Was ist der Sinn des Lebens? - Volcksinfo
Was ist der Sinn des Lebens? - Volcksinfo
Was ist der Sinn des Lebens? - Volcksinfo
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
<strong>Was</strong> <strong>Was</strong> <strong>ist</strong> <strong>ist</strong> <strong>der</strong> <strong>der</strong> <strong>Sinn</strong> <strong>Sinn</strong> <strong>des</strong> <strong>des</strong> <strong>Lebens</strong>?<br />
<strong>Lebens</strong>?<br />
Bewußt haben wir uns mit dieser Frage relativ spät befaßt.<br />
Unbewußt haben wir uns im Leben von folgenden<br />
Grundsätzen leiten lassen:<br />
1. Wir haben uns bemüht, unsere<br />
positiven Fähigkeitenund Eigenschaften<br />
zu entdecken und zu entwickeln.<br />
An<strong>der</strong>en zu helfen macht uns Spaß!<br />
2. Wir haben uns nie als „Kaninchen“ begriffen<br />
die nur konsumieren und sich vermehren.<br />
Wir waren immer bemüht, uns in das<br />
gesellschaftliche Leben einzumischen<br />
und dabei einen Beitrag zur Fortentwicklung<br />
<strong>der</strong> Menschheit zu le<strong>ist</strong>en.<br />
3. Unser gesellschaftliches Engagement haben<br />
wir nicht davon abhängig gemacht ob es auch<br />
Erfolg haben wird. (Gewünscht haben wir es allerdings!)<br />
Der Kampf gegen die Massenmordpläne <strong>der</strong><br />
Bushkrieger z.B. gehört zum Menschsein,<br />
unabhängig davon ob er Erfolg hat.<br />
Wenn wir menschliche Schweinereien schon<br />
nicht verhin<strong>der</strong>n können, wollen wir wenigstens<br />
laut dagegen protestieren!<br />
Auch das gehört zum Menschsein!<br />
Auch relativ spät <strong>ist</strong> uns bewußt geworden, daß unser Leben einmalig und<br />
unwie<strong>der</strong>holbar <strong>ist</strong>!<br />
Nachdem wir das begriffen haben, gehen wir mit unserer <strong>Lebens</strong>zeit sehr<br />
sorgsam und überlegt um. Wir lassen uns die Zeit (unser Leben) nicht von<br />
an<strong>der</strong>en klauen.<br />
Lange Weile, Zeit totschlagen, Zerstreuung, Erlebniskauf und wie die an<strong>der</strong>en<br />
„Events“ alle heißen, gibt es für uns nicht.<br />
Wir haben uns den Spruch <strong>des</strong> Volcksladen olcksladen olcksladen zu eigen gemacht:<br />
Genieße Genieße das das das Leben, Leben, Leben, es es <strong>ist</strong> <strong>ist</strong> kürzer kürzer als als als du du denkst!<br />
denkst!<br />
Chr<strong>ist</strong>a und Karl-Heinz Volck, Berlin-Friedenshain, März 2003<br />
www.volcksinfo.de
Meine Meine Eltern<br />
Eltern<br />
Mein Mein Geburtshaus<br />
Geburtshaus<br />
Tempelherrenstrasse Nr. 3,<br />
Berlin Kreuzberg<br />
Ein erfülltes Leben<br />
Karl-Heinz Volck und Chr<strong>ist</strong>a Volck, geborene Michelis<br />
Meine Mutter Emma Hildebrandt wurde 1907 in Rosenberg, Kreis<br />
Löbau in Polen geboren. Aufgewachsen <strong>ist</strong> sie in Deutsch- Eylau<br />
in Westpreußen. Der Vater hatte die Familie verlassen und ließ<br />
ungefähr 16 Kin<strong>der</strong> zurück. Diese wurden von <strong>der</strong> schmächtigen<br />
Mutter alleine mit Aufwartearbeiten durchgebracht.<br />
1. 1. Geburt<br />
Geburt<br />
und und Zeit Zeit bis bis zum zum Kriegsbeginn.<br />
Kriegsbeginn.<br />
Ende <strong>der</strong> 20er Jahre ging meine Mutter nach Berlin und arbeitete<br />
bei einem jüdischen Arzt als Sprechstundenhilfe, bzw. als Haushaltshilfe.<br />
In Berlin lernte sie meinen Vater Herbert Volck kennen.<br />
Er hatte eine Lehre zum Kaufmann gemacht. Anschließend arbeitete<br />
er als Bahnpostfahrer bei <strong>der</strong> Post.<br />
Wie mir meine Mutter manchmal erzählte, soff mein Vater und es<br />
wurde manchmal schwierig, die Miete zu zahlen.<br />
Meine Meine Geburt Geburt<br />
Geburt<br />
In diesem Haus wurde ich am 31. Dezember 1934 geboren.<br />
Es war ein schlechter Geburtstagstermin. Bei den Geschenken erhielt<br />
ich die eine Hälfte zu Weihnachten und die an<strong>der</strong>e Hälfte zum<br />
Geburtstag. Und während bei an<strong>der</strong>en Kin<strong>der</strong>n richtig Geburtstag<br />
gefeiert wurde, ging mein Geburtstag in <strong>der</strong> Sylvesterfeier unter.<br />
Meine früheste Erinnerung <strong>ist</strong>, daß ich beim Pinkeln Schmerzen<br />
hatte. Ich wurde nämlich an Fimose operiert, und die frische Wunde<br />
schmerzte, beson<strong>der</strong>s beim Pinkeln. Das war aber schon 1936,<br />
da wohnten wir in <strong>der</strong> Gneisenaustr. 60. Dazwischen wohnten wir<br />
in <strong>der</strong> Lilienthalstr. 12.
Gneisenaustr. 60<br />
Das sind die drei Fenster unserer<br />
Wohnung. (Aufnahme September<br />
2005)<br />
Bübchen, Mammi und<br />
Gisela<br />
Bübchen, Mammi und Gisela<br />
vor dem Hauseingang<br />
Gneisenaustr. 61<br />
Das Haus Gneisenaustr. 60 und 61 war ein Doppelhaus mit 2 getrennten<br />
Eingängen und 2 gemeinsamen Höfen. Es gehörte <strong>der</strong><br />
Familie Schrö<strong>der</strong>. Wir wohnten ab 1936 in <strong>der</strong> Gneisenaustraße<br />
60, SW29, Quergebäuse 1. Stock, 11/2 Zimmer mit Küche und<br />
Außentoilette, die wir uns mit noch einer Mietpartei teilten. Im Winter<br />
mußten wir die Spülung mit Stoff umwickeln, um sie vor dem<br />
Einfrieren zu bewahren. In <strong>der</strong> Küche gab es einen gemauerten<br />
Herd für Kohlefeuerung, mit Eisenringen für die unterschiedlichen<br />
Topfgrößen. Im Winter war die Küche <strong>der</strong> angnehmste Aufenthaltsort,<br />
da sie vom Kochen immer warm war. Daneben hatten wir noch<br />
einen Askania-Gasherd.<br />
Einmal in <strong>der</strong> Woche erolgte die gründliche Reinigung. Meine Mutter<br />
machte im Pfeifkessel <strong>Was</strong>ser warm, stellte eine <strong>Was</strong>chschüssel<br />
auf die Erde, in die wir uns stellten und dann wurden wir mit<br />
einem Lappen von unten bis oben gewaschen :<br />
Im Erdgeschoß war die <strong>Was</strong>chküche für die große Wäsche. In ihr<br />
befand sich ein großer eingemauerter Kupferkessel, unter dem<br />
Feuer angemacht werden konnte um das <strong>Was</strong>ser zu erwärmen.<br />
Manchmal haben wir darin auch gebadet.<br />
Die Fenster gingen zum 2. Hof raus. Unter uns war das Ofenbaugeschäft<br />
Emil Brucks. Das alles für 36 RM Miete.<br />
Kindheit<br />
Kindheit<br />
Von meinem Vater hatte ich nicht viel, da er bereits 1939 zum Militär<br />
einberufen wurde. Meine Eltern waren nicht streng. Einmal aber<br />
bekam ich Prügel, weil ich meine Schwester so geärgert hatte,<br />
daß ihr beim Schreien die Luft wegblieb und sie blau anlief. Mein<br />
Vater packte mich, legte mich über das Kopfende <strong>der</strong> Couch und<br />
versohlte mir mit seinem Hosengürtel den Hintern.<br />
Ansonsten erfolgte die Erziehung gewaltfrei.<br />
Prügel<br />
Prügel<br />
Viel Prügel habe ich nicht bekommen. Meine Mutter erzog mich<br />
zwar zu Pünktlichkeit, Ordnung und zur Wahrheit, da ich dagegen<br />
selten verstieß und meine Mutter auch eine gute und freundliche<br />
Frau war, gab es keine Prügel. Mein Vater war ähnlich, bei ihm<br />
kam aber noch hinzu, daß er schon 1939 zum Militär eingezogen<br />
wurde und damit nicht zu Hause war.<br />
An zweimal Prügel kann ich mich aber erinnern. Das eine Mal bekam<br />
ich sie von meinem Vater weil ich meine Schwester so geärgert<br />
hatte, daß ihr beim Schreien die Luft wegblieb und sie blau<br />
anlief. Mein Vater packte mich, legte mich über das Kopfende <strong>der</strong><br />
Couch und versohlte mir mit seinem Hosengürtel den Hintern.<br />
Das zweite Mal war nach dem Kriege. Der Anlaß <strong>ist</strong> mir entfallen.<br />
Jedenfalls war meine Mutter so wütend, daß sie einen hölzernen<br />
Klei<strong>der</strong>bügel auf mit zerdrosch und den Rest mir an den Kopf warf.<br />
Dabei entstand eine kleine blutende Platzwunde. Das Blut an meinem<br />
Kopf erschreckte meine Mutter so, daß sie mich sofort umsorgte<br />
und <strong>der</strong> Ärger vergessen war. Ich für meinen Teil wünschte<br />
zu sterben um meine Mutter für ihre „Brutalität“ zu bestrafen.
Schulhof in <strong>der</strong> Volksschule<br />
Wilmsstraße in Kreuzberg. Im<br />
Hintergrund die Mauer <strong>des</strong> jüdischen<br />
Gemeindehauses<br />
Bübchen, Mammi und Gisela auf<br />
dem Kreuzberg.<br />
Einschulung<br />
Einschulung<br />
Eingeschult wurde ich in die Schule in <strong>der</strong> Wilmsstraße, in SW29<br />
(Kreuzberg). Meine erste Klassenlehrerin war Frau Ladewig, eine<br />
freundliche ältere Dame. Wie sich aus dem Zeugnis <strong>der</strong> ersten<br />
Klasse ergibt, war ich in Schönschrift sehr gut. Wir lernten in <strong>der</strong><br />
ersten Klasse noch Sütterlin. Das war so eine Spitzschrift, die mir<br />
anscheinend lag.<br />
Mein Schulweg führte immer am Urbahnhafen vorbei. Das war<br />
damals noch ein richtiger Hafen mit Kränen usw.<br />
Auf <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Seite <strong>der</strong> Straße war ein Sportplatz, mit einigen<br />
Birnbäumen, mit allerdings sehr kleinen Birnen. Aber für uns Großstadtkin<strong>der</strong><br />
war das was. Mitten in <strong>der</strong> Stadt Obstbäume!<br />
Weihnachts-Überraschung<br />
Weihnachts-Überraschung<br />
Weihnachten war für uns Kin<strong>der</strong> ein schönes Fest. Obwohl wir wenig<br />
Geld hatten, gab es immer eine Menge Spielzeug und zwar<br />
selbstgebastetes. Für meineSchwester Giselchen gab es eine Puppenstube<br />
mit Batteriebeleuchtung und kleinen Holzmöbeln, für mich<br />
gab es schön bunt lackierte Bausteine.<br />
Die Geschenke wurden vor Weihnachten natürlich versteckt. Meine<br />
Neugier war sehr groß und wenn meine Eltern nicht da waren,<br />
ging ich auf die Suche nach den Geschenken. Einmal hatte ich die<br />
große Schublade von <strong>der</strong> Kommode geöffnet und auch etwas entdeckt.<br />
Da kamen meine Eltern wi<strong>der</strong> Erwarten früher zurück und<br />
ich versuchte die Kommode scnell zu schließen, aber die große<br />
Schublade klemmte und ich bekam sie nicht zu. Meine Eltern sahen<br />
sofort was los war und hielten mir eine Standpauke. Das war<br />
sehr unangenehm.<br />
Würstchen Würstchen hinterm hinterm Ofen<br />
Ofen<br />
Unangenehm war auch ein an<strong>der</strong>es Ereignis. Meine Eltern gingen<br />
manchmal ohne mich aus. Damit ich nicht rauslief o<strong>der</strong> jemand<br />
frem<strong>des</strong> in die Wohnung ließ, schlossen sie die Außentüre ab.<br />
Nun mußte ich einmal auf die Toilette. Das ging aber nicht, weil wir<br />
eine Außentoilette hatten und die Wohnungstür verschlossen war.<br />
In meiner Not legte ich eine Zeitung auf den Schreibtisch und machte<br />
meine Würstchen darauf. Dann rollte ich die Zeitung zusammen<br />
und warf das Päckchen hinter den Kachelofen. Tagelang wun<strong>der</strong>te<br />
sich die Familie über den unangenehmen Geruch in <strong>der</strong> Wohnung,<br />
bis sie dann per Zufall die Quelle <strong>des</strong> Übels fanden. Es gab zwar<br />
einige tadelnde Worte, aber sonst geschah mir nichts.<br />
Gisela und Bübchen<br />
Mammi und Bübchen mit Roller
Bübchen, Schwester Gisela und<br />
Mammi<br />
Mammi, Papa und Bübchen(oben)<br />
Papa, Mammi, Irmchen (Tochter von<br />
Tante Hildegard) Bübchen(unten)<br />
Urlaub Urlaub in in Deutsch-Eylau<br />
Deutsch-Eylau<br />
In Deutsch-Eylau wohnten die Verwandten meiner Mutter. Im Sommer<br />
fuhren wir dorthin in Urlaub. Das es Krieg geben würde und<br />
wir einmal vor Bombenangriffen hierher flüchten würden, daran<br />
dachten wir nicht im Traum.<br />
Meine Erinnerung an diese Zeit <strong>ist</strong> ganz schwach. Erstaunlicherweise<br />
hat meine Mutter viele Bil<strong>der</strong> und Dokumente aus <strong>der</strong> damaligen<br />
Zeit, über Krieg und Flucht gerettet. Das hing wahrscheinlich<br />
auch damit zusammen, daß Ahnenforschung betreiben mußten<br />
(mein Vater war Postbeamter) und wegen <strong>der</strong> späteren Luftangriffe<br />
immer eine Tasche mit wichtigen Dokumenten bei uns hatten.<br />
Urlaub Urlaub in<br />
in<br />
Deutsch-Eylau<br />
Deutsch-Eylau<br />
(Westpreußen)<br />
(Westpreußen)<br />
Bübchen, Tante Hildegard<br />
und Gisela<br />
Bübchen, Tante Margarthe Gisela und<br />
Mammi<br />
Karl-Heinz(Bübchen), Bekannte,<br />
Mammi, Tante Erika
Vorbereitung orbereitung auf auf den den Krieg<br />
Krieg<br />
Frühzeitig wurden wir auf den Luftkrieg vorbereitet. Eine <strong>der</strong> ersten<br />
Aktionen war, die Dachböden von brennbaren Gegenständen<br />
freizumachen. Die Hausbewohner mußten all ihre Sachen herrunterholen<br />
und dann wurden die Holzverschläge abmontiert und durch<br />
die Dachluken in den Hof geworfen. Bei uns auf dem Hof türmte<br />
sich bald ein großer Holzstapel mit den demontierten Verschlägen.<br />
Dann gab es Luftschutzübungen auf freien Plätzen. An eine solche<br />
Übung auf dem Gardepionierplatz, jetzt Südstern, kann ich mich<br />
noch erinnern. Ein Luftschutzwart in Uniform, mit Helm demonstrierte<br />
das Löschen einer Stabbrandbombe mit Sand und <strong>der</strong><br />
Handlöschspritze. Die Leute standen im Kreis herum und sahen<br />
zu. Das sah alles sehr harmlos aus und war eine gewisse „Gaudi“.<br />
Mit <strong>der</strong> Wirklichlichkeit <strong>der</strong> Bombenteppiche und Feuerstürme hatte<br />
das nicht das aber nicht das geringste zu tun. Es trug aber mit<br />
dazu bei, die Kriegsbereitschaft <strong>der</strong> Bevölkerung zu wecken bzw.<br />
wach zu halten.<br />
2. 2. Kriegsbeginn Kriegsbeginn und und Bombenangriffe<br />
Bombenangriffe<br />
Als <strong>der</strong> Krieg am 1.September 1939 mit dem Überfall auf Polen<br />
begann, war mein Vater schon Soldat.<br />
In den ersten Wochen und Monaten merkten wir nichts vom Krieg.<br />
Das Leben ging normal weiter, außer, daß mein Vater nicht zu hause<br />
war. Allerdings gab es umübersehbare Verän<strong>der</strong>ungen im Straßenbild.<br />
Die schönen Vorgärten in Berlins Straßen verschwanden.<br />
Hitler brauchte Metall für seine Waffen und ließ <strong>des</strong>halb die Metallzäune<br />
abbauen und einschmelzen.<br />
Von den schweren Luftangriffen habe ich wegen <strong>der</strong> frühzeitigen<br />
Evakuierung nichts mitbekommen. Einige Angriffe erlebte ich aber.<br />
Am Anfang gingen wir auch in den Luftschutzkeller. Als die Angriffe<br />
sich häuften, aber in unserer Gegend keine Bomben runterkamen,<br />
blieben wir in <strong>der</strong> Wohnung. Wir setzten uns lediglich hinter eine<br />
Wand, um so vor Granatsplittern geschützt zu sein. Die Flugzeuge<br />
konnten wir hören. Die englischen Bomber erkannte man an ihrem<br />
singenden Motorengeräusch.<br />
Am me<strong>ist</strong>en Angst machte mir das Ballern <strong>der</strong> Flak.<br />
An jedem Morgen nach einem Angriff gingen wir Kin<strong>der</strong> auf die<br />
Straße, Granatsplitter sammeln. Es gab die verschiedensten Größen,<br />
Formen und Farben. Das war eine richtige Tausch- und Sammelleidenschaft.<br />
Die Splitter wurden mit Bindfaden auf Karton befestigt<br />
und so aufbewahrt bzw. an<strong>der</strong>en Leuten gezeigt. Es wurde<br />
aber auch davor gewarnt. Es hieß, daß die Englän<strong>der</strong> beson<strong>der</strong>s<br />
präpariertes Spielzeug abwarfen, daß bei Berührung explodierte.<br />
Spannend war es auch, wenn Blindgänger gesprengt wurden. Bei<br />
<strong>der</strong> Sprengung war alles weiträumig abgesperrt, aber davor konnte<br />
man die Vorbereitungen dazu gut beobachten. Ich weiß nicht<br />
mehr ob ich das auf einem Bild o<strong>der</strong> wirklich gesehen habe, jedenfalls<br />
war die zu sprengende Bombe mit einem riesigen Berg<br />
Papierballen bedeckt.
Luftschutzkeller<br />
Luftschutzkeller<br />
An den Luftschutzkeller kann ich mich nur undeutlich erinnern. Wenn<br />
die Sirene heulte zogen wir uns an, nahmen die ständig gepackten<br />
Sachen, sowie warme Decken und gingen in den Keller. Dort waren<br />
dann die Bewohner <strong>des</strong> Hauses bei Kerzenlicht versammelt.<br />
Allerdings so gemütlich wie auf den heutigen Reklamen für Heimbunker,<br />
war es damals nicht. Zu den Kellern <strong>der</strong> Nebenhäuser gab<br />
es gekennzeichnete Durchbrüche, an denen Spitzhacken standen.<br />
Für den Fall eines Bombentreffers, <strong>der</strong> den Kellerausgang verschüttete,<br />
konnte man diesen Durchbruch aufbrechen und in den Keller<br />
<strong>des</strong> nächsten Hauses entkommen. Das funktionierte aber nur, wenn<br />
das Nebenhaus nicht auch getroffen war. Bevor Entwarnung gegeben<br />
wurde, durfte niemand, außer dem Luftschutzwart, den Luftschutzkeller<br />
verlassen. An je<strong>der</strong> Wohnungstür stand ein Eimer mit<br />
<strong>Was</strong>ser und eine Tüte mit Löschsand, sowie die Feuerpatsche.<br />
Auf die Verdunkelung <strong>der</strong> Wohnung wurde streng geachtet.<br />
Bei einem Bombenangriff wurde ein paar Häuser von uns entfernt,<br />
die Fabrik von Willy illy V VVogel<br />
V ogel ogel, ogel durch Brandbomben, getroffen. Das<br />
Feuer konnte aber gelöscht werden, <strong>der</strong> Schaden war nicht groß.<br />
Das Das Kaninchen<br />
Kaninchen<br />
Während <strong>des</strong> Krieges kam mein Vater zu Weihnachten auf Urlaub<br />
und brachte als Überraschung ein weißes Kaninchen als Festtagsbraten<br />
mit. Für die damalige Zeit war das schon was. Das niedliche<br />
Tier hoppelte durch die Wohnung und fand schnell meine Zuneigung.<br />
Diese Zuneigung konnte dem Tier zwar nicht das Leben<br />
retten, aber von uns wurde es nicht gegessen. Mein Vater gab es<br />
dem Wirt seiner Stammkneipe, <strong>der</strong> sich das gute Tier schmecken<br />
ließ.<br />
2. 2. Evakuierung Evakuierung und und das das Leben Leben in in Deutsch-Eylau<br />
Deutsch-Eylau<br />
Im Laufe <strong>des</strong> Krieges nahmen die Luftangriffe <strong>der</strong> Anglo/Amerikaner<br />
enorm zu. Aus diesem Grunde wurden Mutter und Kind aufs<br />
Land verschickt. Viele Kin<strong>der</strong> auch alleine. Wir hatten das große<br />
Glück, daß meine Mutter Angehörige in Deutsch-Eylau (Westpreußen)<br />
hatte, die uns aufnahmen.<br />
Die Kin<strong>der</strong>landverschickung (KLV) wurde bereits seit 1933 von <strong>der</strong> NS-Volkswohlfahrt (NSV)<br />
durchgeführt und diente ursprünglich dazu, bedürftigen Kin<strong>der</strong>n eine Erholungsreise zu ermöglichen.<br />
Wegen <strong>der</strong> zunehmenden Bombardierungen sollten ab September 1940 die Kin<strong>der</strong> im Alter<br />
zwischen drei und 14 Jahren aus den von Luftangriffen bedrohten Städten in ungefährdete Gebieteevakuiertwerden.<br />
Westpreußen<br />
Westpreußen<br />
Wir wohnten bei meiner Oma Hildebrandt in Deutsch-Eylau, in <strong>der</strong><br />
Riesenburger Straße 25. Das war ein einstöckiges Mietshaus mit<br />
einem ausgebauten Dachgeschoß, für die Küche. Die Wohnung<br />
war darunter. Sie bestand aus dem Wohnzimmer, in dem auch geschlafen<br />
wurde, einem fensterlosen Durchgangsraum, in dem ich<br />
und meine Mutter schliefen. An an<strong>der</strong>e Räume kann ich mich nicht<br />
erinnern.
7.7.1942<br />
Die „Klötze“, die man hier sieht, sind die<br />
zahllosen, zum Schneiden angelieferten<br />
Holzstämme, die aus den Wäl<strong>der</strong>n westlich<br />
<strong>des</strong> Sees stammen und in riesigen Flößen<br />
über das <strong>Was</strong>ser geschleppt worden<br />
sind. Am Ufer vor dem Sägewerk (Seifert,<br />
Schlobach) werden diese Flöße dann auseinan<strong>der</strong>geschlagen<br />
und die Baumstämme<br />
schwimmen, nur von einer ebenfalls<br />
schwimmenden Begrenzung beisammengehalten,<br />
frei im <strong>Was</strong>ser.<br />
Ilawa[iw’ava] (deutsch Deutsch Eylau)<br />
<strong>ist</strong> eine Kreisstadt in Polen in <strong>der</strong> Woiwodschaft Ermland-Masuren im<br />
ehemaligen Westpreußen.<br />
Deutsch-Eylau liegt am Geserichsee in einer Landschaft, die <strong>der</strong> hier<br />
geborene Dichter Ottfried Graf Finckenstein „die blonde Schwester<br />
Masurens“ genannt hat. Sie <strong>ist</strong> lieblicher als die bisweilen düstere Seen-Landschaft<br />
Masurens. Von Seen <strong>ist</strong> auch Deutsch-Eylau umgeben, eingebettet in<br />
unendlichen Forsten, me<strong>ist</strong> Buchenwäl<strong>der</strong>. In den Gewässern n<strong>ist</strong>en Kormorane,<br />
über denen hoch am Himmel Adler kreisen und Schwäne ziehen.<br />
An den Ufern und in den Wäl<strong>der</strong>n n<strong>ist</strong>en Weiß- und Schwarzstörche, Milane<br />
und Fischreiher.<br />
Deutsch-Eylau - Lithographie vom 19.10.1898<br />
Links unten sieht man die Kaserne vom Infanterie-Regimant 59, links oben<br />
die Riesenburger Straße, in <strong>der</strong> Mitte die Evangelische Ordenskirche mit<br />
<strong>der</strong> Schule und rechts oben den Städtischen Bahnhof. Die Karte wurde<br />
nach Berlin geschickt.<br />
Im Sommer war es in <strong>der</strong> Küche sehr heiß, da die Sonne auf das<br />
Dach schien, unter dem die Küche direkt lag und <strong>der</strong> kleine Eisenofen<br />
zusätzlich Wärme abgab. Gekocht und geheizt wurde mit Holz,<br />
das wir im Wald sammelten. Beson<strong>der</strong>s gut brannten die trockenen<br />
Äste <strong>der</strong> Fichten. Das krachte richtig im Ofen und gab gute<br />
Wärme. Beim Sägewerk bekamen wir die großen Späne die beim<br />
Fällen und zuhauen <strong>der</strong> Stämme anfielen. Wir taten sie in Säcke<br />
und setzten diese auf das Fahrrad und schoben es nach Hause.<br />
Spielen pielen auf auf Flößen<br />
Flößen<br />
Spaß machte das Spielen, auf den im <strong>Was</strong>ser gelagerten Stämmen,<br />
obwohl es verboten, weil gefährlich war. Die Stämme waren<br />
glitschig und man konnte ausrutschen, zwischen sie ins <strong>Was</strong>ser<br />
fallen und dann unter die dicht an dicht gelagerten Stämme unter<br />
<strong>Was</strong>ser gelangen und nicht mehr auftauchen. Schön war auch <strong>der</strong><br />
Holzgeruch <strong>des</strong> Sägewerkes.<br />
Kriegsgefangene Kriegsgefangene - - Zwangsarbeiter<br />
Zwangsarbeiter<br />
In dem Sägewerk müssen Kriegsgefangene und an<strong>der</strong>e Gefangene<br />
gearbeitet haben. Ich sah sie jeden Morgen als Kolonne an unserem<br />
Haus vorbeimaschieren. Sie taten mir leid, weil sie sehr<br />
elend aussahen. Aber wer sie waren und woher sie kamen, darüber<br />
machte ich mir keine Gedanken.
An dieser Anlegestelle spielten wir auf<br />
dem zugefrorenen See.<br />
Die Kaiserstraße, spätere Karl-<br />
Freyburger-Straße<br />
Karl Freyburger war ein SA-<br />
Mann, <strong>der</strong> von einem Poliz<strong>ist</strong>en in<br />
Notwehr erschossen wurde.<br />
Die Riesenburger Straße <strong>ist</strong> eine abschüssige Straße, die den<br />
Marktplatz mit dem großen Geserich-See verbindet. Auf dem Marktplatz<br />
war ein großes Kolonialwaren-Geschäft an <strong>des</strong>sen Türe Wild<br />
hing. Ich glaube, meine Tante Hildegard arbeitete dort.<br />
Die Hauptstraße hieß Kaiserstraße, spätere Karl-Freyburger-Straße<br />
Straße. An ihr lagen das Rathaus und die Kirche. An <strong>der</strong> Kirche<br />
war interessant, daß es von ihr steil abwärts zum kleinen Geserich-See<br />
ging. Dort war auch die Eisfabrik. Im Winter wurde aus<br />
dem zugefrorenen See das Eis rausgesägt und in <strong>der</strong> Fabrik eingelagert.<br />
Fast Fast ertrunken<br />
ertrunken<br />
Im Winter wäre ich dort einmal fast ertrunken. Wir spielten auf dem<br />
zugefrorenen See Einkriegezeck. Ich lief in Richtung Ufer und war<br />
mit einemmal im <strong>Was</strong>ser. Ich konnte nicht schwimmen und schlug<br />
<strong>des</strong>halb wie ein Verrückter um mich und kam irgenwie an Land. Ich<br />
hatte nicht bemerkt, daß das Eis am Ufer aufgeschlagen und nur<br />
leicht zugefroren war. Zum Glück bin ich nicht unter das feste Eis<br />
gerutscht, sonst hätte ich diese Zeilen nicht schreiben können. An<br />
sich war das eine Schweinerei, denn es gab ein ungeschriebenes<br />
Gesetz, daß offene Stellen im Eis markiert sein mußten.<br />
Völlig durchnäßt bei klirren<strong>der</strong> Kälte, lief ich nach Hause. Aus Angst<br />
vor dem ausgeschimpft- werden,sagte ich meiner Mutter, daß mich<br />
ein Junge in das offene Eis gestoßen habe. Ich wurde sofort ins<br />
Bett gepackt und mit heißen Getränken vor einer Lungenentzündung<br />
bewahrt.<br />
Sabotage Sabotage ?<br />
?<br />
Wenn man die Adolf-Hitler-Straße weiter ging, kam man an <strong>der</strong><br />
Post vorbei und zur Schule. Auf dem Weg zur Schule kam ich an<br />
einem Schaufenster vorbei wo ein großer Mann aufgeklebt war mit<br />
den Buchstaben „Pst“ Feind hört mit. Ein an<strong>der</strong>es großes Plakat<br />
war <strong>der</strong> „Kohlenklau“, ein Mann mit einem Sack auf dem Rücken,<br />
mit dem zum sparsamen Verbrauch von Kohle aufgerufen wurde.<br />
Dazu gab es eine Geschichte die das damalige Klima wi<strong>der</strong>spiegelt.<br />
Eines Tages <strong>ist</strong> eine große Schaufensterscheibe, mit einem<br />
lauten Knall zersprungen. Sofort hieß es, das sei eine Sabotage-<br />
Aktion <strong>des</strong> Fein<strong>des</strong>. Tatsächlich handelte es sich um eine physikalisch<br />
einfach erklärbare Sache. Es war Sommer und die Sonne<br />
schien auf die große Schaufensterscheibe mit dem schwarzen Plakat.<br />
Da <strong>der</strong> Teil <strong>des</strong> Schaufensters, <strong>der</strong> mit dem schwarzen Plakat<br />
bedeckt, war mehr Sonnenenergie aufnahm und sich stärker erhitzte<br />
als die an<strong>der</strong>en Teile <strong>des</strong> Schaufensters, entstand eine Spannung<br />
unter <strong>der</strong> die Scheibekaputt ging.
Die Post<br />
am Ende <strong>der</strong> Adolf-Hitler-Strasse.<br />
Das Rathaus in Deutsch-Eylau<br />
Oma Hildebrandt und im Hintergrund<br />
ihre Tochter Tante<br />
Trudchen.<br />
„Nackte Jungs“<br />
Meine Mutter hatte 16 Geschw<strong>ist</strong>er.<br />
In Deutsch-Eylau lebten<br />
1942: Tante Erika, das war die<br />
Jüngste. Sie war verlobt. Ihr Verlobter<br />
kam im Krieg um. Tante<br />
Hildegard war jung verheiratet<br />
und hatte ein Kind. Irmchen hieß<br />
das Mädchen. Mit <strong>der</strong> hatte ich<br />
dauernd Streit weil sie meine<br />
Spielsachen nahm und ich Angst<br />
hatte, daß sie die mir kaputt<br />
macht. Ihr Mann kam ebenfalls im<br />
Krieg um, Tante Gertrud war nicht<br />
verheiratet, hatte aber 3 Kin<strong>der</strong>,<br />
Horst, Helga und Ina. Tante<br />
Margarethe war Luftwaffenhelferin,<br />
war ebenfalls unverheiratet und hatte einen Sohn, Helmut.<br />
Der wohnte nach dem Kriege in Wahn bei Köln. Dann wohnte noch<br />
Oma Hildebrandt in Deutsch-Eylau. Von dem Opa wurde nicht geredet.<br />
Der muß wohl sehr früh die Oma verlassen haben. Jedenfalls<br />
hat Oma die vielen Kin<strong>der</strong> als Aufwartefrau alleine durchgebracht.<br />
In Berlin lebte noch Onkel Ernst. Das war mein Patenonkel<br />
und spätere Trauzeuge. Der war Straßenbahnfahrer auf <strong>der</strong> Linie<br />
3.Onkel Max war wohl ein Bru<strong>der</strong> meiner Oma. „Du „Du wirst<br />
wirst<br />
nochmal nochmal nochmal Kieselsteine Kieselsteine essen!“ essen!“ essen!“Das essen!“ essen!“ war eine ständige Redewendung<br />
meiner Oma zu mir. Ich hielt nämlich nicht viel vom Essen<br />
und mäkelte daran herum. Fettes Fleisch und „Zad<strong>der</strong>“ waren mir<br />
verhaßt. Geekelt habe ich mich auch vor den „nackten Jungs“. Das<br />
waren geriebene rohe Kartoffeln, die mit einem Eßlöffel abgestochen,<br />
in heiße Milch getan und darin gargekocht wurden. Dabei<br />
nahmen sie eine bläuliche Farbe an und wurden glitschig.Geekelt<br />
habe ich mich auch vor solchen Sachen wie Blutsuppe mit Sauerampfer,<br />
Lungenhaschee und ähnlichem Zeugs. Geschmeckt hat<br />
mir die Grützwurst, beson<strong>der</strong>s wenn sie aufgebraten war. Ansonsten<br />
war mir Essen und Trinken eher lästig.<br />
Jungvolk<br />
Jungvolk<br />
Mit 8 Jahren bin ich freiwillig in das Jungvolk eingetreten.<br />
Das hatte mit Politik nichts zu tun. Meine Eltern waren<br />
unpolitisch. Es geschah aus Abenteuerlust.<br />
Im Junkvolk und <strong>der</strong> Hitlerjugend wurden Gelän<strong>des</strong>piele<br />
gemacht. Mit Ru<strong>der</strong>booten fuhren wir auf die Insel<br />
Scholtenberg.<br />
Gefallen hat mir auch die Uniform. Sie bestand aus einer<br />
kurzen schwarzen Cordhose, einem braunen Hemd,<br />
dem schwarzen Halstuch mit braunem Le<strong>der</strong>knoten und Halbschuhen<br />
an <strong>der</strong> Seite zu schnüren.<br />
Unsere Übungen und Sportwettkämpfe machten wir auf einem<br />
Sportplatz auf dem ein großes Denkmal stand.<br />
Weil ich anscheinend die Übungen gut machte, beson<strong>der</strong>s den<br />
Hitlergruß, wurde ich Fähnleinführer (?). Ich bekam eine weiß-rote<br />
Kordel und durfte jetzt eine kleine Gruppe führen.
Auf diesem Sportplatz wurde<br />
nicht nur Sport getrieben , son<strong>der</strong>n<br />
auch die Appelle <strong>der</strong> Hitlerjugend<br />
abgehalten.<br />
Als Jungvolk o<strong>der</strong> Schüler(?)mußten wir Lindenblüten sammeln.<br />
Das war eine ziemlich mühselige Angelegenheit. Wir kletterten auf<br />
die Bäume und pflückten die Lindenblüten. Das war unser Beitrag<br />
für den „Endsieg“.<br />
In <strong>der</strong> Schule muß ich anscheinend ganz gut gewesen sein, denn<br />
ich wurde zur Adolf-Hitler -Schule angemeldet. Meine Mutter wollte<br />
das eigentlich nicht, aber die Schule drängte so stark, daß sie nachgab<br />
und dem zustimmte.<br />
Zum Glück mußten wir aber aus Deutsch-Eylau vor den Russen<br />
flüchten, bevor ich zur Adolf-Hitler Schule kam.<br />
Ernteeinsatz<br />
Ernteeinsatz<br />
Verleidet wurde mir das Jungvolk durch den Ernteeinsatz. Ich war<br />
ein ziemlich kleiner Stepke und wir sollten als Jungvolk aufs Land,<br />
den Bauern helfen.<br />
Ich glaube es war meine erste Fahrt, ohne Eltern, mit<br />
Übernachten bei fremden Leuten. Mein Vater war im Krieg<br />
und wir hatten wenig Geld. Das wurde zum Problem, als es darum<br />
ging, mich für die Fahrt auszurüsten. Das Hauptproblem war nämlich<br />
<strong>der</strong> fehlende Rucksack. Da wir kein Geld für einen neuen Rucksack<br />
hatten und auch keinen ausleihen konnten, nahm meine Mutter<br />
die Sachen und rollte sie in die Schlafdecke ein. Diese „Wurst“<br />
band sie zusammen, machte zwei große Schlaufen, sodaß ich dieses<br />
Bündel, wie einen Rucksack tragen konnte.<br />
Am nächsten Tag ging es dann los. Wir fuhren erst mit <strong>der</strong> Eisenbahn<br />
und dann marschierten wir auf <strong>der</strong> Chaussee. Es war sehr<br />
warm und <strong>der</strong> Weg weit. Ich schwitzte und mir taten die Füße weh.<br />
Und jetzt begann das Problem mit dem improvisierten Rucksack.<br />
Durch das Marschieren lockerte sich die Schnur um die Decke<br />
und es fielen nacheinan<strong>der</strong> die einzelnen Gegenstände wie Löffel,<br />
Blechgeschirr usw. auf die Chaussee. Ich hob sie auf und stopfte<br />
sie wie<strong>der</strong> in das Deckenbündel. Dieses lockerte sich daraufhin<br />
immer mehr, um sich schließlich ganz aufzulösen.<br />
Das Ergebnis war, daß ich nicht nur insgesamt eine traurige Gestalt<br />
abgab, son<strong>der</strong>n auch hinter <strong>der</strong> Marschkolonne zurückblieb.<br />
Das gefiel natürlich nicht dem Kolonnenführer und er hat mich dann<br />
auch fürchterlich zusammengeschissen.<br />
Das vermin<strong>der</strong>te meine Bege<strong>ist</strong>erung für das Jungvolk ganz erheblich.<br />
An Ort und Stelle angekommen, wurden wir in einer Scheune<br />
untergebracht. Das war garnicht schlecht, so im Stroh und mit den<br />
an<strong>der</strong>en Jungens zusammen toben.<br />
Am nächsten Tag ging es aufs Rübenfeld, Unkraut jäten und Rüben<br />
verziehen. Wie<strong>der</strong> war es heiß und staubig und von <strong>der</strong> gebückten,<br />
ungewonten Arbeit tat mir <strong>der</strong> Rücken mächtig weh.
Kin<strong>der</strong> von Walter Michelis: Inge,<br />
Jochen und Chr<strong>ist</strong>a meine Frau<br />
Schnei<strong>der</strong>, Oberleutnant,<br />
Im Osten, den 1.8.1944, 1.8.1944, 1.8.1944, 27586<br />
27586<br />
Ein beson<strong>der</strong>es Problem war das Rübenverziehen. Ich war ziemlich<br />
klein und schwächlich und mußte kräftig ziehen um die Rüben<br />
aus <strong>der</strong> Erde zu bekommen. Ich zog und zog und es rührte sich<br />
nichts. Plötzlich dann löste sich die Rübe mit einem Ruck und ich<br />
fiel auf den Hintern. Und das den ganzen Tag bei Hitze und Staub.<br />
Zum Glück ging es nicht nur mir so, son<strong>der</strong>n ein an<strong>der</strong>er Junge den<br />
ich kannte, hatte auch die Schnauze voll. Als wir abends in <strong>der</strong><br />
Scheune zusammensaßen und uns gegenseitig unser Leid klagten,<br />
beschlossen wir abzuhauen.<br />
Am nächsten Tag machten wir uns heimlich auf die Socken. Ich<br />
kann mich nur noch daran erinnern, daß wir auf den Schwellen <strong>der</strong><br />
Eisenbahn gingen. Und so wurde ich zum „Wi<strong>der</strong>standskämpfer“.<br />
Normalität<br />
Normalität<br />
Das Leben im Nationalsozialismus war für uns etwas ganz normales.<br />
Die Uniform war genauso normal wie die Zivilkleidung. Wir<br />
Jungen waren sogar stolz auf die schmucke Uniform. Sie verlieh<br />
uns etwas „erwachsenes“ und stärkte unser Selbstbewußtsein.<br />
Das Bild zeigt Chr<strong>ist</strong>a als kleines Kind mit ihrer Schwester Inge<br />
und dem Bru<strong>der</strong> Jochen vor <strong>der</strong> Haustüre Blücherstr. 64. Dort wohnten<br />
meine Schwiegereltern. So wie wir Jungen auf die Uniform stolz<br />
waren, so ging es auch den Erwachsenen. Die Uniform verlieh<br />
Bdeutung und stärkte das Selbstbewußtsein. Manche zeigten damit<br />
auch, dass sie dazu gehörten.<br />
Papis Papis Papis Tod od<br />
Anfang September teilte mir meine Mutter auf einem Spaziergang<br />
am Sportplatz mit, dass mein Vater tot sei. Ich habe wahrscheinlich<br />
garnicht begriffen was das bedeutete. Für meine Mutter muß<br />
das aber ziemlich schwer gewesen sein. Sie gig mit meiner Schwester<br />
Ingeborg schwanger.<br />
Liebe, verehrte Frau Volck!<br />
In dem Gefecht bei Krupice (am oberen Bug) am 31.7. fiel Ihr Mann Herbert im Kampf um<br />
die Freiheit Großdeutschlands in soldatischer Pflichterfüllung getreu seinem Fahneneid für<br />
Führer, Volk und Vaterland.Zugleich im Namen seiner Kameraden spreche ich Ihnen meine<br />
wärmste Anteilnahme aus. Die Batterie wird Ihren Mann stets ein ehren<strong>des</strong> Andenken bewahren<br />
und in ihm ein Vorbild sehen. Die Gewißheit, daß Ihr Mann für die Größe und Zukunft<br />
unseres ewigen Deutschen Volkes sein Leben hingab, möge Ihnen in dem schweren<br />
Leid, daß Sie betroffen hat, Kraft geben und Ihnen ein Trost sein.<br />
In aufrichtigem Mitgefühl grüße ich Sie mit Heil Hitler Ihr Werner Schnei<strong>der</strong>
Mein Vater<br />
Herbert Volck<br />
geb. 28.1.1910 gest. 31.7.1944
Quer durch Europa<br />
von Frankreich nach Rußland<br />
x x Herbert Volck<br />
x
Frau Emmy Volck Dtsch.-Eylau/Westpr<br />
Riesenburgerstr. 15. b/Hildebrand<br />
Abs. Obgefr Volck z.Zt. Bln Halensee.... Sigismundstr. 16/17 Poststempel:<br />
Berlin-Charlottenburg 08.6. 44 - 10<br />
Mittwoch Abend, den 7./6. 7./6. 44.<br />
44.<br />
Mein liebstes Mutschleinchen,<br />
es <strong>ist</strong> jetzt 20.00 Uhr und habe gerade mein Mittagbrot gegessen, es gab Kalbsschnitzel und grünen Salat.<br />
Ich bekam gestern auf <strong>der</strong> Kartenstelle außer meiner 7 Tageskarte noch eine Karte für 10 (Pfund) Kartoffeln,<br />
3 (Pfd) Gemüse, Seife, 50 gr. Bohnenkaffee, 1 1/2 Ltr. Milch und 125 gr. Backobst und 1/2 (Pfd.)<br />
Kalbfleisch. Ich bin so furchtbar müde, wir haben auch ununterbrochen gearbeitet, Jabs (Vc:ein alter Nachbar<br />
aus dem obersten Stockwerk in <strong>der</strong> Gneisenaustraße 60. Er <strong>ist</strong> nach dem Kriege beim Basteln an einer<br />
Handgranate, ums Leben gekommen. Man sagte, sein Gehirn habe nach <strong>der</strong> Explosion an <strong>der</strong> Wohnzimmertüre<br />
geklebt.) hat mit geholfen. Ach Herzel, wenn Du mich gesehen hättest, ich sah aus wie aus dem<br />
Mehlsack gezogen. Jabs hat mir von sich eine Hose und Jacke gegeben. Den gröbsten Dreck habe ich<br />
raus, min<strong>des</strong>tens 30 Eimer Schutt habe ich rausgetragen. Die Möbel habe ich alle in einer Ecke zusammengestellt.<br />
Um den Staub rauszukriegen muß min<strong>des</strong>tens 10 mal ausgefegt werden. Der Kalkstaub <strong>ist</strong><br />
aus den Möbeln überhaupt nicht raus zu bekommen. Fensterkreuze sind alle raus, die Decke hängt in<br />
beiden Stuben in Fetzen runter und die Wand zwischen Küche und Stube <strong>ist</strong> eingedrückt da kann man<br />
durchgucken. Von den Möbeln <strong>ist</strong> nur <strong>der</strong> Schreibtisch beschädigt, da <strong>ist</strong> von oben ein großer Splitter in die<br />
Platte geflogen und durch den Schubkasten wie<strong>der</strong> rausgekommen, dann hat das große Ölbild mehrere<br />
Splitter, allerdings nur <strong>der</strong> Rahmen, dann sind durch den Lampenschirm 3 Splitter durchgehauen, <strong>der</strong> Ofen<br />
<strong>ist</strong> auch beschädigt und dann noch die Wand rechts vom Ofen, da <strong>ist</strong> auch <strong>der</strong> ganze Stuck ab. Sämtliche<br />
Birnen entzwei. In <strong>der</strong> Küche sah es wüst aus, <strong>der</strong> Küchenschrank lag auf dem Gasbratofen, <strong>der</strong> Ofen <strong>ist</strong><br />
vollkommen ganz geblieben, vom Geschirr habe ich nur eine Untertasse und einen Frühstücksteller und<br />
einige Schüsseln, die unten standen, heil vorgefunden. Das Likörservice und die Glasschalen hatte ich im<br />
Vertiko, die sind auch ganz geblieben. Die Marmorplatte <strong>ist</strong> auch vollkommen entzwei. Die Stehlampe <strong>ist</strong><br />
auch in Ordnung. Ja, Herzel, ein Glück, daß Du das nicht sehen brauchst. Aus dem Seitenflügel 61, also wo<br />
Schnittken´s wohnten, <strong>ist</strong> nichts mehr gerettet worden. Es besteht nur noch ein Schutthaufen. 62 und 63<br />
sind die Hinterhäuser auch zum Teufel. Von Bärwaldstraße bis Hasenheide wurden 129 Bomben geworfen.<br />
Vor dem Lokal „Mäcki“ <strong>ist</strong> ein Trichter 30 mtr breit in den U-Bahnschacht. Der U-Bahnhof <strong>ist</strong> auch getroffen,<br />
um die Kirche herum sind 5 große Trichter, vor Andrees (Vc: Papas Stammkneipe) auch zwei. Die Ecke am<br />
Friedhof, wo das Blumengeschäft <strong>ist</strong>, da <strong>ist</strong> auch ein Volltreffer reingegangen, jedenfalls kennst Du unsere<br />
Gegend nicht mehr wie<strong>der</strong>. Also davon jetzt genug. Gestern war ich auf dem Friedhof, nur mal nachsehen<br />
und heute habe ich alles schön in Ordnung gebracht. Herzel, das Grab war sehr gut erhalten, das Grün <strong>ist</strong><br />
schön gewachsen, auch die Pflanze hat schon Knospen. Dann habe ich geharkt und einen Strauß weißer<br />
echte Lilien hingestellt. Dann wollte ich von <strong>der</strong> Bartz (Blumenhändlerin Vc) ein paar Pflanzen haben, sie <strong>ist</strong><br />
unverschämt geworden, ich soll da hingehen wo ich immer kaufe. Das <strong>ist</strong> ein ganz freches Weib. Dann war<br />
ich bei Schäfer, das Geschäft selbst <strong>ist</strong> unbeschädigt, da habe ich dann 3 große Begonienpflanzen bekommen.<br />
Die kosteten 4.50 Mk. Die Lilien 3.- Mk. Morgen werde ich sie einpflanzen. Morgen hilft Jabs mir die<br />
Fenster vernageln und die Korridortür einsetzen. Und dann geht die Lauferei los, zum Kriegsschadenamt,<br />
Polizei, Kartenstelle usw. Ich werde versuchen die Betten zu flicken, auch den Ofen, Hennig (Nachbarin,<br />
Vc) meint ja, sie nehmen jetzt nichts an. Am Montag nachmittag muß ich wie<strong>der</strong> zurückfahren. Ach, Herzel,<br />
wer weiß was noch alles wird, meine Sorge <strong>ist</strong> die, daß ich meine 14 Tage Urlaub noch bekomme und dann<br />
geht`s vielleicht nach dem Westen. Jetzt will ich mir noch rasch ein Hemd durchwaschen und dann geht`s<br />
in`s Bett.<br />
Nun, mein Liebstes, sei recht herzlichst gegrüßt und viele, viele Küsse von Deinem Herbertlein.<br />
Bleibe schön gesund.<br />
Viele Grüße und Küßchen an Bübchen und ich habe mich über seine Karte sehr gefreut.Jabs und Ebbinghaus<br />
(Nachbarn, Vc) lassen vielmals grüßen auch Hennig.Auch von Oma recht herzliche Grüße.
Im Osten
3. 3. 3. Die Die Flucht Flucht<br />
Flucht<br />
Am 30. Januar 1945 sind wir vor den Russen geflohen. Tage vorher<br />
kamen deutsche Soldaten durch unsere Stadt. Einen ganzen<br />
Tag lang zogen ununterbrochen Soldaten mit Fahrzeugen, u.a. auf<br />
Panjewagen durch Deutsch-Eylau. Es hieß, daß sei eine Division.<br />
Das war sehr beeindruckend und stärkte den Glauben an den Sieg.<br />
Denn wenn wir so viel Soldaten hatten, mußten wir ja siegen.<br />
Nachts hörte ich dann ein lautes Heulen. Ich dachte erst, es sei das<br />
Geräusch eines Holzgasautos aber meine Mutter sagte, es sei die<br />
Alarmsirene und wir müßten uns anziehen und vorübergehend die<br />
Stadt verlassen. Daß es eine endgültige Flucht sei, davon sprach<br />
niemand. Wir zogen uns also an, nahmen unsere gepackten Sachen<br />
und zogen los. Es war dunkel und kalt, Schnee lag auf <strong>der</strong><br />
Straße. Im August 1944 hatte ich noch eine Schwester bekommen<br />
und die lag in dem großen Kin<strong>der</strong>wagen, den wir nun über die Landstraße<br />
schoben. Es ging zum Bahnhof, <strong>der</strong> außerhalb <strong>der</strong> Stadt<br />
lag. Auf dem Weg dorthin kamen uns deutsche Panzer entgegen,<br />
sodaß wir je<strong>des</strong>mal fast in den Chausseegraben rutschten.<br />
Auf dem Bahnhof angekommen wurden wir in geschlossene Güterwagen<br />
verfrachtet. Ich glaube wir waren dann 3 Tage mit dem<br />
Zug unterwegs, teils fahrend, teils stehend. Keiner wußte was los<br />
war und wohin es gehen sollte. Es sollen viele Kleinkin<strong>der</strong> dabei<br />
erfroren sein, <strong>der</strong>en Leichen man dann aus dem Zug warf. Viele<br />
Kin<strong>der</strong> haben auch ihre Eltern verloren, wenn sie bei Zughalt ausstiegen<br />
und <strong>der</strong> Zug dann weiterfuhr, ohne das sie wie<strong>der</strong> eingestiegen<br />
waren.<br />
Stationen an <strong>der</strong>en Namen ich mich erinnere waren Dirschau, Preußisch-Stargard<br />
und Belgard. In Preußisch-Stargard gab es einen<br />
Zwischenaufenthalt. Wir wurden in einer Schule untergebracht. Beim<br />
Durschstöbern <strong>der</strong> Räume fand ich eine Schachtel mit Kleinkalibermunition<br />
und ein Buch. Der Inhalt <strong>des</strong> Buches versetzte mich vor<br />
den Russen in Angst und Schrecken . Es war eine „Dokumentation“<br />
über die angeblichen Greueltaten <strong>der</strong> Polen an Deutschen. Es<br />
war reich bebil<strong>der</strong>t und beschrieb wie man den Deutschen Zungen<br />
und an<strong>der</strong>e Körperteile abgeschnitt, ehe sie getötet wurden. Dieses<br />
Buch habe ich in den 80-ziger Jahren im Antiquariat erworben.<br />
Es war das Weißbuch <strong>der</strong> Reichsregierung über polnische Greuel.<br />
Ob das Tatsachen waren weiß ich nicht.<br />
Also dieses Buch und die von den Nazis betriebene extreme Greuelpropaganda,<br />
machten nicht nur mir Angst, son<strong>der</strong>n <strong>der</strong> ganzen<br />
auf <strong>der</strong> Flucht befindlichen Bevölkerung. Hinzu kamen die Berichte<br />
<strong>der</strong> Flüchtlinge aus Ostpreußen, die erlebte und/o<strong>der</strong> gehörte Greueltaten<br />
weitergaben und die mit dazu beitrugen, ein unbeschreibliches<br />
Klima von Angst zu erzeugen und die Menschen zur Flucht<br />
trieben.<br />
Google Stichwort für Postkarten Deutsch Eylau:Karte deutsch Eylau
Salmonellen (rot)<br />
5. 5. Leben Leben Leben in in in Gandelin<br />
Gandelin<br />
Irgendwann ging es weiter und wir erreichten den Endpunkt unserer<br />
Flucht, ein Dorf in <strong>der</strong> Nähe von Kolberg, Gandelin Gandelin Gandelin. Gandelin Gandelin Wir wurden<br />
bei einem Bauern einquartiert. Zusammen mit den Bauersleuten<br />
waren wir ca’ 20 - 25 Personen.<br />
Zu essen gab es Pellkartoffeln mit gebratenem Speck und Milch.<br />
Um einen großen Tisch herum saßen alle Bewohner <strong>des</strong> Bauernhofes.<br />
Es war ein einfacher Holztisch, ohne Tischdecke. In <strong>der</strong> Mitte<br />
stand eine Schüssel mit Pellkartoffeln und ein Topf mit gebratenen<br />
Speckwürfeln. Teller gab es nicht. Nun nahm sich je<strong>der</strong> eine<br />
Kartoffel, pellte sie ab und aß sie dann mit den gebratenen Speckwürfeln.<br />
Thyphus-Epedemie<br />
Thyphus-Epedemie<br />
Einige Wochen nach unserer Ankunft brach eine Thyphus-<br />
Epedemie aus. Mehre Leute starben und für mich war auch schon<br />
ein Sarg gezimmert. Meine Mutter brachte mich auf einem Pferdefuhrwerk<br />
nach Belgard ins Krankenhaus, mußte aber wie<strong>der</strong> unverrichteter<br />
Dinge abziehen, da das Krankenhaus dieser Epedimie<br />
hilflos gegenüberstand. Einige Ratschläge gab es, die meine Mutter<br />
befolgte und mir damit wahrscheinlich das Leben rettete. Die<br />
Krankheitssymptome waren, dass kein Essen bei mir behalten<br />
konnte und bis auf die Knochen abmagerte. Das einzige was ich<br />
bei mir behielt war Haferschleim mit <strong>Was</strong>ser gekocht. Nachdem<br />
ich so wochenlang im Bett lag, habe ich allmählich die Krankheit<br />
überwunden. Ich glaube, mir gingen auch die Haare aus. Ich war<br />
so abgemagert, dass ich wie ein Greis aussah.<br />
Die Bauersleute waren mit dem Essen uns gegenüber sehr knauserig.<br />
Angeblich hatten sie selber nichts. Das stimmte aber nicht.<br />
Als die Russen kamen, entdeckten sie hinter <strong>der</strong> Hundehütte ein<br />
<strong>Lebens</strong>mittelversteck und dabei kamen die tollsten <strong>Lebens</strong>mittel<br />
zum Vorschein. Eingewecktes Obst, Gemüse und Fleisch in Hülle<br />
und Fülle. Das nahmen sich natürlich die Russen mit und wir sagten<br />
schadenfroh, das schadet euch garnichts, uns wolltet ihr nichts<br />
geben und nun habt ihr auch nichts davon.<br />
Die Die Russen Russen Russen kommen<br />
kommen<br />
Tagelang lebten wir nun so dahin, täglich voll Angst die Russen<br />
erwartend. Es gab vorsichtige Annäherungsversuche an die polnischen<br />
Fremdarbeiter, die ja auf den Bauernhöfen arbeiteten und<br />
von denen die Deutschen wußten, daß sie mit den Russen verbündet<br />
waren. Von ihnen erhoffte man sich Hilfe gegenüber den Russen.<br />
Zu diesem Zweck wurden sie, an<strong>der</strong>s als zur Zeit <strong>der</strong> Nazi-<br />
Siege, zuvorkommend und z.T. unterwürfig, behandelt.<br />
Je<strong>des</strong>mal wenn es hieß, „die Russen kommen“, flüchteten alle in<br />
den Keller <strong>des</strong> Schuppens, <strong>der</strong> hierfür etwas hergerichtet wurde.<br />
Beson<strong>der</strong>s die Frauen hatten Angst vor Vergewaltigungen. Und
dann war es tatsächlich soweit, aber an<strong>der</strong>s als wir befürchtet hatten.<br />
Mit Karacho fuhr ein Pferdewagen auf den Hof, auf ihm stand<br />
ein Russe in bunter Uniform. Der Wagen hielt, <strong>der</strong> Russe sprang<br />
ab, ging in’s Haus und verlangte von <strong>der</strong> alten Bäuerin zu essen.<br />
Spiegelei piegelei piegelei mit mit S SSpeck<br />
S peck<br />
Die an<strong>der</strong>en hatten sich in den Keller geflüchtet. Ich war draußen<br />
geblieben. Nach einer Weile ging ich an die Küchentür und sah<br />
vorsichtig um die Ecke. Der Russe saß am Küchentisch und aß<br />
Spiegelei mit gebratenem Speck und Brot. Als er mich entdeckte,<br />
winkte er mich zu sich ran. Ich bekam einen Riesenschreck und<br />
näherte mich vorsichtig dem Tisch. Er bedeutete mir, mich hinzusetzen<br />
und befahl <strong>der</strong> Bäuerin, mir ebenfalls einen Teller zu bringen.<br />
Ich bekam seit Monaten erstmalig Spiegelei mit Speck. „Das<br />
machte mich zum Kommun<strong>ist</strong>en.“<br />
Das Das „Gewehr“ „Gewehr“<br />
„Gewehr“<br />
Eines Tages kamen mehrere Russen auf das Gehöft und suchten<br />
nach mir. Ich dachte sie wollten etwas wegen meines braunen Hitlerjungen-Hem<strong>des</strong>.<br />
Das war das einzige Hemd das ich auf <strong>der</strong> Flucht<br />
hatte. Aber sie wollten etwas an<strong>der</strong>es. Ein Soldat sagte, ich solle<br />
sagen wo die Waffen vergraben seien. Ich wußte nichts von Waffen<br />
und sagte das auch. Er glaubte mir aber nicht, nahm seinen<br />
Säbel und fuchtelte mir damit vor <strong>der</strong> Nase rum und sagte, er werde<br />
mich damit aufspießen und in die Luft schleu<strong>der</strong>n, sodaß ich<br />
auf dem Scheunendach lande. Ich wußte aber tatsächlich nichts<br />
von Waffen. Die Russen begannen also eine große Suchaktion,<br />
fanden auch nichts. Dann trieben sie alle Leute <strong>des</strong> Bauernhofes<br />
hinter <strong>der</strong> Scheune zusammen. Wir mußten uns mit dem Gesicht<br />
zur Wand stehend, nebeneinan<strong>der</strong> aufstellen. Hinter uns wurde ein<br />
Maschinengewehr auf einem Dreibein montiert. Plötzlich begannen<br />
die Erwachsenen das Vater-Unser zu beten. Ich begriff das<br />
alles gar nicht so richtig und empfand nur die Mücken und das lange<br />
Stehen als unangenehm. Nachdem wir so eine Weile gestanden<br />
hatten, schossen die Russen eine Maschinengewehrgarbe in<br />
die Luft und trieben uns dann wie<strong>der</strong> ins Haus. Nachts kamen sie<br />
erneut, aber es geschah nichts. Am an<strong>der</strong>en Tag stellte sich heraus,<br />
daß ein Polenjunge mit dem wir spielten, von einem Gewehr<br />
gesprochen hatte. Es war ein Spielzeuggewehr aus Holz, mit dem<br />
wir spielten. Seine Eltern haben das wahrscheinlich den Russen<br />
an<strong>der</strong>s wie<strong>der</strong>gegeben und so kam es zu dieser Aktion.<br />
Die Die Die Biene<br />
Biene<br />
Ein lustiges Erlebnis, das aber auch böse hätte ausgehen können,<br />
hatten wir mit einem Russen, <strong>der</strong> den Bienenstock plün<strong>der</strong>te. Wir<br />
sahen wie er sich eine Bienenwabe aus dem Stock holte, ein Stück<br />
abbiß, darauf rumkaute bis <strong>der</strong> Honig raus war und dann das Wachs<br />
ausspuckte. Plötzlich vollführte er einen „Indianertanz“ und brüllte<br />
laut. Wir wußten erst garnicht was los war und lachten wegen seiner<br />
komischen Bewegungen und Grimassen die er zog. Das machte
ihn aber nur noch wüten<strong>der</strong> und er griff nach seiner P<strong>ist</strong>ole. Da<br />
machten wir uns aus dem Staub. Der Grund für sein Verhalten war,<br />
eine Biene hatte ihn beim Abbeißen <strong>der</strong> Wabe in die Lippe gestochen.<br />
Vergewaltigungen<br />
ergewaltigungen<br />
Auf dem Bauernhof lebten mehrere junge Frauen. So u.a. die junge<br />
Bäuerin und ihre Schwester und von uns meine Tanten. Sowohl<br />
am Tage als auch in <strong>der</strong> Nacht kamen die Russen und die Polen<br />
um sich Frauen zu holen. Meine Mutter wurde davon verschont,<br />
weil sie immer dann, wenn die Russen o<strong>der</strong> Polen kamen, meine<br />
kleine Schwester auf den Arm nahm und sich nicht von ihr trennte.<br />
Den an<strong>der</strong>en Frauen ging es aber nicht so gut. Obwohl sie sich alt<br />
und häßlich machten, wurden sie nicht verschont. Ich begriff das<br />
alles nicht so richtig und bekam nur die äußeren Ereignisse mit.<br />
So hatte ein Russe am Tage die junge Bäuerin in das Schlafzimmer<br />
gezerrt und ich konnte durch die Türe hören wie die Bäuerin<br />
immer nur sagte „stare bab“ was so viel wie „alte Frau“ hieß. Das<br />
beeindruckte den Russen aber nicht. Der Mann <strong>der</strong> Bäuerin war<br />
als Soldat an <strong>der</strong> Front. Nach <strong>der</strong> Vergewaltigung hatte ich das<br />
Gefühl, daß die alte Bäuerin ihrer Schwiegertochter an<strong>der</strong>s gegenübertrat<br />
als vorher. So als ob sie einen Ehebruch begangen hätte.<br />
„Kirschen-Pflücken“<br />
„Kirschen-Pflücken“<br />
Vielfach wuden die Frauen auch vom Hof o<strong>der</strong> Feld geholt um bei<br />
den Russen zu arbeiten. Da wußte man aber nie im voraus, was<br />
das für eine Arbeit war. „Kirschen-Pflücken“, hieß im allgemeinen<br />
Vergewaltigung. Von <strong>der</strong> Schwester <strong>der</strong> jungen Bäuerin sagte man,<br />
daß sie einmal von 9 o<strong>der</strong> 10 Russen hintereinan<strong>der</strong> vergewaltigt<br />
worden sein soll. Es wurden aber auch Küchenarbeiten verlangt<br />
und da bekamen die Frauen immer etwas zu essen mit.<br />
Wenn es hieß die Russen kommen, versteckten sich die Frauen<br />
sofort. Eine meiner Tanten hatte sich einmal oben in <strong>der</strong> Scheune<br />
versteckt, wurde aber von einem Russen aufgestöbert. Sie rannte<br />
zur Luke und sagte sie würde sich da runterstürzen. Das beeindruckte<br />
den Russen aber nicht und er griff nach ihr. Da sprang sie<br />
runter und wurde unten von einem an<strong>der</strong>en Russen aufgefangen,<br />
<strong>der</strong> sie laufen ließ. Ohne diesen Russen hätte sich meine Tante mit<br />
Sicherheit die Knochen gebrochen, denn die Luke war min<strong>des</strong>tens<br />
5 Meter hoch.<br />
Es Es gab gab auch auch merkwürdige merkwürdige merkwürdige Sachen<br />
Sachen<br />
Ein Pole war hinter einer meiner jungen Tanten her und erzählte<br />
wohl, daß er sie liebe und <strong>des</strong>halb nicht mit Gewalt nehmen wolle.<br />
Meine Tante sagte aber immer wie<strong>der</strong> nein. Er ließ aber nicht lokker<br />
und sagte er wolle meiner Tante nichts tun, sie solle nur bei ihm<br />
schlafen. Eines abends ging dann meine Tante zu ihm rauf aufs<br />
Zimmer, weil er ja versprochen hatte ihr nichts zu tun. In <strong>der</strong> Nacht<br />
hörten wir dann ein Geschrei und meine Tante kam heulend von<br />
oben runter. Der Pole hat sich dann wütend davon gemacht.
Bericht aus dem Internet<br />
6. 6. Ausreisegenehmigung Ausreisegenehmigung nach nach Berlin.<br />
Berlin.<br />
Im Herbst 1945 gab es grundsätzlich die Möglichkeit nach Deutschland<br />
auszureisen. Wir fuhren also von Gandelin nach Kolberg Kolberg. Kolberg<br />
Meherere Tage verbrachten wir in einem ehemaligen Sanatorium<br />
um einen Zug nach Deutschland zu bekommen. Dabei wurden die<br />
restlichen Sachen, die wir auf <strong>der</strong> Flucht retten konnten, gegen <strong>Lebens</strong>mittel<br />
eingetauscht.<br />
Endlich konnten wir in einem Güterzug die Reise nach Deutschland<br />
antreten. Meine Mutter wurde dabei noch ihren Ehering los.<br />
Ein Pole verhalf ihr in dem allgemeinen Chaos, gegen den Ring,<br />
zu einem Platz im Zug. Es handelte sich um geschlossene Güterwagen.<br />
Kurz vor dem Grenzbahnhof Grenzbahnhof Scheune Scheune hielt <strong>der</strong> Zug an. Die Türen<br />
wurden von außen geöffnet und Zivilpolen strömten in die Waggons.<br />
Sie raubten den Menschen alles was nicht niet- und nagelfest<br />
war. Frauen liefen im Unterrock durch die Gegend, weil man<br />
ihnen die Klei<strong>der</strong> geraubt hatte.<br />
Auch in unseren Waggon kamen Polen. Sie tasteten sich im Dunkeln<br />
durch die Menschen und Gegenstände. An unserem Kin<strong>der</strong>wagen<br />
angekommen, befühlten sie diesen.<br />
Mit <strong>der</strong> Hand gingen sie bis auf den Boden <strong>des</strong> Kin<strong>der</strong>wagens.<br />
Plötzlich erstarrte <strong>der</strong> suchende Pole zur Salzsäule. Mit einem unbeschreiblichen<br />
Ausdruck <strong>des</strong> Ekels zog er seine Hand aus dem<br />
Kin<strong>der</strong>wagen, schüttelte sie und verließ fluchtartig den Waggon.<br />
Er Er hatte hatte in in die die „Scheiße“ „Scheiße“ gegriffen gegriffen. gegriffen<br />
Meine Mutter hatte während <strong>der</strong> Bahnfahrt keine Gelegenheit die<br />
vollgemachten Windeln zu waschen, wollte diese aber auch nicht<br />
wegwerfen, also rollte sie die vollgemachten Windeln zusammen<br />
und verstaute sie im Kin<strong>der</strong>wagen. Das rettete meiner Familie einen<br />
großen Teil <strong>der</strong> mitgenommenen Bettwäsche.<br />
Noch schlimmer als alles, was vorangeht, <strong>ist</strong> dann <strong>der</strong> Bahntransport bis über die O<strong>der</strong>. Das furchtbare Treiben beginnt<br />
bereits auf den Abgangsbahnhöfen. Mehrere Damen, unter ihnen die Witwe eines ostpreußischen Amtsgerichtsrats, die<br />
im Januar 1945 in den Kreis Stolp geflüchtet war, erzählten mir: Weil das Elend in ihrem Dorf gar zu unerträglich geworden<br />
sei, hätten sie sich entschlossen gehabt, freiwillig nach Westen abzuwan<strong>der</strong>n. Mit einem Bündel, das ihre letzten Habseligkeiten<br />
enthielt, seien sie in den fahrplanmäßigen Zug in Stolp eingestiegen. Der Zug, <strong>der</strong> am Vormittag abfahren sollte,<br />
wurde am späten Nachmittag auf ein Abstellgleis gefahren. Bei Anbruch <strong>der</strong> Dunkelheit sei dann eine große Schar von<br />
polnischen Eisenbahnbeamten (!) über den Bahnkörper auf den Flüchtlingszug gestürmt, ein ohrenbetäuben<strong>des</strong> Getön<br />
von Trillerpfeifen habe eingesetzt, P<strong>ist</strong>olenschüsse wurden dicht über die Köpfe hin abgefeuert, Tränengaskörper in die<br />
Waggons geworfen, und in <strong>der</strong> allgemeinen schrecklichen Panik wurde sämtliches Gepäck von den Bahnbeamten<br />
geräubert. Die Damen erklärten, sie seien nun auch den Rest ihrer Habe los geworden. Aber sie wagten es nicht, freiwillig<br />
die Schreckensfahrt über die O<strong>der</strong> anzutreten. Sie wollten abwarten, bis man sie hinausstieße.<br />
Ich selbst war während <strong>des</strong> eigentlichen Transportes mit meinen Angehörigen nur geringfügigen Belästigungen ausgesetzt,<br />
da wir gegen Zahlung einer hohen Bestechungssumme (tausend Mark pro Kopf) in dem Waggon <strong>der</strong> polnischen<br />
Bahnpolizei mitfahren durften. Die übrigen Wagen wurden unterwegs von polnischen Milizsoldaten und russischer Soldateska<br />
völlig ausgeplün<strong>der</strong>t. Von unserm Waggon wurden die Plün<strong>der</strong>er, die in Abteilungen von 50 bis 200 Mann laufend<br />
den Zug etwa eine Stunde lang im Wechsel begleiteten, durch die bewaffneten Bahnpoliz<strong>ist</strong>en abgewehrt. Auf <strong>der</strong> letzten<br />
polnischen Station Scheune wurde uns Insassen <strong>des</strong> geschützten Waggons freilich auch noch von unseren eigenen<br />
Beschützern im Verein mit polnischer Miliz <strong>der</strong> größte Teil unseres Gepäcks gestohlen. Und doch waren wir von Herzen<br />
dankbar, als wir völlig ausgeplün<strong>der</strong>t die Grenze erreichten. Waren wir doch alle zusammen geblieben, wenn auch mein<br />
Vater im Russengefängnis gestorben und <strong>der</strong> Vater meines Schwagers von den Russen verschleppt und seither verschollen<br />
<strong>ist</strong>. Bis zum letzten Augenblick fürchteten wir noch, daß meine Verhaftung, die bereits angekündigt war, doch<br />
noch erfolgen würde. Außerdem gehörten wir zu den wenigen Menschen auf dem Bahnhof Bahnhof Bahnhof Bahnhof Bahnhof Scheune Scheune Scheune Scheune Scheune unter den Tausenden,<br />
die doch wenigstens ihre Mäntel und das, was sie sonst auf dem Leibe hatten, behalten hatten.
Stettiner Bahnhof Berlin<br />
Das zerstörte Berlin<br />
Der Fichtebunker in Kreuzberg<br />
6. 6. 6. Ankunf Ankunft Ankunf t in in Berlin Berlin - - die die ersten ersten Jahre.<br />
Jahre.<br />
Im Oktober 1945 kamen wir in Berlin am Stettiner Bahnhof an. Als<br />
erstes mußten wir zum Entlausen. Zu diesem Zweck wurden wir<br />
mit einer Handpumpe mit Entlausungspulver eingestäubt. Mit <strong>der</strong><br />
U-Bahn fuhren wir dann nach Hause in die Gneisenaustraße 60.<br />
Die Miete für die Wohnung hatte meine Mutter bis zuletzt überwiesen.<br />
Wir wußten allerdings nicht ob unser Haus noch stand. Es war<br />
also ganz schön spannend als wir aus <strong>der</strong> U-Bahn Gardepionierplatz<br />
(heute Südstern)ausstiegen und zur Gneisenaustraße 60 gingen.<br />
Mit großer Erleichterung stellten wir dann fest, daß unser Haus<br />
noch stand. Nun ging es ins Haus. Wir wohnten im ersten Quergebäude,<br />
im ersten Stock. Wir gingen die Treppe hoch und sahen an<br />
<strong>der</strong> Türe einen fremden Namen. Auf unser Klopfen machte eine<br />
uns unbekannte Frau die Türe auf. Wir sagten Guten Tag, wir sind<br />
die Mieter dieser Wohnung. Die Frau sagte, daß sie jetzt darin<br />
wohne und auch nicht daran denke auszuziehen. Da meine Mutter<br />
aber nachweisen konnte, daß sie bis zuletzt die Miete gezahlt hatte,<br />
mußte die Frau dann doch raus und wir zogen ein. Für den Zuzug<br />
nach Berlin gab es einen Stichtag den wir verpaßt hatten. Das<br />
Ergebnis war u.a., daß wir keine <strong>Lebens</strong>mittelkarten bekamen. Um<br />
nicht zu verhungern, durften wir uns jeden Tag im Fichtebunker einen<br />
halben Liter Suppe und ein Stück Brot abholen. Heizmaterial<br />
erhielten wir ebenfalls nicht. Um nicht zu erfrieren brachten wir die<br />
me<strong>ist</strong>e Zeit zu Dritt im Bett zu. Meine kleine Schwester, meine<br />
Mutter und ich. Meine Schwester hatte zeitweilig ganz dicke rote<br />
Händchen wenn wir mal nicht aufgepaßt hatten und sie die bloßen<br />
Hände oberhalb <strong>der</strong> Bettdecke hatte. Elektrisches Licht gab es<br />
nicht, Kerzen hatten wir auch nicht. Um wenigstens etwas Licht zu<br />
haben, zündete ich auf einem Blechtablett Plexiglas an. Es brannte<br />
mit einer rötlichen Flamme und blakte schrecklich. Das Plexiglas<br />
hatte ich aus <strong>der</strong> Kanzel zerstörter Flugzeuge geholt, die auf<br />
dem Tempelhofer Flughafen rumstanden.<br />
Selbständigkeit<br />
Selbständigkeit<br />
Aufgrund <strong>der</strong> Verhältnisse wurde ich sehr früh selbständig. Mein<br />
Vater, 1939 zum Krieg einberufen und 1944 in Rußland umgekommen,<br />
hat sich nicht um mich kümmern können. Meine Mutter, aus<br />
<strong>der</strong> vertrauten Umgebung rausgerissen (1942 evakuiert), den Mann<br />
verloren, ein kleines Kind aufzuziehen, für die Familie zu sorgen,<br />
die Flucht und das Leben nach 1945 zu organisieren, hatte so viel<br />
zu tun, daß sie auf meine praktische Mithilfe angewiesen war. Meine<br />
Mutter <strong>ist</strong> dann hamstern gefahren. D.h., sie nahm irgendwelche<br />
Gegenstände aus <strong>der</strong> Wohnung und fuhr aufs Land, um bei<br />
den Bauern etwas zum Essen zu bekommen. Die Ausbeute war<br />
gering und die Anstrengung enorm. Z.T. fuhr meine Mutter in offenen<br />
Güter-o<strong>der</strong> Kohlewagen. Nach einiger Zeit bekam meine Mutter<br />
Arbeit als Trümmerfrau. Der Schutt mußte weggeräumt, die Ziegelsteine<br />
geputzt und das ganze mit Loren abtransportiert werden.<br />
In <strong>der</strong> Gneisenaustraße, Auf <strong>der</strong> Promenade <strong>der</strong> Gneisenaustrasse<br />
lagen Schienen, auf denen eine kleine Dampflok die Loren zog.
Überraschung<br />
Überraschung<br />
In <strong>der</strong> Zeit wo meine Mutter arbeitete o<strong>der</strong> Hamstern war, mußte<br />
ich den Haushalt führen. Saubermachen und Wäschewaschen gehörte<br />
nicht dazu, aber ich kümmerte mich um meine Schwester und<br />
das Essen. Irgendwann bekamen wir auch <strong>Lebens</strong>mittelkarten und<br />
da gab es immer für eine Dekade, das waren 10 Tage, die <strong>Lebens</strong>mittel.<br />
Die Rationen waren nicht groß und reichten auch nicht<br />
für 10 Tage. Da habe ich mir eine Methode ausgedacht mit <strong>der</strong> ich<br />
meine Mutter überraschte. Ich nahm jeden Tag von <strong>der</strong> Margarine<br />
und dem Zucker eine Kleinigkeit weg, daß man es nicht merkte<br />
und sammelte sie in einem extra Behälter. Wenn dann nun <strong>der</strong> 7.<br />
o<strong>der</strong> 8. Tag ran war, waren Zucker und Margarine aufgebraucht und<br />
meine Mutter verzweifelt. Dann kam ich mit den vorher abgeknapsten<br />
Sachen und freute mich an dem frohen Gesicht meiner Mutter.<br />
Betteln<br />
Betteln<br />
Das reichte aber alles nicht und so ging ich dann mit einem Cousin<br />
von mir, ich glaube er hieß Gerhard Czepanski, betteln. Wir fuhren<br />
mit <strong>der</strong> Straßenbahn Linie 3. Das Haus an das ich mich dabei erinnere<br />
war in <strong>der</strong> Winterfeldstraße. Mein Cousin schielte schrecklich<br />
und muß wohl auch eine leichte Meise gehabt haben. Also wir gingen<br />
in das Haus rein und klopften an eine Türe. Die Tür ging auf,<br />
eine junge Frau fragte was wir möchten. Mein Cousin verdrehte<br />
seinen Kopf und sagte: „Wir sind arme Flüchtlingskin<strong>der</strong> und wollen<br />
für unsere 10 Geschw<strong>ist</strong>er was zu essen haben.“ Die Frau sagte,<br />
„Du schwindelst doch. Du hast doch Hunger und willst für Dich<br />
was haben.“ Mit einem Grinsen und Kopfnicken bestätigte er das.<br />
Die Frau sagte wir sollten einen Moment warten. Mein Cousin machte<br />
komische Bewegungen die seine Freude über den Erfolg ausdrücken<br />
sollten. Ich wäre am liebsten im Boden versunken, so<br />
schämte ich mich. Als die Frau wie<strong>der</strong>kam hatte sie für jeden von<br />
uns in Papier eingewickelte Stullen.Es war mit Schmalz bestrichenes<br />
Weißbrot. Wir bedankten uns. Als die Türe geschlossen war<br />
riß mein Cousin sein Päckchen auf und verschlang die Stulle. Ich<br />
rührte das Brot nicht an um es für meine Schwester und meine Mutter<br />
mitzunehmen. Dann sagte ich ihm, daß ich nicht mehr mitkomme,<br />
da mir das gereicht habe. Er verstand das zwar nicht aber wir trennten<br />
uns.<br />
Kacke Kacke 3<br />
3<br />
1946/47 hatten wir einen <strong>der</strong> kältesten Winter in Berlin. Viele Häuser<br />
hatten Außentoiletten ohne Heizung. Das Ergebnis war, das<br />
alles einfror, die Toiletten nicht mehr zu benutzen waren. Aber wohin<br />
mit den Exkrementen? Nun, man konnte das jeden Morgen um<br />
7.00 Uhr bei uns auf dem Hinterhof erfahren. Im Erdgeschoß gab<br />
es das Ofenbaugeschäft Emil Brucks und je<strong>des</strong>mal bei Arbeitsbeginn<br />
gab es ein Riesengeschrei und Gefluche <strong>der</strong> Arbeiter weil in<br />
ihren Lehmbottischen und auf den Arbeitsgeräten mehr o<strong>der</strong> weniger<br />
große duftende Päckchen lagen. Die Hausbewohner warfen<br />
ihre „Hinterlassenschaft“ einfach aus dem Fenster!Aus diesem<br />
Grund war es auch nicht ratsam nach Einbruch <strong>der</strong> Dunkelheit auf<br />
die Strasse zu gehen.
das nicht tun werde und ich kleiner Knirps wäre dann <strong>der</strong> „King“.<br />
Aber an<strong>der</strong>s als sonst, wehrte er sich. Er nahm nämlich sein Kochgeschirr<br />
mit <strong>der</strong> Erbsensuppe die er bei <strong>der</strong> Schulspeisung erhalten<br />
hatte und kippte mir den Inhalt über den Kopf. Die Erbsensuppe<br />
lief mir den Kopf herunter und auf den Mantel. Der Mantel war<br />
mein bestes Stück, er war aus einer dunkelblau gefärbten Wolldecke<br />
genäht und für damalige Verhältnisse kostbar. Ich habe den<br />
Langen dann zwar ziemlich verprügelt, aber <strong>der</strong> Mantel wurde dadurch<br />
auch nicht sauber und meine Mutter machte ein ein ganz<br />
schönes Theater.<br />
Politisierung<br />
Politisierung<br />
Meine Eltern waren unpolitisch. Der Vater war Bahnpostfahrer, die<br />
Mutter Hausfrau. Politik war uns fremd. Der Winter 1946/47 war<br />
einer <strong>der</strong> kältesten. Viele Menschen sind damals erfroren und verhungert.<br />
Eines Tages kam ich von <strong>der</strong> Schule und sah ein paar<br />
Häuser von unserem Haus entfernt einen alten Mann an die<br />
Hauswehnt gelehnt auf <strong>der</strong> Erde sitzen. Er war offensichtlich vor<br />
Schwäche dort zusammengesunken. Das tat mir sehr leid. Zu gleicher<br />
Zeit fuhr ein dunkelblauer 170er Merce<strong>des</strong> vorbei ( Das war<br />
damals noch etwas beson<strong>der</strong>es).Und dieser Gegensatz traf mich<br />
unmittelbar und verletzte mein ursprüngliches Gerechtigkeitsempfinden.<br />
In diesem Moment wünschte ich mir eine Handgranate<br />
die ich unter das Auto hätte werfen können. In dem Wagen saß<br />
nämlich ein Schieber aus unserem Nachbarhaus. Im Hausflur hatten<br />
Leute den Spruch angebracht, „Schieber, Pupka, Thiess, Verbrecher<br />
Schilde.“ Ich glaube das war meine erste gefühlsmäßige<br />
Politisierung. Ich empfand diese Gegenüberstellung <strong>des</strong> verhungernden<br />
Mannes und den „dicken Merce<strong>des</strong>“ mit dem Schieber<br />
als so empörend und ungerecht, daß ich mir die Handgranate<br />
wünschte. Dieses Gerechtigkeitsempfinden blieb mein ganzes<br />
Leben eine wichtige Triebfe<strong>der</strong> meines Handelns.<br />
Wahrscheinlich durch die Erziehung meiner Mutter, aber auch durch<br />
die Verhältnisse hatte ich ein ausgeprägtes Gerechtigkeitsempfinden<br />
und Mitleid mit Schwachen. Das hin<strong>der</strong>te mich nicht die<br />
oben beschriebene Hänselei mitzumachen, führte aber hinterher<br />
zu einem schlechten Gewissen.<br />
Opa Opa Opa Jabs Jabs Jabs und und die die Handgranate<br />
Handgranate<br />
Eine Handgranate wurde Opa Jabs zum Verhängnis. Opa Jabs<br />
war ein alter Mann <strong>der</strong> bei uns im 4. Stock wohnte. Er war ein oller<br />
Tüftler <strong>der</strong> den Leuten im Haus alles mögliche kostenlos reparierte.<br />
Opa Jabs sammelte alles und hatte für alles Verwendung. Eines<br />
Tages nun gab es einen großen Knall und Opa Jabs war nicht<br />
mehr. Es hieß, er habe von einer Eierhandgranate den Abzugsring<br />
abmachen wollen und dabei sei die Handgranate explodiert. Sein<br />
Gehirn klebte an <strong>der</strong> Wohnzimmertüre. Das machte mich sehr traurig<br />
denn Opa Jabs war zu uns Kin<strong>der</strong>n immer freundlich, zeigte uns<br />
viele Sachen die er machte und reparierte unser Spielzeug.<br />
Kuhstall Kuhstall<br />
Kuhstall<br />
In <strong>der</strong> Gneisenaustr. 66 war auf dem 2. Hof ein Kuhstall. Dort kauften<br />
wir regelmäßig mit einer Milchkanne unsere Milch ein.<br />
Nach dem Kriege gab es dort auch Bleifiguren. Meine Mutter<br />
schenkte mir zu Weihnachten eine große Zahl Indianer, Tiere und<br />
Bäume. Das war neben den Rennern mein liebstes Spielzeug.
Spiele-S piele-S piele-S piele-Spielzeug<br />
piele-S pielzeug<br />
Die Spiele und das Spielzeug waren an<strong>der</strong>s als heute. Ich glaube<br />
zwei Gründe waren hierfür ganz entscheidend: Erstens hatte das<br />
Auto noch nicht die alles bestimmende Funktion, die Straße war<br />
noch Spielort und zweitens hatte <strong>der</strong> Kunststoff (PVC) das Kin<strong>der</strong>zimmer<br />
noch nicht erobert. Gebrauchsgegenstände und technische<br />
Artikel wurden zwar in größerem Umfang aus „Bakelit“ hergestellt,<br />
im Kin<strong>der</strong>zimmer herrschten aber die natürlichen Materialien wie<br />
Holz Stoff und Metall.<br />
<strong>Was</strong> man als Spielzeug hatte hing natürlich vom Geldbeutel <strong>der</strong><br />
Eltern ab. Der Traum eines jeden Jungen waren eine elektrische<br />
Eisenbahn und ein Tretroller.Bei<strong>des</strong> war für unsere Verhältnisse<br />
unerschwinglich.Dennoch hatte ich Spielzeug das mir viel Spaß<br />
machte.<br />
Hopse<br />
Hopse<br />
Ein sehr beliebtes Hüpfspiel hieß Hopse. Mit einem Stein auf dem<br />
erhobenen Fuß, hüpfte man über die Zahlenfel<strong>der</strong>.<br />
Beson<strong>der</strong>s begehrt war das Hopsen mit einer Kette auf dem Fuß.<br />
Z.B. aus Büroklammern.<br />
Triesel riesel riesel<br />
Fast je<strong>des</strong> Kind hatte einen Triesel. Das war ein kegelförmiges<br />
Gebilde aus Holz mit einer Metallspitze.Dazu gehörte ein Stock<br />
mit einer Schnur daran (Peitsche), diese wickelte man um den<br />
Triesel und ließ ihn schnell auf <strong>der</strong> Erde abrollen. Der Triesel drehte<br />
sich jetzt auf seiner Spitze und wurde durch Peitschenhiebe in<br />
Bewegung gehalten. Zwei an<strong>der</strong>e Methoden den Triesel in eine<br />
Anfangsdrehung zu versetzen bestanden darin, ihn zwischen den<br />
beiden Händen abrollen zu lassen o<strong>der</strong> ihn in eine Ritze zwischen<br />
den Pflastersteinen aufrecht einzuklemmen und dann mit <strong>der</strong> Peitsche<br />
solange zu bearbeiten bis er sich drehte. Wer Geld hatte konnte<br />
sich einen Triesel kaufen <strong>der</strong> mit einer „Fe<strong>der</strong>kurbel“ in Drehung<br />
versetzt wurde und dann mit <strong>der</strong> Peitsche weiter getrieben<br />
wurde.Die Triesel waren unterschiedlich groß, dick und bunt. Voraussetzung<br />
für dieses Spiel war viel Platz und ein glatter, fester<br />
Boden. Die asphaltierten Höfe, die mit Steinplatten ausgelegten<br />
Fußgängersteige und bei uns <strong>der</strong> Platz um die Kirche (Gardepionierplatz)<br />
waren die hierfür geeigneten Plätze.<br />
Reifen Reifen schlagen schlagen - - Reifentreiben<br />
Reifentreiben<br />
Reifentreiben<br />
Viel Bewegung verschaffte uns das „Reifenschlagen“. Hierfür hatte<br />
man einen ca’ 1 Meter großen Holzreifen, <strong>der</strong> mit einem Holzstock<br />
geschlagen wurde und dabei rollte.Gesteuert wurde er ebenfalls<br />
mit dem Stock indem man links o<strong>der</strong> rechts von dem Reifen<br />
den Stock ranhielt und damit seine Bewegungsrichtung steuerte.<br />
Klimpern<br />
Klimpern<br />
Ein beliebtes Geschicklichkeitsspiel war klimpern. Dazu mußte man<br />
aber älter sein und Geld haben. Münzen wurden gegen eine Wand<br />
geworfen und wer am nächsten zur Wand lag, konnte als erster<br />
das Geld auf den Handrücken legen, in die Luft werfen und mit <strong>der</strong><br />
Hand greifen. Die Münzen die man gefangen hatte durfte man behalten.<br />
Die Geschicklichkeit bestand darin, beim Geldwerfen möglichst<br />
dicht an <strong>der</strong> Wand liegen zu bleiben und das Geld anschließend<br />
so geschickt hochzuwerfen und zu fangen, das möglichst viel<br />
Münzen in <strong>der</strong> Hand blieben.
Kin<strong>der</strong>wagenrad Kin<strong>der</strong>wagenrad treiben<br />
treiben<br />
Ein ähnliches Spielzeug wurde selbst hergestellt. Man nahm von<br />
einem ausrangierten Kin<strong>der</strong>wagen ein Rad, steckte ein Stück Holz<br />
in die Radbuchse so rein, daß es ca’ 5 cm an einer und/o<strong>der</strong> an<br />
beiden Seiten rausstand und mit einem langen Stock konnte das<br />
Rad jetzt auf <strong>der</strong> Straße gerollt werden.<br />
Renner<br />
Renner<br />
Das bei den älteren Jungens beliebteste Spielzeug waren die Renner.<br />
Das waren aus Zinkguß hergestellte Renn-Autos mit beweglichen<br />
Achsen und abnehmbaren Gummireifen. Es gab die verschiedensten<br />
Modelle. Das beliebteste Auto war <strong>der</strong> „Silberpfeil“ von<br />
Merce<strong>des</strong> Benz. Mit diesen Rennern veranstalteten wir auf dem<br />
Rinnstein o<strong>der</strong> auf aufgemalten Rennstrecken unsere Autorennen.<br />
Für die Rennen auf dem Rinnstein wurden die Autos mit Knete ausgestopft.<br />
Sie wurden damit schwerer, was aber wichtiger war, die<br />
Knete verhin<strong>der</strong>te, daß sie beim zu schnell den Bordstein herunterfielen.<br />
Ich hatte mehrere Renner die ich mir auch selber mit Ölfarbe<br />
in den unterschiedlichsten Farben anstrich.Dazu gehörte auch<br />
eine kleine Ölflasche zum Ölen <strong>der</strong> Achsen. Merkwürdigerweise<br />
gibt es diese Autos nicht mehr. Selbst in Antiquitätengeschäften<br />
sind sie kaum zu finden, und wenn, dann zu enormen Preisen.<br />
Schiffchen Schiffchen Schiffchen im im Rinnstein Rinnstein<br />
Rinnstein<br />
Wenn es ordentlich geregnet hatte lief viel <strong>Was</strong>ser den Rinnsteig<br />
entlang. Das benutzten wir dazu um aus Papier o<strong>der</strong> Borke<br />
hergstellte Schiffchen darin fahren zu lassen. Das war noch möglich,<br />
da es kaum am Rinnstein parkende Autos gab.<br />
Treibeball reibeball reibeball<br />
Ein Spiel das nur auf <strong>der</strong> Fahrbahn gespielt wurde war Treibeball.<br />
Zu diesem Zweck wurden zwei Mannschaften von je 5 o<strong>der</strong> mehr<br />
Kin<strong>der</strong>n gebildet die sich in einiger Entfernung gegenüberstanden.<br />
Jetzt wurde ein Tennisball in richtung <strong>der</strong> gegenerischen Mannschaft<br />
so weit geworfen wie es nur ging. Gelang es den Ball über die<br />
Mannschaft hinaus zu werfen, so mußte diese bis zu dem Punkt<br />
zurückgehen an dem <strong>der</strong> Ball lag. Von dort aus wurde <strong>der</strong> Ball nun<br />
mit dem gleichen Ziel zurückgeworfen. Es kam darauf an, den Ball<br />
möglichst früh zu fangen und schnell über die gegenerische Gruppe<br />
hinauszuwerfen und diese dadurch immer weiter zurückzutreiben.<br />
Ab und zu kam ein Fahrzeug die Straße lang, dann wurde das<br />
Spiel kurz unterbrochen. Das geschah aber nicht allzu häufig.<br />
Einkriegezeck<br />
Einkriegezeck<br />
Viel Bewegung und Lärm verursachte das Spiel Einkriegezeck.<br />
Mehrere Kin<strong>der</strong> jagten sich. Mit dem Abzählreim „Eene Meene Muh<br />
und raus b<strong>ist</strong> Du“ wurde zu Beginn ermittelt „wer dran war“. Das<br />
war <strong>der</strong>jenige <strong>der</strong> beim Abzählen als letzter übrigblieb. Dieser<br />
mußte nun versuchen ein Kind „abzuschlagen“. D.h., man mußte<br />
versuchen ein Kind einzukriegen und zu berühren und dann war<br />
dieses Kind dran.
Verstecken erstecken<br />
Wie<strong>der</strong> mit einem Abzählreim wurde <strong>der</strong>jenige ermittelt <strong>der</strong> die<br />
versteckten Kin<strong>der</strong> suchen mußte. Zu diesem Zweck mußte er sich<br />
in eine Ecke stellen und mit verdeckten Augen bis bis Hun<strong>der</strong>t zählen.<br />
In <strong>der</strong> Zwischenzeit versteckten sich die Kin<strong>der</strong>. Es kam jetzt<br />
darauf an möglichst viele Kin<strong>der</strong> zu entdecken, die dann gefangen<br />
waren und sich an einem bestimmten Platz sammeln mußten. Diese<br />
konnten von noch nicht entdeckten Kin<strong>der</strong>n durch berühren „erlöst“<br />
werden und rannten dann wie<strong>der</strong> weg. Wenn es einem gelang<br />
unentdeckt an einem vorher bestimmten Platz „anzuschlagen“ so<br />
war man frei.<br />
„Schätze“ „Schätze“ suchen<br />
suchen<br />
Die Keller in den Wohnhäusern hatten Fenster und davor einen<br />
freien Platz <strong>der</strong> nach oben hin mit einem Gitter abgedeckt war damit<br />
man als Fußgänger dort nicht hineinfiel.<br />
Diese Kelleröffnungen befanden sich an <strong>der</strong> ganzen Straßenfront<br />
entlang, auch vor den Geschäften.<br />
Dort fielen nun häufig kleinere Gegenstände und auch Geld hinein.<br />
Da die Abdeckungen fest eingemauert waren kamen die Verlierer<br />
an die dort hineingefallenen Sachen nicht heran. Wir machten uns<br />
das zunutze indem wir uns ein Gerät bauten mit dem wir an die<br />
Sachen rankamen. Wir nahmen eine lange Stange, einen Eßlöffel<br />
den wir rechtwinklelig abbogen und mit dem Stiel dann an die Stange<br />
banden. Mit diesem Gerät kamen wir kamen wir durch die Roste<br />
und konnten jetzt auf dem Boden <strong>der</strong> Kelleröffnung herumwühlen<br />
und dort befindliche Gegenstände heraufholen.<br />
Gefährliche Gefährliche S SSpiele<br />
S piele<br />
1. Schwärmer in Schlüsselloch<br />
Mehr Glück als Verstand hatten wir bei vielen „Spielen“. So auch<br />
beim Abbrennen von Schwärmern im Schlüsselloch <strong>der</strong> großen<br />
Haustüren. Der „Gag“ daran war, das wir einem arglosen Jungen<br />
sagten, er mal durchs Schlüsselloch schauen, da wär was und wenn<br />
er das dann tat, zündeten wir von <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Seite <strong>der</strong> Türe den<br />
Schwärmer. Wir konnten von Glück sagen, daß niemand dabei sein<br />
Augenlicht verlor.<br />
2.Katapult 2.Katapult mit mit Blei Blei<br />
Blei<br />
Ums Auge ging es auch bei den folgenden Unsinn. Katapulte o<strong>der</strong><br />
auch Katschies wie wir die Steinschleu<strong>der</strong> nannten, waren zu meiner<br />
Zeit sehr in Mode. Wir bastelten sie uns selber aus einer Astgabel<br />
und dem Gummiring vom Einwegglas. Wer etwas Geld hatte,<br />
konnte sich ein Katschie aus einer Metallgabel le<strong>ist</strong>en. Ständig<br />
waren wir auf <strong>der</strong> Suche nach geeigneter „Munition“. Eine beson<strong>der</strong>s<br />
gute Munition waren in kleine Stücke gehackte Telefonbleikabel.<br />
Einmal wäre ein Schuß beinahe ins Auge gegangen. Ich<br />
schoß aus einiger Entfernung auf ein Mädchen und sah wie es sich<br />
an die Wange faßte. Ich bekam einen Riesenschreck, aber zum<br />
Glück hatte ich nur die Wange und nicht das Auge getroffen. Dieses<br />
Erlebnis war sehr heilsam. ich schoß nie mehr auf einen Menschen.
Als <strong>der</strong> Krieg schließlich zu<br />
Ende war, wurde <strong>der</strong> Wald zu<br />
einem beliebten Ausflugsziel<br />
vieler Kin<strong>der</strong> und Jugendlicher,<br />
die Pulverstangen und<br />
Munitionsk<strong>ist</strong>en fanden. -Mit<br />
den Pulverstangen hatten wir<br />
unseren Spaß , schreibt<br />
Schwärzle, -wenn man sie angezündet<br />
hat, knallten sie wie<br />
Feuerwerkskörper.<br />
Badische Zeitung, 17.5.05<br />
Hier fuhr bis 1964 die traditionsreiche Linie<br />
3, die als „Großer Ring“ Geschichte<br />
machte.<br />
Pulverstangen Pulverstangen in in <strong>der</strong> <strong>der</strong> Flasche Flasche<br />
Flasche<br />
Ebenfalls nicht ganz ungefahrlich war das Spiel mit den Pulverstangen<br />
aus Granaten. Wir zündeten sie an einem Ende an und<br />
steckten das crennende Ende in eine leere Flasche. Die stärker<br />
brennenden Stangen schossen wie Raketen aus <strong>der</strong> Flasche. Zum<br />
Glück entzündeten sie nichts.<br />
Karbid, Karbid, mit mit W W<strong>Was</strong>ser<br />
W asser in in <strong>der</strong> <strong>der</strong> Flasche<br />
Flasche<br />
Karbid war nach dem Kriege ein vielbenutzter Stoff. Die Karbidlampe<br />
ersetzte die Gühbirne, mit Karbid wurde auch geschmeißt.<br />
Es war ein weißes Gestein, ähnlich <strong>der</strong> Kreide. Bei Berührung mit<br />
<strong>Was</strong>ser entstand ein brennbares Gas. Steckte man nun ein Stückchen<br />
Karbid in eine Flasche, machte etwas <strong>Was</strong>ser rein, dann entwickelte<br />
sich sofort das Gas. Verschloß man die Flasche mit Henkelverschluß,<br />
dann explodierte sie. Das war sehr gefährlich.<br />
Mit dieser Methode wurde auch verbotenerweise gefischt.<br />
Brennen<strong>der</strong> Brennen<strong>der</strong> Schnee<br />
Schnee<br />
In <strong>der</strong> Schule machten wir uns im Winter einen Jux daraus, in einen<br />
Schneeball ein kleines Stück Karbid zu tun und den Schneeball<br />
dann anzustecken. So hatten wir „brennenden Schnee“.<br />
Feuer Feuer im im im Hausflur<br />
Hausflur<br />
Es war im Winter und wir trieben uns herum. Am Gardepionierplatz<br />
war die Endhaltestelle <strong>der</strong> Linie 3.<br />
Damals fuhren die Straßenbahnfahrer auf dem offenen Perron. Die<br />
Weichen mußten noch von Hand umgestellt werden. Im Winter war<br />
es für den Fahrer sehr kalt und <strong>des</strong>halb hatten sie einen Pelzmantel<br />
an und trugen dicke Filzstiefel. Onkel Ernst, <strong>der</strong> Bru<strong>der</strong> von<br />
Mammi, unser spätere Tauzeuge, war Fahrer auf <strong>der</strong> Linie 3, dem<br />
großen Ring. Als Kin<strong>der</strong> standen wir häufig an den Haltestellen und<br />
riefen:<br />
„Herrr Schaffner, habn’ se ‘n Block? Das waren die Reste von dem<br />
Fahrscheinblock. Einmal haben wir uns etwas Geld verdient, indem<br />
wr an <strong>der</strong> Endhaltestelle einen vollgekotzten Straßenbahnwagen<br />
säuberten. Für das Geld kauften wir uns Streichhölzer und<br />
machten im Flur <strong>des</strong> Hauses Gneisenaustraße 61, ein Feuer an.<br />
Das wuchs uns über den Kopf und wir versuchten die Flammen mit<br />
Eis und Schnee zu löschen. Es war vergebens, bis ein Erwachsener<br />
einschritt und das Feuer löschte. Die Kellertür war etwas angekokelt<br />
aber sonst war weiter kein Schden entstanden. Aber anständig<br />
Prügel gab es doch. Feuer übte auf uns als Kin<strong>der</strong> einen<br />
seltsamen Reiz aus.
Volksschhule in <strong>der</strong><br />
Wilmsstraße.<br />
Schule in <strong>der</strong> Bergmannstraße<br />
Schleiermacherstrasse<br />
Leben Leben und und Schule Schule nach nach 1945<br />
1945<br />
Nach 1945 gab es bald wie<strong>der</strong> Schulunterricht. Ich ging damals in<br />
die Volksschhule in <strong>der</strong> Wilmsstraße. Das war die Schule in die<br />
ich während <strong>des</strong> Krieges eingeschult wurde. Trotz <strong>der</strong> großen Kälte<br />
im Winter 46/47 ging ich in meinen Holzpantinen jeden Tag hin.<br />
Le<strong>der</strong>schuhe besaß ich nicht. Ein wichtiger Grund hierfür war die<br />
Schulspeisung. Je<strong>der</strong> Schüler bekam täglich einen halben Liter<br />
Suppe, ein Stückchen Schmelzkäse und ein kleines Täfelchen<br />
Schokolade. Manchmal gab es auch gepreßten Tee mit Zucker und<br />
Milchpulver. Das kauten wir und spuckten den Tee dann aus. Diese<br />
Schulspeisung wurde nie von mir angerührt. Ich nahm sie immer<br />
mit nach Hause, damit meine kleine Schwester etwas zu essen<br />
hatte.<br />
Die Die Erbsensuppe<br />
Erbsensuppe<br />
In <strong>der</strong> Klasse hatten wir einen Schüler <strong>der</strong> ziemlich groß, aber nicht<br />
beson<strong>der</strong>s mutig war. Der wurde von uns immer gehänselt ohne<br />
dass er sich wehrte. Eines Tages beteiligte ich mich an <strong>der</strong> Hänselei.<br />
Dabei hatte ich ihn in eine Ecke gedrängt und stand nun vor<br />
ihm und for<strong>der</strong>te ihn auf sich zu wehren. Ich war sicher, daß er das<br />
nicht tun werde und ich kleiner Knirps wäre dann <strong>der</strong> „King“. Aber<br />
an<strong>der</strong>s als sonst, wehrte er sich. Er nahm nämlich sein Kochgeschirr<br />
mit <strong>der</strong> Erbsensuppe, die er bei <strong>der</strong> Schulspeisung erhalten<br />
hatte und kippte mir den Inhalt über den Kopf. Die Erbsensuppe<br />
lief mir den Kopf herunter und auf den Mantel. Der Mantel war mein<br />
bestes Stück, er war aus einer dunkelblau gefärbten Wolldecke<br />
genäht und für damalige Verhältnisse kostbar. Ich habe den Langen<br />
dann zwar ziemlich verprügelt, aber <strong>der</strong> Mantel wurde dadurch<br />
auch nicht sauber und meine Mutter machte ein ganz schönes Theater<br />
ob <strong>des</strong> verdreckten Mantels.<br />
Backpfeifen Backpfeifen von von Herrn Herrn Fuchs<br />
Fuchs<br />
Herr Fuchs war unser Klassenlehrer, ein ruhiger und freundlicher<br />
Herr. Eines Tages schrieben wir ein Diktat und als wir fertig waren<br />
mußten wir die Hefte vorne auf das Pult legen. Aus irgendeinem<br />
Grund verließ Herr Fuchs das Klassenzimmer und ließ die Diktathefte<br />
vorne auf dem Pult liegen. Ich unterhielt mich mit meinem<br />
Nachbarn über das Diktat und stellte dabei fest, dass er einen Fehler<br />
gemacht hatte. Kurz entschlossen ging ich an das Pult und suchte<br />
das Heft meines Klassenkameraden heraus, ließ den Fehler verbessern<br />
und brachte das Heft wie<strong>der</strong> zurück. In dem Moment ging<br />
die Türe auf und Herr Fuchs kam in das Klassenzimmer. Er überblickte<br />
sofort die Situation und gab mir rechts und links eine Backpfeife.<br />
Das machte mir aber nichts aus, denn wichtiger war, dass<br />
ich einem Klassenkameraden helfen wollte. In unangenehmer Erinnerung<br />
war mir Herr Schütze. Wenn er jemand bestrafen wollte<br />
griff er in die kurzen Haare hinter dem Ohr und drehte diese. Das<br />
tat ziemlich weh. Eine an<strong>der</strong>e schmerzhafte Strafe war, das er mit<br />
<strong>der</strong> schmalen Kante eines Lineals auf die Finger schlug.
Kohlenklauen<br />
Kohlenklauen<br />
Gegenüber von uns war eine Bäckerei wo ich häufig kostenlos<br />
Kuchenkrümel und Bruchkuchen bekam. Eines Tages sah ich wie<br />
vor <strong>der</strong> Bäckerei Briketts abgeladen wurden. Der Kohlenmann<br />
schippte sich immer eine Kiepe voll und trug sie dann in die Backstube.<br />
Dabei fielen auch Briketts auf die Straße. Als <strong>der</strong> Mann nun<br />
wie<strong>der</strong> mit seiner Kiepe in die Backstube ging, hob ich schnell<br />
einige Briketts auf, steckte sie in meine Manteltaschen und ging<br />
weg. Der Mann sah das aber und kam mir hinterher. Ich begann zu<br />
laufen und er ebenfalls. Im Laufen wurde ich ich durch meinen<br />
schweren Wintermantel und die in den Manteltaschen befindlichen<br />
Kohlen behin<strong>der</strong>t. Um schneller laufen zu können warf ich eine Kohle<br />
weg. Der Kohlenmann hob sie auf und warf sie nach mir. Ich ließ<br />
die zweite fallen, aber <strong>der</strong> Kerl blieb mir weiter auf den Fersen,<br />
solange, bis ich alle Kohlen los war. Gekriegt hat er mich aber nicht.<br />
Sonst hätte er mich wahrscheinlich verprügelt.<br />
Holzklauen<br />
Holzklauen<br />
Eines Tages fuhr ich alleine mit <strong>der</strong> S- und Eisenbahn nach Fürstenwalde(?)<br />
um Holz zu holen. Da diese Idee schon unzählige Menschen<br />
vor mir hatten, lag natürlich kein Holz auf dem Waldboden.<br />
Aus diesem Grunde hatte ich mit auch eine Axt, einen Sack und<br />
Seile geborgt und mitgenommen. Nach einiger Zeit fand ich auch<br />
eine abgestorbene Fichte die ich umlegte. Als ich sie in einige<br />
handliche Teile zerlegt hatte und abtransportieren wollte, kam ein<br />
Förster. Er nahm mir die Axt und das Seil weg und erklärte, gegen<br />
Zahlung eines bestimmten Betrages würde ich die Sachen wie<strong>der</strong>bekommen.<br />
Ich fuhr nach Hause um das Geld zu holen.Das Holz<br />
schleppte ich aber mit. Ich hatte es mir geholt als <strong>der</strong> Förster weg<br />
war. Als ich dann mit dem Geld wie<strong>der</strong> in dem Ort war, wußte ich<br />
nicht wo die Försterei lag. In meiner Angst hatte ich mir die Adresse<br />
von dem Förster nicht gemerkt. Das Problem war nämlich, daß<br />
die Axt und das Seil von einem Nachbarn geborgt waren und zur<br />
damaligen Zeit ein Vermögen wert waren. Ich lief in dem Ort hin<br />
und her und setzte mich schließlich heulend an den Straßenrand.<br />
Eine Frau sprach mich dann an und fragte was ich denn habe.<br />
schluchzend, erzählte ich ihr was los war. Sie nahm mich erst einmal<br />
mit zu sich nach Hause und gab mir eine Tomatenstulle zu essen.<br />
Dann ging sie mit mir los und wir kamen tatsächlich zu dem<br />
Förster. Ich zahlte10,- Mark und bekam die Axt zurück. Den Sack<br />
und das Seil behielt <strong>der</strong> Kerl.
300.00<br />
Arbeits<br />
lose !<br />
Auf dem Weg zur Arbeit<br />
Auf Auf <strong>der</strong> <strong>der</strong> Suche Suche Suche nach nach einer einer Lehrstelle<br />
Lehrstelle<br />
In den 50er 60er Jahren hatten wir i n Berlin ca. 300 000 Erwerbslose.<br />
Lehrstellen gab es ebenfalls keine. Ich war nach <strong>der</strong> Schulentlassung<br />
1 Jahr arbeitslos und in einer sogenannten V-Klasse<br />
untergebracht. Wir mußten dort Würfel feilen und S-Haken hämmern.<br />
Mein Würfel wurde immer kleiner, ohne dass es mir gelungen<br />
<strong>ist</strong> den Würfel maßhaltig und winklig herzustellen. Die Aufsicht<br />
war sehr nachlässig, gelernt haben wir außer Kartenspielen nichts.<br />
In <strong>der</strong> Zwischenzeit versuchte ich mir selbst eine Lehrstelle zu besorgen.<br />
Vom Arbeitsamt bekam ich die Adresse einer kleinen Bude,<br />
die einen Galvaniseur-Lehrling suchte. Ich ging also zur angegebenen<br />
Adresse in <strong>der</strong> <strong>Was</strong>sertorstrasse und und fand auf dem Hof<br />
einen dunklen Raum vor, in dem über brodelnden Bottichen kleine<br />
Männlein hockten und Metallteile in das Säurebad tauchten. An<strong>der</strong>e<br />
Arbeiter saßen vor ihren Schleif- und Poliermaschinen und polierten<br />
die galvanisierten Teile. Ich kam mir vor wie in <strong>der</strong> Unterwelt<br />
und ging rückwärts wie<strong>der</strong> raus.<br />
Die Die Lehre Lehre als als S SStahlformenbauer<br />
S ahlformenbauer<br />
Ich weiß nicht mehr wieviele erfolglose Bewerbungen ich abgab,<br />
aber endlich bekam ich bei einer kleinen Firma eine Lehrstelle als<br />
Stahlformenbauer. Ich konnte mir unter diesem Beruf nichts vorstellen.<br />
Im Laufe <strong>der</strong> Zeit erfuhr ich, dass es eine Spezialrichtung<br />
<strong>des</strong> allgemeinen Berufsfel<strong>des</strong> <strong>des</strong> Werkzeugmachers war. Als Stahlformenbauer<br />
baute ich Stahlforemen, mit denen man Teile aus<br />
Kunststoff pressen und spritzen konnte. Es war eine sehr interessante<br />
Arbeit! Zum Spaß hat beigetragen, dass es eine kleine Firma<br />
war, <strong>der</strong> Chef mitarbeitete und ich vom ersten Tag an selbständig<br />
an den Maschinen arbeiten konnte. Der Chef hat mir nur kurz<br />
etwas vorgemacht und sagte dann, „nun mach mal“.<br />
Dabei gab es natürlich auch brenzlige Situationen. Entsprechend<br />
den Bedingungen <strong>der</strong> damaligen Zeit stellten wir auch Gebrauchsartikel<br />
her, um sie auf dem Land gegen <strong>Lebens</strong>mittel einzutauschen.<br />
Dazu gehörten auch kleine Elektrokocher für die wir die<br />
Heizwendeln aus Wolframdraht selber wickelten. Zu diesem Zweck<br />
spannten wir auf einer Mechanikerdrehbank einen langen<br />
Silberdrahtstahl ein und ließen bei langsamer Geschwindigkeit den<br />
Wolframdraht sich aufwickeln. Das war einfach und machte Spaß.<br />
Das einzige was ich zu bemängeln hatte war, dass <strong>der</strong> Chef die<br />
Maschine so langsam laufen ließ. Ich stellte sie also schneller ein<br />
und war stolz wie ich eine Spirale nach <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en in Null Komma<br />
Nix fertig hatte. Dann aber geschah es und ich hätte beinahe den<br />
Mittelfinger <strong>der</strong> rechten Hand verloren. Der Wolframdraht war in<br />
einer großen Rolle zusammengerollt und ich führte ihn mit <strong>der</strong> Hand<br />
auf den Silberstahl. Auf einmal bildete sich eine Schlinge um meinen<br />
Finger und zog mich in die Maschine. In letzter Sekunde gelang<br />
es mir die Drehbank abzustellen, sonst wäre ich um einen<br />
Finger leichter gewesen. Der Chef fluchte natürlich und fragte warum<br />
ich die Maschine so schnell habe laufen lassen. Ich sagte ihm,<br />
das es mir Spass gemacht habe so schnell zu arbeiten. Er hatte<br />
mir nicht gesagt warum er die Maschine so langsam laufen ließ,<br />
nämlich um solche Unfälle zu verhüten. Später habe ich dann ge
An <strong>der</strong> Universalfräse.<br />
An <strong>der</strong> Drehbank arbeitete ich<br />
am liebsten.<br />
x<br />
Der Altgeselle Brandt mit den<br />
3 Lehrlingen. Ich war von den<br />
Lehrlingen am längsten da.<br />
(x (x Karl-Heinz Volck )<br />
lernt, dass es noch sicherer war, wenn man den Draht mit einer<br />
Holzkluppe führte. Wenn es dann einmal zur Schlaufenbildung kam,<br />
konnte man einfach die Kluppe loslasen und die Maschine abschalten.<br />
Ein Riesentheater ga es auch, als ich einen Metallklotz feilte<br />
und um die Flächen plan zu kriegen rieb ich ihn mit Öl und Schmirgel<br />
auf fer Richtplatte. Der Geselle fing an zu brüllen als er das sah.<br />
Ich wußte nicht warum. Erst als er mir erklärte, dass ich durch meine<br />
Schmirgelarbeiten eine Kuhle in die ganz ebene Rictplatte rieb<br />
und diese dadurch für Meßarbeiten unbrauchbar machte, sah ich<br />
das ein.<br />
Wieviel Spaß mir die Arbeit machte, konnte man daran erkennen,<br />
dass <strong>der</strong> Chef mit mir wetterte, als er mich noch abends um 22.00<br />
Uhr bei <strong>der</strong> Arbeit entdeckte. Wir hatten beschlossen alle unsere<br />
Maschinen mit einer neuen Farbe zu versehen. Das geschah im<br />
Freien und es war eine laue Sommernacht. Die Arbeit mit <strong>der</strong><br />
Spritzp<strong>ist</strong>ole machte mir so viel Spaß, dass ich darüber den Feierabend<br />
vergaß. Der Chef scheuchte mich nach Hause mit <strong>der</strong> Bemerkung,<br />
wenn das die Gewerbeaufsicht mitbekomme, sei er dran.<br />
So wie es mir nichts ausmachte bei interessanter Arbeit nicht auf<br />
die Uhr zu schauen, so lehnte ich Mehrarbeit ab, wenn sie mir nicht<br />
in den Kram paßte. Das Angebot, auch am Sonnabend zu arbeiten,<br />
lehnte ich ab. Der Chef sagte: „Dann bekommst Du auch etwas<br />
mehr Geld.“ Ich erwi<strong>der</strong>te: „Bei diesem schönen Wetter liege<br />
ich lieber am Wannsee in <strong>der</strong> Sonne.“<br />
Ich habe in diesem kleinen Betrieb viel gelernt. Allerdings auch<br />
Arbeiten verrichtet, wenn ich später an die dachte, standen mir die<br />
Haare zu Berge. Als wir mit dem Betrie umgezogen waren, war es<br />
meine Aufgabe die Maschinen an ihrem neuen Standort an den<br />
Strom anzuschließen, einschließlich Kabelverlegung. Der Chef zeigte<br />
mir nur welche Kabel mit welcher Farbe wo anzuschließen waren<br />
und fertig war es. Ich danke noch heute dem Herrgott, dass es<br />
keine Toten gab, ich war ja kein Elektiker.<br />
Während <strong>der</strong> Senior-Chef ein freundlicher, kleiner alter Herr war<br />
mit dem ich auch über politische Fragen sprach, bekam ich mit<br />
dem Junior Krach. Er hatte wahrscheinlich Min<strong>der</strong>wertigkeitskomplexe<br />
weil er so klein war. Er ging regelmäßig mit <strong>der</strong> „Rothaarigen“<br />
in eine Kammer und vögelte sie. Also ich hatte Krach mit ihm<br />
und mußte zur Strafe runter in den Keller aufräumen und Kunststoff<br />
mahlen. Das machte ich nicht lange mit und ging eines Tages zur<br />
Gewerkschaft. Das Büro <strong>der</strong> Stadtteilgruppe Tempelhof war in einer<br />
Villa untergebracht. Ich ging also da rein, machte die Tür zum<br />
Büro auf und stand einem dicken Kerl gegenüber. Es war Karl<br />
Werner, <strong>der</strong> Bezirkssekretär von Tempelhof.<br />
Ich trug ihm mein Anliegen vor, dass ich Angst hätte durch die Prüfung<br />
zu fallen, da ich berufsfremde Arbeiten verrichten mußte. Die<br />
erste Frage von Werner war, ob ich denn in <strong>der</strong> Gewerkschaft sei.<br />
Da war ich erst mal sauer, denn ich war nicht bei ihm um über Gewerkschaft<br />
zu reden, son<strong>der</strong>n damit er mir helfe! Nach einer Abkühlungsphase<br />
fragte ich was denn das koste. Es war lächerlich<br />
billig und ich trat in die Gewerkschaft ein. Das war im Juni 1952.<br />
Nun erzählte ich ausführlich worum es ging. Zum Glück hatte ich<br />
regelmäßig und wahrheitsgetreu mein Berichtsheft geführt und <strong>der</strong>
Chef hat die Berichte auch regelmäßig unterschrieben. Und aus<br />
diesen Berichten ergab sich eindeutig, dass ich am Anfang meiner<br />
Ausbildung Ausbildungsarbeiten verrichtete und erst in den letzten<br />
mit ausbildungsfremden Tätigkeiten beschäftigt wurde. Kollege<br />
Werner versprach mir mit meinem Chef mal zu reden. Zum Glück<br />
war ich an dem Tag wo er mit meinem Chef sprach, in <strong>der</strong> Berufsschule,<br />
aber meine Kollegen erzählten mir später wie das „Gespräch“<br />
abgelaufen sei. Von Gespräch konnte keine Rede sein,<br />
die körperlich so ungleichen Figuren brüllten sich gegenseitig an.<br />
Als ich dann wie<strong>der</strong> in den Betrieb kam, war die Athmoshäre eisig.<br />
Ich mußte auch zwei, drei Tage weiter im Keller arbeiten, aber dann<br />
bekam ich wie<strong>der</strong> ordentliche Arbeiten. So kam ich zur IG Metall.<br />
Die Die Die ersten ersten Jahre Jahre bei bei <strong>der</strong> <strong>der</strong> IGM IGM Jugend<br />
Jugend<br />
Für mich war natürlich klar, wenn ich schon in <strong>der</strong> Gewerkschaft<br />
war, dann wollte ich auch aktiv sein. Ich wurde auch ziemlich schnell<br />
Jugendgruppenleiter. In <strong>der</strong> damaligen Zeit war das noch durchaus<br />
attraktiv. Einmal in <strong>der</strong> Woche trafen wir uns zum Gruppenabend.<br />
Ich hatte das Programm so gestaltet, dass es eine Mischung<br />
aus Unterhaltung und politischer Aufklärung. Wobei ich mir über<br />
die Bedeutung <strong>der</strong> politischen Arbeit keine Illusionen machte. Die<br />
Jungen kamen hauptsächlich wegen <strong>der</strong> Mädchen und umgekehrt.<br />
Allerdings haben wir auch die politischen Themen so gestaltet, dass<br />
viel „Äktschen“ dabei war. So bastelten wir in <strong>der</strong> Vorweihnachtszeit<br />
für einen Kin<strong>der</strong>garten Holzspielgzeug. O<strong>der</strong> machten so praktisch<br />
Abende nach Knigge. Benimm-Regeln waren damals ein großes<br />
Bedürfnis. Wir gingen zu diesem Zweck auch zum KuDamm<br />
und sahen an einem ebenerdigen Restaurant den Leuten beim<br />
Essen zu. Wir hatten viel Spaß, den Leuten war das sicher nicht so<br />
angenehm. Den Jugendgruppenraum gestalteten wir selber. Unsere<br />
Guppe hatte im Durchschnitt 25 Gruppenmitglie<strong>der</strong>. Sehr<br />
schön waren die gemeinsamen Jugendgruppenfahrten. Unsere<br />
Reiseziele waren die Fränkische Schweiz, Bayern, Sylt und sogar<br />
Prag. Für Chr<strong>ist</strong>a und mich war das natürlich prima. Immer wenn<br />
wir in Urlaub fuhren, sagten wir es sei mit <strong>der</strong> Jugendgruppe - und<br />
da konnte ja nichts passieren!<br />
Einmal haben wir bei einem Jugendgruppenwettbewerb den zweiten<br />
Preis gewonnen, dass war ein Kaffeenachmittag mit <strong>der</strong> ganzen<br />
Jugendgruppe bei Willy Brandt. Der war damals Bürgerme<strong>ist</strong>er<br />
von Berlin.
Das Nachbarschaftsheim<br />
in <strong>der</strong> Urbahnstraße 23<br />
Die „Schicksalsbank“ in <strong>der</strong><br />
Bärwaldstrasse: „ Willst du<br />
mein Mädchen werden?<br />
„Na ja!“<br />
„Altes Zollhaus“ in Kreuzberg<br />
Diesen Ort suchten wir regelmäßig<br />
zum Knutschen auf.<br />
Die Die große große Liebe<br />
Liebe<br />
Willst Willst du du mein mein Mädchen Mädchen werden?<br />
werden?<br />
Ich hatte eine ziemlich große Klappe. Im<br />
Umgang mit Mädchen war ich allerdings<br />
sehr unbeholfen und schüchtern. Im Nachbarschaftsheim<br />
in <strong>der</strong> Urbanstraße in<br />
Kreuzberg war ein Jugendtreff.<br />
Dort hatten wir Jugendgruppenabende und<br />
sonstige Freizeitvergnügungen wie Tischtennis,<br />
Crocket, und Hufeisen-werfen. Chr<strong>ist</strong>a und ich gehörten zur<br />
Jugendgruppe. Und irgendwie und irgendwann entflammte sie mein<br />
Herz. Aber wie sie „einfangen“?<br />
Da ich gut Tischtennis spielte bot ich ihr an es ihr beizubringen. So<br />
entstanden engere Kontakte.Eines Tages fragte ich sie ob ich sie<br />
nach Hause bringen dürfte. Es handelte sich um einen Fußweg<br />
von 10 Minuten. Sie sagte ja und wir gingen los.<br />
Als wir in Höhe <strong>der</strong> Bärwaldstrasse waren schlug ich ihr vor einen<br />
kleinen Umweg durch die Parkanlage zu machen. (Dort standen<br />
Bänke). Sie willigte ein. Und nun begann <strong>der</strong> „Kampf“.<br />
Die erste Bank war besetzt.<br />
Bei <strong>der</strong> zweiten Bank verließ mich <strong>der</strong> Mut. Nachdem ich mich wie<strong>der</strong><br />
„aufgebaut“ hatte und entschlossen war sie auf die nächste<br />
Bank zu locken, war auch diese besetzt. Und jetzt kam die letzte<br />
Gelegenheit, die letzte Bank. Sie war frei!<br />
Ich nahm all meinen Mut zusammen und sagte:<br />
„Wollen wir uns nicht etwas ausruhen?“<br />
(Wir waren gerademal 7 Minuten unterwegs).<br />
Sie war einverstanden. Und nun hatte ich wie<strong>der</strong> ein Problem, wie<br />
sollte ich ihr nur sagen, daß ich sie haben wolle.<br />
„Willst Du meine Freunde werden?“<br />
Das war für die „Größe meiner Liebe“ zu banal, das sagten alle.<br />
„Willst Du meine Frau werden?“<br />
Soweit war es nun auch noch nicht. Und da hatte ich einen grandiosen<br />
Einfall <strong>der</strong> den Sachverhalt, als auch meine Gefühle angemessen<br />
zum Ausdruck brachte, ich sagte:<br />
„Willst „Willst Du Du mein mein Mädchen Mädchen werden?“ werden?“<br />
werden?“<br />
Sie hauchte: „Na ja.“<br />
Damit war <strong>der</strong> erste Schritt zur Gründung <strong>der</strong> „Volcksfront“ getan.<br />
Kuß Kuß Kuß mit mit Zungenschlag<br />
Zungenschlag<br />
Aus dem Kino wußte ich aber, daß nun noch etwas kommen mußte<br />
das man Küssen nannte. Von beson<strong>der</strong>s aufgeklärten Kumpels<br />
hatte ich so etwas wie „Küssen mit Zungenschlag“ gehört. Ich hatte<br />
natürlich keine Anhnung was das war. Also machte ich es so wie<br />
im Film, beugte mich über Chr<strong>ist</strong>a und preßte meinen Mund auf<br />
den ihren.<br />
Nun war es besiegelt!<br />
Eine Woche später fragte mich Chr<strong>ist</strong>a warum ich sie damals auf<br />
<strong>der</strong> Bank so gebissen habe?<br />
Ich sagte, das sei „Kuß mit Zungenschlag“ gewesen.
Ich Ich hätte hätte ihn ihn ihn erschossen!<br />
erschossen!<br />
Die Die unsterblich unsterblich V VVerliebten<br />
V erliebten<br />
In meiner übergroßen Liebe zu<br />
Chr<strong>ist</strong>a war ich sehr selbstsüchtig<br />
und rücksichtslos. Eines Tages<br />
bekam Chr<strong>ist</strong>a Stubenarrest und<br />
sagte mir, daß wir uns <strong>des</strong>halb<br />
nicht treffen können. Ich war völlig<br />
aus dem Häuschen und sagte,<br />
wenn sie nicht komme, sei es mit<br />
uns aus. Ich konnte keinen Tag<br />
mehr ohne sie sein.<br />
Da sie mich auch sehr liebte ging<br />
sie auf dem Weg zur Post (sie<br />
brachte jeden Tag die Geschäftspost<br />
weg) nicht nach Hause zurück,<br />
son<strong>der</strong>n kam zu mir.<br />
Es war wie immer wun<strong>der</strong>bar.<br />
Aber das dicke Ende kam als sie<br />
wie<strong>der</strong> nach Hause ging. Sie wurde<br />
von ihrem Vater im Wohnzimmer<br />
empfangen und bekam rechts<br />
und links Backpfeifen. Ich stand auf <strong>der</strong> gegenüberliegenden Straßenseite und mußte mir das mit<br />
ansehen. Ihr Vater riß dann noch das Fenster auf und beschimpfte mich. Hätte ich in diesem Moment<br />
eine Kalschnikow gehabt, ich hätte den Kerl umgelegt!<br />
Aber allmählich mußten Chr<strong>ist</strong>as Eltern daran gewöhnen, dass ihr Nesthäkchen eigene Wege ging<br />
und an ihrem Mann festhielt. Nachdem das erste Kind da war, schmolzen Oma und Opa dahin.
Chr<strong>ist</strong>as Familie<br />
Die Mutter Erna heiratete am 13. April 1922 den Kaufmann Walter Michelis. Sie bekamen die Generalvertretung<br />
<strong>der</strong> Belzer Werkzeuge für Berlin.<br />
Erna und Walter Michelis nach 1945 Die Familie Michelis:<br />
v.l.n.r. Sohn Achim, Mutter Erna, Tochter Inge,<br />
Vater Walter und Nesthäkchen Chr<strong>ist</strong>a.<br />
Chr<strong>ist</strong> Chr<strong>ist</strong>a Chr<strong>ist</strong> a (X) (X) als als Kind Kind - - die die werdende werdende Frau Frau V VVolck<br />
V olck<br />
x<br />
x
Ein Wun<strong>der</strong> <strong>der</strong><br />
Natur!<br />
<strong>Was</strong> aus so<br />
einer so kleinen<br />
Kruke alles wird!<br />
Chr<strong>ist</strong>a als Kind,<br />
Vom Kind zur Frau<br />
Chr<strong>ist</strong>a wurde am 14. 11. 1935 im Kin<strong>der</strong>krankenhaus in <strong>der</strong><br />
Möllenhoffstrassse in Kreuzberg geboren. Sie war ein Nachzügler.<br />
Der Bru<strong>der</strong> Achim war 6 Jahre älter und die Schwester Inge<br />
10 Jahre. Beide Geschw<strong>ist</strong>er blieben kin<strong>der</strong>los, Nesthäkchen<br />
brachte 2 Kin<strong>der</strong> zur Welt.<br />
Chr<strong>ist</strong>a arbeitete bei ihrem Vater im Geschäft und erlernte den Beruf<br />
<strong>der</strong> Kauffrau.<br />
„S „S „Sturmfreie „S „S turmfreie Bude“<br />
Bude“<br />
Wir hatten das große Glück, daß meine Eltern bei den Zeugen<br />
Jehovas waren und 2 mal in <strong>der</strong> Woche abends zur Versammlung<br />
gingen. Wir hatten also 2 mal in <strong>der</strong> Woche eine sturmfreie Bude.<br />
Mein Eltern mochten Chr<strong>ist</strong>a und duldeten die regelmäßigen<br />
Liebestreffs. Der erste „Anstich“ erfolgte am 20. Januar 1952. Ich<br />
war Sylvster 18 Jahre alt geworden. Chr<strong>ist</strong>a war 17. Wir waren<br />
also sozusagen „Spätentwickler“. Alle meine Kumpels hatten, nach<br />
eigenen Angaben, weit vor dem 18. <strong>Lebens</strong>jahr ihre „Mannwerdung“<br />
vollzogen.Chr<strong>ist</strong>a heulte nach diesem einschneidenden Ereignis<br />
und ich versprach ihr, sie niemals zu verlassen.<br />
So blieb es denn auch und <strong>ist</strong> sehr schön!<br />
Die Die Abtreibung<br />
Abtreibung<br />
Sex spielte bei uns immer eine große Rolle. Wir trieben wir es<br />
ziemlich doll! Wun<strong>der</strong>bar! Die schönste Angelegenheit <strong>der</strong> Welt.<br />
Allerdings trieben wir es mehr doller als vorsichtig und es kam wie<br />
es kommen mußte, Chr<strong>ist</strong>a wurde schwanger. Das war natürlich<br />
eine mittlere Katastrophe. Chr<strong>ist</strong>a noch Lehrling und ich auch erst<br />
am Beginn meiner „Karriere“. Zum Glück hatte ich einen guten Arbeitskollegen,<br />
<strong>der</strong> mir unter dem Siegel <strong>der</strong> Verschwiegenheit einen<br />
Arzt in Ostberlin nannte <strong>der</strong> für 100 Westmark Abtreibungen<br />
vornahm. Zu dem gingen wir und ließen die Abtreibung vornehmen.<br />
Da es Pfingsten war, mußte Chr<strong>ist</strong>a nicht arbeiten und <strong>der</strong> Eingriff<br />
fiel nicht weiter auf.<br />
Die Die mißglückte mißglückte Sexorgie<br />
Sexorgie<br />
Wir trieben es ausgiebig und phantasievoll. Einmal wollten wir etwas<br />
ausprobieren, von dem man uns erzählt hatte, daß es beson<strong>der</strong>s<br />
lustvoll sei. Durch den Genuß von Alkohol solle die Leidenschaft<br />
und <strong>der</strong> Trieb beson<strong>der</strong>s groß und enthemmt sein. Das wollten<br />
wir uns natürlich nicht enrgehen lassen.<br />
Da wir wenig Geld hatten und Alkohol auch nicht mochten, kaufte<br />
ich eine Flasche Jamaika Rumverschnitt und dazu eine Dose Pfirsiche.<br />
Erwartungsvoll gingen wir in die Wohnung meiner Mutter<br />
und bereiteten die „Orgie“ vor. Wir nahmen immer einen Löffel<br />
Pfirsische und dann einen Schluck<br />
Schnaps und warteten auf die Wirkung.<br />
Diese stellte sich auch bald<br />
ein, aber an<strong>der</strong>s als wir uns das<br />
gedacht hatten; anstelle <strong>der</strong> Wollust<br />
überfiel uns eine große Übelkeit<br />
die uns die Lust auf den Sex<br />
gründlich vertrieb und uns auf die<br />
Wahlstatt <strong>der</strong> Liebe aufs Klo trieb.<br />
Das war unser „Liebeslager“
Spiegel-Leser sind sexy!<br />
Die Die Curry-Wurst<br />
Curry-Wurst<br />
Eine oft und gern gegessene Speise war die Curry-Wurst. Auf <strong>der</strong><br />
Pfanne gebraten und mit Ketchup, Curry, Paprika und Worcester-<br />
Sauce angerichtet, aßen wir sie mehrmals in <strong>der</strong> Woche, zu Hause<br />
und draußen an <strong>der</strong> Würstchenbude. Eine ganz tolle Currywurst<br />
gab es in Neukölln in <strong>der</strong> Karl-Marx-Straße. Die Leute standen<br />
abends dort Schlange!<br />
Das Das wi<strong>der</strong>spenstige wi<strong>der</strong>spenstige Brötchen<br />
Brötchen<br />
Nachdem ich mich gründlich über Chr<strong>ist</strong>as Qualifikationen zur Ehefrau<br />
infomiert hatte, schritt ich zur Tat. Ich ging mit ihr ja schon ziemlich<br />
lange. Ihre Eltern wollten mich wohl offiziell kennenlernen und<br />
luden mich zum Aben<strong>des</strong>sen ein. Ich hatte bisher nicht viel von<br />
Benimm-Formen gehalten, obwohl ich sie in <strong>der</strong> Jugendgruppe mit<br />
den Kollegen übte, ich jedenfallls war weniger für Formen und mehr<br />
fürs Herz. Also zog ich mich etwas festlicher an und ging in die<br />
Höhle <strong>des</strong> Löwen. Es gab belegte Brötchen. Da neben dem Teller<br />
Messer und Gabel lag wollte ich natürlich zeigen wie vornehm ich<br />
essen konnte. Es war eine Tortur! Das knusperige Brötchen schoß<br />
auf dem Teller hin- und her und versuchte sich dem zerschneidenden<br />
Messer zu wi<strong>der</strong>setzen. Es gelang mit Ach und Krach und<br />
am Ende war ich froh, das ein Brötchenteil nicht im Ausschnitt<br />
meiner Schwiegermutter landete. Ich hatte von Familie und so, die<br />
Schnauze gründlich voll. Ich konzentrierte mich voll und ganz auf<br />
Chr<strong>ist</strong>a und das blieb auch so!<br />
Die Die Brautwerbung<br />
Brautwerbung<br />
Eines Tages ging ich direkt von <strong>der</strong> Arbeit zu Chr<strong>ist</strong>a ins Geschäft.<br />
Ich wollte ihrem Vater mitteilen, dass wir für 3 Wochen nach Italien<br />
in Urlaub fahren werden und er möge dies doch in seiner Urlaubsplanung<br />
für das Geschäft berücksichtigen.<br />
Nebenbei teilte ich ihm noch mit, dass wir vorher heiraten werden.<br />
Das sagte ich so über den Ladentisch hin.<br />
Chr<strong>ist</strong>as Vater sah mich fassungslos und ungläubig an und warf<br />
mich dann raus.<br />
Ich verstand das nicht und fragte meine<br />
Mutter was ich denn falsch gemacht<br />
habe. Da ich sehr selbständig<br />
aufgewachsen war und wir we<strong>der</strong><br />
Sklaverei noch Leibeigenschaft hatten,<br />
war die Heirat schließlich eine<br />
Sache, die nur Chr<strong>ist</strong>a und mich etwas<br />
angingen und mit <strong>der</strong> war ich einig.<br />
So war das.
Das Hochzeitspaar Chr<strong>ist</strong> und Karl-Heinz<br />
Volck und die Trauzeugen Onkel Ernst<br />
und Alfred Richter.<br />
Ich fragte meine Mutter was ich denn falsch gemacht habe. Sie<br />
sagte, wenn man heiraten wolle müsse man bei den Eltern <strong>der</strong> zukünftigen<br />
Frau ordentlich um die „Hand anhalten“. Zu diesem Zweck<br />
muß man sich bei den Brauteltern anmelden, einen guten Anzug<br />
anziehen und mit einem Blumenstrauß um die „Hand <strong>der</strong> Tochter“<br />
bitten. (Ich wollte sie allerdings ganz haben!).<br />
Ich tat also wie mir meine Mutter empfohlen und ging in die „Höhle<br />
<strong>des</strong> Löwen“.Ich wurde gnädig angehört und mein zukünftiger<br />
Schwiegervater schien <strong>der</strong> Werbung zu entsprechen und entwikkelte<br />
gleich die Grundzüge <strong>der</strong> Hochzeitsfeierlichkeiten. Zentraler<br />
Punkt war die kirchliche Trauung, mit geliehenem Frack und Zylin<strong>der</strong>.<br />
Das lehnte ich mit <strong>der</strong> Begründung ab, daß ich nicht in <strong>der</strong><br />
Kirche sei. Daraufhin sagte mein zukünftiger Schwiegervater:<br />
„Dann trittst du wie<strong>der</strong> ein.“<br />
Da zog ich eine große „Heuchel-Show“ ab und sagte, selbst wenn<br />
ich nicht in <strong>der</strong> Kirche sei, <strong>ist</strong> mir <strong>der</strong> Glaube viel zu heilig als das<br />
ich die Kirche nur als Dekoration benutze.<br />
Damit war das Gespräch zu Ende, die Werbung gescheitert aber<br />
die Hochzeit beschlossen! Chr<strong>ist</strong>a heiratete mich gegen den Willen<br />
ihrer Eltern und ohne sie. Am Freitag dem 29. Mai 1959 verließ<br />
Chr<strong>ist</strong>a das Geschäft ihrer Eltern als Chr<strong>ist</strong>a Michelis, gab mir am<br />
30. Mai das Ja-Wort und kehrte am Montag als Chr<strong>ist</strong>a Volck in<br />
das Geschäft ihrer Eltern zurück. Die dann folgenden Wochen waren<br />
für Chr<strong>ist</strong>a nicht ganz einfach. Die Atmosphäre zwischen Frau<br />
Volck und den Eltern eisig. Das än<strong>der</strong>te sich erst, als die Kin<strong>der</strong><br />
geboren wurden. Andrea war das erste Kind. Chr<strong>ist</strong>a arbeitete auch<br />
nach <strong>der</strong> Geburt bei ihren Eltern und nahm Andrea immer mit zur<br />
Arbeit.
Andrea geboren<br />
am 17.11.64<br />
Oliver geboren<br />
am 1.2.67<br />
Andrea<br />
Oliver<br />
Unsere Unsere Kin<strong>der</strong><br />
Kin<strong>der</strong><br />
Wir haben zwei Kin<strong>der</strong>, Andrea und Oliver (Das A und das O, <strong>der</strong><br />
Anfang und das Ende). Sie waren gewollt, selbst gemacht und gesund<br />
auf die Welt gekommen!<br />
Andreas Geburt war für mich eine wahre Tortur!<br />
Es fing damit an, daß Chr<strong>ist</strong>a in <strong>der</strong> Küche Frühstück machte und<br />
plötzlich in einem See stand! Die Fruchtblase war geplatzt. Ich kannte<br />
mich damit nicht aus und geriet in Panik. Schnell zog sich Chr<strong>ist</strong>a<br />
an, packte die Sachen für das Krankenhaus zusammen und ab<br />
ging es mit dem Auto zum Martin-Luther-Krankenhaus in Dahlem.<br />
Unterwegs betete ich zu Gott, daß das Kind nicht im Auto kommen<br />
möge. Aber es ging alles gut und ich konnte Chr<strong>ist</strong>a im Krankenhaus<br />
abliefern. Und nun begann eine stundenlange Warterei. Es<br />
hielt mich nicht in <strong>der</strong> Wohnung, ich lief ziellos durch die Straßen<br />
und ging in jede Telefonzelle hinein und rief im Krankenhaus an ob<br />
das Baby denn schon da war. Ich wurde auf eine harte Geduldsprobe<br />
gestellt. Erst um 24.00 Uhr abends teilte mir das Krankenhaus<br />
mit, daß ich Vater eines Mädchens geworden war. Ich schlug<br />
mir erleichtert undd anerkennend auf die Schulter, ging nach Hause<br />
und legte mich ins Bett.<br />
Bei <strong>der</strong> Untersuchung stellten die Ärzte fest, daß Andrea unter <strong>der</strong><br />
Zunge eine kleine Zyste hatte die sie am Trinken an <strong>der</strong> Brust hin<strong>der</strong>te.<br />
Sie wurde daraufhin in das Kin<strong>der</strong>krankenhaus Reinickendorf<br />
eingeliefert. Die Schwestern machten sich einen Spaß daraus, sie<br />
in einem Papierkorb mit Telefonhörer zu fotografieren.<br />
Täglich mußte ich die abgepumpte Muttermilch mit dem Auto vom<br />
Martin-Luther-Krankenhaus zum Kin<strong>der</strong>krankenhaus fahren.<br />
Der Pförtner lästerte je<strong>des</strong>mal: „Bolle Bim, Bim...“<br />
Bei Oliver war die Geburt ebenfalls sehr langwierig, da die Wehen<br />
nicht von alleine einsetzten. Auch in diesem Fall war die Fruchtblase<br />
vorher geplatzt. „Gestählt“ durch die Erfahrung mit <strong>der</strong> ersten<br />
Geburt, nahm mich diese zweite Geburt nicht so sehr mit. Auch<br />
dieses Kind war gesund und entwickelte sich sehr gut.<br />
Oliver als Betonfacharbeiter<br />
Steik bei Firma BES Olver als Student <strong>der</strong> HWP, mit<br />
Prof. Kuzsinsky.