13.07.2015 Aufrufe

Organisierte Kriminalität am Beispiel Kosovo - Kripo.at

Organisierte Kriminalität am Beispiel Kosovo - Kripo.at

Organisierte Kriminalität am Beispiel Kosovo - Kripo.at

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

TOP-THEMA<strong>Organisierte</strong> Kriminalität<strong>am</strong> <strong>Beispiel</strong> <strong>Kosovo</strong>Die Transn<strong>at</strong>ionale <strong>Organisierte</strong> Kriminalität (TOK) gilt gegenwärtig als eine der wesentlichenBedrohungen für die globale, europäische und österreichische Sicherheit. In intern<strong>at</strong>ionalenund n<strong>at</strong>ionalen Sicherheitsdokumenten werden einhellig der Drogen-, Waffen- und Menschenhandelals sicherheitsrelevante grenzüberschreitende OK-Aktivitäten deklariert.Die TOK ist dyn<strong>am</strong>ischen Prozessen unterworfenund nimmt an Qualität undQuantität zu. Ein wesentlicher Grund fürdie Zunahme dieser Bedrohung sind unteranderem die veränderten sicherheitspolitischenBedingungen nach 1989. ModerneKommunik<strong>at</strong>ionstechnologie, Verarmunggroßer Teile der Weltbevölkerung, Bürgerkriegesowie Ressourcenknappheit,Aushöhlung sta<strong>at</strong>licher Regularien durchGlobalisierungstendenzen, Arbeitslosigkeitund Wirtschaftskrise gehören dazu.Auch fehlgeleitete Integr<strong>at</strong>ionstendenzen,insbesondere die Bildung von Parallelgesellschaften,müssen kritisch evaluiertwerden. Neben wirtschaftlichen,- undentwicklungspolitischen Präventivmaßnahmensind vor allem n<strong>at</strong>ionalsta<strong>at</strong>licheSicherheitsorgane mit der aktiven grenzüberschreitendenVerbrechensbekämpfungbeauftragt, in Österreich in ersterLinie das Bundeskriminal<strong>am</strong>t (BKA).Für die Beurteilung der OK - Lage inÖsterreich und der d<strong>am</strong>it verbundenenBedrohungen haben Bürgerkriege undschwache Sta<strong>at</strong>en aus zwei Gründen einegroße Bedeutung. So wurde die SicherheitÖsterreichs während der Kriege inJugoslawien durch einen Anstieg von Kriminalitätbeeinträchtigt. Gleichzeitig weisenSta<strong>at</strong>en des Westbalkans nach wievor eine defizitäre Erscheinung der sta<strong>at</strong>lichenStrukturen auf, was grenzüberschreitendeOK fördert. In diesem Beitragsoll vor allem das <strong>Kosovo</strong> als Fallbeispielbehandelt werden bzw. ob daraus Bedrohungenfür Österreich resultieren.Ein schwacher Sta<strong>at</strong>Das <strong>Kosovo</strong> als einen „schwachen Sta<strong>at</strong>“zu bezeichnen, hängt nicht primär vonsubjektiven Interpret<strong>at</strong>ionen ab. Es istvielmehr an konkrete empirische Faktengebunden. Diese weisen auf strukturelleSchwächen der ehemaligen serbischenProvinz hin. Zu den wesentlichsten Par<strong>am</strong>etern„sta<strong>at</strong>licher Schwäche“ zählenfolgende:- Die kosovarische Regierung übt keinerechtssta<strong>at</strong>liche Kontrolle über das ges<strong>am</strong>teTerritorium aus. Im Norden des<strong>Kosovo</strong>, wo ca. 70.000 Serben leben,gilt die serbische Gesetzgebung.- Kontrolle der Grenzen ist nicht vollständiggegeben, was Drogen-, Waffen- undMenschenhandel fördert.- Korruption und OK ist sehr stark ausgeprägt.- <strong>Kosovo</strong> liegt an der zentralen Balkanroute,über die Heroin aus Afghanistan nachEuropa transportiert wird. Nach Schätzungenwerden 4 - 5 Tonnen Heroin mon<strong>at</strong>lichüber die Grenzen geschmuggelt.Vermutlich beträgt der Tagesums<strong>at</strong>z allerOK-Aktivitäten im <strong>Kosovo</strong> 1,5 MillionenEuro.- Von 2,1 Millionen Menschen im <strong>Kosovo</strong>leben 45% unter der Armutsgrenze.19


TOP-THEMA- Die enorme Arbeitslosigkeit trifft vorallem Jugendliche, so sind 73% der Jugendlichenzwischen 15 -24 Jahren arbeitslos.Diese institutionellen, strukturellen undsozioökonomischen Schwächen müssenim Zus<strong>am</strong>menhang des mehrereGener<strong>at</strong>ionen überdauernden Konflikteszwischen Serben und <strong>Kosovo</strong>albanerngesehen werden. Schließlich führten dieFeindseligkeiten während des Regimesvon Slobodan Milošević in den Jahren1998-1999 zu einem Krieg zwischen der<strong>Kosovo</strong> - Albanischen BefreiungsarmeeUÇK und den Belgrader Sicherheitskräften.Der Krieg ist somit nicht nur für diegegenwärtigen „sta<strong>at</strong>lichen Schwächen“,sondern auch für die Analyse der TOK -Bedrohungen, ausgehend aus dem <strong>Kosovo</strong>,von höchster Bedeutung.OK - Akteuren in der EU in drei zeitlichePhasen.Die erste Phase erfolgte zu Beginn der90er Jahre und wurde durch die schlechtegesellschaftspolitische Situ<strong>at</strong>ion im <strong>Kosovo</strong>nach der Aufhebung der Autonomie,aber auch nach dem Zus<strong>am</strong>menbruchdes kommunistischen Systems in Albanienausgelöst. Die Folge waren Auswanderungswellen.Alleine aus dem <strong>Kosovo</strong>wanderten zu Beginn der 1990-er Jahreca. 370.000 Personen nach Westeuropaund Nord<strong>am</strong>erika aus. Zu dieser Zeit nahmenauch die illegalen Aktivitäten von albanischenOK - Gruppen in europäischenSta<strong>at</strong>en zu. In den Jahren 1996-1998wurde die zweite Phase der kosovoalba-Nach dem Krieg blieben die OK - Netzwerkeaus dem <strong>Kosovo</strong> in den EU-Sta<strong>at</strong>enweiterhin aktiv. Jedoch war ab demJahr 2003 eine neue Phase erkennbar.Demnach wurden in einigen EU-Sta<strong>at</strong>eneinerseits flachere und flexiblere OK -Strukturen gebildet und andererseits h<strong>at</strong>der Eins<strong>at</strong>z offener Gewalt nachgelassen.Bis dahin wurde von albanischen Kriminellenin den 1990-er Jahren eine sehrhohe Gewaltbereitschaft mit Waffengebrauchan den Tag gelegt. Das brachtevor allem Vorteile gegenüber Konkurrentenund ermöglichte schließlich auchdie Führungsrolle auf den illegalen Märkten.Diese gewalttätige Vorgangsweise führteBedrohungen für die EUDie Beurteilung der TOK - Bedrohungen,ausgehend vom <strong>Kosovo</strong>, ist deshalbschwierig, weil in offiziellen Quellen vonder Europäischen Polizei (EUROPOL)kaum eine Unterscheidung zwischen albanischenKriminellen aus dem <strong>Kosovo</strong>und anderen von Albanern bewohntenGebiete auf dem Westbalkan (Albanien,Mazedonien, Montenegro, Südserbien)erfolgt. Somit werden in der Fachliter<strong>at</strong>urallgemein „albanische OK - Bedrohungen“erwähnt. Dabei wird nicht näherauf die Herkunft von Straftätergruppeneingegangen. EUROPOL bezeichnet relevantealbanische Strukturen als „albanischsprachige OK - Gruppen“. Dasresultiert einerseits aus Kooper<strong>at</strong>ionenzwischen unterschiedlichen albanischenAkteuren und andererseits durch vielegemeins<strong>am</strong>e Attribute wie Organis<strong>at</strong>ionsstrukturund Vorgehensweise. Typisch istdies vor allem für jene aus dem <strong>Kosovo</strong>und Albanien, die bei der Etablierung aufden illegalen Märkten Europas eine gemeins<strong>am</strong>eEntwicklung aufweisen.Jana Arsovska, die sich mit diesen Fragenauch wissenschaftlich beschäftigt,unterteilt die Aktivitäten von albanischenAlbanische OK drängt verstärkt in den Drogenmarktnischen OK - Bedrohungen eingeleitet. In zwangsläufig auch zu massiven Gegenmaßnahmender jeweiligen Strafverfol-dieser Zeit haben albanische OK - Gruppenin einigen europäischen Sta<strong>at</strong>en die gungsbehörden und schadete im LaufeKontrolle über den Heroinmarkt übernommen.Dieser wurde bis dahin von kriten.der Zeit den eigenen illegalen GeschäfminellenOrganis<strong>at</strong>ionen aus der Türkei Das Schwergewicht der Aktivitäten derdominiert.„albanisch - sprachigen“ OK - Gruppen,liegt auch nach dem Krieg beim HandelFinanzierung über Drogengeld mit Heroin. Jedoch spielen entsprechendeGruppierungen auch beim Menschenhandeleine wichtige Rolle. In denAm Höhepunkt des Krieges im <strong>Kosovo</strong>mussten Finanzmittel von der UÇK bereitgestelltwerden, um den bewaffneten OK-Gruppen von EUROPOL konkret alsJahren 2004 und 2005 wurden albanischeK<strong>am</strong>pf gegen Belgrader Sicherheitskräfte eine Bedrohung klassifiziert. Laut EUROfortführenzu können. Weil dies auch über POL kontrollierten 2005 albanische OK -den Suchtmittelhandel erfolgte, stiegen Gruppen 80% des Heroinhandels in Nordeuropaund 40% in westeuropäischendie TOK - Bedrohungen in jenen Sta<strong>at</strong>en,in denen sich vor allem die lukr<strong>at</strong>iven Drogenmärktebefanden.von albanischen OK-GruppenSta<strong>at</strong>en. Danach dürfte die Bedeutungabgenom-21


TOP-THEMAmen haben. Im aktuellen Lagebericht vonEUROPOL über OK-Bedrohungen in derEU (Organized Crime Thre<strong>at</strong> Assessment/2011) werden türkische und „albanischsprachige“OK-Gruppen als die wichtigstenStraftätergruppen beim Heroinhandelbezeichnet. Wobei die „albanisch- sprachigen“ Gruppierungen generell inunterschiedliche TOK-Aktivitäten involviertsind. Unklar ist, inwieweit Albaneraus dem <strong>Kosovo</strong> und aus anderen Gebietenin die TOK-Aktivitäten eingebundensind.Österreich ein kriminellesAktionsfeldWas die allgemeine Bedrohungslagedurch TOK aus dem <strong>Kosovo</strong> in Österreichanbelangt, so lassen sich Entwicklungstendenzennicht unabhängig vonjenen in der EU analysieren. Die Anfängedes kriminellen Engagements von<strong>Kosovo</strong>albanern reichen in die späten1980-er Jahre in den Bereich des Menschenhandelsund sind durch einensteten Anstieg zu Beginn der 1990-erJahre charakterisiert.Österreich ist traditionell ein wichtiges„Aktionsfeld“ für Kriminelle aus denex-jugoslawischen Sta<strong>at</strong>en. Die Qualitätund Quantität der Straft<strong>at</strong>en ändertesich jedoch vor allem zur Zeit derKriege in Kro<strong>at</strong>ien, Bosnien-Herzegowinaund <strong>Kosovo</strong>. Hier ist zu betonen,dass Straftäter aus Serbien übermäßigin Österreich aktiv waren und dies nachwie vor sind. Während der Kriege wardas Ausmaß an Aktivitäten diverserex-jugoslawischer OK - Gruppen inÖsterreich signifikant höher und nahmnach Beendigung des Krieges wiederab. Daher wurde Österreich von unterschiedlichenkriminellen Organis<strong>at</strong>ionenals Oper<strong>at</strong>ionsbasis für die Finanzierungvon K<strong>am</strong>pfhandlungen im Zugedes Zerfalls von Jugoslawien genutzt.Auch albanische Akteure waren währenddes <strong>Kosovo</strong>krieges in Österreichaktiv. So wie es auch in anderen EU-Sta<strong>at</strong>en beobachtet wurde, übernahmensie partiell die Kontrolle über dieösterreichischen Heroinmärkte von türkischenOK - Gruppen. In den Jahren1998-1999 wurden OK - Aktivitäten von<strong>Kosovo</strong>albanern direkt in Österreich imAuftrag von Hintermännern im Auslandausgeführt. Das geschah vor allem umdie notwendigen Finanzmittel für denbewaffneten K<strong>am</strong>pf gegen die jugoslawischeArmee und serbische Polizeiaufbringen zu können.Strukturen haben sich verändertFür Österreich kann ebenfalls festgestelltwerden, dass die Bedrohungendurch <strong>Kosovo</strong>albaner insbesondere imBereich der Drogenkriminalität seit demKriegsende abgenommen haben unddaher alte OK - Strukturen oder neueOK - Akteure auf die illegalen Märktegelangten. Einerseits haben türkischeStraftätergruppen ihre Position aus derVorkriegszeit teilweise wiedererlangtund andererseits nehmen auch nigerianischeund serbische Akteure im Drogenhandeleine immer stärkere Positionein.Das <strong>Kosovo</strong> ist aber als Depotland fürHeroin und verwandte Produkte nachwie vor von großer Bedeutung für Österreich.Laut Aussagen eines Expertendes LKA-Wien kommen realistischenSchätzungen zufolge 100kg Heroin imMon<strong>at</strong> aus dem <strong>Kosovo</strong> nach Österreich,Somit gelangen bis zu 80% dieserDroge über das <strong>Kosovo</strong> auf den österreichischenMarkt. Aufgrund der T<strong>at</strong>sache,dass in Österreich <strong>Kosovo</strong>albanerdie geringste Anzahl von allen ex-jugoslawischenSta<strong>at</strong>sangehörigen stellen– ca. 9.000 <strong>Kosovo</strong>albaner und 114.400Serben haben in Österreich einen aufrechtenAufenthaltstitel – ist auch dasRekrutierungspotential der eigenenLandsleute durch OK-Gruppen ausdem <strong>Kosovo</strong> hierzulande eher gering.Daher sind <strong>Kosovo</strong>albaner im unmittelbarenVertrieb von Heroin und anderenDrogen in Österreich nicht führend.Das t<strong>at</strong>sächliche Ausmaß an den direktenTOK-Verbindung zwischen dem<strong>Kosovo</strong> und Österreich, und den d<strong>am</strong>itverbundenen Bedrohungen, kann vonFachleuten nur geschätzt werden.So stellt die Zahl der im Ausland lebendenSta<strong>at</strong>sangehörigen einen Indik<strong>at</strong>orfür mögliche Bedrohungen dar. So istin der Schweiz (ca. 160.000 <strong>Kosovo</strong>albaner)oder Deutschland (ca. 270.000<strong>Kosovo</strong>albaner) die unmittelbare Bedrohungslageeine andere als in Österreich.In Deutschland wurden zudemauch Fälle bekannt, in denen Mitgliedervon albanischen OK-Gruppen direktenEinfluss auf Lokalpolitiker nahmen.Allerdings ist auch in Österreich zu beobachten,dass die Aktivitäten von kosovoalbanischenOK - Gruppen besondersim Bereich des Heroinhandels ab2010 wieder zugenommen haben. BeimVertrieb werden verstärkt serbischeSta<strong>at</strong>sangehörige oder in Österreichlebende Serben eingesetzt. Trotzdemh<strong>at</strong> das gegenwärtige Ausmaß von kosovoalbanischenAkteuren nicht jenesNiveau wie zur Zeit des Krieges oderunmittelbar nachher. Somit stellen Aktivitätenvon kosovoalbanischen Straftäternoder jenen Netzwerken, die mitOK-Gruppen aus dem <strong>Kosovo</strong> kooperieren,laut Experten aus dem .BK keine„herausragende Bedrohung“ dar.Generell sind aber OK - Gruppen ausdem südosteuropäischen Raum in Österreichbei der Begehung von schwerenStraft<strong>at</strong>en führend. Daher kommtden Sta<strong>at</strong>en des Westbalkans aus sicherheitspolitischerSicht eine wesentlicheRolle zu. Weil eine erfolgreicheBekämpfung der TOK nur in enger Zus<strong>am</strong>menarbeitmit den Behörden in denjeweiligen Sta<strong>at</strong>en erfolgen kann, istdas .BK im Rahmen von bil<strong>at</strong>eralen Abkommensowie EU-Projekten bemüht,die lokalen Polizeistrukturen auch im<strong>Kosovo</strong> zu unterstützen. Dadurch profitierenStrafverfolgungsbehörden vorOrt, was sich in weiterer Folge auchpositiv auf die Sicherheitslage in Österreichauswirkt.• Rastislav Báchora23

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!