Fahreignung bei kardiologischen Erkrankungen
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<strong>Fahreignung</strong> <strong>bei</strong><strong>kardiologischen</strong><strong>Erkrankungen</strong>Hans RickliRolf SeegerUniversität ZürichInstitut für RechtsmedizinVerkehrsmedizin & Klinische Forensik
2 Begriffe:1. Erfüllt der Lenker generell die Grundvoraussetzungenzum sicheren Lenken eines Motorfahrzeuges ?FAHREIGNUNG2. Ist der Lenker <strong>bei</strong> Antritt und während der betreffendenFahrt fähig, ein Motorfahrzeug sicher zu führen?FAHRFÄHIGKEIT
Rechtliche Grundlagenin der SchweizStrassenverkehrsgesetz (SVG)Verkehrszulassungsverordnung (VZV)
<strong>Fahreignung</strong>Strassenverkehrsgesetz (SVG)Art. 14, Absatz 2:Lernfahr- und Führerausweise dürfen nichterteilt werden, wenn der Bewerber ....b) nicht über eine körperliche und geistigeLeistungsfähigkeit verfügt, die zumsicheren Führen von Motorfahrzeugenausreicht
Medizinische Mindestanforderungen
Führerausweiskategorien1. Medizinische Gruppe: D (Bus)2. Medizinische Gruppe: C (Lastwagen)C1 (Feuerwehrauto, Wohnmobil)FL (Fahrlehrer, Experten)BPT (Taxi)3. Medizinische Gruppe: A, A1 (Motorräder)B (Personenwagen)F (Fahrzeuge bis 45 km/h)G (Landwirtschaftl. Fahrzeuge)
FahrfähigkeitStrassenverkehrsgesetz (SVG)Art. 31, Absatz 1 und 2:1) Der Führer muss das Fahrzeug ständig sobeherrschen, dass er seinen Vorsichtspflichtennachkommen kann.2) Wer wegen Alkohol-, BetäubungsmitteloderArzneimitteleinfluss oder aus anderenGründen nicht über die erforderlichekörperliche und geistige Leistungsfähigkeitverfügt, gilt während dieser Zeit alsfahrunfähig und darf kein Fahrzeug führen.
Fahreigung und Herz-Kreislaufkrankheiten3. med. Gruppe (PW, Motorrad, Traktor usw)Medizinische Mindestanforderungen SVG/VZV• Keine relevanten körperliche oder geistige Krankheiten• Keine Bewusstseinsverluste oder -Trübungen• Keine hochgradigen Kreislaufstörungen
Herz-Kreislauf und <strong>Fahreignung</strong>3. med. Gruppe (PW, Motorrad, Traktor usw.)Was bedeutet das?• Adäquate Alltagsbelastbarkeit• Keine Synkopen/Präsynkopen• Keine akuten Schmerzzustände• BD diast. nicht über 130 mmHg
Herz-Kreislauf und <strong>Fahreignung</strong> <strong>bei</strong>höheren Kategorien1. med. Gruppe Bus2. med. GruppeLastwagen C1 = 3.5-7.5 t(insb.Wohnmobile)Fahrlehrer, Verkehrsexpertenberufsmässiger Personentransport (BPT)(Taxi, Ambulanzfahrer)
Herz-Kreislauf und <strong>Fahreignung</strong> <strong>bei</strong>höheren KategorienMedizinische MindestanforderungenHerz-Kreislauf1. Gruppe: Keine Herz- und Gefässstörungen2. Gruppe: keine ernstliche Herz- undGefässstörungenBeide Gruppen: Keine ernstliche BlutdruckanomalieKeine periodischen Bewusstseins-Trübungen oder -Verluste
<strong>Fahreignung</strong>sbeurteilung <strong>bei</strong>höheren KategorienModifiziert nach den Empfehlungen derEuropean Society of Cardiology (höhere Kategorien)Angina pectorisMyokardinfarkt,ACBP, PTCAAsymptomatisch und keineantianginöse Akut-Therapie nötig.Belastungstest unauffällig.Asymptomatisch, keinerelevanten Rhythmusstörungen,keine antianginöse Akut-Therapie,Belastungstest unauffällig,Wartezeit 6-12 Wochen
<strong>Fahreignung</strong>sbeurteilung <strong>bei</strong>höheren KategorienHypertonieNicht fahrgeeignet, falls BDsyst. über 180mmHg, diast. über 100mmHgHerz- und KlappenvitienAsymptomatisch und keine EmbolienEF über 40%keine relevanten RhythmusstörungenRhythmusstörungenKeine erhöhte Wahrscheinlichkeitvon relevanten SymptomenEF über 40%keine höhergrad. Arrhythmien im 24h-EKGnormaler Belastungstest
<strong>Fahreignung</strong>sbeurteilung <strong>bei</strong>höheren KategorienHerzinsuffizienzSymptomfreiheitJede Herzinsuffizienz bedarf einerindividuellen AbklärungICDKeine <strong>Fahreignung</strong>
ICD und <strong>Fahreignung</strong>3. med. Gruppe (PW, Motorrad, Traktor usw.)• Keine Bewusstseinsverluste oder -Trübungen• Keine hochgradigen KreislaufstörungenICD-Problematik:• Oft <strong>bei</strong> hohem Risiko für ernsthafte Ereignisse eingesetzt• Entladung am Steuer birgt hohes Unfallrisiko• Entladung ist keine Garantie dafür, dass keine Bewusstlosigkeit eintritt
ICD und <strong>Fahreignung</strong>3. med. Gruppe (PW, Motorrad, Traktor usw.)Empfehlungen der European Society of Cardiology• After ICD implant (after event):No driving for 6 monthNo arrhythmia recurrenceNo disabling Symptoms at time of ICD discharge• “Prophylactic“ ICD implant:No restrictions are imposed
ICD und <strong>Fahreignung</strong>3. med. Gruppe (PW, Motorrad, Traktor usw.)Deutschland: „Gutachten Krankheit und Kraftverkehr“• Prophylaktische Implantation6 Monate wartenRisiko einer Entladung wird gleich hoch eingeschätzt wie <strong>bei</strong> Sekundärprävention• Niedriges Risiko, kein Rezidiv VT6 Monate warten• Mittleres Risko (gut tolerierte VT)Nachweis derSymptomfreiheit• Hohes Risiko für instabile VTKein Fahren
ICD und <strong>Fahreignung</strong>3. med. Gruppe (PW, Motorrad, Traktor usw.)Schweiz „Handbuch der verkehrsmed. Begutachtung“Übernahme der Empfehlungen der European Society ofCardiology:• Prophylakt. ImplantationBisher keine SymptomeKeine Wartefrist• Sekundäre Implantation Wartefrist 6 MonateKein Auftreten der Rhythmusstörung mehr, keineBeeinträchtigung der Handlungsfähigkeit <strong>bei</strong> Entladung
ICD und <strong>Fahreignung</strong>1. und 2. med. Gruppe (LKW, Taxi, Bus, C1 usw.)Medizinische Mindestanforderungen sehr hoch: Fahrzwang Fahrtdauer oft 8 Stunden/Tag Grosse Gefährte mit hohem Schadenpotential Transport von Personen/Gefahrengut
ICD und <strong>Fahreignung</strong>1. und 2. med. Gruppe (LKW, Taxi, Bus, C1 usw.)Medizinische Mindestanforderungen sehr hoch:<strong>Fahreignung</strong> <strong>bei</strong> ICD-Implantation nicht gegeben!Ausnahmen???
ICD und <strong>Fahreignung</strong>1. und 2. med. Gruppe (LKW, Taxi, Bus, C1 usw.)Begutachtung der <strong>Fahreignung</strong> höhere Kat. und ICD (2003-2007)Total 14 Lenker (10 Lastwagenfahrer, 4 Taxifahrer)10 Lenker: <strong>Fahreignung</strong> abgelehnt4 Lenker: <strong>Fahreignung</strong> trotz ICD befürwortet
ICD und <strong>Fahreignung</strong>1. und 2. med. Gruppe (LKW, Taxi, Bus, C1 usw.)Ausnahmen: Fall<strong>bei</strong>spiel45-jähriger Mann, schlank, sportlich, Inhaber TaxigeschäftSport: Konditionstraining, Surfen, Tauchen, Bergwandern2002 Zufallsbefund eines Herzgeräusches: HOCM festgestellt2005 ICD-Implantation prophylaktisch, immer symptomlosPro Monat 1-2 Fahrten mit dem TaxiZulassung, solange symptom- und ereignisfrei
ICD und <strong>Fahreignung</strong>1. und 2. med. Gruppe (LKW, Taxi, Bus, C1 usw.)Bedingungen für Ausnahmen• Nur <strong>bei</strong> prophylaktischer Implantation• Bisherige Symptom- und Ereignisfreiheit• Nur 2. Gruppe• Nur gelegentlicher Fahrbedarf (keine Berufsfahrer)• Nicht <strong>bei</strong> „hohem Risiko“• Zulassung nur solange symptom- und ereignisfreiObligat: Verkehrsmedizinische Begutachtung!
Verantwortlichkeit:Der Lenker ist grundsätzlich selber verantwortlich für seineFahrfähigkeit!
Fall<strong>bei</strong>spiel• 65-jähriger Mann• Akuter Herzinfarkt mit PCI und Stent-ImplantationRIVA am 15.10.2009• Komplikationsloser Verlauf, Entlassung am20.10.2009• Ambulante kardiale Rehabilitation• Darf am Wochenende 24./25.10. Autofahren?
Verantwortlichkeit:Aerztliche Verantwortung <strong>bei</strong> aktiver Handlung• Verschreibung/Verabreichung von Medikamenten etc.• Medizinische Eingriffe (auch ICD usw.)Hier: Aufklärungspflicht !(Dokumentation in der Krankengeschichte)
Die plötzliche Bewusstseinsstörungam SteuerProzentuale Verteilung der Diagnosen 1993-1997, n=172Hypoglykämie <strong>bei</strong> Diabetes 27%Epileptischer Anfall 23%Vasovagale Synkope 15%Cerebrovaskuläre Störung 5%Kardiale Störung 6%Diverse 6%Unklare Störungen 18%
Die plötzliche Bewusstseinsstörung amSteuerMöglichst früh Differentialdiagnose machen:Echte Störung? (Verdachtsdiagnose)Einschlafen am Steuer?- Lebensbedrohlich? (MI, LE usw.)- Kardial bedingt?Anderweitige Schutzbehauptung?
Kardiale (kardiovaskuläre) Störung
Kardiales Ereignis am SteuerTypische Merkmale• Alter meist über 50, kardiale Anamnese oft vorhanden• Keine Prodromi oder sehr kurzer Schwindel• “Black-out“, Zusammensacken• Keine „Weckreaktion“ (keine Wahrnehmung desAufpralls/Verlassen der Fahrbahn)
Häufig:Die kurzzeitige Bewusstseinsstörungals Schutzbehauptung <strong>bei</strong> Einschlafunfällen
Abklärung der <strong>Fahreignung</strong>:Lenker, die eine kurze Bewusstseinsstörung alsUnfallursache angeben5925Anzahl aller <strong>Fahreignung</strong>sabklärungen(2000 – 2001)61 Fälle mit möglicher Bewusstseinsstörung31 Fälle mitkurzer Bewusstseinsstörung30 Fälle mitEinschlafen am Steuer
Einschlafneigung am Steuer„Übermüdung“ ist nicht eine zwingende Voraussetzungfür ein Einnicken am Steuer!Schläfrigkeit kann auch ohne eigentliche Übermüdungauftreten!
<strong>Fahreignung</strong> nachSynkope/Bewusstseinsstörung<strong>Fahreignung</strong> nach Synkope/ Bewusstseinsstörungunklarer Art (PW)• Bei einmaliger, unklarer Störung:Fahrkarenz für ein halbes Jahr• Mehrmalige, unklare Ereignisse:Fahrkarenz für ein Jahr
<strong>Fahreignung</strong> nachSynkope/Bewusstseinsstörung<strong>Fahreignung</strong> nach Synkope/ Bewusstseinsstörungmit diagnostizierter Ursache• Fahrkarenz bis zur erfolgreichen Therapie• Falls keine Therapie möglich:Abschätzen des RisikosVerkehrsmedizinische Abklärung
<strong>Fahreignung</strong> nachSynkope/Bewusstseinsstörung<strong>Fahreignung</strong> nach Synkope/ Bewusstseinsstörung<strong>bei</strong> Taxi/ LW/ Bus-Lenkern• Bei höheren FA-Kategorien ist in der Regel stets eineverkehrsmedizinische Abklärung nötigWartefristen evtl. länger
Stellenwert von aufwändigen Zusatzuntersuchungen<strong>bei</strong> der Synkopenabklärung„Die Aetiologie einer Synkope wird entweder nach fünfMinuten Gespräch mit dem Patienten und allfälligenAugenzeugen klar, oder sie bleibt für immer im Verborgenen“(Kapoor)
Praktisches Vorgehen hinsichtlich<strong>Fahreignung</strong> <strong>bei</strong> Patienten mitSynkopen/Bewusstseinsstörungen• Fahrkarenz aussprechen, Dokumentation in der KG• Bei Unklarheiten/Zweifelsfällen Rücksprache mitVerkehrsmedizin• Bei Uneinsichtigkeit des Patienten:ärztliches Melderecht nach Art. 14 SVG
Internet:www.irm.uzh.chStichwort VerkehrsmedizinFachliche telephonische Auskünfte:043 259 56 60 (51), Dr. Seeger(E-Mail: rolf.seeger@irm.uzh.ch)