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(Oder), Vorurteile überwinden, Freunde finden - unesco-projekt ...

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38Vielfältige Aktivitäten forum 1/2002ULRICH VON HUTTEN-GESAMTSCHULE, FRANKFURT (ODER)<strong>Vorurteile</strong> überwinden, <strong>Freunde</strong> <strong>finden</strong> –eine nicht alltägliche SchulpartnerschaftSechs Jahre einer besonderen Schulpartnerschaftliegen hinter uns. Sechs Jahre, indenen wir gemeinsam mit unseren afrikanischen<strong>Freunde</strong>n Höhen und Tiefen überwundenhaben. In diesem Jahr kam es zur zweitenpersönlichen Begegnung in Deutschlandzwischen einer Delegation von Lehrern undSchülern aus dem Lyceé Djignabo in Ziguinchor(Senegal) und der Ulrich von Hutten-Gesamtschule (mit gymnasialer Oberstufe)Frankfurt (<strong>Oder</strong>).Mit unserer Senegal- Partnerschaft habenwir nicht nur innerhalb unserer Schule vieleZeichen gesetzt, wie z.B. die Fähigkeit unddie Bereitschaft zum Überwinden von <strong>Vorurteile</strong>ngegenüber Menschen mit anderer Hautfarbeund anderen Kulturen gefördert, sondernwir haben auch die Bevölkerung Frankfurtsdaran teilnehmen lassen. Alle Medien,wie Rundfunk, Fernsehen und die Regionalpresse,haben über den Besuch unserer senegalesischen<strong>Freunde</strong> in unserer Schule und inunserer Stadt ständig berichtet.Eine Schulpartnerschaft, die auf dieRegion ausstrahltDurch die Einbeziehung des regionalenUmfeldes, die Kooperation mit außerschulischenPartnern, Fachorganisatoren und Stiftungenhaben wir eine ganze Stadt, ja, eineganze Region unsere Schulpartnerschaft miterlebenlassen. Dass viele Bürger unsererStadt und auch der Region den Besuch unserer<strong>Freunde</strong> wahrgenommen haben, zeigtenund zeigen uns im Nachhinein spontaneReaktionen von Einwohnern der Stadt,kleine, nicht geplante Gespräche auf derStraße oder auch Briefe, die wir jetzt bekommen.Dies bestärkt uns darin, dass wir mitunseren Vorstellungen von dieser Partnerschaftauf dem richtigen Weg sind. Unsere Zielist es, mit dem Ausbau der partnerschaftlichenBeziehungen einen kleinen, aber wichtigenBeitrag dafür zu leisten, dass Frankfurt (<strong>Oder</strong>)ausländerfreundlich und tolerant bleibt.Motiviert, unser Projekt fortzusetzen, wurdenwir auch von der senegalesischen Bot-TeilnehmerInnen des Austauschprogramms


forum 1/2002 Vielfältige Aktivitäten 39Gemeinsame Freizeit in der Töpferwerkstattschaft in Bonn, sowie dem zukünftigen Konsulder senegalesischen Botschaft, Herrn Menningerund dem Vorsitzenden des Vereins fürSenegalesen in Deutschland, die Gäste unsererFestveranstaltung zu Ehren des NationalfeiertagesSenegals am 04.04.2001 waren. Diegenannten Persönlichkeiten waren von unseremProjekt und den damit verbundenen Zielensehr angetan und äußerten die Überzeugung,dass wir mit Hilfe dieses Projektes in denKöpfen der Menschen beider Staaten etwasbewirken können. Damit unser Projekt amLeben erhalten wird, übergab uns der zukünftigeKonsul spontan einen Scheck von 1000DM als Anschubfinanzierung für die geplanteReise im Januar/Februar 2002 in den Senegal.Aber nicht nur die Mitglieder unsererSchule bemühen sich um Toleranz undMenschlichkeit. Auch die Vertreter unserersenegalesischen Delegation leisten auf ihreWeise einen wichtigen Beitrag. Der Schulleiterunserer Partnerschule, Herr Cissé, ist als Vertreterder Friedensbewegung in Ziguinchoreine anerkannte politische Persönlichkeit, diesich nicht nur für die Belange seiner Schule,sondern auch für die Stadt und die gesamteCasamange einsetzt.Während des Besuches beim Bürgermeisterder Stadt Frankfurt (<strong>Oder</strong>), Herrn Ewert,brachte Herr Nouha Cissé zum Ausdruck, dasser die Beziehung zwischen beiden Schulen alsMeilenstein auf dem Wege zu einer möglichenStädtepartnerschaft ansieht und sich überpositive Entwicklungen freuen würde.der Friedensbewegung in seinem Land zuberichten und wie die Schüler seiner Schulein diese Arbeit mit einbezogen werden. Damitwurde unseren Schülern auch ein Einblickdarüber gegeben, womit sich die senegalesischenSchüler in ihrer Freizeit beschäftigen.Sie erfuhren, dass sich die senegalesischenSchüler viel enger mit ihrer Stadt und ihrerRegion verbunden fühlen, als sie es selbererleben.Auch die Antwort auf die Frage nach demwichtigsten Wunsch, den die Senegalesen fürdie Zukunft haben, brachte unsere Schülerzum Staunen und sicher auch zum Nachdenken.Sie lautete: Frieden!Um auch dem politischen EngagementRechnung zu tragen und dies auch zu würdigen,sei zu erwähnen, dass die sechs Schülerinnenund Schüler aus dem Senegal nicht nurzu den Besten ihrer Schule gehören, sondernauch die politisch engagiertesten sind. Sieerhielten mit der Reise die Möglichkeit,unsere Schüler über ihre Arbeit zu informieren,und es war erstaunlich, mit wie viel Elanund innerer Überzeugung sie das taten.Deutsche Geschichte hautnahEine Partnerschaft bedeutet, Neues bzw.Unbekanntes über beide Regionen zu erfahren.Aus dem Unterricht kannten die Schülerbereits etwas von Frankfurt(<strong>Oder</strong>) und derdeutschen Geschichte, hier war aber alleshautnah zu erleben und zu entdecken. Wirwaren überrascht, wie viel sie bereits über die<strong>Oder</strong>-Neiße–Grenze wussten. Nur stellten siesich die <strong>Oder</strong> viel größer vor. Ihre Lehrermeinten, dass sie so breit wie ihr Fluss inZiguinchor wäre, aber sie mussten sich einesBesseren belehren lassen. Dies zeigte uns,Frieden – der wichtigste Wunsch derGäste für die ZukunftHerr Cissé hatte auch die Möglichkeitinnerhalb eines Seminars über die geschichtlichenHintergründe und über die EntstehungKunst, die uns verbindet – die Teilnehmer/innen nachgetaner Arbeit


40Vielfältige Aktivitäten forum 1/2002Aufwachsen in Deutschland – Besuch im Kindergartendass auch die Schüler ab und zu mehr wissenals ihre Lehrer und das brachte uns doch allebeim Stadtrundgang zum Lachen.Zu unserer Geschichte gehört das geteilteDeutschland, das wir auch unseren Gästen vermittelnund zeigen wollten. Was passt dazu besserals eine Stadtrundfahrt durch das heutigeBerlin? Die Erklärungen zu zwei deutschenStaaten: geteilte Stadt, hohe Mauern, Grenzsoldaten,kein Durchkommen, viele Tote, unterschiedlicheGesellschaftsformen, Vereinigungbrachte doch viele zum Staunen, zeigte ihnenaber auch, was der Wille und die Einheit vonTausenden von Menschen ausrichten kann.Miteinander leben, unterschiedlicheWertvorstellungen respektierenEine weitere Aufgabe unserer Schule ist es,dass sich Schülerinnen und Schüler mit unterschiedlichenWertvorstellungen auseinandersetzen.Und ist es nicht viel leichter, dieserAufgabe gerecht zu werden, wenn man sichhautnah mit anderen Kulturen beschäftigenkann, wenn man direkt den Kontakt mit Menscheneines anderen Kontinents <strong>finden</strong> kann,wenn man selbst die Lebensgewohnheiteneines anderen Landes kennenlernen kann?Drei Wochen lernten sich nun wieder jungeMenschen aus Europa und Afrika kennen,lernten miteinander und voneinander. Währenddieser Zeit wohnten die Schülerinnenund Schüler, die Lehrerinnen und Lehrer beiderSchulen gemeinsam in einem Wohnheim.Dort hatten sie die Möglichkeit, gemeinsamzu kochen, zu arbeiten und zu spielen, aberauch jeder konnte sich zurückzuziehen, wenner das Bedürfnis dazu hatte.Die Wochenenden gehörten den Gastfamilien.Gemeinsam mit ihren Gasteltern lerntenunsere senegalesischen Gäste das Leben ineiner deutschen Familie sowie in einer Wohngemeinschaftkennen. Die Gasteltern warenbemüht, ihren Gästen die Umgebung Frankfurtsbzw. Sehenswürdigkeiten des LandesBrandenburg zu zeigen. So besuchten einigedie Therme in Bad Saarow, andere das Schiffshebewerkin Niederfinow, andere erkundetendie Sehenswürdigkeiten in Potsdam, wie z.B.das Filmmuseum in Babelsberg. Viele trafensich am Samstagabend zum Tanzen oder zumBillardspielen. Am Sonntagabend wurden alleErlebnisse erst einmal ausgetauscht. SprachlicheHürde wurden ohne Probleme gemeistert:Deutsch, Französisch, Englisch und die Zeichensprachewurden zur Verständigunggenutzt. Zu den Gasteltern wurden in diesendrei Wochen enge und auch herzliche Beziehungenaufgebaut. Worte, wie Mama undPapa, kamen nicht nur aus dem Munde unsererdeutschen Schülerinnen und Schüler.Voneinander lernen, Kunst und MusikIn Vorbereitung auf den Besuch wurde vonbeiden Seiten das Thema: "Kunst und Musik"als thematischer Schwerpunkt für den Aufenthaltgewählt. Auf der Grundlage dieses Themasfanden verschiedene Seminare und Projektestatt. Was die Musik betraf, mussten wiruns um die Realisierung keine Sorgenmachen. Musik liegt ihnen im Blut, und dasschäumte und brodelte, wo immer es Töne zuhören gab. Ob im Wohnheim beim Kochen, inder Schule, im "le frosch", bei unserer Festveranstaltung,ja sogar im Kindergarten stimmtenunsere Gäste in Tanz- und Gesangsrhythmenmit ein.In Vorbereitung auf den Besuch stellten diedirekten Teilnehmer beider Delegationen ihreLieblingsmusik zusammen, die dann ausgetauschtwurde. So kann jetzt jeder die Musikdes anderen hören und genießen und sich indiesem Zusammenhang sicher an unvergesslicheStunden erinnern.Für den Bereich Kunst haben wir uns etwasBesonderes überlegt. Während des Schuljahreswerden verschiedene Kunstwerke imUnterricht erarbeitet, die dann während desnächsten Treffens ausgetauscht werden sollen.Diese Werke sollen zur Ausgestaltung der beidenSchulgebäude genutzt werden. Im Verlaufeder vergangenen drei Wochen sindKunst<strong>projekt</strong>e entstanden, die auf verschiedenenHerstellungsarten basieren.


forum 1/2002 Vielfältige Aktivitäten 41Aufwachsen, lernen und arbeiten inDeutschlandZiel unserer Schule war es auch, unserenGästen bestimmte Lebensabschnitte unsererSchüler nahe zu bringen. Viele gehen zwardavon aus, dass das Erwachsenwerden inAfrika und in Europa von ganz allein erfolgt,aber so einfach geht das doch nicht, in keinemder Kontinente. Welche Stadien unsere Kinderund Jugendliche durchlaufen können, habenwir unseren Gästen eindrucksvoll gezeigt.Kindergarten, die Integrierung behinderterKinder, erste Klasse mit Hort, Gesamtschule,Gymnasium, Berufsausbildung oder Studium(Europauniversität) und ein Betrieb (EKOEisenhüttenstadt) waren Stationen, die wirgemeinsam besuchten. Noch nie in ihremLeben haben die Senegalesen so einen großenBetrieb wie das EKO gesehen.Besonders viele Fragen hatten unsere<strong>Freunde</strong> in der Universität gestellt. Sie interessiertensich für mögliche Studienrichtungen,Aufnahmebedingungen und darüber, wie vieleausländische Studenten an der Europauniversitätstudieren.Ein drittes großes Thema während der dreiWochen war die Frage nach der Erhaltung derUmwelt. Alternative Energieformen, die esauch in Afrika gibt, spielten in Wulkow einegroße Rolle. Während dieser Exkursionkamen die senegalesischen Lehrer und Schülerauch das erste Mal in ihrem Leben mitSchnee in Kontakt, was natürlich nicht unbedingtmit Energie zu tun hatte.Ein bewegender und eindrucksvollerAugenblick war das Pflanzen von Bäumen inMüllrose, als Symbol der Freundschaft und alsBeitrag zur Aufforstung unserer Wälder. AlleTeilnehmer haben dort verstanden, dass jederseinen Beitrag zum Erhalt unserer Umweltleisten kann, auch wenn er noch so klein istund egal, wo er sich befindet.Als Fazit dieser drei Wochen können wirfeststellen, dass der Besuch unserer senegalesischen<strong>Freunde</strong> viel zum Verständnis beiderKulturen beigetragen hat, und allen Anregungengibt, Möglichkeiten zu <strong>finden</strong>, unsereSchüler zu Toleranz und zur Achtung desAnderen zu erziehen.Mit vielen unvergesslichen Eindrücken undTränen in den Augen, aber auch mit dem Versprechen,uns im nächsten Jahr in Ziguinchorwiederzusehen, haben wir uns nach dreierlebnisreichen, eindrucksvollen Wochen verabschiedenmüssen.Antje SteglichUlrich von Hutten-Gesamtschule,Frankfurt (<strong>Oder</strong>)


42Vielfältige Aktivitäten forum 1/200230 JAHRE BERLINER UNESCO-SCHÜLERSEMINARMenschenrechte und ihre DimensionenZum 30.Mal seit 1971 fand das InternationaleUNESCO-Schülerseminar vom 2. bis7. Dezember 2001 im Rahmen desUNESCO-Projektschulprogramms statt .Im Mittelpunkt stand in diesem Jahr deraktuelle Themenbereich: Dimensions ofhuman rights – Menschenrechte und ihreDimensionen. Eingeladen waren 26 jungeLeute aus Norwegen, Polen, Dänemark,Litauen, Slowakei, erstmalig Ungarn, alsauch aus den Städten Hamburg, Frankfurt/<strong>Oder</strong>und den Bezirken Berlins Köpenick,Lichtenrade, Lichtenberg undTempelhof. Das Berliner Komitee fürUNESCO–Arbeit e.V., die DeutscheUNESCO–Kommission und der Senatvon Berlin waren Ansprechpartner fürdie Finanzierung und ideelle Unterstützung.Themenstellung und inhaltliche Planungfür die Schülerseminare erfolgen längerfristig.Selten beeinflusste die aktuelle politischeWeltsituation die Schwerpunktsetzung wie imJahr 2001. Die <strong>unesco</strong>-<strong>projekt</strong>-schulen Berlinhatten sich am 12.September 2001 spontanzu den Ereignissen und zu dem, wofür sie inihrer Arbeit stehen und was sie mit denJugendlichen erreichen wollen, geäussert.Auf der Jahrestagung im September in Speyerwurde deutlich Stellung bezogen.Menschenrechte, die einen Hauptteil desIdeengutes in der Arbeit der <strong>unesco</strong>-<strong>projekt</strong>schulenbeanspruchen und vor kurzem erstThema eines Berliner UNESCO-Schülerseminarswaren - allerdings in der historischenEntwicklung der letzten 50 Jahre - mussteneine zentrale Bedeutung in diesem InternationalenSeminar mit Jugendlichen und demAnspruch für die Zukunft erhalten.Menschenrechte, Religionen, Erziehung,Ausbildung, Freiheit, Vielfalt der Herkunft,Vielfalt der Kulturen, Umgang mit Anders-/Gleich-Denkenden waren einige herausgehobeneStichworte, die von den Jugendlichenbenannt, diskutiert und recherchiertwurden.Seminarstrategien und -methoden, die zueiner erweiterten Lernkompetenz der jungenLeute zwischen 15 und 17 Jahren führen,ihnen Schlüsselqualifikationen vermittelnsollten, fanden ihre Anwendung.Erkenntnisprozesse einzuleiten, mit denMitteln des Theaters und der Videodokumentationzu arbeiten, eine Zeitung zu erstellen,gehörten genauso zum Seminarablauf wiedas Angebot, Berliner Institutionen, die alsNichtregierungsorganisationen für Menschenin Not, in Gefahr, in Hilfsbedürftigkeit, inKonfliktsituationen tätig sind, zu vorbereitetenGesprächsrunden aufzusuchen.Ein nicht unwesentlicher Vorteil ist seitnunmehr Jahrzehnten, dass der Tagungsort,die Internationale Begegnungsstätte JagdschlossGlienicke, am Rande von Berlin ineiner weitläufigen Parklandschaft liegt undmoderne Seminarräumlichkeiten bietet, diefür 6 Tage zur Begegnung zwischen jungenLeuten (teilweise mit Gesprächen bis weitüber Mitternacht hinaus) genutzt werdenkonnte.Seit 1971 werden Seminare in diesem Rahmengeplant und organisiert. Globalisierungbedeutet in diesem Zusammenhang, dassdurch das Netzwerk der <strong>unesco</strong>-<strong>projekt</strong>schulenimmer wieder andere Länder mitJugendlichen in Berlin bei diesem internationalenUNESCO Schülerseminar vertretensind. Ein nicht zu übersehender Vorteil dieserZusammenarbeit liegt ebenfalls in der biodermehrlingualen Gestaltung dieser politischenSeminare in Berlin im zusammenwachsendenEuropa.Die Organisatoren blicken auch in Zeitenknapper Haushaltsmittel zuversichtlich inRichtung Dezember 2002, denn dann ist dasnächste Internationale UNESCO-Schülerseminargeplant.BrigitteClaudiaWilhelmRegionalkoordinatorin Berlin


forum 1/2002 Vielfältige Aktivitäten 43SPREEWALD-SCHULE LÜBBEN IM EUROPAHAUS AURICHEducation for Development – Globales LernenerfahrenJährlich veranstaltet das EuropahausAurich solch ein Treffen, zu dem alle<strong>unesco</strong>-<strong>projekt</strong>-schulen eingeladen sind, umden überregionalen sowie europaweitenKontakt zu verbessern und Erfahrungen undInformationen auszutauschen.Im vergangenen Seminar ging es um dieFrage, wie die Globalisierung Kulturen verändert.Dies sollte allerdings nicht in ersterLinie theoretisch ablaufen, sondern in derKommunikation mit Menschen aus unterschiedlichenLändern und in kreativer Auseinandersetzungmit dem Thema.„Hört auf eure innere Stimme, hört darauf,was sie euch sagt und lebt im Einklang mit ihr– nur so könnt ihr zu euch selbst <strong>finden</strong>. Dienordamerikanischen Ureinwohner lebten nachdieser Stimme, im Einklang mit ihrer Natur. Esgibt nichts Universelles, jeder hat seinen eigenenWeg.“ So spricht Jo über seine Erfahrungenmit der indianischen Kultur und seiner Artzu leben. Jo, eigentlich Ire, lebt in Deutschlandund ist auf der ganzen Welt zu Hause.Jos Workshop, der sich mit der indianischenKultur befasst und bei dem man ein"Medicine Wheel" herstellen konnte, bildetnur einen von insgesamt fünf Workshops,unter denen die Teilnehmer des Seminars"education for development – global learning"wählen konnten:Der Musikworkshop beschäftigte sich mitdem Einstudieren von internationalen Liedern,wohingegen es im Theaterworkshopschon etwas ernster wurde, indem man Konfliktsituationennachspielte und dabei denStatus der einzelnen Personen veränderte.Eher dokumentarische Aufgaben hatten hingegender Video- bzw. Homepageworkshop,bei dem beide Gruppen das Geschehen derWoche in Bildern festhielten oder die Erlebnisseund Eindrücke niederschrieben.Präsentation des MusikworkshopsIn der Woche vom 16.12.2001 bis zum21.12.2001 nahmen die Schülerinnen FriederikeDreier (9. Klasse), Heidi Wenzel (13.Klasse), Melanie Guba (13. Klasse), sowieFrau Schulze als Lehrerin der Spreewald-Schule Lübben, Gesamtschule mit gymnasialerOberstufe, an diesem Treffen teil. Mitihnen rund 50 Lehrer und Schüler aus Wetzlar,Emmendingen, Frankfurt/ <strong>Oder</strong>, Heidelberg,Bremen, Ekaterinburg/Russland,Hamar/Norwegen, Budapest/Ungarn, sowieSandomicvz/Polen.Ergebnisse des Philosophie-WorkshopsNeben Diskussionen über die Vorteile vonGlobalisierung und die unterschiedlichen Wertejedes Volkes, die sich im Zuge der Globalisierungangleichen, sollte vor allem die Workshoparbeitzur Kommunikation unter den Teilnehmernanregen. Und spätestens am Abend, alsman in gemütlicher Runde zusammensaß, vergaßjeder, aus welchem Land der anderekommt, denn gemeinsame Interessen kennenkeine nationalen Grenzen und Sprachbarrieren.Um vor allem die ausländischen Gäste vollkommenzu integrieren, wurde in allen Diskussioneninnerhalb der Gruppe, jedoch auch imkleinen Kreis, sowie während der gesamtenWorkshoparbeit Englisch gesprochen.Zum Abschluss der gemeinsamen Wocheerfolgte eine Präsentation der einzelnen Workshoparbeiten.Ein internationales Dinner mitausgewählten Spezialitäten aller teilnehmendenNationen war ein weiterer Höhepunkt,bevor zum Abschlussabend geladen wurde –natürlich mit ganz internationaler Musik.Regina SchulzeSpreewald-Schule,LübbenWeitere Informationen über das Seminar und das Europahaussind unter www.europahaus-aurich.de zu <strong>finden</strong>.


44Vielfältige Aktivitäten forum 1/2002JUGENDHILFE AN DER GRENZESarahs Alpträume„Ich sehe zwei Teller vor mir“, sagt Sarah*dem überlasteten Herrn vom Kreisjugendamt.„Beide reichen Sie mir jetzt; der eine istbelegt mit einem lecker garnierten Essen;aber wenn man reinbeißt, muss man kotzen.Der andere Teller sieht wenig appetitlichaus; aber das Essen könnte fein schmecken.Ich muss aber schon vorher kotzen! WelchenTeller würden Sie wählen?“So schätzt Sarah, gerade erst 13, die Jugendhilfeangeboteein und will Bedenkzeit. Sie willviel Zeit, denn ihr Leidensweg ist lange. Siegibt nur Bruchstücke davon preis. Die Elterngeschieden, ein nächster Partner der Muttergewalttätig, ein weiterer lässt die Finger nachtsnicht von ihr. <strong>Oder</strong> sind das nur Sarahs Alptraumphantasien?Sie kennt Gewalt, denn esist anzunehmen, dass sie als Grundschülerinvergewaltigt wurde. Von wem? Auch da nurAndeutungen, Bilder. Ihre jetzige Schule liegeauch gefährlich, in einem Park.Auch das hat sie hinter sich:• mal ein Suizid-Versuch ganz öffentlichneben der in die Tiefe gehenden Rolltreppeeines Einkaufs-Centers, anschließend Intensivstation,aber ohne psychologische Nachbetreuung;• mal ist sie von der Mutter weggelaufen –wurde nach Mitternacht von der Polizeiaufgegriffen;• mal nach einem Wochenende mit Freiernvom Babystrich, hat sie alle säuberlich mitHandy- oder Autonummern notiert und beider Kripo angezeigt.Dennoch kommt sie nun schon seit einemVierteljahr pünktlich zum Unterricht underbringt gute Leistungen. Sarah sitzt bleich inder Schule und lernt. Sie findet sich zum Kotzen,die Freier, ihre Figur, ihr Leben. Sie hatvon Bulimie erfahren und inszeniert Fress-Brechszenen. Damit vom Lehrer konfrontiert,möchte sie eine Big-Fast-Food-Mahlzeit; abernatürlich nur mit light Getränk! Ein Kind eben.Nach dem Suizidversuch gibt die Mädchenwohngruppeder Landeshauptstadt sie ab. Vondort war sie auch nur selten zur Schule gekommen,dafür war der Baby-Strich interessanter,erfolgreicher: Geld für Hasserfahrungen gab esin der Schule nicht. Zurück zur Mutter undderen Freund? – Nein. – Der Ausweg: eine InObhutnahme, mit Hilfe der Schule durchgesetzt.Der überlastete Herr vom Kreisjugendamt warwieder gefragt. Also nochmals eine Mädchenwohngruppe– aber erst als übernächste Station.Name aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes geändert.Diesmal 36 km von der Hauptstadt undihrer Schule entfernt. Sie hält sich an dieSchulregeln; außer in Sport: von einemLehrer möchte sie da nicht zusammenmit Jungen unterrichtet werden. Schulrechtlichheißt das „Leistungsverweigerung“.Aber wer hat da wem dieLeistung verweigert? Der Sportlehrerzeigt Verständnis. Das Personal der In-Obhutnahme-Stelle weist Sarahein leicht verschmutztes Zimmerzu; passt doch, da Sarahnur mit einer Reisetasche undeinem Müllsack mit Kleidernankam. Vorletzte Station war eineFamilienunterbringung, die wegen mangelnderAufsicht nach wenigen Tagenvom Jugendamt beendet wurde. Also zurnächsten Station auf dem Verschiebebahnhof.Sarah erzählt. Sie kann nicht einschlafen:Freier am Telefon, u. a. Familienväter mitTöchtern, dann kaum Taschengeld, das nichtmal für Zigaretten reicht; die Mutter heißt imWachtraum „Mama“. – Soll sie wiederabhauen, aber wohin?Also doch wieder ein Termin bei dem Herrn„Jugendpfleger“ (so nannte man das früher)und sehen, was es gibt.Drei neue Angebote:• Eine geschlossene Einrichtung in Bayernoder• vom SOS-Kinderdorf angeboten: Unterbringungin einem Innenstadthotel, Einzelzimmermit Frühstück, ohne Aufsicht, aberdazu eine Telefonnummer, mit Anrufbeantworterfür den Notfall. Bei Bewährung sollevtl. ein Umzug in eine Einliegerwohnungbei einer mit Jungen und Mädchen belegtenSOS-Jugendeinrichtung erfolgen. Diese seigerade renoviert worden und noch zuschade für Sarah. Solche Aussagen ineinem „Jugendhilfegespräch“ bauen auf; vorMutter und Tochter ein wahrhaft niederschwelligesAngebot!• oder evtl. die Mädchenwohngruppe, in dersie Obhut gefunden hat; aber wie sieht esda mit der qualifizierten therapeutischenBetreuung aus?Sarah äußert das anfangs geschilderte Bildvon den Essensangeboten; auch ihre Mutterbenötigt Bedenkzeit.Die Schule, nun mit einbezogen, ebenso.Wer kann hier noch eingreifen? Mir fallenunsere Schulaktionen zur UN-Kinderrechts-


forum 1/2002 Vielfältige Aktivitäten 45konvention ein und das Netzwerk unserer<strong>unesco</strong>-<strong>projekt</strong>-schulen. Also schreiben: VonSarahs geheimen Alpträumen. Ist das Vertrauensverratoder der Versuch aufzuwecken; diePflicht einzufordern, dass die verantwortlichenErwachsenen genau hinschauen?Ein Mädchen aus der neuen Wohngemeinschafterzählt: Sarah schreie nachts in ihrenTräumen – ob das der überlastete Herr vomKreisjugendamt hört?Günter PapeSaarlandFLÜCHTLINGE ALS SCHÜLER AN UNESCO-PROJEKT-SCHULENAuf der Flucht vor den TalibanInterkulturelles Lernen ist einer derSchwerpunkte von <strong>unesco</strong>-<strong>projekt</strong>-schulen.Deshalb ist es auch nicht verwunderlich,dass viele Schulen, die Mitglied im Schulnetzsind, in Stadtteilen mit multikulturellerBevölkerungsstruktur liegen. Dass dabeinicht nur die Vielfalt von Kulturen , sondernauch immer wieder existenzielle Bedrohungenvon Jugendlichen den Schulalltagbestimmen, zeigt der Bericht einer afghanischenSchülerin.Als ich genau vor neun Jahren morgens zurSchule ging, wurden die anderen Schüler undich plötzlich um zehn nach Hause geschickt.Es war nichts Neues, dass wir so früh beurlaubtwurden, denn in letzter Zeit wurden wirimmer früh nach Hause geschickt. Die Lehrerhatten Angst vor dem Angriff der Mudschaheddinauf die Hauptstadt Kabul und dass dieSchüler dabei verletzt werden könnten.Zu meiner Überraschung war auch meinVater früh zu Hause. Er erzählte, dass in seinemBüro, als er zur Arbeit kam, plötzlichMudschaheddin mit langen Bärten und Kalaschnikowsin der Hand saßen und zu ihm sagten,dass er nicht mehr arbeiten müsse. ImFernsehen sahen wir auf einmal die Moderatorinmit Kopftuch, die vom Zerfall der NadschibullahRegierung sprach und dass der Präsidentam Flughafen verhaftet worden sei. ImRadio und im Fernsehen wurde mitgeteilt,dass die Regierung des Präsidenten nicht mehrexistiere und jeder Widerstand gegen die Mudschaheddinzwecklos sei. Am Anfang warensie auch recht friedlich, aber nach drei Tagenfingen sie an, Menschen zu verfolgen, die mitder alten Regierung etwas zu tun hatten. Undals mein Vater wieder einmal in sein Büroging, wurde er verhaftet. Ähnlich war es auchseinen <strong>Freunde</strong>n ergangen.Wir bekamen die Nachricht sofort, undmein Großvater stellte 50.000 Afghani (AfghanischeWährung) als Bestechung bereit, ummeinen Vater zu befreien. In der Nacht wurdemein Vater entlassen. Meine Geschwister undich durften nicht mehr zur Schule gehen.Fernsehen gab es zwar, aber Musik wurde verboten,und im Fernsehen sahen wir nur Muhllas(islamische Priester), die den Koran lasen.Es gab keine andere Lösung für meinen Vaterund seine <strong>Freunde</strong>, als Afghanistan zu verlassen.Sie waren gezwungen, es zu tun, sonsthätten sie es mit ihrem Leben bezahlen müssen.Es wurde immer gefährlicher, weil vielenach der Verhaftung auch getötet wurden.Nun saßen wir in einem Auto in RichtungTschalalabad. Wir Frauen saßen auf den Sitzenund mussten uns verschleiern, damit wirnicht erkannt wurden. Die Männer musstensich hinter den Lebensmitteln verstecken,damit sie nicht von der Mudschaheddin entdecktwurden. In einer Wochen hatten wir mitsehr viel Angst Tschalalabad erreicht. Die vielengefährlichen Momente, als die Mudschaheddinsunser Auto kontrollierten, sind bisheute nicht vergessen.Es war ein Trauma, das wir erlebt hatten,und wir waren froh, als wir die Grenzeerreichten. In Peschawar angekommen, konntenwir uns auch nicht frei bewegen, denn esgab auch hier Mudschaheddin und Extremisten.Also fuhren wir weiter nach Islamabad.Dort war es freier, und da gab es auch keineGefahr mehr für uns. Mehr als neun Monateblieben wir in Islamabad, weil mein Großvateruns Geld schicken wollte, um weiter zu fahren.Aber wir wussten nicht, wohin es gehensollte. Mein Vater führte ein Telefonat undverschiedene Gespräche mit meinem Onkel inFrankreich. Er gab ihm den Rat, nach Europazu fliegen. Wir fanden die Idee gut, denn fürPakistan waren wir nicht geeignet; dort konntenwir nicht für immer bleiben.Das Geld war in zehn Monaten da, nunsuchten wir jemanden, der uns die Pässebesorgen konnte. Unser Ziel war Deutschland.Als wir in Frankfurt landeten, empfingenuns mein Onkel und ein Freund meines Vatersam Flughafen. Und es ging nach Köln, wo einFreund meines Vaters wohnte.Seither besuche ich eine Schule in Deutschlandund möchte hier auch das Abiturmachen.Nina Naider*Nordrhein-Westfalen* Name der Autorin aus Gründen des Persönlichkeitsschuzesgeändert

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