03.12.2012 Aufrufe

Rechtsgutachten zu Fragen von Hausberufungen Dargestellt am ...

Rechtsgutachten zu Fragen von Hausberufungen Dargestellt am ...

Rechtsgutachten zu Fragen von Hausberufungen Dargestellt am ...

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

<strong>Rechtsgutachten</strong><br />

<strong>zu</strong> <strong>Fragen</strong> <strong>von</strong> <strong>Hausberufungen</strong><br />

<strong>Dargestellt</strong> <strong>am</strong> einem Beispiel der Praxis der<br />

Johann Wolfgang Goethe-Universität<br />

Frankfurt <strong>am</strong> Main<br />

erstattet im Auftrag des Fachbereichs Gesellschaftswissenschaften<br />

der Johann Wolfgang Goethe-Universität<br />

<strong>von</strong><br />

Prof. Dr. Max-Emanuel Geis<br />

Ordinarius für Öffentliches Recht<br />

Leiter der Forschungsstelle für Wissenschafts- und Hochschulrecht<br />

an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg<br />

Valentin-Rathgeber-Straße 1<br />

96049 B<strong>am</strong>berg


Inhaltsverzeichnis<br />

2<br />

A. Sachbericht und Gutachtenauftrag 3<br />

B. Rechtliche Würdigung 6<br />

I. Begriff der Hausberufung und des sog. „Hausberufungsverbots“ 7<br />

II. Verfassungsrechtliche Einordnung des Hausberufungsverbots 7<br />

1. Das Recht auf gleichen Zugang <strong>zu</strong> öffentlichen Ämtern (Art.33 Abs.2 GG) 7<br />

2. Modifikationen als Ausprägung verfassungsimmanenter Schranken 8<br />

3. Zwischenergebnis 9<br />

III. Einfachgesetzliche Einordnung 9<br />

1. Hochschulrahmengesetz (HRG) 9<br />

2. Hessisches Hochschulgesetz (HHG) 12<br />

a) Zus<strong>am</strong>menhang mit dem HRG 12<br />

b) Auslegung des Mitgliedbegriffs 13<br />

aa) gr<strong>am</strong>matische Auslegung 13<br />

bb) systematische Auslegung 14<br />

cc) teleologische Auslegung 15<br />

dd) historische Auslegung 15<br />

ee) Die Unterscheidung formaler - materieller Mitgliedsbegriff 16<br />

^ ff) Zwischenergebnis 17<br />

d) Die Gegenausnahme des „begründeten Ausnahmefalls“ 18<br />

aa) Historische Genese 18<br />

bb) Beispiele für „begründete Ausnahmefälle“ 19<br />

e) Zwischenergebnis 20<br />

IV. Zur Definition des Mitgliedsbegriffs in 5.5 der Berufungsrichtlinie v. 15.3.2005 20<br />

1. Qualifizierung als norminterpretierende Verwaltungsvorschrift 20<br />

2. Gestaltungsspielräume des Präsidiums bei Richtlinien <strong>zu</strong> § 72 Abs.2 HHG 22<br />

3.Konsequenzen für den konkreten Fall 25<br />

V. Zur Bewertung <strong>von</strong> Zf. II.6 der Vertretungsrichtlinie 25<br />

VI. Rechtlich mögliche Handlungsspielräume des Präsidiums und des Fachbereichs 28<br />

1. Ist die Begründung, bei einer Vorschlagsliste handele es sich um<br />

eine „Hausberufung“ hinreichend (auch unter Berücksichtigung <strong>von</strong><br />

§ 40 Abs. 2 10 HHG) für eine Rückgabe des Berufungsvorschlags? 28<br />

2. Liegt die Vorgehensweise des Präsidiums im rechtlich<br />

möglichen Ermessensspielraum des Präsidenten? 29<br />

3. Gibt es andere (evtl. gebotene) Vorgehensweisen? 29<br />

4. Rechtlich korrektes Verhalten des Fachbereichs 30<br />

VII. Rechtsschutzfragen 31<br />

1. Rechtsschutz aus Sicht des Fachbereichs 31<br />

a) Remonstrationsrecht 31<br />

b) Rechtsaufsicht 31<br />

c) gerichtlicher Rechtsschutz 31<br />

2. Rechtschutz aus Sicht <strong>von</strong> Bewerbern 34<br />

a) Aus Sicht des/der nicht als listenfähig bezeichneten Bewerbers/in 34<br />

b) Aus Sicht vorrangiger, insb. des/der erstplazierten Bewerbers/in 36<br />

C. Wesentliches Ergebnis 37


A. Sachbericht und Gutachtenauftrag<br />

I. Sachbericht<br />

3<br />

Am 13.12.2004 beschloss der Fachbereichsrat des FB 03 – Gesellschaftswissenschaften<br />

– der Johann-Wolfgang-Goethe-Universität Frankfurt <strong>am</strong> Main eine Berufungsliste <strong>zu</strong>r<br />

Wiederbeset<strong>zu</strong>ng der Professur für Soziologie mit dem Schwerpunkt Frauen- und<br />

Geschlechterforschung. Tertio loco war dabei Frau Prof. Dr. D. platziert worden. Frau<br />

Prof. Dr. D. hatte 1995 <strong>am</strong> Fachbereich Gesellschaftswissenschaften mit einer Arbeit<br />

über die Neue Frauenbewegung im Blick der Sozialwissenschaften mit der Note summa<br />

cum laude promoviert. Zwischen 1996 und 2001 bekleidete sie diverse Funktionen als<br />

Oberassistentin, Assistenz-Professorin und Gastprofessorin in der Schweiz (Universität<br />

Fribourg), in Österreich (Universität Wien) und als Teilnehmerin an einem Graduierten-<br />

Kolleg an der Universität Dortmund. Daneben hatte sie Lehraufträge an den<br />

Universitäten Bern, Innsbruck und Kassel inne. Im Jahre 2002 habilitierte sie sich<br />

wiederum an der Universität Frankfurt mit einer Arbeit über „Wohlfahrtstaatliche<br />

Geschlechterpolitik in Österreich. Arena eines widersprüchlich modernisierten<br />

Geschlechter-Diskurses“ und erhielt die venia legendi in Politikwissenschaft. Im<br />

Sommer erhielt sie einen Ruf an die FH Bielefeld auf eine Professur für<br />

Politikwissenschaft mit dem Schwerpunkt Gesellschaftstheorie und Soziale<br />

Bewegungen. Ihre Listenfähigkeit und ihre Eignung speziell für die ausgeschriebene<br />

Stelle wird in dem Berufungsvorschlag ausführlich begründet und <strong>von</strong> den auswärtigen<br />

Gutachten bestätigt.<br />

Mit Schreiben vom 9.5.2005 beanstandete der Vizepräsident der Johann-Wolfgang-<br />

Goethe in Vertretung des Präsidenten die Berufungsliste mit der Begründung, die auf<br />

Platz 3 gesetzte Bewerberin Frau Prof. Dr. D. sei nicht listenfähig, da es sich im Sinne<br />

der Richtlinien des Präsidiums vom 15. 03. 2005, Ziffer 5.5 (im folgenden:<br />

„Berufungsrichtlinie“) um eine Hausberufung handle.


Ziff. 5.5 der Berufungsrichtlinie lautet:<br />

4<br />

„Mitglieder der eigenen Universität können nach § 72 Abs. 3 Satz 1 HHG nur in<br />

begründeten Ausnahmefällen berufen werden. Ausnahmen sind möglich, wenn<br />

das Mitglied der eigenen Universität besser geeignet ist als die nachrangig<br />

Vorgeschlagenen und<br />

a) die Professur mindestens zweimal ausgeschrieben worden war oder<br />

b) das Mitglied bereits eine entsprechende Berufung an eine andere<br />

Hochschule abgelehnt oder auf einem auswärtigen<br />

Berufungsvorschlag gleicher Art an vorderer Stelle gestanden hat.<br />

Bei der Feststellung der Mitgliedschaft kommt es nicht auf die<br />

korporationsrechtliche Zugehörigkeit <strong>zu</strong>r Universität im Sinne <strong>von</strong> § 8 Abs. 1<br />

HHG an, sondern darauf, ob der Bewerber/die Bewerberin die für die Berufung<br />

erforderliche besondere wissenschaftliche Qualifikation (Promotion, Habilitation,<br />

<strong>zu</strong>sätzliche wissenschaftliche Leistungen im Sinne <strong>von</strong> § 71 Abs. 2 HHG) an der<br />

Frankfurter Universität erworben hat.“.<br />

Die Liste wurde dem Fachbereich <strong>zu</strong>rückgegeben; ihm wurde anheim gestellt, die Stelle<br />

neu aus<strong>zu</strong>schreiben. Der Fachbereich hat dies zwischenzeitlich getan, um einen größeren<br />

Zeitverlust <strong>zu</strong> vermeiden, ohne die Beanstandung des Vizepräsidenten d<strong>am</strong>it als<br />

rechtmäßig an<strong>zu</strong>erkennen.<br />

Im übrigen nimmt die Richtlinie des Präsidiums für die Beauftragung <strong>von</strong> Vertretungs-<br />

und Gastprofessuren sowie Gastwissenschaftler/innen“ (im folgenden:<br />

„Vertretungsrichtlinie“) in ihrer Ziff. 6 den Mitgliedsbegriff der Berufungsrichtlinie auf:<br />

„Die Vertreterin bzw. der Vertreter einer Professur muss die der vakanten<br />

Professorenstelle entsprechende Qualifikation nach § 71 HHG besitzen. (…)<br />

Bei Mitgliedern der eigenen Universität ist die Vorausset<strong>zu</strong>ng nach Ziff. 1<br />

besonders nach<strong>zu</strong>weisen. Zur Festlegung der Mitgliedschaft wird auf Ziff. 5.5<br />

der Berufungsrichtlinie verwiesen.“


2. Gutachtenauftrag<br />

5<br />

Auf Beschluss und im Auftrag des FB Gesellschaftswissenschaften hat der Dekan den<br />

Unterzeichneten beauftragt, eine gutachterliche Stellungnahme <strong>zu</strong> folgenden <strong>Fragen</strong> im<br />

Zus<strong>am</strong>menhang mit dem unter 1. dargestellten Vorgang ab<strong>zu</strong>geben (die Untersuchung<br />

gruppiert die <strong>Fragen</strong> wie aus dem Inhaltsverzeichnis ersichtlich):<br />

(I) Prinzipielles <strong>zu</strong>r „Hausberufung“<br />

(1) Was ist eine „Hausberufung“? Wie ist der Begriff „Mitglied“ <strong>zu</strong> definieren bzw.<br />

welche engstmögliche Definition ist noch verfassungskonform?<br />

(2) Ist die Definition des Präsidiums (Richtlinien vom 15. 03. 2005, Punkt 5.5.) und<br />

die Richtlinien <strong>zu</strong>r Beset<strong>zu</strong>ng <strong>von</strong> Vertretungsprofessuren (II.6.) (verfassungs-)<br />

rechtskonform<br />

(3) Liegt im vorliegenden Verfahren eine Hausberufung oder ein „begründeter<br />

Ausnahmefall“ vor?<br />

(II) Rechtlich mögliche Handlungsspielräume des Präsidiums:<br />

(1) Ist die Begründung, bei einer Vorschlagsliste handele es um eine<br />

„Hausberufung“ hinreichend (auch unter Berücksichtigung <strong>von</strong> § 40(2) 10. des<br />

HHG) für eine Rückgabe des Berufungsvorschlags?<br />

(2) Liegt die Vorgehensweise des Präsidiums (Rückgabe der Liste mit der im<br />

Schreiben vom 9.5.2005 angegebenen Begründung) im rechtlich möglichen<br />

Ermessensspielraum des Präsidenten?<br />

(3) Gibt es andere (evtl. gebotene) Vorgehensweisen?<br />

(4) War die Entscheidung des Präsidenten rechtskonform?<br />

(III) Handlungsmöglichkeiten für Fachbereiche /Berufungskommissionen<br />

Wie können sich Fachbereiche (Berufungskommissionen) rechtsstaatlich korrekt<br />

verhalten, wenn im Falle eines Hausberufungsverdachts sowohl die Rechte der<br />

Bewerber(innen) gewahrt werden sollen, andererseits aber das Verfahren nicht gefährdet<br />

werden soll?<br />

(IV) Rechtsschutz<br />

(1) Welche Rechte und Pflichten erwachsen aus einer möglicherweise<br />

rechtsfehlerhaften Entscheidung des Präsidenten für den Fachbereich? (z.B.<br />

Rechtsaufsicht? Remonstration?)<br />

(2) Welche Möglichkeiten <strong>zu</strong>m Schutz ihrer Rechte haben betroffene Bewerber, und<br />

zwar nicht nur die als nicht listenfähig bezeichnete Bewerberin, sondern - wie in<br />

diesem Falle - z.B. auch die Erstplatzierte, die in allen Stadien des Verfahrens<br />

und <strong>von</strong> allen beteiligten Gremien (auswärtige Gutachten,<br />

Berufungskommission, Dekansbericht) als herausragend qualifizierte Bewerberin<br />

nicht <strong>zu</strong>m Zuge kommen konnte? und zwar gegen das Vorgehen des<br />

Fachbereich? und/oder gegen das Vorgehen des Präsidiums?


B. Rechtliche Würdigung<br />

I. Begriff der „Hausberufung“ und des sog. „Hausberufungsverbots“<br />

6<br />

1. Unter einer sog. „Hausberufung“ wird in der Regel der Fall verstanden, dass eine<br />

Kandidatin/ein Kandidat berufen werden soll, der <strong>zu</strong>m Zeitpunkt der Berufung bereits<br />

Mitglied der betroffenen Fakultät/des Fachbereichs ist. Die da<strong>zu</strong> vorhandene Literatur<br />

geht insofern einhellig da<strong>von</strong> aus, dass die rechtliche Zugehörigkeit <strong>zu</strong>r berufenden<br />

Hochschule das bestimmende Element ist.<br />

Klaus Köpp, Inhalt und Funktion des sog. Verbots der <strong>Hausberufungen</strong>, JZ 1980,<br />

218 ff.); <strong>zu</strong>r Entwicklung Dieter Scheven, in: Flämig u.a. (Hrsg.), Handbuch des<br />

Wissenschaftsrechts, 2. Aufl. 1996, Bd. 1, Kap. 11, S. 356 f.<br />

2. Hausberufungsverbot bedeutet, dass grundsätzlich keine Mitglieder aus dem eigenen<br />

Hause (= der Hochschule) auf eine Professorenstelle berufen werden sollen. Dies soll im<br />

wesentlichen einer Verkrustung der Personalpolitik vorbeugen, n<strong>am</strong>entlich Lehrer-<br />

Schüler-Verhältnisse einschließlich nepotistischer Nachfolgemechanismen<br />

(„akademische In<strong>zu</strong>cht“) unterbinden, blickverengende Schulenbildungen vermeiden,<br />

die Qualifizierung des wissenschaftlichen Nachwuchses auf die ges<strong>am</strong>te Breite der<br />

Möglichkeit <strong>zu</strong>r Vertretung eines Faches hin<strong>zu</strong>lenken und die wissenschaftliche<br />

Selbstergän<strong>zu</strong>ng durch frisches Blut <strong>von</strong> außen <strong>zu</strong> befördern. Laufbahnähnliche<br />

Strukturen sollten verhindert, die Mobilität des wissenschaftlichen Personals gefördert<br />

werden. Inhaltlich sollen Beurteilungen der Qualifikation <strong>von</strong> Professoren, vor allem bei<br />

Erstberufungen, den bewertenden Entscheidungen verschiedener<br />

Fachbereiche/Hochschulen unterwerfen werden, um dadurch eine möglichst objektive<br />

Entscheidung herbei<strong>zu</strong>führen.<br />

So insb. Andreas Kehler, in: Denninger (Hrsg.), HRG, § 45 Rdn. 37;<br />

Krüger/Leuze, in: Hailbronner/Geis, Kommentar <strong>zu</strong>m Hochschulrahmengesetz,<br />

Stand 2004, § 45 Rdn. 29.)


II. Verfassungsrechtliche Einordnung des Hausberufungsverbots<br />

1. Das Recht auf gleichen Zugang <strong>zu</strong> öffentlichen Ämtern (Art. 33 Abs. 2 GG)<br />

7<br />

Verfassungsrechtlich stellen sich Verbote und sonstige Beschränkungen <strong>von</strong><br />

<strong>Hausberufungen</strong> als Eingriff in das Recht auf gleichen Zugang <strong>zu</strong> öffentlichen Ämtern<br />

dar (Art. 33 Abs. 2 GG). Art. 33 Abs. 2 GG ist als besonderer Gleichheitsatz lex<br />

specialis <strong>zu</strong>m allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG), nach einigen<br />

Auffassungen auch <strong>zu</strong>m Recht auf freie Berufswahl – und ausübung nach Art. 12 Abs. 1<br />

GG.<br />

Lecheler, in: Friauf/Höfling, Berliner Kommentar <strong>zu</strong>m GG, Bd. 2, Stand 2004,<br />

Art. 33 Rdn. 13; Epping, Grundrechte, 2. Auflage 2004, Rdn. 744; Köpp, JZ<br />

1980, 218 f.<br />

Grundsätzlich sind danach als <strong>zu</strong>lässige Differenzierungskriterien nur Eignung,<br />

Befähigung und fachliche Leistung heran<strong>zu</strong>ziehen.<br />

Köpp, JZ 1980, 218 (220); für eine restriktive Auslegung auch Krüger/Leuze, in:<br />

Hailbronner/Geis, Kommentar <strong>zu</strong>m Hochschulrahmengesetz, Stand 2004, § 45<br />

Rdn. 28;.<br />

Die Berücksichtigung der „Herkunft“ eines Bewerbers/einer Bewerberin allein als<br />

solche wäre <strong>von</strong> diesen Kriterien nicht gedeckt und daher verfassungswidrig.<br />

Krüger/Leuze, a.a.O., Rdn. 30; Dieter Leuze, in: ders./Epping, HG NRW, § 47<br />

Rdn. 22<br />

Die Mitgliedschaft im eigenen Hause kann daher <strong>zu</strong>nächst nur ein Hinderungsgrund<br />

sein, wenn dadurch Einschränkungen bei der Eignung, Befähigung und der fachlichen<br />

Leistung <strong>zu</strong> besorgen sind. Hierbei handelt es grundsätzlich um persönliche<br />

Eigenschaften.


2. Modifikationen auf der Grundlage verfassungsimmanenter Schranken<br />

8<br />

Allerdings ist ebenfalls seit langem anerkannt, dass diese Grundsätze gewissen<br />

Modifikationen <strong>zu</strong>gänglich sind, sofern sich diese ebenfalls verfassungsrechtlich<br />

abstützen lassen. Dogmatisch handelt es sich dabei um eine Spielart sog.<br />

verfassungsimmanenter Schranken. So rechtfertigt etwa das Sozialstaatsprinzip (Art. 20<br />

Abs. 1 GG) eine bevor<strong>zu</strong>gte Behandlung schwerbehinderter Bewerber.<br />

Battis, in: Sachs, GG, Art. 33 Rdn. 38; Schmidt-Aßmann, NJW 1980, 19.<br />

Solche Modifikationen sind allerdings nur als Hilfsauswahlkriterien <strong>zu</strong>lässig, durch die<br />

die Hauptauswahlkriterien fachliche Eignung, Befähigung und Leistung nicht<br />

unterlaufen werden dürfen. Mit anderen Worten: Die Anwendung eines<br />

Hilfsauswahlkriteriums darf nicht da<strong>zu</strong> führen, dass eine Prüfung der<br />

Hauptauswahlkriterien gänzlich unterbleibt.<br />

Lübbe-Wolff, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz, Bd. 2, Art. 33, Rdn. 33, 47;<br />

Jachmann, in: v.Mangoldt/Klein/Starck, Grundgesetz, Art. 33 Rdn. 20.<br />

Lecheler, in: Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, Bd. V § 126 Rdn.<br />

145.<br />

Unter dem Gesichtspunkt der staatlichen Verantwortung für das Funktionieren des freien<br />

wissenschaftlichen Erkenntnisprozesses aus Art. 5 Abs. 3 GG<br />

Starck, in: v.Mangoldt/Klein/ders. Grundgesetz, Bd, 1, Art. 5 Abs. 3 Rdn.<br />

297; Pernice, in: Dreier, Grundgesetz, Art. 5 III, Rdn. 52.<br />

besteht weitgehend Einigkeit, dass ein kontinuierlicher personeller Wechsel <strong>von</strong><br />

Hochschullehrern zwischen Fakultäten/Fachbereichen <strong>zu</strong>r „Aufrechterhaltung“ eines<br />

lebendigen fakultären Diskurses und <strong>zu</strong>r organischen „Auffrischung“ des Lehrpersonals<br />

wünschenswert ist. Mobilität und die dadurch bedingte Konfrontation mit den<br />

Gedankenwelten „neuer“ Kolleginnen und Kollegen. Desgleichen ist es im Sinne einer<br />

möglichst optimierten Bewertung der wissenschaftlichen Qualifikation der Bewerberin<br />

oder des Bewerbers nicht <strong>zu</strong> beanstanden, wenn eine Evaluation nicht nur seitens der


9<br />

„Hausfakultät“ erfolgt ist (n<strong>am</strong>entlich durch ein Habilitations- oder ein vergleichbares<br />

Verfahren), sondern auch durch extern (durch ein bereits erfolgtes Berufungsverfahren).<br />

Mithin ist eine Erhöhung der Hürden für <strong>Hausberufungen</strong> im Prinzip unter dem<br />

Gesichtspunkt des Schutzes der wissenschaftlichen Eigengesetzlichkeit und gerade auch<br />

des Leistungsprinzips nicht <strong>von</strong> vornherein sachwidrig. Es gibt allerdings im Gegen<strong>zu</strong>g<br />

auch keine unwiderlegliche Vermutung, dass externe (resp. bereits mehrfach evaluierte)<br />

Bewerber a priori den Anforderungen des Art. 33 Abs. 2 GG besser genügen als interne.<br />

Eine erhöhte Berufungsschwelle für Hausbewerber ist daher stets nur als<br />

Hilfsauswahlkriterium <strong>zu</strong> rechtfertigen. Sie rechtfertigt es insbesondere nicht,<br />

Hausbewerber bereits in einem frühen Stadium eines Berufungsverfahrens ohne jegliche<br />

Prüfung der konkret-individuellen Eignung, Leistung und Befähigung vom weiteren<br />

Fortgang des Verfahrens aus<strong>zu</strong>schließen. Genau genommen handelt es sich statt eines<br />

Verbots in Wirklichkeit um ein Gebot <strong>zu</strong> einer besonders sorgfältigen Diskussion der<br />

besonderen Gründe, die im konkreten Einzelfall für und gegen eine Hausberufung<br />

sprechen.<br />

Ebenso VG Lüneburg, B.v.30.9.2004, 1 B 43/03, NVwZ-RR 2004, 354 (356);<br />

Detmer, in: Leuze/Epping, HG NRW, § 49 Rdn. 22, für die entsprechende<br />

Rechtslage in Nordrhein-Westfalen.<br />

3. Zwischenergebnis<br />

Bereits nach den verfassungsrechtlichen Vorgaben des Art. 33 Abs. 2 GG darf in einem<br />

Berufungsverfahren also nicht die Möglichkeit unterdrückt werden, die Bewerbung eines<br />

Hausbewerber /einer Hausbewerberin im Hinblick auf das Leistungsprinzip materiell<br />

prüfen und bewerten <strong>zu</strong> können.<br />

III. Einfachgesetzliche Einordnung<br />

1. Hochschulrahmengesetz (HRG)<br />

a) Rechtlich geregelt war das sog. Hausberufungsverbot vor der Änderung durch das 5.<br />

HRGÄndG <strong>zu</strong>nächst in § 45 Abs. 2 Satz 2 und 3 HRG aF. Dort hieß es


10<br />

„Bei der Berufung <strong>von</strong> Professoren können die Mitglieder der eigenen<br />

Hochschule nur in begründeten Ausnahmefällen berücksichtigt werden. Bei der<br />

Berufung <strong>von</strong> Professoren an Fachhochschulen und <strong>von</strong> Professoren für<br />

Fachhochschulstudiengänge an anderen Hochschulen in ein zweites<br />

Professoren<strong>am</strong>t gilt diese Einschränkung nicht“.<br />

Danach konnten bei der Berufung <strong>von</strong> Professoren die Mitglieder der eigenen<br />

Hochschule nur in begründeten Ausnahmefällen berücksichtigt werden. Nach Satz 3 gilt<br />

diese Einschränkung jedoch nicht für die Berufung <strong>von</strong> Professoren an Fachhochschulen<br />

bzw. für Fachschulstudiengängen insb. an Ges<strong>am</strong>thochschulen. Diese Regelung war<br />

durch das 3. HRGÄndG vom 22. Nov. 1985 – BGBl. I, 2090 eingefügt worden, um<br />

diesem Personenkreis die Möglichkeit einer laufbahnähnlichen „Beförderung“ <strong>von</strong> einer<br />

C 2- auf eine C 3-Stelle offen <strong>zu</strong> halten und d<strong>am</strong>it einen Anreiz für ein Verbleiben an<br />

der Hochschule <strong>zu</strong> haben. Im Gegen<strong>zu</strong>g führt diese dezidierte Ausnahme da<strong>zu</strong>, dass das<br />

grundsätzliche Verbot für den Bereich wissenschaftlicher und ihnen gleichgestellter<br />

Hochschulen an Stringenz gewinnt, das Vorliegen eines „begründeten Ausnahmefalls“<br />

also nicht als extensive Generalklausel verstanden werden darf. Anderenfalls wäre die<br />

genannte Novellierung eine bloße textliche Redundanz.<br />

Die Darlegung eines begründeten Ausnahmefalls erfordert also eine gesteigerte<br />

Begründungspflicht, die sich nicht nur in Leerformeln erschöpfen darf, sondern die<br />

konkreten Vorzüge des Bewerbers/der Bewerberin genau erörtern muss.<br />

Köpp, JZ 1980, S. 221; Dieter Leuze, in: Leuze/Epping, Hochschulgesetz<br />

Nordrhein-Westfalen, Kommentar Stand 2003, § 47 Rdn. 23. Zu eng dagegen<br />

Scheven, a.a.O, S. 356 f., der sogar <strong>von</strong> einem Verbot mit Erlaubnisvorbehalt<br />

ausgeht. Dadurch würde freilich das <strong>von</strong> Art, 33 Abs. 2 GG intendierte Regel-<br />

Ausnahme-Verhältnis in sein Gegenteil verkehrt.<br />

b) Das 5. HRGÄndG vom 16. Februar 2002 (BGBl I, 693) hatte die Formulierung im<br />

Zus<strong>am</strong>menhang mit der Einführung der sog. Juniorprofessur deutlich verändert. § 45<br />

Abs. 2 Sätze 2 – 4 HRG lauteten nun:


11<br />

„Bei der Berufung auf eine Professur können Juniorprofessorinnen und<br />

Juniorprofessoren der eigenen Hochschule nur dann berücksichtigt werden, wenn<br />

sie nach ihrer Promotion die Hochschule gewechselt hatten oder mindestens zwei<br />

Jahre außerhalb der berufenden Hochschule wissenschaftlich tätig waren. Bei der<br />

Berufung auf eine Professur können wissenschaftliche und künstlerische<br />

Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der eigenen Hochschule nur in begründeten<br />

Ausnahmefällen und wenn <strong>zu</strong>sätzlich die Vorausset<strong>zu</strong>ngen des Satzes 2<br />

vorliegen berücksichtigt werden.“<br />

Das Hausberufungsverbot wurde mithin rahmenrechtlich auf die Fälle der Berufungen<br />

<strong>von</strong> Juniorprofessoren bzw. wiss. Mitarbeitern beschränkt; dagegen entfielen<br />

Berufungen <strong>von</strong> bereits ernannten Professoren aus dem Regelungsbereich heraus.<br />

<strong>Hausberufungen</strong> <strong>von</strong> bereits ernannten Professoren wurden vom rahmenrechtlichen<br />

Verbot nicht mehr erfasst. Relevanz hat diese Novellierung vor allem für die Berufung<br />

eines C 2-Professors auf eine C 3 – oder eine C 4 –Stelle an wissenschaftlichen oder<br />

gleichgestellten Hochschulen (bzw. – nach der Änderung durch das<br />

Professorenbesoldungsgesetz vom 16.2.2002 [BGBl I, 686] - spätestens ab dem 1.1.2005<br />

eines W 2 –Professors auf eine W 3- Stelle).<br />

Allerdings blieben entsprechende bestehende landesrechtliche Verbote <strong>von</strong> der<br />

rahmenrechtlichen Änderung unberührt. Sie sind zwar aus bundesrechtlicher Sicht nicht<br />

mehr zwingend, im Gegen<strong>zu</strong>g aber auch nicht un<strong>zu</strong>lässig.<br />

c) Indes hat das Bundesverfassungsgericht mit Urteil vom 27. Juli 2004 – 2 BvF 2/02 –<br />

das 5. HRGÄndG in toto für nichtig erklärt<br />

BVerfGE 111, 226 (Entscheidungsformel und 270).<br />

so dass <strong>zu</strong>nächst der Rechts<strong>zu</strong>stand vor dem 5.HRGÄndG wieder auflebte. Das –<br />

ebenfalls vom Bundesverfassungsgericht aufgehobene – 6. HRGÄndG (Studien-<br />

gebühren) vom 8. August 2002 (BGBl I, 3138) und das 7. HRGÄndG vom 28. August<br />

2004 (BGBl I, 2298) hatten hieran nichts geändert. Erst durch Art. 1 des Gesetzes vom<br />

27. Dezember 2004 (BGBl I, 3835) erhielt § 45 eine völlig neue Fassung, die im<br />

Wortlaut nur noch die prinzipiell internationale Ausschreibungspflicht enthält:


12<br />

„Die Stellen für Hochschullehrerinnen sind öffentlich und im Regelfall<br />

international aus<strong>zu</strong>schreiben. Das Landesrecht kann Ausnahmen <strong>von</strong> der<br />

Ausschreibungspflicht vorsehen, insbesondere wenn eine Juniorprofessorin oder<br />

ein Juniorprofessor berufen werden soll."<br />

Eine bundesrechtliche Grundlage des Hausberufungsverbots ist d<strong>am</strong>it weggefallen. Im<br />

Gegenteil ist die fakultative Ausnahmeklausel des neuen Satzes 2 im Zus<strong>am</strong>menhang<br />

mit der Möglichkeit der Einführung eines tenure-track-Modells <strong>zu</strong> sehen.<br />

2. Hessisches Hochschulgesetz (HHG)<br />

a) Zus<strong>am</strong>menhang mit dem HRG<br />

Das Hessische Hochschulgesetz formuliert in der aktuell geltenden Fassung des § 72<br />

Abs. 3 S. 1:<br />

„Bei der Berufung können Mitglieder der eigenen Hochschule nur in begründeten<br />

Ausnahmefällen berücksichtigt werden. Juniorprofessorinnen und<br />

Juniorprofessoren der eigenen Hochschule können dann berücksichtigt werden,<br />

wenn (...)“<br />

Diese Formulierung entspricht dem Wortlaut des rahmenrechtlichen § 45 Abs. 2 Satz 2<br />

HRG in der Fassung vor dem 5.HRGÄndG (s.o.). Als Landesrecht, für das dem Land<br />

Hessen die originäre Gesetzgebungskompetenz nach Art. 75 Abs. 1 i.V.m. Art. 72 Abs.<br />

1 GG <strong>zu</strong>steht, wird seine Geltung <strong>von</strong> der Nichtigerklärung des 5. und 6. HRGÄndG<br />

nicht berührt.<br />

Zentraler Normzweck ist, dass sich der externe Bewerber nach dem ersten<br />

Qualifikationsverfahren an der eigenen Hochschule (an der Universität war das bislang<br />

in der Regel die Habilitation) einem weiteren Verfahren an einer fremden<br />

Fakultät/Hochschule <strong>zu</strong> stellen hat. Die weitere Leistungsevaluation durch ein externes<br />

Sachverständigengremium (Berufungskommission) objektiviert die Beurteilung der<br />

Eignung, Befähigung und vor allem der fachlichen Leistung i.S. des Art. 33 Abs. 2 GG,<br />

die für die Einstellung <strong>zu</strong>m Professor/<strong>zu</strong>r Professorin in § 44 HRG/§ 71 HHG<br />

konkretisiert worden ist. Daher ist der mindestens einmalige Wechsel der Hochschule


13<br />

ein wesentliches Element einer sachgerechten Leistungsbeurteilung;<br />

herkömmlicherweise wird dies durch eine Hausberufungsverbot befördert.<br />

So schon die Westdeutsche Rektorenkonferenz, MittHV 1972, 88 (91); ebenso<br />

Scheven, a.a.O., S. 356 f. Vgl. auch die Begründung <strong>zu</strong>m Regierungsentwurf<br />

eines Hochschulrahmengesetzes (BT-Drs. 7/1328, S. 69).<br />

Am Prinzip des Hochschulwechsels als Evaluationsgrundlage hatte im übrigen auch das<br />

5. HRGÄndG bei der neugeschaffenen Personalkategorie des Juniorprofessors<br />

grundsätzlich festgehalten.<br />

Vgl. da<strong>zu</strong> Andreas Reich, Hochschulrahmengesetz. Kommentar, 8. Aufl. 2002, §<br />

45 Rdn. 4.<br />

Die grundsätzliche Zulässigkeit eines Hausberufungsverbot (§ 72 Abs. 3 HHG) wurde<br />

bereits bejaht; als Beschränkung des Zugangs <strong>zu</strong>m öffentlichen Dienst i.S. <strong>von</strong> Art. 33<br />

Abs. 2 GG ist es jedoch im Sinne der oben entwickelten Kriterien verfassungskonform<br />

<strong>zu</strong> interpretieren.<br />

b) Auslegung des Mitgliedsbegriffs<br />

Erster Anknüpfungspunkt des „Hausberufungsverbots“ ist das Tatbestandselement<br />

„Mitglieder der eigenen Hochschule“. Zf. 5.5 der Berufungsrichtlinie verwendet hier<br />

einen Mitgliedsbegriff, der nicht korporationsrechtlich bestimmt wird. Es ist daher <strong>zu</strong><br />

untersuchen, wie der Mitgliedsbegriff des HHG aus<strong>zu</strong>legen ist und Spielraum für die<br />

Interpretation durch das Präsidium der JWG-Universität offen lässt.<br />

aa) gr<strong>am</strong>matische Auslegung<br />

Die gr<strong>am</strong>matische (Wortlaut-) auslegung des Begriffs „Mitglied“ bedeutet: Angehöriger<br />

einer Gemeinschaft“.<br />

Vgl. Brockhaus Enzyklopädie, 19. Aufl. 1995, Bd. 27 (Deutsches Wörterbuch<br />

GLUC-REG), S. 2276, linke Spalte.


14<br />

Im Rechtssinne setzt dies eine Zugehörigkeit der entsprechenden Person <strong>zu</strong> einer<br />

definierten Gemeinschaft oder Gruppe im fraglichen Zeitpunkt voraus. Diese<br />

Zugehörigkeit kommt im gesetzlichen Merkmal „eigene Hochschule“ in § 71 HHG<br />

unmissverständlich <strong>zu</strong>m Ausdruck.<br />

bb) Systematische Auslegung<br />

Das Hochschulrahmengesetz bestimmt in § 58 Abs. 1, dass die Hochschulen „in der<br />

Regel Körperschaften des öffentlichen Rechts“ sind. D<strong>am</strong>it ist der Mitgliedsbegriff im<br />

Hochschulrecht auch systematisch durch die persönliche Zugehörigkeit <strong>zu</strong>r Körperschaft<br />

definiert (Personalkörperschaft).<br />

Geis, in: Hailbronner/Geis, Kommentar <strong>zu</strong>m Hochschulrahmengesetz, Stand<br />

2004, § 58 Rdn. 11; Reich, Hochschulrahmengesetz. Kommentar, § 36 Rdn. 1;<br />

Burgi, Verwaltungsorganisationsrecht, in: Erichsen/Ehlers (Hrsg.), Allgemeines<br />

Verwaltungsrecht, 12. Aufl. 2002, § 52 Rdn. 12.<br />

§ 36 HRG definiert den Kreis der Mitglieder als Gemeinschaft aller an der Hochschule<br />

nicht nur vorübergehend oder gastweise hauptberuflich Tätigen sowie die<br />

eingeschriebenen Studenten. § 8 HHG präzisiert dies wie folgt:<br />

§ 8 Mitglieder und Angehörige<br />

(1) Mitglieder der Hochschule sind die Professorinnen und Professoren, die<br />

Studierenden, das wissenschaftliche, medizinische, administrative und technische<br />

Personal und die Präsidentin oder der Präsident.<br />

(2) Hauptberuflich Tätige, die nicht <strong>zu</strong>m Personal der Hochschule gehören,<br />

können ihre Mitgliedschaft beantragen, wenn sie mindestens ein Jahr in der<br />

Hochschule arbeiten sollen. Dasselbe gilt für Wissenschaftlerinnen und<br />

Wissenschaftler, die durch ein gemeins<strong>am</strong>es Berufungsverfahren mit der<br />

Hochschule verbunden sind.<br />

(3)…<br />

Die Mitgliedschaft kraft Gesetzes setzt d<strong>am</strong>it – abgesehen <strong>von</strong> der studentischen<br />

Zugehörigkeit - ein bestehendes hauptberufliches Dienst- oder Arbeitsverhältnis mit der<br />

Hochschule voraus. Dies ergibt nicht <strong>zu</strong>letzt der Gegenschluss aus Abs. 6, nach dem<br />

gastweise, nebenberuflich oder ehren<strong>am</strong>tlich Tätige sowie die <strong>zu</strong>r Promotion oder


15<br />

Habilitation Zugelassenen (scl.: die aber nicht i.S. <strong>von</strong> Abs. 1 <strong>zu</strong>m wissenschaftlichen<br />

Personal gehören) und die entpflichteten und im Ruhestand befindlichen Professorinnen<br />

und Professoren als Angehörige bezeichnet werden. Diese Differenzierung kommt auch<br />

in der Überschrift des § 8 - Mitglieder und Angehörige – <strong>zu</strong>m Ausdruck.<br />

cc) teleologische Auslegung<br />

Sinn und Zweck einer genauen Definition des Mitgliedseigenschaft ist es, d<strong>am</strong>it den<br />

Kreis derjenigen klar <strong>zu</strong> ziehen, die <strong>zu</strong>r Ausübung der körperschaftlichen Rechte,<br />

n<strong>am</strong>entlich <strong>zu</strong>r Mitwirkung bzw. Repräsentanz in der akademischen Selbstverwaltung<br />

berechtigt sind. Letztere ist gerade<strong>zu</strong> ein Paradigma grundrechtlich gerechtfertigter<br />

Betroffenenpartizipation <strong>zu</strong>r Wahrung der wissenschaftlichen Eigengesetzlichkeit, die<br />

auf Einbeziehung des Sachverstands und Sachnähe beruht.<br />

So schon Rudolf Smend, VVDStRL 4 (1928), S. 44 (61); Morlok,<br />

Selbstverständnis als Rechtskriterium, 1993, S. 96 f.; Reich,<br />

Hochschulrahmengesetz. Kommentar, § 36 Rdn. 1; Geis, a.a.O., § 58 Rdn. 28.<br />

Auch nach Sinn und Zweck verlangt die funktionale Legitimation <strong>zu</strong>r<br />

Entscheidungsmitwirkung mithin die mitgliedschaftliche Zugehörigkeit der betroffenen<br />

Rechtssubjekte.<br />

dd) historische Auslegung<br />

Der untrennbare rechtliche Be<strong>zu</strong>g des Mitgliedbegriffs <strong>zu</strong>m Körperschaftscharakter der<br />

Juristischen Person Hochschule ergibt sich schließlich aus der Entstehungsgeschichte<br />

des Hochschulrahmengesetzes. Zum einen sollte die Erfüllung der öffentlichen Aufgabe<br />

„Wissenschaft“ der selbstverwaltenden Wahrnehmung einer mitgliedschaftlich<br />

verfassten Organisation anvertraut werden, um einen beherrschenden Einfluß des Staates<br />

<strong>zu</strong> vermeiden; gleichzeitig wurde d<strong>am</strong>it die ältere Ansicht vom anstaltlichen Charakter<br />

der Universität/Hochschule ad acta gelegt.<br />

So noch Ernst Forsthoff, Lehrbuch des Verwaltungsrechts, S. 489; dagegen<br />

Dallinger, HRG, 1976, § 58 Rdn. 1; vgl. auch Kahl, Hochschule und Staat, 2004,<br />

S. 74.


16<br />

Zum anderen war die Definition der Mitgliedschaft auch notwendig, um das durch das<br />

HRG realisierte Prinzip der Gruppenuniversität bruchlos begründen <strong>zu</strong> können. Die<br />

Mitwirkung aller an der Universität vertretenen Gruppen – aber auch nur dieser – wurde<br />

durch ein Selbstverwaltungsverständnis gefordert, das den Partizipationsgedanke stärker<br />

demokratisch <strong>zu</strong> begründen sich anschickte. Obwohl sich dieser Legitimationsansatz<br />

letztlich als Holzweg erwies, bedingte er doch die genauere Definition des „Teilvolks“<br />

an der Hochschule, mithin die klare Bestimmung des Mitgliederbegriffs.<br />

Zur Inkompabilität <strong>von</strong> funktionaler (Hochschul-)selbstverwaltung und<br />

demokratischer Legitimation statt vieler Ernst-Wolfgang Böckenförde,<br />

Demokratie als Verfassungsprinzip, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.) Handbuch des<br />

Staatsrechts, Bd. II, 3. Aufl. 2004, § 24 Rdn. 33, und Jestadt, Demokratieprinzip<br />

und Kondominialverwaltung, 1993, S. 535 ff., jeweils m.w.Nw.<br />

Insges<strong>am</strong>t ist d<strong>am</strong>it der Mitgliedsbegriff des HHG eindeutig korporationsrechtlich<br />

geprägt.<br />

ee) Die Unterscheidung formaler – materieller Mitgliedsbegriff<br />

Fraglich ist, ob die Gesetzessystematik gleichwohl ausnahmsweise eine normspezifische<br />

Auslegung <strong>zu</strong>lässt. In diesem unterscheidet etwa Andreas Kehler in seiner – freilich<br />

schon älteren - Kommentierung des § 45 HRG a.F. einen „formalen“ und einen<br />

„materialen“ Mitgliedsbegriff.<br />

Andreas Kehler, in: Erhard Denninger (Hrsg.), Hochschulrahmengesetz.<br />

Kommentar, 1984, § 45 Rdnrn. 39, 40.<br />

Kehlers Prämisse ist, dass der Mitgliedsbegriff des § 36 HRG <strong>von</strong> den<br />

Landeshochschulgesetzen konkretisiert werde und sich dabei z.T. erhebliche<br />

Abweichungen ergäben. Der „formale“ Mitgliedbegriff sei daher in vielen Fällen<br />

unbrauchbar bzw. untauglich; die scheinbare klare Anknüpfung an den<br />

mitgliedschaftsrechtlichen Status sei im Falle des Hausberufungsverbots des § 45 Abs. 2<br />

Satz 2 HRG also nicht unproblematisch. Lösung bringe ein statt dessen <strong>zu</strong><br />

formulierender materieller Mitgliedsbegriff, der dem Sinn und Zweck des


17<br />

Hausberufungsverbots (s.o.) verpflichtet sei; dabei könne man auf die enge Verbindung<br />

<strong>zu</strong>r ausschreibenden Hochschulen insb. bei Promotion und Habilitation sowie auf<br />

fehlende Verbindungen <strong>zu</strong> anderen Hochschulen abstellen.<br />

a.a.O. Rdn. 40<br />

Diese Auffassung überzeugt nicht. Zum einen liegt ihr eine ersichtlich petitio principii<br />

<strong>zu</strong> Grunde. Die Tatsache, dass Landesgesetze den Mitgliedsbegriff unterschiedlich<br />

ausfüllen, ist Konsequenz einer föderalistischen Hochschullandschaft, berechtigt aber<br />

nicht da<strong>zu</strong>, die gesetzliche Rückbindung des Begriffs ganz <strong>zu</strong> ignorieren. Insofern<br />

handelt es sich um eine Interpretation contra legem. Dass Kehler vom gewünschten<br />

Ergebnis her, aber ohne juristisches Problembewusstsein argumentiert, wird besonders<br />

augenfällig, weil er die verfassungsrechtliche Relevanz des Art. 33 Abs. 2 GG im Falle<br />

des Hausberufungsverbot nicht diskutiert, ja nicht einmal erkennt. Die sonstige<br />

Kommentar- und Handbuchliteratur hat denn auch den Kehlerschen gespaltenen<br />

Mitgliedsbegriff nicht aufgenommen, der Ansatz blieb vielmehr Einzelmeinung.<br />

Vgl. etwa: Thieme, Deutsches Hochschulrecht, 3. Aufl. 2004, Rdn. 606: rein<br />

politisch-positivistischer Mitgliedsbegriff; Reich, Hochschulrahmengesetz.<br />

Kommentar, § 36 Rdn. 1; Krüger/Leuze, in: Hailbronner/Geis (Hrsg.)<br />

Kommentar <strong>zu</strong>m Hochschulrahmengesetz, § 45 Rdn. 28. Auch die zeitlich<br />

frühere Kommentierung <strong>von</strong> Dellian, in: Dallinger/Bode/Dellian,<br />

Hochschulrahmengesetz, 1978, § 45 geht ganz offensichtlich <strong>von</strong> einem<br />

einheitlichen Mitgliedsbegriff im HRG aus.<br />

Allein eine rechtlich nicht näher definierte „Nähe“ noch der Umstand der Promotion<br />

bzw. Habilitation „vor Ort“ sind daher ohne weiteres ein Grund, die Anwendung eines<br />

Hausberufungsverbots <strong>zu</strong> rechtfertigen. Die Konstruktion eines „materiellen“<br />

Mitgliedsbegriffs ist daher als rechtswidrig ab<strong>zu</strong>lehnen.<br />

ff) Zwischenergebnis:<br />

• „Mitglied der eigenen Hochschule“ i.S. des § 73 Abs. 2 HHG kann nur sein, wer<br />

<strong>zu</strong>m fraglichen Zeitpunkt der Körperschaft im Rechtssinne angehört.


18<br />

• Das Hausberufungsverbot entfällt daher bereits dann, wenn ein Bewerber/eine<br />

Bewerberin im Einzelfall erst kurzfristig vor der Bewerbung als Mitglied<br />

ausgeschieden ist, ein Näheverhältnis <strong>zu</strong>r Fakultät also durchaus noch besteht.<br />

Der Gesetzgeber – dem die Problematik bei mehreren Novellierungen ja bekannt<br />

gewesen ist - hat definitiv darauf verzichtet, das Hausberufungsverbot des § 73<br />

Abs. 2 HHG auf solche Fälle aus<strong>zu</strong>dehnen, also z.B. einen bestimmten<br />

Mindestzeitraum ab dem korporationsrechtlichen Ausscheiden vor<strong>zu</strong>sehen.<br />

• Ein Bewerber kann somit nicht allein mit der Begründung, er sei „Mitglied“ im<br />

materiellen Sinne, vom weiteren Verfahren ausgeschlossen werden.<br />

• Die Zwecke eines Hausberufungsverbots können nicht durch interpretatorische<br />

Erweiterung des Anwendungsbereichs erreicht werden, sondern erfordern <strong>am</strong><br />

Maßstab des Art. 33 Abs. 2 GG <strong>zu</strong> messende gesetzliche Normierung.<br />

d) Die Gegenausnahme des begründeten Ausnahmefalls<br />

Selbst wenn aber de jure eine Hausberufung vorliegt, heißt dies nicht automatisch, dass<br />

der Kandidat/die Kandidatin aus dem Bewerberkreis ohne weiteres ausscheidet. § 73<br />

Abs. 2 HHG lässt Ausnahmen vom Hausberufungsverbot „in begründeten<br />

Ausnahmefällen“ <strong>zu</strong>. Die Formulierung bestätigt <strong>zu</strong>m einen das Regel-Ausnahme-<br />

Verhältnis und weist gleichzeitig die materielle Begründungs- und Beweislast für eine<br />

rechtfertigende Ausnahme der Seite <strong>zu</strong>, die sich darauf beruft.<br />

aa) Historische Genese<br />

Das sog. Hausberufungsverbot war <strong>zu</strong> keiner Zeit eine ausnahmslos geltende, strikte<br />

Regel. In der Zeit vor dem Inkrafttreten des HRG existierte keine entsprechende Norm;<br />

vielmehr wurde der Wechsel der Hochschule bei einer Berufung als<br />

Selbstverständlichkeit vorausgesetzt, entsprach also dogmatisch eher der Kategorie eines<br />

akademischen Brauchs.<br />

Zu dieser Entwicklung Dieter Scheven, Professoren und andere Hochschullehrer,<br />

in: Flämig u.a. (Hrsg,), Handbuch des Wissenschaftsrechts, 2. Aufl.(1996), Bd. 1,


19<br />

S. 325 (356 f.); Krüger/Leuze, in: Hailbronner/Geis, Kommentar <strong>zu</strong>m<br />

Hochschulrahmengesetz, Stand 2004, § 45 Rdn. 26.<br />

Erst die Einführung der neuen Personalstruktur ab dem Ende der 60er des vorigen<br />

Jahrhunderts, die <strong>zu</strong> einem erheblichen Ausmaß <strong>von</strong> Professorenernennungen an der<br />

eigenen Hochschule führte – n<strong>am</strong>entlich durch großzügige Überleitung <strong>von</strong><br />

Angehörigen des Mittelbaus – machte eine restriktivere Handhabung notwendig.<br />

Maßgebliche Gesichtspunkte waren die Erhaltung der Innovationskraft der Hochschulen<br />

durch externe Bewerber und – im Gegen<strong>zu</strong>g – die Verhinderung einer unsachlichen<br />

Bevor<strong>zu</strong>gung hauseigener Bewerber (n<strong>am</strong>entlich durch Lehrer-Schüler-Verhältnisse)<br />

Da<strong>zu</strong> Scheven, a.a.O., S. 356 f.; Friedhelm Hufen, Die Freiheit der Kunst in<br />

staatlichen Institutionen, 1982, S. 433.<br />

bb) Beispiele für „begründete Ausnahmefälle“<br />

Diesem Grundsatz können allerdings gleichgewichtig ein<strong>zu</strong>stufende Interessen<br />

entgegenstehen. § 73 Abs. 2 HHG – der dem Wortlaut des alten § 42 Abs. 2 HRG<br />

nachgebildet ist - lässt in „begründeten Ausnahmefällen“ eine Abweichung <strong>von</strong> der<br />

Regel. Als solche Fälle werden in der Kasuistik etwa angesehen:<br />

• Ein Hausbewerber weist einen über das übliche Maß hinausgehenden<br />

Qualifikationsvorsprung gegenüber den anderen Bewerbern auf, die eine<br />

<strong>zu</strong>sätzliche Evaluation entbehrlich erscheinen lässt.<br />

• Andere geeignete Bewerber können nicht gefunden werden, insbesondere bei<br />

sehr starker Spezialisierung in einem Fach (z.B. Assyrologie) oder besonders<br />

seltenen Fachkenntnissen (Beherrschung der Keilschrift oder der Hieroglyphen).<br />

• Der Bewerber hat <strong>zu</strong>gleich einen Ruf an eine andere Hochschule erhalten (bzw.<br />

einen sog. „grauen“ Ruf signalisiert bekommen); in diesem Fall ist das<br />

Erfordernis der externen Beurteilung gerade erfüllt.


20<br />

Vgl. Begründung <strong>zu</strong>m Reg.-Entw. des WissHG NW vom Dezember 1978 zitiert<br />

bei Leuze/ in: ders./Epping, HG NRW § 47 Rdn.23 f.; Reich, HRG, § 45 Rdn. 4<br />

aE.<br />

Der „begründete Ausnahmefall“ ist ein unbestimmter Rechtsbegriff. Prozessual legt er<br />

die materielle Beweislast der berufenden Seite auf, die substantiiert begründen muss,<br />

warum ausnahmsweise eine Hausberufung durchgeführt werden soll. Diese<br />

Vorausset<strong>zu</strong>ngen sind vom Verwaltungsgericht in vollem Maße überprüfbar. Daraus<br />

wird aber auch deutlich, dass das Vorliegen einer Hausberufung nicht automatisch eine<br />

Nichtberücksichtigung im weiteren Verfahren auslösen kann; vielmehr ist dann<br />

zwingend auf das Vorliegen eines begründeten Ausnahmefalles ein<strong>zu</strong>gehen.<br />

e) Zwischenergebnis<br />

Eine Berufungskommission muss im Falle eines Hausbewerbers substantiell prüfen, ob<br />

unter dem Gesichtspunkt der besseren Eignung, Befähigung und Leistung eine<br />

Ausnahme vom „Hausberufungsverbot“ gegeben ist. Ein Unterlassen dieser Prüfung,<br />

n<strong>am</strong>entlich ein Aussortieren des Bewerbers lediglich unter Berufung auf die<br />

Hausmitgliedschaft wäre rechtlich nicht <strong>zu</strong>lässig.<br />

IV. Zur Definition des Mitgliedsbegriffs in 5.5 der Richtlinien des Präsidiums vom<br />

15.03.2005<br />

1. Qualifizierung als norminterpretierende Verwaltungsvorschrift<br />

a) Ziff. 5.5 Satz 3 der Richtlinien des Präsidiums vom 15.03.2005 definiert den<br />

Mitgliedsbegriff abweichend vom Gesetz. Nicht die korporationsrechtliche<br />

Zugehörigkeit i.S. § 8 HHG soll entscheidend sein, sondern ob der Bewerber/die<br />

Bewerberin die für die Berufung erforderliche besondere wissenschaftliche Qualifikation<br />

an der Frankfurter Universität erworben hat. Dieses Hindernis entfällt nur, wenn der<br />

Bewerber/die Bewerberin <strong>von</strong> einer vergleichbaren Professur an einer anderen<br />

Universität oder außeruniversitären Forschungseinrichtung berufen werden soll.


21<br />

Richtlinien sind interne Regelungen, die innerhalb einer Behördenorganisation <strong>von</strong> den<br />

übergeordneten Organen bzw. Instanzen gegenüber den nachgeordneten Stellen ergehen,<br />

um Organisation und deren Handeln (Gesetzesvoll<strong>zu</strong>g, Ermessensausübung, Verfahren)<br />

näher <strong>zu</strong> determinieren. Insb. bei Ermessensnormen hat die Verwaltung einen eigenen<br />

legitimen Entscheidungsspielraum, der sie legitimiert, eigene Maßstäbe <strong>zu</strong> setzen.<br />

Vgl. statt vieler Fritz Ossenbühl, in: Isensee/Kirchhof, Handbuch des<br />

Staatsrechts, Bd. III, § 65 Rdn.4; ders. in: Erichsen/Ehlers (Hrsg.), Allgemeines<br />

Verwaltungsrecht, 12. Aufl. 2002, § 6 Rdn. 31, 46 ff.<br />

Bei der <strong>zu</strong> prüfenden Bestimmung der Zf. 5.5. Satz 3 handelt es sich indes nicht um die<br />

Ausfüllung eines Ermessensspielraums auf der Rechtsfolgenseite einer Norm, also nicht<br />

um eine sog. Ermessensrichtlinie. Vielmehr sollen Anwendungsdirektiven für die<br />

Auslegung der gesetzlich vorgegebenen Begriffe (1) „Mitglied der eigenen Hochschule“<br />

und (2) „begründeter Ausnahmefall“ gegeben werden.<br />

Verwaltungsvorschriften, die die Auslegung <strong>von</strong> Tatbestandselementen betreffen, sind<br />

grundsätzlich möglich; sie begegnen n<strong>am</strong>entlich im Bereich sog. unbestimmter<br />

Rechtsbegriffe (sog. norminterpretierende Verwaltungsvorschriften). Anders als im<br />

Bereich <strong>von</strong> Ermessensnormen wird hier allerdings ein eigenfunktioneller Bereich der<br />

Verwaltung nicht anerkannt, die Anwendung solcher Verwaltungsvorschriften ist<br />

gerichtlich in vollem Umfang überprüfbar.<br />

Vgl. BVerfGE 49, 168 (183); 78, 214 (227); BVerwG NJW 1972, 1483; OVG<br />

Münster NJW 1976, 2360; Ossenbühl, a.a.O., Rdn. 47.<br />

Eine Ausnahme gilt nur für sog. normkonkretisierende Verwaltungsvorschriften, die<br />

etwa in Sonderfällen <strong>von</strong> Beurteilungsspielräumen n<strong>am</strong>entlich bei der Einbeziehung<br />

technischer <strong>Fragen</strong> vorkommen. Um solche handelt es sich hier aber in Ermangelung<br />

eines Beurteilungsspielraums eindeutig nicht.<br />

Zum Ausnahmecharakter dieses Typus BVerfGE 78, 2145 (227); BVerwGE 107,<br />

338 (341); Hartmut Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 15. Aufl. 2004, § 24<br />

Rdn. 25a.


2. Gestaltungsspielräume des Präsidiums bei Richtlinien <strong>zu</strong> § 72 Abs. 2 HHG<br />

22<br />

Der Gestaltungsspielraum des Präsidiums hängt jeweils vom Grad der<br />

Bestimmtheit/Unbestimmtheit der Formulierung ab. Danach ist vorliegend<br />

folgendermaßen <strong>zu</strong> differenzieren:<br />

a) Hinsichtlich des Tatbestandsmerkmals „Mitglieder der eigenen<br />

Hochschule/Universität“ ist schon zweifelhaft, ob dieses einer näheren Interpretation<br />

durch eine Verwaltungsvorschrift <strong>zu</strong>gänglich ist. Es handelt sich nämlich nicht um einen<br />

unbestimmten Rechtsbegriff, vielmehr wird der Mitgliedsstatus in § 8 HHG klar und<br />

unmissverständlich definiert (Legaldefinition). Liegt indes eine Legaldefinition vor, so<br />

ist eine da<strong>von</strong> abweichende Begriffsbestimmung der Exekutive durch<br />

Verwaltungsvorschriften wegen des Grundsatzes des Vorrang des Gesetzes Art. 20 Abs.<br />

3 GG) nicht <strong>zu</strong>lässig.<br />

Zippelius/Würtenberger, Deutsches Staatsrecht, 31. Auflage 2005, § 12, S. 103;<br />

Sachs, in: ders., Grundgesetz, Kommentar, Art. 20 Rdn. 112;<br />

Es liegen auch keine Anhaltspunkte dafür vor, dass der Hessische Landesgesetzgeber<br />

sich im gleichen Gesetz unterschiedlicher Mitgliedsbegriffe bedienen wollte. Im<br />

Gegenteil spricht – wie bereits erwähnt der systematische und teleologische<br />

Zus<strong>am</strong>menhang der Regelungen im HHG mit der vom Hochschulrahmengesetz als<br />

Regelfall vorgegebenen Körperschaftsstruktur für eine einheitliche Begriffsauslegung.<br />

Dass der Mitgliedsbegriff im Gegenteil prinzipiell durch die Zugehörigkeit <strong>zu</strong>r<br />

Körperschaft limitiert ist und nicht praeter legem ausgeweitet werden kann, folgt e<br />

contrario <strong>zu</strong>m einen aus § 8 Abs. 2 HHG: Danach kann die Mitgliedschaft in bestimmten<br />

Fällen beantragt werden, auch wenn man nicht <strong>zu</strong>r Körperschaft gehört (z.B.<br />

abgeordnete Be<strong>am</strong>te). Zum anderen spricht die in § 8 vorgenommene Unterscheidung<br />

zwischen Mitgliedern und Angehörigen deutlich dafür, dass der Gesetzgeber die<br />

Rechtsbeziehungen <strong>von</strong> einzelnen <strong>zu</strong>r Hochschule abschließend regeln wollte. Wenn der<br />

Gesetzgeber Habilitierten, die nicht mehr <strong>zu</strong>r Körperschaft gehören, einen rechtlich<br />

relevanten Status hätte verleihen wollen, so hätte er sie – wie etwa die emeritierten<br />

Professoren – in den Angehörigenstatus (§ 8 Abs. 6 HHG) übernehmen können, was er


23<br />

aber nicht getan hat. Die Richtlinie durch das Präsidium führt überdies für externe<br />

Habilitierte <strong>zu</strong> dem Paradoxon, dass sie zwischen Zulassung und AbSchluss des<br />

Verfahrens als Angehörige, danach aber – jedenfalls im Falle des § 72 Abs. 3 HHG - als<br />

Mitglieder angesehen werden, ohne indes die körperschaftlichen Rechte nach § 9 Abs. 1<br />

<strong>zu</strong> erwerben und den Pflichten nach § 9 Abs. 2, 3 unterworfen <strong>zu</strong> sein.<br />

Die Definition des Begriffs „Mitglied der eigenen Hochschule“ weicht daher un<strong>zu</strong>lässig<br />

vom Gesetz ab und ist daher rechtswidrig. Ein Interpretationsspielraum besteht nicht.<br />

b) Anders ist die Situation hinsichtlich der Konkretisierung <strong>von</strong> „begründeten<br />

Ausnahmefällen“. Hier handelt es sich um einen gerade<strong>zu</strong> klassischen unbestimmten<br />

Rechtsbegriff“,<br />

Vgl. die Beispiele bei Michael Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs,<br />

Verwaltungsverfahrensgesetz, Kommentar, 6. Auflage 2001, § 40 Rdn. 158 f.<br />

der folglich einer Norminterpretation durch Richtlinien <strong>zu</strong>gänglich ist. Dies ist in Zf. 5.5.<br />

Satz 2 der Richtlinien auch geschehen:<br />

• Das Erfordernis der besseren Eignung dient der unmittelbaren Umset<strong>zu</strong>ng des<br />

Art. 33 Abs. 2 GG.<br />

• Im Erfordernis der zweimaligen Ausschreibung dokumentiert sich der ernsthafte<br />

Versuch, eine personelle Verstärkung <strong>von</strong> außen betrieben <strong>zu</strong> haben.<br />

• Das Erfordernis einer bereits erfolgten Rufablehnung bzw. eines auswärtigen<br />

vorderen Listenplatzes setzt eine Evaluation der wissenschaftlichen Qualifikation<br />

durch einen externe Berufungskommission voraus.<br />

Da die Richtlinie den gesetzlich intendierten Zweck verfolgt, bestehen gegen sie in<br />

diesem Punkt keine Bedenken.<br />

Zu beachten ist jedoch, dass nach der gesetzlichen Normkonstruktion<br />

Mitgliedseigenschaft und begründeter Ausnahmefall in einer logischer Abfolge<br />

miteinander verknüpft sind: Nur wenn die Mitgliedseigenschaft auf der ersten


24<br />

Prüfungsstufe <strong>zu</strong> bejahen ist, ist die Möglichkeit eines begründeten Ausnahmefalls<br />

überhaupt rechtlich <strong>zu</strong> prüfen. Ist die Mitgliedseigenschaft hingegen <strong>von</strong> vornherein <strong>zu</strong><br />

verneinen, liegt schon de jure keine Hausberufung vor und die Prüfung eines besonderen<br />

Ausnahmefalls ist nicht nur nicht nötig, sondern un<strong>zu</strong>lässig. In diesem Fall hat es mit<br />

dem Procedere eines normalen Berufungsverfahrens sein Bewenden. Diese klare<br />

gesetzliche Systematik darf durch die Richtlinie nicht dahingehend verengt werden, dass<br />

bereits der Umstand einer „einheimischen“ Promotion bzw. Habilitation <strong>zu</strong> einem<br />

selbstständigen Ausschließungsgrund vom weiteren Verfahren werden. Vielmehr ist in<br />

diesem Fall in die inhaltliche Prüfung <strong>von</strong> Eignung, Befähigung und fachliche Leistung<br />

des Bewerbers/der Bewerberin ein<strong>zu</strong>treten und mit der der Konkurrenten/-innen <strong>zu</strong><br />

vergleichen.<br />

Eine weitere Unstimmigkeit ergibt sich daraus, dass die Richtlinie in der<br />

Ausnahmeregelung das Hausberufungsverbot für Mitglieder anderer Universitäten<br />

entfallen lässt. Dagegen bleibt das Hausberufungsverbot bei Mitgliedschaft an einer<br />

sonstigen wissenschaftlichen oder gleichgestellten Hochschule sowie einer<br />

Fachhochschule bestehen. Konkret heißt dies, dass die dortselbst bei Berufungsverfahren<br />

vorgenommenen Evaluationen der wissenschaftlichen Eignung, Befähigung und<br />

Leistung als nicht gleichwertig angesehen werden. Diese Auffassung ist indes mit der<br />

Konzeption des HHG nicht vereinbar, das die Rechtsverhältnisse für alle Hochschularten<br />

gleichermaßen regelt. In dieser Zus<strong>am</strong>menfassung aller Hochschulen in einem Gesetz<br />

kommt deutlich die Prämisse ihrer prinzipiellen Gleichwertigkeit (nicht Gleichartigkeit)<br />

<strong>zu</strong>m Ausdruck. Insbesondere gelten die Vorschriften über das Berufungsverfahren (§ 72)<br />

ohne Unterschied der Hochschulart.<br />

Der gleichen ratio folgt es, wenn in Ländern, in denen bis dato noch<br />

unterschiedliche Gesetze für die einzelnen Hochschultypen existierten, diese jetzt<br />

durchweg in ein einheitliches Hochschulgesetz <strong>zu</strong>s<strong>am</strong>mengeführt worden sind,<br />

so v.a. in Baden-Württemberg und (partiell) in Nordrhein-Westfalen.<br />

Die Evaluierung durch die Berufungskommission einer Fachhochschule mag zwar im<br />

Detail unterschiedlichen Vorstellungen folgen; da der Forschungsauftrag der letzteren<br />

aber mittlerweile ebenfalls anerkannt ist (bei allen rechtlichen und faktischen<br />

Differenzierungen), kann ein entsprechendes Votum nicht einfach als gegenstandslos


25<br />

behandelt werden. Es genügt jedenfalls den Anforderungen an die zweite „externe“<br />

Bewertung außerhalb der Heimathochschule. Allfällige Zweifel können im übrigen<br />

durch die vergleichenden externen Gutachten, die nach § 72 Abs. 2 Satz 2, 2. Hs. HHG<br />

obligatorisch sind, ausgeräumt werden.<br />

Ebenso VG Lüneburg, NVwZ-RR 2004, 354 (356).<br />

3. Konsequenzen für den konkreten Fall<br />

Im vorliegenden Fall hatte die Bewerberin die besondere wissenschaftliche Qualifikation<br />

durch die Habilitation an der Universität Johann-Wolfgang-Goethe-Frankfurt und die<br />

venia legendi für Politikwissenschaft erworben. Sie war danach im Sommer 2003 an die<br />

Fachhochschule Bielefeld berufen worden. Sie war d<strong>am</strong>it aus der Körperschaft „Johann-<br />

Wolfgang-Goethe-Universität“ ausgeschieden und gemäß § 11 Abs. 1 HG NRW nach<br />

Durchlaufen eines ordnungsgemäßen Berufungsverfahrens <strong>zu</strong>m Mitglied jener<br />

Hochschule geworden. Es lag d<strong>am</strong>it kein Fall des § 72 Abs. 3 HHG, also keine<br />

„Hausberufung“ vor. Die Anwendung <strong>von</strong> Zf. 5.5. Satz 3 der besagten Richtlinie ist<br />

mithin rechtswidrig.<br />

V. Zur Bewertung <strong>von</strong> Zf. II.6 der Vertretungsrichtlinie<br />

Etwas anders stellt sich der Fall für sog. Vertretungsprofessuren dar. In der alten<br />

Fassung des HRG schloss § 45 Abs. 4 HRG die Anwendung des Hausberufungsverbots<br />

in Abs. 3 auf Vertretungsprofessuren gerade aus. Mitglieder der eigenen Hochschule<br />

konnten nach dieser Regel jedenfalls aus der Sicht des Bundesrechts ohne weiteres<br />

beschäftigt werden. Diese Regelung trug dem Umstand Rechnung, dass eine Vertretung<br />

für eine Professur oft kurzfristig gefunden werden muss, um die Aufrechterhaltung des<br />

Studienangebots <strong>zu</strong> garantieren.<br />

Krüger/Leuze, in: Hailbronner/Geis, HRG, § 45 Rdn. 49; Reich, HRG, 8. Aufl.<br />

2002, Rdn. 8


26<br />

Der Wegfall des Hausberufungsverbots auf Bundesebene (§ 45 Abs. 3 HRG a.F.), aber<br />

auch der Vorschrift des § 45 Abs. 4 HRG hat die Regelungsbefugnis ganz auf die<br />

Landesebene verlagert. Einschlägig ist d<strong>am</strong>it ausschließlich § 86 HHG. Diese Vorschrift<br />

schließt die Beschäftigung <strong>von</strong> Hochschulmitgliedern nicht aus, bindet sie aber an die<br />

Zustimmung des Ministeriums (§ 86 Satz 3 HHG). In dieser Regelung kommt das<br />

Anliegen des Landesgesetzgebers <strong>zu</strong>m Ausdruck, dass Vertretungsprofessuren<br />

grundsätzlich <strong>von</strong> Nachwuchswissenschaftlern und –innen anderer Hochschulen<br />

wahrgenommen werden sollten, um dem wissenschaftlichen Nachwuchs die Bewährung<br />

außerhalb ihres bisherigen Tätigkeitsbereichs <strong>zu</strong> ermöglichen. Die Beschäftigung<br />

eigener Mitglieder ist nicht ausgeschlossen, bedarf aber der Zustimmung des<br />

Ministeriums. Aus dieser Regelung folgt im Gegenschluss, dass die Hochschule einen<br />

Spielraum hat, <strong>zu</strong> entscheiden, ob sie ein eigenes Mitglied <strong>zu</strong>r Vertretung bestellt oder<br />

<strong>von</strong> dieser Option absehen möchte. Dem<strong>zu</strong>folge kann sie diesen Spielraum durch eigene<br />

Richtlinien konkretisieren.<br />

Im Gegensatz <strong>zu</strong>r Berufung auf eine Professur handelt es sich bei einer<br />

Vertretungsprofessur nicht um die (dauerhafte) Verleihung eines öffentlichen Amtes im<br />

statusrechtlichen Sinne im Wege einer Ernennung, sondern nur um eine Übertragung der<br />

Aufgaben.<br />

Zur Anwendbarkeit des Art. 33 Abs. 2 GG insoweit Lecheler, in: Friauf/Höfling,<br />

Berliner Kommentar, Bd. 2 Art. 33 Rdn. 14; <strong>zu</strong>m Amt im statusrechtlichen<br />

Sinne auch Ziekow, DÖD 1999, 7 ff.<br />

Das Leistungsprinzip des Art. 33 Abs. 2 GG ist daher nicht unmittelbar anwendbar.<br />

Jedoch sind Lehrstuhlvertretern nach einem Beschluss der KMK vom 29.6.1972 (Nr.<br />

1821) alle Rechte und Pflichten eines Professors übertragen, woraus folgt, dass sie die<br />

Einstellungsvorausset<strong>zu</strong>ngen nach § 44 HRG bzw. den jeweiligen Vorschriften des<br />

Landesrechts erfüllen müssen, auch wenn dies das Landesrecht nicht ausdrücklich<br />

erwähnt.<br />

Krüger/Leuze, in: Hailbronner/Geis, HRG, § 45, Rdn. 49. Positive<br />

Normierungen dieses allgemeinen Grundsatzes etwa in § 49 Abs. 3 Satz 1 HG<br />

NRW, Art. 57 Abs. 4 BayHSchG


27<br />

Die Richtlinie verweist daher <strong>zu</strong>lässig auf das Qualifikationserfordernis nach § 71 HHG.<br />

Die Systematik des Gesetzes (Verzicht auf Ausschreibung etc.) zeigt indes, dass die<br />

Hochschulleitung neben der fachlichen Qualität auch andere Gesichtspunkte<br />

berücksichtigen darf, so den der der Nachwuchsförderung, aber auch den der raschen<br />

Gewinnbarkeit. Insofern ist der Gestaltungsspielraum der Hochschule hier wesentlich<br />

höher.<br />

Der Verweis auf den Mitgliedsbegriff in Ziff. 5.5 der Berufungsrichtlinie ist zwar<br />

unglücklich, weil die Richtlinie den gesetzlichen Mitgliedsbegriff nicht verändern darf.<br />

In der Sache ist die Hochschulleitung jedoch befugt, eine Beschäftigung eigener<br />

Mitglieder ebenso aus<strong>zu</strong>schließen wie Promovenden oder Habilitanden der eigenen<br />

Hochschule, wenn sie sich im Gegenteil <strong>zu</strong> einer Verwendung ausschließlich externer<br />

Jungwissenschaftler entschließt. Rechtlich ist diese Regelung bei entsprechend<br />

berichtigender Interpretation daher nicht <strong>zu</strong> beanstanden.<br />

Da<strong>von</strong> unabhängig ist allerdings die Frage, ob die Richtlinie inhaltlich geglückt ist.<br />

Nicht ganz durchdacht erscheint die Regelung, dass Vertreter und Vertreterinnen die der<br />

vakanten Professorenstelle entsprechende Qualifikation nach § 71 HHG besitzen müssen<br />

(regelmäßig also <strong>zu</strong>m Nachweis <strong>zu</strong>sätzlicher wissenschaftlicher Leistungen habilitiert<br />

sein müssen), gleichzeitig aber Mitglieder der eigenen Universität im Vertretungsfall<br />

diese Qualifikation nach § 71 HHG besonders nachweisen müssen. Jedenfalls für in<br />

Frankfurt Habilitierte bedeutet das de facto, das über den Nachweis der Habilitation<br />

hinaus die wissenschaftliche Qualifikation besonders nach<strong>zu</strong>weisen ist, was den<br />

Stellenwert der im Hause erfolgten Habilitation deutlich relativiert. In einem ähnlich<br />

gelagerten Fall – betr. den Streit um die Verweigerung der Lehrbefugnis an einen an der<br />

gleichen Hochschule Habilitierten - hat das Bundesverwaltungsgericht <strong>zu</strong>m Ausdruck<br />

gebracht, dass es sich nicht mit der Wahrung der Funktionsfähigkeit des<br />

Wissenschaftsbetriebs rechtfertigen ließe, dass ein Fachbereich jemanden, dem er die<br />

Lehrbefähigung <strong>zu</strong>gesprochen habe, anschließend das Gebrauchmachen <strong>von</strong> dieser<br />

Befähigung verweigere.<br />

BVerwG NVwZ-RR 1993, 621 (625)


28<br />

Daraus lässt sich der – eigentlich geläufige – Grundsatz ableiten, dass die erforderlich<br />

Qualifikation durch eine Habilitation hinreichend nachgewiesen ist.<br />

VI. Rechtlich mögliche Handlungsspielräume des Präsidiums und des Fachbereichs<br />

1. Ist die Begründung, bei einer Vorschlagsliste handele es sich um eine „Hausberufung“<br />

hinreichend (auch unter Berücksichtigung <strong>von</strong> § 40 Abs. 2 10 HHG) für eine Rückgabe<br />

des Berufungsvorschlags?<br />

Die Rückgabe des Berufungsvorschlags durch das Präsidium bzw. den Präsidenten ist in<br />

§ 72 nicht geregelt; vielmehr sieht diese Vorschrift nur die Intervention des<br />

Ministeriums gegen eine bereits beschlossene Liste vor (Abs.3).<br />

Hält der Präsident den Beschluss des Fachbereichsrates über den Berufungsvorschlag<br />

der Berufungskommission in der Fassung des an das Präsidium weitergeleiteten<br />

Dekansberichts jedoch für rechtswidrig, kann er diesen Beschluss beanstanden und auf<br />

Abhilfe dringen (§ 44 Abs. 5 HHG). Dies hat er – bzw. der <strong>zu</strong>ständige Vizepräsident,<br />

der insofern an Stelle des Präsidenten handelt (§ 46 HHG) – mit Schreiben vom 9. Mai<br />

2005 auch getan.<br />

Ein Verstoß gegen § 72 Abs. 2 Satz 5 HHG würde das Beanstandungsrecht auslösen. Als<br />

Maßnahme der Aufsicht ist eine Beanstandung eine verbindliche Feststellung der<br />

Rechtswidrigkeit einer Handlung.<br />

Vgl. <strong>zu</strong>m dogmatischen Parallelfall der kommunalrechtlichen Beanstandung<br />

Meinhard Schröder, Kommunalverfassungsrecht, in: Achterberg/Püttner/<br />

Würtenberger (Hrsg.), Besonderes Verwaltungsrecht, 2. Aufl. 2000, Bd. 2, Kap.<br />

16 Rdn. 123.<br />

Die Beanstandung ihrerseits ist nur rechtmäßig, wenn der fragliche Beschluss sich als<br />

rechtswidrig erweist. Vorliegend handelt es sich indes um keine Hausberufung i.S. § 72<br />

HHG, weil die <strong>zu</strong> Grunde gelegte Richtlinie ihrerseits mit dem HHG nicht vereinbar ist,<br />

also rechtswidrig ist. Im Gegensatz <strong>zu</strong>r Auffassung des Präsidiums liegt daher eine<br />

formell ordnungsgemäße Dreierliste vor. Die Begründung des (Vize-)präsidenten ist<br />

daher nicht ausreichend, um die Beanstandung und Rückgabe der Liste <strong>zu</strong> rechtfertigen.


29<br />

2. Liegt die Vorgehensweise im rechtlich möglichen Ermessensspielraum des<br />

Präsidenten?<br />

§ 44 Abs. 5 HHG konstruiert das Beanstandungsrecht des Präsidenten als verbindliche<br />

Rechtsvorschrift („hat … <strong>zu</strong> beanstanden und auf Abhilfe <strong>zu</strong> dringen“). Insofern besteht<br />

kein Ermessensspielraum, ob eine Beanstandung ausgesprochen wird oder nicht. Dies<br />

entspricht der typischen Konstruktion innerbehördlicher Aufsicht im Verhältnis<br />

zwischen monokratischen Leitungsorganen und Kollegialorganen (vgl. auch Art. 23<br />

Abs. 3 BayHochschulG). Die Beanstandung und die Empfehlung <strong>zu</strong>r Neuausschreibung<br />

(Abhilfeverlangen) war mithin aus der Sicht der Präsidenten zwingend.<br />

Allerdings trägt er in diesem Fall auch das Risiko der Rechtswidrigkeit seiner<br />

Entscheidung. Da<strong>zu</strong> gehört insb. auch die Pflicht, die Rechtslage umfassend <strong>zu</strong> prüfen.<br />

Dies ist vorliegend nur un<strong>zu</strong>reichend geschehen. Kommt das Präsidium <strong>zu</strong>r Ergebnis, es<br />

läge eine Hausberufung vor (was hier im Ergebnis <strong>zu</strong> verneinen ist), so rechtfertigt dies<br />

für sich allein noch keinesfalls eine Beanstandung. Vielmehr wäre dann erst <strong>zu</strong> prüfen<br />

gewesen, ob möglicherweise ein begründeter Ausnahmefall i.S. § 72 Abs. 2 HHG<br />

vorliegt. Darüber enthält das Schreiben vom 9.Mai 2005 aber keine Ausführungen, so<br />

dass insoweit ein Aufklärungs- und Begründungsdefizit vorliegt. Das Vorgehen des<br />

Präsidenten ist daher selbst dann rechtswidrig, wenn man <strong>von</strong> einer Hausberufung<br />

ausginge.<br />

3. Gibt es andere (evtl. gebotene) Vorgehensweisen?<br />

Die Aufstellung <strong>von</strong> Berufungsvorschlägen zählt <strong>zu</strong>m Kernbereich der akademischen<br />

Selbstverwaltung, der <strong>von</strong> der Wissenschaftsfreiheit des Art. 5 Abs. 3 GG und <strong>von</strong> § 58<br />

Abs. 1 Satz 3 HRG geschützt wird. Auf dieses Recht können sich auch die Fachbereiche<br />

als teilrechtsfähige Organisationseinheiten gegenüber der Universität berufen.<br />

BVerfGE 68, 193 (207); 75, 192 (196); 93, 85 (93); Max-Emanuel Geis, in:<br />

Hailbronner/Geis, Kommentar <strong>zu</strong>m Hochschulrahmengesetz, Stand 2004, § 58<br />

Rdn. 33, 51, 52; ders., Das Selbstbestimmungsrecht der Universitäten, in:<br />

Wissenschaftsrecht 37 (2004), S. 1 (15).<br />

Dieses subjektive Recht schützt die Fachbereiche insbesondere vor unverhältnismäßigen<br />

Eingriffen in das Recht der akademischen Selbstverwaltung.


30<br />

Zur Geltung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes auf alle Eingriffe in gesicherte<br />

Rechtspositionen Herzog, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz, Art. 20 VII Rdn. 72;<br />

Ossenbühl, Festschrift für Lerche 1993, S. 153 f.; Sachs, in: ders., Grundgesetz,<br />

Kommentar, 3. Aufl. 2001, Art. 20<br />

Entsprechend hätte der Präsident (Vizepräsident) den Fachbereich auf das aus seiner<br />

Sicht mögliches Hausberufungsverbot hinweisen und für diesen Fall auffordern müssen,<br />

<strong>zu</strong>r Frage eines begründeten Ausnahmefalls Stellung <strong>zu</strong> nehmen.<br />

4. Rechtlich korrektes Verhalten des Fachbereichs<br />

Aus den vorstehenden Überlegungen folgen im wesentlichen zwei<br />

Handlungsempfehlungen für Fachbereiche bzw. deren Räte:<br />

• Zum einen ist, wenn Uneinigkeit über das Vorliegen einer möglichen<br />

Hausberufung besteht, bereits in den Beratungen der Berufungskommission <strong>zu</strong><br />

erörtern, ob aus der Sicht des Fachbereichs eine Hausberufung vorliegt oder<br />

nicht. Weicht das Ergebnis <strong>von</strong> der Richtlinie des Präsidiums ab, ist dies mit<br />

Hinweis auf die in diesem Gutachten dargestellte Rechtslage im Bericht der<br />

Kommission dar<strong>zu</strong>legen, jedenfalls solange die gegenwärtige Berufungsrichtlinie<br />

nicht durch eine gesetzeskonforme Nachfolgerin ersetzt worden ist. Des weiteren<br />

ist – <strong>zu</strong>mindest vorsorglich – mit detaillierter Begründung darauf ein<strong>zu</strong>gehen, ob<br />

eine Listenplatzierung gegebenenfalls als „begründeter Ausnahmefall“<br />

gerechtfertigt ist.<br />

• Zum anderen sind entsprechende Bewerber/innen aus dem Gesichtspunkt einer<br />

vorverlagerten Fürsorgepflicht (allgemeiner Rechtsgedanke des § 311 Abs. 2 Zf.<br />

1, 2 BGB), auch <strong>zu</strong>r Vermeidung <strong>von</strong> Schadensersatzansprüchen, auf die unklare<br />

Rechtslage und daraus möglicherweise resultierende Hindernisse und Risiken<br />

hin<strong>zu</strong>weisen.


VII. Rechtsschutzfragen<br />

1. Rechtsschutz aus Sicht des Fachbereichs<br />

a) Remonstrationsrecht<br />

31<br />

Eine Remonstration/Gegenvorstellung des Fachbereichs gegenüber dem Akt des (Vize-)<br />

präsidenten ist als formloser Rechtsbehelf jederzeit möglich. Als innerbehördlicher Akt<br />

ist sie ein Anstoß <strong>zu</strong>r Selbstkontrolle der erlassenden Stelle, hier des (Vize-)präsidenten.<br />

Vgl. Friedhelm Hufen, Verwaltungsprozessrecht, 6. Aufl 2005, Rdn. 46<br />

Da es hier um den Schutz der durch Art. 5 Abs. 3 GG gewährleisteten Mitwirkung an<br />

Berufungsverfahren geht, das Fachbereich auch gegenüber der Hochschulleitung<br />

verteidigen kann, beruht das Remonstrationsrecht letztlich auf Art. 17 GG.<br />

Hufen, a.a.O., Rdn. 48; Dieter Hömig, in: Seifert/Hömig, Grundgesetz, 7. Aufl.<br />

2003, Art. 17 Rdn. 1<br />

Der Fachbereich hat insoweit auch einen Anspruch auf Beantwortung der<br />

Gegenvorstellung<br />

Vgl. BVerwG NJW 1976, 638.<br />

b) Rechtsaufsicht<br />

Da die Beanstandung und das Abhilfeverlagen des (Vize-) präsidenten rechtswidrig sind,<br />

kann der Fachbereich beim Ministerium anregen, diese Akte im Wege der<br />

Rechtsaufsicht (§ 93 Abs. 1 HHG) ihrerseits <strong>zu</strong> beanstanden. Hierbei handelt es sich<br />

allerdings um eine Ermessensentscheidung des Ministeriums; ein Anspruch des<br />

Fachbereichs auf aufsichtliches Einschreiten besteht nicht.<br />

H.M.; unter Hinweis auf das Opportunitätsprinzip etwa Hailbronner, in:<br />

ders./Geis, Kommentar <strong>zu</strong>m Hochschulrahmengesetz, Stand 2004, § 59 Rdn.<br />

4 m.weit. Nachw.; z.T. enger Thieme, Deutsches Hochschulrecht, 3. Aufl. 2004,<br />

Rdn. 214: Pflicht des Ministerium <strong>zu</strong>m Einschreiten.


c) gerichtlicher Rechtsschutz<br />

32<br />

Gegen die binnenaufsichtliche Beanstandung des (Vize-)präsidenten steht dem<br />

Fachbereich der Weg <strong>zu</strong>m Verwaltungsgericht offen, da es sich um eine öffentlich-<br />

rechtliche Streitigkeit nicht-verfassungsrechtlicher Art handelt (§ 40 Abs. 1 VwGO).<br />

aa) Zulässigkeit einer verwaltungsgerichtlichen Klage<br />

Als teilrechtsfähige Vereinigung, der aus § 49 Abs.1, § 50 Abs. 1 Zf. 6 HHG ein<br />

subjektives öffentliche Recht <strong>zu</strong>r Mitwirkung <strong>am</strong> Berufungsverfahren <strong>zu</strong>steht, ist der<br />

Fachbereich beteiligtenfähig i.S. des § 61 Nr. 2 VwGO<br />

BVerwGE 45, 43; NVwZ 1985, 654; Hessischer VGH ESVGH 31, 60;<br />

Kopp/Schenke, Verwaltungsgerichtsordnung, 12. Aufl. 2000; § 61 Rdn. 9;<br />

Bier, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, Verwaltungsgerichtsordnung, Stand<br />

2003, Bd. 2, § 61 Rdn. 7. Anders dagegen im Streit um die Streichung einer<br />

Professorenstelle, da insoweit kein konkretes subjektives öffentliches Recht des<br />

Fachbereichs besteht (vgl. OVG Lüneburg DVBl. 1989, 114).<br />

Da es sich um eine Maßnahme im Binnenverhältnis der Universität handelt, liegt kein<br />

Verwaltungsakt i.S. <strong>von</strong> § 35 Satz 1 HessVwVfG vor. Als statthafte Klageart wäre<br />

danach grundsätzlich eine allgemeine Leistungsklage mit dem Ziel denkbar, die<br />

Beanstandungsverfügung <strong>zu</strong>rück<strong>zu</strong>nehmen; diese Möglichkeit scheidet jedoch im<br />

konkreten Fall au, da eine Leistungsklage wegen der erneuten Ausschreibung der Stelle<br />

ins Leere ginge, also Erledigung eingetreten ist. Daneben wäre eine allgemeine<br />

Feststellungsklage (§ 43 Abs. 2 VwGO) mit dem Ziel, die Beanstandung und das<br />

Abhilfeverlangen als rechtswidrig feststellen <strong>zu</strong> lassen, statthaft. Es besteht weitgehend<br />

Einigkeit, dass eine verwaltungsgerichtliches Verfahren nach Erledigung einer<br />

Leistungsklage mit einer auf Feststellung eines Rechtsverhältnisses gerichteten<br />

allgemeinen Feststellungsklage (§ 43 Abs. 1 VwGO) weitergeführt werden kann.<br />

Sodan, in: ders./Ziekow, NOMOS-Kommentar u<strong>zu</strong>r VwGO, § 43 Rdn. 16 f.;<br />

Spannowsky, ebenda, § 113 Rdn. 139; Lorenz, Verwaltungsprozessrecht, 1999, §<br />

22 Rdn. 53, alle mit weiteren Nachweisen.<br />

Rechtsverhältnis i. S. des § 43 Abs. 1 VwGO sind die rechtlichen Beziehungen, die sich<br />

aus einem konkreten Sachverhalt aufgrund einer diesen Sachverhalt betreffenden


33<br />

öffentlich-rechtlichen Norm für das Verhältnis mehrerer Personen untereinander<br />

ergeben.<br />

BVerwGE 89, 327 (329); 100, 262 (264); Lorenz, a.a.O., § 22 Rdn. 3.<br />

„Personen“ i.S. des § 43 Abs. 1 VwGO können neben natürlichen und juristischen<br />

Personen auch (teilrechtsfähige) Verwaltungsträger sowie Organe <strong>von</strong><br />

Verwaltungsträgern sein.<br />

Sodan, in: ders,/Ziekow, NOMOS-Kommentar u<strong>zu</strong>r VwGO, § 43 Rdn. 12.<br />

Darunter fällt mithin auch die Frage der Berechtigung der Hochschulleitung, gegenüber<br />

dem Fachbereich das Beanstandungsrecht nach § 44 Abs. 5 HHG aus<strong>zu</strong>üben.<br />

Vgl. die Beispiele bei Lorenz, a.a.O., § 22 Rdn. 4<br />

Die nach § 42 Abs. 2 VwGO analog erforderliche Klagebefugnis des Fachbereichs ergibt<br />

sich aus dem bereits erwähnten, möglicherweise verletzten Mitwirkungsrecht bei<br />

Berufungsverfahren (§ 49 Abs.1, § 50 Abs. 1 Zf. 6 HHG), das vor rechtswidrigen<br />

Eingriffen der universitären Leitungsorgane schützt. Das erforderliche berechtigte<br />

Feststellungsinteresse ergibt sich aus der wahrscheinlichen Wiederholungsgefahr, da das<br />

Präsidium in vergleichbaren Fällen eine rigide Linie im Bereich des<br />

Hausberufungsverbots verfolgt hat und mutmaßlich verfolgen wird.<br />

Zum Feststellungsinteresse BVerwG BayVBl. 1994, 119; OVG Münster, DVBl.<br />

1982, 653; Lorenz, a.a.O., § 22 Rdn. 19; Hufen, Verwaltungsprozessrecht, Rdn.<br />

21 ff.<br />

Die Klage wäre, da es sich um eine innerorganisatorische Streitigkeit zwischen<br />

Universitätsorganen handelt, direkt gegen den Präsidenten <strong>zu</strong> richten; das<br />

Rechtsträgerprinzip des § 78 VwGO ist insoweit nicht anwendbar.


34<br />

Michael Brenner, in: Sodan/Ziekow (Hrsg.), NOMOS-Kommentar <strong>zu</strong>r<br />

Verwaltungsgerichtsordnung, Stand 2004, § 78 Rdn. 11; Kopp/Schenke, a.a.O.,<br />

§ 78 Rdn. 2, beide mit weit. Nachweisen. Die Streitfrage, ob § 78 eine<br />

Zulässigkeits- oder Begründetheitsvorausset<strong>zu</strong>ng darstellt, spielt im<br />

vorliegenden Zus<strong>am</strong>menhang keine Rolle.<br />

bb) Begründetheit einer Klage<br />

Die Begründetheit einer allgemeinen Feststellungsklage ist gegeben, wenn Streit darüber<br />

besteht, ob die Beanstandungsverfügung des (Vize-)präsidenten gegenüber dem<br />

Fachbereich rechtswidrig war (streitiges Rechtsverhältnis) und dies auch <strong>zu</strong> bejahen ist.<br />

Nach den vorstehenden Ausführungen ist dies der Fall. Durch die rechtswidrige<br />

Maßnahme der Hochschulleitung ist <strong>zu</strong>gleich das Mitwirkungsrecht des Fachbereichs<br />

bei Berufungsverfahren (§ 49 Abs.1, § 50 Abs. 1 Zf. 6 HHG) verletzt.<br />

Zum Erfordernis der Rechtsverlet<strong>zu</strong>ng nach § 113 I VwGO analog Hufen,<br />

Verwaltungsprozessrecht, 6. Aufl. 2005, § 29 Rdn. 5.<br />

cc) Ergebnis:<br />

Eine allgemeine Feststellungsklage des Fachbereichs auf Feststellung der<br />

Rechtswidrigkeit der Beanstandungsverfügung des (Vize-) präsidenten wäre <strong>zu</strong>lässig<br />

und begründet.<br />

2. Rechtsschutz aus Sicht <strong>von</strong> Bewerbern<br />

a) Aus Sicht des/der nicht als listenfähig bezeichneten Bewerbers/Bewerberin<br />

Die (Nicht-) Berücksichtigung auf einer Berufungsliste ist eine öffentlich-rechtliches<br />

Streitigkeit i.S. § 40 Abs. 1 VwGO (Sonderrechtstheorie). Fraglich ist freilich der<br />

Klagegegenstand. Die Beanstandungsverfügung des Präsidenten hat als Binnenrechtsakt<br />

keine Außenwirkung, kann also <strong>von</strong> einem Bewerber nicht angefochten werden.<br />

Außenwirkung erlangt das Vorgehen erst dann, wenn auf Verlangen des Präsidenten hin<br />

die alte Liste <strong>zu</strong>rückgenommen, eine neue Ausschreibung erfolgt und der Bewerber/die<br />

Bewerberin auf einer neuen Liste nicht berücksichtigt ist.<br />

Da die Aufnahme eines Bewerbers/einer Bewerberin auf eine Vorschlagsliste kein<br />

Verwaltungsakt ist,


35<br />

OVG Münster DÖV 1974, 498; VGH Kassel, WissR 1977, 264.<br />

kommt als statthafte Klageart wiederum die allgemeine Feststellungsklage (s.o.) in<br />

Betracht. Die Klagebefugnis setzt die Möglichkeit einer Verlet<strong>zu</strong>ng in einem subjektiven<br />

Recht voraus, § 42 Abs. 2 VwGO. Zwar vermittelt die Berücksichtigung auf einer<br />

Berufungsliste für sich kein subjektives Recht auf eine Berufung. Nach der<br />

Rechtsprechung hat ein Bewerber (bzw. eine Bewerberin) jedoch einen Anspruch<br />

darauf, dass über seine/ihre Aufnahme in die Vorschlagsliste rechts- und<br />

ermessensfehlerfrei entschieden wird.<br />

HessVGH, B.v.12.06.1991 – 1 UE 2797/86; B.v,19.12.1989 – 1 TG 2715/89;<br />

OVG Münster, B.v. 3.4.1984 – 5 B 270/84; Urteilsumdruck, S. 3; OVG<br />

Schleswig, B. v. 18.12.1995 – 3 M 91/95, NVwZ –RR 1996, 266; BayVGH<br />

NVwZ-RR 1999, 119 und 641 f. VG Wiesbaden , B.v.15.12.2005 – 8 G 2481/04.<br />

Vgl. auch BVerwGE 80, 123 ff. , und 101, 112 (114 f.) <strong>zu</strong>m allgemeinen<br />

Be<strong>am</strong>tenrecht.<br />

Dieser Anspruch findet sein „logisches“ Pendant im Anspruch gegen die Hochschule,<br />

nicht aus rechts- oder ermessensfehlerhaften Gründen einen bereits erlangten Platz auf<br />

einer Berufungsliste wieder <strong>zu</strong> verlieren. Da im vorliegenden Fall die Beanstandung<br />

ausschließlich unter Berufung auf eine rechtswidrige Richtlinie begründet wird, beruht<br />

sie auf einem Rechtsfehler.<br />

Allerdings führt dieser Anspruch nicht etwa da<strong>zu</strong>, dass der Bewerber/die Bewerberin die<br />

nachträgliche Wiedereinset<strong>zu</strong>ng der „alten“ Liste verlangen kann. Hochschule und<br />

Dienstherr können ein Auswahlverfahren jederzeit abbrechen,<br />

BVerwG NVwZ-RR 2000, 172 ff.; OVG Münster, NVwZ-RR 2004, 184 f.;<br />

ebenso – <strong>zu</strong>m allgemeinen Be<strong>am</strong>tenrecht - BVerwGE 101, 112 ff.<br />

Der Anspruch hat vielmehr nur <strong>zu</strong>r Folge, dass bei einer Neubeset<strong>zu</strong>ng der Stelle eine<br />

negative Konkurrentenklage angestrengt werden kann, mit dem Ziel, dass in einem<br />

neuen Verfahren erneut rechtsfehlerfrei über die Bewerbung und über eine mögliche<br />

Aufnahme in die Liste entschieden wird.


36<br />

BVerwGE 68, 110; Kopp/Schenke, VwGO, § 42 Rdn. 49<br />

Möglich ist dies allerdings nur bis <strong>zu</strong> einer Ernennung eines Konkurrenten im Wege der<br />

vorbeugenden Unterlassung- oder Feststellungsklage. Danach fehlt einer<br />

Konkurrentenklage nach h.M. Klagebefugnis bzw. Rechtsschutzbedürfnis.<br />

Kopp/Schenke, VwGO, § 42 Rdn. 49 f.; 50.<br />

Da im vorliegenden Fall die Stelle ohnehin neu ausgeschrieben worden ist, wäre eine<br />

Feststellungsklage allenfalls mit dem Inhalt möglich, dass es der Berufungskommission<br />

und dem Präsidium rechtlich verwehrt ist, einen Bewerber/eine Bewerberin lediglich<br />

unter formalem Hinweis auf das Hausberufungsverbot vom weiteren Verfahren<br />

aus<strong>zu</strong>schließen. Die Erfolgsaussichten einer solchen Klage dürften angesichts der<br />

Bandbreite möglicher Begründungen für bzw. gegen die Aufnahme des Berwerbers/der<br />

Bewerberin in eine Liste eher als gering <strong>zu</strong> beurteilen sein. Unabhängig da<strong>von</strong> besteht<br />

nach Ansicht der Rechtsprechung ein Schadensersatzanspruch wegen Verlet<strong>zu</strong>ng der<br />

Auswahlkriterien.<br />

Vgl. BVerwGE 80, 123; BVerwG ZBR 1992, 106; Fürst, in: ders.,<br />

Ges<strong>am</strong>tkommentar Öffentliches Dienstrecht (GKÖD), Teil 2 b (Allgemeines<br />

Be<strong>am</strong>tenrecht), K § 79 BBB, Rdn. 20 m. weit. Nachw.<br />

b) Aus Sicht vorrangiger, insb. des/der erstplatzierten Bewerbers/Bewerberin<br />

Aus Sicht anderer, insbesondere des/der Erstplatzierten ist Rechtsschutz gegen ein<br />

Anhalten der Liste nicht möglich. Da nach überwiegender Ansicht, n<strong>am</strong>entlich der<br />

Rechtsprechung, ein Listenplatz kein subjektives Recht i.S. einer „Anwartschaft“<br />

vermittelt,<br />

Vgl. OVG Münster, B.v.3.4.1984, KMK-HSchR 1985, 592 (594).<br />

wäre eine Klage mangels Klagebefugnis wegen § 42 Abs. 2 VwGO in jedem Falle<br />

un<strong>zu</strong>lässig.


C. Wesentliches Ergebnis<br />

37<br />

• Die Definition des Mitgliedsbegriffs in Ziff. 5.5 der Richtlinien des Präsidiums<br />

vom 15.3.2005 weicht in un<strong>zu</strong>lässiger Weise <strong>von</strong> § 72 Abs. 3 S. 1 des<br />

Hessischen Hochschulgesetzes ab und ist daher rechtswidrig.<br />

• Im Hinblick auf Frau Prof. Dr. D. lag daher keine Hausberufung vor; die<br />

vorgelegte Berufungsliste war daher korrekt.<br />

• Die Beanstandungsverfügung des (Vize-)präsidenten vom 9.5.2005 und die<br />

Rückgabe der Berufungsliste war rechtswidrig.<br />

Wegen der weiteren Detailergebnisse wird auf die Einzeldarstellungen unter B.<br />

verwiesen.<br />

B<strong>am</strong>berg, den 3. November 2005<br />

(Prof. Dr. Max-Emanuel Geis)

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!