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Diagnostik einfacher und komplexer posttraumatischer ... - Springer

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Arbeitshypotheseungläubigen, verleugnenden oder ablehnenden Umfelds von damals einnimmt.Auchdiese Zurückweisung ist häufig Teil des traumatischen Engramms <strong>und</strong> unterliegt somitebenfalls der großen Gefahr unbewusst reinszeniert zu werden. Bei begründetemZweifel oder offensichtlichen Widersprüchen kann vorsichtiges Nachfragen weiterhelfen.Bleibt dennoch eine gewisse Unsicherheit gegenüber der Plausibilität derPatientendarstellung, so sollte man diese Schilderung zunächst einmal als eine Art gemeinsameArbeitshypothese akzeptieren. So vermeidet man die Gefahr, durch irrtümlichesZurückweisen die Basis der gemeinsamen therapeutischen Arbeit – nämlichVertrauen – zu zerstören <strong>und</strong> damit möglicherweise der PatientIn erheblich zuschaden. Wie die klinische Erfahrung vor allem bei längeren Behandlungsverläufenzeigt, ist davon auszugehen, dass wesentlich mehr traumatische Erfahrungen ausScham <strong>und</strong> Schmerz zunächst verschwiegen werden <strong>und</strong> unentdeckt bleiben, als andererseitsFiktion produziert wird. Besondere Sorgfalt ist natürlich bei Patienten mitpsychosenahem Erleben geboten.Die Vermittlung diagnostischer Ergebnisse an den Patienten Multiple Persönlichkeitsstörung Dissoziative IdentitätsstörungEin sich an die Diagnose häufig anschließendes Problem ist, wie mit dem diagnostischenWissen gegenüber der PatientIn umgegangen werden soll. Insbesondere bei„Verdacht auf“ oder der definitiven Diagnose Multiple Persönlichkeitsstörungbzw. Dissoziative Identitätsstörung“ (DIS) ist große Vorsicht geboten. Häufig fragenPatienten nach dem Ergebnis eines Interviews bzw. Tests. Es ist zu beachten, dassdie unvermittelte Mitteilung dieser Diagnose zu einer Phase länger dauernder Instabilität<strong>und</strong> zu schweren Krisen führen kann. Außerdem wollen meist nicht alle Teil-Identitäten diese Information wirklich erfahren, was aber gerade deshalb dissoziativeProzesse triggern kann. Für den therapeutischen Umgang mit den diagnostischenErkenntnissen ist deshalb relevant, wie die weitere Behandlungsplanung aussieht;etwa ob noch eine längere Behandlungsspanne zu Verfügung steht oder nicht. Auchdie Frage, welche Bewältigungsmechanismen der PatientIn zur Verfügung stehen <strong>und</strong>über welche Ressourcen sie verfügt kann bedeutsam sein.Allerdings sind diese Faktorenbei einer Erstdiagnose häufig schwer einzuschätzen. Wenn Patienten bei sichselbst Symptome beobachtet haben, die auf eine DIS hinweisen <strong>und</strong> davon beunruhigtsind, bietet es sich z. B. an, ihnen zu erklären, dass diese Phänomene auf wechselndeIch-Zustände hindeuten können, mit denen sich ihre Psyche vor der Überflutungdurch zurückliegende, augenblicklich zu belastende Erfahrungen schützt. Dieshat den Vorteil, dass man die oft zusätzlich triggernden,„spektakulären“ diagnostischenEtiketten vermeiden kann.Fazit für die PraxisWie diese Übersicht zeigt, haben traumatische Erfahrungen nicht nur in Form einer einfachenoder komplexen PTSD eine erhebliche Bedeutung in der klinischen Praxis, sondernsind oft auch bei anderen Störungen maßgeblich mitbeteiligt. Leider werden PosttraumatischeBelastungsstörungen nach wie vor häufig übersehen (Herman 1997, S. 123; Mueseret al. 1998; Zimmerman u. Mattia 1999). Da die Integration traumabedingter Störungen inein therapeutisches Programm für den Therapie-Outcome in hohem Maße mitentscheidendist (Kaplan u. Klinetob 2000; Najavits et al. 1998; Ouimette et al. 1998b), war es Zieldieses Artikels, die Aufmerksamkeit für diesen Bereich zu schärfen. Für die traumaspezifischeTherapieplanung ist es wichtig, sich einen Eindruck der Schwere der PTSD <strong>und</strong> ihrer Ursachenzu verschaffen. Liegen schwere Traumatisierungen oder gar das Vollbild einer KomplexenPTSD vor, kann unvorsichtiges Einsetzen konfrontativer <strong>und</strong> aufdeckender Interventionsmethodenextrem schädlich sein <strong>und</strong> zu einer Eskalation der psychopathologischenSymptomatik führen (van der Kolk 2001). Bei der <strong>Diagnostik</strong> ist besonders zu beachten,dass bei einer Komplexen PTSD häufig nicht alle diagnostischen Kriterien der einfachenPTSD erfüllt sind (Driessen et al. 2002; Ford 1999).66| Psychotherapeut 1•2003

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