Problemen von Mitarbeitern/<strong>in</strong>nen <strong>und</strong> das betriebliche E<strong>in</strong>glie<strong>der</strong>ungsteammuss e<strong>in</strong>bezogen werden, wenn es zu längerfristigen Ausfallzeiten durch Krankheitkommt. Die aktuellen Problemstellungen erfor<strong>der</strong>n e<strong>in</strong> eng vernetztes Arbeiten <strong>der</strong> Beteiligten <strong>in</strong> demjeweiligen <strong>betrieblichen</strong> Unterstützungssystem: Sozial- <strong>und</strong> Suchtberater/<strong>in</strong>nen, Betriebsärzte, Fachkräftefür Arbeitssicherheit, Schwerbeh<strong>in</strong><strong>der</strong>tenvertretung, Gleichstellungs-beauftragte, E<strong>in</strong>glie<strong>der</strong>ungsteam,Personalvertretung, Personalabteilung, Ges<strong>und</strong>heitsför<strong>der</strong>ung, Personalentwicklungu.a.m. Bei guter Zusammenarbeit lassen sich die Möglichkeiten Hilfe anzubieten erheblich erweitern<strong>und</strong> zugleich präzisieren.Für die Qualität <strong>der</strong> <strong>betrieblichen</strong> Suchtarbeit s<strong>in</strong>d neben e<strong>in</strong>er guten Verankerung im <strong>in</strong>ner<strong>betrieblichen</strong>Unterstützungssystem auch die Kontakte <strong>der</strong> <strong>betrieblichen</strong> Beratung <strong>in</strong> den externen Suchthilfeverb<strong>und</strong>von Bedeutung. Kooperationen mit externen Fache<strong>in</strong>richtungen für die Suchtberatung <strong>und</strong>


Kapitel 4 Betriebliche Suchtberatung 83Suchttherapie s<strong>in</strong>d unerlässlich. Sie schaffen e<strong>in</strong>e sichere Basis für die professionelle Begleitung vonBeschäftigten während ambulanter <strong>und</strong> stationärer Behandlung sowie für die Dauer <strong>der</strong> Nachsorgephase<strong>und</strong> Wie<strong>der</strong>e<strong>in</strong>glie<strong>der</strong>ung nach stationären Maßnahmen Für das Angebot e<strong>in</strong>es Case Managementss<strong>in</strong>d diese Kontakte e<strong>in</strong>e Voraussetzung. Von vielen Institutionen <strong>der</strong> Suchtkrankenhilfe <strong>und</strong>-therapie wird heute auf e<strong>in</strong>en stärkeren E<strong>in</strong>bezug <strong>der</strong> Betriebe auch Wert gelegt.ArbeitsschritteH<strong>in</strong>sichtlich <strong>der</strong> <strong>in</strong>ternen Vernetzung sollten die Beratungs- <strong>und</strong> Ansprechpersonen offensiv auf an<strong>der</strong>ebetriebliche Stellen zugehen <strong>und</strong> ihre Wünsche zur Zusammenarbeit darlegen. Vorrangig notwendigist dieses bei den Themenbereichen, die im Rahmen des Suchtpräventionsprogramms aufgegriffenwerden sollen <strong>und</strong> Schnittstellen zu an<strong>der</strong>en <strong>betrieblichen</strong> Arbeitsfel<strong>der</strong>n aufweisen. So sollte die<strong>in</strong>terne Beratung e<strong>in</strong>e enge Kooperation <strong>und</strong> Vernetzung <strong>in</strong> den folgenden Bereichen anstreben:Zur Durchführung des Interventionsverfahrens im Rahmen <strong>der</strong> Suchtprävention sollte mit Führungskräften,Betriebs-/Personalrat, Personalabteilung, Schwerbeh<strong>in</strong><strong>der</strong>tenvertretung <strong>und</strong> mit an<strong>der</strong>enmöglichen Beteiligten e<strong>in</strong> koord<strong>in</strong>iertes Vorgehen bei e<strong>in</strong>deutiger Zuständigkeitsabgrenzung<strong>und</strong> Rollenklarheit je<strong>der</strong>zeit möglich se<strong>in</strong>. Dabei s<strong>in</strong>d an<strong>der</strong>e Interventionskonzepte (E<strong>in</strong>glie<strong>der</strong>ungsmanagement,Fehlzeitengespräche) mit zu berücksichtigen.Im Bereich des Arbeits- <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heitsschutzes sowie <strong>der</strong> <strong>betrieblichen</strong> Ges<strong>und</strong>heitsför<strong>der</strong>ungsollte e<strong>in</strong>e Zusammenarbeit mit dem Betriebsarzt o<strong>der</strong> dem arbeitsmediz<strong>in</strong>ischen Dienst <strong>und</strong> denFachkräften für Arbeitssicherheit sowie <strong>der</strong> Personal- <strong>und</strong> Organisationsentwicklung angestrebtwerden.Für den Bereich <strong>der</strong> psycho-sozialen Beratung, Krisenberatung, Schuldnerberatung etc. sollten imS<strong>in</strong>ne <strong>der</strong> Aufgaben- <strong>und</strong> Rollenklarheit die Zuständigkeiten <strong>der</strong> verschiedenen <strong>in</strong>ternen Beratungsangebotegeklärt <strong>und</strong> die Ansatzpunkte für e<strong>in</strong>e Zusammenarbeit abgestimmt werden.Mit den für Konfliktklärungen, Teamberatungen, Gen<strong>der</strong>fragen usw. zuständigen Akteuren, vorallem <strong>der</strong> Organisations- <strong>und</strong> Personalentwicklung o<strong>der</strong> des Gleichstellungsbüros, sollten dieKonzepte ausgetauscht <strong>und</strong> geme<strong>in</strong>same Aktionen abgestimmt werden.Herstellung von Kontakten zu regionalen Beratungsstellen o<strong>der</strong> Verbänden <strong>und</strong> Verabredunge<strong>in</strong>es kont<strong>in</strong>uierlichen Austausches. Zusammenarbeit mit den örtlichen Beratungs- <strong>und</strong> Behandlungsstellenim Bereich Beratung <strong>und</strong> Therapie.Literatur <strong>und</strong> MaterialienTielk<strong>in</strong>g K. / Kuß, G. (Hrsg.)(2003) Vernetzung von Behandlungsangeboten <strong>in</strong> <strong>der</strong> Rehabilitation Alkoholabhängiger:theoretische Ansatzpunkte <strong>und</strong> praktische Erfahrungen; Abschlussbericht zum Modellprojekt Alkoholentwöhnungim Verb<strong>und</strong>system (EVS). Oldenburg: BIS Universität Oldenburg.Rehwald, R., Re<strong>in</strong>eke, G., Wienemann, E., Z<strong>in</strong>ke, E. (2008): Betriebliche Suchtprävention <strong>und</strong> Suchthilfe. Frankfurtam Ma<strong>in</strong>. B<strong>und</strong>-Verlag.4.3 Kooperation <strong>und</strong> VernetzungE<strong>in</strong>e wichtige Kooperationsebene für die betriebliche Suchtprävention mit den Unfallversicherungsträgern<strong>und</strong> den Krankenkassen. Sie unterstützen die <strong>betrieblichen</strong> Initiativen zur Vorbeugung ges<strong>und</strong>heitlicherGefährdungen <strong>und</strong> zur Reduzierung des riskanten Konsums auch mit f<strong>in</strong>anziellen Ressourcen<strong>und</strong> stellen Präventionsmaterialien bereit <strong>und</strong> unterstützen Aktionen z.B. an Ges<strong>und</strong>heitstagen.Außerdem beraten sie bei <strong>der</strong> Entwicklung von Ges<strong>und</strong>heitsför<strong>der</strong>ungskonzepten <strong>und</strong> geben Unterstützungbei dem Aufbau von Suchtpräventionsprogrammen <strong>und</strong> dem Ges<strong>und</strong>heitsmanagement.Teilweise arbeiten sie nicht nur <strong>in</strong> den Netzwerken z.B. den regionalen Arbeitskreisen zur Suchtprä-


84Kapitel 4Betriebliche Suchtberatungvention am Arbeitsplatz mit, son<strong>der</strong>n stellen auch f<strong>in</strong>anzielle Mittel bereit, damit diese zur fachlichenWeiterqualifizierung genutzt werden können.Die Teilnahme an Netzwerken hat für die Entwicklung <strong>der</strong> <strong>betrieblichen</strong> Suchtprävention <strong>und</strong> Suchthilfeseit jeher e<strong>in</strong>e zentrale Rolle gespielt. Für betriebliche Ansprechpersonen <strong>und</strong> Berater/-<strong>in</strong>nen sichernNetzwerke den fachlichen Austausch <strong>und</strong> die Abstimmung von Konzepten <strong>und</strong> Projekten zwischenden E<strong>in</strong>richtungen verschiedener Branchen, den externen Fache<strong>in</strong>richtungen <strong>und</strong> Dienstleisternsowie <strong>der</strong> Wissenschaft.Zunehmende Relevanz erhalten unternehmens<strong>in</strong>terne <strong>und</strong> externe Netzwerke, die nicht ausschließlichsuchtspezifische Aspekte verfolgen, son<strong>der</strong>n die betriebliche Ges<strong>und</strong>heitsför<strong>der</strong>ung o<strong>der</strong> denpräventiven Arbeitsschutz im Fokus haben (vgl. 5.1) o<strong>der</strong> auf an<strong>der</strong>e Probleme <strong>der</strong> Mitarbeiterges<strong>und</strong>heitfokussieren (Bündnis gegen Depression u.a.). Maßgeblich für die Kooperation <strong>und</strong> Vernetzungs<strong>in</strong>d die <strong>betrieblichen</strong> Gegebenheiten sowie regionalen <strong>und</strong> überregionalen Netzwerkangebote.Standard Das Steuerungsgremium <strong>und</strong> die <strong>in</strong>terne E<strong>in</strong>richtung planen die Aktivitäten zum <strong>betrieblichen</strong>Suchtpräventionsprogramm <strong>und</strong> zur Ges<strong>und</strong>heitsför<strong>der</strong>ung. Sie nutzen dabei die Kooperationsmöglichkeitenmit den zuständigen Unfallversicherungsträgern <strong>und</strong> Krankenkassen o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>enLeistungsanbietern. Die <strong>in</strong>terne E<strong>in</strong>richtung zur Suchtprävention <strong>und</strong> Suchthilfe sollte das Ziel <strong>der</strong> Vernetzung nach<strong>in</strong>nen <strong>und</strong> außen aktiv <strong>und</strong> systematisch verfolgen. Regionale <strong>und</strong> überregionale, betriebsspezifische <strong>und</strong> betriebsübergreifende Netzwerke solltendie Akteure <strong>der</strong> <strong>betrieblichen</strong> Suchtprävention als wichtige Ressource für die betriebliche Arbeit,für die Ausweitung <strong>der</strong> eigenen Kompetenzen <strong>und</strong> für die fachliche Weiterentwicklung nutzen. Die Netzwerkarbeit sollte als verb<strong>in</strong>dliche Aufgabe <strong>der</strong> <strong>in</strong>ternen E<strong>in</strong>richtung <strong>in</strong> <strong>der</strong> Betriebs-/Dienstvere<strong>in</strong>barung o<strong>der</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> Aufgabenbeschreibung festgeschrieben werden.BegründungszusammenhangNetzwerke s<strong>in</strong>d e<strong>in</strong>e wichtige Plattform für die Herstellung effektiver Kooperationsbeziehungen, nichtnur für den schnellen Transfer von Expertenwissen <strong>und</strong> praktischen Erfahrungen, son<strong>der</strong>n auch zurpersonellen <strong>und</strong> materiellen Unterstützung von Aktionen <strong>und</strong> Angeboten. Interne wie externe Vernetzungist im Bereich <strong>der</strong> <strong>betrieblichen</strong> Suchtprävention überlebenswichtig. Entsprechend sollte <strong>in</strong> den<strong>betrieblichen</strong> Suchtpräventionsprogrammen Wert darauf gelegt werden, Netzwerke aktiv mit zu gestalten<strong>und</strong> Netzwerkkontakte zu pflegen.Für die Fachkräfte <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>betrieblichen</strong> Suchtprävention bieten außerdem überbetriebliche, regionaleo<strong>der</strong> fachliche Netzwerke die kompetente Unterstützung, die sie <strong>in</strong> ihrer Rolle - oftmals als "E<strong>in</strong>zelkämpfer/-<strong>in</strong>"vor Ort - sonst nicht vorf<strong>in</strong>den können. Sie ersetzten quasi das fehlende Team, mit demman sich, wenn nötig, je<strong>der</strong>zeit rückkoppeln kann. Zugleich können Impulse aus <strong>der</strong> Netzwerkarbeitwie<strong>der</strong> <strong>in</strong> den Betrieb h<strong>in</strong>e<strong>in</strong>getragen werden, um so die Weiterentwicklung des Suchtpräventionsprogrammszu beför<strong>der</strong>n. Um die Potenziale von Vernetzungen nutzen zu können, sollte die Mitarbeit <strong>in</strong>Netzwerken zu e<strong>in</strong>er festgeschriebenen Aufgabe <strong>der</strong> <strong>in</strong>ternen Beratung gehören.Arbeitsschritte Kontaktaufnahme zu den unternehmens<strong>in</strong>ternen <strong>und</strong> externen Kooperationspartnern <strong>und</strong> Netzwerken;Klärung des Nutzens e<strong>in</strong>er Kooperation für die Arbeit <strong>der</strong> <strong>in</strong>ternen E<strong>in</strong>richtung, des Arbeitskreises/das Steuerungsgremiums <strong>und</strong> für den Betrieb. Entscheidung für die Beteiligung an spezifischen Netzwerkverbünden.


Kapitel 4 Betriebliche Suchtberatung 85 Aktive <strong>und</strong> systematische Gestaltung <strong>der</strong> Kooperation <strong>und</strong> Mitarbeit <strong>in</strong> den Netzwerken zur Stärkung<strong>der</strong> Arbeit <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>betrieblichen</strong> Suchtprävention <strong>und</strong> Suchthilfe; Lernen von den Modellen guterPraxis <strong>in</strong> an<strong>der</strong>en Organisationen. Berichterstattung aus <strong>der</strong> Netzwerkarbeit an das Steuerungsgremium bzw. die Leitung.Literatur <strong>und</strong> MaterialienHochschulNetzwerk SuchtGes<strong>und</strong>heit. Betriebliche Suchtprävention <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heitsför<strong>der</strong>ung an Hochschulen<strong>und</strong> Universitätskl<strong>in</strong>iken. www.bssb.uni-oldenburg.de/10890.htmlBetriebliche Suchtprävention. Angebote des Büros für Suchtprävention <strong>der</strong> Hamburger Landesstelle für Suchtfragene.V. /www.sucht-hamburg.de/wir/arbeitsbereiche/arbeitsweltSchumann, G. (Hrsg.) (2000) Stand <strong>und</strong> Perspektive betrieblicher Suchtprävention <strong>und</strong> Suchthilfe. Rea<strong>der</strong> zurFachtagung des Regionalen Arbeitskreises betriebliche Suchtprävention (RABS) Weser-Ems.Oldenburg: Universität Oldenburg.Rahmenvere<strong>in</strong>barung (2009) <strong>der</strong> Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung, des Spitzenverbandes <strong>der</strong> landwirtschaftlichenSozialversicherung <strong>und</strong> <strong>der</strong> GKV-Spitzenverbände unter Beteiligung <strong>der</strong> Verbände <strong>der</strong> Krankenkassenauf B<strong>und</strong>esebene zur Zusammenarbeit bei <strong>der</strong> <strong>betrieblichen</strong> Ges<strong>und</strong>heitsför<strong>der</strong>ung <strong>und</strong> <strong>der</strong> Verhütungarbeitsbed<strong>in</strong>gter Ges<strong>und</strong>heitsgefahren. www.dguv.de/praevention-arbeitswelt/wir/gesetz/rahmen/<strong>in</strong>dex.jsp4.4 Externe Dienstleister <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>betrieblichen</strong> Suchtprävention<strong>und</strong> SuchthilfeDie Entwicklung betrieblicher Suchtpräventionsprogramme hat zahlreiche Dienstleistungsanbieter <strong>in</strong>diesem Feld entstehen lassen. Als Anbieter treten Beratungsunternehmen, selbständige Berater/-<strong>in</strong>nen, Fachkl<strong>in</strong>iken <strong>und</strong> Beratungsstellen ebenso an wie Selbsthilfeverbände <strong>und</strong> E<strong>in</strong>zelpersonen ausdem Suchthilfezusammenhang. Die Angebote differieren oft erheblich h<strong>in</strong>sichtlich <strong>der</strong> Zielstellung, <strong>der</strong>fachlichen Ausrichtung <strong>und</strong> Breite <strong>und</strong> vor allem <strong>der</strong> Qualität.An<strong>der</strong>erseits kann betriebliche Suchtprävention <strong>und</strong> Suchthilfe nicht Flächen deckend realisiert werdenohne den E<strong>in</strong>satz externer Dienstleister. Gerade kle<strong>in</strong>ere <strong>und</strong> mittlere Organisationen, die nichtauf e<strong>in</strong>e <strong>in</strong>terne Beratung zurückgreifen können, haben die Möglichkeit, sich Dienstleistungen für ihreBeschäftigten e<strong>in</strong>zukaufen. Neben Informations- <strong>und</strong> Schulungsmaßnahmen s<strong>in</strong>d dies vor allem Beratungsangebote,die auf diesem Wege vorgehalten werden.Für die Sicherstellung <strong>in</strong>nerbetrieblicher Präventions- <strong>und</strong> Beratungsdienstleistungen durch externeDienstleister nutzen Betriebe unterschiedliche Modelle: Vertragliche Verpflichtung e<strong>in</strong>er professionellen Sucht- <strong>und</strong>/o<strong>der</strong> Sozialberatung aus Beratungsstelleno<strong>der</strong> e<strong>in</strong>es privaten Dienstleisters zur Übernahme des <strong>in</strong>ternen Beratungsangebotsauf St<strong>und</strong>en- o<strong>der</strong> Honorarbasis; Sicherung e<strong>in</strong>es Angebots psychosozialer Beratung als professionelle Dienstleistung im Rahmendes extern e<strong>in</strong>gekauften arbeitsmediz<strong>in</strong>ischen Dienstes; Kooperationsvere<strong>in</strong>barungen für abrufbare Dienstleistungen (z.B. Beratung von Beschäftigten,Sem<strong>in</strong>are für Führungskräfte) mit Beratungsstellen o<strong>der</strong> e<strong>in</strong>em privaten Dienstleister; Zusammenarbeit mit e<strong>in</strong>er regionalen Fachberatungsstelle <strong>in</strong> E<strong>in</strong>zelfällen auf <strong>der</strong> Basis von Abrechnungo<strong>der</strong> social sponsor<strong>in</strong>g.Entscheidet sich heute e<strong>in</strong> Betrieb, auf Angebote externer Dienstleister zurückzugreifen, so hat erzurzeit wenige Anhaltspunkte, um se<strong>in</strong>e Entscheidung qualitativ zu treffen. Es ersche<strong>in</strong>t also hilfreich,den Betrieben Kriterien an die Hand zu geben, um sich bei <strong>der</strong> Auswahl e<strong>in</strong>es geeigneten Dienstleistersfachlich orientieren zu können.Mögliche Ansatzpunkte für Qualitätsstandards lassen sich aus den e<strong>in</strong>gangs beschriebenen Handlungs-<strong>und</strong> Entwicklungsfel<strong>der</strong>n <strong>der</strong> <strong>betrieblichen</strong> Suchtprävention ableiten. Auch die Anfor<strong>der</strong>ungen,die im vorliegenden Leitfaden für hauptamtliche Kräfte <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>in</strong>ternen Beratung beschrieben wurden(siehe 3.4), können herangezogen werden.


86Kapitel 4Betriebliche SuchtberatungStandardBetrieblicher Rahmen für den E<strong>in</strong>satz externer Dienstleister Im Betrieb sollte vom Arbeitskreis/Steuerungsgremium vorab geklärt werden, welche Kompetenzen<strong>in</strong>nerbetrieblich vorhanden s<strong>in</strong>d <strong>und</strong> genutzt werden können, wo ergänzende fachliche Unterstützungnotwendig ist o<strong>der</strong> Kompetenzen gezielt e<strong>in</strong>gekauft werden müssen. Bei <strong>der</strong> Entscheidung, auf externe Anbieter zeitlich begrenzt o<strong>der</strong> dauerhaft zurückzugreifen, solltendie fachlichen Aspekte <strong>und</strong> die Qualität <strong>der</strong> Dienstleistungen <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>betrieblichen</strong> Suchtprävention<strong>und</strong> Beratung <strong>in</strong> den Vor<strong>der</strong>gr<strong>und</strong> gerückt werden. Bei e<strong>in</strong>er längerfristig angelegten Kooperation sollte e<strong>in</strong> spezifizierter Anfor<strong>der</strong>ungs- <strong>und</strong> Kriterienkatalog(sog. Pflichtenheft) zur Auswahl externer Dienstleister erstellt werden nach dem die Ausschreibung<strong>und</strong> die Auswahl erfolgen kann. Externe Dienstleister sollten ihr Angebots- <strong>und</strong> Beratungsprofil schriftlich vorlegen <strong>und</strong> dar<strong>in</strong> sichtbarmachen, welche Elemente e<strong>in</strong>es Suchtpräventionsprogramms sie professionell anbieten können. Betriebe sollten mit externen Dienstleistern auf <strong>der</strong> Basis e<strong>in</strong>es Vertrages, <strong>in</strong> dem die zu übernehmendenAufgaben festgeschrieben werden, zusammenarbeiten. Bei E<strong>in</strong>führung e<strong>in</strong>es <strong>betrieblichen</strong> Suchtpräventionsprogramms <strong>und</strong> <strong>der</strong> Entwicklung e<strong>in</strong>es Gesamtkonzeptessollten externe Dienstleister <strong>in</strong> <strong>der</strong> Lage se<strong>in</strong>, diesen Organisationsentwicklungsprozessfachlich <strong>und</strong> methodisch zu begleiten.Anfor<strong>der</strong>ungs- <strong>und</strong> Auswahlkriterien für externe DienstleisterBeratung zur PrimärpäventionFür diesen Bereich sollten e<strong>in</strong>erseits breite <strong>in</strong>terdiszipl<strong>in</strong>äre Kompetenzen e<strong>in</strong>gefor<strong>der</strong>t werden, an<strong>der</strong>erseitskann auch e<strong>in</strong>e kreative Ausgestaltung des Handlungsfeldes die Wirkung primärpräventiverMaßnahmen sehr verstärken. Für Beratungen <strong>in</strong> diesem Bereich sollten vorhanden se<strong>in</strong>: Kenntnisse <strong>der</strong> aktuellen primärpräventiven Konzepte, die <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>betrieblichen</strong> SuchtpräventionAnwendung f<strong>in</strong>den, z.B. Punktnüchternheit, Risikokonsum; Kenntnis <strong>der</strong> rechtlichen Gr<strong>und</strong>lagen sowie <strong>der</strong> <strong>betrieblichen</strong> Konzepte zur E<strong>in</strong>schränkung desSuchtmittelkonsums (Modelle guter Praxis); Möglichkeit <strong>der</strong> Arbeit mit Programmen zur <strong>in</strong>dividuellen Konsumreduzierung (Dr<strong>in</strong>k-Less-Programme, SKOLL, Nichtrauchertra<strong>in</strong><strong>in</strong>g); Kenntnis <strong>der</strong> Stresskonzepte, des Ansatzes <strong>der</strong> Salutogenese, des Work-Life-Balance-Konzeptessowie des Selbstwirksamkeitskonzepts <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>betrieblichen</strong> Ges<strong>und</strong>heitsför<strong>der</strong>ung; E<strong>in</strong>beziehung ges<strong>und</strong>heitsför<strong>der</strong>licher Maßnahmen <strong>und</strong> <strong>der</strong> Instrumente des Arbeits- <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heitsschutzes<strong>in</strong> die präventive Arbeit; Kenntnis des Konzepts 'Ges<strong>und</strong>heitsorientiertes Führen'; Kompetenzen im Umgang mit neuen Medien, visueller Gestaltung von Materialen, Entwicklungkreativer Zugangswege zu verschiedenen Zielgruppen.


Kapitel 4 Betriebliche Suchtberatung 87Qualifizierung von Personalverantwortlichen Externe Dienstleister sollten <strong>in</strong> Sem<strong>in</strong>aren mit Personalverantwortlichen das Thema lösungsorientierteIntervention bei Auffälligkeiten im Arbeits- <strong>und</strong> Leistungsverhalten schon bei Risikokonsum <strong>in</strong>den Vor<strong>der</strong>gr<strong>und</strong> stellen, nicht auf Symptome zur Diagnose von Suchtkrankheit fokussieren. Sem<strong>in</strong>aranbieter sollten gleichermaßen über Fachkompetenz im Bereich psychosoziale Störungen,Risikokonsum <strong>und</strong> Sucht verfügen wie über Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>gsmethoden <strong>und</strong> -erfahrung im Bereich Führung<strong>und</strong> Kommunikation. Das Interventionstra<strong>in</strong><strong>in</strong>g sollte abgestellt se<strong>in</strong> auf ges<strong>und</strong>heitsorientierte Führung im S<strong>in</strong>ne frühzeitigerGespräche bei Auffälligkeiten <strong>und</strong> Hilfeangebote an die Beschäftigten, Kommunikation vonWertschätzung, konsequente <strong>und</strong> konstruktive Ansprache von kritikwürdigem Verhalten <strong>und</strong> Problemenam Arbeitsplatz. Beratung <strong>und</strong> Unterstützung von Vorgesetzten <strong>in</strong> <strong>der</strong> Vorklärung von Interventionen <strong>und</strong> zum Vorgehenim E<strong>in</strong>zelfall sollten das Sem<strong>in</strong>arangebot ergänzen. Sem<strong>in</strong>aranbieter sollten spezifische Arbeitse<strong>in</strong>heiten im Sem<strong>in</strong>ar vorsehen, <strong>in</strong> denen das <strong>in</strong>terneHilfesystem, d.h. e<strong>in</strong>e haupt- o<strong>der</strong> nebenamtliche Ansprechperson, <strong>der</strong> Betriebsarzt etc., das <strong>in</strong>terneHilfeangebot <strong>und</strong> die Verfahrensabläufe bei Interventionen vorgestellt wird.Beratung für BeschäftigteEs sollten h<strong>in</strong>sichtlich <strong>der</strong> Beratung von Beschäftigten gr<strong>und</strong>sätzlich vergleichbare Anfor<strong>der</strong>ungen anberufliche Ausbildung, fachliche Qualifikation, Beratungskompetenz, Weiterbildung <strong>und</strong> Supervisionan externe Dienstleister gestellt werden wie an die hauptamtlichen Berater/-<strong>in</strong>nen. Externe Dienstleister sollten bedarfsorientiert mit e<strong>in</strong>em ressourcen- <strong>und</strong> lösungsorientierten Fokusberaten können, um Beschäftigte auf dem Weg aus <strong>der</strong> bestehenden Problemsituation zu begleiten. Sie sollten, wenn es von <strong>der</strong> zu beratenden Person gewünscht wird, e<strong>in</strong>e Fallbegleitung o<strong>der</strong> e<strong>in</strong>Case Management anbieten. Sie sollten nicht auf e<strong>in</strong>en spezifischen Ansatz <strong>der</strong> Suchthilfe festgelegt se<strong>in</strong> <strong>und</strong> mit verschiedenenBeratungs- <strong>und</strong> Fache<strong>in</strong>richtungen kooperieren. Sie sollten e<strong>in</strong>e hohe Bereitschaft zur systemischen Vernetzung im Betrieb mitbr<strong>in</strong>gen bei gleichzeitigerE<strong>in</strong>haltung <strong>der</strong> Regeln <strong>der</strong> Verschwiegenheit <strong>und</strong> des Datenschutzes.Beratung beim Aufbau e<strong>in</strong>es <strong>betrieblichen</strong> Suchtpräventionsprogramms Externe Dienstleister sollten über vertiefte Kenntnisse des Konzepts betrieblicher Suchtprävention<strong>und</strong> Suchthilfe verfügen <strong>und</strong> die Ziele <strong>in</strong> allen Präventionsbereichen teilen. Sie sollten die Strukturen <strong>und</strong> Handlungsbereiche von <strong>betrieblichen</strong> Suchtpräventionsprogrammenkennen <strong>und</strong> die Faktoren für e<strong>in</strong>e nachhaltige Verankerung des Programms <strong>in</strong> <strong>der</strong> Organisationvermitteln können. Sie sollten die rechtlichen Gr<strong>und</strong>lagen <strong>der</strong> <strong>betrieblichen</strong> Suchtprävention <strong>und</strong> Suchthilfe vermittelnkönnen <strong>und</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> Lage se<strong>in</strong>, Betriebe bei <strong>der</strong> Erstellung e<strong>in</strong>er Betriebs- o<strong>der</strong> Dienstvere<strong>in</strong>barungbzw. an<strong>der</strong>er betrieblicher Regelungen zur Suchtprävention, die den aktuellen Standards entsprechen,zu unterstützen. Externe Dienstleister, die nur e<strong>in</strong>zelne Bauste<strong>in</strong>e im Bereich betrieblicher Suchtprävention <strong>und</strong>Suchthilfe anbieten können, sollten <strong>in</strong> <strong>der</strong> Lage se<strong>in</strong>, e<strong>in</strong>e konzeptionelle Verb<strong>in</strong>dung zu den an<strong>der</strong>enHandlungsfel<strong>der</strong>n herzustellen <strong>und</strong> dazu beitragen, dass diese ebenfalls entwickelt werden. Sie sollten die Verantwortungsbereiche <strong>und</strong> Aufgaben von Führungskräften, Interessenvertretungen<strong>und</strong> <strong>der</strong> Fachkräfte im Ges<strong>und</strong>heitsmanagement überblicken <strong>und</strong> die verschiedenen Rollen


88Kapitel 4Betriebliche Suchtberatung<strong>und</strong> Interessen <strong>der</strong> Beteiligten bei <strong>der</strong> E<strong>in</strong>führung e<strong>in</strong>es Suchtpräventionsprogramms angemessenberücksichtigen können. Externe Dienstleister sollten anregen können, wie die Vernetzung <strong>der</strong> Suchtprävention mit an<strong>der</strong>en<strong>betrieblichen</strong> Prozessen effektiv gestaltet werden kann, z.B. durch Verknüpfung <strong>der</strong> Präventionsangebotemit Maßnahmen <strong>der</strong> Ges<strong>und</strong>heitsför<strong>der</strong>ung, <strong>der</strong> Personal- <strong>und</strong> Organisationsentwicklung<strong>und</strong> des Qualitätsmanagements. Sie sollten die Bedeutung <strong>der</strong> Weiterentwicklung des Suchtpräventionsprogramms auf <strong>der</strong> Basis<strong>der</strong> Festlegung von Zielen, Bedarfsermittlung, Planung von Maßnahmen, Auswertung <strong>der</strong> Schritteim H<strong>in</strong>blick auf die Zielerreichung vermitteln können.Kriterien für die persönliche Eignung Externe Dienstleister sollten e<strong>in</strong>e möglichst breite Gr<strong>und</strong>qualifizierung mitbr<strong>in</strong>gen <strong>und</strong> e<strong>in</strong>schlägigeBeratungs-, Mo<strong>der</strong>ations- <strong>und</strong> Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>gsmethoden beherrschen. Gr<strong>und</strong>legende Kenntnisse desProjektmanagements s<strong>in</strong>d von Vorteil. Die Allparteilichkeit im Beratungsprozess sollte als professionelles Pr<strong>in</strong>zip ebenso gelebt werdenkönnen wie die E<strong>in</strong>haltung <strong>der</strong> Schweigepflicht. Sie sollten für die betriebliche Arbeit über Feldkompetenz verfügen, d.h. über Kenntnis <strong>der</strong> Organisationsstrukturenvon Betrieben <strong>und</strong> Verwaltungen. Sie sollten sich bewusst auf die Anfor<strong>der</strong>ungen des Systems Betrieb, nicht ausschließlich auf dieHilfe für E<strong>in</strong>zelpersonen, e<strong>in</strong>stellen können. Sie sollten <strong>in</strong> <strong>der</strong> Lage se<strong>in</strong>, <strong>in</strong> <strong>der</strong> Rolle als Berater/-<strong>in</strong> im <strong>betrieblichen</strong> System Klarheit herzustellen<strong>und</strong> ihren Auftrag immer wie<strong>der</strong> selbstkritisch zu reflektieren. Die Durchführung <strong>und</strong> die Ergebnisse <strong>der</strong> Angebote zu evaluieren o<strong>der</strong> evaluieren zu lassen, solltenzur professionellen Kompetenz gehören. Die Fähigkeit zu Perspektivwechseln sollte als wichtige Voraussetzung für e<strong>in</strong>e breite Akzeptanzgegeben se<strong>in</strong>. E<strong>in</strong> externer Dienstleister sollte <strong>in</strong> <strong>der</strong> Lage se<strong>in</strong>, nach e<strong>in</strong>er Bedarfs- <strong>und</strong> Auftragsklärung im Betriebe<strong>in</strong> angepasstes Angebot abzugeben <strong>und</strong> nicht e<strong>in</strong>fach fertige Produkte zu verkaufen.BegründungszusammenhangDer gewünschte Rahmen <strong>und</strong> das Qualitätsniveau für die von externen Dienstleistern e<strong>in</strong>zukaufendenAngebote im Rahmen des <strong>betrieblichen</strong> Suchtpräventionsprogramms sollten vom Steuerungsgremium<strong>in</strong> Abhängigkeit zu dem zur Verfügung stehenden F<strong>in</strong>anzierungsvolumen geklärt werden.Externe Anbieter, die von sich beanspruchen, das Arbeitsfeld betriebliche Suchtprävention <strong>in</strong> se<strong>in</strong>erganzen Breite adäquat abzudecken, s<strong>in</strong>d extrem selten. Die meisten Dienstleister haben Schwerpunktegesetzt o<strong>der</strong> s<strong>in</strong>d häufig sogar nur für e<strong>in</strong>en Handlungsbereich qualifiziert. Der Blick verengt sichhäufig noch sehr schnell auf e<strong>in</strong>e Qualifizierung zum Thema 'Erkennen von Sucht o<strong>der</strong> Suchterkrankung'.Die wichtige Ausweitung des präventiven Blicks auf das betriebliche Geschehen zur Vorbeugungvon ges<strong>und</strong>heitlichen Gefährdungen verbleibt dann.Die Verengung verstellt aber auch den Blick darauf, dass Suchtprävention <strong>und</strong> -hilfe immer e<strong>in</strong> Organisationsentwicklungsprozessist, <strong>in</strong> dem Impulse zur Verän<strong>der</strong>ung auf sehr verschiedenen Ebenengegeben o<strong>der</strong> verstärkt werden müssen. Deshalb sollten die Verantwortlichen sehr genau prüfen,welche Anfor<strong>der</strong>ungen e<strong>in</strong> externer Dienstleister <strong>in</strong> ihrer Organisation erfüllen soll <strong>und</strong> welche Voraussetzungener dafür mitbr<strong>in</strong>gt. E<strong>in</strong>en professionellen Rahmen für e<strong>in</strong>en E<strong>in</strong>satz von Mitarbeiter<strong>in</strong>nen<strong>und</strong> Mitarbeitern von Suchtberatungs- <strong>und</strong> Präventionsfachstellen <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>betrieblichen</strong> Suchtprävention


Kapitel 4 Betriebliche Suchtberatung 89<strong>und</strong> Suchthilfe wurde z.B. <strong>in</strong> dem Curriculum "Sucht <strong>in</strong> <strong>der</strong> Arbeitswelt" <strong>der</strong> Hessischen Landesstellefür Suchtfragen (HLS) gesteckt.Für die Zusammenarbeit mit e<strong>in</strong>em externen Dienstleister ist im Betrieb vorab <strong>der</strong> Bedarf an Präventions-<strong>und</strong> Beratungsdienstleistungen festzustellen. Vor e<strong>in</strong>er längerfristigen Kooperation sollten diekonkreten Anfor<strong>der</strong>ungen außerdem schriftlich, z.B. <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em so genannten Pflichtenheft, festgehaltenwerden, das zum e<strong>in</strong>en für die Ausschreibung e<strong>in</strong>es Angebots, zum an<strong>der</strong>en auch für die spätereEvaluation <strong>der</strong> Dienstleistungsaktivitäten herangezogen werden kann. E<strong>in</strong> schriftlich gefasster Anfor<strong>der</strong>ungskataloghat darüber h<strong>in</strong>aus den großen Vorteil, dass es e<strong>in</strong>e Verständigung nach <strong>in</strong>nen gebenmuss, welche Angebote im Suchtpräventionsprogramm zukünftig bereitgestellt werden sollen <strong>und</strong>durch wen. Spätestens <strong>in</strong> dieser Phase sollte darauf geachtet werden, die Zusammenarbeit mit <strong>in</strong>ner<strong>betrieblichen</strong>Akteuren <strong>in</strong> <strong>der</strong> Suchtprävention <strong>und</strong> -hilfe, z.B. Ansprechpersonen für Suchtfragen,abzustimmen, um sich möglichst <strong>in</strong> den Angeboten zu ergänzen <strong>und</strong> weiteren Verlauf konkurrenzfreizu kooperieren.Vor Aufnahme <strong>der</strong> Tätigkeit des Anbieters werden die genauen Bed<strong>in</strong>gungen <strong>der</strong> Kooperation geklärt<strong>und</strong> welche Dienstleistungen <strong>der</strong> Externe für den Betrieb übernimmt. In dem Beratervertrag o<strong>der</strong> Kontraktwerden schließlich die Konditionen <strong>der</strong> Zusammenarbeit beschrieben, z.B. auch <strong>der</strong> Rahmen <strong>und</strong>die Zeitpunkte für die Evaluation <strong>der</strong> Angebote.Es ist davon auszugehen, dass e<strong>in</strong> entscheiden<strong>der</strong> Aspekt die Frage nach dem zur Verfügung stehendenBudget ist. Gute Anbieter, die im breiten Maße die genannten Kriterien erfüllen, erwarten e<strong>in</strong>emarktgerechte Vergütung <strong>und</strong> liegen erfahrungsgemäß eher im mittleren bis höheren Preissegmentfür betriebliche Beratungen. So stellt sich letztlich die Frage, <strong>in</strong> wie weit <strong>der</strong> Auftraggeber auch bereitist, <strong>in</strong> entsprechende Qualität zu <strong>in</strong>vestieren.ArbeitsschritteEs wird <strong>in</strong> <strong>der</strong> Praxis kaum möglich se<strong>in</strong>, bei e<strong>in</strong>em Dienstleister die Erfüllung aller Kriterien zu erwarten.Von daher sche<strong>in</strong>en folgende Verfahrensschritte s<strong>in</strong>nvoll: Bestandserhebung <strong>der</strong> bisherigen <strong>betrieblichen</strong> Aktivitäten im Bereich Suchtprävention <strong>und</strong>Suchthilfe <strong>und</strong> <strong>der</strong> Ergänzungs- <strong>und</strong> Weiterentwicklungsbedarfe. Bestandserhebung <strong>der</strong> genutzten <strong>und</strong> bisher nicht genutzten <strong>betrieblichen</strong> Ressourcen. Abstimmung <strong>der</strong> gewünschten e<strong>in</strong>zuholenden Dienstleistungen <strong>und</strong> Verhandlung des zur Verfügungstehenden Budgets für den E<strong>in</strong>satz externer Anbieter. Formulierung <strong>der</strong> spezifischen Anfor<strong>der</strong>ungen an externe Dienstleister, Anlage e<strong>in</strong>es Anfor<strong>der</strong>ungskatalogs/Pflichtenhefts. E<strong>in</strong>holung von Angeboten <strong>und</strong> Durchführung von Angebotsgesprächen mit den Interessenten. Auswahl geeigneter Anbieter, Abgleich <strong>der</strong> <strong>betrieblichen</strong> Anfor<strong>der</strong>ungen mit den Angebotsprofilen<strong>der</strong> Dienstleister. Klärungs- <strong>und</strong> Kontraktgespräche mit dem ausgewählten Anbieter, schriftliche Abfassung <strong>der</strong>Absprachen für die Kooperation. Planung <strong>und</strong> Durchführung von regelmäßigen Auswertungsgesprächen <strong>in</strong> <strong>der</strong> Zusammenarbeit.Literatur <strong>und</strong> MaterialienFuchs, Re<strong>in</strong>hard (2004) Gutachten: Externe Anbieter <strong>in</strong> <strong>der</strong> Betrieblichen Suchtprävention. Orientierungshilfe fürden <strong>betrieblichen</strong> Auswahl- <strong>und</strong> Entscheidungsprozess. IBS Berl<strong>in</strong>.Wienemann, E. / Müller, P. (2005) Standards <strong>der</strong> Alkohol-, Tabak-, Drogen- <strong>und</strong> Medikamentenprävention <strong>in</strong>deutschen Unternehmen <strong>und</strong> Verwaltungen. Expertise für die Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen e.V. (DHS).Hannover. www.dhs.de > Arbeitsfel<strong>der</strong> > Arbeitsplatz > ExpertiseWienemann, E. (2003): Curriculum "Sucht <strong>in</strong> <strong>der</strong> Arbeitswelt". Hessische Landestelle für Suchtfragen e.V. Frankfurt.ebenso: Wienemann, E. (2005) Qualifizierung zum Curriculum "Sucht <strong>in</strong> <strong>der</strong> Arbeitswelt". Kooperationsprojekt<strong>der</strong> Hessischen Landesstelle für Suchtfragen e.V. <strong>und</strong> des Weiterbildungsstudiums Arbeitswissenschaft (WA)<strong>der</strong> Universität Hannover. Auswertung <strong>der</strong> Pilotphase.


90Kapitel 5 Strukturelle E<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung5 Strukturelle E<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung <strong>der</strong> <strong>betrieblichen</strong> Suchtprävention<strong>und</strong> Suchthilfe, Qualitätssicherung, Evaluation5.1 Betriebliches Gesamtkonzept zur Suchtprävention‚Betriebliches Suchtpräventionsprogramm’ wird hier - wie <strong>in</strong> Kapitel 1 ausgeführt - übergreifendfür alle <strong>betrieblichen</strong> Aktivitäten im Bereich <strong>der</strong> Suchtprävention <strong>und</strong>/o<strong>der</strong> Suchthilfe verwendet.Es basiert auf e<strong>in</strong>em so genannten Gesamtkonzept, das seit den 80er-Jahren als gr<strong>und</strong>legen<strong>der</strong>Standard <strong>der</strong> <strong>betrieblichen</strong> Suchtprävention <strong>und</strong> -hilfe gilt (vgl. Kap. 1, Abb. 1). Welche Elementedes Gesamtkonzeptes <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Organisation umgesetzt werden ist z.B. abhängig vonihrer Art <strong>und</strong> Größe, von <strong>der</strong> spezifischen Beschäftigtenstruktur, von <strong>der</strong> <strong>betrieblichen</strong> Personal<strong>und</strong>Ges<strong>und</strong>heitspolitik <strong>und</strong> den zur Verfügung stehenden Ressourcen. Was schließlich realisiertwird, hängt nicht zuletzt auch ganz entscheidend von den Vorstellungen <strong>der</strong> Personen ab,die sich im Betrieb für die Suchtprävention <strong>und</strong> -hilfe engagieren. So bewegen sich betrieblicheSuchtpräventionsprogramme zwischen <strong>der</strong> Hilfe für suchtkranke Beschäftigte im E<strong>in</strong>zelfall bish<strong>in</strong> zu ausdifferenzierten professionell ausgestatteten <strong>und</strong> mit vielfältigen Angeboten im Betriebvertretenen, gut vernetzten E<strong>in</strong>richtungen <strong>der</strong> Suchtprävention <strong>und</strong> Suchtberatung.In <strong>der</strong> Regel steckt e<strong>in</strong> Steuerungsgremium, z.B. <strong>der</strong> Arbeitskreis Suchtprävention o<strong>der</strong> Ges<strong>und</strong>heit,den konkreten Rahmen für das betriebliche Suchtpräventionsprogramm. In vielenFällen wird es <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Betriebs- o<strong>der</strong> Dienstvere<strong>in</strong>barung mit den Zielen <strong>und</strong> Aufgaben sowieden Maßnahmen <strong>und</strong> Vorgehensweisen festgeschrieben.StandardBetriebliches Suchtpräventionsprogramm Das betriebliche Suchtpräventionsprogramm sollte, auch wenn es z.B. <strong>in</strong> kle<strong>in</strong>eren Betriebs-o<strong>der</strong> Verwaltungse<strong>in</strong>heiten nur wenige Elemente umfasst, immer schriftlich fixiertwerden.Die wesentlichen Ziele, Inhalte, Strukturen <strong>und</strong> Maßnahmen sollten als Betriebso<strong>der</strong>Dienstvere<strong>in</strong>barung abgeschlossen werden. Als Ziele des Programms sollten angestrebt werden, die Gesun<strong>der</strong>haltung <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heitsför<strong>der</strong>ungaller Beschäftigten, die Abwendung von Gefährdungen durch riskante Konsummuster<strong>und</strong> Verhaltensweisen, die Hilfe bei Suchtgefährdung <strong>und</strong> Suchterkrankung, dieErhöhung <strong>der</strong> Arbeitssicherheit sowie die Verbesserung <strong>der</strong> Qualität von Produkten, Prozessen<strong>und</strong> Dienstleistungen. Es sollte im Konzept vorgesehen werden das betriebliche Suchtpräventionsprogramm regelmäßigan die sich verän<strong>der</strong>nden <strong>betrieblichen</strong>, fachlichen <strong>und</strong> rechtlichen Rahmenbed<strong>in</strong>gungenanzupassen. Das Suchtpräventionsprogramm sollte <strong>in</strong> die <strong>betrieblichen</strong> Prozesse <strong>in</strong>tegriert werden <strong>und</strong>im <strong>betrieblichen</strong> Ges<strong>und</strong>heitsmanagement eng mit dem Arbeits- <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heitsschutz,<strong>der</strong> Ges<strong>und</strong>heitsför<strong>der</strong>ung, dem <strong>betrieblichen</strong> E<strong>in</strong>glie<strong>der</strong>ungsmanagement sowie <strong>der</strong> Personal-<strong>und</strong> Organisationsentwicklung vernetzt se<strong>in</strong>.


Kapitel 5Strukturelle E<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung91Arbeitskreis / Steuerungsgremium Verantwortlich für das Suchtpräventionsprogramm sollte e<strong>in</strong> Gremium se<strong>in</strong>, z.B. <strong>der</strong> ArbeitskreisSuchtprävention, <strong>in</strong> dem die Leitung, <strong>der</strong> Betriebs- o<strong>der</strong> Personalrat sowie weiterefür die betriebliche Suchtprävention zuständige Stellen <strong>und</strong> die <strong>in</strong>terne Beratung vertretens<strong>in</strong>d. Es handelt sich um e<strong>in</strong> Steuerungsgremium, das nicht die Beratung im E<strong>in</strong>zelfallübernimmt. Folgende Aufgaben sollten vom Steuerungsgremium wahrgenommen werden Abstimmung <strong>der</strong> Ziele, Ausrichtung <strong>und</strong> Auswahl <strong>der</strong> Elemente des <strong>betrieblichen</strong>Suchtpräventionsprogramms; Vorbereitung <strong>der</strong> Entscheidungen <strong>und</strong> Vere<strong>in</strong>barungen zur E<strong>in</strong>richtung, Umsetzung <strong>und</strong>Weiterentwicklung des Programms; Auswahl <strong>und</strong> Entwicklung <strong>der</strong> Maßnahmen zur Suchtprävention <strong>und</strong> Suchthilfe; Koord<strong>in</strong>ation <strong>und</strong> Begleitung <strong>der</strong> Arbeit <strong>der</strong> <strong>in</strong>ternen Beratung; Integration <strong>der</strong> Suchtprävention <strong>in</strong> das betriebliche Ges<strong>und</strong>heitsmanagement <strong>und</strong> Verknüpfungmit dem Arbeits- <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heitsschutz, <strong>der</strong> Ges<strong>und</strong>heitsför<strong>der</strong>ung, dem <strong>betrieblichen</strong>E<strong>in</strong>glie<strong>der</strong>ungsmanagement, <strong>der</strong> Personal- <strong>und</strong> Organisationsentwicklung<strong>und</strong> an<strong>der</strong>en <strong>betrieblichen</strong> Prozessen; E<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung des Programms <strong>in</strong> betriebliche, fachliche <strong>und</strong> regionale Netzwerke u.a.m. Evaluation, Qualitätssicherung.BegründungszusammenhangBetriebliche Suchtpräventionsprogramme nehmen e<strong>in</strong>en festen Platz im mo<strong>der</strong>nen Personalmanagemente<strong>in</strong>. Trotzdem müssen sie <strong>in</strong> vielen Bereichen noch e<strong>in</strong>geführt o<strong>der</strong> weiter entwickeltwerden. Im Betriebsalltag werden sie oftmals nur als Anleitung zum Vorgehen im E<strong>in</strong>zelfallgenutzt <strong>und</strong> ihre wichtige vorbeugende Wirkung im H<strong>in</strong>blick auf die Abwendung ges<strong>und</strong>heitlicherGefährdungen zu wenig wahrgenommen. Die Suchtprävention sollte daher <strong>in</strong> die <strong>betrieblichen</strong>Strategien <strong>und</strong> Leitorientierungen für ges<strong>und</strong>e <strong>und</strong> motivierte Mitarbeiter/<strong>in</strong>nen e<strong>in</strong>geb<strong>und</strong>enwerden. Deshalb ist es wichtig das Suchtpräventionsprogramm hochrangig <strong>in</strong> <strong>der</strong> Organisationzu verankern. Mit e<strong>in</strong>em entsprechend zusammengesetzten Steuerungsgremium (Abb. 10)lässt sich dies am besten gewährleisten. Das Gremium ist Träger des Suchtpräventionsprogramms<strong>und</strong> für se<strong>in</strong>e Umsetzung, Qualität <strong>und</strong> Weiterentwicklung verantwortlich.


92Kapitel 5 Strukturelle E<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dungSteuerungsgremium: Arbeitskreis Sucht / Ges<strong>und</strong>heitBeteiligte (Groß- <strong>und</strong> Mittelbetriebe / großeE<strong>in</strong>richtungen)• Geschäftsführung / Leitung <strong>der</strong> E<strong>in</strong>richtung• Personalabteilung• Betriebs- / Personalrat• Sozial- / Suchtberater/<strong>in</strong>nen• Betriebsarzt / ärztlicher Dienst• Schwerbeh<strong>in</strong><strong>der</strong>tenvertretung• Sicherheitsfachkraft• An<strong>der</strong>e Beteiligte (z.B. Gleichstellungsbeauftragte)• ggf. externer DienstleisterAufgaben• Konzeption e<strong>in</strong>es Suchtpräventionsprogramms• Abstimmen <strong>der</strong> Ziele, Ausrichtung <strong>und</strong> Elementedes Suchtpräventionsprogramms• Vere<strong>in</strong>barungen <strong>und</strong> Entscheidungen vorbereiten• Entscheidung über die Maßnahmen zur Suchtprävention<strong>und</strong> –hilfe (Prioritäten)• Kommunikation <strong>und</strong> Promotion des SuchtpräventionsprogrammsAngebote zur <strong>in</strong>dividuellen Konsumreduzierung• Kontrolliertes Tr<strong>in</strong>ken / SKOLL• Nichtraucher-KurseBeteiligte (Kle<strong>in</strong>betriebe / kle<strong>in</strong>ereE<strong>in</strong>richtungen)• Leitung / Inhaber• ggf. Betriebs- / Personalrat• externer DienstleisterAufgaben• Abstimmen <strong>der</strong> Ziele <strong>und</strong> Maßnahmen• Vere<strong>in</strong>barung zum Suchtprogramm• Auswertung <strong>der</strong> KooperationAbb. 11Zusammensetzung <strong>und</strong> Aufgaben des Steuerungsgremiums <strong>in</strong> kle<strong>in</strong>en <strong>und</strong> größeren<strong>betrieblichen</strong> OrganisationenDieses Steuerungsgremium sollte nicht verwechselt werden mit e<strong>in</strong>em Arbeitskreis, <strong>in</strong> dem sichdie <strong>in</strong>ternen Ansprechpersonen, Suchtberater/<strong>in</strong>nen o<strong>der</strong> Suchtbeauftragten zu e<strong>in</strong>em Helferkreiszusammenf<strong>in</strong>den. E<strong>in</strong> betriebliches Suchtpräventionsprogramm benötigt Steuerung <strong>und</strong>muss erfolgreich - auch unbequeme - Entscheidungen im Betrieb durchsetzen können. Dassetzt <strong>in</strong> jedem Fall voraus, dass die betriebliche Leitung <strong>und</strong> <strong>der</strong> Betriebs- o<strong>der</strong> Personalrat alsEntscheidungs<strong>in</strong>stanzen im Gremium vertreten s<strong>in</strong>d.Das betriebliche Steuerungsgremium sollte dem Standard <strong>der</strong> Leitl<strong>in</strong>ie des International LaborOrganization (ILO) folgen <strong>und</strong> unter Berücksichtigung <strong>der</strong> konkreten Rahmenbed<strong>in</strong>gungen desBetriebes u.a. festlegen, an wen sich vorbeugende Maßnahmen richten sollen, wer für Interventionen geschult werden muss, wer die Personalverantwortlichen, wer die suchtgefährdeten Personen berät, ob es e<strong>in</strong> <strong>in</strong>ternes Beratungsangebot geben soll, wie die <strong>in</strong>ternen Berater qualifiziert <strong>und</strong> ausgestattet se<strong>in</strong> sollen, wann <strong>und</strong> wie mit externen Stellen kooperiert werden soll, welche Hilfeangebote gemacht werden,


Kapitel 5Strukturelle E<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung93<strong>in</strong> welcher Art <strong>und</strong> Weise betrieblich <strong>in</strong>terveniert werden soll (Interventionsleitfaden,Handlungsanleitung, Stufenplan).Die effektive Wahrnehmung <strong>der</strong> Steuerungsaufgaben setzt voraus, dass das Gremium <strong>in</strong> <strong>der</strong>Aufbauphase e<strong>in</strong>es Suchtpräventionsprogramms <strong>in</strong> kürzeren Abständen tagt. Später kann essich seltener treffen, sollte aber weiter kont<strong>in</strong>uierlich m<strong>in</strong>destens e<strong>in</strong>mal im Jahr zusammenkommen,um e<strong>in</strong>e Auswertung <strong>der</strong> zurückliegenden Aktivitäten vorzunehmen sowie sich überdie Weiterentwicklung <strong>und</strong> den Programmausbau zu beraten.Suchtpräventionsprogramme werden <strong>in</strong> größeren Betrieben immer häufiger über das betrieblicheGes<strong>und</strong>heitsmanagement mit an<strong>der</strong>en Programmen <strong>und</strong> E<strong>in</strong>richtungen verknüpft. E<strong>in</strong>eVerknüpfung mit <strong>der</strong> Personalentwicklung bietet sich für die Integration <strong>der</strong> Präventions- <strong>und</strong>Suchtthemen <strong>in</strong> die Führungskräfteentwicklung <strong>und</strong> <strong>in</strong> die Angebote zur Erweiterung <strong>der</strong> Ges<strong>und</strong>heitskompetenzenvon Beschäftigten an. Maßnahmen <strong>der</strong> Suchtprävention lassen sichz.B. mit dem Auftrag des Arbeitsschutzes zum Abbau <strong>und</strong> zur Vorbeugung ges<strong>und</strong>heitlicherGefährdungen o<strong>der</strong> mit <strong>der</strong> Organisationsentwicklung verb<strong>in</strong>den, wo es um Leitbildgestaltung,Teamentwicklung o<strong>der</strong> um die Verbesserung des Betriebsklimas geht. Mit <strong>der</strong> Zunahme <strong>der</strong>Bedeutung <strong>der</strong> Faktoren Qualifikation, Motivation <strong>und</strong> Mitarbeiterges<strong>und</strong>heit im Human ResourceManagement sowie <strong>der</strong> erhöhten Sensibilisierung gegenüber psychischen Problemen amArbeitsplatz kann <strong>und</strong> sollte sich die Suchtprävention im Betrieb deutlich positionieren. Damitstellen sich aber auch neue Herausfor<strong>der</strong>ungen, vor allem zur Kooperation <strong>und</strong> Vernetzung mitan<strong>der</strong>en Fachdiensten (siehe Abb. 11).


94Kapitel 5 Strukturelle E<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dungSuchtprävention im Rahmen ges<strong>und</strong>heitsbezogener Aktivitäten im BetriebUnternehmensleitung• Strategische Positionierung• Leitbild Ges<strong>und</strong>e Mitarbeiter• Bereitstellung von Ressourcen• Führungsleitl<strong>in</strong>ien, Ges<strong>und</strong>heitsorientiertesFühren• Ges<strong>und</strong>heitsmanagement• Zielvere<strong>in</strong>barung: GesprächeGes<strong>und</strong>heitsför<strong>der</strong>ungQualitätsmanagement• KVP• Qualitätssicherung <strong>in</strong>ProjektenBetriebssport• u.a. Fitnessangebote• Yoga, Entspannung• MannschaftssportMitarbeiter- <strong>und</strong> Sozialberatung• Mitarbeiterberatung• Konfliktmo<strong>der</strong>ation• Coach<strong>in</strong>gSuchtprävention• Information <strong>und</strong> Aufklärung• Schulung <strong>und</strong> Beratung• Intervention bei Auffälligkeitenam Arbeitsplatz, Hilfeangebote• Ges<strong>und</strong>heitszirkel• Stress-/Selbstmanagement• Ges<strong>und</strong>heitstag• BelastungsabbauKant<strong>in</strong>e• Ges<strong>und</strong>e ErnährungBetriebsräte <strong>und</strong>Interessenvertretungen• Mitbestimmung / Beteiligung• BV Suchtprävention, Ges<strong>und</strong>heitsmanagement• BV Ges<strong>und</strong>heitsorientiertesFühren• Initiativen / ArbeitsgruppenArbeitsschutz- <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heitsschutz• Arbeitsschutzausschuss• Ergonomische Beratung amArbeitsplatz• Gefährdungsanalyse, - beurteilung• NichtraucherschutzSchwerbeh<strong>in</strong><strong>der</strong>tenvertretung• E<strong>in</strong>glie<strong>der</strong>ungsmanagementKooperation mit Krankenkassen• Ges<strong>und</strong>heitstage• Nichtrauchertra<strong>in</strong><strong>in</strong>gPersonalentwicklung• Führungskräfte-Entwicklung• Teamentwicklung• Stress-/Selbstmanagement• Ges<strong>und</strong> Führen• Mitarbeiter- / EntwicklungsgesprächeOrganisationsentwicklung• Mitarbeiterbefragungen• Leitbildentwicklung• "Klima-"/BeteiligungsgruppenFrauen- / Gleichstellungsbeauftragte• Beratung Vere<strong>in</strong>barkeit Familie/Beruf• Flexible Arbeitszeitmodelle• Netzwerke für FrauenAbb. 12Kooperationsfel<strong>der</strong> im Betrieblichen Ges<strong>und</strong>heitsmanagementArbeitsschritte E<strong>in</strong>richtung e<strong>in</strong>es neuen o<strong>der</strong> Beauftragung e<strong>in</strong>es bestehen Steuerungsgremiums. Das Steuerungsgremium macht sich zum Thema Suchtprävention im Betrieb sachk<strong>und</strong>ig<strong>und</strong> <strong>in</strong>formiert sich über Modelle betrieblicher Suchtpräventionsprogramme. Der Aufbau e<strong>in</strong>es Suchtpräventionsprogramms sollte mit e<strong>in</strong>er Bestandsaufnahme beg<strong>in</strong>nen.Das Steuerungsgremium verschafft sich e<strong>in</strong>en Überblick darüber,welche Aktivitäten es <strong>in</strong> <strong>der</strong> Organisation gibt <strong>und</strong> von wem sie e<strong>in</strong>gebracht werden;welche e<strong>in</strong>schlägigen Regelungen im Betrieb bereits bestehen;wie die Konsumkultur(en) bezogen auf Tabak, Alkohol, illegale Drogen <strong>und</strong> Medikamenteaussehen <strong>und</strong> welche Folgen diese für die Ges<strong>und</strong>heit, die Arbeitssicherheit <strong>und</strong> dasBetriebsklima haben;wie <strong>der</strong> Umgang mit suchtmittelbed<strong>in</strong>gten Auffälligkeiten <strong>und</strong> ges<strong>und</strong>heitsriskantemVerhalten im Betrieb ist;welche Arbeitsbed<strong>in</strong>gungen den problematischen Umgang mit Suchtmitteln begünstigen. Entwicklung <strong>der</strong> Ziele, Strukturen <strong>und</strong> Maßnahmen durch das Steuerungsgremium <strong>und</strong><strong>der</strong>en Umsetzung <strong>in</strong> Abstimmung mit <strong>der</strong> Leitung <strong>und</strong> den Betriebsrat o<strong>der</strong> Personalrat.


Kapitel 5Strukturelle E<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung95 Regelmäßige Auswertung des <strong>betrieblichen</strong> Suchtpräventionsprogramms mit <strong>der</strong> Prüfung,ob <strong>und</strong> wie die Ziele, Strukturen <strong>und</strong> Maßnahmen weiter zu entwickeln <strong>und</strong> den gewandeltenBed<strong>in</strong>gungen anzupassen s<strong>in</strong>d.Literatur <strong>und</strong> MaterialienILO – International Labour Organization (1995) Management of Alcohol- and Drug-related Issues <strong>in</strong> theWorkplace. Genf.Leuchter, K. (2000) Betriebliche Suchtprävention <strong>und</strong> Suchthilfe im Rahmen von Kle<strong>in</strong>- <strong>und</strong> Mittelbetriebenam Beispiel des Handwerker-Fonds Suchtkrankheit e.V. In: Schumann, Günter (Hrsg.). Stand <strong>und</strong> Perspektivebetrieblicher Suchtprävention <strong>und</strong> Suchthilfe. Oldenburg: Universität Oldenburg.Wienemann, E. (2003) Standards <strong>der</strong> Alkohol-, Tabak-, Drogen- <strong>und</strong> Medikamentenprävention <strong>in</strong> deutschenUnternehmen <strong>und</strong> Verwaltungen. Exposé zu e<strong>in</strong>er Expertise, Hannover. www.dhs.de > Arbeitsfel<strong>der</strong>> Arbeitsplatz > ExpertiseZiegler, H. / Brandl, G. (2005) Suchtprävention als Führungsaufgabe – Lösungsorientierte Strategien fürden Betrieb. Wiesbaden: Universum Verlagsanstalt.5.1.1 Betriebliches Ges<strong>und</strong>heitsmanagement <strong>und</strong> SuchtpräventionBetriebliches Ges<strong>und</strong>heitsmanagement (BGM) kann def<strong>in</strong>iert werden als die bewusste Steuerung<strong>und</strong> Integration aller <strong>betrieblichen</strong> Prozesse mit dem Ziel <strong>der</strong> Erhaltung <strong>und</strong> För<strong>der</strong>ung <strong>der</strong>Ges<strong>und</strong>heit <strong>und</strong> des Wohlbef<strong>in</strong>dens <strong>der</strong> Beschäftigten. Es umfasst die <strong>betrieblichen</strong> Aktivitätenzum Schutz des Menschen bei <strong>der</strong> Arbeit <strong>und</strong> zur ges<strong>und</strong>heitsför<strong>der</strong>lichen Gestaltung von Arbeits<strong>in</strong>halten,Arbeitsbed<strong>in</strong>gungen, Arbeitsorganisation sowie die verhaltensbezogene Maßnahmenzur besseren Bewältigung des Arbeitsalltags. Das BGM zielt auf Erweiterung <strong>der</strong> Ges<strong>und</strong>heitskompetenz<strong>und</strong> gibt Orientierung für e<strong>in</strong> ges<strong>und</strong>heitsorientiertes Führungsverhaltensowie für e<strong>in</strong> Sicherheit, Ges<strong>und</strong>heit <strong>und</strong> Wohlbef<strong>in</strong>den för<strong>der</strong>ndes Verhalten <strong>der</strong> Beschäftigten.Aufgabe des BGM ist u.a. e<strong>in</strong>e zielgerichtete Maßnahmenentwicklung zur Verbesserung <strong>der</strong>Ges<strong>und</strong>heitssituation <strong>der</strong> Beschäftigten. Anregungen dafür f<strong>in</strong>det man <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Reihe überbetrieblicher,nationaler <strong>und</strong> <strong>in</strong>ternationaler Netzwerke zur <strong>betrieblichen</strong> Ges<strong>und</strong>heitsför<strong>der</strong>ung<strong>und</strong> zum Ges<strong>und</strong>heitsmanagement.Das Konzept des <strong>in</strong>tegrierten Ges<strong>und</strong>heitsmanagements sieht die verb<strong>in</strong>dliche organisatorische<strong>und</strong> praktische E<strong>in</strong>beziehung <strong>der</strong> Suchtprävention als e<strong>in</strong> wesentliches Element vor (Abb. 12)


96Kapitel 5 Strukturelle E<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dungAbb. 13 Suchtprävention im <strong>in</strong>tegrierten <strong>betrieblichen</strong> Ges<strong>und</strong>heitsmanagement (Quelle:Wienemann 2010)Standard Sofern im Betrieb e<strong>in</strong> systematisches betriebliches Ges<strong>und</strong>heitsmanagement existiert solltedie Suchtprävention <strong>in</strong>tegriert se<strong>in</strong>. Die Arbeit sollte möglichst über e<strong>in</strong> geme<strong>in</strong>samesSteuerungsgremium koord<strong>in</strong>iert werden. Die Akteure <strong>der</strong> <strong>betrieblichen</strong> Suchtprävention sollten an <strong>der</strong> Entwicklung <strong>und</strong> Umsetzungvon Maßnahmen zur Ges<strong>und</strong>heitsför<strong>der</strong>ung, <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e zur Erweiterung <strong>der</strong> Ges<strong>und</strong>heitskompetenzvon Beschäftigten, beteiligt werden. E<strong>in</strong> wichtiger Bauste<strong>in</strong> des Ges<strong>und</strong>heitsmanagements bildet das Konzept des ges<strong>und</strong>heitsorientiertenFührens, das Führungskräfte dafür sensibilisieren soll, welchen Beitrag sie leistenkönnen, um die Ges<strong>und</strong>heit ihrer Mitarbeiter zu erhalten <strong>und</strong> zu för<strong>der</strong>n. Dabei solltedas Thema des riskanten Suchtmittelkonsums von Beschäftigten <strong>und</strong> <strong>der</strong> Möglichkeiten zurIntervention nach dem Interventionsleitfaden e<strong>in</strong>bezogen werden.BegründungszusammenhangDie Entstehung e<strong>in</strong>es <strong>betrieblichen</strong> Ges<strong>und</strong>heitsmanagements lässt sich auf drei Entwicklungenzurückführen, a) auf den gestiegenen Stellenwert <strong>der</strong> Faktoren Qualifikation, Motivation <strong>und</strong>Mitarbeiterges<strong>und</strong>heit <strong>in</strong> neuen Managementstrategien, vor allem im Human Resource Management,b) auf die Entwicklungen im präventiven Arbeits- <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heitsschutz <strong>und</strong> <strong>der</strong> <strong>betrieblichen</strong>Ges<strong>und</strong>heitsför<strong>der</strong>ung <strong>und</strong> nicht zuletzt c) auf den Bedeutungszuwachs von Suchtprävention,psycho-sozialer Beratung <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heitsför<strong>der</strong>ung <strong>in</strong> den Betrieben. Ges<strong>und</strong>heitsmanagementwird <strong>in</strong> Verb<strong>in</strong>dung mit <strong>der</strong> Zunahme psychischer Belastungen <strong>und</strong> Erkran-


Kapitel 5Strukturelle E<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung97kungen im Arbeitsprozess e<strong>in</strong>erseits <strong>und</strong> dem Problem altern<strong>der</strong> Belegschaften an<strong>der</strong>erseitsimmer bedeutsamer.Die Anfor<strong>der</strong>ungen des präventiven Arbeitsschutzes, die beteiligungsorientierten Ansätze zurGefährdungsermittlung <strong>und</strong> Lösungsentwicklung, <strong>der</strong> Ausbau ges<strong>und</strong>heitsför<strong>der</strong>licher Arbeitsbed<strong>in</strong>gungen,das Konzept des ges<strong>und</strong>heitsorientierten Führens <strong>und</strong> die Maßnahmen zur Erweiterung<strong>der</strong> Ges<strong>und</strong>heitskompetenz von Führungskräften <strong>und</strong> Mitarbeitern bieten hervorragendeAnknüpfungspunkte für (sucht)präventive Aktivitäten <strong>und</strong> ihren Beitrag zur Verbesserung<strong>der</strong> Ges<strong>und</strong>heitskompetenz <strong>der</strong> Organisation.Dies gilt ebenso für die Entwicklung <strong>der</strong> persönlichen Ges<strong>und</strong>heitskompetenz <strong>der</strong> Beschäftigten.Zu dieser Schlüsselkompetenz gehört u.a.: die Entwicklung <strong>der</strong> persönlichen Potenziale zum Aufbau e<strong>in</strong>es körperlichen, geistigen <strong>und</strong>sozialen Wohlbef<strong>in</strong>dens.die Kenntnis über das Stressgeschehen <strong>und</strong> den E<strong>in</strong>satz von Tabak,Alkohol, illegalen Drogen <strong>und</strong> Medikamenten zur Bewältigung von Stresssituationen<strong>und</strong> Stressfolgen; die Fähigkeit zum Selbstmanagement <strong>und</strong> die Entwicklung <strong>der</strong> Überzeugung, die Herausfor<strong>der</strong>ungendes (Arbeits-)Alltags bewältigen zu können; das Wissen über die krank machenden <strong>und</strong> ges<strong>und</strong> erhaltenden Faktoren <strong>in</strong> Arbeits- <strong>und</strong>Lebenssituationen u.a. über die Gefährdungen durch riskanten Suchtmittel- <strong>und</strong> Medikamentengebrauch<strong>und</strong> exzessive Verhaltensweisen; die Fähigkeit <strong>und</strong> Bereitschaft, sich für die Verän<strong>der</strong>ung Ges<strong>und</strong>heit gefährden<strong>der</strong> Bed<strong>in</strong>gungen<strong>und</strong> Verhaltensweisen e<strong>in</strong>zusetzen, <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e auch für e<strong>in</strong>en verantwortungsvollen<strong>und</strong> risikoarmen Gebrauch von Suchtmitteln; die aktive Beteiligung am Aufbau e<strong>in</strong>es stabilen sozialen Umfeldes, das Unterstützung beipersönlichen ges<strong>und</strong>heitlichen <strong>und</strong> sozialen Problemen bietet.Das betriebliche Ges<strong>und</strong>heitsmanagement bietet also e<strong>in</strong> Dach, unter dem die Suchtpräventionihre Themen viel breiter e<strong>in</strong>br<strong>in</strong>gen <strong>und</strong> ihre Aktivitäten im Zusammenwirken mit an<strong>der</strong>en <strong>betrieblichen</strong>E<strong>in</strong>richtungen noch deutlich erweitern kann.Seit 2008 ist es dem Arbeitgeber möglich, anerkannte Maßnahmen <strong>der</strong> Prävention <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heitsför<strong>der</strong>ungbis zur Höhe von 500 Euro pro Beschäftigten jährlich Steuer m<strong>in</strong><strong>der</strong>nd geltenzu machen. Hierunter fallen auch anerkannte Maßnahmen <strong>der</strong> <strong>betrieblichen</strong> Suchtprävention<strong>und</strong> Suchthilfe wie z.B. die Qualifizierung von nebenamtlichen Ansprechpersonen für Suchtfragen,Informations- <strong>und</strong> Schulungsveranstaltungen.Arbeitsschritte Anregung e<strong>in</strong>er stärkeren Verknüpfung <strong>der</strong> Aktivitäten im Bereich Prävention ges<strong>und</strong>heitlicherGefährdungen am Arbeitsplatz <strong>und</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>betrieblichen</strong> Ges<strong>und</strong>heitsför<strong>der</strong>ung <strong>in</strong> Zusammenarbeitmit den hierfür zuständigen Akteuren des Managements, des Personalwesens,<strong>der</strong> Personal- <strong>und</strong> Organisationsentwicklung, des Arbeitsschutzes, <strong>der</strong> Arbeitsmediz<strong>in</strong>,<strong>der</strong> <strong>betrieblichen</strong> Interessenvertretungen u.a. Mitarbeit an e<strong>in</strong>em geme<strong>in</strong>samen Konzept e<strong>in</strong>es <strong>betrieblichen</strong> Ges<strong>und</strong>heitsmanagements,Entwicklung e<strong>in</strong>er geme<strong>in</strong>samen Plattform zur systematischen Kooperation bei Prävention,Ges<strong>und</strong>heitsschutz <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heitsför<strong>der</strong>ung unter Nutzung <strong>der</strong> unterschiedlichen fachlichenKompetenzen <strong>und</strong> E<strong>in</strong>flussbereiche <strong>der</strong> jeweiligen Arbeitsfel<strong>der</strong>. Verankerung <strong>der</strong> Elemente des Suchtpräventionsprogramms <strong>in</strong> die Aktivitäten <strong>und</strong> Strukturene<strong>in</strong>es <strong>in</strong>tegrierten <strong>betrieblichen</strong> Ges<strong>und</strong>heitsmanagements.Literatur <strong>und</strong> MaterialienFaller, G. (Hrsg.) (2010) Lehrbuch betriebliche Ges<strong>und</strong>heitsför<strong>der</strong>ung. Bern. Hans Huber VerlagKromm, W. / Frank, G. (Hrsg.)(2009) Unternehmensressource Ges<strong>und</strong>heit. Weshalb die Folgen schlechterFührung ke<strong>in</strong> Arzt heilen kann. Düsseldorf. Symposion Publish<strong>in</strong>g.


98Kapitel 5 Strukturelle E<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dungLeitfaden Nie<strong>der</strong>sachen (2008) Leitfaden zur Umsetzung von Ges<strong>und</strong>heitsmanagement <strong>in</strong> den Dienststellendes Landes Nie<strong>der</strong>sachsen. Erster Teil. Nie<strong>der</strong>sächsisches Innenm<strong>in</strong>isterium. Hannover.www.mi.nie<strong>der</strong>sachsen.de > Ges<strong>und</strong>heitsmanagementRudow, B. (2004) Das ges<strong>und</strong>e Unternehmen. Ges<strong>und</strong>heitsmanagement, Arbeitsschutz, Personalpflege.OldenbourgWienemann, E. (2010) Betriebliches Ges<strong>und</strong>heitsmanagement. In: Hensen, G. <strong>und</strong> Hensen, P. (Hrsg.)Ges<strong>und</strong>heits- <strong>und</strong> Sozialmanagement - Leitbegriffe <strong>und</strong> Gr<strong>und</strong>lagen mo<strong>der</strong>nen Managements. Stuttgart:Kohlhammer.5.1.2 Suchtprävention <strong>und</strong> Suchthilfe im erweiterten ArbeitsschutzAufgr<strong>und</strong> <strong>der</strong> Erweiterung des Arbeitsschutzes (ArbSchG 1996) ist die betriebliche Suchtprävention<strong>und</strong> Suchthilfe als e<strong>in</strong> <strong>in</strong>tegraler Bestandteil <strong>der</strong> Vorbeugung <strong>und</strong> <strong>der</strong> Abwendung arbeitsbed<strong>in</strong>gterGes<strong>und</strong>heitsgefährdungen anzusehen. Suchtpräventionsprogramme haben damitüber die Betriebs- o<strong>der</strong> Dienstvere<strong>in</strong>barung <strong>und</strong> die Regelung zur Unfallverhütung h<strong>in</strong>ause<strong>in</strong>e breitere - präventiv ausgerichtete – Rechtsgr<strong>und</strong>lage erhalten. Dieser Standpunkt ist <strong>in</strong>zwei Rechtsgutachten zur Expertise untersucht <strong>und</strong> gr<strong>und</strong>sätzlich bejaht worden.In § 3 (1) Arbeitsschutzgesetz heißt es zu den Gr<strong>und</strong>pflichten des Arbeitgebers:"Der Arbeitgeber ist verpflichtet, die erfor<strong>der</strong>lichen Maßnahmen des Arbeitsschutzes unter Berücksichtigung<strong>der</strong> Umstände zu treffen, die Sicherheit <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heit <strong>der</strong> Beschäftigten bei<strong>der</strong> Arbeit bee<strong>in</strong>flussen (...) Dabei hat er e<strong>in</strong>e Verbesserung von Sicherheit <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heitsschutz<strong>der</strong> Beschäftigten anzustreben."Er hat dabei nach § 4 Arbeitsschutzgesetz von folgenden allgeme<strong>in</strong>en Gr<strong>und</strong>sätzen auszugehen,die auszugsweise dargestellt werden:1. Die Arbeit ist so zu gestalten, dass e<strong>in</strong>e Gefährdung für Leben <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heitmöglichst vermieden <strong>und</strong> die verbleibende Gefährdung möglichst ger<strong>in</strong>g gehalten wird;2. Gefahren s<strong>in</strong>d an ihrer Quelle zu bekämpfen;3. bei Maßnahmen s<strong>in</strong>d <strong>der</strong> Stand <strong>der</strong> Technik, Arbeitsmediz<strong>in</strong> <strong>und</strong> Hygiene sowiesonstige gesicherte arbeitswissenschaftliche Erkenntnisse zu berücksichtigen;4. Maßnahmen s<strong>in</strong>d mit dem Ziel zu planen, Technik, Arbeitsorganisation, sonstigeArbeitsbed<strong>in</strong>gungen, soziale Beziehungen <strong>und</strong> E<strong>in</strong>fluss <strong>der</strong> Umwelt auf denArbeitsplatz sachgerecht zu verknüpfen;5. <strong>in</strong>dividuelle Schutzmaßnahmen s<strong>in</strong>d nachrangig zu an<strong>der</strong>en Maßnahmen;6. spezielle Gefahren für beson<strong>der</strong>s schutzbedürftige Beschäftigtengruppen s<strong>in</strong>d zuberücksichtigen;7. den Beschäftigten s<strong>in</strong>d geeignete Anweisungen zu erteilen; (...).Betriebliche Suchtpräventionsprogramme mit systematischen Informationen zur Gefährdungdurch Suchtmittel- <strong>und</strong> Medikamentengebrauch, Aufklärung über die sicherheitsrelevanten Wirkungenvon Substanzen <strong>und</strong> suchtbed<strong>in</strong>gten Verhaltensweisen, mit den Regelungen zur E<strong>in</strong>schränkungdes Konsums bzw. zur Punktnüchternheit, dem Interventionskonzept bei Verstößengegen die Arbeitssicherheit <strong>und</strong> bei Auffälligkeiten im Arbeitsverhalten sowie mit dem Stufenplans<strong>in</strong>d geeignet zur Abwendung ges<strong>und</strong>heitlicher Gefährdungen im Betrieb beizutragen. DieErgebnisse s<strong>in</strong>d ausreichend belegt. Die Wirksamkeit <strong>der</strong> Suchtprävention <strong>und</strong> Suchthilfe kannals gesicherte arbeitswissenschaftliche Erkenntnis angesehen werden.Im H<strong>in</strong>blick auf die verstärkte E<strong>in</strong>beziehung <strong>der</strong> Suchtprävention <strong>in</strong> den <strong>betrieblichen</strong> Arbeitsschutzsollten die Beteiligten aus beiden <strong>betrieblichen</strong> Handlungsfel<strong>der</strong>n eng kooperieren. Esgibt zum e<strong>in</strong>en große Überschneidungsbereiche h<strong>in</strong>sichtlich <strong>der</strong> Ziele, <strong>in</strong> <strong>der</strong> Auswahl <strong>der</strong> Maßnahmenjedoch häufig unterschiedliche Gewichtungen <strong>und</strong> Umsetzungsstrategien, die sichgelegentlich auch beh<strong>in</strong><strong>der</strong>n können, z.B. Lösung von Alkoholproblemen durch Konsumverbote<strong>und</strong> Kontrolle anstelle von Suchtprävention <strong>und</strong> Suchthilfe. Die Sozial- o<strong>der</strong> Suchtberatung bzw.die betriebliche Ansprechperson für Suchtfragen sollte bei <strong>der</strong> (Erst-)E<strong>in</strong>weisung <strong>der</strong> (neuen)


Kapitel 5Strukturelle E<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung99Mitarbeiter über die Angebote zur Suchtprävention <strong>und</strong> die Regelungen zum Alkohol- <strong>und</strong> illegalenDrogenkonsum sowie zum Rauchen, über die Verfahren zur Intervention bei akuter Bee<strong>in</strong>flussungdurch berauschende Mittel <strong>und</strong> bei an<strong>der</strong>en suchtmittelbed<strong>in</strong>gten Auffälligkeiten amArbeitsplatz <strong>in</strong>formieren. Sie sollte zu dem Abbau Sucht för<strong>der</strong>n<strong>der</strong> Arbeitsbed<strong>in</strong>gungen beitragen(siehe Kap. 2.1) <strong>und</strong> auf die E<strong>in</strong>beziehung entsprechen<strong>der</strong> Fragen <strong>in</strong> die Instrumente zurGefährdungsermittlung Wert legen.Bei geme<strong>in</strong>samen, von den Akteuren aus dem Arbeitsschutz <strong>und</strong> <strong>der</strong> Suchtprävention getragenen<strong>betrieblichen</strong> Aktionen sollten die jeweiligen Zuständigkeiten <strong>und</strong> Rollen <strong>der</strong> Beteiligtenbeachtet <strong>und</strong> geklärt werden. Bei <strong>der</strong> Umsetzung des Nichtraucherschutzes z.B. ist es die Aufgabedes Arbeitgebers, d.h. <strong>der</strong> Vorgesetzten bzw. <strong>der</strong> Fachkraft für Arbeitssicherheit dieses zukontrollieren. Der Betriebsarzt kann die Beschäftigten über die ges<strong>und</strong>heitlichen Folgen desRauchens aufklären. Und die <strong>in</strong>terne Beratung hat die Aufgabe, den Prozess durch Informationen,Aufklärungsaktionen <strong>und</strong> Beratung, ggf. auch mit dem Angebot e<strong>in</strong>es Nichtrauchertra<strong>in</strong><strong>in</strong>gs,zu begleiten.Standard Es sollte e<strong>in</strong> regelmäßiger Austausch zwischen den Fachkräften für Arbeitssicherheit, denBetriebsärzten, <strong>der</strong> Ges<strong>und</strong>heitsför<strong>der</strong>ung <strong>und</strong> den <strong>in</strong> <strong>der</strong> Suchtarbeit tätigen Ansprechpersonenstattf<strong>in</strong>den. Zwischen den Gremien <strong>der</strong> <strong>betrieblichen</strong> Suchtprävention, des Arbeitsschutzes <strong>und</strong> desGes<strong>und</strong>heitsmanagements sollten geme<strong>in</strong>same Aktivitäten abgestimmt werden. Bei Präventionsveranstaltungen des Arbeits- <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heitsschutzes o<strong>der</strong> im Rahmen<strong>der</strong> Ges<strong>und</strong>heitsför<strong>der</strong>ung bzw. <strong>der</strong> Suchtprävention sollte darauf geachtet werden, dassdie an<strong>der</strong>en Handlungsfel<strong>der</strong> beteiligt werden. Bei geme<strong>in</strong>samen <strong>betrieblichen</strong> Aktionen sollten die jeweiligen Zuständigkeiten <strong>und</strong> Rollen<strong>der</strong> Beteiligten geklärt <strong>und</strong> für die Beschäftigten sichtbar werden, damit Beratungs- <strong>und</strong>Kontrollfunktionen nicht verwechselt werden.BegründungszusammenhangDie nicht zu unterschätzende Bedeutung des § 4 Nr. 1 ArbSchG liegt dar<strong>in</strong>, dass sich <strong>der</strong> Arbeitgeber<strong>und</strong> mit ihm die übrigen Akteure des <strong>betrieblichen</strong> Arbeitsschutzes, vor allem Führungskräfte,Betriebs- <strong>und</strong> Personalräte, Sicherheitsfachkräfte, Betriebsärzte <strong>und</strong> Sicherheitsbeauftragte,zw<strong>in</strong>gend mit den Aspekten <strong>der</strong> Ges<strong>und</strong>heitsgefährdung durch im Betrieb <strong>in</strong> Ersche<strong>in</strong>ungtretende riskante Konsummuster sowie Suchtgefährdungen befassen <strong>und</strong> geeigneteMaßnahmen zu ihrer Abwendung ergreifen müssen. Verbote alle<strong>in</strong> s<strong>in</strong>d im S<strong>in</strong>ne des erweitertenArbeitsschutzes dazu nicht geeignet. Suchtpräventionsprogramme sollten deshalb <strong>in</strong> <strong>der</strong><strong>betrieblichen</strong> Arbeits- <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heitsschutzstrategie e<strong>in</strong>bezogen werden (Abb. 13).Aus dem erweiterten Arbeitsschutz lässt sich die Notwendigkeit für e<strong>in</strong>e <strong>in</strong>terne Beratung ableiten.Denn wenn Betriebe nach dem erweiterten Arbeitsschutz verpflichtet s<strong>in</strong>d, sich mit denRisiken des Arbeitens unter Substanze<strong>in</strong>fluss <strong>und</strong> mit Suchtgefährdungen am Arbeitsplatz sowieden Fragen zu ihren <strong>betrieblichen</strong> Ursachen <strong>und</strong> ihrer Vorbeugung zu befassen, so liegt esnahe, hierfür auch die geeigneten Fachkräfte vorzusehen. So formulierte die EU-Kommission <strong>in</strong>ihrer Geme<strong>in</strong>schaftsstrategie für Sicherheit <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heit am Arbeitsplatz bereits für die Jahre2002 – 2006 die For<strong>der</strong>ung nach multidiszipl<strong>in</strong>ären Präventionsdiensten, die <strong>in</strong> ihrer Struktur


100Kapitel 5 Strukturelle E<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dungBereiche präventiver ArbeitVerb<strong>in</strong>dlichkeitFreiwillige AngebotePflichten des Arbeitgeberssowohl die sozialen <strong>und</strong> psychologischen Risiken als auch die Geschlechterperspektive berücksichtigen.MaßnahmenbereicheBetriebliche Ges<strong>und</strong>heitsför<strong>der</strong>ung Arbeitsschutz UnfallschutzRechtlicheGr<strong>und</strong>lageZielMaßnahmenMaßnahmenzur Suchtprävention<strong>und</strong> SuchthilfeKrankenkassen <strong>und</strong>Unfallversicherungsträger§ 20 SGB V§ 14 SGB VIIBetriebs<strong>in</strong>terneAngeboteBetriebs- <strong>und</strong>Dienstvere<strong>in</strong>barungenVerbesserung <strong>der</strong> Ges<strong>und</strong>heitssituationStärkung des Ges<strong>und</strong>heitsverhaltensVerhältnis- <strong>und</strong> Verhaltensorientiert• Angebote zur Konsumreduzierung• Information <strong>und</strong> Aufklärung• Angebote zur Erweiterung <strong>der</strong> Ges<strong>und</strong>heitskompetenz• Ges<strong>und</strong>heitszirkel• Abbau von belastenden Suchtmittelkonsumför<strong>der</strong>nden Arbeitsbed<strong>in</strong>gungenEuropäische Arbeitsschutzrahmenrichtl<strong>in</strong>ie89/391/EEC<strong>und</strong> Arbeitsschutzgesetz 1996(ArbschG.)Prävention von Gefährdungen,arbeitsbed<strong>in</strong>gter Ges<strong>und</strong>heitsgefahren,Vorbeugung e<strong>in</strong>er potentiellenVerstärkung nichtberuflich erworbenerErkrankungen1. Verhältnisorientiert(Ursachenbeseitigung)2. Ergänzend verhaltensorientiert(wenn 1 nicht möglich o<strong>der</strong> ausreichend)• Gefährdungsbeurteilung• Ermittlung u. Abbau von arbeitsbed<strong>in</strong>gtenUrsachen des riskantenSuchtmittelgebrauchs• Anwendung des Interventionsleitfadens<strong>und</strong> Stufenplans• Aufklärung über GefährdungenBVG A1 / UVV§ 7 (neu)§ 38 (alt)Abwehr von Gefahren(wahrsche<strong>in</strong>lichenges<strong>und</strong>heitlichenSchäden)Verhaltensorientiert• Unterweisung zurArbeitssicherheit• Regelungen desKonsums• Intervention beiVerstoß gegen dieArbeitssicherheitAbb.: 14Bereiche präventiver Arbeit mit freiwilligen <strong>und</strong> verpflichtenden Angeboten im BetriebArbeitsschritte Geme<strong>in</strong>same Bestandserhebung zu den Aktivitäten im Bereich <strong>der</strong> Suchtprävention <strong>und</strong>des Arbeits- <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heitsschutzes sowie <strong>der</strong> Ges<strong>und</strong>heitsför<strong>der</strong>ung <strong>und</strong> zu <strong>der</strong> Möglichkeitverstärkter Kooperationen. Ermittlung aktueller <strong>und</strong> zukünftiger Bedarfe im Überschneidungsbereich von betrieblicherSuchtprävention <strong>und</strong> Arbeitssicherheit. Erarbeitung geme<strong>in</strong>samer Ziele, <strong>in</strong>haltlicher Themen <strong>und</strong> Aktivitäten sowie Durchführungvon Präventionsveranstaltungen zur Vorbeugung ges<strong>und</strong>heitlicher Gefährdungen. Wechselseitige E<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung <strong>der</strong> Fachkräfte <strong>der</strong> <strong>betrieblichen</strong> Suchtprävention <strong>und</strong> des Arbeits-<strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heitsschutzes <strong>in</strong> die jeweilig zuständigen Gremien. För<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Zusammenarbeit im <strong>in</strong>tegrierten <strong>betrieblichen</strong> Ges<strong>und</strong>heitsmanagement.


Kapitel 5Strukturelle E<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung101Literatur <strong>und</strong> MaterialienFaber, U. (2004) Rechtsgutachten: Betriebliche Suchtprävention <strong>und</strong> Suchthilfe als Teil des Arbeitsschutzrechts.Witten. Anhang zu: Wienemann, E. / Müller, P. Standards <strong>der</strong> Alkohol-, Tabak-, Drogen- <strong>und</strong> Medikamentenprävention<strong>in</strong> deutschen Unternehmen <strong>und</strong> Verwaltungen. Expertise für die Deutsche Hauptstellefür Suchtfragen e.V. (DHS). Hannover. www.dhs.de > Arbeitsfel<strong>der</strong> > Betrieb > ExpertiseFaber, U. (2005) Suchtprävention <strong>und</strong> –hilfe als Bestandteil des neuen Arbeitsschutzes – e<strong>in</strong>e rechtlicheErläuterung. Referat auf <strong>der</strong> A + A <strong>in</strong> Düsseldorf am 24.10.2005Heilmann, J. (2004) Rechtsgutachten: Aspekte <strong>der</strong> rechtlichen E<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung <strong>der</strong> <strong>betrieblichen</strong> Suchtprävention<strong>und</strong> Suchthilfe <strong>in</strong> den Arbeitsschutz <strong>und</strong> die Arbeitssicherheit. Anhang zu: Wienemann, E. / Müller, P.Standards <strong>der</strong> Alkohol-, Tabak-, Drogen- <strong>und</strong> Medikamentenprävention <strong>in</strong> deutschen Unternehmen <strong>und</strong>Verwaltungen. Expertise für die Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen e.V. (DHS). Hannover. www.dhs.de> Arbeitsfel<strong>der</strong> > Betrieb > ExpertiseNöthlichs, M. (1996) Arbeitsschutz <strong>und</strong> Arbeitssicherheit. Ergänzbarer Kommentar zum Arbeitsschutzgesetz<strong>und</strong> zum Arbeitssicherheitsgesetz. Berl<strong>in</strong>.5.2 Betriebs- <strong>und</strong> Dienstvere<strong>in</strong>barungenFür das Suchtpräventionsprogramm kann auf betrieblicher Ebene durch e<strong>in</strong>e Betriebs- bzw.Dienstvere<strong>in</strong>barung (BV/DV), die zwischen <strong>der</strong> Unternehmens- bzw. Dienststellenleitung <strong>und</strong><strong>der</strong> jeweiligen Personalvertretung ausgehandelt wird, e<strong>in</strong> e<strong>in</strong>deutiger rechtlichen Rahmen geschaffenwerden. Zur Rechtsgültigkeit bedarf die Vere<strong>in</strong>barung zw<strong>in</strong>gend e<strong>in</strong>er schriftlichenForm. Der Abschluss e<strong>in</strong>er BV/DV wird als gegenwärtig verb<strong>in</strong>dlichste Festlegung des Gesamtkonzeptsals Standard <strong>der</strong> <strong>betrieblichen</strong> Suchtprävention <strong>und</strong> Suchthilfe empfohlen.Die BV/DV legt das konkrete betriebliche Modell des Präventionsprogramms fest. Das setztvoraus, dass sich die Betriebsparteien über die Ziele <strong>und</strong> den Rahmen des Programms verständigthaben <strong>und</strong> die Abstimmung darüber, welche Elemente angeboten werden sollen <strong>und</strong>welche Maßnahmen im Betrieb umgesetzt werden können, im Ergebnis vorliegt. Die Ausformulierungbestimmter Regelungen <strong>in</strong> <strong>der</strong> BV/DV sollte immer mit Blick auf den Bedarf <strong>und</strong> die Bed<strong>in</strong>gungenvor Ort erfolgen. Bei Übernahme von Mustervorlagen o<strong>der</strong> Modellen aus an<strong>der</strong>enBetrieben sollte dr<strong>in</strong>gend überprüft werden, ob diese rechtlich <strong>und</strong> fachlich tatsächlich den aktuellenStandards entsprechen.E<strong>in</strong>e BV/DV bietet zugleich die Möglichkeit, e<strong>in</strong>e verb<strong>in</strong>dliche Arbeitsgr<strong>und</strong>lage für die Akteure<strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>betrieblichen</strong> Suchtprävention <strong>und</strong> vor allem für die <strong>in</strong>terne Beratung zu schaffen. Damitgarantiert sie den haupt- <strong>und</strong> nebenamtlichen Kräften auch den notwendigen arbeits- <strong>und</strong> versicherungsrechtlichenSchutz für ihre E<strong>in</strong>sätze im Rahmen ihrer Aufgaben im Suchtpräventionsprogramm.Standard Das betriebliche Suchtpräventionsprogramm, se<strong>in</strong>e wesentlichen Ziele, Elemente, Inhalte,Strukturen <strong>und</strong> Maßnahmen sollten <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Betriebs- o<strong>der</strong> Dienstvere<strong>in</strong>barung (BV/DV)festgelegt werden. Bei <strong>der</strong> Abfassung e<strong>in</strong>er BV/DV sollten die Elemente e<strong>in</strong>es <strong>betrieblichen</strong> Suchtpräventionsprogramms<strong>in</strong> Abhängigkeit zu den betriebsspezifischen Strukturen <strong>und</strong> Anfor<strong>der</strong>ungengründlich geprüft werden. Dabei sollte man sich an <strong>der</strong> Leitl<strong>in</strong>ie des International Labor Organization(ILO) orientieren (siehe Punkt 4.1). In <strong>der</strong> BV/DV sollten die Gr<strong>und</strong> legenden Absprachen <strong>und</strong> Regelungen zum Auftrag zumE<strong>in</strong>satz <strong>und</strong> zur Qualifizierung <strong>der</strong> haupt- <strong>und</strong> nebenamtlichen Kräfte <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>betrieblichen</strong>-Suchtprävention, vor allem die Schweigepflicht für die <strong>in</strong>terne Beratung sowie die Datenschutzregelungenfestgehalten werden.


102Kapitel 5 Strukturelle E<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung Übergeordnete rechtliche Normen, arbeits- <strong>und</strong> dienstrechtliche Gr<strong>und</strong>sätze sowie die aktuelleRechtsprechung s<strong>in</strong>d bei <strong>der</strong> Abfassung e<strong>in</strong>er BV/DV zu berücksichtigen. Die BV/DV sollte alle Beschäftigte des Betriebes e<strong>in</strong>beziehen <strong>und</strong> s<strong>in</strong>ngemäß auch auf diePersonengruppen angewandt werden, die aufgr<strong>und</strong> ihrer Funktion nicht unter die Regelungendes Betriebsverfassungsgesetztes o<strong>der</strong> <strong>der</strong> jeweils geltenden Personalvertretungsgesetzefallen.Nach ihrer Verabschiedung sollte die Vere<strong>in</strong>barung allen Beschäftigten bekannt gemacht<strong>und</strong> den Führungskräften ausgehändigt werden.Im Folgenden werden die möglichen Regelungsbereiche e<strong>in</strong>er BV/DV beschrieben. Dabei gibtes solche Bereiche, die <strong>in</strong> <strong>der</strong> Vere<strong>in</strong>barung zw<strong>in</strong>gend enthalten se<strong>in</strong> müssen o<strong>der</strong> aufgr<strong>und</strong> <strong>der</strong>sachlichen Notwendigkeiten dr<strong>in</strong>gend vere<strong>in</strong>bart se<strong>in</strong> sollten. Sie werden kursiv dargestellt. Diean<strong>der</strong>en Bereiche können <strong>in</strong> Abhängigkeit von den jeweiligen <strong>betrieblichen</strong> Bed<strong>in</strong>gungen <strong>und</strong>dem Rahmen des Suchtpräventionsprogramms ausgeführt werden. Die <strong>in</strong>haltlichen Ausformulierungens<strong>in</strong>d entsprechend <strong>der</strong> <strong>in</strong> Kapitel 2-4 beschriebenen Standards zu wählen: Titel <strong>der</strong> Vere<strong>in</strong>barungDer Titel <strong>der</strong> BV/DV sollte auf 'Vorbeugung von riskantem Suchtmittelgebrauch, Umgangmit Auffälligkeiten <strong>und</strong> Hilfe bei Suchtgefährdung' gerichtet se<strong>in</strong>. Das Gesamtkonzept sollteübergreifend als 'Suchtpräventionsprogramm‘ tituliert werden. Im Titel soll die programmatischeRichtung h<strong>in</strong> zur Prävention, Intervention <strong>und</strong> Hilfe erkennbar se<strong>in</strong>. PräambelBietet e<strong>in</strong>e Zusammenfassung <strong>der</strong> Philosophie, <strong>der</strong> Leitgedanken <strong>und</strong> -ziele <strong>der</strong> BV/DV <strong>und</strong>des Suchtpräventionsprogramms; stellt den Zusammenhang zu übergeordneten Strategien<strong>und</strong> Konzepten her (z.B. E<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung <strong>in</strong>s BGM). GeltungsbereichKonkrete Aussage notwendig, da nicht alle Beschäftigten von BV/DV erfasst werden. Dadas Programm möglichst an alle Beschäftigtengruppen gerichtet werden sollte <strong>und</strong> <strong>in</strong> allenHierarchiestufen Anwendung f<strong>in</strong>den sollte, ist e<strong>in</strong>e Erklärung anzufügen, dass sie - unterBerücksichtigung ggf. abweichen<strong>der</strong> gesetzlicher Regelungen auf alle Beschäftigten s<strong>in</strong>ngemäßangewandt werden soll. Ziele <strong>der</strong> Betriebs- o<strong>der</strong> Dienstvere<strong>in</strong>barungDie Ziele haben programmatischen Charakter <strong>und</strong> liefern Orientierung für das praktischeHandeln. Sie sollten e<strong>in</strong>erseits möglichst konkret formuliert werden <strong>und</strong> erreichbar se<strong>in</strong>,aber auch nicht zu eng gefasst werden, um längerfristige Entwicklungen e<strong>in</strong>beziehen zukönnen. Arbeitskreis / SteuerungsgremiumFestzulegen s<strong>in</strong>d Zusammensetzung, Aufgaben <strong>und</strong> Tagungs<strong>in</strong>tervalle des Gremiums <strong>und</strong>die Regelung, dass die Bearbeitung e<strong>in</strong>zelner Fälle nicht <strong>in</strong> den Arbeitskreis gehört. Umgang mit Suchtmitteln – Regelungen zum Konsumz.B. Regelungen des Suchtmittelgebrauchs bzw. <strong>der</strong> Arbeit unter dem E<strong>in</strong>fluss von Wahrnehmung<strong>und</strong> Reaktion verän<strong>der</strong>nden Mitteln, e<strong>in</strong>geschränkte o<strong>der</strong> generelle Verbote, E<strong>in</strong>schränkungen<strong>der</strong> Griffnähe, Gestaltung <strong>der</strong> Konsumkultur, Postulierung <strong>der</strong> Punktnüchternheit. Rolle <strong>und</strong> Bedeutung <strong>der</strong> VorgesetztenDie beson<strong>der</strong>e Bedeutung <strong>der</strong> Haltung <strong>und</strong> des Handelns von Führungskräften bei <strong>der</strong><strong>betrieblichen</strong> Suchtprävention im Rahmen <strong>der</strong> BV/DV ist zu verdeutlichen. Zugleich sollteihnen Unterstützung <strong>und</strong> Beratung für ihre Aufgaben im Suchtpräventionsprogramm zugesichertwerden. Information <strong>der</strong> Beschäftigten, Aufklärung <strong>und</strong> SchulungRegelmäßige Angebote an Informationen <strong>und</strong> Aufklärungsaktionen sowie Qualifizierung<strong>und</strong> Weiterbildung für alle Beschäftigten sollten vere<strong>in</strong>bart, spezifische Schulungen für Personalverantwortliche<strong>und</strong> Coach<strong>in</strong>g für Führungskräfte sollten als verb<strong>in</strong>dlich festgeschriebenwerden.


Kapitel 5Strukturelle E<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung103 Riskanter Suchtmittelkonsum <strong>und</strong> salutogene ArbeitsgestaltungIn Arbeitsbereichen mit hohen Arbeitsanfor<strong>der</strong>ungen <strong>und</strong> Stressbelastungen sollten spezifischePräventionsmaßnahmen vorgesehen werden, um riskanten Bewältigungsstrategiendurch E<strong>in</strong>satz von Suchtmitteln <strong>und</strong> Medikamenten vorzubeugen.Bei auffälligem Suchtmittelgebrauch <strong>in</strong> bestimmten Betriebs- o<strong>der</strong> Beschäftigtenbereichensollte geme<strong>in</strong>sam mit den Beschäftigten e<strong>in</strong>e Analyse <strong>der</strong> Arbeitssituation erfolgen, um u.a.Fehlbelastungen abzubauen <strong>und</strong> das Arbeitsklima zu verbessern. Dies sollte im Zusammenwirkenmit dem Arbeits- <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heitsschutz sowie <strong>der</strong> <strong>betrieblichen</strong> Ges<strong>und</strong>heitsför<strong>der</strong>unggeschehen. Vorgehen bei Gefährdung <strong>der</strong> ArbeitssicherheitEs sollte e<strong>in</strong> Verfahren zum Vorgehen bei Gefährdung <strong>der</strong> Arbeitssicherheit <strong>und</strong> Nichteignungfür die Tätigkeit unter akuter Bee<strong>in</strong>flussung durch Alkohol, illegale Dogen o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>eberauschende Mittel sowie durch Medikamente, die Wahrnehmungs- <strong>und</strong> Reaktionsfähigkeitbee<strong>in</strong>trächtigen können, auf <strong>der</strong> Gr<strong>und</strong>lage <strong>der</strong> BGV A1 / GUV V A1 (ehem, § 38 UVV)festgelegt werden. Ansprache von Auffälligkeiten <strong>und</strong> Hilfe bei SuchtgefährdungAlle Beschäftigten sollten <strong>in</strong> <strong>der</strong> BV/DV angesprochen werden, bei Auffälligkeiten im Rahmenihrer Möglichkeiten tätig zu werden. Es sollte geregelt werden, dass Vorgesetzte <strong>und</strong>ggf. weitere Personalverantwortliche frühzeitig mit auffällig gewordenen Beschäftigten e<strong>in</strong>Gespräch zu führen haben. Gr<strong>und</strong>lage dafür s<strong>in</strong>d die im Interventionsleitfaden aufgeführtenFürsorge-, Klärungs- <strong>und</strong> Stufenplangespräche. Bei diesen Interventionen ist das jeweiligvorgesehene Hilfeangebot zu erläutern. Interventionsleitfaden <strong>und</strong> StufenplanIn <strong>der</strong> BV/DV sollte festgeschrieben werden, dass bei Auffälligkeiten von Beschäftigtennach dem Interventionsleitfaden mit Fürsorge- <strong>und</strong> Klärungsgesprächen o<strong>der</strong> beisucht(mittel)bed<strong>in</strong>gten Auffälligkeiten verb<strong>in</strong>dlich nach Stufenplan verfahren werden sollte,sofern rechtliche Bestimmungen dem nicht entgegenstehen.Der Interventionsleitfaden selbst sollte eher als Anhang zur BV/DV festgeschrieben werden,um notwendige Anpassungen <strong>und</strong> Aktualisierungen leichter zu erleichtern. Case Management – Fallbegleitung im StufenverfahrenWenn im Zuge des Stufenplans e<strong>in</strong> Case Management e<strong>in</strong>gerichtet werden soll, ist <strong>der</strong>rahmen dafür <strong>in</strong> <strong>der</strong> BV/DV festzuschreiben. E<strong>in</strong>richtung <strong>der</strong> <strong>in</strong>ternen Suchtprävention <strong>und</strong> SuchthilfeDie BV/DV ist für neben- o<strong>der</strong> hauptamtlich <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>betrieblichen</strong> Suchtprävention <strong>und</strong> Suchtberatungtätige Personen die wichtigste, weil rechtlich verb<strong>in</strong>dliche Arbeitsgr<strong>und</strong>lage. Essollten dar<strong>in</strong> festgeschrieben werden, was ihr Auftrag <strong>und</strong> ihre Zuständigkeiten s<strong>in</strong>d <strong>und</strong>welche Rahmenbed<strong>in</strong>gungen h<strong>in</strong>sichtlich räumlicher sowie materielle Ausstattung,organisatorischer Anb<strong>in</strong>dung, fachlicher Weisungsfreiheit, Weiterbildung <strong>und</strong> Supervisiongewährleistet s<strong>in</strong>d. Ihre Schweigepflicht als Basis professioneller Beratung muss an dieserStelle explizit festgeschrieben werden. Hauptamtliche SuchtberatungBeschreibung <strong>der</strong> Aufgaben, Rechte <strong>und</strong> Pflichten <strong>der</strong> <strong>in</strong>ternen E<strong>in</strong>richtung als F<strong>und</strong>amentfür die Arbeitsplatzbeschreibung <strong>der</strong> hauptamtlichen Beratungskräfte <strong>und</strong> den Arbeitsvertrag. Nebenamtlich tätige Ansprechpersonen - HelferkreisFestschreibung des Auftrags, <strong>der</strong> erfor<strong>der</strong>lichen Qualifizierung für die betriebliche Arbeit,<strong>der</strong> Aufgaben <strong>und</strong> E<strong>in</strong>satzbed<strong>in</strong>gungen (u.a. Umfang <strong>der</strong> Freistellung für die Tätigkeit). Essollte e<strong>in</strong>e offizielle Beauftragung <strong>der</strong> Ansprechpersonen als unverzichtbare Voraussetzung,um rechtlich abgesichert nebenamtlich tätig zu se<strong>in</strong>, vere<strong>in</strong>bart werden. Soweit mehrereAnsprechpersonen im Betrieb beauftragt werden, ist ihre Zusammenarbeit <strong>und</strong> <strong>der</strong> Umgangmit <strong>der</strong> Schweigepflicht für diesen Helferkreis zu regeln. Zusammenarbeit mit externen DienstleistungsanbieternFestlegung des Auftrags sowie <strong>der</strong> Rahmenbed<strong>in</strong>gungen für die Kooperation sowie <strong>der</strong>konkret im Betrieb zu leistenden Aufgaben als Gr<strong>und</strong>lage für die vertragliche Beauftragung. Betriebliche SelbsthilfegruppenBei <strong>in</strong>ternen Selbsthilfegruppen s<strong>in</strong>d die Rahmenbed<strong>in</strong>gungen ihrer Arbeit <strong>und</strong> dieMöglichkeiten <strong>der</strong> Beschäftigten zur Teilnahme festzulegen. Es gilt das Pr<strong>in</strong>zip <strong>der</strong>Freiwilligkeit. E<strong>in</strong>e Verpflichtung kann nur bei Beamten ausgesprochen werden. Beson<strong>der</strong>e BeschäftigtengruppenAbweichende, ergänzende o<strong>der</strong> e<strong>in</strong>schränkende Regelungen o<strong>der</strong> beson<strong>der</strong>e Angebote für


104Kapitel 5 Strukturelle E<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dungspezifische Beschäftigtengruppen (z.B. Auszubildende, Beschäftigte mit Probezeit o<strong>der</strong>Zeitverträgen) s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> <strong>der</strong> BV/DV zu erläutern. Wie<strong>der</strong>e<strong>in</strong>glie<strong>der</strong>ungFür die Rückkehr aus e<strong>in</strong>er längeren krankheitsbed<strong>in</strong>gten Abwesenheit (z.B. aus stationärerTherapie) s<strong>in</strong>d geeignete Maßnahmen zur Wie<strong>der</strong>e<strong>in</strong>glie<strong>der</strong>ung am Arbeitsplatz vorzusehen<strong>und</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> BV/DV zu verankern. Nur auf diesem Wege kann e<strong>in</strong>e verb<strong>in</strong>dliche Form <strong>der</strong>Wie<strong>der</strong>e<strong>in</strong>glie<strong>der</strong>ung hergestellt werden.Daneben s<strong>in</strong>d die rechtlichen Ansprüche nach § 84,2 SGB IX Betriebliches E<strong>in</strong>glie<strong>der</strong>ungsmanagementsowie § 74 SGB V Stufenweise Wie<strong>der</strong>e<strong>in</strong>glie<strong>der</strong>ung (Hamburger Modell)zu berücksichtigen. Sie setzen das E<strong>in</strong>verständnis des Beschäftigten voraus. Wie<strong>der</strong>e<strong>in</strong>stellungSofern es sich realisieren lässt, können <strong>in</strong> <strong>der</strong> BV/DV auch nach e<strong>in</strong>er Kündigung Wie<strong>der</strong>e<strong>in</strong>stellungsmöglichkeitennach erfolgreicher Therapie <strong>in</strong> Aussicht gestellt werden. Fortgesetzte o<strong>der</strong> erneute Auffälligkeiten nach e<strong>in</strong>er TherapieFür den Fall fortgesetzter o<strong>der</strong> erneuter Auffälligkeiten nach längerer Therapie sollten Regelungengetroffen werden, speziell h<strong>in</strong>sichtlich <strong>der</strong> Frage, <strong>in</strong> welcher Form das Stufenverfahrenfortgesetzt werden soll bzw. wer darüber entscheidet. Der Begriff ‚Rückfall‘ solltevermieden werden, da er sachlich nicht immer vorliegt <strong>und</strong> beson<strong>der</strong>s dienstrechtlich negativeKonsequenzen nach sich ziehen kann. Datenschutz • Vertraulichkeit • Tilgung• Sofern die Schweigepflicht für die Beratungs- <strong>und</strong> Ansprechpersonen nicht an an<strong>der</strong>erStelle <strong>der</strong> Vere<strong>in</strong>barung geregelt wurde, ist sie hier zu vere<strong>in</strong>baren.• Die Vertraulichkeit aller Gespräche, Notizen <strong>und</strong> Protokolle im Rahmen von Interventionensollten ebenso wie die Tilgungsfrist <strong>in</strong> <strong>der</strong> BV/DV festgelegt werden.• Die bei <strong>der</strong> Umsetzung <strong>der</strong> Vere<strong>in</strong>barung anfallenden personenbezogenen Daten s<strong>in</strong>dsensible Daten im S<strong>in</strong>ne des Datenschutzrechts. Die beson<strong>der</strong>en Anfor<strong>der</strong>ungen <strong>der</strong> Sicherung<strong>und</strong> Ablage (z: nur im geschlossenen Umschlag <strong>in</strong> die Personalakte) s<strong>in</strong>d zu beachten.• Für die Weitergabe ges<strong>und</strong>heitsbezogener Daten an Dritte, ist <strong>in</strong> jedem E<strong>in</strong>zelfall dieschriftliche E<strong>in</strong>willigung <strong>der</strong>/des betroffenen Beschäftigten e<strong>in</strong>zuholen. Evaluation <strong>und</strong> BerichtEs sollte die Evaluation <strong>und</strong> Weiterentwicklung des Suchtpräventionsprogramms sowie dieIntervalle <strong>und</strong> Zuständigkeit hierfür vere<strong>in</strong>bart werden. GeltungsdauerDie Geltungsdauer <strong>der</strong> BV/DV, Kündigungsfristen sowie Nachwirkung s<strong>in</strong>d festzulegen.Beispiele <strong>und</strong> Mustervere<strong>in</strong>barungen, die auf <strong>der</strong> Gr<strong>und</strong>lage <strong>der</strong> vorliegenden Standards entwickeltwurden, f<strong>in</strong>den sich im Anhang zu diesem Leitfaden, <strong>in</strong> <strong>der</strong> Rahmenempfehlung (2006),<strong>in</strong> Rehwald et al. (2008) <strong>und</strong> den Beispielen für Betriebsvere<strong>in</strong>barungen (2010).BegründungszusammenhangDie Erarbeitung <strong>und</strong> Überarbeitung e<strong>in</strong>er BV/DV ist e<strong>in</strong> wichtiger Prozess bei <strong>der</strong> Entwicklunge<strong>in</strong>es <strong>betrieblichen</strong> Suchtpräventionsprogramms. Da dieses nur im Konsens erarbeitet werdenkann, wenn es erfolgreich gelebt werden soll, müssen die verschiedenen Interessen <strong>und</strong> Positionenzum Thema Suchtprävention <strong>und</strong> -hilfe unter den beteiligten Parteien ausgetauscht werden.E<strong>in</strong>e <strong>in</strong>tensive Vorbereitung <strong>und</strong> Begleitung <strong>der</strong> Erstellung e<strong>in</strong>er BV/DV ist immer e<strong>in</strong> Organisationsentwicklungsschritt.Dieser trägt nicht nur viel zur Klärung <strong>der</strong> Standpunkte bei, son<strong>der</strong>nist auch e<strong>in</strong> geme<strong>in</strong>samer Lernprozess <strong>in</strong> Sachen betrieblicher Suchtprävention, <strong>der</strong> bereitserheblich zur Verän<strong>der</strong>ung von Betriebskulturen beitragen kann.Bei <strong>der</strong> Bearbeitung e<strong>in</strong>er BV/DV werden häufig Vere<strong>in</strong>barungen aus dem Internet o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>erBetriebe herangezogen. Diese entsprechen jedoch oftmals nicht den aktuellen fachlichen <strong>und</strong>rechtlichen Standards <strong>der</strong> Suchtprävention <strong>und</strong> die notwendigen Schritte zur Anpassung <strong>der</strong>Vere<strong>in</strong>barung auf die eigenen <strong>betrieblichen</strong> Bed<strong>in</strong>gungen kommen dabei zu kurz. Deshalb wirdempfohlen, sich bevorzugt auf die im Anhang o<strong>der</strong> hier <strong>in</strong> <strong>der</strong> Literatur angegebenen Quellen<strong>und</strong> den dort beschriebenen Modellen <strong>und</strong> Beispielen zu stützen.


Kapitel 5Strukturelle E<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung105Arbeitsschritte Erarbeitung o<strong>der</strong> Überarbeitung <strong>der</strong> Betriebs- bzw. Dienstvere<strong>in</strong>barung (BV/DV) durch dieSteuerungsgruppe/ den Arbeitskreis. Soweit nicht alle wesentlichen Entscheidungsträgersowie Fachkräfte vertreten s<strong>in</strong>d, müssen folgende Beteiligungen sichergestellt werden: Betriebsleitung Betriebsrat/Personalrat Fachkraft für Arbeitssicherheit Vertretung <strong>der</strong> Führungskräfte, Personalverantwortlicher Interessenvertretungen (Schwerbeh<strong>in</strong><strong>der</strong>tenvertretung, Frauen-/ Gleichstellungsbeauftragte,Jugendvertretung usw. soweit die Interessen <strong>der</strong> entsprechenden Beschäftigtengruppenberührt s<strong>in</strong>d) Information des Kreises über die aktuellen fachlichen <strong>und</strong> rechtlichen Standards entsprechendden hier vorliegenden Ausführungen <strong>der</strong> Qualitätsstandards <strong>der</strong> DHS. H<strong>in</strong>zuziehung externer Beratung, die mit diesen Qualitätsstandards vertraut s<strong>in</strong>d, sofern diefachliche Unterstützung nicht im Betrieb selbst vorhanden ist. Abstimmung <strong>der</strong> BV/DV <strong>in</strong> den Gremien <strong>und</strong> Unterzeichnung <strong>der</strong> Vere<strong>in</strong>barung durch dieBetriebsparteien. Nutzung aller geeigneten <strong>betrieblichen</strong> Kommunikationswege, um die BV/DV unter denBeschäftigten <strong>und</strong> <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e bei den Führungskräften bekannt zu machen. Regelmäßige Überprüfung <strong>der</strong> BV/DV auf die betriebsbezogenen, <strong>in</strong>haltlichen, fachlicheno<strong>der</strong> rechtlichen Anpassungsbedarfe.Literatur <strong>und</strong> MaterialienBeispiele für Betriebsvere<strong>in</strong>barungen (2010) Institut für <strong>in</strong>terdiszipl<strong>in</strong>äre Arbeitswissenschaft.www.wa.uni-hannover.de > Betriebliche Suchtprävention: Aktuelles <strong>und</strong> Archiv > Modelle <strong>und</strong> BeispieleRahmenempfehlung (2006) Suchtprävention <strong>und</strong> Suchthilfe <strong>in</strong> <strong>der</strong> nie<strong>der</strong>sächsischen Landesverwaltung.Nie<strong>der</strong>sächsisches M<strong>in</strong>isterium für Soziales, Frauen, Familie <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heit. Hannover.www.ms.nie<strong>der</strong>sachsen.de > Themen > Ges<strong>und</strong>heit > Drogen & SuchtRehwald, R., Re<strong>in</strong>eke, G., Wienemann, E., Z<strong>in</strong>ke, E. (2008) Betriebliche Suchtprävention <strong>und</strong> Suchthilfe.Frankfurt am Ma<strong>in</strong>. B<strong>und</strong>-Verlag.5.3 Market<strong>in</strong>g <strong>und</strong> ÖffentlichkeitsarbeitÖffentlichkeitsarbeit wird <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>betrieblichen</strong> Praxis häufig noch sehr eng, beschränkt auf dieBekanntmachung des Suchtpräventionsprogramms gesehen. Selbstvermarktung im positivenS<strong>in</strong>ne des Mottos 'Tue Gutes <strong>und</strong> rede darüber' wird allzu oft vernachlässigt. Ebenso gerät <strong>der</strong>Market<strong>in</strong>ggedanke, sich <strong>in</strong>tensiv mit den K<strong>und</strong>enwünschen zu beschäftigen <strong>und</strong> daran das eigeneAngebot auszurichten <strong>und</strong> es aktiv zu bewerben, den Akteuren <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>betrieblichen</strong> Suchtpräventionoft noch zu wenig <strong>in</strong> den Blick.Für erfolgreiche Öffentlichkeitsarbeit kommt es auf den Inhalt, aber auch ganz wesentlich aufdie Verpackung an. Informationen, Broschüren, Flyer, Poster <strong>und</strong> Internetseiten werden vonden <strong>betrieblichen</strong> Akteuren oft ‚selbst gestrickt’. Hier ist es angeraten, sich <strong>der</strong> Kompetenzenvon Market<strong>in</strong>g- o<strong>der</strong> Werbeexperten <strong>und</strong> technischen Fachleuten zu bedienen, wenn sie imBetrieb vorhanden s<strong>in</strong>d o<strong>der</strong> Personen anzusprechen, die aus an<strong>der</strong>en Zusammenhängen Erfahrungdamit haben <strong>und</strong> im o<strong>der</strong> vom Betrieb beauftragt werden können.In <strong>der</strong> Öffentlichkeitsarbeit zur <strong>betrieblichen</strong> Suchtprävention geht es zum e<strong>in</strong>en darum die Erfolgesichtbar zu machen. Es sollte z.B. darauf geachtet werden, dass die Ressourcen stärkendenEffekte <strong>der</strong> <strong>betrieblichen</strong> Suchtprävention stärker herausgestellt werden. Was stärkt Ges<strong>und</strong>heit<strong>und</strong> Wohlbef<strong>in</strong>den bei <strong>der</strong> Arbeit? Welche Unterstützung bekommen die Beschäftigten


106Kapitel 5 Strukturelle E<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dungim Betrieb, um Belastungen entgegen zu wirken o<strong>der</strong> besser bewältigen zu können? WelcheInformationen <strong>und</strong> Hilfen gibt es zur Verän<strong>der</strong>ung e<strong>in</strong>es riskanten Suchtmittelgebrauchs? PositiveErfahrungen mit den Angeboten <strong>der</strong> Suchtprävention, die Beschäftigte, Führungskräfte,Teams o<strong>der</strong> die Organisation gemacht haben, können modellhaft präsentiert werden. Der Zusammenhangzu den Angeboten <strong>der</strong> Ges<strong>und</strong>heitsför<strong>der</strong>ung <strong>und</strong> die Zusammenarbeit im Bereichdes <strong>betrieblichen</strong> Ges<strong>und</strong>heitsmanagements können herausgestellt werden.Standard Es sollte e<strong>in</strong>e Ermittlung des „K<strong>und</strong>enbedarfs“ erfolgen, um gezielte Angebote <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>betrieblichen</strong>Suchtprävention machen zu können. Als Orientierung können dabei folgendeFragen dienen: Wer ist K<strong>und</strong>e für die Dienstleistungen <strong>der</strong> Suchtprävention <strong>und</strong> Suchthilfe? Wie kann man die verschiedenen Zielgruppen erreichen? Welche Dienstleistungen, welche Unterstützung erwarten sie? Wie wird das Angebot <strong>der</strong> E<strong>in</strong>richtung von den K<strong>und</strong>engruppen wahrgenommen? Wie wird es angenommen? Was wissen wir darüber, wie zufrieden die K<strong>und</strong>en mit dem Angebot <strong>der</strong> E<strong>in</strong>richtungs<strong>in</strong>d? Auf <strong>der</strong> Basis <strong>der</strong> Ermittlung des K<strong>und</strong>enbedarfs sollten die Angebote <strong>und</strong> Dienstleistungen<strong>der</strong> <strong>betrieblichen</strong> Suchtprävention professionell sichtbar gemacht werden. Wenn möglichsollten sich die Akteure <strong>der</strong> <strong>betrieblichen</strong> Suchtprävention hierfür <strong>der</strong> Unterstützung durchFachleute <strong>und</strong>/o<strong>der</strong> erfahrener Personen aus dem Umfeld bedienen. Die Angebote <strong>der</strong> Suchtprävention <strong>und</strong> -hilfe sollten regelmäßig betriebsöffentlich dargestellt<strong>und</strong> <strong>in</strong> den relevanten Gremien professionell präsentiert werden. Die Präsentation solltezeitgemäß <strong>und</strong> attraktiv se<strong>in</strong>.BegründungszusammenhangE<strong>in</strong> gezieltes Market<strong>in</strong>g sowie e<strong>in</strong>e kont<strong>in</strong>uierliche Öffentlichkeitsarbeit unterstreichen die Bedeutung<strong>der</strong> <strong>betrieblichen</strong> Aktivitäten <strong>in</strong> <strong>der</strong> vorbeugenden Arbeit <strong>und</strong> Beratung. Sie gehört zuden Aufgaben des Steuerungsgremiums <strong>und</strong> <strong>der</strong> <strong>in</strong>ternen E<strong>in</strong>richtung für Suchtprävention <strong>und</strong>Suchthilfe.Market<strong>in</strong>g hilft dabei, sich mit den angebotenen Dienstleistungen auf die Bedarfe <strong>und</strong> Erwartungen<strong>der</strong> <strong>in</strong>ternen K<strong>und</strong>en <strong>und</strong> an<strong>der</strong>er Interessengruppen auszurichten, Ziele dafür festzulegen,diese mit Hilfe von Öffentlichkeitsarbeit umzusetzen <strong>und</strong> schließlich e<strong>in</strong>e Erfolgskontrolle vorzunehmen.Beson<strong>der</strong>s <strong>der</strong> Bedarf <strong>der</strong> Führungskräfte an Unterstützung sollte im Rahmen desSuchtpräventionsprogramms, z.B. <strong>in</strong> kurzen Interviews, sorgsam erhoben werden.Schon immer war es wichtig, dass das betriebliche Suchtpräventionsprogramm <strong>in</strong>nerbetrieblichbeworben wurde. Insbeson<strong>der</strong>e die <strong>in</strong>terne E<strong>in</strong>richtung muss ihre Angebote zur Suchtprävention<strong>und</strong> Suchthilfe im gesamten Betrieb bekannt machen. Dies geschieht häufig über schriftlicheInformationen <strong>und</strong> persönliche Auftritte vor Betriebsversammlungen sowie <strong>in</strong> Gremien o<strong>der</strong>Abteilungen. Aber auch größere Informationsveranstaltungen wie Ges<strong>und</strong>heits- o<strong>der</strong> Aktionstages<strong>in</strong>d hierfür zu nutzen. Anregungen für kreative <strong>und</strong> h<strong>in</strong>ters<strong>in</strong>nige Präsentationen f<strong>in</strong>den sichu.a. <strong>in</strong> den verschiedenen Alkohol- <strong>und</strong> Drogen-Präventionskampagnen.E<strong>in</strong>e immer stärkere Bedeutung bekommt die Präsenz des Programms <strong>und</strong> <strong>der</strong> E<strong>in</strong>richtung imIntra- o<strong>der</strong> Internet. Hierüber können den Beschäftigten auch nützliche Informationen zu den


Kapitel 5Strukturelle E<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung107häufig gestellten Fragen zur Prävention von riskantem Konsum <strong>und</strong> Verhalten o<strong>der</strong> zu den <strong>in</strong>ternen<strong>und</strong> externen Beratungsangeboten bei Suchtgefährdung bereitgestellt werden.Im machen Betrieben muss die Öffentlichkeitsarbeit auch noch immer e<strong>in</strong>en Beitrag zur Enttabuisierungdes Themas riskanter Konsum <strong>und</strong> Suchtgefährdung leisten <strong>und</strong> die Akzeptanz fürHilfeangebote erhöhen sowie den Vorteil präventiver Maßnahmen vermitteln.Arbeitsschritte Erhebung des Bedarfs an Angeboten <strong>und</strong> Maßnahmen zur <strong>betrieblichen</strong> Suchtprävention<strong>und</strong> Suchthilfe durch das Steuerungsgremium <strong>und</strong>/o<strong>der</strong> die <strong>in</strong>terne E<strong>in</strong>richtung, z.B. <strong>in</strong> Interviewsmit Führungskräften, Interessenvertretungen. Die Ergebnisse fließen <strong>in</strong> die Zielsetzung,Angebots- <strong>und</strong> Maßnahmenplanung für die Suchtarbeit e<strong>in</strong>. Abstimmung e<strong>in</strong>es Konzepts für die Öffentlichkeitsarbeit zum <strong>betrieblichen</strong> Suchtpräventionsprogramm<strong>und</strong> zu den Angeboten <strong>der</strong> <strong>in</strong>ternen E<strong>in</strong>richtung bzw. <strong>der</strong> externen Beratung• Inter- bzw. Intranetauftritt• Präsentation auf Veranstaltungen, <strong>in</strong> Abteilungen <strong>und</strong> Gremien• Bereitstellung von InformationsmaterialienInhaltliche Ausformulierung <strong>der</strong> InformationenKlärung <strong>der</strong> Ressourcen für fachliche Unterstützung für die technische UmsetzungOrganisation von Informationsveranstaltungen <strong>und</strong> Aktionstage ggf. <strong>in</strong> Zusammenarbeit mitan<strong>der</strong>en E<strong>in</strong>richtungen des <strong>betrieblichen</strong> Ges<strong>und</strong>heitsmanagements.Literatur <strong>und</strong> MaterialienSpeldrich, M. (2003) Interne <strong>und</strong> externe Öffentlichkeitsarbeit <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>betrieblichen</strong> Suchtprävention <strong>und</strong>Ges<strong>und</strong>heitsför<strong>der</strong>ung. Arbeitsgruppe auf <strong>der</strong> 8. Arbeitstagung "Betriebliche Suchtprävention <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heitsför<strong>der</strong>ung<strong>in</strong> Hochschulen <strong>und</strong> Universitätskl<strong>in</strong>iken" am 11. September 2003 <strong>in</strong> Würzburg5.4 Qualitätsentwicklung, Evaluation <strong>und</strong> Berichtslegung<strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>betrieblichen</strong> SuchtpräventionEvaluation <strong>und</strong> Qualitätssicherung des Suchtpräventionsprogramms ist e<strong>in</strong> nicht unbedeuten<strong>der</strong>Teil Der Aufgaben des Steuerungsgremiums <strong>und</strong> <strong>der</strong> <strong>in</strong>ternen E<strong>in</strong>richtung. Wie für an<strong>der</strong>e Arbeitsfel<strong>der</strong>sozialer Dienstleistungen sollten sie auch im Betrieb als professioneller Standardgelten. Die Überprüfung <strong>der</strong> Ausrichtung <strong>und</strong> Wirksamkeit suchtpräventiver Angebote <strong>und</strong> dieDokumentation <strong>der</strong> Aktivitäten <strong>der</strong> Beteiligten gew<strong>in</strong>nt unter den Aspekten Akzeptanz <strong>und</strong> Mittelbereitstellungan Bedeutung.Qualitätssicherung be<strong>in</strong>haltet dabei hauptsächlich die drei folgenden Aufgaben:1. Festlegung <strong>der</strong> Kriterien <strong>und</strong> Indikatoren, die für die Qualität des <strong>betrieblichen</strong> Suchtpräventionsprogrammsunter Berücksichtigung <strong>der</strong> betriebsspezifischen Eigenheiten stehen.2. Auswahl bzw. Erstellung <strong>der</strong> Instrumente mit denen diese Kriterien bzw. Indikatoren erfasst<strong>und</strong> überprüft werden können (Evaluation <strong>und</strong> Controll<strong>in</strong>g).3. Weiterentwicklung <strong>der</strong> Dienstleistungen auf <strong>der</strong> Basis <strong>der</strong> Evaluationsergebnisse im H<strong>in</strong>blickauf die Zielsetzungen bzw. Aktualisierung <strong>der</strong> Ziele.Indem diese Schritte <strong>in</strong> zyklischen (jährlich/zweijährlich) wie<strong>der</strong>holt werden, kann es zu e<strong>in</strong>emkont<strong>in</strong>uierlichen Verbesserungsprozess kommen.


108Kapitel 5 Strukturelle E<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dungDer Prozess <strong>der</strong> Qualitätssicherung, <strong>der</strong> Evaluation <strong>und</strong> Berichtslegung, sollte nicht lediglich alse<strong>in</strong>e lästige Pflicht angesehen werden. Er dient zwar auch <strong>der</strong> Legitimation des Suchtpräventionsprogramms<strong>und</strong> <strong>der</strong> dar<strong>in</strong> e<strong>in</strong>geflossenen Ressourcen gegenüber den <strong>betrieblichen</strong> Entschei<strong>der</strong>n,aber er regt auch die notwendige Reflexion des eigenen Handelns im H<strong>in</strong>blick aufdie gestellten Ziele an. Es dient damit auch <strong>der</strong> eigenen Orientierung <strong>und</strong> ist Basis dafür, sichmit eigenen Ansprüchen <strong>und</strong> den Rollenerwartungen an<strong>der</strong>er ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>zusetzen.Das Modell <strong>der</strong> Selbstevaluation entlang <strong>der</strong> für das betriebliche Programm gesetzten Ziele <strong>und</strong>Qualitätsstandards gibt den Akteuren e<strong>in</strong>en maximalen Spielraum. Die dafür e<strong>in</strong>gesetzten Verfahrenschaffen Transparenz, die für die Weiterentwicklung des Angebots <strong>und</strong> für den Fortbestand<strong>der</strong> <strong>in</strong>ternen Suchtprävention <strong>und</strong> Suchthilfe e<strong>in</strong> entscheiden<strong>der</strong> Faktor s<strong>in</strong>d (Abb. 14).Die Evaluation kann von e<strong>in</strong>er E<strong>in</strong>zelperson, e<strong>in</strong>er Arbeitsgruppe o<strong>der</strong> als Workshop mit allenBeteiligten geme<strong>in</strong>sam durchgeführt werden. Die Ergebnisse werden dem Steuerungsgremiumo<strong>der</strong> -wo e<strong>in</strong> solches nicht existiert - <strong>der</strong> Leitung bzw. den Betriebsparteien vorgelegt.Standard Qualitätssicherung im S<strong>in</strong>ne e<strong>in</strong>es kont<strong>in</strong>uierlichen Verbesserungsprozesses sollte e<strong>in</strong>enzentralen Stellenwert im <strong>betrieblichen</strong> Suchtpräventionsprogramm haben. Rahmenbed<strong>in</strong>gungenfür die Evaluation, z.B. Umfang, Indikatoren, zeitlicher Turnus, verantwortliche Personensollten vom Steuerungsgremium konkret festgelegt werden Die Evaluation sollte im Rahmen e<strong>in</strong>er Selbstevaluation im H<strong>in</strong>blick auf die vom Steuerungsgremiumabgestimmten Ziele erfolgen. Im S<strong>in</strong>ne e<strong>in</strong>es M<strong>in</strong>deststandards <strong>der</strong> Qualitätssicherung sollten im Verfahren <strong>der</strong> Selbstevaluationvon dem Steuerungsgremium <strong>und</strong>/o<strong>der</strong> <strong>der</strong> <strong>in</strong>ternen E<strong>in</strong>richtung für Suchtprävention<strong>und</strong> Suchthilfe bzw. externen Dienstleistern (jährliche) Berichte erstellt werden. DerArbeitsbericht kann je nach Struktur <strong>der</strong> E<strong>in</strong>richtung enthalten:• Ziele <strong>der</strong> <strong>betrieblichen</strong> Suchtprävention <strong>und</strong> Suchhilfe für den Berichtszeitraum• Auftrag <strong>der</strong> <strong>in</strong>ternen E<strong>in</strong>richtung für Suchtprävention o<strong>der</strong> des externen Anbieters• Beratungsarbeit- Art <strong>und</strong> Anzahl <strong>der</strong> Beratungsfel<strong>der</strong>- Art <strong>und</strong> Anzahl <strong>der</strong> <strong>in</strong>ner<strong>betrieblichen</strong> Kontakte- Auswertung <strong>der</strong> Schwerpunktthemen <strong>der</strong> Beratung <strong>und</strong> <strong>der</strong> Wirksamkeit• Vorbeugende Aktivitäten- Informationstätigkeit, Präventionsarbeit, e<strong>in</strong>gesetzte Materialien- Art <strong>und</strong> Anzahl Informations- <strong>und</strong> Schulungsveranstaltungen- Aktionen- Auswertung <strong>der</strong> Akzeptanz <strong>und</strong> Wirkungen <strong>der</strong> vorbeugenden Aktivitäten• Beteiligung <strong>in</strong> Netzwerken• Qualifizierung / Weiterbildung / Supervision <strong>der</strong> haupt- <strong>und</strong> nebenamtlichen Beratung• Aktivitäten zur Qualitätsentwicklung des Programms- Erhebungen zur Nutzung <strong>und</strong> Wirkung <strong>der</strong> Angebote durch die K<strong>und</strong>en(z.B. Fragebögen / Interviews)- Bewertung <strong>der</strong> eigenen Tätigkeit im H<strong>in</strong>blick auf die Ziele• Auswertung <strong>und</strong> Aufzeigen des WeiterentwicklungsbedarfsFür e<strong>in</strong>en professionellen Standard <strong>der</strong> Qualitätsentwicklung sollten <strong>in</strong> <strong>der</strong> Evaluation darüberh<strong>in</strong>aus qualitative Aussagen gemacht werden u.a. zu


Kapitel 5Strukturelle E<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung109• den Standards <strong>der</strong> Dienstleistung <strong>und</strong> Angebote,• den Ansatz <strong>in</strong> <strong>der</strong> Beratung bzw. das Beratungskonzept,• den Ergebnissen, die <strong>in</strong> <strong>der</strong> Suchtprävention <strong>und</strong> Suchthilfe im Zeitraum erreicht wurden,• dem Grad <strong>der</strong> Zielerreichung, dem Verhältnis von Aufwand <strong>und</strong> erreichtem Ergebnis,• <strong>der</strong> E<strong>in</strong>schätzung <strong>der</strong> Stärken <strong>und</strong> Schwächen des Suchtpräventionsprogramms,• <strong>der</strong> Kooperation mit dem Arbeits- <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heitsschutz, dem BEM-Team, <strong>der</strong> Ges<strong>und</strong>heitsför<strong>der</strong>ung,<strong>der</strong> Personal- <strong>und</strong> Organisationsentwicklung, den Interessenvertretungen,• dem Beitrag, den die Suchtprävention <strong>und</strong> Suchthilfe zum Betrieblichen Ges<strong>und</strong>heitsmanagementleistet,• den Ansatzpunkten für die Weiterentwicklung des Programms <strong>und</strong>• den dafür notwendigen Ressourcen. Dokumentation <strong>und</strong> Evaluation sollten dem Umfang <strong>und</strong> den Aufgaben <strong>der</strong> E<strong>in</strong>richtung zur<strong>betrieblichen</strong> Suchtprävention angemessen <strong>und</strong> wirtschaftlich plausibel se<strong>in</strong>. Die Ergebnisse <strong>der</strong> Evaluation sollten im S<strong>in</strong>ne e<strong>in</strong>es kont<strong>in</strong>uierlichen Qualitätsverbesserungsprozessesneue Ziele <strong>und</strong> Maßnahmen <strong>der</strong> <strong>betrieblichen</strong> Suchtprävention <strong>und</strong> Suchthilfee<strong>in</strong>fließen. Aufgabe des Arbeitskreises / Steuerungsgremiums ist es, die entsprechendenEntscheidungen zu treffen zur• Weiterentwicklung <strong>der</strong> Präventions- <strong>und</strong> Hilfekonzepte <strong>und</strong> die E<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung <strong>in</strong> das BGM• Aktualisierung des Suchtpräventionsprogramms, ggf. auch <strong>der</strong> BV/DV• Festlegung <strong>der</strong> Ziele für den nächsten Zeitraum <strong>und</strong> die dafür erfor<strong>der</strong>lichen Schritte <strong>und</strong>Ressourcen.BegründungszusammenhangEvaluation, Qualitätssicherung <strong>und</strong> Controll<strong>in</strong>g s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>betrieblichen</strong> Praxis e<strong>in</strong>geführte Instrumentefür den Prozess <strong>der</strong> Steuerung <strong>und</strong> Entwicklung von Organisationen. Die <strong>betrieblichen</strong>Akteure sollten deshalb ihre Arbeit <strong>und</strong> das Suchtpräventionsprogramm evaluieren. Dieeigene Arbeit transparent zu machen <strong>und</strong> immer wie<strong>der</strong> auf ihre Wirkung zu überprüfen, Stärken<strong>und</strong> Schwächen wahrzunehmen <strong>und</strong> für die Weiterarbeit zu berücksichtigen, gehört zu e<strong>in</strong>emprofessionellen Gr<strong>und</strong>standard <strong>in</strong> allen - <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e auch <strong>in</strong> sozialen <strong>und</strong> ges<strong>und</strong>heitsbezogenen- Handlungsfel<strong>der</strong>n.Evaluation <strong>und</strong> Berichtslegung ist für die Beteiligten zunächst e<strong>in</strong>e zusätzliche Arbeit. Die Erhebung,die Reflexion <strong>der</strong> Ergebnisse <strong>und</strong> <strong>der</strong> Bericht können aber als wertvolle Arbeitsgr<strong>und</strong>lagebetrachtet werden. Das Vorgehen ermöglicht es, den Fortgang <strong>der</strong> Arbeit zu dokumentieren, dieZiele <strong>der</strong> Suchtprävention anzupassen o<strong>der</strong> zu präzisieren, sich aber auch z.B. von lieb gewonnenD<strong>in</strong>gen, die mit viel Aufwand nur wenig Effekt erbr<strong>in</strong>gen, rechtzeitig zu verabschieden <strong>und</strong>die dafür aufgebrachte Energie an an<strong>der</strong>er Stelle zielführen<strong>der</strong> e<strong>in</strong>zusetzen.Als Vorgehensweise wird das Konzept <strong>der</strong> Selbstevaluation empfohlen, dass <strong>in</strong> vergleichbarenArbeitsfel<strong>der</strong>n häufig Anwendung f<strong>in</strong>det. Selbstevaluation bietet den Beteiligten auf <strong>der</strong> Basis<strong>der</strong> im Betrieb vere<strong>in</strong>barten Qualitätsstandards e<strong>in</strong>en maximalen Spielraum bei <strong>der</strong> Festlegungvon Schwerpunkten <strong>der</strong> Evaluation (Umfang, Methode, Instrumente, Dokumentation) <strong>und</strong> sowievon Ausrichtung <strong>und</strong> Inhalten <strong>der</strong> Berichterstattung.E<strong>in</strong>ige gr<strong>und</strong>legenden Aspekte sollten bei <strong>der</strong> Evaluation <strong>der</strong> <strong>betrieblichen</strong> Suchtprävention <strong>und</strong>Suchthilfe jedoch beachtet werden:Bei <strong>der</strong> Dokumentation <strong>der</strong> Beratungsarbeit s<strong>in</strong>d die Gr<strong>und</strong>sätze des Persönlichkeits- <strong>und</strong>Datenschutzes zu beachten; die Anonymität muss gewährleistet se<strong>in</strong>. Der ‚Output’ <strong>der</strong> Beratungsarbeit (z.B. Anzahl Beratungsfälle, Erfolgsquote), kann zwar -soweit dokumentierbar - e<strong>in</strong> Indikator für die Ergebnisqualität se<strong>in</strong>. M<strong>in</strong>destens so bedeutsam,wenn nicht wichtiger ist die - meist nicht objektivierbare - Leistung im Bera-


110Kapitel 5 Strukturelle E<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dungtungsprozess selbst, die sich <strong>in</strong> <strong>der</strong> so genannten Prozessqualität, also <strong>in</strong> Beratungsqualität(z.B. Angebot wird als soziale Unterstützung, als Impuls zur Verhaltensän<strong>der</strong>ung <strong>und</strong>zum Ressourcenaufbau erlebt) nie<strong>der</strong>schlägt.Die Vielgestaltigkeit <strong>der</strong> Dienstleistungen im Arbeitsfeld betrieblicher Suchtprävention <strong>und</strong>–hilfe erfor<strong>der</strong>t z.B. unterschiedliches methodisches Vorgehen mit stark variierenden zeitlichenAnteilen. Auch <strong>der</strong> Schwierigkeitsgrad, die Beratungs<strong>in</strong>tensität sowie die Belastungfür die haupt- o<strong>der</strong> nebenamtlichen bzw. externen Kräfte sollten berücksichtigt werden.Exemplarische Beschreibungen <strong>der</strong> Tätigkeiten mit erfor<strong>der</strong>lichen Zeitbudgets sagenhäufig mehr aus, als re<strong>in</strong>e Zahlenangaben.Die Breite <strong>der</strong> möglichen Evaluationsmethoden erfor<strong>der</strong>t e<strong>in</strong>e Auswahl für den <strong>betrieblichen</strong>E<strong>in</strong>satz geeigneter Erhebungs<strong>in</strong>strumente. Dokumentationsverfahren im laufendenProzess sollten auf das Nötigste beschränkt se<strong>in</strong> (‚Mut zur Lücke!’). Es sollte das dokumentiert<strong>und</strong> evaluiert werden, was e<strong>in</strong>e aussagekräftige Rückmeldung ergibt.Ziel <strong>der</strong> Berichterstattung sollte u.a. se<strong>in</strong>, dem Steuerungsgremium bzw. <strong>der</strong> Leitung zuverdeutlichen, welche strukturellen Anfor<strong>der</strong>ungen erfüllt se<strong>in</strong> müssen, um so präventiv<strong>und</strong> beratend tätig se<strong>in</strong> zu können, wie es e<strong>in</strong> professioneller Standard für dieses Handlungsfel<strong>der</strong>for<strong>der</strong>t.Arbeitsschritte Festlegung <strong>der</strong> Ziele <strong>und</strong> des Rahmens für die Evaluation <strong>und</strong> Berichtslegung im Arbeitskreis/ Steuerungsgremium. Def<strong>in</strong>ition von quantitativen <strong>und</strong> qualitativen Indikatoren zur Überprüfung des Grads <strong>der</strong>Zielerreichung <strong>in</strong> <strong>der</strong> Suchtprävention <strong>und</strong> Suchthilfe im zurückliegenden Zeitraum. Erhebung <strong>der</strong>• Daten zur Arbeit des Steuerungsgremiums• Daten zur <strong>in</strong>ternen <strong>und</strong>/o<strong>der</strong> externen Beratungsarbeit;• Daten zur vorbeugenden Arbeit, u.a. Informationsveranstaltungen/Schulungen;• Daten zu Kooperationen <strong>und</strong> Netzwerkarbeit;• Daten zu Market<strong>in</strong>g <strong>und</strong> Öffentlichkeitsarbeit Auswertung <strong>der</strong> Ergebnisse <strong>der</strong> Evaluation. Die Daten sollten e<strong>in</strong>mal jährlich ausgewertetwerden. Abstimmung des Weiterentwicklungs- <strong>und</strong> Aktualisierungsbedarfs für das betrieblicheSuchtpräventionsprogramm. Festlegung <strong>der</strong> Ziele für den kommenden Berichtszeitraum <strong>und</strong> Beauftragung mit <strong>der</strong> Umsetzung.Literatur <strong>und</strong> MaterialienKliche, Thomas (2006) Qualitätssichernde Maßnahmen für die Suchtprävention – Konzeption, Instrumente<strong>und</strong> Anwendungserfahrungen am Beispiel QS-Prävention. Vortrag auf <strong>der</strong> NLS-Jahrestagung „Effektivität<strong>und</strong> Qualität von Suchtprävention“, Wirksamkeitsnachweis <strong>und</strong> Qualitätssicherung als Zukunftsaufgaben,am 13.07.2006 <strong>in</strong> Hannover. www.nls-onl<strong>in</strong>e.de/downloads/d-loads.htmlSchumann, G. (2005) Handbuch zu Qualitätsstandards <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>betrieblichen</strong> Suchtprävention. Oldenburg


AnlagenBetriebsvere<strong>in</strong>barung <strong>und</strong> StufenpläneAnlage 1111


112AnlagenBetriebsvere<strong>in</strong>barung <strong>und</strong> StufenpläneAnlage 1Beispiel e<strong>in</strong>er Betriebsvere<strong>in</strong>barungdie sich an die DHS-Qualitätsstandards für die betriebliche Suchtprävention <strong>und</strong>Suchthilfe (2011) anlehnt.Zwischen <strong>der</strong><strong>und</strong> demFirma- vertreten durch die Geschäftsführung -Betriebsratwird gemäß § 87 Abs. 1 Ziffer 1 <strong>und</strong> 7 Betriebsverfassungsgesetz e<strong>in</strong>evere<strong>in</strong>bart.Betriebsvere<strong>in</strong>barung zur Vorbeugung von riskantem Konsum<strong>und</strong> zum Umgang mit Suchtproblemen am ArbeitsplatzPräambelSuchtprävention <strong>und</strong> Suchthilfe werden als Teil des Ges<strong>und</strong>heitsmanagements <strong>der</strong> GmbHzur Umsetzung des Arbeitsschutzgesetzes (Pflichten des Arbeitsgebers <strong>und</strong> <strong>der</strong> Beschäftigten)sowie als Beitrag zur Ges<strong>und</strong>heitsför<strong>der</strong>ung verstanden.Durch riskanten Suchtmittelgebrauch o<strong>der</strong> suchtbed<strong>in</strong>gte Verhaltensweisen am Arbeitsplatzkönnen Ges<strong>und</strong>heit <strong>und</strong> Sicherheit <strong>der</strong> Mitarbeiter/<strong>in</strong>nen erheblich bee<strong>in</strong>trächtig werden. DieVorbeugung von Gefährdungen <strong>und</strong> die sachgerechte Hilfe zur konstruktiven Lösung vonSuchtproblemen s<strong>in</strong>d zentrale Ziele dieser Vere<strong>in</strong>barung.Die frühzeitige <strong>und</strong> konsequente Intervention bei Auffälligkeiten gehört zu den wirksamstenMaßnahmen <strong>der</strong> Vorbeugung von Suchtproblemen am Arbeitsplatz. Mit zunehmen<strong>der</strong> Dauerdes riskanten <strong>und</strong> gefährdenden Konsums <strong>und</strong> Verhaltens zeigen sich negative Auswirkungen<strong>in</strong> allen Lebensbereichen. Bei Suchtgefährdung <strong>und</strong> -erkrankung werden die Beschäftigtenunterstützt fachk<strong>und</strong>ige Beratung <strong>und</strong> Behandlung aufzunehmen.Gr<strong>und</strong>sätzlich s<strong>in</strong>d bei Anzeichen von riskantem Suchtmittelgebrauch o<strong>der</strong> suchtbed<strong>in</strong>gtemVerhalten im kollegialen Umfeld alle Beschäftigten auf je<strong>der</strong> Hierarchiestufe aufgerufen, dievon wahrgenommenen Auffälligkeiten im Rahmen ihrer Möglichkeiten anzusprechen <strong>und</strong>frühzeitig auf die Möglichkeiten <strong>in</strong>terner o<strong>der</strong> externer Unterstützung h<strong>in</strong>zuweisen.§ 1 GeltungsbereichGeschäftsführung <strong>und</strong> Betriebsrat s<strong>in</strong>d sich e<strong>in</strong>ig, dass die Verfahren <strong>und</strong> Angebote dieserBetriebsvere<strong>in</strong>barung für alle Beschäftigten <strong>der</strong> GmbH entsprechend Anwendung f<strong>in</strong>den.Ziel ist es,§ 2 Ziel <strong>der</strong> Betriebsvere<strong>in</strong>barung


AnlagenBetriebsvere<strong>in</strong>barung <strong>und</strong> Stufenpläne113• Ges<strong>und</strong>heit <strong>und</strong> Leistungsfähigkeit <strong>der</strong> Beschäftigten zu för<strong>der</strong>n, zu erhalten o<strong>der</strong> wie<strong>der</strong>herzustellen,• durch Information <strong>und</strong> Aufklärung riskanten Suchtmittelkonsum <strong>und</strong> Suchtgefährdung zuvermeiden,• die Arbeitssicherheit zu erhöhen <strong>und</strong> den Arbeitsschutz zu erweitern,• Personalverantwortlichen Handlungsleitl<strong>in</strong>ien zur Prävention <strong>und</strong> Intervention an die Handzu geben,bei Suchtproblemen frühzeitig Hilfe anzubieten <strong>und</strong> Suchtgefährdete im Ges<strong>und</strong>ungsprozesszu unterstützen <strong>und</strong> die Verantwortungsstruktur hierfür festzulegen,• allen Beschäftigten e<strong>in</strong> transparentes Vorgehen bei Auffälligkeiten <strong>und</strong> e<strong>in</strong> verb<strong>in</strong>dlichesHilfeangebot zu gewährleisten,• den E<strong>in</strong>satz <strong>in</strong>terner Beratungskräfte <strong>und</strong>/o<strong>der</strong> kollegialer Ansprechpartner für Suchtfragenzu regeln <strong>und</strong> die Vernetzung von <strong>in</strong>ternen <strong>und</strong> externen Hilfeangeboten zu för<strong>der</strong>n.§ 3 Steuerung des Suchtpräventionsprogramms(1) Für die Umsetzung dieser BV <strong>und</strong> die Weiterentwicklung des Suchtpräventions- <strong>und</strong> -hilfeprogramms wird e<strong>in</strong> Steuerkreis Suchtprävention/Ges<strong>und</strong>heit e<strong>in</strong>gerichtet. Er setztsich wie folgt zusammen:• e<strong>in</strong>/e Vertreter/<strong>in</strong> <strong>der</strong> Geschäftsführung bzw. <strong>der</strong> Personalleitung,• e<strong>in</strong> Mitglied des Betriebsrats,• die zentrale Ansprechperson für Suchtfragen sowie e<strong>in</strong>e nebenamtliche Ansprechperson,• weitere <strong>in</strong>terne Fachkräfte bzw. Interessenvertretungen (nach Betriebstruktur),• externe Experten/Expert<strong>in</strong>nen (bei Bedarf).Er tagt nach Bedarf, m<strong>in</strong>destens jedoch e<strong>in</strong>mal im Kalen<strong>der</strong>jahr.(2) Der Steuerkreis hat die Aufgabe, das Suchtprogramm auf <strong>der</strong> Basis dieser BV umzusetzen,zu evaluieren <strong>und</strong> weiterzuentwickeln. Er stimmt die Ziele des Suchtpräventionsprogrammsab, richtet die <strong>in</strong>terne E<strong>in</strong>richtung für Suchtfragen e<strong>in</strong>, erstellt die Aufgabenbeschreibungfür die dar<strong>in</strong> tätigen Ansprechperson(en), <strong>und</strong> beschließt die Rahmenbed<strong>in</strong>gungenfür ihre Arbeit e<strong>in</strong>schließlich des Budgets. Der Steuerkreis erstellt e<strong>in</strong>en jährlichenBericht.(3) Die Mitglie<strong>der</strong> des Steuerkreises qualifizieren sich für die Aufgaben zur Umsetzung dieserBV.§ 4 Zuständigkeit <strong>und</strong> Qualifizierung <strong>der</strong> Personalverantwortlichen(1) Personalverantwortlichen, <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e Vorgesetzten, kommt e<strong>in</strong>e zentrale Rolle imSuchtpräventionsprogramm zu. Sie tragen sowohl die Verantwortung für den Arbeitsschutz,als auch für e<strong>in</strong>e sachgerechte Intervention bei sucht(mittel)bed<strong>in</strong>gten Auffälligkeiten.Sie unterstützen auffällig gewordene Beschäftigte auf dem Weg zur Verän<strong>der</strong>ungbei <strong>der</strong> Übernahme von Eigenverantwortung sowie <strong>der</strong> Annahme fachgerechter Hilfe.Die <strong>in</strong>ternen Ansprechpersonen können sie dabei beraten.(2) Die Interventionen bei Auffälligkeiten auf <strong>der</strong> Basis dieser BV obliegen den Vorgesetzten.Sie führen nach vorheriger Beratung mit <strong>der</strong> Ansprechperson für Suchtfragen die Gesprächeentsprechend <strong>der</strong> BV. Ab <strong>der</strong> zweiten Stufe des Stufenplans beziehen sie die


114AnlagenBetriebsvere<strong>in</strong>barung <strong>und</strong> StufenplänePersonalabteilung <strong>und</strong> den Betriebsrat - bei Schwerbeh<strong>in</strong><strong>der</strong>ten auch die Schwerbeh<strong>in</strong><strong>der</strong>tenvertretung- mit e<strong>in</strong>.(3) Sachgerechtes Handeln bei Auffälligkeiten <strong>und</strong> lösungsorientierte Interventionen bei psychosozialenProblemen von Beschäftigten s<strong>in</strong>d e<strong>in</strong>e anspruchsvolle Führungsaufgabe.Zur Wahrnehmung ihrer Aufgaben werden den Personalverantwortlichen verb<strong>in</strong>dlicheSem<strong>in</strong>are angeboten. Sie erhalten für diese Aufgabe außerdem Unterstützung durch Beratung<strong>und</strong> Coach<strong>in</strong>g.(4) Bei Wie<strong>der</strong>aufnahme <strong>der</strong> Arbeit nach e<strong>in</strong>er Therapie s<strong>in</strong>d die Vorgesetzten <strong>in</strong> Zusammenarbeitmit <strong>der</strong> <strong>in</strong>ternen Ansprechperson für die Wie<strong>der</strong>e<strong>in</strong>glie<strong>der</strong>ung am Arbeitsplatzzuständig. Bei Vorliegen <strong>der</strong> Voraussetzungen nach § 84 (2) SGB IX wird das Vorgehenmit dem E<strong>in</strong>glie<strong>der</strong>ungsteam abgestimmt.§ 5 Information <strong>und</strong> Aufklärung(1) Alle Beschäftigten werden über die Wirkungen von Suchtmitteln <strong>und</strong> die ges<strong>und</strong>heitlichen<strong>und</strong> sozialen Folgen riskanten o<strong>der</strong> gefährdenden Konsums sowie suchtbed<strong>in</strong>gten Verhaltens<strong>in</strong>formiert.(2) Für Auszubildende werden speziell auf diese Zielgruppe ausgerichtete Präventionsmaßnahmenangeboten. Ergänzend können auch für weitere Mitarbeitergruppen spezifischeAngebote vorgesehen werden.§ 6 Verantwortlicher Umgang mit Alkohol <strong>und</strong> an<strong>der</strong>en berauschenden Mitteln(1) Aus Gründen <strong>der</strong> Arbeitssicherheit <strong>und</strong> des Ges<strong>und</strong>heitsschutzes ist für die Arbeit nichtgeeignet, wer unter E<strong>in</strong>wirkung von Alkohol, illegalen Drogen <strong>und</strong> an<strong>der</strong>en berauschendenMitteln steht. Bei <strong>der</strong> E<strong>in</strong>nahme von Medikamenten s<strong>in</strong>d die entsprechenden H<strong>in</strong>weiseauf E<strong>in</strong>schränkungen, die für die Arbeit <strong>und</strong> die Teilnahme am Straßenverkehr bedeutsams<strong>in</strong>d, zu beachten.(2) Über Ausnahmen von <strong>der</strong> Regelung für Veranstaltungen außerhalb <strong>der</strong> Arbeitszeit o<strong>der</strong>bei bestimmten <strong>betrieblichen</strong> Anlässen entscheidet die Leitung. Diese Ausnahmegenehmigungist ausnahmslos auf den jeweiligen Anlass zu beschränken <strong>und</strong> schriftlich zuerteilen.(3) Alle Beschäftigten – <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e Führungskräfte – s<strong>in</strong>d verpflichtet, auf die E<strong>in</strong>haltung<strong>der</strong> vorstehenden Bestimmungen zu achten.§ 7 Beseitigung von Ursachen für riskanten SuchtmittelkonsumUrsache für e<strong>in</strong>en riskanten Suchtmittelkonsum können u.a. beson<strong>der</strong>e Belastungen <strong>in</strong> bestimmtenArbeitssituationen o<strong>der</strong> Fehlbeanspruchungen se<strong>in</strong>. In Zusammenarbeit mit demGes<strong>und</strong>heitsmanagement bzw. dem Arbeits- <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heitsschutz werden ges<strong>und</strong>heitlicheGefährdungen durch die Arbeit geprüft <strong>und</strong> geeignete Maßnahmen ergriffen, um siemöglichst zu beseitigen. Zugleich wird geprüft, ob Beschäftigte durch spezifische Angebote<strong>der</strong> Ges<strong>und</strong>heitsför<strong>der</strong>ung ihre Möglichkeiten zur Belastungsbewältigung erweitern können.§ 8 Gefährdung <strong>der</strong> Arbeitssicherheit(1) S<strong>in</strong>d Beschäftigte durch Alkohol, illegale Drogen, Medikamente o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>e berauschendeo<strong>der</strong> Wahrnehmung verän<strong>der</strong>nde Mittel nicht <strong>in</strong> <strong>der</strong> Lage, die ihnen übertrage-


AnlagenBetriebsvere<strong>in</strong>barung <strong>und</strong> Stufenpläne115nen Arbeiten ohne Gefahr für sich o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>e auszuführen, dürfen sie nach § 7 BGV A1 nicht beschäftigt werden.(2) Folgendes Verfahren wird bei akuter Bee<strong>in</strong>trächtigung sicheren Arbeitens vere<strong>in</strong>bart:a) Besteht aufgr<strong>und</strong> äußerer Anzeichen <strong>der</strong> E<strong>in</strong>druck, dass e<strong>in</strong>/e Mitarbeiter/<strong>in</strong> unter E<strong>in</strong>flussvon berauschenden Mitteln steht, ist <strong>der</strong>/die Vorgesetzte aufgefor<strong>der</strong>t e<strong>in</strong>zugreifen.Auch H<strong>in</strong>weisen aus dem Kreis <strong>der</strong> Beschäftigten ist mit <strong>der</strong> gebotenen Sorgfalt nachzugehen.b) Die Entscheidung, die/den betreffende/n Mitarbeiter/<strong>in</strong> vom Arbeitsplatz zu entfernen,orientiert sich an den konkreten Auffälligkeiten im Auftreten <strong>und</strong> Verhalten. E<strong>in</strong> Test isthierfür nicht erfor<strong>der</strong>lich.c) Der/die Vorgesetzte zieht e<strong>in</strong>e weitere Person als Beweishilfe h<strong>in</strong>zu <strong>und</strong> <strong>in</strong>formiertmöglichst unverzüglich den Betriebsrat.d) Entscheidungen die betroffene Person vom Arbeitsplatz zu entfernen orientieren sichan den Beobachtungen des Verhaltens <strong>der</strong> betroffenen Person. E<strong>in</strong>e nachvollziehbareE<strong>in</strong>schätzung <strong>der</strong> Vorgesetzten über die Arbeitsfähigkeit des/<strong>der</strong> Beschäftigten wird vorausgesetzt.Die Durchführung e<strong>in</strong>es Tests ist hierfür nicht erfor<strong>der</strong>lich.e) Der/die Vorgesetzte hat die betroffene Person jedoch auf die Möglichkeit h<strong>in</strong>zuweisen,dass sie sich zum Gegenbeweis e<strong>in</strong>em Test auf Suchtmittelkonsum unterzieheno<strong>der</strong> bei Medikamentene<strong>in</strong>nahme die Eignung für die Tätigkeit (betriebs-)ärztlich bestätigenlassen kann. Der Gegenbeweis ist unmittelbar, längstens <strong>in</strong>nerhalb von zwei St<strong>und</strong>ennach Ansprache anzutreten. Die Ergebnisse des Tests werden schriftlich vorgelegt.f) Bestehen die Auffälligkeiten <strong>und</strong> die Gefährdung für sich o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>e fort, so darf diebetroffene Person auch bei negativem Testergebnis nicht wie<strong>der</strong> e<strong>in</strong>gesetzt werden. Indiesem Fall dürfen ihr daraus ke<strong>in</strong>e Nachteile entstehen.g) Wird die betroffene Person nach Hause entlassen, ist <strong>der</strong> Vorgesetzte verpflichtet, füre<strong>in</strong>en sicheren Heimweg - ggf. durch e<strong>in</strong>en begleiteten Heimtransport bis zur Wohnungstür- zu sorgen.h) Ist die betroffene Person durch eigenes Verschulden an ihrer Arbeitsleistung verh<strong>in</strong><strong>der</strong>t,besteht für die ausgefallene Arbeitszeit ke<strong>in</strong> Anspruch auf Entgelt. Die Kosten fürden Heimtransport hat sie <strong>in</strong> diesem Fall selbst zu tragen.i) E<strong>in</strong>e Bee<strong>in</strong>trächtigung <strong>der</strong> Arbeitssicherheit kann auch durch suchtbed<strong>in</strong>gtes Verhaltenverursacht se<strong>in</strong> (z.B. Übermüdung bei Medienabhängigkeit). Hierbei ist das Verfahrennach Ziffer 2 entsprechend anzuwenden.(4) Konnte e<strong>in</strong>/e Mitarbeiter/<strong>in</strong> durch eigenes Verschulden ihre Arbeit aus Gründen<strong>der</strong> Sicherheitnicht antreten bzw. fortsetzen, führt <strong>der</strong>/die Vorgesetzte zeitnah das erste Stufengesprächnach dem Stufenplan (siehe Interventionsleitfäden im Anhang zu dieserBroschüre). Die Durchführung dieses Gesprächs gehört zu den Pflichten des Vorgesetzten.§ 9 Ansprache von Auffälligkeiten - frühzeitige InterventionIm Rahmen ges<strong>und</strong>heitsorientierter Führung s<strong>in</strong>d Auffälligkeiten am Arbeitsplatz möglichstfrühzeitig anzusprechen, um <strong>der</strong> Verfestigung von Problemsituationen <strong>und</strong> riskanten Bewältigungsmusterndurch Suchtmittel- <strong>und</strong> Medikamentengebrauch sowie suchtbed<strong>in</strong>gtem Verhaltenvorzubeugen. (Siehe Interventionsleitfaden im Anhang dieser Broschüre)


116AnlagenBetriebsvere<strong>in</strong>barung <strong>und</strong> Stufenpläne(1) FürsorgegesprächBei Auffälligkeiten im Arbeits- <strong>und</strong> Leistungsverhalten von Beschäftigten, die <strong>in</strong> Verb<strong>in</strong>dungmit ges<strong>und</strong>heitlichen o<strong>der</strong> sozialen Problemen <strong>der</strong> Person gesehen werden, führt<strong>der</strong>/die Vorgesetzte e<strong>in</strong> Fürsorgegespräch. Es werden dar<strong>in</strong> die wahrgenommenen Verän<strong>der</strong>ungenangesprochen <strong>und</strong> es wird soziale Unterstützung angeboten, damit die akutenProbleme überw<strong>und</strong>en <strong>und</strong> weitere Auffälligkeiten vermieden werden können.(2) KlärungsgesprächBei wie<strong>der</strong>holter Vernachlässigung arbeitsvertraglicher Pflichten, die nicht o<strong>der</strong> nichte<strong>in</strong>deutig im Zusammenhang zu e<strong>in</strong>em Suchtmittelkonsum o<strong>der</strong> Suchtverhalten gesehenwerden, führt <strong>der</strong>/die Vorgesetzte e<strong>in</strong> Klärungsgespräch. Steht das beanstandete Verhalten<strong>in</strong> Verb<strong>in</strong>dung mit ges<strong>und</strong>heitlichen o<strong>der</strong> sozialen Problemen, gibt <strong>der</strong>/die VorgesetzteH<strong>in</strong>weise auf das <strong>in</strong>terne Unterstützungssystem mit se<strong>in</strong>en Hilfeangeboten.Durch Aufzeigen, welches Verhalten zukünftig konkret erwartetet wird, lässt sich weiterenFehlentwicklungen entgegen steuern. Die Ergebnisse des Gesprächs werden schriftlichfestgehalten <strong>und</strong> <strong>der</strong> betroffenen Person ausgehändigt. E<strong>in</strong> Rückmeldegesprächwird <strong>in</strong> etwa sechs bis acht Wochen festgelegt.(3) Bestehen die Auffälligkeiten fort, ohne dass e<strong>in</strong> Zusammenhang zu e<strong>in</strong>em Suchtmittelgebraucho<strong>der</strong> suchbed<strong>in</strong>gtem Verhalten erkennbar ist, entscheidet <strong>der</strong>/die Vorgesetzteim Zusammenwirken mit <strong>der</strong> <strong>in</strong>ternen Beratung bzw. Ansprechperson <strong>und</strong> <strong>der</strong> Personalabteilungsowie ggf. weiteren Fachkräften über die nächsten Schritte.(4) Sofern die Voraussetzungen des § 84 (2) SGB IX vorliegen, ist im Gespräch das Verfahrenzum <strong>betrieblichen</strong> E<strong>in</strong>glie<strong>der</strong>ungsmanagement anzubieten. Hierzu ist <strong>der</strong> Kontaktzum E<strong>in</strong>glie<strong>der</strong>ungsteam herzustellen.§ 10 Ansprache von Auffälligkeiten <strong>in</strong> Verb<strong>in</strong>dung mit Suchtmittelgebraucho<strong>der</strong> bei suchtbed<strong>in</strong>gtem Verhalten - E<strong>in</strong>stieg <strong>in</strong> den StufenplanDer E<strong>in</strong>stieg <strong>in</strong> den Stufenplan erfolgt immer dann, wenn die Verletzung arbeitsvertraglicherPflichten mit Suchtmittelgebrauch o<strong>der</strong> suchtbed<strong>in</strong>gtem Verhalten e<strong>in</strong>hergeht o<strong>der</strong> dadurchStörungen am Arbeitsplatz entstehen. Beim Stufenplan handelt es sich um e<strong>in</strong>e systematischeFolge von lösungsorientierten Interventionsgesprächen mit dem Ziel, bei dem/<strong>der</strong> auffälliggewordenen Mitarbeiter/n e<strong>in</strong>e eigenverantwortliche Verhaltensän<strong>der</strong>ung anzustoßen<strong>und</strong> die Bereitschaft zu verstärken, sich gegenüber Unterstützungsangeboten zu öffnen.Im oben genannten Fällen ist nach dem Stufenplan aus dem Interventionsleitfaden, <strong>der</strong> <strong>der</strong>BV beigefügt wird, zu verfahren (siehe Anhang 2 <strong>und</strong> 3 dieser Broschüre). Der/die unmittelbareVorgesetzte ist verpflichtet, den formellen Weg e<strong>in</strong>zuleiten:(1) Stehen die Auffälligkeiten am Arbeitsplatz o<strong>der</strong> die Vernachlässigung arbeitsvertraglicherPflichten e<strong>in</strong>e /e<strong>in</strong>er Beschäftigten im Zusammenhang mit dem Gebrauch von Suchtmitteln<strong>und</strong> Medikamenten o<strong>der</strong> suchtbed<strong>in</strong>gtem Verhalten, so führt <strong>der</strong>/die verantwortlicheVorgesetzte mit ihm/ihr das 1. Stufengespräch. Sie/er leitet bei fortgesetzten Auffälligkeitenauch die weiteren Gespräche nach dem Stufenplan e<strong>in</strong>.(2) Den Personalverantwortlichen wird für die Vorbereitung <strong>und</strong> Durchführung von Interventionsgesprächene<strong>in</strong>e Handlungsanleitung zur Verfügung gestellt. Vor jedem Interventionsgesprächsollten sie sich mit e<strong>in</strong>er <strong>der</strong> <strong>in</strong>ternen Ansprechpersonen <strong>in</strong> Verb<strong>in</strong>dungsetzen, um sich über die fallbezogen e<strong>in</strong>zubr<strong>in</strong>genden Hilfeangebote zu beraten.(3) Die weiteren Stufengespräche werden vom jeweils beteiligten Personenkreis ohne diebetroffene Person vorbereitet. Die <strong>in</strong>terne Ansprechperson kann dazu h<strong>in</strong>zugezogenwerden. Es wird <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e abgestimmt, wie die Auffälligkeiten zu bewerten s<strong>in</strong>d,


AnlagenBetriebsvere<strong>in</strong>barung <strong>und</strong> Stufenpläne117welche Konsequenzen gezogen, welche Hilfeangebote <strong>und</strong> weiteren Auflagen gemacht<strong>und</strong> welche Sanktionen ggf. ausgesprochen werden sollen. Es wird außerdem die Rollenverteilungfür die Gesprächsführung festgelegt.(4) Als Unterstützungsangebote werden <strong>der</strong> betroffenen Person zunächst empfohlen, sichdurch die <strong>in</strong>ternen Ansprechpartner für Suchtfragen über Beratungsangebote <strong>in</strong>formierenzu lassen. Im Weiteren erfolgt die Auffor<strong>der</strong>ung, sich <strong>in</strong>tern o<strong>der</strong> extern beraten zu lassen.Die Auffor<strong>der</strong>ung im Stufenplan, sich <strong>in</strong> Beratung <strong>und</strong> Behandlung zu begeben, weil e<strong>in</strong>eSuchtgefährdung nicht ausgeschlossen werden kann, ist ausschließlich e<strong>in</strong> Hilfeangebot.Dem betroffenen Mitarbeiter steht es frei, dieses anzunehmen.(5) Bei Vorliegen <strong>der</strong> arbeitsrechtlichen Voraussetzungen s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> den fortgeschrittenen Stufendes Stufenplans als Reaktion auf die Verletzung arbeitsvertraglicher Pflichten Ermahnungen<strong>und</strong>/o<strong>der</strong> Abmahnungen vorgesehen. Damit diese konstruktiv wirken können,s<strong>in</strong>d sie jeweils mit e<strong>in</strong>em konkreten Hilfeangebot zu verb<strong>in</strong>den. Der/die Mitarbeiter/<strong>in</strong>wird erneut nachdrücklich aufgefor<strong>der</strong>t, sich <strong>in</strong> Beratung <strong>und</strong>/o<strong>der</strong> Therapie zu begeben.Dafür wird ihm/ihr Unterstützung zugesichert.(6) Räumt <strong>der</strong>/die angesprochene Mitarbeiter/<strong>in</strong> <strong>in</strong> o<strong>der</strong> nach e<strong>in</strong>em solchen Stufengespräche<strong>in</strong> Suchtproblem e<strong>in</strong>, so än<strong>der</strong>t dies zunächst nichts an den Voraussetzungen für dieErmahnung o<strong>der</strong> Abmahnung, da im Betrieb nicht festgestellt werden kann, ob e<strong>in</strong>eSuchtgefährdung o<strong>der</strong> Abhängigkeitserkrankung vorliegt. Er/sie erhält nun auch schriftliche<strong>in</strong>e Auffor<strong>der</strong>ung, sich angesichts des e<strong>in</strong>geräumten Suchtproblems umgehend <strong>in</strong>Beratung <strong>und</strong> Behandlung zu begeben. Zugleich wird noch e<strong>in</strong>mal festgestellt, dass essich bei den beanstandeten Auffälligkeiten um Pflichtverletzungen handelt, die, wenn siefortgesetzt auftreten das Arbeitsverhältnis gefährden können.§ 11 Präventives E<strong>in</strong>glie<strong>der</strong>ungsmanagement <strong>und</strong> Fallbegleitung(1) Im 2. Stufengespräch wird dem/<strong>der</strong> Beschäftigten e<strong>in</strong> betriebliches E<strong>in</strong>glie<strong>der</strong>ungsmanagementals zusätzliche Hilfe angeboten - unabhängig davon, ob die Voraussetzungennach § 84 (2) bereits vorliegen.(2) Für den Fall, dass <strong>der</strong>/die Beschäftigte die Möglichkeit annimmt, zieht das E<strong>in</strong>glie<strong>der</strong>ungsteamdie <strong>in</strong>terne Beratung bzw. e<strong>in</strong>e Ansprechperson h<strong>in</strong>zu, die sich für die Beteiligungam Verfahren des E<strong>in</strong>glie<strong>der</strong>ungsmanagements qualifiziert hat.(3) Zur Erhöhung <strong>der</strong> Verb<strong>in</strong>dlichkeit des Hilfeangebots, spätestens ab <strong>der</strong> 3. Stufe des Stufenplanswird e<strong>in</strong>e kont<strong>in</strong>uierliche Fallbegleitung (Case Management) e<strong>in</strong>gerichtet. DieGesprächsführenden des 3. Stufengesprächs legen <strong>in</strong> Abstimmung mit <strong>der</strong> <strong>in</strong>ternen Ansprechpersonfür Suchtfragen fest, wer im E<strong>in</strong>zelfall als "Fallmanager" <strong>in</strong>frage kommt.Dieser Fallmanager unterstützt den/die Beschäftigte/n mit dessen E<strong>in</strong>verständnis bei <strong>der</strong>Aufnahme <strong>der</strong> Beratung <strong>und</strong> begleitet sie/ihn während ambulanter <strong>und</strong> stationärer Behandlung,als auch bei <strong>der</strong> Wie<strong>der</strong>e<strong>in</strong>glie<strong>der</strong>ung <strong>und</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> Stabilisierungsphase.§ 12 Wie<strong>der</strong>e<strong>in</strong>glie<strong>der</strong>ung(1) Unmittelbar vor o<strong>der</strong> nach Abschluss e<strong>in</strong>er Therapie führt <strong>der</strong>/die Vorgesetzte zusammenmit <strong>der</strong> <strong>in</strong>ternen Beratung bzw. <strong>der</strong> Fallmanager/<strong>in</strong> mit <strong>der</strong> betroffenen Person e<strong>in</strong>Gespräch, <strong>in</strong> dem es um die Möglichkeiten für e<strong>in</strong>e erfolgreiche Wie<strong>der</strong>e<strong>in</strong>glie<strong>der</strong>ung amArbeitsplatz geht. E<strong>in</strong> Vertreter des Betriebsrats o<strong>der</strong> e<strong>in</strong>e an<strong>der</strong>e Person des Vertrau-


118AnlagenBetriebsvere<strong>in</strong>barung <strong>und</strong> Stufenpläneens können am Gespräch teilnehmen. Gegebenenfalls s<strong>in</strong>d für die Wie<strong>der</strong>e<strong>in</strong>glie<strong>der</strong>ungnoch weitere Fachkräfte o<strong>der</strong> Mitglie<strong>der</strong> des E<strong>in</strong>glie<strong>der</strong>ungsteams h<strong>in</strong>zuzuziehen.(2) Über die Wie<strong>der</strong>e<strong>in</strong>glie<strong>der</strong>ung am Arbeitsplatz h<strong>in</strong>aus kann e<strong>in</strong> Anspruch auf e<strong>in</strong> BetrieblichesE<strong>in</strong>glie<strong>der</strong>ungsmanagement nach § 84 (2) SGB IX bestehen <strong>und</strong>/o<strong>der</strong> dieses vondem/<strong>der</strong> Beschäftigten gewünscht werden.(3) Der/die Vorgesetzte führt <strong>in</strong> den folgenden zwei Jahren m<strong>in</strong>destens halbjährlich Bilanzgesprächemit dem/<strong>der</strong> Mitarbeiter/<strong>in</strong>.(4) Bewerben sich wegen Suchtproblemen entlassene Beschäftigte, die e<strong>in</strong>e erfolgreichabgeschlossene Therapie erneut bei <strong>der</strong> GmbH, so wird die Bewerbung wohlwollendgeprüft. Bei Neue<strong>in</strong>stellung sollte analog zum Wie<strong>der</strong>e<strong>in</strong>glie<strong>der</strong>ungsverfahren vorgegangenwerden.§ 13 Vorgehen bei erneutem Konsum nach e<strong>in</strong>er Therapie(1) Kommt es nach e<strong>in</strong>er Intervention im Rahmen des Stufenplans lediglich zu e<strong>in</strong>er vorübergehendenÄn<strong>der</strong>ung des Verhaltens des/<strong>der</strong> Beschäftigten <strong>und</strong> kommt es <strong>in</strong> <strong>der</strong> Folgeerneut zur Vernachlässigung <strong>der</strong> arbeitsvertraglichen Pflichten, so wird <strong>der</strong> Stufenplan<strong>in</strong> <strong>der</strong> nächsten Stufe fortgesetzt.(2) Treten nach e<strong>in</strong>er erfolgreich abgeschlossenen Entwöhnungstherapie erneute Auffälligkeitenbei dem betroffenen Mitarbeiter auf, so kommen unverzüglich diejenigen zusammen,die das letzte Stufenplangespräch geführt haben sowie <strong>der</strong> "Fallmanager" o<strong>der</strong> e<strong>in</strong>e(an<strong>der</strong>e) <strong>in</strong>terne Ansprechperson <strong>und</strong> beraten unter Berücksichtigung aller Umständedes E<strong>in</strong>zelfalles über das weitere Vorgehen <strong>und</strong> darüber, welches Gespräch des Stufenplansansteht.Dabei ist zu berücksichtigen, dass e<strong>in</strong> kurzzeitiges Wie<strong>der</strong>aufleben e<strong>in</strong>es Suchtmittelkonsumsnach e<strong>in</strong>er Entwöhnungstherapie o<strong>der</strong> sonstigen Hilfemaßnahmen im Verlaufdes Genesungsprozesses bei Abhängigkeitserkrankungen nicht untypisch ist. E<strong>in</strong>eschnelle Unterbrechung des gefährdenden Verhaltens ist <strong>in</strong> diesen Fällen jedoch angesagt,damit daraus ke<strong>in</strong> Rückfall wird.§ 14 Interne E<strong>in</strong>richtung für Suchtberatung - Ansprechpersonen für Suchtfragen(1) Es wird e<strong>in</strong>e <strong>in</strong>terne Suchtberatung e<strong>in</strong>gerichtet. Die Beschäftigten haben das Recht,je<strong>der</strong>zeit Beratung <strong>in</strong> Anspruch zu nehmen. Die Wahrnehmung e<strong>in</strong>er Beratung kannwährend <strong>der</strong> Arbeitszeit erfolgen.(2) Die <strong>in</strong>terne Suchtberatung am Standort X wird von <strong>der</strong> Sozialberatung übernommen. Diesenimmt die Aufgabe als zentrale Ansprechperson für Suchtfragen wahr. Daneben werden<strong>in</strong> den Nie<strong>der</strong>lassungen <strong>der</strong> GmbH weitere Ansprechpersonen nebenamtlich tätig.(3) Die <strong>in</strong>ternen Ansprechpersonen arbeiten auf <strong>der</strong> Gr<strong>und</strong>lage dieser BV. Ihre Aufgabenumfassena) die Prävention, vor allem dieInformation <strong>der</strong> Beschäftigten, Vorbeugung des riskanten Konsums, Bereitstellungvon Medien <strong>und</strong> Materialien, Beteiligung an Aktions- <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heitstagen,b) die Information, Beratung <strong>und</strong> Unterstützung <strong>der</strong>Mitarbeiter/<strong>in</strong>nen <strong>und</strong> <strong>der</strong>en Angehörige, Vorgesetzten <strong>und</strong> an<strong>der</strong>en Personalverantwortlichen,Führungskräfte, <strong>betrieblichen</strong> Interessenvertretungen,


AnlagenBetriebsvere<strong>in</strong>barung <strong>und</strong> Stufenpläne119c) die Beratung <strong>der</strong> Beschäftigten, die ihren Konsum <strong>und</strong>/o<strong>der</strong> Suchtverhalten verän<strong>der</strong>nwollen, zu Angeboten <strong>der</strong> Konsumreduzierung,d) die Erörterung <strong>der</strong> im Interventionsablauf anstehenden Schritte <strong>und</strong> die begleitendenHilfeangebote des Betriebes mit den auffällig gewordenen Personen,e) die Zusammenarbeit <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em gut funktionierenden Unterstützungssystem mit<strong>in</strong>ternen Fachkräften aus dem Ges<strong>und</strong>heitsmanagement (Betriebsarzt, Arbeitsschutz,Ges<strong>und</strong>heitsför<strong>der</strong>ung) <strong>und</strong> aus dem Personalmanagement,externen Beratungsstellen <strong>und</strong> therapeutischen E<strong>in</strong>richtungen <strong>in</strong> <strong>der</strong> Region,f) die Begleitung von suchtgefährdeten Beschäftigten <strong>in</strong> <strong>der</strong> Interventionsphase, während<strong>und</strong> nach ambulanter <strong>und</strong>/o<strong>der</strong> stationärer Therapie sowie <strong>in</strong> <strong>der</strong> Zeit <strong>der</strong> Wie<strong>der</strong>e<strong>in</strong>glie<strong>der</strong>ung<strong>und</strong> Stabilisierung,g) die Beteiligung an fachlichen Netzwerken zur <strong>betrieblichen</strong> Suchtprävention <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heitsför<strong>der</strong>ung.(4) Die <strong>in</strong>dividuelle Beratung erfolgt fachlich weisungsfrei. Die betriebliche Unterstützung wirdnach dem Pr<strong>in</strong>zip <strong>der</strong> Hilfe zur Selbsthilfe angeboten. Therapeutische Maßnahmen <strong>und</strong>die Anfertigung von Sozialberichten für die E<strong>in</strong>leitung e<strong>in</strong>er Therapie gehören nicht zuden Aufgaben <strong>der</strong> <strong>in</strong>ternen Suchtberatung.(5) Für alle im Rahmen des Suchtpräventionsprogramms tätig werdenden Ansprechpersonengelten die folgenden Standards:a) Sie haben die Regeln <strong>der</strong> ärztlichen Schweigepflicht zu beachten, auch gegenüberdem Steuerkreis.b) Sie gewährleisten die Anfor<strong>der</strong>ungen des Datenschutzes für sensible Daten. Es wirdsichergestellt, dass bei Telefonaten, die im Beratungszusammenhang geführt werden,die Zielrufnummern nicht erfasst werden.c) Für Beratungen steht e<strong>in</strong> geeigneter Raum zur Verfügung.(6) Die <strong>in</strong>ternen Ansprechpersonen halten ihr Wissen zum Suchtgeschehen <strong>und</strong> zu den Methoden<strong>der</strong> Beratung auf dem aktuellen Stand. Sie nutzen die Möglichkeit zur fachbezogenenQualifizierung, Fortbildung <strong>und</strong> Supervision <strong>und</strong> beteiligen sich an <strong>der</strong> Weiterentwicklungdes Suchtpräventionsprogramms.(7) Die <strong>in</strong>ternen Ansprechpartner übernehmen ke<strong>in</strong>e Aufgaben, die <strong>in</strong> den Verantwortungsbereich<strong>der</strong> <strong>in</strong> § 4 genannten Funktionsträger fallen. Mitarbeitergespräche, das E<strong>in</strong>schreitenbei Gefährdung <strong>der</strong> Arbeitssicherheit o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>e Formen <strong>der</strong> Wahrnehmungvon Führungsverantwortung bleiben <strong>in</strong> <strong>der</strong> alle<strong>in</strong>igen Verantwortung <strong>der</strong> jeweiligen Vorgesetzten.§ 15 Hauptamtliche Suchtberatung(1) Die Sozialberatung organisiert neben ihren Aufgaben nach § 14 <strong>in</strong> Abstimmung mit demSteuerkreis die Maßnahmen im Rahmen des Suchtpräventionsprogramms. Sie unterbreitetVorschläge zur Beseitigung von im Betrieb liegenden Ursachen e<strong>in</strong>es erhöhtenSuchtmittelkonsums <strong>und</strong> liefert Beiträge zur die Ges<strong>und</strong>heitsför<strong>der</strong>ung sowie zur Personal-<strong>und</strong> Organisationsentwicklung.(2) Sie übernimmt die Geschäftsführung bzw. Koord<strong>in</strong>ation des Steuerkreises. In Abstimmungmit dem Steuerkreis wird e<strong>in</strong> Budget für die Arbeit zur Umsetzung dieser BV festgelegt.


120AnlagenBetriebsvere<strong>in</strong>barung <strong>und</strong> Stufenpläne(3) Sie vertritt die Suchtprävention <strong>und</strong> Suchthilfe im <strong>betrieblichen</strong> Ges<strong>und</strong>heitsmanagement.Sie ist zuständig für das <strong>in</strong>terne Market<strong>in</strong>g des Suchtpräventionsprogramms <strong>und</strong> die <strong>in</strong>nerbetrieblicheÖffentlichkeitsarbeit.(4).Die Sozialberatung koord<strong>in</strong>iert die Arbeit <strong>der</strong> nebenamtlichen Ansprechpersonen <strong>und</strong>steht ihnen beratend zur Seite. Bei entsprechen<strong>der</strong> Ausbildung übernimmt sie auch <strong>der</strong>enSupervision.(5) Sie legt dem Steuerkreis e<strong>in</strong>mal jährlich e<strong>in</strong>en anonymisierten Bericht über ihre Tätigkeiten,den Stand <strong>der</strong> Zielerreichung <strong>in</strong> <strong>der</strong> Suchtprävention <strong>und</strong> Suchthilfe im Betrieb <strong>und</strong>den Zielen für die weitere Arbeit vor.(6) Die Tätigkeit als zentrale Ansprechperson erfor<strong>der</strong>t e<strong>in</strong>schlägige fachliche Qualifikationen(Beratungskompetenzen, vertiefte Kenntnisse zu den Qualitätsstandards <strong>der</strong> <strong>betrieblichen</strong>Suchtprävention, soziale <strong>und</strong> strategische Kompetenzen sowie die Übersicht überdie Strukturen des Betriebes.§ 16 Nebenamtlich tätige Ansprechpersonen für Suchtfragen (AfS)(1) Die AfS nehmen <strong>in</strong> Absprache mit dem Steuerkreis <strong>und</strong> <strong>der</strong> Sozialberatung die Aufgabennach § 14 <strong>der</strong> vorliegenden BV wahr o<strong>der</strong> beteiligen sich daran.(2) Ihre Tätigkeit <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>betrieblichen</strong> Suchtprävention <strong>und</strong> Suchthilfe ist Arbeitszeit. Ist <strong>in</strong>Ausnahmefällen e<strong>in</strong> Tätigwerden außerhalb <strong>der</strong> Arbeitszeit erfor<strong>der</strong>lich, wird e<strong>in</strong> entsprechen<strong>der</strong>Zeitausgleich gewährt. Dies gilt auch für die Teilnahme an Schulungs- <strong>und</strong>Informationsveranstaltungen sowie für die eigene Fortbildung <strong>und</strong> Supervision.(3) Die AfS werden für die Wahrnehmung ihrer Aufgaben <strong>in</strong> Abstimmung mit ihren Vorgesetztenvon ihrer Arbeit freigestellt. Der Umfang richtet sich nach dem vom Steuerkreisfestgesetzten Bedarf. Ihre Arbeitszeiten <strong>und</strong> Arbeitsbed<strong>in</strong>gungen s<strong>in</strong>d auf die beson<strong>der</strong>enAnfor<strong>der</strong>ungen aus <strong>der</strong> nebenamtlichen Tätigkeit abzustimmen. Den kollegialen Ansprechpartnerndürfen aus ihrer Tätigkeit ke<strong>in</strong>e beruflichen Nachteile (z.B. Verdienstm<strong>in</strong><strong>der</strong>ung,Nichtberücksichtigung beim Aufstieg) entstehen.(3) Mit den Aufgaben <strong>der</strong> AfS sollen e<strong>in</strong>schlägig ausgebildete, mit dem aktuellen Stand betrieblicherSuchtpräventionsprogramme vertraute Kräfte beauftragt werden. Sofern sienoch nicht speziell für den <strong>betrieblichen</strong> E<strong>in</strong>satz ausgebildet s<strong>in</strong>d, ermöglicht die GmbHihnen e<strong>in</strong>e gr<strong>und</strong>legende Qualifizierung zur <strong>betrieblichen</strong> Ansprechperson für Suchtfragen.(4) Persönliche Erfahrungen mit e<strong>in</strong>er Abhängigkeitserkrankung s<strong>in</strong>d ke<strong>in</strong>e Voraussetzungfür die Tätigkeit als AfS, können aber nützlich se<strong>in</strong>. Zwischen erfolgreich abgeschlossenerTherapie <strong>und</strong> dem E<strong>in</strong>satz als AfS sollten jedoch m<strong>in</strong>destens 2 Jahre liegen.(5) Die AfS können je<strong>der</strong>zeit die die betriebliche Funktion durch schriftliche Mitteilung an denSteuerkreis nie<strong>der</strong>legen.Liegen Gründe vor, die aus Sicht des Arbeitgebers, des Betriebsrats o<strong>der</strong> des Kreises<strong>der</strong> <strong>in</strong>ternen Ansprechpartner die Entb<strong>in</strong>dung von <strong>der</strong> Tätigkeit als AfS erfor<strong>der</strong>n, so wirddiese Entscheidung vom Steuerkreis e<strong>in</strong>vernehmlich getroffen. Bei Nichte<strong>in</strong>igung entscheidet<strong>der</strong> Steuerkreis unter E<strong>in</strong>bezug e<strong>in</strong>es externen Experten.(6) AfS legen geme<strong>in</strong>sam mit <strong>der</strong> Sozialberatung dem Steuerkreis e<strong>in</strong>mal jährlich e<strong>in</strong>en anonymisiertenBericht ihrer Tätigkeit vor.


AnlagenBetriebsvere<strong>in</strong>barung <strong>und</strong> Stufenpläne121§ 17 Schweigepflicht, Personen- <strong>und</strong> Datenschutz(1) Die <strong>in</strong>ternen Ansprechpersonen sowie die an den Interventionsverfahren beteiligtenFunktionsträger unterliegen <strong>der</strong> Schweigepflicht. Sie unterzeichnen vor Beg<strong>in</strong>n <strong>der</strong> Tätigkeite<strong>in</strong>e entsprechende Erklärung. Personenbezogene Auskünfte <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e überInanspruchnahme o<strong>der</strong> Inhalt <strong>der</strong> Beratung ist nur im E<strong>in</strong>zelfall <strong>und</strong> nur mit darauf beschränktemschriftlich festgelegtem E<strong>in</strong>verständnis <strong>der</strong> beratenen Person erlaubt.(2) Für schriftliche Aufzeichnungen, die <strong>in</strong> Interventions- <strong>und</strong> Beratungsprozessen im Rahmendieser BV entstehen <strong>und</strong> die personenbezogene Daten enthalten, s<strong>in</strong>d die beson<strong>der</strong>enAnfor<strong>der</strong>ungen des Datenschutzes für sensible Daten zu beachten, d.h. sie s<strong>in</strong>d<strong>in</strong>nerhalb <strong>der</strong> Personalakte <strong>in</strong> geschlossenen Umschlägen zu verwahren o<strong>der</strong> <strong>in</strong> e<strong>in</strong>erNebenakte zu führen.Die Verarbeitung <strong>der</strong> Angaben zur Ges<strong>und</strong>heit des Mitarbeiters <strong>und</strong> die Übermittlung vonDaten an Dritte erfor<strong>der</strong>t <strong>in</strong> jedem E<strong>in</strong>zelfall die schriftliche E<strong>in</strong>willigung des betroffenenMitarbeiters.(3) Aufzeichnungen von Interventionen bei riskantem Suchtmittelkonsum, die <strong>in</strong> die Personalakteaufgenommen werden, s<strong>in</strong>d nach drei Jahren zu tilgen, sofern <strong>in</strong> diesem Zeitraumke<strong>in</strong>e erneuten Auffälligkeiten aufgetreten s<strong>in</strong>d.§ 15 Geltungsdauer <strong>und</strong> salvatorische Klausel(1) Die Betriebsvere<strong>in</strong>barung tritt mit Wirkung vom XX <strong>in</strong> Kraft. Die Kündigungsfrist beträgtdrei Monate zum Schluss e<strong>in</strong>es Kalen<strong>der</strong>jahres. Sie wirkt bis zum Abschluss e<strong>in</strong>er neuenBetriebsvere<strong>in</strong>barung nach.(2) Sollte e<strong>in</strong>e Bestimmung dieser Betriebsvere<strong>in</strong>barung ganz o<strong>der</strong> teilweise unwirksam se<strong>in</strong>o<strong>der</strong> ganz o<strong>der</strong> teilweise <strong>und</strong>urchführbar se<strong>in</strong>, so soll hierdurch die Gültigkeit <strong>der</strong> übrigenBestimmungen dieser Betriebsvere<strong>in</strong>barung <strong>und</strong> des Interventionsleitfadens im Anhangnicht berührt werden. Die Vertragsparteien verpflichten sich, e<strong>in</strong>e unwirksame Vorschriftdurch e<strong>in</strong>e ihr <strong>in</strong>haltlich möglichst entsprechende wirksame Vorschrift zu ersetzen.Anhangzur Betriebsvere<strong>in</strong>barung zur Vorbeugung von riskantem Konsum <strong>und</strong> zum Umgangmit Suchtproblemen am Arbeitsplatz vom XXDer folgende Interventionsleitfaden dient den Personalverantwortlichen als Handlungsleitfaden<strong>und</strong> den Beschäftigten als Orientierung. Wenn e<strong>in</strong>e Intervention beisucht(mittel)bed<strong>in</strong>gten Auffälligkeiten erfolgt, wird <strong>der</strong> Leitfaden für den Stufenplan im erstenStufengespräch von <strong>der</strong>/dem Vorgesetzten an die Mitarbeiter<strong>in</strong> o<strong>der</strong> den Mitarbeiter ausgehändigt.InterventionsleitfadenFrühzeitige Interventionen bei Auffälligkeiten haben sich nachweislich bewährt, um bei Beschäftigtendie Bereitschaft zu verstärken, riskantes Verhalten zu verän<strong>der</strong>n <strong>und</strong> sich gegenüberprofessioneller Beratung <strong>und</strong> fachgerechter Hilfe zu öffnen. Sie selbst können auf diesemWeg e<strong>in</strong>e weitere Gefährdung ihrer Ges<strong>und</strong>heit vermeiden <strong>und</strong> Problemen am Arbeitsplatzvorbeugen. Die gestufte Intervention bei riskantem Suchtmittelgebrauch <strong>und</strong> suchtbe-


122AnlagenBetriebsvere<strong>in</strong>barung <strong>und</strong> Stufenpläned<strong>in</strong>gten Verhaltensweisen ist <strong>der</strong> beste Weg, um ges<strong>und</strong>heitlichen Gefährdungen am Arbeitsplatzsystematisch <strong>und</strong> nachhaltig vorzubeugen.Ziel dieses Interventionsleitfadens ist es,• durch frühzeitige Intervention dem riskanten Konsum von Suchtmitteln <strong>und</strong> <strong>der</strong> Entwicklungvon Suchtverhalten vorzubeugen,• Vorgesetzte zu befähigen, bei Auffälligkeiten am Arbeitsplatz <strong>und</strong> speziell bei Suchtproblemenvon Beschäftigten sachgerecht zu reagieren,• den suchtgefährdeten Mitarbeitern Hilfe anzubieten <strong>und</strong> ihnen Unterstützung zum eigenverantwortlichenHandeln zu geben,• die betroffenen Personen zu motivieren, sich <strong>in</strong> Beratung <strong>und</strong> Behandlung zu begeben,um ihren Arbeitsplatz möglichst zu erhalten,• e<strong>in</strong> für alle Beschäftigten nachvollziehbares <strong>und</strong> die Gleichbehandlung wahrendes Verfahrene<strong>in</strong>zurichten.Der Interventionsleitfaden umfasst vier Arten von Gesprächen, Fürsorge <strong>und</strong> Klärungsgespräche(vgl. § 9) für frühe Interventionen bei ges<strong>und</strong>heitlichen <strong>und</strong> sozialen Auffälligkeitensowie Stufengespräche <strong>und</strong> Rückmeldegespräche (§10) bei Auffälligkeiten <strong>in</strong> Verb<strong>in</strong>dungmit Suchtmittelgebrauch <strong>und</strong> suchtbed<strong>in</strong>gten Verhaltensweisen.Fürsorgegespräche gehören zur ges<strong>und</strong>heitsorientierten Führung <strong>und</strong> sollen <strong>der</strong> Verfestigunge<strong>in</strong>er Situation vorbeugen. Bei persönlichen, ges<strong>und</strong>heitlichen o<strong>der</strong> sozialen Problemen,die am Arbeitsplatz sichtbar werden <strong>und</strong> bei Fortsetzung des Verhaltens die Vernachlässigungarbeitsvertraglicher o<strong>der</strong> dienstrechtlicher Pflichten erwarten lassen, führt <strong>der</strong> unmittelbareVorgesetzte mit <strong>der</strong> betroffenen Person e<strong>in</strong> vertrauliches Gespräch. Ziel des Gesprächsist es, <strong>der</strong> betroffenen Person frühzeitig zu signalisieren, dass sie Unterstützung vonSeiten des Arbeitgebers bzw. von <strong>der</strong> Führungskraft erwarten kann, wenn sie dies wünscht.Das Klärungsgespräch setzt an, wenn schon e<strong>in</strong>e Vernachlässigung arbeitsvertraglichero<strong>der</strong> dienstlicher Pflichten sichtbar wird. Ziel des Klärungsgesprächs ist es, e<strong>in</strong>e Rückmeldungzu den Auffälligkeiten zu geben, die Erwartungen an das zukünftige Verhalten zu benennen<strong>und</strong> konkrete Schritte zu vere<strong>in</strong>baren sowie Beratungs- <strong>und</strong> Unterstützungsangeboteaufzuzeigen. Das Klärungsgespräch ist aber nicht Bestandteil des Stufenplans.Stufengespräche werden <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er systematischen Folge (Stufenplan) als Interventionsgesprächegeführt, bei denen die Auffälligkeiten am Arbeitsplatz ausdrücklich mit Suchtmittelgebrauch<strong>und</strong> suchtbed<strong>in</strong>gten Verhaltensweisen <strong>in</strong> Verb<strong>in</strong>dung gebracht werden. Jedes Gesprächenthält e<strong>in</strong> verb<strong>in</strong>dliches Hilfeangebot. Die Gespräche werden immer offizieller, mitmehr Beteiligten <strong>und</strong> verstärkten Konsequenzen.Das Rückmeldegespräch f<strong>in</strong>det statt, sofern nach e<strong>in</strong>em Stufengespräch e<strong>in</strong>e positive Verän<strong>der</strong>unge<strong>in</strong>getreten ist <strong>und</strong> ke<strong>in</strong>e weiteren Auffälligkeiten sichtbar geworden s<strong>in</strong>d. Je nachLage des E<strong>in</strong>zelfalls wird es ca. 6-12 bzw. 4-8 Wochen nach dem Interventionsgesprächangesetzt <strong>und</strong> ggf. <strong>in</strong> regelmäßigen Abständen über e<strong>in</strong>en gewissen Zeitraum wie<strong>der</strong>holt.Ziel des Rückmeldegesprächs ist es, Beschäftigten e<strong>in</strong>e Rückmeldung über beobachtbarepositive Verän<strong>der</strong>ungen sowie über die E<strong>in</strong>haltung von Absprachen zu geben <strong>und</strong> ggf. weitereEntwicklungsschritte abzustimmen.Bei erneuten Auffälligkeiten wird dagegen zeitnah das nächste Stufengespräch angesetzt.(Hier folgt <strong>der</strong> entsprechende Interventionsleitfaden aus <strong>der</strong> Anlage 2 o<strong>der</strong> 3 zu dieser Broschüre.)


AnlagenBetriebsvere<strong>in</strong>barung <strong>und</strong> StufenpläneAnlage 2123


Entwurf e<strong>in</strong>es Interventionsleitfadens bei Auffälligkeiten am Arbeitsplatz(Privatwirtschaft)Frühzeitige Intervention bei Auffälligkeiten im Arbeits- <strong>und</strong> Leistungsverhaltenim S<strong>in</strong>ne ges<strong>und</strong>heitsorientierter FührungFürsorgegesprächDas Fürsorgegespräch ist e<strong>in</strong> Mitarbeitergespräch bei Auffälligkeiten am Arbeitsplatz,die zu Störungen im Arbeitsablauf <strong>und</strong> -umfeld führen (können). Ziel ist es, dene<strong>in</strong>zelnen Beschäftigten frühzeitig zu signalisieren, dass sie Unterstützung vonseiten desArbeitgebers bzw. des/<strong>der</strong> Vorgesetzten erwarten können, wenn sie dies wünschen. DasGespräch beugt <strong>der</strong> Verfestigung e<strong>in</strong>er Problemsituation <strong>und</strong> e<strong>in</strong>er unpassendenBewältigung durch Suchtmittelgebrauch vor.Es ist nicht Bestandteil des Stufenplans <strong>und</strong>hat ke<strong>in</strong>en diszipl<strong>in</strong>ierenden Charakter, son<strong>der</strong>n dient ausschließlich <strong>der</strong> Rückspiegelung<strong>der</strong> wahrgenommenen Verän<strong>der</strong>ungen <strong>und</strong> <strong>der</strong> Übermittung e<strong>in</strong>es sachgerechtenHilfeangebots.Beteiligte: Beschäftigte/r, unmittelbare/r Vorgesetzte/rHat e<strong>in</strong>e Beschäftigte/e<strong>in</strong> Beschäftigter persönliche, ges<strong>und</strong>heitliche o<strong>der</strong> sozialeProbleme, die am Arbeitsplatz sichtbar werden <strong>und</strong> bei Fortsetzung des Verhaltensdie Vernachlässigung arbeitsvertraglicher Pflichten erwarten lassen, führt <strong>der</strong>/dieunmittelbare Vorgesetzte mit <strong>der</strong> betroffenen Person e<strong>in</strong> vertrauliches Gespräch. ImGespräch wird alle<strong>in</strong> die Fürsorge zum Ausdruck gebracht <strong>und</strong> soziale Unterstützungangeboten.Inhalt des Gesprächs:• Persönlichen E<strong>in</strong>druck ansprechen, dass <strong>der</strong>/die Beschäftigte Probleme hat, dieauch am Arbeitsplatz sichtbar werden;• Wahrgenommene Verän<strong>der</strong>ungen/Auffälligkeiten konkret benennen;• Frage danach, ob <strong>der</strong>/die Beschäftigte Unterstützung wünscht <strong>und</strong> wenn ja, <strong>in</strong> welcherForm;• H<strong>in</strong>weis aufa) <strong>in</strong>nerbetriebliche Hilfeangebot: z.B soziale Ansprechpersonen, Mitarbeiterberatung,betriebsärztlicher Dienst, betriebliches E<strong>in</strong>glie<strong>der</strong>ungsmanagement u.a.b) externe Hilfemöglichkeiten: Fachberatung, Coach<strong>in</strong>g, Therapieangebote, Arzt u.a.<strong>und</strong> /o<strong>der</strong>KlärungsgesprächDas Klärungsgespräch setzt die (wie<strong>der</strong>holte) Vernachlässigung arbeitsvertraglicherPflichten o<strong>der</strong> Störungen im Arbeitsablauf <strong>und</strong> -umfeld voraus. Diese werden <strong>in</strong>Zusammenhang mit ges<strong>und</strong>heitlichen o<strong>der</strong> sozialen Problemen des/<strong>der</strong> Beschäftigtengebracht, bei denen Suchtmittelgebrauch o<strong>der</strong> suchtbed<strong>in</strong>gtes Verhalten nichtausgeschlossen ist, dieses aber von <strong>der</strong> Führungskraft nicht e<strong>in</strong>deutig zugeordnet werdenkann. Ziel des Klärungsgesprächs ist es, e<strong>in</strong>e Rückmeldung zu den Auffälligkeiten zugeben, die Erwartungen an das zukünftige Verhalten zu benennen <strong>und</strong> konkrete Schrittezu vere<strong>in</strong>baren sowie Beratungs- <strong>und</strong> Unterstützungsangebote aufzuzeigen. DasKlärungsgespräch ist nicht Bestandteil des Stufenplans, kann diesem aber vorausgehen.Beteiligte: Beschäftigte/r, unmittelbare/r Vorgesetzte/rBei Vernachlässigung arbeitsvertraglicher Pflichten <strong>in</strong> Verb<strong>in</strong>dung mit persönlichen,ges<strong>und</strong>heitlichen o<strong>der</strong> sozialen Problemen e<strong>in</strong>es/e<strong>in</strong>er Beschäftigten hat die/<strong>der</strong>unmittelbare Vorgesetzte mit diesem/dieser e<strong>in</strong> Gespräch zu führen.Inhalt des Gesprächs:• Benennen konkreter Fakten, Zeit, Ort, Vorfall;• Besorgnis ausdrücken, dass <strong>der</strong>/die Beschäftigte Probleme hat, die sich auf dasArbeitsverhalten auswirken <strong>und</strong>/o<strong>der</strong> Störungen am Arbeitsplatz verursachen;• Wahrgenommene Verän<strong>der</strong>ungen/Auffälligkeiten konkret benennen;• Aufzeigen <strong>der</strong> Erwartungen des/<strong>der</strong> Vorgesetzten an das weitere Arbeitsverhalten;zukünftiges Verhalten präzise beschreiben;• H<strong>in</strong>weis aufa) <strong>in</strong>nerbetriebliche Hilfeangebot: z.B soziale Ansprechpersonen, Mitarbeiterberatung,betriebsärztlicher Dienst, betriebliches E<strong>in</strong>glie<strong>der</strong>ungsmanagement u.a.b) externe Hilfemöglichkeiten: Fachberatung, Coach<strong>in</strong>g, Therapieangebote, Arzt u.a.;• Konkrete Vere<strong>in</strong>barung weiterer Schritte;• Festlegen e<strong>in</strong>es weiteren Gesprächs, um über die weitere Entwicklung des VerhaltensRückmeldung zu geben (Rückmeldegespräch) <strong>in</strong> ca. 6-8 Wochen.Der/die Vorgesetzte fertigt e<strong>in</strong>e Gesprächsnotiz zu dem Gespräch an, die dem/<strong>der</strong>Beschäftigten ausgehändigt wird.Interventionskette (Stufenplan)bei suchtmittel- o<strong>der</strong> suchtbed<strong>in</strong>gten AuffälligkeitenStufenplangespräche setzen dort an, wo gegen arbeitsvertragliche o<strong>der</strong> dienstrechtliche Pflichten verstoßen wird o<strong>der</strong> diese <strong>in</strong> Verb<strong>in</strong>dung mit dem Gebrauch von Suchtmitteln o<strong>der</strong> suchtbed<strong>in</strong>gtemVerhalten vernachlässigt werden. Ziel <strong>der</strong> <strong>betrieblichen</strong> Intervention ist e<strong>in</strong>e Korrektur des Arbeits- <strong>und</strong> Leistungsverhaltens. Die angesprochenen Beschäftigten erhalten e<strong>in</strong> Hilfeangebot, um sich frühzeitig<strong>in</strong>tern o<strong>der</strong> extern über Gefährdungen <strong>in</strong>formieren <strong>und</strong> beraten zu lassen. Ihnen wir empfohlen therapeutische Hilfe <strong>in</strong> Anspruch zu nehmen, wenn die Verän<strong>der</strong>ung ihres Verhaltens aus eigener Kraft nichtgel<strong>in</strong>gt, z.B. bei Suchtgefährdung o<strong>der</strong> e<strong>in</strong>er Abhängigkeitserkrankung. Hierfür wird ihnen betriebliche Unterstützung zugesagt. Die Nichtannahme <strong>der</strong> Beratungs- <strong>und</strong> Hilfeangebote ist bei Arbeitnehmern/<strong>in</strong>nendiszipl<strong>in</strong>arisch nicht zu beanstanden, es sei denn, sie seien als Zusatz zum bestehenden Arbeitsvertrag vere<strong>in</strong>bart worden. Sanktioniert werden können im weiteren Verlauf bei ihnen nur die erneuten o<strong>der</strong>fortgesetzten Verstöße gegen arbeitsvertragliche Pflichten.1. Gespräch: E<strong>in</strong>stieg <strong>in</strong> den StufenplanBeteiligte: Beschäftigte/r, unmittelbare/r Vorgesetzte/rBei Vernachlässigung arbeitsvertraglicher Pflichten, die im Zusammenhang mit dem Gebrauch von Suchtmitteln o<strong>der</strong> mit suchtbed<strong>in</strong>gtemVerhalten stehen, hat die/<strong>der</strong> unmittelbare Vorgesetzte - ggf. nach vorheriger fachlicher Beratung - mit <strong>der</strong> betroffenen Person e<strong>in</strong> Gesprächzu führen. Das Gespräch umfasst folgende Inhalte:• Benennen konkreter Fakten, Zeit, Ort, Vorfall;• Besorgnis ausdrücken, dass <strong>der</strong>/die Beschäftigte Probleme hat, die sich auf das Arbeits- <strong>und</strong> Leistungsverhalten auswirken <strong>und</strong>/o<strong>der</strong>Störungen am Arbeitsplatz verursachen;• Ansprechen des riskanten Suchtmittelkonsums o<strong>der</strong> des suchtbed<strong>in</strong>gten Verhaltens <strong>und</strong> dass e<strong>in</strong> Zusammenhang zu den Problemen amArbeitsplatz gesehen wird <strong>und</strong> dass deshalb dieses Gespräch im Rahmen des Stufenplans stattf<strong>in</strong>det;• H<strong>in</strong>weis auf den Stufenplan <strong>und</strong> das Vorgehen bei weiteren Auffälligkeiten (aushändigen e<strong>in</strong>es Exemplars des Stufenplans an die/denBeschäftigte/n);• Aufzeigen <strong>der</strong> Erwartungen des/<strong>der</strong> Vorgesetzten an das zukünftige Arbeitsverhalten;• Empfehlung, sich über die Möglichkeiten weiteren Risiken vorzubeugen o<strong>der</strong> e<strong>in</strong>er ges<strong>und</strong>heitlichen Gefährdung entgegen zu wirken<strong>in</strong>nerbetrieblich von <strong>der</strong> Ansprechperson für Suchtfragen <strong>und</strong>/o<strong>der</strong> von e<strong>in</strong>er externen Fachberatung <strong>in</strong>formieren <strong>und</strong> beraten zu lassen(Adressen von e<strong>in</strong>schlägigen Fachberatungen);• Konkrete Vere<strong>in</strong>barung <strong>der</strong> weiteren Schritte;• Vere<strong>in</strong>barung e<strong>in</strong>es Rückmeldegesprächs <strong>in</strong> ca. 6-8 Wochen <strong>und</strong> H<strong>in</strong>weis auf die Beobachtung <strong>der</strong> weiteren Entwicklung des Verhaltens<strong>in</strong> nächster Zeit.Das Gespräch bleibt vertraulich <strong>und</strong> hat ke<strong>in</strong>e personellen Konsequenzen. Der/die Vorgesetzte notiert sich Datum <strong>und</strong> Ergebnis des Gesprächs.2. Gespräch:Beteiligte:• Beschäftigte/r• Unmittelbare/r Vorgesetzte/r, nächst höhere/r Vorgesetzte/r bzw. Personalabteilung• Personalvertretung, bei Schwerbeh<strong>in</strong><strong>der</strong>ten zusätzlich die Schwerbeh<strong>in</strong><strong>der</strong>tenvertretung(sollten zum Gespräch geladen werden, jedoch ist vor Gesprächsbeg<strong>in</strong>n die Zustimmung <strong>der</strong> betroffenen Person e<strong>in</strong>zuholen),• Auf Wunsch <strong>der</strong>/des Beschäftigten auch die Ansprechperson für Suchtfragen/Mitarbeiterberatung.Kommt es erneut zu Vernachlässigung <strong>der</strong> arbeitsvertraglichen Pflichten <strong>und</strong>/o<strong>der</strong> zu Störungen am Arbeitsplatz, verb<strong>und</strong>en mit Auffälligkeiten,die <strong>in</strong> Zusammenhang gesehen werden mit Suchtmittelkonsum o<strong>der</strong> suchtbed<strong>in</strong>gtem Verhalten, so ist von den zuständigen Vorgesetzten -nach vorheriger fachlicher Beratung - e<strong>in</strong> Personalgespräch mit folgendem Inhalt zu führen:• Benennen <strong>der</strong> neuen Fakten <strong>und</strong> Bezugnahme auf den Inhalt des vorangegangenen Gesprächs;• Zusammenhang zu Suchtmittelgebrauch o<strong>der</strong> suchtbed<strong>in</strong>gtem Verhalten erneut aufzeigen;• H<strong>in</strong>weis auf <strong>in</strong>nerbetriebliche Hilfeangebote (Name/Telefon Ansprechperson für Suchtfragen/Mitarbeiterberatung - sofern vorhanden) <strong>und</strong>externe Beratungsmöglichkeiten aufzeigen (Adressen von Suchtberatungsstellen, suchtmediz<strong>in</strong>isch ausgebildeten Ärzten);• Auffor<strong>der</strong>ung, sich von e<strong>in</strong>er <strong>in</strong>ternen Ansprechperson über mögliche Gefährdungen <strong>in</strong>formieren zu lassen <strong>und</strong> e<strong>in</strong>e Beratung aufzusuchen; ((1)• Ankündigung von Konsequenzen bei weiteren Auffälligkeiten; H<strong>in</strong>weis auf Stufenplan;• Vere<strong>in</strong>barung e<strong>in</strong>es Rückmeldegesprächs <strong>in</strong> 6-8 Wochen <strong>und</strong> Beobachtung <strong>der</strong> weiteren Entwicklung des Verhaltens.Das Gespräch wird schriftlich festgehalten <strong>und</strong> die Gesprächsnotiz <strong>der</strong> Personalabteilung zugeleitet.Bei positiverVerhaltensän<strong>der</strong>ung:Ke<strong>in</strong>e weiteren arbeitsrechtlichenFolgenDurchführung des Rückmeldegesprächsnach6-8 WochenBei erneutero<strong>der</strong> fortgesetzterAuffälligkeitBei positiverVerhaltensän<strong>der</strong>ung:Ke<strong>in</strong>e weiteren arbeitsrechtlichenFolgenDurchführung des Rückmeldegesprächsnach6-8 WochenStufe I Stufe II


3. Gespräch:Beteiligte: wie im zweiten Gespräch, obligatorisch die PersonalabteilungKommt es erneut zu Verletzungen <strong>der</strong> arbeitsvertraglichen Pflichten <strong>und</strong>/o<strong>der</strong> Störungen am Arbeitsplatz durch Suchtmittelkonsum o<strong>der</strong>suchtbed<strong>in</strong>gtes Verhalten, f<strong>in</strong>det - nach Abstimmung mit <strong>der</strong> Ansprechperson für Suchtfragen/Mitarbeiterberatung - e<strong>in</strong> Gespräch mit folgendenInhalten statt:• Benennen neuer Fakten <strong>und</strong> Bezugnahme auf den Inhalt <strong>der</strong> vorangegangenen Gespräche;• Zusammenhang zum Suchtmittelgebrauch o<strong>der</strong> suchtbed<strong>in</strong>gtem Verhalten herstellen;• H<strong>in</strong>weis auf <strong>in</strong>terne Hilfeangebote durch Ansprechperson für Suchtfragen/Mitarbeiterberatung, (sofern noch nicht erfolgt) Kontaktaufnahmevere<strong>in</strong>baren, um sich über Gefährdungen <strong>in</strong>formieren zu lassen;(1)( 2)• Dr<strong>in</strong>gende Empfehlung, e<strong>in</strong>e Beratungsstelle aufzusuchen (Adressen von Psychosozialen Beratungsstellen, Suchtberatungen);• Vere<strong>in</strong>barung e<strong>in</strong>es Rückmeldegesprächs <strong>in</strong> 6-8 Wochen. Beobachtung <strong>der</strong> weiteren Entwicklung des Verhaltens durch den/die Vorgesetzte.Sofern arbeitsrechtlich die Voraussetzungen dafür vorliegen, wird bei Tarifbeschäftigten e<strong>in</strong>e Abmahnung aus verhaltensbed<strong>in</strong>gten Gründenausgesprochen. Die schriftliche Abmahnung wird aufgr<strong>und</strong> des Fehlverhaltens bzw. <strong>der</strong> Schlechtleistung erteilt.Personelle Konsequenzen können darüber h<strong>in</strong>aus se<strong>in</strong>: Individuelles Alkoholverbot zur Vermeidung von Gefährdungen u.a..Liegt aus Sicht <strong>der</strong>/des Beschäftigten we<strong>der</strong> e<strong>in</strong>e Suchtgefährdungo<strong>der</strong> -krankheit nicht vor, so wird deutlich gemacht, dass weitere Verletzungenarbeitsvertraglicher Pflichten o<strong>der</strong> Störungen am Arbeitsplatz zur Kündigung bzw. diszipl<strong>in</strong>arischen Konsequenzen führen können. Die weiterenSchritte des Stufenplans werden aufgezeigt.Wenn die/<strong>der</strong> Beschäftigte darlegt, dass das Fehlverhalten bzw. die Schlechtleistung auf e<strong>in</strong>er Suchtproblematik beruhen könnte, wird sie/eraufgefor<strong>der</strong>t, sich <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e Suchtberatung bzw. -therapie zu begeben. Hierfür wird ihr Unterstützung zugesichert. Die Ansprechperson fürSuchtfragen bzw. e<strong>in</strong> Personalverantwortlicher bekommt den Auftrag, mit E<strong>in</strong>verständnis <strong>der</strong>/des Beschäftigten den Kontakt zur Beratungsstellebzw. zur Therapiee<strong>in</strong>richtung zu halten. Nach Möglichkeit wird e<strong>in</strong> Case Management e<strong>in</strong>gerichtet. Es erfolgt e<strong>in</strong> H<strong>in</strong>weis auf die weiterenSchritte des Stufenplans im Falle weiterh<strong>in</strong> bestehen<strong>der</strong> o<strong>der</strong> neuer Auffälligkeiten.4. Gespräch:Beteiligte: wie im dritten GesprächBei positiverVerhaltensän<strong>der</strong>ung:Ke<strong>in</strong>e weiteren arbeitsrechtlichenFolgenDurchführung des Rückmeldegesprächsnach6-8 WochenBei erneutero<strong>der</strong> fortgesetzterAuffälligkeitStufe IIIKommt es erneut zu Verletzungen <strong>der</strong> arbeitsvertraglichen Pflichten <strong>und</strong>/o<strong>der</strong> Störungen am Arbeitsplatz durch Suchtmittelkonsum o<strong>der</strong>suchtbed<strong>in</strong>gtes Verhalten, f<strong>in</strong>det - nach Abstimmung mit <strong>der</strong> Ansprechperson für Suchtfragen/Mitarbeiterberatung - e<strong>in</strong> Gespräch mit folgendenInhalten statt:• Benennen neuer Fakten <strong>und</strong> Bezugnahme auf den Inhalt des dritten Stufengesprächs;• Nachdrücklich den Zusammenhang zum Suchtmittelgebrauch o<strong>der</strong> suchtbed<strong>in</strong>gtem Verhalten herstellen;• Sofern die/<strong>der</strong> Beschäftigte die angebotenen Hilfen nicht (mehr) <strong>in</strong> Anspruch nimmt, erfolgt schriftlich die dr<strong>in</strong>gende Empfehlung / Auffor<strong>der</strong>ung,e<strong>in</strong>e Beratungsstelle aufzusuchen <strong>und</strong> sich unmittelbar <strong>in</strong> Beratung o<strong>der</strong> Therapie zu begeben, da e<strong>in</strong>e Suchtgefährdung nicht mehrausgeschlossen werden kann; (1)• Angebot von <strong>in</strong>terner Hilfe; die Ansprechperson für Suchtfragen/e<strong>in</strong> Personalverantwortlicher/<strong>der</strong> Case Manager bekommt den Auftrag, mitE<strong>in</strong>verständnis <strong>der</strong>/des Beschäftigten den Kontakt zur Beratungsstelle bzw. zur Therapiee<strong>in</strong>richtung zu halten.• Vere<strong>in</strong>barung e<strong>in</strong>es Rückmeldegesprächs <strong>in</strong> ca. 6-8 Wochen. Beobachtung <strong>der</strong> weiteren Entwicklung des Verhaltens durch die Vorgesetzte/denVorgesetzten sowie H<strong>in</strong>weis auf weitere Rückmeldegespräche im vierteljährlichen Abstand für die Dauer e<strong>in</strong>es Jahres.Der/ die Beschäftigte wird noch e<strong>in</strong>mal darauf h<strong>in</strong>gewiesen,• dass <strong>der</strong> Arbeitgeber nicht länger bereit ist, das Fehlverhalten <strong>und</strong>/o<strong>der</strong> die M<strong>in</strong><strong>der</strong>leistung h<strong>in</strong>zunehmen;• dass im Falle e<strong>in</strong>er Suchterkrankung die Prognose des Krankheitsverlaufs ohne Therapie ungünstig ist <strong>und</strong> u.U. e<strong>in</strong>e krankheitsbed<strong>in</strong>gteKündigung erfolgen kann.Liegt nach Auskunft <strong>der</strong>/des Beschäftigten e<strong>in</strong>e Suchtproblem nicht vor, wird aufgr<strong>und</strong> des Fehlverhaltens bzw. <strong>der</strong> Schlechtleistung e<strong>in</strong>ezweite Abmahnung ausgesprochen, sofern die arbeitsrechtlichen Voraussetzungen dafür vorliegen.Personelle Konsequenzen können darüber h<strong>in</strong>aus beson<strong>der</strong>e Auflagen se<strong>in</strong>, z.B. <strong>in</strong>dividuelles Alkoholverbot, Absprachen für Kontaktaufnahmenmit dem Betriebsarzt, Meldung beim Vorgesetzten bei Arbeitsantritt u.a.. Für e<strong>in</strong>e Umsetzung <strong>und</strong> Än<strong>der</strong>ungskündigung mit Herabgruppierungkönnen die Voraussetzungen geprüft werden.5. Gespräch:Beteiligte: wie im vorangegangenen GesprächÄn<strong>der</strong>t die/<strong>der</strong> Beschäftigte ihr/se<strong>in</strong> auffälliges Verhalten nicht, werden weiterh<strong>in</strong> Verstöße gegen arbeitsvertragliche Pflichten sichtbar <strong>und</strong>ist ke<strong>in</strong>e Besserung zu erwarten, dann kommt es - nach Abstimmung mit <strong>der</strong> Ansprechperson für Suchtfragen / Mitarbeiterberatung - zumletzten Gespräch des Stufenplans. Werden die angebotenen Hilfen nicht <strong>in</strong> Anspruch genommen• leitet die Personalabteilung das Kündigungsverfahren e<strong>in</strong>.• Absprachen zur Wie<strong>der</strong>e<strong>in</strong>stellung nach erfolgreicher Therapie können im E<strong>in</strong>zelfall getroffen werden.RückmeldegesprächDas Rückmeldegespräch f<strong>in</strong>det statt, sofern nach e<strong>in</strong>em Stufengespräch e<strong>in</strong>e positive Verän<strong>der</strong>ung e<strong>in</strong>getreten ist <strong>und</strong> ke<strong>in</strong>e weiteren Auffälligkeitensichtbar geworden s<strong>in</strong>d. Je nach Lage des E<strong>in</strong>zelfalls wird es <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em s<strong>in</strong>nvollen Abstand nach dem Interventionsgespräch angesetzt <strong>und</strong>ggf. <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em bestimmten Zeitraum (regelmäßig) wie<strong>der</strong>holt. Ziel des Gesprächs ist es e<strong>in</strong>e Rückmeldung über die E<strong>in</strong>haltung <strong>der</strong> Absprachen sowieüber die als positiv wahrgeommenen Verän<strong>der</strong>ungen zu geben. Bei erneuter Auffälligkeitwird dagegen das nächste Stufengespräch e<strong>in</strong>geleitet.Bei positiverVerhaltensän<strong>der</strong>ungo<strong>der</strong> Aufnahme e<strong>in</strong>erTherapie:Ke<strong>in</strong>e weiteren arbeitsrechtlichenFolgenRückmeldegespräch nach6-8 Wochen <strong>und</strong> weitervierteljährlich bis zum Ablaufe<strong>in</strong>es JahresBei erneutero<strong>der</strong> fortgesetzterAuffälligkeitStufe IV Stufe V(1)Falls dies als Auffor<strong>der</strong>ung formuliert wird <strong>und</strong> e<strong>in</strong> Nachweis darüber erbracht werden soll, s<strong>in</strong>d die gesetzlichen Regeln des Persönlichkeits- <strong>und</strong> Datenschutzeszu beachten. Arbeitsrechtlich kann die jedoch ke<strong>in</strong>e Sanktionierung erfolgen, wenn Beschäftigte <strong>der</strong> Auffor<strong>der</strong>ung nicht nachkommen, falls dies aus ihrenarbeitsvertraglichen Verpflichtungen nicht unmittelbar abgeleitet werden kann.(2)Der Nachweis kann mündlich o<strong>der</strong> schriftlich, aber nur mit E<strong>in</strong>verständnis <strong>der</strong> betroffenen Person <strong>und</strong> erfor<strong>der</strong>licher Schweigepflichtsentb<strong>in</strong>dung erfolgen.© Wienemann, Elisabeth / Pegel-Rimpl, Ute / Fleck, Jürgen - Hannover 2010. www.wa.uni-hannover.de


126AnlagenAnlage 3Betriebsvere<strong>in</strong>barung <strong>und</strong> Stufenpläne


Entwurf e<strong>in</strong>es Interventionsleitfadens bei Auffälligkeiten am Arbeitsplatz(Öffentlicher Dienst)Frühzeitige Intervention bei Auffälligkeiten im Arbeits- <strong>und</strong> Leistungsverhaltenim S<strong>in</strong>ne ges<strong>und</strong>heitsorientierter FührungFürsorgegesprächDas Fürsorgegespräch ist e<strong>in</strong> Mitarbeitergespräch bei Auffälligkeiten am Arbeitsplatz,die zu Störungen im Arbeitsablauf <strong>und</strong> -umfeld führen (können). Ziel ist es, dene<strong>in</strong>zelnen Beschäftigten frühzeitig zu signalisieren, dass sie Unterstützung vonseiten desArbeitgebers bzw. des/<strong>der</strong> Vorgesetzten erwarten können, wenn sie dies wünschen. DasGespräch beugt <strong>der</strong> Verfestigung e<strong>in</strong>er Problemsituation <strong>und</strong> e<strong>in</strong>er unpassendenBewältigung durch Suchtmittelgebrauch vor.Es ist nicht Bestandteil des Stufenplans <strong>und</strong>hat ke<strong>in</strong>en diszipl<strong>in</strong>ierenden Charakter, son<strong>der</strong>n dient ausschließlich <strong>der</strong> Rückspiegelung<strong>der</strong> wahrgenommenen Verän<strong>der</strong>ungen <strong>und</strong> <strong>der</strong> Übermittung e<strong>in</strong>es sachgerechtenHilfeangebots.Beteiligte: Beschäftigte/r, unmittelbare/r Vorgesetzte/rHat e<strong>in</strong>e Beschäftigte/e<strong>in</strong> Beschäftigter persönliche, ges<strong>und</strong>heitliche o<strong>der</strong> sozialeProbleme, die am Arbeitsplatz sichtbar werden <strong>und</strong> bei Fortsetzung des Verhaltensdie Vernachlässigung arbeitsvertraglicher o<strong>der</strong> dienstrechtlicher Pflichten erwartenlassen, führt <strong>der</strong>/die unmittelbare Vorgesetzte mit <strong>der</strong> betroffenen Person e<strong>in</strong> vertraulichesGespräch. Im Gespräch wird alle<strong>in</strong> die Fürsorge zum Ausdruck gebracht <strong>und</strong> sozialeUnterstützung angeboten.Inhalt des Gesprächs:• Persönlichen E<strong>in</strong>druck ansprechen, dass <strong>der</strong>/die Beschäftigte Probleme hat, dieauch am Arbeitsplatz sichtbar werden;• Wahrgenommene Verän<strong>der</strong>ungen/Auffälligkeiten konkret benennen;• Frage danach, ob <strong>der</strong>/die Beschäftigte Unterstützung wünscht <strong>und</strong> wenn ja, <strong>in</strong> welcherForm;• H<strong>in</strong>weis aufa) <strong>in</strong>nerbetriebliche Hilfeangebot: z.B soziale Ansprechpersonen, Mitarbeiterberatung,betriebsärztlicher Dienst, betriebliches E<strong>in</strong>glie<strong>der</strong>ungsmanagement u.a.b) externe Hilfemöglichkeiten: Fachberatung, Coach<strong>in</strong>g, Therapieangebote, Arzt u.a.<strong>und</strong> /o<strong>der</strong>KlärungsgesprächDas Klärungsgespräch setzt die (wie<strong>der</strong>holte) Vernachlässigung arbeitsvertraglicherPflichten o<strong>der</strong> Störungen im Arbeitsablauf <strong>und</strong> -umfeld voraus. Diese werden <strong>in</strong>Zusammenhang mit ges<strong>und</strong>heitlichen o<strong>der</strong> sozialen Problemen des/<strong>der</strong> Beschäftigtengebracht, bei denen Suchtmittelgebrauch o<strong>der</strong> suchtbed<strong>in</strong>gtes Verhalten nichtausgeschlossen ist, aber von <strong>der</strong> Führungskraft nicht e<strong>in</strong>deutig zugeordnet werden kann.Ziel des Klärungsgesprächs ist es, e<strong>in</strong>e Rückmeldung zu den Auffälligkeiten zu geben,die Erwartungen an das zukünftige Verhalten zu benennen <strong>und</strong> konkrete Schritte zuvere<strong>in</strong>baren sowie Beratungs- <strong>und</strong> Unterstützungsangebote aufzuzeigen. Es ist nichtBestandteil des Stufenplans, kann diesem aber vorausgehen.Beteiligte: Beschäftigte/r, unmittelbare/r Vorgesetzte/rBei Vernachlässigung arbeitsvertraglicher o<strong>der</strong> dienstrechtlicher Pflichten <strong>in</strong> Verb<strong>in</strong>dungmit persönlichen, ges<strong>und</strong>heitlichen o<strong>der</strong> sozialen Problemen e<strong>in</strong>es/e<strong>in</strong>er Beschäftigtenhat die/<strong>der</strong> unmittelbare Vorgesetzte mit diesem/dieser e<strong>in</strong> Gespräch zu führen. Diesgilt auch für Beamt<strong>in</strong>nen <strong>und</strong> Beamte soweit sich nicht aus dem Beamtenrecht/Dizipl<strong>in</strong>arrecht Beson<strong>der</strong>heiten ergeben.Inhalt des Gesprächs:• Benennen konkreter Fakten, Zeit, Ort, Vorfall;• Besorgnis ausdrücken, dass <strong>der</strong>/die Beschäftigte Probleme hat, die sich auf dasArbeitsverhalten auswirken <strong>und</strong>/o<strong>der</strong> Störungen am Arbeitsplatz verursachen;• Wahrgenommene Verän<strong>der</strong>ungen/Auffälligkeiten konkret benennen;• Aufzeigen <strong>der</strong> Erwartungen des/<strong>der</strong> Vorgesetzten an das weitere Arbeitsverhalten;zukünftiges Verhalten präzise beschreiben;• H<strong>in</strong>weis aufa) <strong>in</strong>nerbetriebliche Hilfeangebot: z.B soziale Ansprechpersonen, Mitarbeiterberatung,betriebsärztlicher Dienst, betriebliches E<strong>in</strong>glie<strong>der</strong>ungsmanagement u.a.b) externe Hilfemöglichkeiten: Fachberatung, Coach<strong>in</strong>g, Therapieangebote, Arzt u.a.;• Konkrete Vere<strong>in</strong>barung weiterer Schritte;• Festlegen e<strong>in</strong>es weiteren Gesprächs, um über die weitere Entwicklung des VerhaltensRückmeldung zu geben (Rückmeldegespräch) <strong>in</strong> ca. 6-8 Wochen.Der/die Vorgesetzte fertigt e<strong>in</strong>e Gesprächsnotiz zu dem Gespräch an, die dem/<strong>der</strong>Beschäftigten ausgehändigt wird.Interventionskette (Stufenplan)bei suchtmittel- o<strong>der</strong> suchtbed<strong>in</strong>gten AuffälligkeitenStufenplangespräche setzen dort an, wo gegen arbeitsvertragliche o<strong>der</strong> dienstrechtliche Pflichten verstoßen wird o<strong>der</strong> diese <strong>in</strong> Verb<strong>in</strong>dung mit dem Gebrauch von Suchtmitteln o<strong>der</strong> suchtbed<strong>in</strong>gtemVerhalten vernachlässigt werden. Ziel <strong>der</strong> <strong>betrieblichen</strong> Intervention ist e<strong>in</strong>e Korrektur des Arbeits- <strong>und</strong> Leistungsverhaltens. Die angesprochenen Beschäftigten erhalten e<strong>in</strong> Hilfeangebot, um sich frühzeitig<strong>in</strong>tern o<strong>der</strong> extern über Gefährdungen <strong>in</strong>formieren <strong>und</strong> beraten zu lassen. Ihnen wir empfohlen therapeutische Hilfe <strong>in</strong> Anspruch zu nehmen, wenn die Verän<strong>der</strong>ung ihres Verhaltens aus eigener Kraft nichtgel<strong>in</strong>gt, z.B. bei Suchtgefährdung o<strong>der</strong> e<strong>in</strong>er Abhängigkeitserkrankung. Hierfür wird ihnen betriebliche Unterstützung zugesagt. Die Nichtannahme <strong>der</strong> Beratungs- <strong>und</strong> Hilfeangebote ist bei Tarifbeschäftigtendiszipl<strong>in</strong>arisch nicht zu beanstanden, es sei denn, sie seien als Zusatz zum bestehenden Arbeitsvertrag vere<strong>in</strong>bart worden. Sanktioniert werden können im weiteren Verlauf bei ihnen nur die erneuten o<strong>der</strong>fortgesetzten Verstöße gegen arbeitsvertragliche Pflichten. Zu den dienstrechtlichen Pflichten des Beamten/<strong>der</strong> Beamt<strong>in</strong> gehört dagegen auch die Pflicht zur Gesun<strong>der</strong>haltung.1. Gespräch: E<strong>in</strong>stieg <strong>in</strong> den StufenplanBeteiligte: Beschäftigte/r, unmittelbare/r Vorgesetzte/rBei Vernachlässigung arbeitsvertraglicher o<strong>der</strong> dienstrechtlicher Pflichten, die im Zusammenhang mit dem Gebrauch von Suchtmitteln o<strong>der</strong>mit suchtbed<strong>in</strong>gtem Verhalten stehen, hat die/<strong>der</strong> unmittelbare Vorgesetzte - ggf. nach vorheriger fachlicher Beratung - mit <strong>der</strong> betroffenenPerson e<strong>in</strong> Gespräch zu führen. Das Gespräch umfasst folgende Inhalte:• Benennen konkreter Fakten, Zeit, Ort, Vorfall;• Besorgnis ausdrücken, dass <strong>der</strong>/die Beschäftigte Probleme hat, die sich auf das Arbeits- <strong>und</strong> Leistungsverhalten auswirken <strong>und</strong>/o<strong>der</strong>Störungen am Arbeitsplatz verursachen;• Ansprechen des riskanten Suchtmittelkonsums o<strong>der</strong> des suchtbed<strong>in</strong>gten Verhaltens <strong>und</strong> dass e<strong>in</strong> Zusammenhang zu den Problemen amArbeitsplatz gesehen wird <strong>und</strong> dass deshalb dieses Gespräch im Rahmen des Stufenplans stattf<strong>in</strong>det;• H<strong>in</strong>weis auf den Stufenplan <strong>und</strong> das Vorgehen bei weiteren Auffälligkeiten (aushändigen e<strong>in</strong>es Exemplars des Stufenplans an die/denBeschäftigte/n);• Aufzeigen <strong>der</strong> Erwartungen des/<strong>der</strong> Vorgesetzten an das zukünftige Arbeitsverhalten;• Empfehlung, sich über die Möglichkeiten weiteren Risiken vorzubeugen o<strong>der</strong> e<strong>in</strong>er ges<strong>und</strong>heitlichen Gefährdung entgegen zu wirken<strong>in</strong>nerbetrieblich von <strong>der</strong> Ansprechperson für Suchtfragen <strong>und</strong>/o<strong>der</strong> von e<strong>in</strong>er externen Fachberatung <strong>in</strong>formieren <strong>und</strong> beraten zu lassen(Adressen von e<strong>in</strong>schlägigen Fachberatungen);• Konkrete Vere<strong>in</strong>barung <strong>der</strong> weiteren Schritte;• Vere<strong>in</strong>barung e<strong>in</strong>es Rückmeldegesprächs <strong>in</strong> ca. 6-8 Wochen <strong>und</strong> H<strong>in</strong>weis auf die Beobachtung <strong>der</strong> weiteren Entwicklung des Verhaltens<strong>in</strong> nächster Zeit.Das Gespräch bleibt vertraulich <strong>und</strong> hat ke<strong>in</strong>e personellen Konsequenzen. Der/die Vorgesetzte notiert sich Datum <strong>und</strong> Ergebnis des Gesprächs.Die Maßnahmen gelten auch für Beamt<strong>in</strong>nen <strong>und</strong> Beamte soweit sich nicht aus dem Beamtenrech/Dizipl<strong>in</strong>arrecht Beson<strong>der</strong>heiten ergeben.2. Gespräch:Beteiligte:• Beschäftigte/r• Unmittelbare/r Vorgesetzte/r, nächst höhere/r Vorgesetzte/r bzw. Personalabteilung• Personalvertretung, bei Schwerbeh<strong>in</strong><strong>der</strong>ten zusätzlich die Schwerbeh<strong>in</strong><strong>der</strong>tenvertretung(sollten zum Gespräch geladen werden, jedoch ist vor Gesprächsbeg<strong>in</strong>n die Zustimmung <strong>der</strong> betroffenen Person e<strong>in</strong>zuholen),• Auf Wunsch <strong>der</strong>/des Beschäftigten auch die Ansprechperson für Suchtfragen/Mitarbeiterberatung.Kommt es erneut zu Vernachlässigung <strong>der</strong> arbeitsvertraglichen o<strong>der</strong> dienstrechtlichen Pflichten <strong>und</strong>/o<strong>der</strong> zu Störungen am Arbeitsplatz,verb<strong>und</strong>en mit Auffälligkeiten, die <strong>in</strong> Zusammenhang gesehen werden mit Suchtmittelkonsum o<strong>der</strong> suchtbed<strong>in</strong>gtem Verhalten, so ist von denzuständigen Vorgesetzten - nach vorheriger fachlicher Beratung - e<strong>in</strong> Personalgespräch mit folgendem Inhalt zu führen:• Benennen <strong>der</strong> neuen Fakten <strong>und</strong> Bezugnahme auf den Inhalt des vorangegangenen Gesprächs;• Zusammenhang zu Suchtmittelgebrauch o<strong>der</strong> suchtbed<strong>in</strong>gtem Verhalten erneut aufzeigen;• H<strong>in</strong>weis auf <strong>in</strong>nerbetriebliche Hilfeangebote (Name/Telefon Ansprechperson für Suchtfragen/Mitarbeiterberatung - sofern vorhanden) <strong>und</strong>externe Beratungsmöglichkeiten aufzeigen (Adressen von Suchtberatungsstellen, suchtmediz<strong>in</strong>isch ausgebildeten Ärzten);• Auffor<strong>der</strong>ung, sich von e<strong>in</strong>er <strong>in</strong>ternen Ansprechperson über mögliche Gefährdungen <strong>in</strong>formieren zu lassen <strong>und</strong> e<strong>in</strong>e Beratung aufzusuchen; ((1)• Ankündigung von Konsequenzen bei weiteren Auffälligkeiten; H<strong>in</strong>weis auf Stufenplan;• Vere<strong>in</strong>barung e<strong>in</strong>es Rückmeldegesprächs <strong>in</strong> 6-8 Wochen <strong>und</strong> Beobachtung <strong>der</strong> weiteren Entwicklung des Verhaltens.Das Gespräch wird schriftlich festgehalten <strong>und</strong> die Gesprächsnotiz <strong>der</strong> Personalabteilung zugeleitet.Die Maßnahmen gelten auch für Beamt<strong>in</strong>nen <strong>und</strong> Beamte soweit sich nicht aus dem Beamtenrecht/Dizipl<strong>in</strong>arrecht Beson<strong>der</strong>heiten ergeben.Bei positiverVerhaltensän<strong>der</strong>ung:Ke<strong>in</strong>e weiteren arbeitsrechtlichenFolgenDurchführung des Rückmeldegesprächsnach6-8 WochenBei erneutero<strong>der</strong> fortgesetzterAuffälligkeitBei positiverVerhaltensän<strong>der</strong>ung:Ke<strong>in</strong>e weiteren arbeitsrechtlichenFolgenDurchführung des Rückmeldegesprächsnach6-8 WochenStufe I Stufe II


3. Gespräch:Beteiligte: wie im zweiten Gespräch, obligatorisch die PersonalabteilungKommt es erneut zu Verletzungen <strong>der</strong> arbeitsvertraglichen o<strong>der</strong> dienstrechtlichen Pflichten <strong>und</strong>/o<strong>der</strong> Störungen am Arbeitsplatz durchSuchtmittelkonsum o<strong>der</strong> suchtbed<strong>in</strong>gtes Verhalten, f<strong>in</strong>det - nach Abstimmung mit <strong>der</strong> Ansprechperson für Suchtfragen/Mitarbeiterberatung -e<strong>in</strong> Gespräch mit folgenden Inhalten statt:• Benennen neuer Fakten <strong>und</strong> Bezugnahme auf den Inhalt <strong>der</strong> vorangegangenen Gespräche;• Zusammenhang zum Suchtmittelgebrauch o<strong>der</strong> suchtbed<strong>in</strong>gtem Verhalten herstellen;• H<strong>in</strong>weis auf <strong>in</strong>terne Hilfeangebote durch Ansprechperson für Suchtfragen/Mitarbeiterberatung, (sofern noch nicht erfolgt) Kontaktaufnahmevere<strong>in</strong>baren, um sich über Gefährdungen <strong>in</strong>formieren zu lassen;(1)( 2)• Dr<strong>in</strong>gende Empfehlung, e<strong>in</strong>e Beratungsstelle aufzusuchen (Adressen von Psychosozialen Beratungsstellen, Suchtberatungen);• Vere<strong>in</strong>barung e<strong>in</strong>es Rückmeldegesprächs <strong>in</strong> 6-8 Wochen. Beobachtung <strong>der</strong> weiteren Entwicklung des Verhaltens durch den/die Vorgesetzte.Sofern arbeitsrechtlich die Voraussetzungen dafür vorliegen, wird bei Tarifbeschäftigten e<strong>in</strong>e Abmahnung aus verhaltensbed<strong>in</strong>gten Gründenausgesprochen. Die schriftliche Abmahnung wird aufgr<strong>und</strong> des Fehlverhaltens bzw. <strong>der</strong> Schlechtleistung erteilt. Bei Beamten/Beamt<strong>in</strong>nens<strong>in</strong>d enstprechende diszipl<strong>in</strong>arische Schritte zu prüfen.Personelle Konsequenzen können darüber h<strong>in</strong>aus se<strong>in</strong>: Individuelles Alkoholverbot zur Vermeidung von Gefährdungen u.a..Liegt aus Sicht <strong>der</strong>/des Beschäftigten we<strong>der</strong> e<strong>in</strong>e Suchtgefährdungo<strong>der</strong> -krankheit nicht vor, so wird deutlich gemacht, dass weitere Verletzungenarbeitsvertraglicher o<strong>der</strong> dienstrechtlicher Pflichten o<strong>der</strong> Störungen am Arbeitsplatz zur Kündigung bzw. diszipl<strong>in</strong>arischen Konsequenzenführen können. Die weiteren Schritte des Stufenplans werden aufgezeigt.Wenn die/<strong>der</strong> Beschäftigte darlegt, dass das Fehlverhalten bzw. die Schlechtleistung auf e<strong>in</strong>er Suchtproblematik beruhen könnte, wird sie/eraufgefor<strong>der</strong>t, sich <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e Suchtberatung bzw. -therapie zu begeben. Hierfür wird ihr Unterstützung zugesichert. Die Ansprechperson fürSuchtfragen bzw. e<strong>in</strong> Personalverantwortlicher bekommt den Auftrag, mit E<strong>in</strong>verständnis <strong>der</strong>/des Beschäftigten den Kontakt zur Beratungsstellebzw. zur Therapiee<strong>in</strong>richtung zu halten. Nach Möglichkeit wird e<strong>in</strong> Case Management e<strong>in</strong>gerichtet. Es erfolgt e<strong>in</strong> H<strong>in</strong>weis auf die weiterenSchritte des Stufenplans im Falle weiterh<strong>in</strong> bestehen<strong>der</strong> o<strong>der</strong> neuer Auffälligkeiten.4. Gespräch:Beteiligte: wie im dritten GesprächBei positiverVerhaltensän<strong>der</strong>ung:Ke<strong>in</strong>e weiteren arbeitsrechtlichenFolgenDurchführung des Rückmeldegesprächsnach6-8 WochenBei erneutero<strong>der</strong> fortgesetzterAuffälligkeitStufe IIIKommt es erneut zu Verletzungen <strong>der</strong> arbeitsvertraglichen o<strong>der</strong> dienstrechtlichen Pflichten <strong>und</strong>/o<strong>der</strong> Störungen am Arbeitsplatz durchSuchtmittelkonsum o<strong>der</strong> suchtbed<strong>in</strong>gtes Verhalten, f<strong>in</strong>det - nach Abstimmung mit <strong>der</strong> Ansprechperson für Suchtfragen/Mitarbeiterberatung -e<strong>in</strong> Gespräch mit folgenden Inhalten statt:• Benennen neuer Fakten <strong>und</strong> Bezugnahme auf den Inhalt des dritten Stufengesprächs;• Nachdrücklich den Zusammenhang zum Suchtmittelgebrauch o<strong>der</strong> suchtbed<strong>in</strong>gtem Verhalten herstellen;• Sofern die/<strong>der</strong> Beschäftigte die angebotenen Hilfen nicht (mehr) <strong>in</strong> Anspruch nimmt, erfolgt schriftlich die dr<strong>in</strong>gende Empfehlung / Auffor<strong>der</strong>ung,e<strong>in</strong>e Beratungsstelle aufzusuchen <strong>und</strong> sich unmittelbar <strong>in</strong> Beratung o<strong>der</strong> Therapie zu begeben, da e<strong>in</strong>e Suchtgefährdung nicht mehrausgeschlossen werden kann; (1)• Angebot von <strong>in</strong>terner Hilfe; die Ansprechperson für Suchtfragen/e<strong>in</strong> Personalverantwortlicher/<strong>der</strong> Case Manager bekommt den Auftrag, mitE<strong>in</strong>verständnis <strong>der</strong>/des Beschäftigten den Kontakt zur Beratungsstelle bzw. zur Therapiee<strong>in</strong>richtung zu halten.• Vere<strong>in</strong>barung e<strong>in</strong>es Rückmeldegesprächs <strong>in</strong> ca. 6-8 Wochen. Beobachtung <strong>der</strong> weiteren Entwicklung des Verhaltens durch die Vorgesetzte/denVorgesetzten sowie H<strong>in</strong>weis auf weitere Rückmeldegespräche im vierteljährlichen Abstand für die Dauer e<strong>in</strong>es Jahres.Der/ die Beschäftigte wird noch e<strong>in</strong>mal darauf h<strong>in</strong>gewiesen,• dass <strong>der</strong> Arbeitgeber nicht länger bereit ist, das Fehlverhalten <strong>und</strong>/o<strong>der</strong> die M<strong>in</strong><strong>der</strong>leistung h<strong>in</strong>zunehmen;• dass im Falle e<strong>in</strong>er Suchterkrankung die Prognose des Krankheitsverlaufs ohne Therapie ungünstig ist <strong>und</strong> u.U. e<strong>in</strong>e krankheitsbed<strong>in</strong>gteKündigung erfolgen kann bzw. bei Beamt<strong>in</strong>nen <strong>und</strong> Beamten die Entfernung aus dem Dienst beantragt werden kann.Liegt nach Auskunft <strong>der</strong>/des Beschäftigten e<strong>in</strong>e Suchtproblem nicht vor, wird aufgr<strong>und</strong> des Fehlverhaltens bzw. <strong>der</strong> Schlechtleistung e<strong>in</strong>ezweite Abmahnung ausgesprochen, sofern die arbeitsrechtlichen Voraussetzungen dafür vorliegen. Vergleichbare Maßnahmen gelten auchfür Beamt<strong>in</strong>nen <strong>und</strong> Beamte, soweit sich nicht aus dem Beamtenrecht/Diszipl<strong>in</strong>arrecht Beson<strong>der</strong>heiten ergeben.Personelle Konsequenzen können darüber h<strong>in</strong>aus beson<strong>der</strong>e Auflagen se<strong>in</strong>, z.B. <strong>in</strong>dividuelles Alkoholverbot, Absprachen für Kontaktaufnahmenmit dem Betriebsarzt, Meldung beim Vorgesetzten bei Arbeitsantritt u.a.. Für e<strong>in</strong>e Umsetzung <strong>und</strong> Än<strong>der</strong>ungskündigung mit Herabgruppierungkönnen die Voraussetzungen geprüft werden.5. Gespräch:Beteiligte: wie im vorangegangenen GesprächÄn<strong>der</strong>t die/<strong>der</strong> Beschäftigte ihr/se<strong>in</strong> auffälliges Verhalten nicht, werden weiterh<strong>in</strong> Verstöße gegen arbeitsvertragliche / dienstliche Pflichtensichtbar <strong>und</strong> ist ke<strong>in</strong>e Besserung zu erwarten, dann kommt es - nach Abstimmung mit <strong>der</strong> Ansprechperson für Suchtfragen / Mitarbeiterberatung- zum letzten Gespräch des Stufenplans. Werden die angebotenen Hilfen nicht <strong>in</strong> Anspruch genommen• leitet die Personalabteilung bei Tarifbeschäftigten das Kündigungsverfahren e<strong>in</strong>. Bei Beamt<strong>in</strong>nen <strong>und</strong> Beamten können entsprechendediszipl<strong>in</strong>arische Schritte gewählt werden, soweit sich nicht aus dem Beamten-/Diszipl<strong>in</strong>arrecht Beson<strong>der</strong>heiten ergeben.• Absprachen zur Wie<strong>der</strong>e<strong>in</strong>stellung nach erfolgreicher Therapie können im E<strong>in</strong>zelfall getroffen werden.RückmeldegesprächDas Rückmeldegespräch f<strong>in</strong>det statt, sofern nach e<strong>in</strong>em Stufengespräch e<strong>in</strong>e positive Verän<strong>der</strong>ung e<strong>in</strong>getreten ist <strong>und</strong> ke<strong>in</strong>e weiteren Auffälligkeitensichtbar geworden s<strong>in</strong>d. Je nach Lage des E<strong>in</strong>zelfalls wird es <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em s<strong>in</strong>nvollen Abstand nach dem Interventionsgespräch angesetzt <strong>und</strong>ggf. <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em bestimmten Zeitraum (regelmäßig) wie<strong>der</strong>holt. Ziel des Gesprächs ist es e<strong>in</strong>e Rückmeldung über die E<strong>in</strong>haltung <strong>der</strong> Absprachen sowieüber die als positiv wahrgeommenen Verän<strong>der</strong>ungen zu geben. Bei erneuter Auffälligkeitwird dagegen das nächste Stufengespräch e<strong>in</strong>geleitet.Bei positiverVerhaltensän<strong>der</strong>ungo<strong>der</strong> Aufnahme e<strong>in</strong>erTherapie:Ke<strong>in</strong>e weiteren arbeitsrechtlichenFolgenRückmeldegespräch nach6-8 Wochen <strong>und</strong> weitervierteljährlich bis zum Ablaufe<strong>in</strong>es JahresBei erneutero<strong>der</strong> fortgesetzterAuffälligkeitStufe IV Stufe V(1)Falls dies als Auffor<strong>der</strong>ung formuliert wird <strong>und</strong> e<strong>in</strong> Nachweis darüber erbracht werden soll, s<strong>in</strong>d die gesetzlichen Regeln des Persönlichkeits- <strong>und</strong> Datenschutzeszu beachten. Die Auffor<strong>der</strong>ung ist für Beamte/Beamt<strong>in</strong>nen dienstrechtlich verb<strong>in</strong>dlich. Arbeitsrechtlich kann die jedoch ke<strong>in</strong>e Sanktionierung erfolgen, wennTarifbeschäftigte <strong>der</strong> Auffor<strong>der</strong>ung nicht nachkommen, falls dies aus ihren arbeitsvertraglichen Verpflichtungen nicht unmittelbar abgeleitet werden kann.(2)Der Nachweis kann mündlich o<strong>der</strong> schriftlich, aber nur mit E<strong>in</strong>verständnis <strong>der</strong> betroffenen Person <strong>und</strong> erfor<strong>der</strong>licher Schweigepflichtsentb<strong>in</strong>dung erfolgen.© Wienemann, Elisabeth / Pegel-Rimpl, Ute / Fleck, Jürgen - Hannover 2010. www.wa.uni-hannover.de

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