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WOHER, WER UND WOHIN?Wie ein gestrandeter Supertanker liegt er da: der Bau 74 auf dem ehemaligenWerksgelände der AEG in Nürnberg. Von dem Gebäudekomplex geht eine nurschwer zu beschreibende Stimmung aus. Es beschleicht einen das mulmigeGefühl, das Relikt einer vergangenen, einst besseren Epoche zu betreten. Erstinnen im Gebäude spürt man allmählich etwas von der Aufbruchstimmung einerbrodelnden Kreativfabrik, die neuen, hoffnungsvollen Ufern zusteuert. Auf unbestimmteZeit haben ganz unterschiedliche Künstlerinnen und Künstler Rau<strong>mb</strong>ezogen. In den lichten und großzügigen Ateliers finden sie ideale Arbeitsbedingungenvor. Wer den Kontakt sucht, kann sich mit anderen austauschen,zugleich bieten die riesigen Dimensionen genügend Rückzugsmöglichkeiten.Für die Ausstellung “Auf AEG” mussten die Werke der jetzt-Künstler nicht weittransportiert werden, galt es doch innerhalb des ausgedehnten Werksgeländesnur etwa 500 Meter bis zur Zentrifugenhalle schräg gegenüber auf der anderenStraßenseite zu überwinden. Wie wirken sich die ganz eigenen Arbeitsbedingungenauf AEG in Bezug auf das Schaffen der Schicksalsgemeinschaft auf Zeitaus? Lassen die gezeigten Gemälde und Objekte etwas von der zwiespältigenAtmosphäre erkennen, transportieren sie einen verwehten Mythos oder handeltes sich nur um einen losen Verbund zufällig Wand an Wand Arbeitender?Dem Thema der Reise auf einer metaphorischen Ebene widmet sich SHÓHÉALEXANDER SEILER, dessen wuchtig-massive und zugleich äußerst fragileGipsschiffe den Eintretenden empfangen. Zwei monumentale Vehikel, ein Kriegsschiffund eine Zeremonialbarke, sind in der Zentrifuge vor Anker gegangen.Jedes ist eine wüste Arche Noah mannigfaltigster Spolien, beide scheinen siemüde und reparaturbedürftig. Es sind Sy<strong>mb</strong>ole von Macht und Ohnmacht einerebenso streitbaren wie verletzlichen “abendländischen” Kultur. Die hatte immerschon Patchworkcharakter und wird sich wohl auch weiterhin die Frage stellen,was denn Original ist und was nicht.Thematisch schließen an diesem Punkt die Arbeiten von ROMINA SCHENONEan. Flüchtig betrachtet, sind hier Badende gemalt, das Urthema der angeblich“kunstautonomen” Klassischen Moderne, doch zeigt Schenone die vom altenGruppenfoto abgemalten eigenen Vorfahren, die im Zweiten Weltkrieg vor demNaziregime aus Deutschland nach Argentinien fliehen mussten. Die von Meereswogenumspülten, dicht an dicht gedrängten Familienmitglieder sind “Inmigrantesde vacaciones”. Ihre Gefühle sind hin und her gerissen zwischen Nachdenkenüber den Verlust von Heimat bzw. Verwandten und der unfreiwillig eingetretenen,eigentlich unpassenden Urlaubsstimmung.Wiederum im Dreidimensionalen, baut EVA-MARIA MANDOK auf die Kontrastierungvon Gegensatzpaaren wie hart - weich, schwarz - weiß oder schwer -leicht. In ihren poetischen und narrativen Installationen akkumuliert die gelernteRaumausstatterin gleichartige Objekte, um einfach verständliche Botschaften zuvermitteln. „Harte Ziele, weiche Waffen“ besteht aus zwei Haufen am Boden: Inhellem Beton gegossene Teddybären liegen da neben ausgepolsterten Kurzstreckenraketenaus schwarzem Textil.Von geradezu sakraler Wirkung sind die hyperrealistisch gemalten Unterwasseraufnahmenvon ANNA BITTERSOHL. Über den in der blauen Tiefe schimmerndenFlugzeugwracks liegt meditative Ewigkeitsstimmung. Bittersohl ist demUrgrund romantischen Denkens auf der Spur, denn ihre auf den Meeresbodengesunkenen Fluggeräte haben etwas von Rochen, Haien oder Tiefseefischen. Stillund unnahbar, verweisen sie auf das Scheitern des menschlichen Traumes undden Sieg der unendlichen Natur über eine endliche Zivilisation.TOBIAS STUTZ interessiert sich immer weniger für die Darstellung des Menschenund findet seine Motive zunehmend in der Architektur. Mit malerischerRaffinesse und Nonchalance geht er der spannenden Frage nach, wie vielAbstraktion ein realistisches Bild zulässt. Es gibt Symmetrie und Dekonstruktion,Räumlichkeit und Flächenreduktion, wenn Stutz in einem wirklichkeitsgetreugemalten Fassadenausschnitt eines an und für sich langweiligen Balkonhochhausesdas alte Figur-Grund-Problem des synthetischen Kubismus neu durchspielt.46 47

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