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Album von Riga. I fünfundzwanzig Stahlstiche aus den funfzehn ...

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<strong>Album</strong> <strong>von</strong> <strong>Riga</strong>.I<strong>fünfundzwanzig</strong> <strong>Stahlstiche</strong><strong>aus</strong> <strong>den</strong> <strong>funfzehn</strong> Jahrgängen des <strong>Riga</strong>schenAlmanachsUnter Benutzung der dort gegebenen Erklärungen miterläuterndem Texte versehen<strong>von</strong>N. AsmußMga.Iru^ nnä Vcrkag <strong>von</strong> U, F, Hi^ei,1871.


Bon ber Censur erlaubt. <strong>Riga</strong>, ben 27. September 1871.


InhaltDa« R»thh»u« in Rig» Seite l.Di« Gilben Rig»'« und da« Hau« der Marien» oder großen Gilde „ 5.Da« Hau« der St, loh»nni«-Gilde „ il.Da» Hau« der Schwarzen -Häupter in <strong>Riga</strong> „ 15.Da« Ritteih»»« in Rig» „ l?.Der Ritters»»! „ 21.Die Völle in Rig» 23.Die St. Petri-«irche „ 25.Die neve St. Gertrud-Kirche „ 28.Die M»rtin«-«irche 3«.Die Nnglitonilche Kirche zu Rig» „ 27.Da« baltische Polytcchnicum „ 38.Da» Real- Gymnasium in <strong>Riga</strong> „


Das Rathh<strong>aus</strong> in <strong>Riga</strong>


Das Rathh<strong>aus</strong> in <strong>Riga</strong>durch die Bildung eines RathsMls die städtische Verfassung in <strong>Riga</strong>im ersten Viertel des dreizehnten Jahrhunderts fich festgestellt hatte, wirdaller Wahrscheinlichkeit nach für die Versammlungen und Verhandlungendieses Raths auch bald ein eigenes H<strong>aus</strong> crrichtct wor<strong>den</strong> sein. Wanndies aber geschehen, wo das erste Rathh<strong>aus</strong> gelegen und wie seine äußereGestaltung gewesen, darüber mel<strong>den</strong> die uns <strong>aus</strong> <strong>Riga</strong>'s Vorzeit überkommenenNachrichten nichts. Diese erwähnen zuerst, daß im Jahre 1595 einneues Rathh<strong>aus</strong> erbaut wor<strong>den</strong> sei. Dasselbe hatte bereits einen Thurmund lag in seiner ganzen Ausdehnung vor dem alten Marktplätze. Anseinen linken Flügel lehnten fich zwei kleine, der Stadt gehörige, zur Vermiethungbenutzte Häuser und an diese die Rathsapothcte.Gegen die Mitte des vorigen lahrhundnts wal dieses Rathh<strong>aus</strong> be°leits so baufällig gewoldcn, daß ein Umbau desselben höchst dringend erschien.Einige Jahre früher war in der Kaufmannschaft das Bcdürfniß nach einemBörsenlocale, dessen fie bis dahin ganz entbehrt hatte, entstan<strong>den</strong> und eswar zum Aufbau eines solchen bereits ein Eapital <strong>von</strong> 4000 Rthlr. angesammeltwor<strong>den</strong>. Der Wunsch, durch Verwendung dieses Capitals <strong>den</strong>Rathh<strong>aus</strong>bau flüher zn ermöglichen, gab die Veranlassung zu dem Projekte,die Börse mit dem Rathh<strong>aus</strong>e zu verbin<strong>den</strong>. Man beschloß daher, diebei<strong>den</strong> kleinen, an das alte Rathh<strong>aus</strong> angrenzen<strong>den</strong> Häuser, so wie dieRathSapotheke niederzureißen und <strong>den</strong> dadurch gewonnenen Platz zum neuenBau hinzuzuziehen. Der Plan zu dem in solcher Weise erweiterten Gebäudewurde <strong>von</strong> dem Obriftlieutenant <strong>von</strong> Oettingcr entworfen und der Bauauch nach demselben <strong>aus</strong>geführt.Am 26. Mai 1750 wurde der Grundstein zu dem neuen Gebäudegelegt und im Jahre 1765 dasselbe vollendet. Die lange Dauer diesesBaues ist wohl nicht so sehr der Größe des Gebäudes, als vielmehr der


2Schwierigkeit in dn Aufbringung der nothwcndigen bebcuten<strong>den</strong> Geldmittelzuzuschreiben. Die Baukosten wur<strong>den</strong>, mit Ausnahme der erwähnten, zurErrichtung einer Börse bestimmten Summe, <strong>aus</strong>schließlich durch freiwilligeBeiträge beschafft, welche die damaligen einzelnenBranchen der Kaufmannschaft,die Flachshändlei, die Negotiantcn, die Mitglied« der Krämercompagnie,die Weinhändler, die Holzhändler, die böhmischen Glashändleiund andne <strong>von</strong> ihien Waarenumsätzen auf eine gewisse Reihe <strong>von</strong> Zahlenbewilligten.Am 11. Octobn 1765 hielt dn Rath, welchn seine Sitzungen wählenddes Baues in einem zm Domschule gehörigen Locale vnlegt gehabthatte, seinen reinlichen Einzug in das neue Gebäude. Dies Eieignißmachte <strong>den</strong> Tag zu einem Festtage für die ganze Stadt. Die Aeltnleuteund Aelteftenbänke beider Gil<strong>den</strong>, so wie ein großer Theil der Bürgerschafthatten an dem Gottesdienst, mit welchem der Rath die Fein des Tage«in der Domlirehe begann, Theil genommen, und fich schon vor dem Rathein da« neue H<strong>aus</strong> in einem Feierzuge begeben, um ihn dort zu empfangenund zu bewillkommnen. Die Häuser des Markts hatten sich mit Fahnenund Flaggen geschmückt, die Armen wur<strong>den</strong> gespeist, <strong>den</strong> Schiffern <strong>von</strong> derKaufmannschaft ein Gastmahl gegeben und am Abend fand ein öffentlichesConcert statt. Die Domschult, als damalige Hauptfiadtschule, beging <strong>den</strong>Tag dmch einen feierlichen Schulactus, zu dem loh. Gottfried Herder, alsLehitl an derselben, das Programm schrieb.Das neue Rathh<strong>aus</strong> war damals der Stolz und der Schmuck derStadt. Der Thurm erhob sich zu einer Höhe <strong>von</strong> M Ruthen — 126 Fußund die wohlgefällige Fafade zog fich in einer länge <strong>von</strong> 196 Fuß rheinl.hin, in der Mitte unter einem Giebel <strong>von</strong> der vorspringen<strong>den</strong> Haupttreppeunterbrochen. Den untern Stock des rechten Flügels nahm eine für dieNörsenvnsammlung der Kaufmannschaft bestimmte Säulenhalle ein, deruntere Stock de« linken Flügel« war zur Aufnahme mehr« Verwaltungshehörde»bestimmt, während im ober« Stock der Rathssaal und die Localefür die Justizbehör<strong>den</strong> fich befan<strong>den</strong>.In der Gestaltung, welche ihm der Erbauer gegeben hatte, blieb dasRathh<strong>aus</strong> bis in <strong>den</strong> Anfang dieses Jahrhunderts hinein. Das Bedürfnis»nach einem erweiterten Eingang der Börse und das Verlangen nach einerandern Einrichtung für die im untern Stock des linken Flügels placirtenBehör<strong>den</strong> veranlaßten im zweiten Decennium eine Veränderung an <strong>den</strong>


3bei<strong>den</strong> »ordern Treppeneingängen dn Flügel, indem der eine btseitigt, derandere aber über die ganze Flügelbnite <strong>aus</strong>gedehnt wurde, wobei dieSymmetrie der Fa?ade jedoch wenig Berücksichtigung fand. Eine nochgrößere Veränderung erlebte das Gebäude aber in der neuesten Zeit,durch welche ihm seine Gestaltung, wie fie der Stahlstich zeigt, gegebenwurde.Mit der, namentlich nach dem Ende der Napoleonischen Kriege durchdie seitdem r»sch erblühende Handels- und Gewerbsthäligkcit, steigen<strong>den</strong>Vermehrung der Bevölkerung hatten auch die Geschäfte der in dem Rathh<strong>aus</strong>placirten Vcrwaltungs- und Gerichtsbehör<strong>den</strong> an Umfang gewonnen,und zugleich hatten die bei <strong>den</strong>selben deponirten Summen eine Bedeutungerlangt, welche nothwendig die Sorge für ihre Sicherung vermehren mußte.Der Mangel eines feuerfesten Geldgewölbes wurde deshalb immer fühlbarerund dn <strong>den</strong> einzelnen Behör<strong>den</strong> zugewiesene Raum war nicht mehrplaciren undhinreichend, um die Kanzelleien und Archive angemessen zudas rechtsuchende Publikum ohne ein arges Gedränge aufzunehmen. Diesnöthigte schon im Jahre 1840 zur Ueherzeugung <strong>von</strong> der Nothwendigleiteines Ausbaues des Rathh<strong>aus</strong>es, weshalb <strong>den</strong>n auch bald eine Commisfionniedergesetzt wurde, welche fich mit dieserFrage beschäftigen sollte. Die zugleicher Zeit entstan<strong>den</strong>en Wünsche nach einem Ausbau der alten Gildftubeund nach einem geräumigen Local für die Börsenversannnlungen der Kaufmannschaftverursachten verschie<strong>den</strong>e Vorschläge zur Eombination dieser verschie<strong>den</strong>enBauten, welche die allendliche Entschließung verzögerten. Endlichentschied man fich, <strong>den</strong> in dem Nachb<strong>aus</strong>t bisher für die Börse angewiesenenRaum zur Vergrößerung der Behör<strong>den</strong>locale zu benutzen und außerdem einneues Stockwerk auf das Gebäude aufzusetzen, für die Börse aber entwederin dem neu zu erbauen<strong>den</strong> Gil<strong>den</strong>h<strong>aus</strong>e ein angemessenes Local zn beschaffenoder für sie ein eigenes Hans zu bestimmen. In diesem Sinne wurde <strong>den</strong>nim Jahre 184? <strong>von</strong> dem.Stadtbaumeiftn Felsko ein Plan entworfen, welch«angenommen wurde und zur Ausführung kam. Während des Baues wur<strong>den</strong>die städtischen Behör<strong>den</strong> zeitweilig in das eben vollendete neue Waisenh<strong>aus</strong>untergebracht; die Börse aber fiedelte in das SchwarzhäupterhauS über.Der Bau desRathh<strong>aus</strong>es, welcher mit dem Sommer des Jahres 1848beginnen sollte, erhielt jedoch <strong>aus</strong> einer traurigen Veranlassung einen unerwartetenAufschub, indem eine «usgcbrochene heftige Choleraepidemie dieschleunige Beschaffung <strong>von</strong> Lazarethlocalen in <strong>den</strong> verschie<strong>den</strong>en Stadttheilen


4nothwendig machte und nun auch das leerstehende Rathh<strong>aus</strong>gehäude dazuverwandt wer<strong>den</strong> mußte. Am Anfange des August-Monats war es jedochschon möglich, das Lazarett) zu schließen und nun nahm der Bau, der bisdahin fich auf die Untermauerung des Fundaments beschränkt hatte, seinenungestörten Fortgang, so daß er im August 1850 bereits gänzlich vollendetwar und am 1. September desselben Jahres die Behör<strong>den</strong> wieder in <strong>den</strong>alten erweiterten Localen ihren Sitz einnehmen konnten.Dem Stadtbaumeiftn Felsko war es gelungen, in <strong>den</strong> architektonischenGedanken des ursprünglichen Erbauers des Rathh<strong>aus</strong>es mit Glückeinzugehen. So hat <strong>den</strong>n das Gebäude bei seinem Umbau Würde undUebneinftimmung in seiner äußeren Fayade bewahrt und gereicht auch inseiner neuen Gestaltung der Stadt noch immer zur Zierde. Bon <strong>den</strong> innen,Einrichtungen ist nur der Rathssaal bei diesemBau unverändert geblieben,während die übrigenRäume eine andere Eintheilung erhalten haben. Parterrelinks fin<strong>den</strong> fich wie früher die Localitäten des Stabtcaffa-Collcgiums,rechts nach der Frontseite das Waisengericht, nach der Hinterseite die zweiteSectio« de« Landvogteignichts; im ersten Stock links der Rathssaal unddie Oberkanzellei, rechts nach der Frontseite die erste Sectio« des Landvogteignichts,nach der Hinterseite das Vogteigericht; im zweiten Stockrechts nach der Frontseite das Wettgericht und nach der Hinterseite dasKammern- und Amtsgericht, während die Räumlichkeiten rechts theils nochzur Oberkanzellei, theils zu <strong>den</strong> Archiven, zum Bürgergewahrsam ü. s. w.verwandt wer<strong>den</strong>.An der Fayade des Rathh<strong>aus</strong>es ist seit Kurzem in so fern eine kleineVeränderung getreten, als die Portaltteppe in das Vestibül desselben vn°legt ist und das Tiottott zwischen dn Colonnade foltläuft.


Das H<strong>aus</strong> großen Gilde in <strong>Riga</strong>


Die Gil<strong>den</strong> <strong>Riga</strong>'s und das H<strong>aus</strong> der Marienodergroßen GildeVor dn Ansicht des H<strong>aus</strong>es der Marien- oder großen Gilde <strong>Riga</strong>'swelches unser Stahlstich darstellt, befin<strong>den</strong> wie uns auf altgeschichtlichenBo<strong>den</strong> unser« Dünaftadt. Wie uns in <strong>den</strong> Chroniken berichtet wird, solles, wenn nicht schon früher, um das Jahr 1158 gewesen sein, als zuerstdeutsche Kaufleute <strong>von</strong> ihrer Handelsftation Wisby kommend, an der Mündungdes Dünafttomes landeten und damit uns« baltisches Küstenland anfing,demWesten Europa'« bekannte! zu wei<strong>den</strong>. Der mit <strong>den</strong> Eingeborenenangeknüpfte gewinnreiche T<strong>aus</strong>chhandel reizte zu neuen Unternehmungen undkonnte es nicht fehlen, daß zur Sicherung der angeknüpften Handelsbeziehungenam Dünogeftade nach und nach eigeneFactoreien entstan<strong>den</strong>, <strong>von</strong> <strong>den</strong>en<strong>aus</strong> man <strong>den</strong> Handel mit seinen Bewohnern betrieb und in deren Magazinenman sowohl die zum T<strong>aus</strong>chhandel über See eingebrachten Waaren,als die während der Herbst- und Winterzeit eingehandelten Landesproductebis zum Wiederbeginn der Schifffahrt aufspeichern konnte. So mögen schonlange, bevor der Bischof Albert um das Jahr 1200 die Stadt selbst amNigebach gründete, hin Niederlassungen <strong>von</strong> einzelnen Handelsgesellschaftenbestan<strong>den</strong> haben, die dann später <strong>von</strong> ihm mit in die Ringmauer seinerneuen Stadt hineingezogen wur<strong>den</strong>.Es gehörten aber zu jener Zeit in Deutschland, wie unter <strong>den</strong> rheinischenStädten Köln <strong>den</strong> Haupthandel auf der Nordsee führte, unter <strong>den</strong>weftphälischen Städten besonders Sosatum oder Soest und Münster zu <strong>den</strong>jenigen,welche anfangs über Schleswig, später über Lübeck lebhafte Handelsverbindungenauf der Oftsee unterhielten. Nicht nur zu Wisby aufGothlanb, sondern auch zu Nowgorod am Ilmenste hatten fie bekanntermaßenihre festen Handelsstationen, <strong>von</strong> <strong>den</strong>en <strong>aus</strong> fie mit ihren Wollenwaaren,Salz u. s. w. einen einträglichen T<strong>aus</strong>chhandel betrieben. Dieser


6Umstand, so wie daß, als der Großfürst <strong>von</strong> Smolcnsk, Miftislaw Da»widowitsch, im Jahre 1229 einen Handelsveittag mit der Stadt <strong>Riga</strong>und <strong>den</strong> Kaufleuten auf Gothland schloß, fich bei d« Abfassung des daraufbezüglichen Doeuments unt« andern „verständigen Kaufleuten" auch 3 <strong>von</strong>Soest und 2 <strong>aus</strong> Münster betheiligten, läßt es wahrscheinlich «scheinen,daß auch die genannten Handelsstädte d. Z. hier in <strong>Riga</strong> nicht nur ihreVertreter, sondern auch eigene Factoreien und Waarenniederlagen gehabthaben wer<strong>den</strong>; daß es also damals hier auch ein „H<strong>aus</strong> <strong>von</strong> Soest" od«der Soest« und ein „H<strong>aus</strong> <strong>von</strong> Münster" oder derer <strong>von</strong> Münster gegebentabe.Wie etwa der Hof zu Nowgorod, der Stahlhof zu London und andereDerartigeEtablissements, wer<strong>den</strong> dieselben zum Betrieb des Handelsverkehrsmit freien Räumen, andererseits aber auch zum Schutz gegen räubnifcheUeberfälle nach außen mit sicheren Mauern umgeben gewesen sein. Alsspäter die handelsrechtlichen Verhältnisse in der jungen Colonic am Dün»-ftromc fich mehr entwickelten und die in derselben ansässig gewor<strong>den</strong>e Kaufmannschaftes für ihr Interesse geboten fand, <strong>den</strong> nicht ansässigen Ausländern<strong>den</strong> dirccten Handelsverkehr mit <strong>den</strong> einheimischen Produccnten zuwehren, verloren natürlich die bisher bestan<strong>den</strong>en Factoreien ihre Nedeutuügund mögen dann in Folge dessen in <strong>den</strong> Besitz besonderer Gil<strong>den</strong> oder Brüderschaftenübergegangen sein, die fich, ähnlich wie an anderen Orten, auchhier in <strong>Riga</strong> schon bald nach seiner Gründung theils zu gewerblichen unbHandelszwecken, theils zu geselligen Zusammenkünften zu bil<strong>den</strong> begannen.Urkundlich ist fteilich in Betreff der oben gegebenen Andeutungen au


7Versammlung hielten, welche dem Rath die Vollmacht ntheillc, auf so guteBedingungen als möglich mit dem Or<strong>den</strong> Frie<strong>den</strong> zu machen. Diese Versammlungaber wurde in der „Zwp«, a« «»«»tu", d. i. „in der Stube <strong>von</strong>Soest" abgehalten. Die Stadt, die bis dahin nur unter dem Krummftabcdes Erzbischofs <strong>von</strong> <strong>Riga</strong> gestan<strong>den</strong>, mußte sich nunmehr auch dem Or<strong>den</strong>unierwerfen und scheint, wie sie überhaupt viele ihrer Vorrechte und Bcfitzlichteitenverlor, auch ihre zwei Stuben, genannt „<strong>von</strong> Münster" und „<strong>von</strong>Soest", als Unterpfand für Erstattung einei bestimmten Summe Geldes,wahrscheinlich ein« Kiiegscontribution, dem Ol<strong>den</strong> haben <strong>aus</strong>liefein müssen.In dessen Besitz sind dann diese bei<strong>den</strong> „Stuben" bis in das lahl 1353geblieben, wo dn Ol<strong>den</strong>smeiftn Goswin <strong>von</strong> Heiile dieselben urkundlicham 2. Febl., als am Tage dci Reinigung der heil. Jungfrau Maria,der Stadt wiederum für eine gewisse Summe zurückvntaufte und mit allemEigenthumsrechte, das derselbe bisher daran gehabt, frei, völlig und gänzlichin die Hände überlieferte.Seit der Zeit, also jetzt schon mehr <strong>den</strong>n 518 Jahre, ist das H<strong>aus</strong>„<strong>von</strong> Münster" beständig Eigenthum der Bürgerschaft <strong>Riga</strong>'s geblieben undhatte fich, wenn auch in seiner Ganzheit nicht mehr als ein Gebäude des14. Jahrhunderts zu betrachten, da im Laufe der Zeiten mehrfach UmbautenundRestaurationen nöthig gewor<strong>den</strong> waren, in seiner altnthümlichen Form,in seiner umschlossenen Lage und mit seinem durch eine feste Pforte verschließbarenHofe in der Mitte der Stadt erhalten. Nur sein altnthümlicherName „H<strong>aus</strong> <strong>von</strong> Münster" hat eben so wie der des „H<strong>aus</strong>es <strong>von</strong> Soest"im Laufe der Zeiten einer andern, mehr seiner Bedeutung im städtischenGemeindewesen entsprechen<strong>den</strong> Bezeichnung weichen müssen.Bon <strong>den</strong> mancherlei Gil<strong>den</strong> und Brüderschaften, welche, wie bereitserwähnt, schon bald nach der Gründung <strong>Riga</strong>'s hier, entsprechend der Sitteder damaligen Zeit, entstan<strong>den</strong>, bildeten sich namentlich im Verlauf derEntWickelung unserer städtischen Verfassung vor allen zwei: die der Kaufleute,die große oder Mariengilde genannt, und die der zünftigen Gewerker,die Neine oder St. lohannisgildc genannt, zu besonderen Körperschaftenmit politischer Bedeutung <strong>aus</strong>, die, wie noch gegenwärtig, neben dem Rathals besondnc Mitstände an dci Bnathung und Verwaltung der städtischenAngelegenheiten Antheil nahmen. Als Local zu ihren Versammlungen benutztendie Kaufleute oder die Groß-Gild'schen das H<strong>aus</strong> „<strong>von</strong> Münster",während fich die Handwerker oder die kleine Gilde zu <strong>den</strong>selben des H<strong>aus</strong>es


8„<strong>von</strong> Soest" bedienten. Seit der Zeit ward es üblich, wie es noch gegenwärtigzu geschehen pflegt, jenes mit dem Namen „große Gilde", „großesGilbenh<strong>aus</strong>" oder „H<strong>aus</strong> dn Mariengilde", und dieses als „kleine Gilbstube",„kleines Gil<strong>den</strong>h<strong>aus</strong>" oder „H<strong>aus</strong> der St. lohannisgilde" zu bezeichnen.Als in <strong>den</strong> vierziger Jahren unseres Jahrhunderts fich das alte großgildscheH<strong>aus</strong> für die Gesammtheit der <strong>Riga</strong>schen Bürger großer Gilde alszu klein erwies und es sich bei Ausscheidung der Börse <strong>aus</strong> ihrem bis dahinim Rathh<strong>aus</strong>e innegehabten Local zugleich darum handelte, für diesegeeigneteRäumlichkeiten zu beschaffen, tauchte anfangs das Project einescombinirten Gildftuben- und Börsenbaues auf. Nachdem dasselbe «dessenbald Wieb« aufgegeben, beschloß die Bürgerschaft großer Gilde am ?. Mai1851, ihr Gil<strong>den</strong>h<strong>aus</strong> durch einen Neubau im größeren Maßstäbe, jedochbei Erhaltung des historisch <strong>den</strong>kwürdigen alten Bürgersaales und derBrauttomm«, neu herzustellen.Nachdem die zur Erweiterung des Gil<strong>den</strong>h<strong>aus</strong>es erforderlichen angrenzen<strong>den</strong>Privatgebäude an dn Pferde- und Schmiedeftraße angetauft, undein vom damaligen Gouvnnements-Alchitclten Collegien-Asseffor Olltoffentworfener Bauplan angenommen wor<strong>den</strong> war, — wurde <strong>von</strong> der Bürgerschaftdie Feier ihres 500 jährigen Besitzes dieses H<strong>aus</strong>es am 2. Februar1853 in <strong>den</strong> alten Räumen festlich begangen, und unmittelbar darauf mitdem Abreißen der angekauften Privatgebäude und einzelner Theile der altenGildeftube begonnen.Diese Arbeiten mußten jedoch alsbald wegen des als bedrohlich befürchtetenZuftandcs der nachbleiben<strong>den</strong> und für die Zukunft wieder zu restauriren<strong>den</strong>älteren Theile des Gebäudes unterbrochen wei<strong>den</strong>, und sahfich die mit dn Ausführung des Baues betraute gildische Commisfion veranlaßt,zunächst zur Begutachtung der Frage: ob die Mauern des altenGebäudes zum Ueberbau geeignet und stark genug seien, und darnach dasGebäude in seinen ältesten Theilen der Zukunft erhalten wer<strong>den</strong> könne, —Autoritäten im Baufach zu Rathe zu ziehen.Durch Vermittelung des wirkt. Staatsraths v. Brüloff gelang esihr, für dieErörterung dieser Frage, so wie für die hiernach erst erfolgendedefinitive Compofition und die fernere Leitung des Baues in der Persondes Akademikers Earl Beyne <strong>aus</strong> St. Petersburg einen in seinem Facheerfahrenen und künstlerisch gebildeten Architekten zu eiwnben.


9Der <strong>von</strong> demselben componiite Bauplan, nach welchem der alte Gildesaalvollständig und die Brautkammer durch einen <strong>den</strong> Terrain-Verhältnissenentsprechen<strong>den</strong> Umbau erhalten wer<strong>den</strong> tonnte, außerdem aber dasneu zu bauende Gil<strong>den</strong>h<strong>aus</strong> mit einem großen Versammlungssaale <strong>von</strong>117 Quadratfa<strong>den</strong> Mchcnraum bei 30 Fuß Höhe, mit Confnenzzimmer,Räumen für Burcau's, Archive u. bergt, mehr versehen wei<strong>den</strong> sollte, n-hielt im Novembn 1853 die Bestätigung des derzeitigen Herrn Germal-Gouvnneuis der Oftsee-Gouvernements Fürsten Suworow, und dientezur Grundlage bei Ausführung des neuen Gebäudes.Dem Architekten Beyne waren Vorbilder für diesenmonumentalenBau die ehrwürdigen alten Rathhäusn Deutschlands und Belgiens; —Gebäude, die einen entschie<strong>den</strong>en Charakter an fich tragen und vom Sockelbis zum Firft im gothischen Bauftyl angelegt und <strong>aus</strong>geführt find.Der massenhafte Rohbau schritt rasch vor und konnte bereits im November1854, ein Jahr nach Bestätigung des Bauplans, der Dachstuhl gerichtetwer<strong>den</strong>, um darnach »n die weitere äußere und innere Herstellungund Ausstattung des Gebäudes zu gehen.Die Kricgsvnhältnisse, die auch <strong>Riga</strong> bedrohten, konnten ans dieFortführung dieses bedeuten<strong>den</strong> Baues, bei der Unsicherheit der damaligenZustände, nur nachtheilig einwirken, und so ging das Jahr 1855 und zumgrößeren Theile auch das Jahr 1856, da der Frie<strong>den</strong>sabschluß erst EndeMärz «folgt war, obschon diese Zeit zur Vorbereitung und Bestellung verschie<strong>den</strong>erArbeiten benutzt wurde, für <strong>den</strong> sichtbaren Fortschritt des Bauesverloren.— Erst mit dem Jahre 1857 wur<strong>den</strong> die Arbeiten in allen Theilenwiederum mit voller Kraft aufgenommen und das große Werk wesentlichgefördert; namentlich wurde in diesem Jahre das Gebäude durch eine<strong>von</strong> dem Pneumatik« Herrn R. Zimara in St. Petersburg nach seinemSysteme <strong>aus</strong>geführte Lufttöhrenheizung beheizbar gemacht, und die äußerenOrnamente des Gebäudes <strong>aus</strong> einem sogen. Kunststeine, dessen Hauptbe'standtheil Eement ist, in derKunftfteingießerei der Henen M. Czarnilowu. Comp, in Berlin bestellt.Das Jahr 1858 beraubte <strong>den</strong> Bau seines Meisters, indem der ArchitektBeyne nach kurzer Krankheit in St. Petersburg verschied. — DieBauarbeiten erlitten hierdurch jedoch keine Unterbrechung, sondern wur<strong>den</strong>unter Leitung des Herrn Architekten Scheel, welcher die Bau<strong>aus</strong>führung<strong>von</strong> Anbeginn hin am Orte practisch geleitet und beaufsichtigt hatte , und


— 1«—welchem namentlich die befriedigende Durchführung der mit äußerstenSchwierigkeiten verbun<strong>den</strong>en Untnmaunung dci alten Mauein des Gil<strong>den</strong>h<strong>aus</strong>e«und dn Veibindung diesn mit <strong>den</strong> nenen Theilen zu danken ist,foNgesctzt und ihln Vollendung entgegengefühl».Das Gillenh<strong>aus</strong>, welches jetzt in seiner gediegenen Ausführung unsererStadt zur bleiben<strong>den</strong> Zierde gereicht, hat Zeit, die Kräfte Vieler undnicht unbedeutende Mittel in Anspruch genommen, — steht »bei in dieserseiner großartig soli<strong>den</strong> Erscheinung als ein Denkmal der Gegenwart da,das, fest und sicher, vor<strong>aus</strong>sichtlich lahrhundcNe an fich vorübergehensehen wird.Auf unserem <strong>Stahlstiche</strong> sieht man das Gil<strong>den</strong>h<strong>aus</strong> <strong>von</strong> der Hofseitemit dem Hauptvortal und seinem imposanten Giebel, welcher gekrönt wird<strong>von</strong> dem Wappen dci gießen Gilde, einem Schiff, an dessen Maftspitze fichdie Embleme des <strong>Riga</strong>schen Stadtwappens: Lßwenhaupt, Schlüssel, Knuzund Kione befin<strong>den</strong>.Die nach dciHofseite zu liegen<strong>den</strong>Räumlichkeiten de« Partene nehmender alte Gildesaal mit einer auf Pfeilern ruhen<strong>den</strong> gothifchen Deckenwölbungund die alte Brauttamm« ein. Ueber ihnen liegt der große neue Gil<strong>den</strong>saalmit seinen reichen Decorationcn unb die Aelteftenbant. Außerdemhaben im Partene nach der Schmiedeftraße die. Spallaffe und nach dnPfeidesttaße die Handels- und die Discontotaffc geeignete Locale gefun<strong>den</strong>.Einen Theil des Souterrains nimmt der sogenannte Klostertellei mit seinerRestauration ein.


Das H<strong>aus</strong> der St.Johannis Gilde in <strong>Riga</strong>


Das H<strong>aus</strong> der St. Johannis GildeZN.an nahm bisher allgemein an, daß das H<strong>aus</strong> „<strong>von</strong> Soest", dessenin einer alten Urkunde, wie wir in der Beschreibung des großen Gil<strong>den</strong>h<strong>aus</strong>esmitgetheilt haben, beim Abschluß des Frie<strong>den</strong>s zwischen der Stadt unddem Or<strong>den</strong>smeiftn <strong>von</strong> Monheim als „«top» 6« «»«»tu" gedacht wird,neben dem H<strong>aus</strong>e „<strong>von</strong> Münster" an der Stelle gelegen habe, wo bis zumJahre 1863 das H<strong>aus</strong> der kleinen Gilde stand und fich gegenwärtig dasauf btilicgendtm Stahlstich dargestellte „H<strong>aus</strong> der St. lohannis-Gilde"erhebt. Ferner wurde auf Grund der Nachrichten des „Liggnbuches" angenommen,die große Gildestube oder das „H<strong>aus</strong> <strong>von</strong> Münster" sei ursprünglichdie der Neinen Gilde gewesen und erst spät« dmch Umt<strong>aus</strong>chgegen das „H<strong>aus</strong> <strong>von</strong> Soest" in <strong>den</strong> Besitz der Großgildschen gekommen.Diesen Annahmen gegenüber hat der um Aufhellung der älteren Lo°calvnhältniffe <strong>Riga</strong>'s viel verdiente Hr. Dr. W. v. Gutzeit in einem inNr. 26 der „Rig. Stadtblätter" vom Jahre 1870 veröffentlichten Aufsatzdargethan, daß zur Zeit des Frie<strong>den</strong>sabschluffes zwischen Stadt und Or<strong>den</strong>im I. 1330 das H<strong>aus</strong> „<strong>von</strong> Soest" nicht neben dem „<strong>von</strong> Münster" gelegenhaben tonne, indem urkundlich der Zeit dort Gebäude, die zu demKathaiinenllofter der Franziskaner gehörten, gestan<strong>den</strong> haben müssen; daßwahrscheinlicher Weise die Kleingildschen erst zur Zett der Reformation in<strong>den</strong> Besitz ihres H<strong>aus</strong>es neben dem Hanse dn Großgildschen gelangt seienund man das bis dahin <strong>von</strong> ihnen zu ihren Versammlungen benutzte H<strong>aus</strong><strong>von</strong> Soest in dem gegenwärtigen Schwarzhäuptnh<strong>aus</strong>e zu suchen habe.Doch, dem sei nun wie ihm wolle, je<strong>den</strong>falls hatte das alte H<strong>aus</strong>der lltinen Gilde durch<strong>aus</strong> nichts Altnthümliches und genügte auch in seinen


12inneren Räumlichkeiten nicht mehr <strong>den</strong> Ansprüchen der Neuzeit. Als daherdie Bürgerschaft großer Gilde <strong>den</strong> Um- und Ausbau ihres H<strong>aus</strong>es beendethatte, fand fich auch die Bürgerschaft der kleinen Gilde zu dem Beschlußveranlaßt, einen gänzlichen Neubau ihres Gildcnh<strong>aus</strong>ts in Angriff zu nehmen.In Folge dessen begann man bereits zu Anfang des Märzmonats1863 mit dem Abtragen des alten Gebäudes und wurde der Platznoch im Laufe desselben Jahns geräumt. Um indessen für das neue Gebäude<strong>den</strong> nöthigenRaum zu gewinnen, mußten noch zwei an der Schmiedeftraßebelegene Häuser angekauft und ebenfalls abgetragen wer<strong>den</strong>.Der Plan zu dem Neubau wurde <strong>von</strong> dem Stadt-Architekten HerrnFelsto entworfen, und demselben auch die Leitung des ganzen Baues biszu seiner Vollendung überttagen. Die Maurerarbeiten übernahm der MaurermeisterD. Dalitz, die Zimmerarbeiten der Zimmnmeifter Hopse undwur<strong>den</strong> überhaupt alle Arbeiten an dem Gebäude <strong>von</strong> hiesigen Gewertmeiftcrn<strong>aus</strong>geführt.Nachdem derBau selbst im Frühjahr 1864 begonnen und am 22. Maidesselben Jahres der Grundstein gelegt, war das Gebäude bis auf <strong>den</strong>äußeren Abputz bereits im Februar 1866 so weit vollendet, daß es der Benutzungübergeben und die St. lohannisgilde ihre erste Faftnachtsversammlungam 9. Februar darin abhalten tonnte.Die Frontseite des Gebäudes liegt dem großen Gil<strong>den</strong>h<strong>aus</strong>e gegenübernach der Gildstubcnftraße hin, in welche unser Stahlstich rechts demBeschauer einen Einblick öffnet. Die Länge der Fronte beträgt 88' miteinem achteckigen Treppenanbau <strong>von</strong>101/ Breite an dem nebenbei gelegenenGil<strong>den</strong>ftiftsh<strong>aus</strong>e.Die Giebelseite, welche unser Stahlstich darstellt, liegt nach derSchmiedestraße hin und hat eine Tiefe <strong>von</strong> 50' mit einem Anbau <strong>von</strong> 26'Breite. Außerdem befindet sich noch vor der Giebelseite eine massive Verandaund links an dn <strong>von</strong> der Straße abgelehrten Seite ein achteckigerTreppenthurm <strong>von</strong> 12z' Durchmeffn. Der Hauptbau enthält zwei Stockwerte,die Anbauten dagegen find dreistöckig und der achteckige Thurm steigt4 Stock hoch.Wie das H<strong>aus</strong> dn großen od« St. Marien-Gilde ist auch das derSt. lohannis-Gilbe im gothischen Styl «baut, entsprechend dem Zeitalter,


13da mit dem Zunftwesen auch dn gothische Nauftyl in seiner Blüthe standAls Wahrzeichen trägt die Front- und Giebelecke unter einem achteckigen.Thurm<strong>aus</strong>bau das Standbild des St. lohannis, des Schutzpatrons dnkleinen Gilde.Der ganze Bau ist unterkellert und ruht in Banquetthöhe auf einemFundament <strong>von</strong> Bruchsteinen. Die Keller sind theilwcise <strong>von</strong> Bruchsteinen,theilweise <strong>von</strong> Ziegeln, die obnen Etagen durchweg <strong>von</strong> Ziegeln aufgeführt.Das Dach des Hauptgebäudes ist mit blauem englischen Schiefer,das der Anbauten mit Blech gedeckt.Im Souterrain des H<strong>aus</strong>es befin<strong>den</strong> sich die nöthigen Küchen, einReftaurationslocal , das <strong>den</strong> Namen „lohanniskelln" führt, und derLuftheizungs-Apparat.Die Parterre-Etage enthält ein Vorh<strong>aus</strong> und ein geräumiges Vestibülmit der zur ersten Etage führen<strong>den</strong> Parodetreppe, ferner <strong>den</strong> Speisesaal,das Zimmer der Aelteftenbank, Garderobezimmer, Archivgewölbe undandere nöthige Appntinentien. In der ersten Etage ist der große Versammlungssaal<strong>von</strong> 82' Länge, 42' Breite und 27' Höhe, ein Büffet- undein Damenzimmer. Die zweite Etage enthält außer dem Raum, welchender große Saal zur Gewinnung sein« entsprechen<strong>den</strong> Höhe einnimmt, nochzwei Wohnungen, <strong>von</strong> <strong>den</strong>en die eine für <strong>den</strong> Caftellan der Gilde bestimmtist. Die hierher führen<strong>den</strong> Treppen find so angelegt, daß tcin nutzbarerRaum im Innern dadurch beschränkt wird. Gas- und Wasserleitung durchziehendas ganze Hans, letztere bis znm Bo<strong>den</strong>.Vor der Veranda, an der Giebelseite des Gil<strong>den</strong>h<strong>aus</strong>es, breitet fich,wie es auch unser Stahlstich darstellt, ein mit Gartenanlagen gezierterfreier Platz <strong>aus</strong>, in dessen Mitte fich ein Basfin mit einer Fontaine erhebt,was dem ganzen Bilde Leben und Abwechselung giebt und uns im Geistegleichsam in die Zeit versetzt, wo, wie in anderen deutschen Städten, auchhier in <strong>Riga</strong> die noch wenig« dicht zusammengedrängten Häusermaffen esgestatteten, auch <strong>den</strong> Kindern der Flora einen, wenn auch beschränkten, dochimmer freien Spielraum zu ihrer Entwickelung innerhalb der Stadtmauerneinzuräumen.Was schließlich <strong>den</strong> gegenwärtigen Besitzstand des Gil<strong>den</strong>h<strong>aus</strong>es anbetrifft,so ist dasselbe zufolge der am 18.März, als dem dritten offenbaren


14Rechtstage vor Oster» 1866, beim <strong>Riga</strong>schen Rathe erfolgten öffentlichenAustragung <strong>von</strong> dn Bürgerschaft dn St. lohannisgilde auf die bei derselbenbestehende Brüderschaft übergegangen, so daß, wenn auch bei einerdneinstigen Umformung der <strong>Riga</strong>schen Stadtverfaffung die annoch getrenntbestehen<strong>den</strong> bei<strong>den</strong> Stände dn großen und der kleinen Gilde zu ein« ge°sammten Nülgnschaft verschmolzen wer<strong>den</strong>, uns« St. lohannis-Gil<strong>den</strong>h<strong>aus</strong>zwar seine Bedeutung als BerathungSlocal des dritten ober Gewntftandcsverlieren tonn, immn aber seine anderweitige bisherige Bestimmung behaltenund nach wie vor der St. lohannisgil<strong>den</strong>-Nrüderschaft als einCinigungspuntt zur Verfolgung ihr« gewerblichen und »ohlthätigen nichtnur, sondern auch ihrer geselligen Zwecke dienen wirb.


Das H<strong>aus</strong> der schwarzen Häupter in <strong>Riga</strong>


Das H<strong>aus</strong> der Schwarzen-Häupter in <strong>Riga</strong>VitGesellschaft der Schwärzen-Häupter in<strong>Riga</strong> leitet ihren Ursprung<strong>aus</strong> einer Verordnung des Bischofs Nicol<strong>aus</strong> v. I. 1232 her, dmch welche<strong>aus</strong> <strong>den</strong> Kauflenten eine Mannschaft gebildet wurde, die unter der Fahneder Stadt an <strong>den</strong> Kriegszügen gegen die heidnischen Einwohner Theilnehmen sollte. Diese ihre lriegerische Bestimmung bewahrte die Gesellschaftauch bis zur Auflösung des livländischen Or<strong>den</strong>sftaates, indem sie indiesem Zeitraum in allen Feh<strong>den</strong> der Stadt mitkämpfte, welche diese gegen<strong>den</strong> Or<strong>den</strong>, so wie als Glied der Hansa gegen Dänemark führte. DieBenennung „Schwärze-Häupter" ist indeß später« Ursprungs, indem fie,wenigstens in Schriften, sich erst im Anfange des 15. Jahrhunderts findet,und wahrscheinlich durch <strong>den</strong> Mohrentopf veranlaßt ist, <strong>den</strong> die Gesellschaftnach ihrem Schutzpatton, dem heiligen Mauritius, in ihrem Wappen fühlt.Flühei kommt die Gesellschaft nul unt« dem Namen „de mene lumpanievan <strong>den</strong> kovlu<strong>den</strong>" vol. Wie alle Innungen des Mittelalters verfolgteauch fie neben ihrerHauptbeftimmung noch die Zwecke geselligen Zusammenlebensund gegenseitiger Unterstützung; daher mußten bei dem Wegfallder Gelegenheit und der Nothwcndigkeit zu kriegerischen Leistungen dieletztgenannten Zwecke als die alleinigen übiig bleiben. So ist es gekommen,daß die Gesellschaft dci Schwaizen-Häupter jetzt nui noch eine<strong>aus</strong> un»«heiiatheten Kaufleuten bestehende Vereinigung bildet, welche ihreAufgabe in geselligem Zusammensein und in der Pflege und Fortbildungihrer verschie<strong>den</strong>en Unterftützungscaffcn findet. Glanz und Ansehen gewährtihr vorzüglich das Alter ihrer historischen Erinnerungen; außerdem trägtdazu ab« auch noch ein nicht unbedeutender Besitz und die persönlicheStellung ihrer Mitglieder bei, welche sie durch eine Wahl, die für eineehrende Anerkennung gilt, <strong>aus</strong> <strong>den</strong> angesehenen Familien der Stadt und<strong>aus</strong> dem Kreise der wohlhaben<strong>den</strong> jungen Kaufleute entnimmt.Das H<strong>aus</strong> der Sehwarzen -Häupter ist eines der ältesten und bemerkenswertheftenGebäude der Stadt. Es wurde im Jahre 1390 <strong>von</strong> einemreichen und angesehenenBürg« Dietrich Kreyge «baut und <strong>von</strong> demselbenzu einem Gesellschaftshanse bestimmt, in welchem Bülger aller Stände mitihren Familien zur geselligen Unterhaltung zusammenkamen. Die im vorigenJahrhundert bei einerRestauration des Gebäudes an der Spitze des Giebels


16angebrachte Inschrift, welche das Jahr 1201 als das Erbauungsjahr angiebt,scheint darauf hinzudeuten , daß schon vor dem Kreygeschen Neubauein anderes, zu allgemeinen Zwecken bestimmtes Gebäude, vielleicht das sog.„H<strong>aus</strong> <strong>von</strong> Soest", an dessen Stelle gestan<strong>den</strong> habe. In der Mitte des 15.lahrh. war das H<strong>aus</strong>in demBesitze der Stadt undwurde <strong>von</strong> demRathe alssog. Arthushof an die Brüderschaft der großen Gilde und an die Schwärzen-Häupter zur gemeinsamenBenutzungvermiethct. Gegen dasEnde des 16. lahrh.vcrzichtcte derRath indeß auf die Verwaltung und 1637 auch auf <strong>den</strong> Milchertragund die Benutzung desH<strong>aus</strong>es, worauf es <strong>den</strong>n bald unter Annahme derBezeichnung „Schwarzhäupterh<strong>aus</strong>" in <strong>den</strong> <strong>aus</strong>schließlichenBesitz der Gesellschaftder Schwärzen-Häupter überging, in dem es bis heute verblieben ist.Die Giebelftonte des H<strong>aus</strong>es, welche an dem alten Marktplätze liegt,stammt in ihrer charakteristischen Eigcnthümlichlcit noch <strong>aus</strong> dem Mittel»alter und hat im Laufe der Zeit nur wenige, nicht gerade wesentliche Veränderungenerfahren. In allen Zeiten lag die Eingangsthür zum großenSaal des H<strong>aus</strong>es in gleicher Höhe mit der Fenfterreihc desselben und fühltevom Markte her eine Freitreppe, die im Laufe unseres Jahrhunderts miteiner Kuppel versehen wor<strong>den</strong> war, zu derselben empor. Auf einem Drittelder Treppenhöhe fand fich vor Herstellung der Kuppel eine eiserne Gittcrthürzwischen zweien Pfeilern, auf <strong>den</strong>en einerseits die Jungfrau Maiiamit dem Chliftustinde, und andeieiseits ein Bnid« dci Schwaizen-Häupt«in kriegerischer Ausrüstung en isliet dargestellt waren. Bei dem großen,im Jahre 185? volgenommencn Umbau des H<strong>aus</strong>es ist die oben Eingangsthürnebst Freitreppe und Kuppel beseitigt wor<strong>den</strong> und find an derenStelleeine <strong>von</strong> <strong>den</strong> erwähnten Pfeilern gestützte Eingangsthür nebst Vestibül zurebenen Erde und ein ncunbautcs Treppenh<strong>aus</strong> getreten. Aus demselbengelangt man nunmehr durch eine Seitenthür in <strong>den</strong> großen, seit dem Umbauhochgewölbten und geschmackvoll decorirten Saal, dessen Wände mit<strong>den</strong> Porttaits d« Behensch« <strong>Riga</strong>'s, <strong>von</strong> Gustav Adolph an bis auf dieGegcnwaN, bedeckt find.In diesem Saale und <strong>den</strong> anglenzen<strong>den</strong> Räumlichkeiten hält die Gesellschaftnicht blos ihn eigenen Feste, sondern sie öffnet dieselben in liberal«Weise auch zu anderen festlichen und feierlichen Versammlungen, sowie gelegentlich auch zu musikalischen Aufführungen.Der vorstehendeStahlstich giebt eine Anficht des H<strong>aus</strong>es in seiner heutigenGestalt. Der Giebel desselben trägt als Wetterfahne <strong>den</strong> Ritter St.Georg. Unter demselben findet fich eine astronomische Uhr <strong>aus</strong> dem 1. 1622.Als besondere Sehenswürdigkeiten bewahrt die Gesellschaft einen reichenSchatz altnthümlichcnSilbergnäths und mehre Denkmäler ans kriegerischerVorzeit.


DasRitterh<strong>aus</strong> in <strong>Riga</strong>


Das Ritterh<strong>aus</strong> in <strong>Riga</strong>Flachdcm die Rittnbant der livländischen Rittelschaft, wie die Actendes Riltelschaftsarchivs besagen, im Jahre 1650 durch dieKönigin Christine<strong>von</strong> Schwe<strong>den</strong>, als derzeitige Herrscherin in Livland, gegründet wor<strong>den</strong> war,wurde ihr 12 Jahre-später mittelst Resolution der königlich schwedischenVormundschafts Regierung vom 31. Octobcr 1662 das zwischen derdamaligen Klosterpfoite und dem H<strong>aus</strong>e des Landlath Bann Otto v.Meng<strong>den</strong> in <strong>Riga</strong> belegene H<strong>aus</strong> des Tlanslateuis Renning wie auchdas daneben liegende hölzerne H<strong>aus</strong> „ein geräumiger Ort und Platz" zurErrichtung eines Ritterh<strong>aus</strong>es geschenkt. Dieser Platz ist indessen zu einemNeubau nicht benutzt wor<strong>den</strong>, vielmehr verlieh der König Karl XI. <strong>von</strong>Schwe<strong>den</strong> der Ritterschaft im Jahre 168? einen zweiten Bauplatz in <strong>den</strong>damaligen „neuen Festungswerten", auf welchem der Bau eines Ritter-H<strong>aus</strong>es dann im Jahre 1692 in Angriff genommen wurde.Unmittelbar nach der Einnahme der Stadt <strong>Riga</strong> durch die Russen, imJanuar des Jahres 171!, wur<strong>den</strong> die zuerst verliehenen alten hölzernenGebäude an derKlofteipforte durch die Soldaten des General-FeldmarsehallsScheremetjew „niedergerissen und weggeschleppt." Ucber das Schicksaldes innerhalb der „neuen Festungswerke" im Jahre 1692 in Angriff genommenenRitterh<strong>aus</strong> -Baues giebt das betreffende Archiv keine Kunde.Je<strong>den</strong>falls benutzte die Ritterschaft nach der Capitulation verschie<strong>den</strong>e gemieteteLoeale zur Unterbringung ihrer Kanzellei und ihres Archivs. Erstmittelst SenatS-Ukas vom 29. Juni 1725verlieh Ihre Majestät dieKaiserinKatharina I. <strong>von</strong> Rußland der Ritterschaft wieder ein eigenes H<strong>aus</strong>,>^>Vdas „beim Kloster" belegen war.Im Jahre 1752 „resolvirte der Senat" das genannte, <strong>von</strong>rin Katharina der Ritterschaft verliehene H<strong>aus</strong> nebst dem zugehörigenPlatz zum Bau der russischen Kirche des heiligen Alerei anzukaMu, und


18wurde dasselbe gegen das auf diesem Platze bei der St. Jacobs-Kirchebelegene, damals neunbaute Vice -Gouvelnems- H<strong>aus</strong> dn Alt vnt<strong>aus</strong>cht,daß die Rittnschaft das <strong>von</strong> dn Kaiserin Katharina verliehene Ritter-H<strong>aus</strong> der hohen Krone gegen eine Entschädigung <strong>von</strong> 1500 Rthlr. überließund <strong>den</strong> genannten Bettag dem Johann Adam Schcel-Schläger fürsein in der Sünderfttaße belegenes H<strong>aus</strong> <strong>aus</strong>zahlte, welches dem Vice-Gouvelnemeingewiesen wurde. Für das neuerbaute Vicc-Gouverneurs-H<strong>aus</strong>entrichtete die Ritterschaft der hohen Krone die Summe <strong>von</strong> 13,300Rthlr.und 300 Ndl. S.-M. In diesem H<strong>aus</strong>e find im Laufe <strong>von</strong> 112 Jahrenalle ritterschaftlichen Versammlungen abgehalten wor<strong>den</strong>.Da indessen die Räume dieses Ritterh<strong>aus</strong>es fich in neuerer Zeit sowohlfür die Ansammlung der Landtage, als auch für die zweckmäßigeAufbewahrung des angewachsenen Archivs und der ritterschaftlichen Bibliothekzu klein erwiesen, so beschloß der außeror<strong>den</strong>tliche Landtag vom Februarund März des Jahres 1862 <strong>den</strong> vollständigen Um- und Ausbau des Rittnh<strong>aus</strong>es,bei welchem gleichzeitig die Herstellung zahlreicherer Amtswohnungenfür die Repräsentation und die Beamten der Ritterschaft bezwecktwer<strong>den</strong> sollte. Zur Vergrößerung des ritterschaftlichen Grundplatzes verfügteder Landtag <strong>den</strong> Anlauf des nach dem russischen Priefterh<strong>aus</strong>t zubelegenen, sogenannten lacobi-Diaconath<strong>aus</strong>eS, welcher Ankauf für <strong>den</strong>Pens <strong>von</strong> 15,000 Rbl. S.-M. vollzogen wmde. Gleichzeitig wuide d«Rittnschaft dmch die Huld Sl. Majestät des Kaisns Alerand er 11. beinahedn ganze, zwischen dem Ritterh<strong>aus</strong>e und der St. lacobi-Kirche telegeneTheil des kleinen Zoll-Packh<strong>aus</strong>es zum Niederreißen geschenkt, wodurchder Platz vor dem Ritterh<strong>aus</strong>e gegen die St. lacobi-Kirche geöffnetwei<strong>den</strong> konnte. Mit der Ausführung des Baues bettaute die RitterschaftSe. Ercellenz <strong>den</strong> Herrn Landrath Arthur v. Richter auf Kawaft, unddie Henen Alnander v. Grote-Lemburg und Hermann v. Samson-Himmelftieina-Uibs. Bei dem <strong>von</strong> der vorgenannten Commisfion zurAnfertigung de« bezüglichen Bauplanes erlassenen Concurrenz- Ausschreibengewannen die Henen Architekten Robert Pflug und Al«. Naumann<strong>den</strong> ersten der <strong>aus</strong>gesetzten Preise im Betrage <strong>von</strong> 1500 Rbl. S.-M. undwur<strong>den</strong> in Gemeinschaft mit dem Henn Otto v. Sivers mit der Leitungdes Baues, und zwar in Grundlage des genannten, durch die Commisfionemendirten Planes bettaut. Nachdem sodann die Maurerarbeiten <strong>von</strong> derritterschaftlichen Commifsion dem <strong>Riga</strong>schen Henn Maurermeister Johann


19Gotthard St ein ert in Accorb vergeben, wurde sofort mit Beginn desFrühlings 1864 der Bau in Angriff genommen und mit demselben so rüftigfortgeschlitten, daß, als am 26. September desselben Jahres dn Grundsteinim Fundament des H<strong>aus</strong>es in Gegenwart der höchsten Autoritäten des Landesfeierlich vermauert ward, er schon bedeutend üb« das Niveau sein«Giundfläche hn<strong>von</strong>agtc.Da in dem, sein« Zeit zui Concunenz gestellten Programm füi <strong>den</strong>plojectirtcn Bau des H<strong>aus</strong>es als wesentliche Bedingungen gestellt waren:gewisse Grenzen, innerhalb derer das ganze Gebäude zu errichten, eine bestimmteAnzahl <strong>von</strong> Räumlichkeiten in bestimmter Größe und Ausdehnung,und zugleich ein festes Limitum für das Marimum der B<strong>aus</strong>umme, beidessen Einhaltung eine Benutzung <strong>von</strong> Thcilen des alten Ritterh<strong>aus</strong>es, soweit solches nur immer möglich war, geboten erschien, so haben die Rückfichtenauf dieselben, und namentlich auf die letztgenannte, die Form desGrundrisses, nach welchem die Fa?adc entstand, um so mehr beeinflussenmüssen, als das alte Gebäude 14' <strong>von</strong> <strong>den</strong> Grenzen des ganzen, für <strong>den</strong>Bau bestimmten Grundstückes zurückstand.Da ferner das Gebäude nach seiner zweifachen Bestimmung auch zweiverschie<strong>den</strong>e Bcstandtheilc enthalten sollte, nämlich Adminiftrations» und Repräsentationsiäumeeinerseits und andererseits verschie<strong>den</strong>e Amtswohnungen,so ward es für angemessen erachtet, diesen doppelten Zweck auch in demäußern Charakter desselben <strong>aus</strong>zuprägen. Dem entsprechend enthält seinelinke Hälfte unten die Administration mit <strong>den</strong> Doppelfenstern und üb«derselben <strong>den</strong> Rittersaal, dessen Höhe beiläufig 31 Fuß beträgt. In derMiste, als Theilung dn bei<strong>den</strong> Hälften, erhebt fich der Mittelbau mitdem Haupteingange zur Administration und zu <strong>den</strong> Repräsentationsräumen.Die rechte Hälfte umfaßt in mehren Stockwerten die Amtswohnungen, zu<strong>den</strong>en man durch <strong>den</strong> Eingang unter dem großen Thorwege gelangt.Der Gesammtflächenraum des Rittnh<strong>aus</strong>cs, wie es unser Stahlstichin seiner gegenwärtigen Ausdehnung darstellt, beträgt 435 Quadratfabcn,<strong>von</strong> <strong>den</strong>en 367 bebaut find und 68 auf die drei Hoftäume kommen. Dasganze Gebäude mit Einschluß eines dci Höfe ist untntelleit und enthaltendie dadurch gewonnenenKellenäume neben <strong>den</strong> Wohnungen für das Dienstpersonalauch eine große Küche nebst Anrichtezimmn, Wasch- und Rollftubcn,3 Luftheizungsöfen, sowie Holz-, Gemüse- und 2 Eiskeller.Das Partene, welches im Ganzen einen Flächenraum <strong>von</strong> 17,142


20Quadratfuß einnimmt, enthält außer dem großen Vestibül und der Paradetreppenebft Garderobe, noch die Administration mit 14 Zimmern, und dieWohnung des Rittelschafts -Sekretärs mit 11 Zimmern, sowie ferner <strong>den</strong>Pferdestall für 8 Pferde, 3 Wagenremisen nebst Kutscherzimmern und Heubö<strong>den</strong>,und 3 Treppenhäuser.Im Hauptgeschoß verbreiten fich die Repräscntattonsräume mit ihremVorsaal, dem Rittersaal, dem Versammlungs- und dem Speisesaal, einschließlichTreppenh<strong>aus</strong>, über 8860 Quadratfuß Flächenraum, während dieeben daselbst befindliche Wohnung des Landmarschalls mit ihren 14 Zimmerneinen solchen Raum <strong>von</strong> 5853 Quadratfuß einnimmt.Im dritten Geschoß fin<strong>den</strong> fich für die Wohnung des nfidinndcnLandraths 13 Zimmer, für die des Rentmeistns 7 Zimmn, und außerdemdas Rauch- unb das Onheftnzimmn für <strong>den</strong> großen Speisesaal; imGanzen 6469 Quadratfa<strong>den</strong> Flächenraum.Die Repräsentationsräume gehen, mit Ausnahme des Rittersaals,welcher dmch 3 Stockwerke reicht, durch zwei Etagen.Das obere Geschoß endlich umfaßt auf 10,445 Quadratfuß Flächenraumdie Wohnungen des Archiv-Sekretärs, des Ritterschafts -Notars unddes Rentmeisters -Gehilfen mit zusammen 34 Zimmern.


Der große Saal im Ritterh<strong>aus</strong> zu <strong>Riga</strong>


Der RittersaalNer große Saal im Ritterh<strong>aus</strong>e zu <strong>Riga</strong>, in welchem die Versammlungender livländischen Ritterschaft tagen, ist, wie das ganze Gebäude,im alten Rcnaiffance-Style erbaut. Seine Verhältnisse find: auf 68 FußLänge, 41 Fuß Breite und 33 Fuß Höhe; die Decke besteht ans Stuck,auf mattblauem Grunde, in reicher Vergoldung; die Malereien find <strong>von</strong>Herrn Schlev, die Vergoldungen <strong>von</strong> Herrn Julius, Beide in <strong>Riga</strong> ansässig,<strong>aus</strong>geführt wor<strong>den</strong>. Die Beleuchtungs-Apparate und dieKronleuchterstammen <strong>aus</strong> der Fabrik der Herren Riedinger K Comp, in St. Petersburg,und haben sich <strong>aus</strong>gezeichnet bewährt; der mittlere großeKronleuchterhat 90 Flammen, jeder der vier Eck-Kronleuchter 30 Flammen, so daß derSaal durch 210 Flammen, entsprechend dem Lichte <strong>von</strong> 1470 Kerzen, erleuchtetwird. Die mit der Luftheizung in Verbindung gebrachte Ventilationist vom Ingenieur v. D erschau in St. Petersburg hergestellt— dasParquet hat Herr Kirftein, das Amcublcment Herr Tischlermeister Ludloffin <strong>Riga</strong> geliefert.Den Eingängen gegenüber befin<strong>den</strong> sich die drei Kaiserbilder. Dasmittlere Bild, dasjenige Sr. Majestät des Kaisers Alexander 11., ist nacheinem Portrait <strong>von</strong> Krüger gemalt; links <strong>von</strong> demselben (immer vomStandpunkte des Beschauers) hängt daS Bild Peters des Großen, vomHofmaler und Akademiker v. Neff; eS trägt das Datum des 12.Octobcrs1710, an welchem Tage die livländischenLandes -Privilegien <strong>von</strong> dem erstenrussischen Herrscher Livlands feierlichst mittelst Namentlichen Ukascs bestätigtwor<strong>den</strong> find; rechts vom Bilde des regieren<strong>den</strong> Kaisers befindet sich dasPortrait Kaiser Paul 1,, <strong>von</strong> Herrn v. Stael-Holftein gemalt, mit demDatum: 30. November 1796, als Erinnerung an <strong>den</strong> Tag, an welchemder Hochselige Kaiser die Aufhebung der seit dem Jahre 1785 eingeführtenStatthalterschafts» Verfassung und die Wiederherstellung der alten livlän«


22dischen Landes -Verfassung angeordnet hatte. Beide Porttaits erinnernsonach an die bedeutsamsten Momente der livländischen neueren Geschichteund an die Grundlagen des noch gegenwärtig gelten<strong>den</strong> livländischenLandesrechts.Den Schmuck dreier Wände bil<strong>den</strong> die in Farben <strong>aus</strong>geführten Wappenschildesämmtlichcr znr livländischen Matrikel gehören<strong>den</strong> Adels-Familien inchronologischer Ordnung. Sit beginnen, links vom Eingange, in dem erstenRundbogen oben unter der Decke, mit <strong>den</strong> Wappen und Namen derjenigenFamilien, welche schon zu herrcnmeifterlicher Zeit in Livland ansässig waren;deren find 52, und schließt diese Periode mit dem Jahre 1561; an diesereihen sich 16 Familien <strong>aus</strong> polnischer Zeit, bis zum Jahre 1621 ; dann 45Familien <strong>aus</strong> schwedischer Zeit, bis 1710, und endlich 313 Familien, die inder Zeit der russischen Herrschaft das Indigenat in Livland erhalten haben.Die vierte Wand, welche <strong>den</strong>Kaiserbildern gegenüber liegt, trägt auf ebensolchen Schildern die Namen der 76 livländischen Landmarschälle, <strong>von</strong> demersten, 1556, Heinrich v. Tiesenh<strong>aus</strong>en an, bis zu dem gegenwärtigen.Ucbcr dem Bilde des regieren<strong>den</strong> Herrschers ist das Reichswappen angebracht,während das livländische Wappen, der silberne Greif im rothenFelde, sich als Schmuck der Decke und der Wände in häusiger und regelmäßigerWiederholung vorfindet.Der Eindruck, <strong>den</strong> der hohe und helle Raum auf <strong>den</strong> Eintreten<strong>den</strong>hervorbringt, ist ein ernster und würdiger; die einzelnen Anordnungen wiedie harmonischen Verhältnisse des Ganzen gereichen dem künstlerisch-gediegenenGeschmacke des Erbauers, des Herrn Architekten Pflug, zu größterEhre.


Die Börse in <strong>Riga</strong>


Die Börse in <strong>Riga</strong>ZMag nun der Name „Börse" für das Versammlungslocal der Kaufleutedaher rühren, daß man in Amsterdam die erste Börse in einem H<strong>aus</strong>eeinrichtete, über dessen Thür drei Beutel (bom-«««) in Stein gehauen waren,oder daher, daß die Kaufleute zu Brügge in Flandern um das Jahr 1530zu ihren Versammlungen das H<strong>aus</strong> einer Familie van der Bourse benutzten— unzweifelhaft bleibt je<strong>den</strong>falls, daß es schon in der ersten Hälfte des16. Jahrhunderts in größeren Handelsstädten bei <strong>den</strong> Kaufleuten anfing Sittezu wei<strong>den</strong>, sich zur Besprechung ihrer Handelsangelegenheiten in eigens fürdiesen Zweck bestimmten Localen zu versammeln. Wann diese Sitte auchin <strong>Riga</strong> Eingang gefun<strong>den</strong> und wo hier dieKaufleute anfänglich ihre commeiciellenZusammenkünfte gehalten, — ob etwain dem alten Arthushofe,dem gegenwärtigen Schwarzhäupterh<strong>aus</strong>e, dessen Nutznießung und Besitz dieKaufleute bis in das 18. Jahrhundert hinein mit <strong>den</strong> Schwarzhäuptern gemeinsamgehabt haben, oder in einer andern localität — daiübei schweigenunsere Nachrichten. Wir erfahren nur, wie dies unser <strong>Album</strong> schon beiErläuterung der Ansicht vom Rathh<strong>aus</strong>e mitgctheill hat, baß bereits in <strong>den</strong>vierziger Jahren des vorigen Jahrhunderts, wahrscheinlich in Folge desstets wachsen<strong>den</strong> Handelsverkehrs in <strong>Riga</strong>, das Verlangen nach einem eigenenBörsenlocal die Ansammlung eines Kapitals <strong>von</strong> 4000 Thlrn. zumAufbau eines solchen veranlaßte. Da gleichzeitig das alte Rathh<strong>aus</strong> einenNeubau erforderte, so wurde eine Combination <strong>von</strong> Rathh<strong>aus</strong> und Börsebeliebt, wie das in älteren Zeiten ziemlich allgemein war. — Diese Combinationhat, mit einigen durch Zeit und Bcdürfniß nothwendig gewor<strong>den</strong>enAbänderungen in der für das eine, wie für die andere benutzten Räumlichkeit,über achtzig Jahre bestan<strong>den</strong>. Als aber in <strong>den</strong> vierziger Jahrenunseres Jahrhunderts sich die Nothwendigleit einer Vergrößerung der Gexichtslocaledurch Benutzung der bisher <strong>von</strong> der Börse innegehabtenRäume


24des Rathh<strong>aus</strong>cS zu solchem Zwecke her<strong>aus</strong>gestellt hatte, und in Folge dessendie Bölsenvelsammlungen im Zahle 1847 piovifolisch in das Schwarzhäup»tcihuus verlegt wor<strong>den</strong>, die Unterhandlungen der Böisenkaufmannschaft mitder großen Gilde wegen des <strong>von</strong> dieser in Vorschlag gebrachten combinirtenGildftuben- und Börsenbaues aber an dem Umstände gescheitertwaren, daß die in dem bezüglichen Projecte der Börse zugedachten Räumlichkeitennicht <strong>den</strong> Wünschen und Bedürfnissen der Börsenkaufmannschaftentsprachen, wurde endlich im Jahre 1851 der Vorschlag des Börsen-Comite— der Böisenkaufmannschaft die Herstellung einesneuen Börsenh<strong>aus</strong>esanheimzugeben, welches als städtisches Eigenthum dem Rathe zu überweisenwäre, wogegen die Kaufmannschaft <strong>aus</strong> dessen Hän<strong>den</strong> die Investitur dafürzu empfangen habe, um es als nutzbares Lehn auf ewige Zeiten zu befitzen— zum Communalbeschluß erhoben. Zur Ausfühlung des Baues ernanntedie Genelal-Veisammlung der zu <strong>den</strong> Bewilligungsgeldern steuern<strong>den</strong>Kaufmannschaft eine besondere Commisfion <strong>aus</strong> 15 Gliedern der Kaufmannschaftund entschied sich diese nach soigfältigel Beplüfung der 13 verschie<strong>den</strong>enComplexe <strong>von</strong> Giundftücken, welche zum Bau in Vorschlag gebrachtwor<strong>den</strong> waren, für <strong>den</strong> Ankauf der Rhode-, Pandel-, Aull-, NowikowschenImmobilien an dci Ecke dci großen Schloß- und großenlocobssttaße.Bexeits am 3. Juni 1852 fand die feierliche Grundsteinlegung statt undwurde der Bau, unter der Oberleitung des Atademikels, Hoftaths H. <strong>von</strong>Bosse und nach dessen geschmackvollem Piojecte im Renaiffanceftpl, <strong>von</strong>dem mit dci Ausfühlung bettauten Architekten Heß in dci veibältnißmäßigkulzen Zeit <strong>von</strong> diei lahien beendigt, so daß schon am 4. Octobec 1855die Bölsenvelsammlungen in die schöne Halle dcc neuen Börse verlegt wer<strong>den</strong>konnten. Um der Eröffnungsfeier einen würdigen Ausdruck zu verleihenund die Bedeutung des Festes durch ein bleibendes Eiinnciungszci«chen zu veicwigen, ließ die Kaufmannschaft bei dem Beiliner MedailleurLoos eine Denkmünze prägen, die dem beigefügten <strong>Stahlstiche</strong>, auf demdie architektonischen Ornamente der Faca<strong>den</strong> des H<strong>aus</strong>es anschaulich hervortreten,zum Vorbild gedient hat. Unter <strong>den</strong> inneren Räumen zeichnet sichaußer der Börsenhalle, welche das ganzeParterreder rechten Fa?ade einnimmt,ganz besonders die Belletage — bestehend <strong>aus</strong> dem Conferenzsaaledes Börscn-Comite, einem Balkonzimmer, Ballsaal und Speisesaal, so wohlin architektonischer Beziehung, als durch prachtvolle Einrichtung <strong>aus</strong>.


Die St.Petri Kirche in <strong>Riga</strong>


Die St. Petri-Kirche«9a unser <strong>Album</strong> sich die Aufgabe gestellt hat, seinen geehrten Lesernzwischen <strong>den</strong> neuen auch die älteren monumentalen Bauwelte <strong>Riga</strong>'s vorzufühien,so daef dasselbe, indem es im Begriff steht, die Blicke <strong>von</strong> <strong>den</strong>communalen und ständischen Gebäu<strong>den</strong> auf unsere neueren tilchlichen Bautenhinüberzuleiten, nicht füglich die lutherische Kathedrale zu St. Peter unberücksichtigtlassen. Seit Alters zählt ja dieselbe nicht nur dulch ihlen umfangeeichenBau und ihl dleifach <strong>aus</strong> Stein gemeißeltes Poltal zu <strong>den</strong> Hauptzier<strong>den</strong>unserer Stadt, fondern namentlich auch durch ihren schlanken, <strong>von</strong> dreiGaleiicn duichblochenen Thurm, der, als ein Unicum und allbekanntes Wählzeichen<strong>Riga</strong>'sdastehend, wegen seiner bedeuten<strong>den</strong> Höhe — man rechnet dieselbemit Stange und Hahn auf 440 und ohne diese auf 400 Fuß, — schonauf meilenweiter Ferne <strong>den</strong>, sei es zu Wasser oder zu Lande, Anreisen<strong>den</strong>die Nähe unserer alten Dünaftadt zu verkün<strong>den</strong> pflegt.Der vorliegende, in jeder Hinficht wohl, gelungene Stahlstich überhebtuns der Mühe einer eingehen<strong>den</strong> Situationsschilderung. Unser rühmlichbekannte Kunstmaler, Herr Academiker Siegmund, hat bei feiner AufnahmederKirche nach der Natur das Ganze, wie das Einzelne gleich scharf<strong>den</strong> Blicken dargelegt und zugleich nicht unterlassen, in <strong>den</strong> verschie<strong>den</strong>enGruppen, welche <strong>den</strong> schön gepflasterten und neuerdings durch Baumanlagengeschmückten Kirchhofplatz beleben, dem Beschauer einen ungefähren Maßstabzui Beuitheilung der Größcnverhältniffe des ganzen Baues zu geben. Dierechts im Hintergründe über die Baumgruppen hervorblickende Kirche ist diezu St. lohannis. Für sich allein betrachtet, ein ansehnlicher Bau, erscheintsie neben unserer Pettitirchc, hintei der sie bekanntlich nue wenige HundeltSehlitte zurück steht, doch so verschwin<strong>den</strong>d klein, als liege sie in weiter Ferne.


26Ueber St. PeterS älteste Geschichte schwebt leider ein ziemlich dichterNebel, <strong>den</strong> zu zerstreuen um so weniger Aufgabe unseres <strong>Album</strong>s sein kann,als es bisher selbst <strong>den</strong> besten unserer vaterftädtischen Alterthumsfolschclnicht hat gelingen wollen, ihn mit ihren kritischen Augen zu durchdringen.So viel nur steht fest, daß es schon wenige Jahre, nachdem Bischof Albert1201 <strong>Riga</strong> gegründet hatte, in der neuen Stadt eine Kirche zu St. Petergab. Bereits im Jahre 1209 huldigte, wie alte Urkun<strong>den</strong> berichten, derFürst Wsewolod <strong>von</strong> Geriete dem genannten Bischof unter großer Feierlichkeitauf dem Kirchhofe zu St. Peter. Bei einem in der ersten Hälfte des 15.Jahrhunderts vorgenommenen Umbau der Kirche erhielt sie einen 75 Fa<strong>den</strong>hohen Thurm in Spitzsäulenform, dem indessen erst im Jahre 1490 amDiesei Thurm war, wie berichtetSt. Laurentius-Tagc, als <strong>den</strong> 9. August, Knopf und Hahn aufgesetzt mel<strong>den</strong>konnten.wird, zugleich mit einem „toftundkunftbaren Uhrwerk" versehen.Drei lahrzchend nach Krönung ihrer Thurmspitzc, war es die Petti-Kirche, <strong>von</strong> deren Kanzel herab sich die ersten Strahlen der reinen evangelischenLehre über unsere Stadt und die umliegen<strong>den</strong> Lande zu verbreitenbegannen, nachdem der rigaschc Rath im Jahre 1522 m Andreas Knöpkcn<strong>aus</strong> Küsttin einen glaubenseifrigen Anhänger Luthers als Prediger an dieselbeberufen hatte.Für die Baugeschichte unserer Kircheist nach dieser Zeit zunächst dasJahr 1666 bedeutungsvoll gewor<strong>den</strong>, in welchem, wie die Chronik berichtet,am 11. März, als am Sonntag Rcminiscerc, um 2 Uhr Nachmittag derganze kostbare Thurm unvermuthlich zu Fall kam und dabei 8 Personenund ein H<strong>aus</strong> gänzlich zerschmetterte. Mit seinem Wiederaufbau war zwarschon im nächsten Jahre und zwar nach einem neuen , seiner gegenwärtigenGestalt cntsplechen<strong>den</strong> Plan — des genialen Schöpfeis Namen ist leidei unbelanntgeblieben— dci Anfang gemacht woi<strong>den</strong>, doch wai man noch nichtübel die Höhe des Kiichcndaches hin<strong>aus</strong>, als der Mordbrand des Jahres1677 mit einem großen Theil der Stadt auch die Petti-Kirche thcilweisc inAsche legte. In Folge dessen vnzögelte sich die Beendigung des Thmmbauesbis in's Jahr 1690, in welchem er am 10. August Hahn und Knopf aufgesetzterhielt.Dreißig lah« voll Noth und KriegSdrangsalen waren über <strong>Riga</strong> kaum


dahingegangen und unsere Stadt <strong>aus</strong> der schwedischen Unterthänigkeit kaum10 Jahre in die russische übergetreten, als am 10. Mai 1721 früh zwischen4 und 5 Uhr ein Blitzstrahl über dem Altar in die Pctti-Kttche schlug undin 3 Stun<strong>den</strong> Alles in Tlümmer gelegt wurde. Peter der Große, welcherdamals gerade in seiner neuerworbenen Stadt anwesend war, erschien persönlichauf der Brandstätte und ließ die nöthigen Anstalten zur Rettung der<strong>den</strong> Kirchhof umgrenzen<strong>den</strong> Baulichkeiten treffen. In <strong>den</strong> gefährlichsten Augenblickensoll er sich betend vor dem Altar auf die Knie geworfen haben.Zum Glück stürzte diesmal der Thunn nicht um, sondern sank in sich selbstzusammen. In Folge dieses verderbenbringen<strong>den</strong> Brandes sind eine MengeschönerDenkmäler der Kunst, wie der marmorne Altar, die steinerneKanzel,die Orgel und das Glockenspiel u. s. w., mit <strong>den</strong>en noch während des 17.Jahrhunderts fiomme Gemeindcgliedei die Kirche geschmückt hatten, zu Grundegerichtet wor<strong>den</strong>. Auch mit dem Wieder<strong>aus</strong>bau derKirche und namentlich mitder Aufführung des neuen Thurmes ging es wegen Mangels der nöthigenMittel nur langsam <strong>von</strong> Statten, so daß erst am 9. Octobcr 1746 Hahnund Knopf wieder aufgesetzt wer<strong>den</strong> konnten. 1753 <strong>den</strong> 26. September fingdie neue Kirchenglocke an, zum erstenmal seit dem Brande <strong>von</strong> 1721wieder die Stun<strong>den</strong> zu schlagen.Was das Innere derKirche gegenwärtig<strong>von</strong> Sehenswürdigkeiten enthält,stammt, bis aufeinige große Armleuchter, Grabmaler und Wappenschilder, <strong>aus</strong>dem 16. u. 17. lahrh., größtentheils <strong>aus</strong> <strong>den</strong>Zeiten nach dem Brande. Dieschöne mannolnc Kanzel wuede <strong>aus</strong> einem Vcrmächtniß der vclw. BürgermeiftclinGelttud Holst hclgeftellt. Sie ist in Italien geaibeitet und im I.1794 eingeweiht woi<strong>den</strong>. Dci <strong>aus</strong> poliltem Eichenholz im gothischenStylgeaebeitete Altai, ein Welt des Bildhauers Stephan in Köln, wurde erstim Octobcr 1853 eingeweiht. Denselben zieren die Standbilder der 12Apostel, nach dem Sebaldus-Denlmal in Nürnberg in Holz geschnitzt. DasAltargemälde im mittleren Felde, eine Kunftschöpfung desProfessors Steintein Frankfurt a. M., stellt <strong>den</strong> Apostel Petrus, <strong>den</strong> Patton unserer Kirche,in dem Moment dar, wie er dem versammelten Volke zu Jerusalem vollheiligen Geistes seine erste Pfingftpredigt hält. Zur rechten Seite des Altarserinnert eine erzene Ge<strong>den</strong>ktafel an zwei erhabene Glieder des russischenKaiserh<strong>aus</strong>es, welche andachtsvoll an dieser geweihten Stätte geweilt27


28haben: Peter der Große am 10. Mai 1721 und die Kaiserin -WittweMaria Feodorowna am 1. September 1818. Eine zweite Tafel linksvom Altar ist dem An<strong>den</strong>ken an <strong>den</strong> oben erwähnten ersten reformatorischenPrediger <strong>Riga</strong>'s, Andreas Knßpkcn, geweiht, der im I. 1539 verstorben,im Altarchor der Kirche, wie ein dort noch vorgefun<strong>den</strong>er Grabstein bezeugt,seine letzte Ruhestätte gefun<strong>den</strong> hat.Dci jüngsten Zeit, welche neben ihlen Neuschöpfungen auch nach Möglichkeitfür Erhaltung der <strong>von</strong> der Vorzeit überliefelten Denkmälee Sorgeträgt, dankt namentlich unsere Petri-Kirche in dieser Hinsicht eine würdigereAusstattung ihres Innern, so wie die Entfernung störender Baulichkeitenan ihren Außenseiten, in jener aber die Einrichtung einer Gasbeleuchtungund eines Heizungsapparats.


Die St.Gertrud Kirche in <strong>Riga</strong>i


Die neue St. Gertrud -KircheNlei dci Volkszählung im Mälz 1867 fan<strong>den</strong> sich in <strong>Riga</strong> und seinenVorstädten, in run<strong>den</strong> Zahlen <strong>aus</strong>gedrückt, unter einer Gesammtzahl <strong>von</strong>102,000 Einwohnern 62,800 oder 61,5 Procent Lutheraner. Wie in dieserMehrzahl seiner Bewohner, so trägt <strong>Riga</strong> zur Zeit auch noch in der Bedeutsamkeitseiner, der öffentlichen Gottesverehrung bestimmten Gebäude<strong>den</strong> Charakter einer lutherischen Stadt. Denn wenn unter seinen 22 Kirchenauch nur 8 oder 36 Proc. <strong>den</strong> lutherischen Confesfionsverwandten angehören,so find diese, wenigstens so weit sie in der Stadt selbst liegen, wiedie Dom-, die St. Petri-, die St. lacobi- und die St. lohannis-Kirche,dafür auch in ihrem baulichen Umfange, so wie in ihrer architektonischenEigenthümlichkeit die hervorragendsten und reichen außerdem mit dem Zeitpunktihres Entstehens bis in die älteste Periode unserer Stadtgeschichte zurück. In<strong>den</strong> Vorstädten freilich hat sich dieKiiegsfurie, welche Jahrhunderte lang dieMauern <strong>Riga</strong>'s umtobte, dem Emporblühen liichlicheiBauten wenig günstigbewiesen. Was die eine Gcneiation in dieser Beziehung mit frommerPietät geschaffen hatte, das sah vielleicht schon die nächste beim Herannahenfeindlicher Heereszüge in Asche und Trümmer sinken.So lam es <strong>den</strong>n, daßsich die Bewohner der Vorftadttheilc bis in die neueste Zeit herein, wie inso vielen anderen Beziehungen, so auch hinsichtlich der Befriedigung ihrerreligiösen Bedürfnisse vorzugsweise auf die Stadt verwiesen fan<strong>den</strong>. Inder älteren Zeit, wo die Vorstädte nur schwach bcvöltcrt waren und ihreäußeiften Punkte höchstens eine Vieltelmeile <strong>von</strong> dem Centturn dcl Stadtentfeint lagen, mochte dies Velhältniß im Ganzen wenigei drückend gefun<strong>den</strong>wei<strong>den</strong>, wie wohl es auch damals an Beschwei<strong>den</strong> dci Voistädtcin dieser Richtung nicht gefehlt haben soll. In der neueren Zeit aber, womit der Zunahme der Bevölkerungszahl sich die Vorstädte nach allen Rich-


30tungen hin <strong>aus</strong>gedehnt haben, so daß sie in ihren äußersten Grenzen einenKreis um die Stadt beschreiben, dessen Radien mindestens eine halbe Meileund noch darüber messen, hat sichdies Verhältnis noch viel ungünstiger gestaltet.Wie die ö<strong>den</strong> erwähnte Volkszählung ergeben hat, zählen <strong>von</strong> sämmt»lichen 62,800 lutherischen Bewohnern <strong>Riga</strong>S nur 14,200 oder 23 Procentzu <strong>den</strong>en der eigentlichen Stadt, die übrigen 48,600 oder 77 Procent verteilensich auf die drei Vorftadttheile, und zwar der Art, daß auf <strong>den</strong> St.Petersburger Stobttheil deren 18,900 oder 30 Procent, auf <strong>den</strong> Moskauer18,500 oder 29 Procent und auf <strong>den</strong> Mitaucr 11,200 ober 18 Proc.kommen.Und für diese überwiegende Bevölkerung der Vorstädte bestand bis vorungefähr 2« Jahren zurück in <strong>den</strong>selben nnr eine eigentliche Kirche, dieJesus-Kirche im Moskauer Vorftadttheil. Die zahlreichen Lutheraner desSt. Petersburger Stadttheils sahen sich seit <strong>den</strong> verhängnißvollen Kriegsjähren<strong>von</strong> 1812 und 1813 auf ein beschränktes hölzernes Beth<strong>aus</strong> »erwiesen,und die Bewohner des Mitaver Stadttheils, wo es gar kein lutherischesGottesh<strong>aus</strong> gab, einzig auf die Kirchen der Stadt. Erst in Folgedes Erwachens eines regelen kirchlichen Geistes begann man wahrendder letztverfloffcnen Decennien auch dem Verlangen der lutherischen Bewohnerder Vorstädte nach eigenen Gotteshäusern möglichst Rechnung zutragen. So entstand zu Anfang der fünfziger Jahre auf Sehwarzenhof,im Mitaver Stadttheil, die MartinS-Kirche ; für die Bewohner an der reihenDüna und am Wei<strong>den</strong>damm im Petersburger Stadttheil ward durchdie Anstellung eines Predigers und Errichtung einer Pfarre bei der Kircheauf Alexandershöhe, die früher zunächst nur für die in genannter AnstaltVerpflegten bestimmt war, gesorgt; <strong>den</strong> Haupttheil des St, PetersburgerVorftadttheils aber, der zwischen der Stodtwcidc und der Suworowstraßegelegen, überragt seit dem Jahre 1886, in einem edlen B<strong>aus</strong>tyl <strong>aus</strong>geführt,die neue St. Gertrud-Kirche.In älteren Urkun<strong>den</strong> wird mehrer Kirchen gedacht, die in dem Theilder Vorstädte gelegen haben, welchen wir gegenwärtig <strong>den</strong> St. Petersburgernennen. So der Johannes-, der Georgen- und der St. Gertrud-Dieser letztern namentlich geschieht zuerst in einer KämmereirechnungKirche.vom I. 1413 als „Suntc Gertrud" Erwähnung; ferner im Jahre 1478,wo man bei Aufhebung eines über <strong>Riga</strong> verhängten Kirchenbannes dasheilige Ocl <strong>aus</strong> St. Gertrud in großer Procesfion in die Stadt holte,


31und im I. 1489, als Bischof Simon <strong>von</strong> derBorg eine päpstliche Bann»bulle an die Kirchenthllren <strong>von</strong> St. Gertrud anschlagen ließ. Ucber ihreweiteren Schicksale indessen ist nichts bekannt. Je<strong>den</strong>falls muß sie ftüherodei später zerstört wor<strong>den</strong> sein, da berichtet wird, daß im I. 1589 am19. Deccmber der Ausschuß der Bürgerschaft <strong>den</strong> Bau einer Kirche zu St.Gertrud nachzugeben beschloffen habe. Zu Weihnachten 1591 ward auchwirtlich der Gottesdienst in dieser neuen Kirche eröffnet, jedoch nur fürwenige Jahre, <strong>den</strong>n bereits 1605 sant auch sie, während der Belagerung<strong>Riga</strong>'s durch Karl IX., in Trümmer. Darnach verssoffen volle 174 Jahre,ehe sich wieder eine St. Gertrud-Kirchengemeinde conftituiren konnte, undwaren inzwischen die Vorstädte! »uf die im Jahre 1632 außerhalb der latobspfortebei lürgenshof erbaute Georgen -Kirche, so wie auf die imJahre 1636 entstan<strong>den</strong>e Jesus-Kirche augewiesen.Erst im Jahre 1743 gelang es <strong>den</strong> Bemühungen dreier vorftädtschcnBülgee: Apothetei Petei Joachim Voß, Johann Bcig und loh. ChristophNormarm, durch Collcctcn die Mittel herbeizuschaffen, um ein H<strong>aus</strong> an dergroßen Sandftraße läuflich zu erwerben, das dann, zur Andachtsftätte fürdie Gertrud-Gemeinde eingerichtet, am 4. März 1744 mit der Antrittsrededes neuerwählten Predigers Friede. Gottlieb Hilde eröffnet ward. ImI. 1753 erhielt dies inzwischen sehr erweiterte Beth<strong>aus</strong> auch einen Thurmund mit Bewilligung des Raths <strong>den</strong> Namen Gertrud-Kirche. Andieser Kirche wirkte loh. Gottfried Herder seit dem 29. Juni 176? zweiJahre als Pastor »H.Als sich im I. 1778 dieses Kirchengebäude gänzlich baufällig erwies,beschloß man eine neue Kirche an der Stelle aufzuführen, wo bis zum 1. 1605die alte Gertrud-Kirche gestan<strong>den</strong> hatte, d. h., um für die Gegenwart <strong>den</strong> Ortnäher zu bezeichnen, zu Anfang der Aleranderftraßc, ungefähr auf der Stelle,welche jetzt das H<strong>aus</strong> <strong>von</strong> I. H. Hill einnimmt. Nachdem am 8. April 1779der Grundstein gelegt wor<strong>den</strong> war, konnte bereits am 29. Aug. 1781 dieKirchefeierlich eingeweiht wer<strong>den</strong>.Ihre Erbauung hatte 20,206 Thaler gekostet.Nach kaum 31jährigcm Bestehen, als im I. 1812 bei Herannäherungdes französischen Heeres in der Nacht vom 11. auf <strong>den</strong> 12. Juli die Vorstädtein Brand gesteckt wur<strong>den</strong>, ward zugleich mit der Jesus»Kirche undzweien griechisch-iusfischen Kttchen auch unsere St. Gertrud-Kirche <strong>von</strong> <strong>den</strong>Flammen zerstört. Um in dieser allgemeinen Bedrängniß dein Verlangenseiner Gemeindeglieder nach <strong>den</strong> Tröstungen <strong>aus</strong> dem Worte Gottes begeg»


32ncn zu können, vermittelte es der damaligePrediger der Gertrud-Gemeinde,Martin Berkholz, daß im Saale des in der jetzigen Nilolaiftraße gelegenenLocals der Euphonie-Gesellschaft schon mit dem 11. August der sonntäglicheGottesdienst einstweilen wieder abgehalten wer<strong>den</strong> tonnte. Inzwischenwar man angelegentlichst <strong>aus</strong> die Herstellung eines neuen Kirchengebäubesbedacht, und ward zu dem Endzweck mit dem 1. Juli 1813 eineallgemeine Collecte eröffnet, die einen Ertrag <strong>von</strong> 22,371 Rbl. Banco-Assign. gab. Mit diesen Mitteln <strong>aus</strong>gerüstet, begann man schon im Septemberan der Ecke der Aleiandei- und Mühlengaffe <strong>den</strong> Bau eines hölzernenSt. Gertrud-Beth<strong>aus</strong>es. Nachdem dasselbe am 24. Mai 1814feierlich eingeweiht wor<strong>den</strong>, erhielt es im I. 181? dmch milde Beiftcueinpatriotischer Bürger <strong>Riga</strong>'s auch noch einen kleinen Thurm nebst 2 Glocken.Die Ausführung einer eigentlichen Kirche mußte besseren Zeiten vorbehaltenbleiben, in deren Erwartung man vorläufig an dem Durchschnittspunkt derEchmiedeftiaße und dcc Kiichenfttaße in dem <strong>aus</strong> dci Asche neuelstchen<strong>den</strong>St. Peteesbulgel Stadttheil einen freien Platz reservirte.Seit jener Zeit verflossen fast volle 50 Jahre , ohne daß es möglichgewor<strong>den</strong> wäre, einen neuen Kirchenbau in Angriff zu nehmen. Elst imlahle 1863, als das Baukapital dmch im Laufe dcc Zahle eingegangeneBeifteueen, einen außclvl<strong>den</strong>tlichen Zuschuß <strong>von</strong> bedeutendem Betrageund durch die Einnahmen der seit Alters bestehen<strong>den</strong> Gertrud-Kirchenftiftungunter sparsamer Verwaltung der betreffen<strong>den</strong> Administration bis zu einerHöhe <strong>von</strong> circa 100,000 Rubel S. angewachsen, konnte die KaiseilicheBestätigung zum Bau einer fteinelnen Kilchc, nach dem <strong>von</strong> dem Hen. Stadt-Alchitcttcn Felsto entwolfenen Plane, «langt wer<strong>den</strong>. Zur Erweiterungdes, wie oben angegeben, für die Kirche reservirten Platzes wur<strong>den</strong> mehreder an demselben liegen<strong>den</strong> Grundstücke <strong>von</strong> <strong>den</strong> resp. Besitzern durch Eivlopnation,und namentlich eins auch durch Schenkung des Oblisten Uschakowciwolben. Nachdem sodann dem Helm Maurelmeiftei WilhelmKrüger die Ausführung des Baues (ohne die innere Einrichtung) für90,900 Rbl. und dem Herrn Felsto die Leitung desselben übertragen wor<strong>den</strong>war, machte man am 12. Juli 1864, dem Tage, wo vor 52 Jahrendie alte St. Gertrud -Kilche in Trümmer sant, mit <strong>den</strong> vorbereiten<strong>den</strong> Arbeiten<strong>den</strong> Anfang. Am 29. Mai des folgen<strong>den</strong> Jahres 1865 fand dieFeier der Grundsteinlegung statt. Rasch schritt <strong>von</strong> nun an der Bau seinerVollendung zu. Noch in demselben Jahre, am 11.Octobcr, feierte man das


33Richtfest, und am IN. August 1866 ward die Kreuzblume sammt dem Kreuzauf der Spitze des Thurmcs befestigt.Dem, wie wir bereits erwähnt, <strong>von</strong> Hrn. Felsto entworfenen Planegemäß, ist sie in Kreuzform und in unmittelbarer Verbindung mit einemThurm und einem entsprechen<strong>den</strong> Altar<strong>aus</strong>bau, so wie mit zweien Treppen»thürmen zur Communication nach <strong>den</strong> Emporen und <strong>den</strong> oberen Etagen desThurmeS, im Ganzen, sowohl außen, wie innen, im gothischen Bauftyl <strong>aus</strong>geführt,und liegt sie auf dem freien Platz in der Kreuzung der Schmicde-«nd der Kirchenftraße so, daß der mittlere Kreuzpunkt der Grundform derKirche in <strong>den</strong> Kreuzpunkt der Achsen oben genannter Straßen trifft. Sieselbst ist im Ziegel-Rohbau, ihre sämmtlichen Gcfimstheile dagegen, sowie die Fialen und das Maßwerk der Fenster sind <strong>von</strong> Ccmentguß hergestellt.Die Pyramide des 207 Fuß hohen Thurmcs ist <strong>von</strong> Holz und mitKupfer gedeckt.Das Innere der Kirche wird <strong>aus</strong> einer Haupt» und 2 Seitenhallen gebildet,welche durch reich prosilirte, schlanke, die Hauptgurten und Rippen dermassiven Sterngewölbe aufnehmende Pfeiler <strong>von</strong> einander getrennt wei<strong>den</strong>.Das Kirchenschiff hat, vom Fußbo<strong>den</strong> bis zum Scheitel der Gewölbe gerechnet,eine Lichtenhöhe <strong>von</strong> durchschnittlich 45 V« Fuß, eine Breite <strong>von</strong>63 Fuß 1» Zoll und eine Länge <strong>von</strong> 113 Fuß. Den Schluß dieser Mittelhallebildet der Altar<strong>aus</strong>bau, dessen Umfassungswände dulch 5 Seiteneines leguläien Achtecks bcglenzt wei<strong>den</strong>. In <strong>den</strong>selben ist zugleich bis zurHöhe der Altaiwand die Sakristei eingebaut, deren Länge 27'/«, die Tiefe21 Fuß beträgt. Der <strong>von</strong> einem Sterngewölbe überspannte Raum unterder Sakristei, welcher einen Eingang direct <strong>von</strong> der Straße erhält, istzur Absetzung <strong>von</strong> Leichen bestimmt.An der dem Altai<strong>aus</strong>bau gegenüberstehen<strong>den</strong> Giebelmauer befindet sichdas Orgelempor. In <strong>den</strong> an <strong>den</strong> Längseiten nach außen vorspringen<strong>den</strong>Ausbauten find gleichfalls Empore angeblacht, ohne daß badmch dci fieleDurchblick irgend wie gehemmt wirb.Die Kirche faßt überhaupt 1200 Sitze und 900 Stehplätze. Den An»forderungen unserer kalten nordischen Winter entsprechend, ist sie durch zweiim Keller angelegte Luftheizungsöfen heizbar gemacht und mit Winterfenfternversehen wor<strong>den</strong>.Einige Aenderungen in dem ursprünglichen Bauplan, namentlich aber,daß die ungünstige Beschaffenheit des Baugrundes es nöthig gemacht hatte,


34das Fundament viel tiefer als es anfänglich beabsichtigt war,— an einzelnenStellen bis auf 21 Fuß zu legen,— brachten bereits im Herbste des Jahres1866 die <strong>von</strong> <strong>den</strong> HH. Rathsherr Arend Berkholz, C. F. Meinhard undG. H. Stcuwer gebildete Administration der Gertrud-Kirche zu der Ueberzeugung,daß die bis dahin füi <strong>den</strong> Bau bestimmten 121,734Rbl. nicht genügenwül<strong>den</strong>, um auch die innele Ausstattung dciKttche, entsprechend ihremäußeren Bau, zu vollen<strong>den</strong>. In Folge dessen erließ dieselbe eine öffentlicheAufforderung zu freiwilligen Beiträgen, die, Dank der Opferbereitwilligkeitunserer <strong>Riga</strong>er Mitbürger, das crfteuliche Elgebniß hatte, daßnahe an 11,000 Rbl. zusammenflössen. Nachdem mit Hülfe dieser Zuschüsseauch die innere Einrichtung und Ausschmückung der Kirche so weithergestellt war, daß dieselbe dem gottesdienftlichcn Gebrauche übergebenwer<strong>den</strong> konnte, wurde sie am 2. März 1869, als am Sonntage Quinquagefimä,feierlich eingeweiht. Möge sie dmch viele Jahrhunderte hin auch<strong>den</strong> fernsten Geschlechtern noch ein Zeuge <strong>von</strong> dem Gemeinssnn unsererZeit sein!


Die Martins Kirche in <strong>Riga</strong>


Die Martinskirche.Wer, die DNna <strong>von</strong> der Bolderaa her aufwärtsfahrend, sich der Stadt<strong>Riga</strong> nähert, dessen Auge wird, wenn es <strong>von</strong> dem, <strong>Riga</strong> schon in der Fernekennzeichnen<strong>den</strong> Anblick der drei majestätisch zum Himmel anstreben<strong>den</strong> Thunnspitzenabschweift, dulch ein glüncs, <strong>von</strong> einem gol<strong>den</strong>enKeeuze übeliagtesThuimdach gefesselt, das auf weißem Untelgnmdc <strong>aus</strong> dci Nadelholzwaldungheivoischaut, welche die längs des linken Dünauftis sich Hinzichen<strong>den</strong> Hügel»«ihen tlönt. Dies, wenn man es so nennen will, neueste Wahrzeichen<strong>Riga</strong>'s ist die Thurmspitze der Kirche, welche in dem nebenstehen<strong>den</strong> <strong>Stahlstiche</strong>sich unserem Auge als „die Martinskirche in<strong>Riga</strong>" darstellt. Inmittendes an schlanken und stämmigen Fichten reichen Hagens- oder SchwarzmhofschenWaldes, ungefähr drei Werft unterhalb <strong>Riga</strong> auf einer Anhöhegelegen, wendet sie ihre Portal» oder Thurmseite der nach Bolderaa hinnnterführendcnDünamündeschcn Straße zu, während ihre Rückseite mit derEingangsthür, über welcher der Beschauer auf dem vorliegen<strong>den</strong> Bilde dasWappen der großen Gilde erblickt, der sogenannten Schlockschcn Straßezugekehit ist. Zwei Alleen <strong>von</strong> schön gezogenen Lin<strong>den</strong> fühicn an jedeidci bei<strong>den</strong> Kilchenseiten voebei, <strong>von</strong> der Schlockschen zm DünamündeschenStraße. Rechts <strong>von</strong> der Martinslirehe, in einer Entfernung <strong>von</strong> wenighundert Schlitten, lehnt sich an <strong>den</strong> Wald die freundlich gleichfalls auf dieSchlocksche Straße blickende Pfariwohnung; ihr zui Linken dehnen sich dieTodtengcsilde des Hagenshofschen Kirchhofs mit ihren unter dichter Laubum»dachung hervorschimmern<strong>den</strong> Kapellen und Grabmonumenten.Unter <strong>den</strong> kirchlichen Bauten <strong>Riga</strong>'s zählt die Martinslirehe zu einerder neueren. Ais zu Anfang der fünfziger lahie unseres Jahrhundertswaren sämmtliche Bewohner der jenseits der Düna gelegenenStadtgebiete,wie Thorcnsberg, Hagenshof, Saffenhof u. f. w., bei der städtischen lohanniStttcheeingepfarlt. Die zm Herbst» und Frühlingszeit erschwerte Communicationjener überdünaschen Stadttheile mit der Stadt einerseits, andererseitsdie im Laufe der Zeit bedeutend angewachsene Bevölkerung derselben hattenes schon lange wünschenSwerth erscheinen lassen, hier eine selbftftändigcKirchengemeinde zu begrün<strong>den</strong>.Nachdem »uf einen in Veranlassung dessenim December des Jahres 1845 an die Bürgerschaft großer Gilde gebrachtenAntrag <strong>von</strong> dieser eine besondere Commisfion zur Bcratiung dieses Gegen»


36standes niedelgesetzt woi<strong>den</strong> war, wmdc amTage, an welchem vor 300 Jahren Maltin Luther durch <strong>den</strong> Tod <strong>aus</strong>der18. Feblual 1846, demselbenseiner lirchenreformatorischen Wirksamkeit abberufen wor<strong>den</strong> war, <strong>von</strong>genannten Bürgerschaft ein Kapital <strong>von</strong> 10,000 Rbln. zur Erbauung einerevangelisch-lutherischen Maltinstttche auf Hagenshof <strong>aus</strong>gesetzt, welchesspäter, als man <strong>den</strong> Bauplan dahin änderte, die Kirche anstatt <strong>von</strong> Holz<strong>von</strong> Stein, wie sie jetzt vor uns steht, zu erbauen, bis auf 16,000Rbl.erhöht wurde. Am 2. November 1850 erhielt der betreffende Bauplan dieAllerhöchste Bestätigung, worauf <strong>den</strong>n sofort seine Ausführung in Angriffgenommen und bereits am 15. Mai folgen<strong>den</strong> Jahres 1851 zur feierlichenGrundsteinlegung geschritten wurde. Schon im Herbst desselben Jahres standdas neue Gottesh<strong>aus</strong> unter Dach, und ein Jahr später, am 26. Octobcr1852, ward es feierlich zum gottesdienftlichen Gebrauche eingeweiht, und dernoch jetzt bei der Kirche fungirende Pastor Robert Starck introducirt. Daßes ermöglicht ward, zugleich mit derKüche ein eigenes Pastorat zu begrün<strong>den</strong>,dankt<strong>Riga</strong> der patriotischen Gesinnung eines seiner Mitbürger, des weil. Nettestengl. Gilde, Ebeehaid Michael v. Bulmelincq, welcher im December desJahres 1850 ein Kapital <strong>von</strong> 20,000 Rbln. S. darbrachte, mit der Bestimmung,daß <strong>aus</strong> <strong>den</strong> Zinsen <strong>von</strong> 12,000Rbln. dem Prediger an der Martinskircheein jährliches Gehalt <strong>von</strong> 600 Rbln. S. gezahlt, die übrige Summe<strong>von</strong> 8000 Rbln. aber zur Erwerbung eines Grundstückes und zur Erbauungeiner Predigerwohnung <strong>von</strong> Stein verwandt wer<strong>den</strong> solle. Dieser großmüthigenSchenkung fügte der genannte Wohlthäter später noch ein Kapital<strong>von</strong> 5000 Rbln. hinzu, <strong>aus</strong> dessen Renten die in einem Thcil des Pastorats»gebäudes placirte Martins-Kirchen-Freischule unterhalten wird. Kirche undSchule erfreuen sich in der Gegenwart eines gesegneten Gedeihens. Währenddie letztgenannte im I. 1867 bereits <strong>von</strong> 43 Knaben und 19 Mädchenbesucht war, dehnt sich der Bcichtkieis der Kirche, welche mit ihrem sonntäglichenGottesdienste auch dem religiösen Bedürfniß der während der Sommermonateauf <strong>den</strong> überdünaschen Höschen wohnen<strong>den</strong> Städter entgegenkommt,immer mehr <strong>aus</strong>. Gleich nach ihrer Einweihung im I. 1853 warenbei derselben nur 33Knaben getauft, 11 Paare getraut, und I I Leichen beerdigtwor<strong>den</strong>; dagegen belief sich im 1. 1870 die Zahl der Getauften bereitsauf 155, die der getrauten Paare auf 49 und die der Begrabenen auf 127.Wen<strong>den</strong> wir nach diesem kurzen geschichtlichen Rückblick noch einmalunser Auge auf die MartinSkirche selbst zurück. Wie sie ihrer äußern Erscheinungnach schlicht, aber ansprechend daliegt in ihrer grünen Waldumhüllung,so ist auch ihr Inneres zwar ohne kunstreiche Ausschmückung, aberwürdig und freundlich, wie es der Geist gebietet, der in ihr wohnt.


Die Anglikanische Kirche in <strong>Riga</strong>


Die Anglikanische Kirche zu <strong>Riga</strong>9chon im Jahre 1829, als die hier ansäßige Brittische Kaufmannschaft<strong>den</strong> Beschluß gefaßt hatte, einen Gottesdienst nach dem Ritus der AnglikanischenBischöflichen Kirche einzurichten und zu diesem Zwecke <strong>den</strong> gegenwärtignoch functioniren<strong>den</strong> Pastor I. Ellis <strong>von</strong> England berufen hatte,wurde der Bau einer eigenen Kirche projectirt; allein, theils wegen derSchwierigkeit, einen geeignetenPlatz zu fin<strong>den</strong>, theils wegen Unzulänglichkeitder vorhan<strong>den</strong>en Mittel, wurde die Ausführung dieses Projects <strong>von</strong> Jahrzu Jahr <strong>aus</strong>gesetzt und der Gottesdienst fand einstweilen <strong>von</strong> Ostern 1830bis Advent 1859 in der hiesigen Reformirtcn Kirche statt. Endlich im Jahre1852 wurde eine paffende Localität gefun<strong>den</strong> und acquirirt, so wie die Genehmigungder Staats-Regierung zum Bau derKirche erlangt. — Zu Anfang1853 wurde mit dem Abriß der auf dem Bauplatz befindlichen Gebäude undmit dem Ausgraben des Fundaments begonnen. Der Bau wurde unterLeitung des Stadt-Architekten Herrn Felsto nach einem <strong>von</strong> demselbenentworfenen und höhern Orts bestätigten Plan <strong>von</strong> dem Maurermeister W.Krüger jun. contractlich übernommen, tonnte aber des schwierigen Terrainswegen bis zum Herbst 1853 nur bis zum Fundament-Sockel <strong>aus</strong>geführtwer<strong>den</strong>. Wegen Ausbruch des Krieges im folgen<strong>den</strong> Jahre wur<strong>den</strong> dieArbeiten gänzlich unterbrochen, da das erforderliche Material an Sandsteinund Ziegeln erst im Jahre 1856 nach erfolgtem Frie<strong>den</strong>sabschluß vomAuslände beschafft wer<strong>den</strong> konnte.Endlich im Frühling 1857 wurde der Grundstein <strong>von</strong> dem damaligenBrittischen Consul Herrn Richard Levinge Swift gelegt und die Fortsetzungdes Baues ernstlich in Angriff genommen. — Bereits im Sommer1859 waren sämmtliche Arbeiten so weit beendet, daß die Einweihung des


38Gebäudes durch <strong>den</strong> hier anwesen<strong>den</strong> Anglikanischen Bischof Trower am26. Juli in Gegenwart dci dazu eingela<strong>den</strong>en städtischen Autoritäten stattfin<strong>den</strong>tonnte. Sie erhielt <strong>den</strong> Namen: »b« l^ctur?emirel, nl Bt. 8»-Am 1. Advent <strong>den</strong> 9. November 1859 ward in derselben mit derregelmäßigenFeier des Gottesdienstes begonnen.Wie unser Stahlstich zeigt, ist die Kirche in rein gothischcm Styl alsZiegelRohbau aufgeführt. Sie steht etwas oberhalb des alten heermeiftcrlichenSchlosses auf hohem Fundament, mit ihrem Portal der Düna zugewandt.Den im Hintergründe unseres <strong>Stahlstiche</strong>s sich erheben<strong>den</strong> Thurmmacht sein Wahrzeichen — die Glocke außerhalb des Thurmes — als <strong>den</strong>der lutherischen St. latobi-Kirche kenntlich.An der inneren Ausschmückung der Kirche haben mehre Glieder deranglikanischen Gemeinde sich in opferfreudiger Weise betheiligt. Insbesonderefind es die <strong>von</strong> ihnen dargebrachten Glasmalereien, welche das Interessedes Beschauers in Anspruch nehmen können.


Dasbaltische Polytechnicum zu <strong>Riga</strong>


Das baltische Polytechnicum


40dem Nehufe ein Boucapital <strong>von</strong> 100,000 Rbl. und einen kostenfreienBauplatz dargebracht; der Rest der veranschlagten B<strong>aus</strong>umme im Betrage<strong>von</strong> circa 80,000 Rbl. sollte durch ein Darlehen beim städtischen Credit»verein beschafft wer<strong>den</strong>. Der vom Professor Hilbig und Architekten Heßgeleitete Bau war bereits im I. 1868 so weit vorgeschritten, daß eine thcilweiseBenutzung des Gebäudes gegen Ausgang des Jahres möglich war;der vollständige Umzug der Anstalt konnte aber erst im I. 1869 stattfin<strong>den</strong>,wo mit dem Beginn des neuen Schuljahres am 1. September auch zugleichdie Einweihung des neuen Gebäudesdurch einen feierlichen Schulactus vollzogenwurde.Unter allen im Angesicht der Stadt am Thronfolger-Boulevard neuaufgeführten Bauten tritt das baltische Polytechnicum, wie unser Stahlstichdasselbe zeigt, imponirend hervor. Auf einem Pfahlroft <strong>von</strong> 988 Pfählenund einem darauf ruhen<strong>den</strong> Fundamentmauerweik <strong>von</strong> 20 Fuß Höhe und 6'/«Fuß hohem Sockel, dessen unteiei Theil <strong>aus</strong> schön beaibeiteten BoinholmschenGranitblöcken besteht, «heben sich 3 Geschosse in Rundbogenftyl, als Ziegel-Rohbau aufgeführt, zu dem die Blendsteine <strong>von</strong> gelblicher Farbe <strong>aus</strong> Englandbezogen wor<strong>den</strong> find; zur Theilung und Belebung der großen Massendienen violett glasirte Streifen. Der Mittelbau, als der Hauptthcil desGanzen, ist <strong>aus</strong>gezeichnet durch die großen, mit Mastwerl <strong>aus</strong>gestattetenFenster der Aula und eine reich gegliederte Architektur. Auch zieren <strong>den</strong>selbendie Wappen der Stadt <strong>Riga</strong>, der Provinzen Livland mit Oesel, Kurlandund Ehftlanb, so wie allegorische Darftellungen der Hauptlehrgegenftändedes Polytechnikums <strong>aus</strong> Zintguß. An dci Hinteifronte befindet sich einthurmartiger Ausbau mit der Drchluppel für das Observatorium (104 Fußhoch über der Straße). An Räumlichkeiten enthält das Polytechnicum11 Auditorien und 4 Zeichnensäle, also 15 Lehrräume, ferner eine Aulaund einen Reservesaal, 8 Säle für die Sammlungen, 7 Räume für daschemische Laboratorium, 2 Zimmer für die Direktion, 10 Arbeitszimmerfür die Docenten, 1 Conferenzzimmer, 1 Bibliotheksaal nebst Lesczimmel,1 Observatorium, 1 Aufenthaltszimmer für die Studiren<strong>den</strong> und verschie<strong>den</strong>eandere Nebenräume. Die bebaute Fläche beträgt 15,239 Quadratfuß.Während die Vorderfronte in allen ihlen Theilen dem Auge <strong>den</strong> Ausblickauf das Centturn der Stadt und die dasselbe umgeben<strong>den</strong> neuen Anlagenöffnet, gestattet die Hintcrftonte, um deien Fuß sich zunächst eine ficundlicheGartenanlage <strong>aus</strong>breitet, <strong>den</strong> freien Ueberblick über die, in mannigfachenFarbentönen schattiite Aelaubung des Wöhrmann'schen Parts und weiterüber die nach allen Seiten sich dehnen<strong>den</strong> Vorstadttheilc <strong>Riga</strong>s.


DasRealgymnasiumin <strong>Riga</strong>


Das Reeal- Gymnasiumin<strong>Riga</strong>lllas Real »Gymnasium, welches gegenwärtig unter der Leitung desStadtschulen-Director die Spitze des gesammten, vom Oolle^ixm «et!


42fium errichtet werde, trat man seitens der Stände der Stadt in ernstlichereVerhandlungen über eine etwaige Erweiterung der Domschule.D» sich indessen in dieser Beziehung zwei entgegengesetzte Ansichtengeltend zu machen suchten, <strong>von</strong> <strong>den</strong>en die eine für die Umformung zu einemaltelasfischen Gymnasium mit besonderer Berücksichtigungder Realien, dieandere aber für die zu einem reinen Real» Gymnasium stimmte, so vergingenüber das vielfache „Für" und „Wider" noch wieder 9 Jahre, bisschließlich die Austragung dieser Angelegenheit einem ständischen Schiedsgerichtübertragen und dieses sich im Octobcr 1852 für die Umformung zueinem Real -Gymnasium <strong>aus</strong>sprach. Zugleich mit dieser Umformung wurdeauch beliebt, daß dem Director des neuen Real- Gymnasiums künftighinsämmtliche Stadtschulen zur Beaufsichtigung unterstellt sein sollten.Die Beihandlungen über die Einrichtung des Real -Gymnasiums, dieAnstellung eines Directors und der Lehrer, die Beschaffung des SchullocalSu. s. w. nahmen wieder eine ganze Reihe <strong>von</strong> Jahren in Anspruch,so daß erst nach Berufung des früheren Rectors der Universität Dorpat,Herrn wirtl. Staatsrathvr. E. Haffner, zum Director an der neuenAnstalt, diese im Januar 1861 mit <strong>den</strong> drei unteren Klassen und zwar— dadie Räume der alten Domschule für fünf Klassen, auf die das Real-Gymnafiumberechnet war, nicht <strong>aus</strong>reichten — in einem gemietheten Local inder Marftallftraßc «öffnet wei<strong>den</strong> konnte. Nachdem sich dann in luizeiZeit auch fül die oberen Klaffen Schüler gefun<strong>den</strong> hatten, mußte zur Un»terbringung eines Theils derselben auch das Local der alten Dom»schule mit benutzt, mithin der Unterricht in zwei weit <strong>von</strong> einanderentfernten Räumlichkeiten ertheilt wer<strong>den</strong>. Nicht nur diese örtliche Zerrissenheitder Anstalt, sondern auch der <strong>den</strong> Unterricht beengende Mangelan Raum mahnten dringend an Abhilfe, und so ward <strong>den</strong>n zufolgeständischer Beschlüsse vom April 1863 und März 1864 festgestellt, auf demehemaligen Glacis für das Real»Gymnasium ein sclbftftändiges Gebäudeaufzuführen. Nachdem der vom Stadt »Architekten Felsto <strong>aus</strong>gearbeitete,auf 133,500 Rbl. veranschlagte Bauplan genehmigt, wurde die Aus»führung desselben vom Maurermeister Krüger für die Summe <strong>von</strong> 95,900Rbl. übernommen und nun rasch die Hand an's Werl gelegt. Dahertonnte <strong>den</strong>n bei schon vorgerücktem Baue am 25. August 1865 die feier-


43licht Grundsteinlegung stattfin<strong>den</strong>. Bei derselben ward in die Mauer rechtsvom Haupteingange ein Ge<strong>den</strong>kstein eingesenkt, welcher eine metallene Kifteumschließt, die verschie<strong>den</strong>e, <strong>den</strong> Nachkommen gewidmete, das Real-Gymnafiumbetreffende geschichtliche Nachrichten, eine Erztafel mit Angabe derbeim Bau betheiligten Personen, verschie<strong>den</strong>e Druckschriften, Geld» und Ge<strong>den</strong>kmünzenenthält. Die vollständige Beendigung des Baues, resp. derinneren Einrichtung des neuen Gebäudes, wurde durch mancherlei Umständeverzögert, so daß erst am 22. Januar 1868, nachdem der allendliche Umzugder Anstalt in ihr neues Local beendet war, der Einzug in dasselbe durcheinen Schulactus gefeint wer<strong>den</strong> konnte.Waren einerseits für die Ocrtlichlcit des Gebäudes die gewiß richtigenBedingungen aufgestellt wor<strong>den</strong>, daß dasselbe im Mittelpunkte der Stadt,fern vom Geschäftsgewühle und in einer gesun<strong>den</strong>, möglichst freien Gegendsich befinde, so kann andererseits die durch <strong>den</strong> Präses des Schul-Collegiums,Herrn Bürgermeister Groß herbeigeführte Wahl des Bauplatzes nur einesehr glückliche genannt wer<strong>den</strong>, indem letzterer, unfern der großen Alexanderftraße,an dem wenig befahrenen Thronfolger-Boulevard, zwischen demBafteiberge und der Esplanade, nicht nur die obigen Bedingungen erfüllt,sondern auch der Schuljugend hinlänglichen Raum, frische Luft, so wie <strong>den</strong>Ausblick auf das erfrischende Grün der Anlagen um <strong>den</strong> Baftciberg undauf die <strong>den</strong> Turnplatz begrenzende Allee der Esplanade darbietet.Der Eindruck, <strong>den</strong> das Gebäude hervorruft, ist wohlthuend. Der romanischeBauftyl in leichter einfach« Ausbildung ist dem Zwecke, welchemes dienen soll, entsprechend, ruhig, einfach und würdig gehalten; vielleichtkönnte das Verhältnis der Breite zur Höhe günstiger, der Mittelbau hervortretendersein; immerhin bildet es eine stattliche, ansprechende Fa?ade,an welche sich die Seitenfronten in gleichförmig«, ruhiger Ausbildung anschließen;die Hintere Fronte ist der vordem gleich.Das Gebäude gliedert sich in seiner inner» Einrichtung höchst regelrechtund zweckmäßig, indem der Mittelbau vom Treppenh<strong>aus</strong>e, dem Turnfaaleund der Aula eingenommen wird. Der Borderbau ist <strong>von</strong> <strong>den</strong> Geschäftslocalenund <strong>den</strong> Wohnungen des Directors und dreierLehrer eingenommen.Diese empfangen an ihrer Hinterseite das nöthige Licht <strong>von</strong> zwei Lichthöfen,die sie zugleich vollständig <strong>von</strong> <strong>den</strong> Schulräumen trennen.


44Zu bei<strong>den</strong> Seiten des Turnsaals und der Aula liegen wiederum zweigroße Lichthöfe, welche die sie ringsumgeben<strong>den</strong> Corridore erhellen, <strong>aus</strong><strong>den</strong>en man unmittelbar in die zum Unterrichte dienen<strong>den</strong> Räume eintritt,die ihrerseits das Licht <strong>von</strong> der Außenseite des Gebäudes empfangen. Außer<strong>den</strong> gewöhnlichen Schulzimmern enthält der Bau einen Saal für die Bibliothekund einen zweiten für die Naturaliensammlungen, beide zur Seiteder großen Aula so gelegen, daß ihre Räume, wenn es nöthig sein sollte,<strong>den</strong> dir Aul» ergänzen können; fern« einen sehr geräumigen Zeichnensaalund einen Hörsaal für <strong>den</strong> Unterricht in der Chemie und Physik, an <strong>den</strong> sichzu bei<strong>den</strong> Seiten das chemische Laboratorium und das physikalische Kabinetin der Weise anschließen, daß die Gase des Laboratoriums durch ein zwischcnliegendcsArbeitszimmer vom Hörsaale fern gehalten wer<strong>den</strong>.Ihre Geräumigkeit, ihre Höhe <strong>von</strong> 14 Fuß, so wie ihre vollkommeneVentilation machen die Schulzimmer geeignet, der Schuljugend zu jederZeit eine gesunde reine Luft zu bieten; ja diese kann, wenn nöthig, in <strong>den</strong>Erholungsminuten ohne Belästigung der Schüler durch die Fenster erneuertwer<strong>den</strong>, da der Turnsaal, so wie der vor d« Hintcif»?ade sich <strong>aus</strong>dehnendegeräumige Turnplatz <strong>den</strong> Schülern sämmtlichcr Klaffen hinreichen<strong>den</strong>Raum zu ungehinderter Bewegung darbietet, ganz abgesehen <strong>von</strong> <strong>den</strong>breiten, in der kalten Jahreszeit geheizten Corridoren.Das Erdgeschoß enthält in der Vörderftonte die Wohnungen d« Schuldien«und des H<strong>aus</strong>knechts, so wie eine Waschküche; die übrigen Räumenehmen die Voirathskeller und die fünf Luftheizungsöfen, durch welchesämmtliche Schulräume erwärmt wer<strong>den</strong>, ein.Zur schließtichen Oricntirung auf unserem Stahlstich haben wir nurnoch anzudeuten, daß die umzäunte Gaitenanlage zui Linken des Real-Gymuafiums dcc benachbarten „Wittwe Reimers'schen Nugenheilanftalt" angehört,die Kirche aber, welche im Hintergrunde die Laubgänge der Esplanadeüberragt, sich durch ihren Thurm als die neue St. Gertrud»Kirchekennzeichnet.


Das h<strong>aus</strong> des Gewerbe Vereins zu <strong>Riga</strong>


Das H<strong>aus</strong> des Gewerbe Vereins in <strong>Riga</strong>Nie literarisch-praktische Bürgerverbindung in <strong>Riga</strong>, welche bereitsdurch vielfache gemeinnützige Unternehmungen sich große Verdienste um <strong>Riga</strong>und dessen Bewohner erworben hat, rief auch <strong>den</strong> Gewerbe-Verein insLeben. Schon im Jahre 1858 entwarf die genannte Gesellschaft, zur Hebungder sittlichen Schä<strong>den</strong> in <strong>den</strong> Verhältnissen des GesellenstandeS, einStatut zu einem unter dem Namen „der Feierabend" zu begrün<strong>den</strong><strong>den</strong> Ge»sellcnverein. Während ab« die Erlangung der obrigkeitlichen Bestätigungeinen beträchtlichen Zeitaufwand erheischte, wur<strong>den</strong> durch anderweitige äußereVerhältnisse Aenderungen des Statuts «forderlich. Es mußte <strong>aus</strong> dem dieanderen Stände <strong>aus</strong>schließen<strong>den</strong> „Feierabend" der Gesellen eine allgemeineGesellschaft wei<strong>den</strong>, welcher der Name Gewerbe»Verein" mehr entsprach,da dieselbe alle Gewerbtrcibcndc im weitesten Sinne und nicht spcciell nurHandwerker und Fabrikanten umfassen sollte. Um jedoch einen Verein aufso weitem Fundamente zu grün<strong>den</strong>, mußten außer <strong>den</strong> materiellen auchreichere geistige Mittel gewonnen wer<strong>den</strong>, wenn anders es ermöglicht wer<strong>den</strong>sollte, über die anfängliche Abficht hin<strong>aus</strong>, die Bestrebungen des großartigenBerliner Handwerker-Vereins als Vorbild wählen zu können.Inzwischen war die Gesellschaft „der Sängerkreis" ins Leben gerufenund hatte im Jahre 1860 die Bestätigung ihrer Statuten erlangt. DieseVereinigung, welche <strong>aus</strong>schließlich sich <strong>aus</strong> dem Handwcrterftande ergänzte,hatte in diesem Stande in der Weise für <strong>den</strong> Gewerbe»Verein vorgewirtt,daß die Gesellen wenigstens theilweise einen bestimmten Sammelpunkt ge»fun<strong>den</strong> hatten. Dazu kam, daß diese bereits bestehende Vereinigung geeignetwar, ein Rückhalt zu wer<strong>den</strong> für <strong>den</strong> im Entstehen begriffenen Gewerbe»Verein, bis dieser, fest conftituirt und bestätigt bei seinen weiter reichen<strong>den</strong>Zielen, <strong>den</strong> Sängerkreis wiederum als selbstftändiges Glied aufnahm.Am 7. Juni 1865 wurde <strong>von</strong> einer Generalversammlung der Statutenentwurfvorläufig angenommen und ein provisorischer Vorstand erwählt.Bis znm 11. October hatten sich zu <strong>den</strong> 250 Mitgliederndes SängerlreiseS


46bereits ca. 300 Personen zur Aufnahme gemeldet und stieg die Zahl derMitglieder bis zum Jahresschluß auf 853. — Am 18. Januar 1866 er»hielten die Statuten des Gewerbe-Vereins die obrigkeitliche Bestätigung.Gemäß <strong>den</strong> Bestimmungen derselben ist es der Zweck des Vereins, sittlicheund allgemein geistige Bildung einst und kiäftig zu föidein durch Voittägc,Besprechungen, wissenschaftliche Beschäftigung, Gesang, gymnastische Uebun»gen, Bibliothek, Zeitschriften und geselligen Verkehr.Die äußeren und inneren Geschäfte der Gesellschaft wer<strong>den</strong> geleitet<strong>von</strong> einem Vorstände <strong>von</strong> 15 Männern mit 7 Ordnern, <strong>den</strong>en für wichtigereFälle eine Delegirtcnversammlung (s. g. kleine Generalversammlung) zurSeite steht. Außerdem wei<strong>den</strong> die H<strong>aus</strong>verwaltung, die Casse, die Voittägcund wissenschaftliche Beschäftigung, die Bibliothek und der Lesetisch, die Vergnügungen,und vorübergehend der H<strong>aus</strong>bau und die Aau-Subscriptionen <strong>von</strong>je einer besonderen Commisfion geleitet. Der Sängerkreis hat seine frühereOrganisation im großen Vereine behalten und eine ähnliche Stellung habeneingenommen: der gemischte Gesangverein und der Schachclub.Die Mitgliederzahl, welche, wie oben angegeben, am Ende desJahres 1865 853 betrug, stieg im Jahre 1870 bereits bis auf 2645.Von diesen und für dieselben wur<strong>den</strong>—um nur im Allgemeinen <strong>den</strong> Umfangder Thätigkeit des Vereins anzudeuten — im I. 1870 33 Vorträge gehaltenund außerdem Unterricht ertheilt in der russischen und englischen Sprache, inder Buchführung und der Anfertigung geschäftlicher Aufsätze, im Rechnen, imZeichnen, in der Physik und im Turnen. Die am Ende des Jahres 1870<strong>aus</strong> c. 3000 Bän<strong>den</strong> bestehende Bibliothek wurde im Laufe des Jahres durchschnittlich<strong>von</strong> 322 Mitgliedern benutzt. Auf dem Lesetische lagen 9 inländischeund 20 <strong>aus</strong>ländische Tagesblätter und Zeitschriften <strong>aus</strong>. DieEinnahmen des Vereins stiegen auf 13,336 Rbl. 75 Kop.Die EntWickelung der Vereinsthätigkcit wurde jedoch dadurch fühlbarbeengt und wesentlich gehemmt, daß ihr die nöthigenRäumlichkeiten fehlten,und der berechtigte Wunsch, solche zu erlangen, mußte bereits im erstenLebensjahre des jungen Vereins <strong>den</strong> Gedanken an einen Bau hervorrufen.Nach vielen und ernsten Erwägungen des Für und Gegen entschloß mansich, einen Bauplatz zu erwerben und eine Concurrenz für <strong>den</strong> besten Plan<strong>aus</strong>zuschreiben. Das vom Herrn Architekten O. Di ehe in Mitau entworfene,gekrönte Project kam jedoch nicht zur Ausführung, sondern es wurdeein vom Architekten Baumann angefertigt«, vom Professor Hill,ig em°


47pfohlen« Plan vom Vorstände bevorzugt und am 17. Mai 1868 <strong>von</strong> derGeneralversammlung bestätigt. Nachdem die sofortige Inangriffnahme desBaues votirt und eine Baucommission «wählt, wurde Herrn Baumanndie specielle Bauleitung übertragen.Die im <strong>Stahlstiche</strong> dargestellte Fayade des Baues ist mit ihrer längerenFronte an der Königsftraße, mit der tüizeien an der Weberstraßegelegen. Rechts vom Mitteleingange bezeichnen die oberen großen Bogenfensterdes Hochbaues <strong>den</strong> Saalbau, der bei fast 6500 Quadratfuß (64 X INI)Grundfläche und 32 Fuß Höhe z. Z. alle übrigen Säle <strong>Riga</strong>'s an Größeübertrifft. An <strong>den</strong>selben schließt sich eine geräumige Sängerbühne. Unterdiesem Hauptraume liegen an der Straßenseite der Turnsaal mit dem Gesang-Probesaale und im Kellergeschoß ein Tunnel mit Kegelbahnen, an der Hofseitedie Wohnung des Intendanten, Reftaurateurs und die Wirthschaftskcller.Links vom Haupteingange enthält der Bau in gleicher Höhe mit demgroßen Saale um einen Lichthof <strong>den</strong> Speisesaal (die 3 großen Fenster linksoben) <strong>von</strong> 98 Fuß Länge. 28 Fuß Breite und 21 Fuß Höhe mit dem Lesezimmeran der Straßenecke und noch 4 kleineren Gesellschaftsräumen. ImErdgeschosse find unter dem Speisesaale die Garderoben in zwei Halbgeschossen,der Bibliotheksaal, das Billardzimmer und nach der Königsftraßehin noch 4 Gcscllschaftsräume. Im Kellergeschoß endlich find die Küche,6 Zimmer und das Anrichtezimmer unter dem Treppenh<strong>aus</strong>e gelegen.Die decorative Ausschmückung im Innern und Aeußern des H<strong>aus</strong>bauesbekundet, daß der junge, noch mittellose Verein gezwungen ist, sichjeglichen Luxus zu entschlagen und darf bei Beurtheilung der Fan<strong>den</strong>dieser Hemmschuh des Architekten nicht unberücksichtigt bleiben. Dagegenist aber in Rückficht auf die solide und gute Bau<strong>aus</strong>führung nicht gespartund besonders die Ventilation der sämmtlichen Räume als Hauptlebens»organ des Neubaues <strong>von</strong> der Baucommission behandelt wor<strong>den</strong>.Die mit beträchtlichem Aufwände hergestellten Heizungs- und Bcntilationsanlagenfind vom Herrn Professor C. LoviS entworfen und unterseiner Leitung folgendermaßen <strong>aus</strong>geführt.Der große Saal, der Speisesaal, der Turnsaal und mehrere Nebenräumewer<strong>den</strong> durch 5, im Keller aufgestellte CenttalluftheizungSöfen geheiztund ventilirt, indem ein möglichst einfaches Kanalsyftem die Bewegung undFortschaffung der Luft vermittelt. Ist die Ventilation in Thätigkeit, soströmt die fnsche Luft <strong>von</strong> Außen hei duech Zuleitungskanäle nach <strong>den</strong> Oefen


48hin, erwärmt sich hier bis zur erforderlichen Temperatur, steigt darauf zu<strong>den</strong> betreffen<strong>den</strong> Räumlichkeiten empor, woselbst sie über Kopfhöhe <strong>aus</strong>tritt,und entweicht endlich nach Aufnahme der <strong>von</strong> <strong>den</strong> Menschen und Gasflammenproducirten schädlichen Gase als verdorbene Luft durch Schachte überdas Dach des H<strong>aus</strong>es hin<strong>aus</strong>. Diese Abführschachte beginnen theils amFußbo<strong>den</strong>, theils in der Decke dcx zu ventiliren<strong>den</strong> Säle, um die verdorbeneLuft möglichst vollständig aufnehmen zu können.Soll dagegen nicht ventilirt, sondern nur geheizt wer<strong>den</strong>, so müssen dieZuleitungs- und Abführkanäle geschlossen wei<strong>den</strong>. Statt ihr« ttetcn jetztKanälein Wirksamkeit, welche die in <strong>den</strong> Sälen erkalteteLuft am Fußbo<strong>den</strong> aufnehmenund in die Heizlammern führen, damit sie daselbst erwärmt und durchdie schon oben genanntenKanäle wieder in die Säle zurückgeleitet wird. Esfindet dann also nur eine Circulation der Luft <strong>aus</strong> <strong>den</strong>Sälen nach <strong>den</strong>Oefenund zurück statt, ohne daß frische Luft <strong>von</strong> Außen hinzutreten lann.Das Quantum der Ventilationsluft ist bei voller Besetzung der Säleauf 15 bis 25 Cubitmetcr -pi-a Kopf und Stunde, je nach der äußerenTemperatur, bemessen.Die Oefen sind gußeiserne Batterieöfen nach dem System Krell.Dieselben wur<strong>den</strong> gewählt, weil sie, ohne allzugroße Dimensionen zu er»halten, im Stande find, große lnftmengen zu erwärmen, dabei aber wegenihrer geringen Oberflächentemperatur, gleich <strong>den</strong> Thonöfen, die Luft nichtverderben. Durch Anbringung <strong>von</strong> größeren Steinmafscn ist ihnen gleich»zeitig bis zu einem gewissen Grade die Eigenschaft gegeben, gleich diesendie aufgenommene Wärme nur allmälig abzugeben.Heizung und Ventilation der kleinen Zimmer im linken Flügel desGebäudes beruhen auf <strong>den</strong>selben Grundsätzen, nur sind hier statt der CenttalheizungenKachelöfen angewendet wor<strong>den</strong>, welchen duich Combinationmit gußeisernen Batterieplatten die guten Eigenschaften der eisernen undThonöfen in noch höherem Grade verliehen find, so daß sie sowohl zur andauern<strong>den</strong>Heizung, wie auch zur Ventilation in bestimmten Stun<strong>den</strong> mitLeichtigkeit benutzt wei<strong>den</strong> können. Da diese Oefen in <strong>den</strong> Zimmern aufgestelltsind, so fallen die Verbindungskanäle fort und ist das Kanalfyftemdaher einfacher. Klappen und Schieb« gestatten für alle Kanäle der ganzenAnlage die Regulirung der durchströmen<strong>den</strong> Luftmengen. Der ganze Baunimmt 450 Quadratfa<strong>den</strong> » 49 Quadratfuß ein.


Dasneue Stadttheater in <strong>Riga</strong>


Das <strong>Riga</strong>er Stadt-TheaterHieben der Börse, dem Gil<strong>den</strong>h<strong>aus</strong>e und dem Polytechnicum behauptetdas Stadt-Theater einen hervorragen<strong>den</strong> Platz unter <strong>den</strong> öffentlichen Neubauten<strong>Riga</strong>s. Im Herzen des an Stelle der abgetragenen Festungswerkeentstan<strong>den</strong>en und noch entstehen<strong>den</strong> „neuen <strong>Riga</strong>" erhebt es sich in monumentalerGröße, seine ringsum freie Lage weithin beherrschend. Der Platz,welchen es einnimmt, wird der Länge nach <strong>von</strong> dem Kanal, dem umgeformtenStadtgraben <strong>von</strong> ehemals, und dem Theater-Boulevard beseitetund stößt nach Sü<strong>den</strong> mit der Suworowsttaßc, nach Nor<strong>den</strong> mit derAlexanderfttaße zusammen. Das Theatergebäude selbst ist 232 Fuß lang,97 Fuß hoch und 131 Fuß breit und hat als Bauwerk zunächst <strong>den</strong> Vorzug,sich auch ohne seine allegorischen Embleme als Knnstanftalt zu «kennen zugeben.— Die dem einfachen, fast strengen Style zu Grunde liegen<strong>den</strong>Bauformen treten am Unverkennbarsten an der, der Alexandexbrücke zugewandtenFronte hervor. Sechs große ionische Säulen <strong>aus</strong> der Ccmentgußfabrit<strong>von</strong> M. Czarnikow in Berlin tragen einen Porticus, dessenGiebelfeld nach ein« Zeichnung des Professors Bohnftcdt in einer Gruppeerhaben« Figuren die Macht der Poesie verherrlicht. Ucber dem Parapeteerhebt sich der Genius der Kunst, eine Figur <strong>von</strong> ideal« Schönheit.Unter diesem Porticus findet die Anfahrt der Equipagen statt. MehreEingänge leiten in die geräumige Vorhalle, <strong>von</strong> welcher zwei steinerne


50Treppengänge zu Logenreihen hinaufführen. Der in drei Rängen aufsteigendeZuschaucrsaal enthält 1306 Sitzplätze. Auf Stehplätze ist nach demMuster all« neueren Theater lein Bedacht genommen. Das Orchester hatRaum für 60 Musiker. Die Bühne hat am Proscenium eine Breite <strong>von</strong> 44Fuß und eine Tiefe <strong>von</strong> 57 Fuß, welche mit Benutzung des dahinter liegen<strong>den</strong>Requifitoriums noch um weitere 25 Fuß verlängert wei<strong>den</strong> kann. Die Höhebis zum Schnürbo<strong>den</strong> bettagt 68 Fuß. Die Bühnenmaschinerie ist <strong>von</strong> demin der Theaterwelt vielberufenen Ingenieur Carl Brandt <strong>aus</strong> Darmftadteingerichtet, die Decorationen hat Hr. Moritz Lehmarm in Wien, eine derelften Capacitäten seines Fachs, geliefert. In seinen Nebenräumen enthält dasGebäude Garderobezimmer, Probesüle, Locale für dieBibliothek, <strong>den</strong> Theaterapparatu. f. w., ferner Wohnungen für <strong>den</strong> Director und Intendanten;in der Etage des ersten Ranges zur Benutzung des Publikums ein Foyer,<strong>von</strong> welchem man auf <strong>den</strong> Nalcon des Porticus hin<strong>aus</strong>tritt. In dem <strong>aus</strong>der Mitte des Gebäudes hervorragen<strong>den</strong> Oberbau befindet sich ein geräumig«Maleisaal. Das Hauptdach ist mit englischem Schiefer, die Seitenflügelfind mit Eisenblech gedeckt wor<strong>den</strong>.— Kranzförmig um das Gebäudelaufende Verzierungen und reiche Fensteiftellungen verflüchtigen inSeinen Gas-wirksamst« Weise die Einförmigkeit der großen Wanbflächen.bedarf bezieht das Theater <strong>aus</strong> der Gasanstalt. Die Erleuchtung desTheatersaales wird durch sogenannte Sonnenlichtbrenner <strong>von</strong> der Decke <strong>aus</strong>bewerkstelligt. Die Anlage der auf Luftheizung berechneten Apparate hatder Civil-Ingenieur Herr Hecker <strong>aus</strong>geführt.Die Geschichte des TheatergebäueeS zählt nach Decennien und beginntmit dem Jahre 1829, in welchem Jahre <strong>von</strong> <strong>den</strong> Stän<strong>den</strong> der Stadt derBeschluß gefaßt wurde, <strong>aus</strong> <strong>den</strong> Ucberschüffen des städtischen Reserve-Korn»Magazins ein Capital zum Erbau eines neuen Theaters anzusammeln.D« Raum gestattet nicht, an dieser Stelle eine Schilderung aller derjc»nigen Schwierigleittn zu gehen, durch welche hindurch dieses Unternehmen


51langsam seiner Verwirklichung entgegenreifte. Wir verweisen in dieserBeziehung «uf einen Aufsatz in <strong>den</strong> „<strong>Riga</strong>schcn Stadtblättern" vom 1. Mälz1862, Nr. 9. Die älteren Pläne, das Theater in der inneren Stadt zu«bauen, scheiterten an der Kostbarkeit der zu diesem Behuf« vorzunehmen<strong>den</strong>Häuseranläufe. Als es unserer Stadt durch Kaiserliche Huld vergönntwurde, eine Stadt des Frie<strong>den</strong>s zu wer<strong>den</strong>, ebneten sich in weiterAusdehnung freie Plätze, <strong>von</strong> <strong>den</strong>en der größte und schönste auf derehemaligen Pfannkuchenbaftion für das projcctirte Theater angewiesenwurde.Am 4. August 1860 fand die Grundsteinlegung in Gegenwart SeinerKaiserlichen Hoheit des hochseligen Großfürsten Thronfolgers NicolaiAlexandrowitsch statt. Das Bauprojcct war <strong>von</strong> dem Akademiker Prof.L. Nohnftcdt zu St. Petersburg <strong>aus</strong>gearbeitet wor<strong>den</strong>. Die Kosten desBaues und der inner« Einrichtung encichten die Summe <strong>von</strong> 304,000 Rbl.S., <strong>von</strong> welchen fast die Hälfte dmch libciale Bewilligungen dci Bittgeischaftaufgehlacht woi<strong>den</strong> ist, da das gesammelte Baucapital sich zurDurchführung des Unternehmens nicht als <strong>aus</strong>reichend erwies.Die Leitung des Baues war zwei bewährten Fachmännern, <strong>den</strong> HerrenArchitekten I. Heß und H. Scheel anvertraut. Auch die <strong>Riga</strong>schen Gewertehaben rüstigen Anthcil an der schnellen Vollendung des Bauwerksgenommen, namentlich aber der Maurermeister W. Krüger, unter dessenHän<strong>den</strong> der ganze Ziegelbau in wenigen Monaten erstand. Im September1861 wurde das HauS unter Dach gesetzt und bereits im Herbst 1863 demPublikum zur Benutzung übexgebcn.Durch seine Größe und <strong>den</strong> Reichthum seiner Ausstattung vermag dasneue Theater <strong>Riga</strong>'s je<strong>den</strong> Vergleich mit <strong>den</strong> großen Piovinzialbübnen desAuslandes <strong>aus</strong>zuhallen. Seine Verhältnisse kommen <strong>den</strong>en des Friedrich-Wilhclmftädtschcn Theaters in Berlin nahe.Wie so viele andere gemeinnützige Unternehmungen fand auch der


52Theatelbau in dem derzeitigen Gen«al«GouverneurFürst Suworow einenthätigen Beschützer, während es neben <strong>den</strong> andern Gliedern des Theater-Baucomite' vorzugsweise der Vorsitzer desselben, Herr Rathsherr A. H.Holländer war, der mit Umsicht und Energie das glückliche Gelingendes schönen Bauwerks förderte, so daß bereits am 29. August 1863 die festlicheEröffnung desselben mit der Aufführung <strong>von</strong> Schill«'« „WallcnfteinsLager", dem ein <strong>von</strong> weil. Dr. W. A. Geertz gedichtetes und vom derzei»tigen Kapellmeister C. Dumont componirteS Festspiel: „Apollos Gabe",voranging, stattfin<strong>den</strong> konnte.Seitdem find volle 8 Jahre vcrfioffen und hat das Gebäude sich währenddieser Zeit in allen seinen Theilen deraitig bewährt, daß keine wesentlichenVeränderungen an demselben nothwendig gewor<strong>den</strong> sind.Entsprechend der Inschrift, welche die Fronte feines Porticus trägt:„die Stadt <strong>Riga</strong> <strong>den</strong> darstellen<strong>den</strong> Künsten", hat die Liberalitätder Stände <strong>Riga</strong>'s im Laufe d« verflossenen Jahre es noch stets ermöglicht,das Theater als ein städtisches Institut unter Oberverwaltung eines <strong>aus</strong>Gliedern der Commune zusammengesetzten „Theaterverwaltungs-Comite"fortführen zu lassen. Die besondere Leitung desselben war, wie noch gegenwärtig,einem technischen Director anvertraut, und haben bisher als solchefungilt die Hmen: vr. Hallwachs 1863—1865, Theodoi Lebrun 1865—1868, N. A. Hermann 1868—1869, und fett 1869 Hr. F. v. Parrot.Die alljährlich veröffentlichten Verwaltungsberichte, auf die wir dessprechen dafür, baß man, wenn auchNäheren wegen hier verweisen müssen,unter wechseln<strong>den</strong> Erfolgen, doch un<strong>aus</strong>gesetzt bestrebt ist, selbst mit Opfern,die <strong>Riga</strong>« Bühne auf der Höhe einer wirtlichen Kunftftufe zu erhalten.


Die gas ErleuchtungsAnstalt zu <strong>Riga</strong>


Die Gas- Erleuchtungs-Anstalt in <strong>Riga</strong>Nie ersten Verhandlungen wegen Anwendung des Leuchtgases bei derStraßenbeleuchtung in <strong>Riga</strong> fallen bereits in <strong>den</strong> Anfang der vierzig«Jahre, also in eine Zeit, wo diese Bclcuchtungsart angefangen hatte in<strong>den</strong> größern Städten des Auslandes immer allgemeinen Eingang zu fin<strong>den</strong>.Bereits im Jahre 1842 wurde seitens der Stände der Stadt der Beschlußgefaßt, auch in <strong>Riga</strong> eine Gasanstalt zu errichten und in Folge dessen fürdie Anfeitigung eines desfallfigen Piojects der rühmlichst bekannte technischeDirector der Berliner Connnunal-Gaswerke, Herr C. A. Kühn ell, gewonnen,welcher ein solches auch <strong>aus</strong>arbeitete. <strong>Riga</strong> war damals noch Festung;das Project beschränkte sich deshalb auch nur auf die alte, innerhalbder Wälle belegene Stadt und bei <strong>den</strong> engen Räumlichkeiten in derselbenwar man genöthigt, für einen Platz zur Anlage der Anstalt sein Augenmerkauf eine der Bastionen zu richten. Es bedlirfte nun ab« hierzu derAbtretung dieses Platzes, außerdem war auch die höhere Bestätigung destechnischen Theils des Projects, so wie die höhere Genehmigung zurBeschaffung der Geldmittel auf dem Wege einer Anleihe «forderlich.Die Verhandlungen, welche über diese Gegenstände gepflogen wur<strong>den</strong>, »er»zögerten sich inbeß, ungeachtet aller Anstrengungen, bis zum Jahre 1853und wurvcn nach keiner Seite hin <strong>von</strong> einem günstigen Erfolge gekrönt.Da trat der Ausbruch des orientalischen Krieges ein, welcher auch für <strong>Riga</strong>


54alle Aussichten so be<strong>den</strong>klich gestaltete, daß vor der Hand, wie <strong>von</strong> anderenprojectirten Unternehmungen, auch <strong>von</strong> der Ausführung des Gas-ProjectsAbstand genommen wer<strong>den</strong> mußte.Erst als nach Beendigung des Krieges im Jahre 185? die AllerhöchsteGenehmigung eriheilt wor<strong>den</strong> war, die alten Festungswerke <strong>Riga</strong>'s wegenihrer Widerstandsunfähigkeit gegenüber <strong>den</strong> neueren Angriffsmitteln abzutragenund dann bei sofortiger Inangriffnahme der Abiragungsarbeiten<strong>aus</strong>reichender Raum zu einer Reihe das Gedeihen und Wohlbefin<strong>den</strong> derStadt fördernd« Anlagen gewonnen wurde, tonnte auch an dieWiederaufnahmedes zeitweilig bei Seite gelegten Projects wegen Einführung d«Gasbeleuchtung gedacht ««<strong>den</strong>. Bcltits im folgen<strong>den</strong> Jahre 1858 setztendie Stände der Stadt eine Commisfion zur Erwägung und Erledigung diesesGegenstandes nieder. Die veränderten Verhältnisse ließen es nothwcndig«scheinen, <strong>von</strong> dem früheren Projecte, welches sich blos auf die alte Stadtbezogen hatte, ganz abzusehen. Es war jetzt möglich gewor<strong>den</strong>, auch die<strong>aus</strong>gedehnten, am rechten Dünaufer belegenen Vorftadttheile in <strong>den</strong> Bereichder Gasbeleuchtung hineinzuziehen, nachdem man in dem ehemaligen lacobs-Ravelin einen zwischen der Stadt und <strong>den</strong> Vorstädten belegenen geeignetenund bequemen Platz gewonnen hatte. Die Ausarbeitung des neuen Projectswurde wiederum dem mit <strong>den</strong> hiesigen localen Verhältnissen und Be»dürfniffen bereits vertrauten technischen Dirigenten der Berliner Communal-Gaswerte, Herin C. A. Kühnell, übertragen und <strong>von</strong> ihm nach Beendigungder sofort vorgenommenen Vorarbeiten auch im Anfange deS Jahres1859 vorgelegt. Nachdem dieses Project <strong>von</strong> d« Stadtverwaltung genehmigtwor<strong>den</strong> war, «hielt eS im Februar 1861 auch die erforderliche BestätigungSeitens der Oberverwaltung der öffentlichen Wege und Bauten.Der allgemeine Wunsch, die langersehnte Wohlthat dcx Gasbeleuch»tung bald in's Leben tteten zu sehen, vexanlaßte die sofortige Inangriffnahmeder Ausführung.Es wurde daher ungesäumt Hand anS Wert ge»


55legt und im Sommer des Jahres 1861 das Retortenh<strong>aus</strong>, der Kohlenschnppen,das Reinigungsgebäude, das Wohn» und Werlstattsgebüude und einGasbehälter aufgeführt. Im Laufe des folgen<strong>den</strong> Winters wur<strong>den</strong> dannim Innern der bis auf <strong>den</strong> äußeren Putz schon fertig hergestellten Gebäudedie Apparate aufgestellt und im Frühjahr des Jahres 1862 die Röhrenlegungund die Auffühlung des zweiten Gasbehälters in's Wert gesetzt.Die Arbeiten hatten ihren regelmäßigen Fortgang und wur<strong>den</strong> zu der festgesetztenZeit beendet, so daß schon im Jahre 1862 mit dem 1.August, demBeginn der jährlichen Beleuchtungsperiode, die öffentliche Beleuchtung mitGas statthaben tonnte. Co wai <strong>den</strong>n das langeisehnte Ziel tlleicht, und<strong>Riga</strong> in die Zahl derjenigen Städte eingetreten, welche in dem Glänze derGasbeleuchtung ein Kennzeichen lund thun, daß sie dem Fortschritte unddem Bedürfnisse der Zeit ihre Huldigung darbringen.Alle Straßen der alten Stadt, die Ufer der Düna, die durch die abgetragenenFestungswerke neu gewonnenen Stadtthcilc, die zwischen derStadt und <strong>den</strong> Vorstädten sich hinziehen<strong>den</strong> Gartenanlagen und Promena<strong>den</strong>,so wie die Haupt» und größer« Nebenstraßen der Vorstädte wei<strong>den</strong> jetztdurch Gas beleuchtet. Dci Anstalt ist indessen in voisorgender Weise einsolcher Umfang gegeben wor<strong>den</strong>, daß sie die Möglichkeit gewährt, künftigauch auf alle Nebenstraßen der Vorstädte die Gasbeleuchtung <strong>aus</strong>dehnenund zugleich dem stets wachsen<strong>den</strong> Bedürfnisse d« Privaten entsprechen zukönnen.Die Deftillations» und Reinigungsapparate sind dem gegenwärtigenStande der Technik entsprechend <strong>aus</strong>geführt und bewähren sich durchLieferung eines guten und reinen Gases.Die Lage der Anstalt, zwischen der Stadt und <strong>den</strong> Vorstädten, mittenin <strong>den</strong> neuen Parkanlagen und nur durch einen Kanal <strong>von</strong> <strong>den</strong>selben getrennt,ist eine solche, daß die in derselben errichteten Gebäude <strong>von</strong> allenSeiten, auch <strong>aus</strong> weiter« Entfernung, und <strong>aus</strong> einigen der lebhaftestenTheile der Stadt sichtbar wei<strong>den</strong>. Dieser Umstand hat es nothwendig ge-


56macht, <strong>von</strong> der Einförmigkeit und Regellosigkeit, welche die nie,,, in entlegenenTheilen d« Städte errichteten Gasanstalten gewöhnlich an sichtragen, abzuweichen und dafür zu sorgen, daß sowohl durch eine symmetrischeStellung der Gebäude, als durch eine freundliche Gestaltung ihr« Fan<strong>den</strong>die Anstalt einen möglichst wohlthuen<strong>den</strong> Eindruck auf das Augemache. In der That gereicht die neue Gasanstalt ebensowohl an sich zurZierde der Stadt, als sie insbesondere <strong>den</strong> landschaftlichen Reiz der sie umgeben<strong>den</strong>geschmackvoll angelegten neuen Parkanlagen und Baumreihen be»lebt und erhöht. Im Hintergründe steht das Retortenh<strong>aus</strong>, linls liegt dasReinigungsh<strong>aus</strong>, rechts das Wohngebäude; an der vorderen Fronte dies«bei<strong>den</strong> schließen sich im Vordergründe die bei<strong>den</strong> thurmartigen Gasbehälter-Gebäude an, welche unter sich und mit <strong>den</strong> anderen Gebäu<strong>den</strong> durch eineUmfassungsmauer verbun<strong>den</strong> find. Ein fünfzig Fuß breit« Kanal umschließt<strong>den</strong> Platz. Ueb« <strong>den</strong>selben führt eine leichte Brücke, welche die Verbindungder Anstalt mit d« Stadt herstellt.


Das neue Wasserwerk in <strong>Riga</strong>


Das neue Wasserwerk in <strong>Riga</strong>Eine alte Anficht der Stadt <strong>Riga</strong> <strong>aus</strong> dem Jahre 1612 zeigt imVordergründe längs dem Ufer des Flusses Gruppen <strong>von</strong> Frauen und Man»nern, welche sich damit beschäftigen, Wasser <strong>aus</strong> dem Flusse zu schöpfen,dasselbe in Eimern wegzutragen oder in Fässern auf Wagen fortzuführen.Dies war damals die beschwerliche Art, in welcher sich die Einwohner da«Wasser zu ihrem täglichen Gebrauch beschafften, da die spärlichen Brunnenin der Stadt ein für <strong>den</strong> Genuß, wie für die meisten anderen Zwecke nurwenig taugliches Wasser lieferten. Der Mangel an gutem Trinkwasserinnerhalb der Stadt machte sich damals aber um fo fühlbarer, als man sichbei der kriegerischen Lage, in der sich die Stadt in früheren Jahrhundertenhäufig befand, genöthigt sah, die Thore zu schließen und sich so <strong>den</strong> Wegzur Versorgung mit Wasser abzusperren. Daher war schon zu herrmeiftn«lichen Zeiten die Beschaffung guten Wassers ein Gegenstand, welchem dieStadtverwaltung ihre Aufmerksamkeit und ihre Sorge zuwandte, und eSkam <strong>aus</strong> solcher Rücksicht die Anlage eines Kanals, des sogenannten Sandmühlengrabens,zu Stande, welcher, wie es heißt, <strong>aus</strong> dem Stubbens« demum die Stadt laufen<strong>den</strong> Wallgraben reines Wasser zuführte und <strong>den</strong>selbendadurch benutzbar machte. Aber im Ganzen war dem Uebclftandc damitdoch immer wenig abgeholfen. Da gelang es <strong>den</strong>n in der Mitte des siebzehntenJahrhunderts <strong>den</strong> fortgesetzten Bemühungen dxeier Männer, MelchiorFuchs, Melchior Drciling und Gotthard Vegcsack, ein Wasserwerkherzustellen, welches, durch ein Roßwert in Betrieb gesetzt, das durcheinen unterirdischen Kanal <strong>aus</strong> der Düna zugeleitete Wasser <strong>aus</strong> einemin der Tiefe angelegten Brunnen schöpfte und durch ein 56 Fuß hohesSteigerohr in ein hochgelegenes Nassin pumpte, <strong>von</strong> wo dasselbe dann durch


58ein Abzugsrohr wieder hinabfiel und durch hölzerne Röhren in die Stadtverthcilt wurde.Schon gegen Ende des vor. Jahrhunderts wurde indessen das Bedürfnißnach einer Vervollkommnung auch dieses Werts gefühlt, so daß sich derdamalige Raths- und Oberwettherr Johann Christoph Berens veranlaßtsah, in seinem im Jahre 1782 zu Mitau unter dem Titel: „Bonhomien"gedruckten Weilchen <strong>den</strong> Vorschlag zu machen, die Wafferlunft mit einerDampfmaschine zu treiben.Dies« Gedanle, welcher bei dem damaligen Stande der Technik sichnoch so ziemlich im Bereich des Un<strong>aus</strong>führbaren befand, wurde indeß in<strong>den</strong> zwanzig« Jahren dieses Jahrhunderts wie<strong>den</strong>nn aufgenommen undseit der Zeit mit Lebhaftigleit verfolgt. Es war ab« ertlärlich, daß dieRealifirung nicht sofort folgen tonnte, da selbst in England, dem Lande derMaschinen, noch nicht die Zeit gekommen war, wo sich die Städte mitsolchen Wasserleitungen versahen.Indeß der Zustand des bald zweihundert Jahre alten Gebäudes derbisherigen Wasserkunst, die Ansprüche, welche die entwickelten Verhältnisseder Gegenwart an eine Vervollkommnung auch in dieser Beziehung machten,der bei dem vergrößerten Flußverlehr und bei der längs dem Ufer wachsen<strong>den</strong>Ausdehnung der Vorstädte immer Mehr hervortretende Uebelftand,daß das Wasser an einer Stelle <strong>aus</strong> dem Flusse entnommen wurde, wo esdurch Zuflüsse mannigfacher Art verunreinigt wurde,—alle diese Umständeforderten indeß mit gebieterischer Nothwendigleit eine Beschleunigung derEntschlüsse.Waren diese bisher nur durch die Schwierigkeiten localer Verhältnissebehindert, so wurde auch hier die Möglichkeit zur Ausführung geschaffendurch die im Jahre 185? Allerhöchst genehmigte Abttagung der Festungswerke.Die <strong>von</strong> Rath und Bürgerschaft der Stadt zur Errichtung eines neuenWasserwerks alsbald niedergesetzte Commisfion übertrug die Ausarbeitungdes besfallfigen Projects dem bei der Stadt zur Leitung der Wallabtta»gungsarbeitcn angestellten Oberingenieur William Weil.Die <strong>aus</strong>gearbeitetenPläne konnten bereits im Jahre 1860 der Staats»icgierung zur Bestätigung vorgestellt wer<strong>den</strong> und nachdem im Frühjahr


591861 diese erfolgt war, wur<strong>den</strong> sofort die nöthigen Vorarbeiten in Angriffgenommen und alle Vorbereitungen so getroffen, daß es möglich wurde,das Werk im Jahre 1862 innerhalb zehn Monaten vollendet herzustellen.Im Februar 1862 begannen die Erdaibeiten zur Fundamentirung des Ma»schinenh<strong>aus</strong>es und des Thurmes, und schon am 1. September konnte dasDach des ThurmeS gerichtet wei<strong>den</strong>. Um die Mitte Mai wue<strong>den</strong> die Fit»ttiigalleeien in Angnff genommen und am Anfang Novembn waren dieselbennebst dem Ablagerungsbassin und dem Brunnen für das Saugrohrder Hauptpumpen beendet. Die Legung der Rohrleiwng wurde vom 1.Maibis zum 1. September beschafft, die Aufstellung der Maschinen begann amAnfang Juli und war am 8. December vollendet, so daß an diesem TageDampf eingelassen wei<strong>den</strong> konnte. Zu gleichet Zeit mit dem Aufbau desMaschinenh<strong>aus</strong>es und des Thurmcs wurde auch das Wohngebäude für dieMaschinisten und Heizer errichtet und die Umzäunung und Einplanirungdes Platzes hergestellt.Die Eröffnung des Werks mußte wegen des bereits im Novembneingetretenen starken und anhalten<strong>den</strong> Kahlfrostes bis zum Frühjahr desJahres 1863 verschoben wer<strong>den</strong>. Am 26. April 1863 erfolgte das Einlassendes Wassers in die Röhren, und zwar zunächst in die der Vorstädte,und sodann am 6. Mai in die der Stadt. Auch wur<strong>den</strong> alsbald dieH<strong>aus</strong>leitungen, und zwar in <strong>den</strong> Vorstädten am 2. Mai, in der Stadtam 25. Mai geöffnet.Die errichteten Gebäude des Wasserwerks, — <strong>von</strong> <strong>den</strong>en das Maschinenh<strong>aus</strong>und der Wafferthurm auf dem vorstehen<strong>den</strong> <strong>Stahlstiche</strong> dargestelltfind, während das Wohnh<strong>aus</strong> der Arbeit« nur zum Theil mit seinerSeitenfa?ade in <strong>den</strong> Rahmen des Bildes tritt,— liegen 4 Werft<strong>von</strong> dem Mittelpunkte der Stadt, außerhalb der Vorstädte zwischen derMoskauer Straße und dem Ufer der Dün«, an der Stelle, <strong>von</strong> welch«<strong>aus</strong> der zum Schuh der Vorstädte beim Eisgange errichtete Krü<strong>den</strong>ersDamm in <strong>den</strong> Fluß hineingeht.Die Abttagung der alten Festungswerke hatte die Scheide zwischen d«Stadt und <strong>den</strong> Vorstädten hinweggenommen und beide vereint.Das neueWasserwerk stellte sich daher die Aufgabe, nicht blos die alte Stadt, sondernauch <strong>den</strong> größten Theil dn am rechten Ufer gelegenen Vorftabttheile zu


60versorgen, und dabei zugleich ein gutes und reines Wasser, und zwar in<strong>aus</strong>reichendster Weise zu liefern. Und dabei sollte nicht blos das täglicheBedürfniß zu wttthschaftlichen und gewerblichen Zwecken in Berücksichtigungkommen, sondern auch für das Fcucxlöschwesen <strong>aus</strong>reichend gesoxgt wer<strong>den</strong>.Zu dem Zwecke wurde über die Stadt und die Vorstädte, mit Ausnahmeder am linken Ufer der Düna gelegenen, die bei der Breite des Dünastromsselbstverständlich <strong>aus</strong>geschloffen bleiben mußten, ein Röhrennetz <strong>aus</strong>gehleitet,welches eine Längen<strong>aus</strong>dehnung <strong>von</strong> s>/« deutschen Meilen hat, und welchesan <strong>den</strong> geeigneten Stellen mit Vorrichtungen versehen ist, um bei <strong>aus</strong>gebiochenemFeuei das duich die Röhren zugeführte Wasser entweder directzum Löschen oder, wo die Verhältnisse dies nicht gestatten, zur Versorgungder Spritzen benutzen zu tonnen. An die eisernen Hauptleitungen schließensich dann die Ableitungen an, welche das Wasser <strong>den</strong> Häusern zuführen,in welchen es bis in die höchsten Stockwerke gebracht wer<strong>den</strong> kann.Außerdem ist eine große Anzahl <strong>von</strong> Freibrunnen angelegt, welche auch solchenEinwohnern die Benutzung des durch das Wasserwerk geliefertenWassers «möglichen, deren Wohnungen entwed« nicht dilect an demRöhlcnncheliegen, od« welche die Kosten einer H<strong>aus</strong>einrichtung scheuen.Um dem zweiten Theil d« Aufgabe, welche dann bestand, eine hinltichendeMenge weichen und reinen Wassers zu beschaffen, genügen zukönnen, war es anfangs beabsichtigt, das Wasser der Düna an einer Stelledes Flusses zu entnehmen, wo dasselbe noch frei <strong>von</strong> allen zufälligen Verunreinigungenist, und es zugleich einer künstlichenFiltration zu unterziehen.Zu dem Zweck war auch die Stelle gewählt, wo das Wasserwerk gegenwärtigerrichtet ist, und welche eine bedeutende Strecke außerhalb der Vorstädtein ein« <strong>von</strong> Wohnungen entfernten und fielen Gegend belegen ist.Eine sorgfältige Untersuchung des Flußufers an dieser Stelle führte indeßzu dem Ergebniß, daß dort der Bo<strong>den</strong> selbst schon im reichlichen Maaßcein sehr reines und weiches Wasser enthielt, welches sich als ganz vorzüglichgeeignet zeigte, um zur Versorgung der Stadt benutzt zu wer<strong>den</strong>.Eine genaue chemische Analyse dieses Wassers ergab, daß dasselbe alle Eigenschaftenenthielt, welche <strong>von</strong> einem guten Waffer gefordert wer<strong>den</strong> tonnten.Es wurde daher die Idee der künstlichen Filtration aufgegeben unddem Flußufer entlang eine 740 Fuß lange unterirdische Gallerte angelegt,


61deren Sohle circatief imKalkfelsen liegt. In dieser Gallerte, deren gemauerte Seitenwände mitkleinen Oeffnungen versehen find, sammelt sich das dem Bo<strong>den</strong> entquellendeWasser, dessen Eintritt dulch jene Oeffnungen «lcichtelt wild und das <strong>von</strong>hier in ein großes unterirdisches Basfin <strong>von</strong> 1000 Quadratfuß Grundflächegeleitet wird. Dieses Bassin ist auf eine Tiefe <strong>von</strong> 10Fuß in <strong>den</strong> Kaltfelseneingearbeitet und oben überwölbt. Von hier fließt dann das Waffel in einen12 Fnß tief unter der Terrainssache, und zwar 5—6 Fußveibeckten Brunnen, <strong>aus</strong> welchem es <strong>von</strong> <strong>den</strong> Maschinen her<strong>aus</strong>- und in dasRöhrennch zur Versorgung der Stadt hineingepumpt wird.Da es zweifelhaft war, ob die Quellen, wenn sie allein zur Versorgungherangezogen wer<strong>den</strong>, auch immer mit genügendem Reichthumc zufließenwür<strong>den</strong>, so ward es für nothwcndig erachtet, zugleich auf ein anderesMittel Bedacht zu nehmen, um sich für alle Zeiten einer hinreichen<strong>den</strong>Wassermenge zu sichern.Zu dem Zwecke ward das obere Ende der Galleric durch ein eisernesRohr <strong>von</strong> 21 Zoll Durchmesser, dessen Oberkante noch ein Fuß unter demniedrigsten Wasserstande der Düna liegt, mit dem Flusse verbun<strong>den</strong>, dasRohr ab« an jedem Ende mit einem Schiebeventil versehen, um <strong>den</strong> Zuflußdes Dünawaffers in die Galleric reguliren zu können. Da, wo das21zöllige Rohr auf die Galleric zuläuft, ward ein Ablagerungsbehälter <strong>von</strong>400 Quadratfuß Grundfläche angelegt, damit das Dünawaff« die schwimmen<strong>den</strong>erdigen Stoffe abzusetzen vermöge, ehe dieselben Zeit haben sichmit dem Quellwasser zu vermischen.Die Maschinenkraft der Anstalt ist so bemessen, daß täglich 276,000Cubikfuß Wasser gefördert wer<strong>den</strong> können, und dienen dazu zwei Dampfmaschinenmit <strong>den</strong> zugehörigen Pumpen, das Hochdluckrohi zui Elzeugungdes nöthigen DiuckeS in <strong>den</strong> Röhren und vi« Dampfkessel.Die Maschinen sind nach d« Art der Cornwaller Wafferhebungsmaschinenconsttuirt. Ihie Aibeit besteht im Wesentlichen dann, ein schweresGewicht zu heben und es wieder fallen zu lassen. Beim Aufheben desGewichts, an welchem sich ein sogenannt« Tauchelpumpenlolben befindet,steigt eine Waffelmenge <strong>von</strong> beiläufig 12 Cubikfuß in das Pumpiohr,welche beim Niederfallen des Gewichts wieder verdrängt und durch das


62Druckrohr in das Steige» od« Hochdrnckrohr getrieben wird, <strong>von</strong> wo esdurch ein zweites Rohr, das Fallrohr, in die Stadttöhren fließt.Die Höhe, bis zu welcher man das Wasser in das Steigerohr drückt,wird durch die Höhe bedingt, in welch« das Wasser in der Stadt <strong>aus</strong>fließensoll. Gegenwärtig beträgt diese Höhe circa 100 Fuß über demWasserspiegel der Düna, kann aber bis auf 145 Fuß gesteigert wer<strong>den</strong>.Die Kosten der ganzen Anlage haben sich auf 325,000 Rbl. belaufen,was als sehr mäßig «achtet wei<strong>den</strong> muß, wenn man ähnliche Weile andererStädte in Vergleichung zieht, und dabei zugleich die hiesigen Verhältnisseund ihre Einwirkung auf die Preise berücksichtigt.Die dringende Nothwcndigkeit, <strong>den</strong> Dampfmaschinen des Wasserwerkseinen gleichmäßigen, <strong>von</strong> dem schwanken<strong>den</strong> Wafferconsum unabhängigengewinnen, große Reparaturenohne Einstellung der Wafferabgabe vornehmen zu können, veranlageim Jahre 1867 die Anlage eines großen Hochdruckwasserbasfins imMoskauer Stadttheil, in der Richtung der verlängerten Rittersttaße.Gang zu verschaffen und zugleich die Möglichkeit zuAls eine besondeie Enungcnschaft, welche unseicm <strong>Riga</strong> in Folge dciAnlage des neuen Wasserwerks zu Theil gewor<strong>den</strong> ist, werde hier noch deran verschie<strong>den</strong>en Punkten der Stadt, namentlich auf dem Rathh<strong>aus</strong>platze,im Garten des St. lohannis-Gildcnh<strong>aus</strong>esund im Wöhrmannschcn Parihergestellten öffentlichen Springbrunnen Erwähnung gethan, welche sämmtlichihre Speisung <strong>aus</strong> dem Wasserwerke erhalten. Als eine weitere Errungenschaftwird die Durchführung der neuerdings beschlossenen Ausdehnungdes Röhrennetzes unseres Wasserwerls auch auf die Vorburg und<strong>den</strong>Wei<strong>den</strong>damm sein.


Die MineralwasserAnstalt in <strong>Riga</strong>


Die Mineralwasser- Anstalt in <strong>Riga</strong>«l/ie natürlichen Mineralwasser sind schon seit <strong>den</strong> ältesten Zeiten alskräftige Heilmittel angewendet wor<strong>den</strong>. Sie unterschei<strong>den</strong> sich <strong>von</strong> dem gewöhnlichenQuellwaffer dmch einen glößeien Gehalt <strong>von</strong> Mineralstoffen. In<strong>den</strong> alleemtiften Fällen sind sie mit kohlensaulem Gase (Brunncngeift) gesättigtund dadurch befähigt, Ei<strong>den</strong> und Metalloiyde in giößer« Menge aufzulösen.Die Entfernung viel« Patienten <strong>von</strong> <strong>den</strong> natürlichen Heilquellen ver»diesem Jahrhundert zuletzt Struvc in Dres<strong>den</strong>,anlaßte seit dem vorigen Jahrhunderte verschie<strong>den</strong>e Naturforscher, und indie natürlichen Auslaugungsproceffedurch gesättigtes kohlensaures Wasser künstlich nachzuahmen,und so entstan<strong>den</strong>, unterstützt <strong>von</strong> der sehr vervollkommneten chemischen Analyse,die künstlichen Mineralwasser. Schon Struve stellte sie so conectdar, daß Fonaday z. B. das natürliche Karlsbad« Wasser <strong>von</strong> demkünstlichen chemisch nicht unterschei<strong>den</strong> konnte, und daß die Kuren in Dres<strong>den</strong>eben so erfolgreich waren, als die in Carlsbad und Marienbad.Auch <strong>Riga</strong>'s entfernte Lage, und besonders das Vertrauen, welchesdie Sttuve'schen Anstalten in Berlin, Dres<strong>den</strong> u. s. w. sich bereits eiwolbenhatten, beachte im lahie 1833 eine Anzahl gemeinnütziger Männer<strong>Riga</strong>'s zu dem Entschluß, in ihr« Vaterstadt eine Struvc'sche Anstaltzu grün<strong>den</strong>. Sie bildeten eine Actiengescllschaft, und wendeten sich anStruvc. Leider war dieser durch Gründung einer Mineralwasser -Anstattin Moskau bereits contractlich verhindert, sich mit <strong>Riga</strong> einzulassen. Manwendete sich nach Stockholm und bestellte bei Mosanber einen Gahn'schenApparat, welcher nach ein« Methode <strong>von</strong> Berzelius arbeitete.Im Jahre 1835 war die junge Anstatt im Wöhrmann'schen Park miteinem Kostenaufwand <strong>von</strong> 80NN Rbw. vollendet und konnte eröffnet wer<strong>den</strong>.


64Dcl Bettlet» war Anfangs schwach. Die Apparate zeigten sich in vielenTheilcn unzureichend und mußten schon im zweiten Jahre umgeändert wer<strong>den</strong>.Bis zum Jahre 1843 hatte die Anstalt jährlich 100 bis 160 Kur»gaste und verkaufte mit regelmäßiger Steigerung jährlich 4000 bis 15000Flaschen (ganze und halbe gleich gerechnet). Die vielen Mängel am Apparatund Betrieb ließen es wünschcnswerth «scheinen, die Bnzelius'scheMethode zu vnlaffen und die Sttuve'sche einzuführen. Durch Sttuve's(des Vaters) Tob waren die Verbindlichkeiten gegen Moskau erloschen, undman lonnte mit Sttuve, dem Sohne, in Beziehung ttetcn. So wulde,untelstützt dmch ein Kaiserliches Geschenl, vom lahic 1844 an die Anstaltnach Sttuve's System eingelichtet und betrieben. Die Zahl der Kurgästestieg nm wenig, besonders weil die Paßerleichterungen und die Eisenbahnen,welche seit jener Zeit ins leben traten, das Reisen nach <strong>den</strong> schönenBadeorten des Auslandes immer mehr begünstigten. Dagegen nahm derVerbrauch <strong>von</strong> Mineralwässern in Flaschen der Art zu, daß im Jahr 1863bereits gegen 300,000 Flaschen verkauft wur<strong>den</strong>, und außerdem eine be»lrächtliche Menge Sodawasser und Selters in Metallcylindnn fül die Trinkhallen,<strong>von</strong> <strong>den</strong>en die Anstalt zur größeren Bequemlichkeit des Publikumsan verschie<strong>den</strong>en Stellen dersechs Stück mit geschmackvoll« AusstattungStadt aufgestellt hat, geliefert wer<strong>den</strong> lonnte.Für einen solchen Betrieb war das alte H<strong>aus</strong> in leiner Weise mehr<strong>aus</strong>reichend, wenn auch der Apparat durch die alljährlich <strong>aus</strong>geführten Erweiterungenund Verbesserungen volltommen genügte. Die Direction beschloßbah« im Zahle 1861 zu einem steinernen Neubau zu schielten aufeinem ihi zu diesem Zweck <strong>von</strong> dem Vorftadtanlagen-Comite im Wöhimann'-DieschenPael an d« Ecke der Park- undKalkstraße eingeräumten Terrain.General-Versammlung der Actionäre bewilligte die Summe <strong>von</strong> 40,000Rbln.zur Anlage der neuen Anstalt und ein« mit derselben verbun<strong>den</strong>en Badeanstaltfür Mineralwasser und gewöhnliche Bäder. Diese Summe wurdebeschafft theils <strong>aus</strong> <strong>den</strong> Ersparnissen, welche <strong>von</strong> dem Betrieb zu solchemZweck seit Jahren angesammelt wor<strong>den</strong> waren, theils durch eine Anleihevom Comite zur Verschönerung der Borstadtanlagen, welcher bereits durch<strong>den</strong> Besitz <strong>von</strong> '/, »ller Actien an dem Interesse der Anstalt eng betheiligtwar.


65Der Neubau war in seinen Haupttbeilen im Jahre 1864 bereits soweit vorgeschritten, daß die Anstalt im neuen Local in Betrieb gesetztwei<strong>den</strong> konnte.Außer <strong>den</strong> Wohnungen für drei Beamtete hat die Anstalt ein geräumigesComptoir, ein großes Laboratotium für die Fabrikation der Mineralwasserund Chemikalien, ein zweites Laboratorium für die feinen analytischenArbeiten, und beträchtliche Keller- und Nachräume für die Vonäthe.Auf dem Hofe steht ein Maschinenh<strong>aus</strong> mit Räumen füi zwei Dampfkessel,eine Dampfmaschine <strong>von</strong> 6 Pfcidetläftcn, ein Pochweit, nebst einem Pferdestallund einer Wagenremise. An das zweite Laboratorium schließt sichdie Kuranstalt an, mit einem Buffettaum, einem Kursaal <strong>von</strong> 2100 QuadratfußGrundfläche, einem Arztzimmei, zwei Gaidciobenzimmein und 16Wateiclosets. Duich eine Colonnade <strong>von</strong> 120 Fuß Länge ist die Verbindungdes Kursaales mit <strong>den</strong> Spaziergängen des gut gepflegten Parts aufwürdige Weise vermittelt.Unsere Abbildung zeigt die Colonnade. Das Gebäude rechts ist dasLaboratorium, und mitten übei d« Colonnade «hebt sich das Dach des Km»saales. Links im Hintergiunde zeigen sich die Thüeme d« St. Petti» unddci St. lohanniskiiche und das neuelbauie <strong>Riga</strong>sche Stadt- Theatei.Was die innere Einrichtung der Anstalt anlangt, so sind die zweiobenerwähnten Dampfkessel bon gleicher Größe und Confttuction, so daßsie sich gegenseitig vertteten können. Für gewöhnlich dient der eine zurDarstellung des dcftillirten Waffeis, der andere zum Maschinenbetrieb.Die Dampfmaschine treibt ein Pochwerk für Kalksteine, zwei Hebewerkefür Waaren, zwei doppeltwirkende Compressionsvumpen für Kohlensäure,zwei Waffexpumpcn, zehn vexschie<strong>den</strong>e Mischcylinder, welche theilszur Mineralwaffeifüllung, theils zul Gasbereitung dienen, endlich 6 v«°schie<strong>den</strong>e Deehbülften zum Reinigen bei Flaschen. Außerdem ist eine Werkstattzur Reparatur der Apparate eingerichtet, und die zwei Laboratorienfind mit allen nöthigen Apparaten und ein« Bibliothek sehr vollständig <strong>aus</strong>gestattet.Im zweitenLaboiatonum wei<strong>den</strong> nicht nur alle Analysen für dieMinexalwasseibeieitung , sondein auch wissenschaftliche Untcisuchungen füianbcee technische Zwecke <strong>aus</strong>gefühit. Die ganze Anstalt ist mit Gasbeleuchtungund Waffeileitung vom städtischen Gas- und Waffelwell veisehen.


66Zui Herstellung aller dieser Gebäude und Einrichtungen hat freilichdie zuerst festgesetzte Summe nicht gereicht; theils weil der über Erwartendes Baues Vergrößerungen derschnell wachsende Betrieb noch vor BeginnAnlage forderte, theils weil gerade in dies« Zeit die Preise für Baumaterialienund Bauarbeilen bedeutend üb« das bisherige Ma«ß stiegen. EineGeneral-Versammlung «höhte die B<strong>aus</strong>umme auf 65,000 Rubel.D« jetzt vollendete Theil hat mit Einschluß der gesammten innerenEinrichtung die Summe <strong>von</strong> 83,000Rbln. gefordert. Diese Summe schließtallerdings <strong>den</strong> Werth aller Apparate und Meubeln ein, welche <strong>aus</strong> der altenAnstalt übergeführt wor<strong>den</strong> find. Sonach ist der Pleis d« neuen Anstaltzehnmal so hoch, als der d« elften Anlage, fteilich ist die Leistung d«neuen Anstalt hundertmal so hoch !Selbst diese bedeutende Summe wäre noch Übelschlitten wölben, wennman sich nicht entschlossen hätte, das schöne <strong>von</strong> Bohnftedt füi die Anstaltentworfene Projecl — natittlich mit Bohnstedt's Genehmigung und Beihilfe— vielfach zu beschnei<strong>den</strong>. Das Wohnh<strong>aus</strong> eihielt nul eine Etage,statt zwei, ein Theildci Colonnade blieb einstweilen weg, eben so die ganzeBadeanstalt, welche allein 40,000 Rbl. «foldeit hätte.So steht nun das Gebäude <strong>von</strong> Außen noch als ein Bruchstück da,das <strong>den</strong> Vorübergehen<strong>den</strong> zu mancherlei Fragen berechtigt. Im Innernfteilich ist die Anstalt fertig. Sie steht an Vollständigkeit und Leistungsfähigkeit<strong>den</strong> größten und besten Anstalten des Auslandes nicht nach; ja fithat manche nützliche Einrichtungen, welche dort noch fehlen.


Der Schlossplatz mit ber Siegessäule in <strong>Riga</strong>


Der Schloßplatz mit der Siegessäule in <strong>Riga</strong>3)er Schloßplatz, am Nor<strong>den</strong>de der Stadt <strong>Riga</strong> gelegen, hatte nichtimm« das fteundlichc Ansehen, wie « jetzt mit seinen friedlichen Gartenanlagenvor <strong>den</strong> Blicken des Beschauers daliegt. In alten Zeiten trennteihn dort, wo jetzt links im Hintergründe unseres Bildes sich die katholischeund die anglikanische Kirche mit ihren spitzen Thürmen «heben, eine feste,<strong>von</strong> d« <strong>Riga</strong>schen Nittgelschaft wohl bewachte und zur Nachtzeit strengverschlofftn gehaltene Mau«, um die sich ein tief« Graben zog, <strong>von</strong> d«eigentlichen Stadt. Noch bis in die achtzig« Jahre des vorigen Jahr»Hunderts nannte man diesen Platz schlechtweg <strong>den</strong> Schloßgraben od«Schloßgrnnd, und Wal derselbe bis dahin nux mit wenig ansehnlichen Häufelnbebaut. Selbst das Schloß, welches jetzt mit sein« ganzen Fiontc<strong>den</strong> Platz beherrscht, bot in alten Zeiten einen bei Weitem weniger imposantenAnblick dar, und w»rd überhaupt <strong>von</strong> <strong>den</strong> alten Bürgern <strong>Riga</strong>'snur mit gar ungünstigen Blicken angesehen. War es ihnen doch einestete Mahnung an die Kämpfe, die fie fast feit Gründung ihr« Stadtmit dem einft <strong>von</strong> Bischof Albert gestifteten Or<strong>den</strong> der Schwertbrüderund später mit <strong>den</strong> Hexrmcistein des deutschen Or<strong>den</strong>s zu bestehen gehabthatten, um gegen deren Uebermacht ihre bürgerliche Freiheit und Unat»hängigkeit zu wahren.Wie uns die alten Chroniken berichten, sollen die Schwertbxüdci anfänglichihxen Convent nebst Schloß, Wittenfteen genannt, in d« Nähe d«St. Petrilirche, beim heutigen Heiligen Geist, gehabt haben. Als dasselbeab« <strong>von</strong> <strong>den</strong> Bürgern im Jahre 1305 zerstört wor<strong>den</strong>, habe Eberhard


68<strong>von</strong> Monheim im Jahre 1330 die Stadt gezwungen, dem Or<strong>den</strong> einenandern Platz anzuweisen, und sei nunmehr ein neues Schloß Wittensteenaußerhalb der Stadtmauer an der Düna erbaut wor<strong>den</strong>. Im Verfolg derheftigen Kämpfe jedoch, welche am Ausgange des 15. Jahrhunderts zwischender Stadt und dem Or<strong>den</strong> entbrannten, belagerten die Rigischengegen dasEnde des lahles 1483 das Ol<strong>den</strong>sschloß, umzogen es mit einem Giabenund gedachten es <strong>aus</strong>zuhung«n. Zwar versuchte der derzeitige Viceor<strong>den</strong>smeift«Freitag <strong>von</strong> Loringhovcn im Februar des folgen<strong>den</strong> Jahres,der bedrängten Schloßbesahung zu Hülfe zu lommen, ward aber am 22.März <strong>von</strong> <strong>den</strong> Rigischen unter Anführung des tapferen StadthauptmannsHartwig Wynhold, <strong>den</strong> Schwarzhäuptern und einigen Stiftischcn beiderSt. Nicol<strong>aus</strong>-Kapcllc unweit Dünamünde auf's Haupt geschlagen und sahsich genöthigt, mit der Stadt in Unterhandlungen zu treten. Da indessendie Rigischen auf der Uebergabedes Schlosses bestan<strong>den</strong>, Loringhovcnab« «klärte, er wolle lieb« das halbe Land verlieren, als das Schloßübergeben, so zerschlugen fich die Verhandlungen und der Kampf zwischenStadt und Or<strong>den</strong>, so wie die Belagerung des Schlosses nahmen ihren weiterenFortgang. Nachdem bereits am IN. April der Wittensteen durchMasten, welche durch Ketten mit einander verbun<strong>den</strong> und durch Anter imStrome befestigt waren, nach der Dünaseite <strong>von</strong> jeglicher Zufuhr abgesperrtwor<strong>den</strong>, war man endlich am 14. Mai so weit, daß ein Sturm auf <strong>den</strong>selbengemacht wei<strong>den</strong> sollte. Es lam indessen an diesem Tage noch nichtdazu,weil die städtischen Söldner Schwierigkeiten machten, indem sie dieganz« Beute für fich forderten. Als der Rath darauf ihnen solche, mitAusnahme der Glocken und Hauptgeschütze, hatte zusichern lassen, wur<strong>den</strong>am Rathh<strong>aus</strong>e und an <strong>den</strong> Stadtpforten öffentliche Bekanntmachungen angeschlagen,durch welche Alle, die Lust hätten am Kampfe Theil zu nehmen,auf <strong>den</strong> folgen<strong>den</strong> Morgen um 8 Uhr auf <strong>den</strong> Markt eingela<strong>den</strong> wur<strong>den</strong>.Zur bestimmten Stunde hatte sich <strong>den</strong>n auch eine wohlgerüftete Sehaareingefun<strong>den</strong> und zog dieselbe, mit <strong>den</strong> vi« Bürgermeistern an der Spitze,vor das Schloß und forderte seine Uebergabe. Da der Schloßhauptmanndie Aufforderung zurückwies, sollte der Sturm nunmehr beginnen, als dieReiter wieder <strong>den</strong> Gehorsam verweigerten, weil sie die Beute nicht mit <strong>den</strong>Freiwilligen thcilen wollten. Am folgen<strong>den</strong> Morgen aber, <strong>den</strong> 18. Mai,


69steckte die Schloßbesatzung einen Hut auf und begehrte zu capituliren. Nachlängeren Verhandlungen, an <strong>den</strong>en auch die vier Bürgermeister Theil nahmen,einigte man sich dahin, daß das Schloß Wittensteen der Stadt übergeben,die Besatzung aber das halbe Gut, alles Tafel- und Kirchengeschmeideund außeidem, was jeder als sein persönliches Eigenthum beschwören könne,behalten und am folgen<strong>den</strong> Tage unter Geleit frei nach Neuermühlen abziehensolle.Als daiauf das Schloß besetzt wurde, sollen in demselben an Herren undKnechten nicht mehr als zehn gesunde Menschen gefun<strong>den</strong> wor<strong>den</strong> sein,die fich geraume Zeit nur <strong>von</strong> Pferdefleisch genährt hatten. Alle andernlagen krank und elend darnieder. Die zehn Hel<strong>den</strong> wur<strong>den</strong> zu Wasser über<strong>den</strong> Stintsee nach Neuermühlen gebracht, die Beute aber <strong>den</strong> Reitern überlassenund sollen fich diese „hernach« mit Silber dermaßen haben beschlagenlassen, daß sie fich kaum beugen konnten." Drei Tage darauf ließ derRath bekannt machen, daß es Jedermann, Alten und Jungen, Deutschenund Undeutschen, frei stehe, das Schloß in Grund zu brechen. Es wurdedann auch sofort damit der Anfang gemacht. Weil indessen das Abbrechennur langsam <strong>von</strong> Statten ging, so ließ man am Pfeffcrthurm, wie dieChronik berichtet, und an der Martermauer unten die Fundamente durchbrechenund statt deren hölzerne Stützen anbringen. Nachdem man sodannam 17. Juni inBrand gesteckt. Als sie auf diese Weise nach und nach verkohlten, begannendie gewaltigen Schloßmauern zu wanken und stürzten endlich unterlautem lubclgeschrei d« Rigischen mit ftnchtbarem Klachen in fich selbstum diese Stroh und Reisig aufgehäuft, wur<strong>den</strong> dieselbenzusammen. Dcl letzte und festeste Thuim de« Schlosses, d« sogenannteBlcielne Thunn, soll «st am 15.August eingestürzt sein. Die Armen holtendie Backsteine <strong>aus</strong> dem Schutt hervor und verl<strong>aus</strong>ten sie für wenige Schillingedas Hundert; die Reichen aber ließen das Baumaterial abführen undbauten fich damit neue Häuser zur dauern<strong>den</strong> Erinnerung. Bald bezeichnete,wie ein neuerer vaterländischer Geschichtsschreiber bewerft, nur nochein wüster Schutthaufen die Stelle, wo Zwing -<strong>Riga</strong> gestan<strong>den</strong>. Ja dieBefriedigung d« Bürger üb« ihre allendliche Befreiung <strong>von</strong> der Ueber»macht des Or<strong>den</strong>s soll so groß gewesen sein, daß sie ihren Sendungen <strong>von</strong>Birt- und Haselhühnern, die jährlich regelmäßig nach <strong>den</strong> Hansestädten ab-


70zugehen pflegten, auch eingewickelte Backsteine <strong>aus</strong> <strong>den</strong>Ruinen des Schlossesbeigelegt haben.Indessen sollte die Freude üb« diesen Sieg nur <strong>von</strong> kurzer Dauerfein. Denn als die Rigischen nach einem VerzweiflungStampf bei Neuermühlenim Mälz 1491 b« Uebermacht des Or<strong>den</strong>s erlagen und dieStadt fich ergeben mußte, ward ihr unter anderen harten Bedingungendurch die Wolmarsche Affsprölc (Absprache) auch die Pflicht aufgelegt, <strong>den</strong>Wittensteen innerhalb sechs Jahren wieder aufzubauen und dem Ol<strong>den</strong> zuübelgeben. Mag es auch mit bei Innehaltung des Termins <strong>von</strong> sechslahien nicht so genau gehalten woldcn sein, so betneben doch sowohlv. Lvliughovcn, als sein Nachfolger, der Herrmeift« Walter <strong>von</strong> Plettcnbcrg,seit 1494 <strong>den</strong> Wiederaufbau des Schlosses un<strong>aus</strong>gesetzt. Nochgegenwärtigficht man in dem innern Haupthofe des Schlosses, zu dem d« aufuns«« volliegen<strong>den</strong> Schloßanficht rechts gelegeneThorweg führt, an der Seitenwandaußer dem Standbilde der lungftau Maria auch das des letztgenanntenHerrmeisters und darunter die Jahreszahl 1515, welche man für diejenigehält, durch welche der Uebergabctcrmin des vollendeten Neubaues an <strong>den</strong>Or<strong>den</strong> bezeichnet wei<strong>den</strong> soll. Es bildete indessen das damalige Schloß nur<strong>den</strong> Theil des jetzigen, welch« <strong>den</strong> oben erwähnten Hauptschloßhof umschließt.Als in der Mitte der fünfzehnhundert« Jahre der Or<strong>den</strong> fich auflösteund <strong>Riga</strong> fich erst der polnischen, spät« der schwedischen und dann der russischenKrone unterwarf, blieb das Schloß der Sitz der zeitweiligen Regierungsgewaltund ward im Laufe der Zeit je nach Bedürfniß erweitert. So erbautendie Schwe<strong>den</strong> im Jahre 1682 an der Oftseite ein Zeugh<strong>aus</strong>, dasdie ganze Fronte einnahm und bis 1783 stand, wo es abgebrochen undeine neue Fronte aufgeführt ward, in deren Räumlichkeiten die verschie<strong>den</strong>enBehör<strong>den</strong> der damaligen Statthalterschaftsrcgierung ihren Sitz erhielten.Der letzte und bedeutendste Umbau, welchem das Schloß seine gegenwärtigeFafade und zum Theil auch feine innere Einrichtung verdankt, fiel in dieJahre 1843 und 1844, und zum Theil noch in <strong>den</strong> Anfang der sechzigerJahre, wo namentlich die kaiserlichen Gemäch« und die Wohnung desHerrn General-Gouverneur, welche <strong>den</strong> auf unser« Anficht rechts gelegenenTheil des Schlosses einnehmen, einen eleganteren, <strong>den</strong> Anforderungen derNeuzeit entsprechen<strong>den</strong> Ausbau erfahren haben. Der links gelegene Theil


71des Schlosses ist mit seinen Räumlichkeiten vorzugsweise <strong>den</strong> ebnen Landesbehör<strong>den</strong>eingeräumt.Mit dem, wie oben erwähnt, im Jahre 1783 <strong>aus</strong>geführten Fronten<strong>aus</strong>baudes Schlosses fiel auch die Abräumung des alten Schloßgrabens<strong>von</strong> <strong>den</strong> auf demselben derzeit befindlichen hölzernen H<strong>aus</strong>en,, sowie seinePlanirung zu einem freien Platz, seit der Zeit Schloßplatz genannt, zusammen.Die stattlichen Gebäude aber, welche <strong>den</strong>selben gegenwärtig umschließen,find dann im Laufe der nächstfolgen<strong>den</strong> Jahre erbaut wor<strong>den</strong>.So ward z. N. die katholische Kirche, welche auf unserem Stahlstich mitder zu ihr gehören<strong>den</strong> Pfarrwohnung zunächst lints des Schlosses liegt,nachdem der Grundstein zu ihr bereits im Jahre 1783 gelegt war, im Jahre1785 eingeweiht. Ihre gegenwärtige erweiterte Form, so wie ihren Thurmdanlt fie indessen einem in <strong>den</strong> Jahren 1859 und 1860 <strong>aus</strong>geführten Umbau.Ein zweites Hauptgebäude am Schloßplatz, welches mit dem nebenihm gelegenen St. Petersburger Hotel dem Schlöffe gerade gegenüber dieOftfronte desselben bildet, nach dem für unsere Anficht gewählten Etandpunltaber im Rücken des Beschauers liegt, ist das Gouvernements-Gymnasium.Seine Erbauung fällt in das Jahr 1787.Die Gartenanlage und die fie umgeben<strong>den</strong> Baumalleen, welche <strong>den</strong>mittleren Raum des Schloßplatzes einnehmen, find eine Schöpfung jüngsterZeit und danken ihre Entstehung der Fürsorge des um die Verschönerung<strong>Riga</strong>S vielfach verdienten Herrn General-Gouverncui, Fürsten Suworow.Aus ihrer Mitte erhebt fich die ca. 50 Fuß hohe granitene, mit der geflügelten,in Erz gegossenen Siegesgöttin geschmückte Uleiandnsäule, eineHauptzicxde nicht nux des Schloßplatzes, sondern der ganzen Stadt <strong>Riga</strong>.Dein An<strong>den</strong>ken an die unsterblichen Siege des Kaisers Alexander I. üb«die französischen Heere in <strong>den</strong> Jahren 1812—1814 geweiht, ist sie <strong>von</strong> derhandeln<strong>den</strong> <strong>Riga</strong>schen Kaufmannschaft, an deren Spitze d. Z. der Aelteftegroß« Gilde Bernhard Christian Klein stand, errichtet wor<strong>den</strong>. Undzwar begann man, nachdem unter dem 22. April 1814 die Erlaubniß desderzeitigen General-Gouverneurs, MarquisPaulvcci, zur Enichtung einesDenkmals eingegangen wai, »m 10. October desselben Jahres zur Feierder Befreiung Moskau'« mit der feierlichen Grundsteinlegung zu demselben,während man zugleich die geschmackvolle Ausführung des hin in<strong>Riga</strong> ange-


72fertigten Entwurfs durch Vermittelung des derzeitigen Hofbanquiers A. F.Baron Rall einigen geschickten Künstlern in St. Petersburg übertrug.Als dasselbe im Jahre 1816 so weit vollendet war, daß an seine Ueberführungnach <strong>Riga</strong> gegangen wer<strong>den</strong> konnte, hatte das Schiff, in welchem esverla<strong>den</strong> wor<strong>den</strong> war, das Unglück, bei Arensburg zu stran<strong>den</strong>. Lange schienes zweifelhaft, ob es möglich sein werde, die großen Steinmasfen, derenGewicht in Summa auf ca. 356 Schiffpfund Rigisch berechnet wurde, <strong>aus</strong>dem Wasser zu heben, bis dieses endlich <strong>den</strong> Bemühungen des Obriftlieute»nant v. Reinecke gelang, der fie sodann auf einem sicheren, zu diesemZweck besonders eingerichteten Schiffe nach <strong>Riga</strong> schaffen ließ. Dieser Umstandund der große Aufwand <strong>von</strong> Zeit und Mühe, welchen die Aufrichtungdes Monuments erforderte, verzögerte die Fein sein« Aufdeckung bis in<strong>den</strong> Herbst 1817. Am 15. September, als dem Krönungstage Alexand« 1.,veesammelten sich nach geendigtem Gottesdienste die hohen Voegesetztcn dies«Provinz, die Glieder der Gouveinementsicgicrung , die Behör<strong>den</strong> undInstanzen der Landcsverwaltung, die Geistlichkeit der drei Confesffonen, derMagistrat, die Angesehensten der Kaufmannschaft, als Gründer und Befördererdcs Denkmals, in dem Schlosse und auf dem Platze vor demselben,worauf bie Bürgergar<strong>den</strong> zu Pferde und das in <strong>Riga</strong> d. Z. ftationirteMilitär unter feierlich« Musik, Abfeuerung d« Kanonen und Läuten derGlocken, nach einem I« veum d« griechischen Geistlichkeit und einem vomersten Geistlichen der Stadtgemeinde gesprochenen Segenswunsche, bei dervöllig aufgedeckten Säule voiübeidesililten.Die Höhe des ganzen Denkmals betlägt genau 48 Fuß 7Z Zoll.Da<strong>von</strong> kommen auf die dici Stufen, deren unterste einen Umfang <strong>von</strong> 98Fuß hat, 1 Fuß 9 Zoll. Der Säulenftuhl oder das Postament hat eineHöhe <strong>von</strong> 8 Fuß 9z Zoll und mißt an der Grundfläche 7 Fuß ?z Zoll insGevierte. Der Schaft der Säule hat unten einen Durchmesser <strong>von</strong> 3 Fuß9 Zoll und oben <strong>von</strong> 2 Fuß 10 Zoll und beträgt seine Höhe 23 Fuß 6 Zoll.Das Kapital hat 2 Fuß ?z Zoll Höhe, und die darauf befindliche Victoria,einschließlich der Kugel, auf welcher fie schwebend steht, ist 9 Fuß hoch.Auf <strong>den</strong> ober» Ecken des Säulcnftuhls breiten schützende Adler ihreFlügel <strong>aus</strong>; der Würfel desselben ab« trägt folgende Inschriften in lateinisch«und russischer Sprache:


73B«,sv» uee »»«ouli» uuquam audilH.I^e populomm eoiuiusieiu, penitu« intsroiäsesutoi>>l«ut« «t Hliuis iuterossZitKIY^NI «N n c>riiß»i. »inrMnc?, «^> kocei«,n!WZ>»3« I^6n«H«pl«iovrHll 73U lÄrwuu.Als unter einer schreslichen und zu keiner Zeit erhörten Despotie durch einen Tobund Verderben bringen<strong>den</strong> Krieg die Bande Europa« sich schon fast gelöst, istAlexander 1,, Rußland« Kaiser, damit nicht der Berlehr unter <strong>den</strong> Böllern gänzlichaufhöre, mit seinem Geiste und <strong>den</strong> Waffen eingeschritten; <strong>Riga</strong>'« Kouflcute aberhaben burch diese«, au« ihren Beiträgen errichtete Denlmal der wiedererlangtenallgemeinen Freiheit, <strong>den</strong> Namen und Ruhm de« Bater« de« Bateilande«, de«gelielteften Herrscher« mit einem aufrichtigen Etein ben spätesten Enleln überliefernwollen im 1814. Jahre de« Heil«, im 14. seiner menschenfreundlichenRegierung.


74H, HL« « 4 N I> 1. II L?L U Üuo6iAoucx:»ov Aeeuni,««II.ltl>«»^ u,llr>«^«2, ZlUlouu »»rioilll»'!'.F. 1814*).Dieselben Inschriften, auf eine zinnerne Platte eingegraben, befin<strong>den</strong>fich in dem bleiernen Kiftchcn, welches in <strong>den</strong> Grundstein eingemauert wor<strong>den</strong>ist. Außerdem enthält dasselbe noch die im Jahre 1810 geprägte <strong>Riga</strong>ischeJubel-Medaille, die im Jahre 1814 curfirt haben<strong>den</strong> russischenMünzen, sowie auf Pergament geschrieben die Bittschrift um die Erlaubnis»zur Errichtung des Monnments, die darauf erfolgte Antwort und die vomderzeitigen Oberpaftor und Senior des Stadtminifteriums, Dr. LiboriusBergmann, aufgesetzte historische Nachricht für die Nachkommenschaft.») Die Heere <strong>von</strong> 2» Reiche, und Böllerfchafte» drangen mit Schwert und Feuerin Rußland ein und verfielen dem Tode und der Gefangenschaft. Rußland stllrhte<strong>den</strong> Verderbe« und sprengte die Fesseln Europa'«. Alexander I. lehrte mit siegreicherRechte zurück und befestigte <strong>den</strong> Fürsten die Reiche, <strong>den</strong> Böllern die Gesetze.Im lohre l«l4.


Der HerderPlatz in <strong>Riga</strong>


Der Herder-Platz in <strong>Riga</strong>3)cr Platz, welch« früh« nach der „kleinen oder Stückguts-Wage"benannt war, heißtnun „Herder-Platz"; der mercantile Zweck ist einerideellen Beziehung gewichen. Dasselbe günstige Geschick, welches bald nachdem Regierungsantritt Alexanders 11. die unsere Stadt einschnüren<strong>den</strong>Wälle sinken ließ, hat auch die Erbauung ein« neuen Stückguts-Wage ander Dünakaje und die Wegräumung jener Wage zur Folge gehabt, derenStelle jetzt dem An<strong>den</strong>ken unseres Herder geweiht ist.Der Herr Advokat Wilhelm v. Petersen ist es, der <strong>den</strong> schönenGedanken dieser Denkmalsetzung gefaßt und im Namen einer Anzahl hiesigerLiteraten und Künstler mit patriotischem Eifer durchgeführt hat. Die Enthüllungdes Denkmals und seine Uebnttagung <strong>von</strong> <strong>den</strong> Stiftern an dieStadt geschah in feierlicher Weise am 25. August 1864— nicht ohne säcutareBeziehung; <strong>den</strong>n im Spätherbst des Jahres 1764 ist der Gesnerieals ein noch unberühmter Jüngling zu uns eingewandert. Dn Tag seinerAnkunft läßt sich nicht mehr ermitteln; der 25. August aber wurde gewähltals sein Geburtstag.Die Wahl des Ortes für das Denkmal war schon dadurch bedingt,daß nach einer, wenn auch unsicheren Tradition Herder während seineshiesigen Aufenthaltes eines der Häuser am Platz der kleinen Wage bewohnthaben soll. ES ist das auf unserem Bilde zu links stehende Giebelhäuschenmit nur zwei Fenstern auf seiner Vorderseite, ein Eigenthum dnDomkirche und seit unvor<strong>den</strong>klichen Zeiten <strong>den</strong> Domschullchrnn als Woh-


76nung dienend. Dieses H<strong>aus</strong>, in welchem also die „Fragmente über diedeutsche Literatur" und die „Kritischen Wälder" geschrieben sein sollen, istjetzt mit einer Marmortafel versehen, worauf die Inschrift://ie?' u>o^n


77Das Postament, nach einer ZeichnungScheel in der Wöhrmannschen GußcisenfabritVorderseite die Worte: .uoi"ri'«ii!vNüllvNli,des Herrn Architekten v.<strong>aus</strong>geführt, hat auf seiner1.10»?.I.IVLL.I.ÜLÜX.Auf der demnächst zur RechtenVIII.18— »—«42,'>,folgen<strong>den</strong> SeiteNüLOIiüXI>. «3.1744IXuou»11X01!!«,(c>8irNI!II88I!X)Auf der dritten SeiteAuf der vierten Seitecoi.i.^noli^i'ailv««ooU'Bcliui.i:vxv?/


78Die Büste endlich ist der <strong>aus</strong> München bezogene Abguß eines <strong>von</strong>dem Bildhauer Schallei füi Weimar gefertigten Originals— für Weimar,wo Heedei seine längste und glänzendsteLebenszeit »«biacht hat, wähiendseine glücklichste die in <strong>Riga</strong> gewesen ist, wie ei selbst oft und g«n bezeugt hat.Ab« nicht blos LebenSficude, auch Förderung seines Genius hat Herderin <strong>Riga</strong> gefun<strong>den</strong>. Er kam. zu uns als begeisterter Prophet des Weltbürgerthumsund ihm imponirte der Geist eines kräftigen StadtbülgeNhums,wie n hier <strong>den</strong>selben kennen lernte; die Anschauung eines in sich selbsthaltungsvollen Gemeinwesens gereichte ihm zur Ergänzung und Bereicherungder Humanitätsideen, <strong>von</strong> <strong>den</strong>en er voll war. Denn mitten in der immermehr dem öffentlichen Leben fich entfrem<strong>den</strong><strong>den</strong> Spießbürgerlichkeit hatte<strong>Riga</strong> <strong>den</strong> Sinn und die Kraft für selbftthütige Handhabung seiner Interessensich noch ungebrochen erhalten. Möge in <strong>den</strong> Wandlungen der gegenwärtigenZeit uns unverloren bleiben, was selbst einem Herder an unspreisenswnth gewesen ist!


Der Basteiberg zu <strong>Riga</strong> und dessen Umgebungen


Der Basteiberg und dessen Umgebung


80Bei einer Höhe <strong>von</strong> 81 Fuß enthält er 4 Stockwerke, deren obere noch jetzt9 Kanonen bewahren, <strong>von</strong> <strong>den</strong>en einige wohl schon an die 300 JahnimBesitze der Stadt sind. — Das lang sich hinstteckendc Gicbeldackches sich zwischen PulveNhuim und Bastei hineinschiebt, deckt die Militail-Kaserne, welche <strong>von</strong> der Sandbaftion bis zur latobsftraße nicht. DieGlocke, welche <strong>den</strong> links vom Pulveithuim fich cmpoiftiecken<strong>den</strong> Kttchtbunnals <strong>den</strong> der St. latobikiichc kenntlich macht, giebt als eins der Wahrzei«ehen <strong>Riga</strong>'s unsnem Bilde zugleich das Chalakteizeicheu eines <strong>Riga</strong>schen.Das lints <strong>den</strong> Voideigiund füllende Gebäude im mod«nftcn Styl ist daselfte H<strong>aus</strong>, welches in <strong>den</strong> neuen Anlagen <strong>aus</strong> dem Schutt dn abchenen Mau«n empolftieg. Sein Elbaun, dn Hl. Dr. Aeient, li>Glundftein dazu am 7. Aplil 1860 legen und földnte <strong>den</strong> Bau so lasch, daßes schon im Hnbft 1861 bezogen wei<strong>den</strong> konnte. Um ein lahl jüngerist das im gothischcn Geschmack gehaltene Gemäuer, welches fich thurmartigrechts im Hintergrund erhebt. Es enthält eins der Gasreservoiied« seit dem August 1862 in Bctticb befindlichen Gasanstalt, welche <strong>von</strong>hiei <strong>aus</strong> ihie leuchten<strong>den</strong> Arme in die entlegensten Theile der StatVoiftädte hin<strong>aus</strong>fttcckt.


Der neue Springbrünnenim WöhrmannschenPark zu <strong>Riga</strong>


Der neue Springbrunnen im Wöhrmannschen Parkin <strong>Riga</strong>«Mögen größere Städte, wie Hamburg, Berlin, Wien, Paris, fichihrer lungfernstiege, Thielgälten, Piatei oder Elysäischen Feldn lühmen:<strong>Riga</strong>, wenn auch untn mindn günstigen Klimaeinflüffen stehend, blickt indieser—Hinficht mit stiller Befriedigung auf seinen „Wöhemannschen Pail",eine Schöpfung patriotischen Gcmcinfinnes, an der Natur und Kunst,unter der umsichtigen Verwaltung eines seit dem Jahre 1813 auf Anregungdes damaligen General-Gouverneurs, Marquis Paulvcci, mit der Pflegeuns«« sogenannten Volftadt-Anlagen bettauten Comite's, seit 58 Jahrengleich liebevoll und <strong>aus</strong>dauernd geschafft und gewirkt haben, um fie fürJung und Alt, füi Klein und Groß zu einem immer reizenderen Sammelplatzzu gestalten, in dessen Schattengängen fie nach des Tages, wie desLebens Mühen und Beschwer<strong>den</strong> Ruhe und Erholung im Genüsse ftischnLuft und ftein Natul fin<strong>den</strong> können.Im Osten dci Stadt an dn Grenzscheide zwischen diesn und <strong>den</strong>, fieauf dci Landseite umgeben<strong>den</strong> Volftadttheilcn gelegen, bildet diesn Pailein <strong>von</strong> vici Hauptvntehissttaßcn umschlossenes Vineck, dcffen Länge andci großenPaltsttaße 155 Fa<strong>den</strong> und an derElisabethftraße 95Fa<strong>den</strong> mißt,während seine Breite an der Kallftraße 120 Fa<strong>den</strong> und an der Suworow»fttaße 95 Fa<strong>den</strong> beträgt. Zu dieser bedeuten<strong>den</strong> Ausdehnung hat er fichindessen nur nach und nach entwickelt. Seine erste Anlage an der Ecke derKalt- und alten Esplana<strong>den</strong>ftxaße umfaßte, als fie am 8. Juni 181? deröffentlichen Benutzung feierlich übergeben wurde, kaum <strong>den</strong> achten Theilseines gegenwärtigen Urnfanges.Nichts desto weniger wurde ihre Eröffnung<strong>von</strong> <strong>den</strong> Zeitgenossen mit ganz besonderer Befriedigung als eine höchst will-


82kommene Enungenschaft zur För<strong>den</strong>ing des allgemeinen Wohlbehagens begrüßt.Neben anderen, dem Comite für die Vorftadtanlagen zur Verfügungstehen<strong>den</strong> Mitteln, waren es namentlich auch die wiederholten Darbringungender weil, vnwittweten Fran Aelteftin Anna Gertrud Wöhrmann,geb. Ebel, welche die Anpflanzung des Parts, so wie die Erbauung einesPavillons und eines Gartcnhäuschcns in demselben ermöglichten und diefernere Unterhaltung des Ganzen sicher stellten. In Veranlassung dessenwandelte fich im Munde des dankbaren Publikums das ursprüngliche Epitheton„Neue" in „Wöhnnannsche" Anlage od« Poik, eine Bezeichnung,die fich im Laufe d« Zeit auf die ganze Anlage in ihrem gegenwärtigenUmfange vererbt hat.Die erste Vergrößerung des Parks, und zwar der Kalkstraße entlangbis zm Elisabethfttaßc, «folgte im Jahn 1828 duich eine Schenkung desweil. Preußischen General-Consuls loh. Christ, v. Wöhrmann, des Sohnesder am 21. August 182? verstorbenen Frau Anna Gertrud Wöhrmann.Daran schloß fich bereits im Jahre 1831 der Erwerb eines weiterenGrundplatzes an der Elisabethsttaße, auf dem der Sommnsalon mitsein« Säulenhalle «baut wuide.Bei <strong>den</strong> Umfolmungen dn Anlage, welche die elfte dci voinwähntcnElweiteningen im Jahn 1829 nöthig gemacht hatte, ward an Stelle desGaltenhäuschens, welches fich die Stiften« bei ihnn Lebzeiten zm eigenenBenutzung voibehalten gehabt hatte, das Glanit<strong>den</strong>tmal «lichtet, welchesfich noch gegenwältig unweit des allen Pavillons <strong>aus</strong> dn Mitte einer eingehegtenRasenfläche erhebt und auf seiner Vorderseite die Inschrift trägt:Der Oniuäßliu «lißsss üllsutlieußu -^belauf der Rückseite aber die Worte:Von äsi^yuißsn, w«IoU6 äen Vsertu äieBsr H,nl»ßß«n »olliitHßn vissßu, siriolitst 1829.Die Anlage einer Anstalt für Bereitung und Verbrauch lünftlicherMineralwasser hatte in der Mitte der dreißiger Jahre die nächste bedeutendeErweiterung unseres Parts im Gefolge. Durch Hinzuziehung des<strong>den</strong> Vorftadtanlagen zuständigen GaNenplatzcs an der Esplana<strong>den</strong>ftraße, sowie durch Anlauf eines großen Grundstückes an der Elisabethfttaßc «hielt


83derselbe eine Ausdehnung, dnen Grenze noch gegenwärtig durch die bei<strong>den</strong>Hauptalleen, welche mit der großen Parksttaßc und mit dn Suworowfttaßepaiallel laufen, angedeutet wild. Die zu dn Minnalwaffeianftalt nöthigenBaulichkeiten wul<strong>den</strong> in <strong>den</strong> Zahlen 1834 u. 1835 aufgeführt und schloffen fichim Viereck mit Colonnadcn an <strong>den</strong> obenerwähnten Sommersalon an. DieBepstanzung der neuen Parktheile mit Alleen und Gruppen blühendn Strauch«erfolgte im Jahre 1836 gleichzeitig mit der Eröffnung jener Anstalt.Im Laufe der nächstfolgen<strong>den</strong> zwei Decennien erlitt der Park leinewesentliche Veränderung; nur baß man, während Baum und Busch fichimmer träftig« belaubten, im Jahre 1848 die Mufiteftrade in der Nähedes Sommersalons erbauen und im Jahre 1851 bei Anlage der neuenSuworowstraße die Umzäunung des Parts bis an diese hin<strong>aus</strong>rncken ließ.Die im Spätherbst 1857 begonnene Abtragung der Festungswerke <strong>Riga</strong>'sgab Gelegenheit zu einer nochmaligen bedeuten<strong>den</strong> Vergrößerung des Parks.Durch Zuthcilung der ehemaligen Esplanadcnftraße und eines Theils desFeftungsglaeis, so wie durch Anlegung der neuen großen Parkftraße i. I.1859 erhielt er seine gegenwärtige, nach Außen rings <strong>von</strong> breiten Promena<strong>den</strong>umfaßte Begrenzung. Die darüber hin<strong>aus</strong> nach allen Seiten hinsich erheben<strong>den</strong> massiven Neubauten scheinen einem fernen« Wachsen in dieBreite für alle Zeiten ein Ziel setzen zu wollen.Mit der Grenzerweiterung i. I. 1859 mußten sich auch in der innerenGestaltung des Parts mehrfache Wandelungen vollziehen. Während mani. I. 1861 mit der Bcpssanzung des neu erworbenen Terrains begann,wurde auf dem an der Ecke der neuen Part- und der Kaltstraße gelegenenTheil desselben zugleich auch der Bau eines neuen Kur- und Oelonomie-Gebäudes für die Minnalwasscranftalt in Angriff genommen. Als dieseim Jahre 1864 mit ihrer inneren Einrichtung im Wesentlichen so weithergestellt war, wie der geehrte Leser sie Seite 63 folg. unseres <strong>Album</strong>sin Bild und Wort dargestellt findet, wurde <strong>von</strong> <strong>den</strong> Räumlichkeiten,welche die Anstalt bis dahin innegehabt hatte, der zunächst an <strong>den</strong> Sommersalongrenzende Theil zur Restauration desselben hinzugezogen, die Fronteaber zu einem großen Conccrt- und Speisesaal mit breiter Freitreppe umgebaut.Daran schloffen sich noch in demselben und in dem folgen<strong>den</strong>Jahre 1865 mehre namhafte Umwandlungen in <strong>den</strong> Anlagen an der


84Frontseite des Sommersalons. Das Portal desselben erhielt eine an <strong>den</strong>Seiten <strong>von</strong> Gesträuch umhegte Vorterrasse und in Mitten des freien Rasenplatzesvor dem Salon ward eine in Zinkguß <strong>aus</strong>geführte, durch ein Legatdes 1862 verftorbcnen AeltestenGeorg Kleberg gestiftete Sonnenuhr aufgestellt,um welche fich zwischenBlumenbeeten sechs Statuen und drei Vasengruppiren, zu <strong>den</strong>en fich spät« noch drei Kandelaber zur Gasbeleuchtunggesellt haben. Seit dem Jahre 1869 hat nämlich der Part eine eigeneGasröhrenleitung erhalten. Gleichzeitig mit der Legung derselben fand auchdie Aufstellung, des monumentalen, <strong>von</strong> E. Buch olt H Hahn in Berlinin bronzirtem Zintguß <strong>aus</strong>geführten Springbrunnens statt, welchen unserStahlstich darstellt, so wie die Anlage der Doppelterraffe, welche fich imHintergründe unseres Bildes längs der ganzen südlichen und seit dem Jahn1871 auch längs der an Stelle der Freittcppc vor dem Salon hergestelltensüdlichen Colonna<strong>den</strong>stucht des Reftaurationsgebäudes hinzieht.


Der<strong>Riga</strong> DünaburgerBahnhof in <strong>Riga</strong>


Die <strong>Riga</strong>-Dünaburger EisenbahnMereits im Jahre 1853 erhiell der <strong>Riga</strong>sche Börsen -Comite mittelstAllerhöchsten Befehls vom 18. Mai desselben Jahres die Conceffion zurGründung einer Actien- Gesellschaft für <strong>den</strong> Bau und Betrieb einer Eisenbahnzwischen <strong>Riga</strong> und Dünaburg. In <strong>den</strong> sofort in Angriff genommenenVorarbeiten zur Nivellirung dn Linie, zur Ausarbeitung des technischenProjects ,c., trat jedoch in Folge des bald darauf <strong>aus</strong>brechen<strong>den</strong>orientalischen Krieges ein Stillstand ein, bis der wiedertchrende Friede imI. 1856 ihre Wiederaufnahme gestattete.Für die obere Leitung aller vorbereiten<strong>den</strong> Maßregeln war durch AllerhöchstenBefehl ein Comite unter dem Präfidio Sr. Durchlaucht des HennGeneral-Gouverneurs des Oftseegebiets, Fürsten Suworow, niedergesetztwor<strong>den</strong>, während die unmittelbare Leitung aller auf das Unternehmen bezüglichenGeschäfte einer durch die Wahl sämmtlichn Actionäre conftituirtenprovisorischen Direction übertragen wurde. Diese provisorische Directionbestand <strong>aus</strong> <strong>den</strong> Henen: Staatslllth v. Stöver, Rathshen A. H. Hollandtl,Henry Robinson, Thomas Renny und Alexander Hill.Zum Ober-Ingenieur der <strong>Riga</strong>-Dünaburgn Eisenbahn war dn Vice-Präfi<strong>den</strong>t des Vereins britischer Civil-Ingenieure, Herr John Hawlshaw,gewonnen wor<strong>den</strong>, welchn im Jahre 1856 mit seinem Stabe in <strong>Riga</strong> eintraf,um die technischen Vorarbeiten zu prüfen und die nöthigen persönlichzu treffen<strong>den</strong> Anordnungen ins Werl zu richten.Inzwischen waren nach vorgängign Vereinbarung mit der Staatsrc»gierung durch <strong>den</strong> Allerhöchsten Befehl vom 14. Februar 1857 die nachfolgen<strong>den</strong>Fundamental -Bestimmungen festgestellt wor<strong>den</strong>:


861) das Capital der Gesellschaft wird auf 10,200,000 Rbl. S. fixirt(in 81,600 Actien zu 125 Rbl. oder 20 L Steil.);2) <strong>den</strong> Actionäicn zur Vcizinsung und Tilgung der Actien eine jährlichereine Einnahme <strong>von</strong> 459,000 Rbln. garantirt und3) der Termin der Concession auf 75 Jahre, gerechnet <strong>von</strong> der Eröffnungdes Betriebes auf der ganzen Linie, <strong>aus</strong>gedehnt.Nachdem hinauf das Statut der Gesellschaft am 23. Januar 1858die Allerhöchste Bestätigung erhallen hatte, berief der <strong>Riga</strong>sche Börsen-Co°mite am 29. März 1858 die erste conftituirende General-Versammlungder Actionärc, welche nach Entgegennahme des Rechenschafts -Berichtssämmtliche bis dahin getroffenen vorbereiten<strong>den</strong> Anordnungen genehmigteund sodann zur Wahl der Diiectionsgliedei schritt. Es wur<strong>den</strong> erwähltdie Herren: Henry Robinson, Rathshen-Aug. Holländer, Staatsrathv. Stöver, Thom. Renny und Coll. Assessor Fall in. Die neuerwähltenDirectonn ernannten zu ihrem Präsi<strong>den</strong>ten <strong>den</strong> Herrn Staatsrathv. Stöver und zum Vice -Präfi<strong>den</strong>ten <strong>den</strong> Herrn Henry Robinson.Am 8. Mai 1858 fand die feierliche Eröffnung des Bahnbaues in Gegenwartder hohen und höchsten Autoritäten des Landes und der Stadt<strong>Riga</strong>, sowie der Geistlichkeit und unter Theilnahme einet großen Anzahl zudiesem Acte gela<strong>den</strong>« Gäste, statt. Auf das Ersuchen des Präsi<strong>den</strong>ten derGesellschaft thot Se. Durchlaucht der Fürst Suworow <strong>den</strong> ersten Spatenstichund gab damit dem beginnen<strong>den</strong> Werke die Weihe.Die Ausfühlung des Bahnbaues bis zur gänzlichen Vollendung woiconttactlich einem nnommilten Bau-Unternehm«, Henn Th. Jackson inLondon, übertragen wor<strong>den</strong>. Allein schon im Juni 1859 sah fich derselbebehindert, <strong>den</strong> Bahnbau weiter fortzuführen, in Folge dessen die Directiondie FoNsehung und Beendigung des Baues <strong>den</strong> Hcnen John Ashburyund T. C. Watson übergab.Die Länge der Bahn beträgt 204 Werft und zählt dieselbe an Kunstbauten5 große Brücken über die Flüsse: Ogn, Perse, Ewft, Naret undDubna, und mehr als 200 kleinere Brücken und Durchlässe.Nach ihrem Durchgänge durch <strong>den</strong> Moskauer Vorftadttheil <strong>Riga</strong>'s durchläuftdie Bahn in Livland die Güter DreilingSbusch, Klein -lungfcrnhof,Kirchholm, Kurtcnhof, Uexlüll, Lennewa<strong>den</strong>, Ringmundshof, Groß-lungfern-


87Hof, Römershof, Äschern<strong>den</strong>, Atttadsen, Bielfteinshof, Klauenhof, Koten-Hufen, Stockmannshof; im Witebstischen Gouvernement: Krentzburg, Treppenhof,Lievenhof, largrad und Lixna (Dünaburg).Stationen enthält die Eisenbahn überhaupt 14, und zwal:<strong>Riga</strong>, I. Kl.Kurtenhof, IV. Kl. . .Oger. 111. Kl. ... 32Ringmund«hof, 111.Kl. 48Nömer«hof, 11. Kl. , 68Kolenhnsen, 111. Kl. . 88Stockmann«hof, IV.Kl. 102I? Werft <strong>von</strong> <strong>Riga</strong>,Krentzburg, 11. Kl.. 121 Werft <strong>von</strong> <strong>Riga</strong>.Treppenhof, IV. Kl. 18? „ „ „Lievenhof, !V. Kl. . 148Zargrad, IV. Kl. . . 158Nitzgal, IV. Kl. . . 174lixna, 111. Kl. . . 190Vünaburg, 11. Kl. . 204Eine Anficht des Bahnhofes in <strong>Riga</strong> giebt das volstehende, getreu undgelungen <strong>aus</strong>geführte Abbild.Im Centturn des Vordergrundes erblicken wirdas stattliche Gebäude der Empfangsstation, lints <strong>den</strong> großen Loeomotiv-Schuppen, im Hintergründe desselben <strong>den</strong> Waggon-Schuppen; zur Seitedes locomotiv-Schuppen ragt der zierlich gebaute Schlot der großen Reparatur-Werkstatthoch hervor. Auf der andern, der rechten Seite der Stationerhebt sich ein geräumiges Wohnh<strong>aus</strong>, theils zur Aufnahme verschie<strong>den</strong>erBure<strong>aus</strong> und Expeditionen, theils zu Wohnungen für Beamte bestimmt;hinter demselben befindet fich der große Güter-Schuppen.Die Lage des Bahnhofes ist besonders günstig gewählt. Durch dieschöne Marien-Brücke unmittelbar mit der Stadt verbun<strong>den</strong>, ganz in derNähe der Handels-Umbauen, gewährte die nahe Nachbarschaft der Düna<strong>den</strong> Vortheil, <strong>von</strong> dem Bahnhofe mit Leichtigkeit einen Schienenweg zumDünaufn und dasselbe entlang zu fühlen, um die auf dn Eisenbahnanlangen<strong>den</strong> Waaien dinct zu <strong>den</strong> Schiffen zu beföldnn und umgekehlt.Nach vollendetem Bahnbau und nachdem deiselbe nebst <strong>den</strong> Betriebsmittelnin allen Theilen durch die <strong>von</strong> der Oberverwaltung der Wegecommunicationund öffentlichen Bauten abgeordnete Commisfion besichtigt undfür gut befun<strong>den</strong> war, ward die Eisenbahn am 12. Sept. Nachmittags 2 Uhrmit einem Exttazuge nach der Station Ogn eröffnet und damit die durcheine lange Reihe <strong>von</strong> Jahren genährte und gepflegte Hoffnung. <strong>Riga</strong> durcheinen Schienenweg an dem Weltverkehr Antheil zu geben, endlich verwirklicht.


88Die seit Eröffnung und namentlich seit Anschluß der Dünaburg-Witebsl«und der Witcbst-Oreler Bahn <strong>von</strong> Jahr zu Jahr fich steigerndeFrequenz unfern <strong>Riga</strong>-Dünaburger Bahn hat die Zweckmäßigtcit, ja Nothwcndigteitfür das fernere Gedeihen <strong>Riga</strong>'s auf's Glänzendste gerechtfertigt.Personen- und Güterverkehr haben sich im Laufe desseit dem verflossenenlahrzehnd, eben so wie die Reineinnahmen in wahrhaft überraschenderWeise gehoben, wie fich <strong>aus</strong> nachfolgen<strong>den</strong> Zahlen ngiebt:Pnsoncnvntehr pro 1862: 212,946, pro 1870: 243,135 Personen.Gütewnlehx . „ „ 3,669,105, . „ 24,186,825 Pud.Gesammt-Einn. „ „ 538,843, „ „ 2,003,021 Rbl.Reingewinn . „ „ 10,955, . . 803,308Solchen Erfolgen gegenüber geziemt es fichwohl, hier zum Schluß auch <strong>den</strong>Namen des Mannes anerkennend hervorzuheben, der durch <strong>den</strong> Eifer unddie Energie, mit welcher er während einer ganzen Reihe <strong>von</strong> Jahren fürdie Inangriffnahme des ersten Aahnbaucs in <strong>Riga</strong> in Wort und Schrift gewillt,ncht eigentlich Begründer unserer <strong>Riga</strong>-Dünaburger Bahn gewor<strong>den</strong>ist. Es war dies der auch sonst um <strong>Riga</strong>'s Gedeihen so hochverdiente,gegenwärtig dim. Bürgermeister, Commerzienrath Gustav Hernmarck.


<strong>Riga</strong> Mitauer Bahnhof in <strong>Riga</strong>


Der <strong>Riga</strong>-Mitauer Bahnhof in <strong>Riga</strong>-Wer fich noch der sogenannten Elcphantenbrücke und ihrer Umgebungerinnern kann, welche man, <strong>von</strong> Mitau kommend, auf dem Wege zur Dünabrückepasfiren mußte, wird zugeben, daß fich dieser Theil der MitaunVorstadt in <strong>den</strong> letzten Jahren sehr zu seinem Voltheile vnändnt hat.Wenn schon durch <strong>den</strong> Abbruch dn obengenannten Brücke und durch dieAusfüllung des besonders <strong>von</strong> stehendem Waffer übelriechen<strong>den</strong> Grabenseinerseits, und andererseits durch die an der Stelle des Grabens entstan<strong>den</strong>enGebäude viel zur Verbesserung dn Gegend beigetragen wor<strong>den</strong> ist, sogebührt doch unstreitig der <strong>Riga</strong>-Mitaun Eisenbahn das Verdienst, <strong>den</strong> letztenTheil der niedrig gelegenen sumpfigen Wiese unmittelbar an der MitaverStraße und dem Ranke-Damm durch die Anlage des Bahnhofs auf diesemPlatze verdrängt und in sanitätlichn Hinsicht würdig nsetzt zu haben.Nachdem schon eine längen Reihe <strong>von</strong> lahien hinduech die Elbauungeinn <strong>Riga</strong> -Mitaun Eisenbahn <strong>von</strong> vnschic<strong>den</strong>en Seiten, jedoch stets ohneErfolg angestrebt wor<strong>den</strong> war, gelang es mehren Herren der <strong>Riga</strong>schcnKaufmannschaft, in Verbindung mit einigen Henen des türländischen Adels,unter fich eine Actiengesellschaft zu grün<strong>den</strong>, welche fich, die immer größereNothwendigteit einer solchen Bahn einsehend, entschloß, um die Concessionzur <strong>Riga</strong>-Mitaun Bahn höheren Orts nachzusuchen.Glücklicher Weise blieben diesmal die Bemühungen nicht erfolglos unddie Gesellschaft erhielt im Juni 1867 die Concession zum Bau der Bahn.Nachdem der Bau selbst einer Baucommisfion übertragen wor<strong>den</strong> war,welche <strong>aus</strong> <strong>den</strong> Henen: Consul A. Heimann, Consul B. E. Schnatenburg,Aeltefter Nipp, Hermann Faltin und O. v. Scheubner bestand,wurde mit <strong>den</strong> Arbeiten, deren Leitung dem Ober-Ingenieur I. v. Pandelübnttagcn wölben wae, am 1. Juli 1867 begonnen. Begünstigt <strong>von</strong> demschönen Somm« 1868, gelang es <strong>den</strong> Bemühungen dn genannten Henen,


90<strong>den</strong> Bau dn Bahn bis zum Hnbfte 1868, demnach in verhältnißmäßig kurzerZeit, so weit zu been<strong>den</strong>, daß dieselbe am 21. November desselbenJahres eröffnet wer<strong>den</strong> konnte.Der vorstehende Stahlstich stellt das Empfangsgebäude der Station<strong>Riga</strong> dar. Dasselbe besteht <strong>aus</strong> zwei, <strong>von</strong> Holz <strong>aus</strong>geführten Flügelnund einem in Stein <strong>aus</strong>geführten Mittelbau, welcher äußerlich architektonischso gehalten ist, daß das ganze Gebäude <strong>den</strong> einheitlichen Charakter einerdem Schweizer Styl ähneln<strong>den</strong> Conftruction an fich trägt. Es enthält,außer <strong>den</strong> für das Publikum nöthigen Wartesälen mit Restauration, anwelche fich «in besonderes Damen- und Herrenzimmer anschließt,-im Parterrenoch sämmtliche Nüreauräumc, sowie die Betriebs Direction und dienöthigen Neamten-Dejourzimm«. In dn Etage befin<strong>den</strong> sich: dn Directionssaal,sowie die Kanzellei der Direction, die Räumlichkeiten für dieConttole und die Kasse, fnnn die Wohnungen fitt <strong>den</strong> Stations-Vorftehcrund dessen Assistenten. Längs des ganzen Gebäudes ist auf dn dn Bahnzugctehlten Seite ein vndecktn Penon angelegt, welcher dem Publikum esmöglich macht, selbst bei schlechtem Wetter trockenen Fußes zu <strong>den</strong> Waggonszu gelangen.


-iHtzDes leuchtthurm <strong>von</strong> Dünamünde und die Bucht <strong>von</strong> Bolderaa


Der Lenchtthurm <strong>von</strong> Dünamunde und die Bucht<strong>von</strong> BolderaaWer bei mühevoller Seefahrt die Feuer <strong>von</strong> DomesnceS und Runöglücklich passirt ist und nun endlich in weiter Ferne ein Helles licht aufblitzensieht, der weiß, daß das Ende sein« Mühen fich naht, daß der bergendeHafen <strong>von</strong> Bolderaa und mit ihm das Ziel seiner Reise, <strong>Riga</strong>, bald erreichtsein wird.Denn jenes helle Licht strahlt <strong>von</strong> der Kuppel des schlanken,die Mitte unseres <strong>Stahlstiche</strong>s zieren<strong>den</strong> Gebäudes <strong>aus</strong>, das <strong>den</strong>Schiffen<strong>den</strong> als Leuchtthurm <strong>von</strong> Dünamünde, auch als Bolderaaschn oderRigoschn Leuchtthurm bekannt ist.Bis vor Anfang des Klimtlieges, in dn elften Hälfte dn letzt»nfloffcncnfünfzign Zahle, nahm seine Stelle ein hölznner Leuchtthulm ein, dn indessenbeim Beginn dci SchifffahN im lahie 1854 abgetragen wurde, umfeindlichen Schiffen die Einfahrt in unseren Hafen möglichst zu erschweren.Nach Beendigung des Krieges und beim Wiederaufleben der Schifffahitim Jahre 1856 ließ die hohe Krone einstweilen einen Noththurm <strong>aus</strong>Spanenweit aufführen, bis endlich im Jahre 1863 zur Erbauung undHenichtung des ThurmeS in dn Gestalt geschritten wer<strong>den</strong> tonnte, wieunser Stahlstich ihn <strong>den</strong> Blicken der Leser vorführt. Bereits am 1./13. Septemberdesselben Jahres erfolgte zum erstenmal die Anzündung der Feuerin demselben.Dieser neueLeuchtthurm ist ganz <strong>aus</strong> Gußeisen gebaut, steht auf einem


92Granitsockel und enthalt eine <strong>aus</strong> Hanonengut gearbeitete Laterne. DerThurm selbst war früh« roth und ist gegenwäitig weiß angestrichen, die Laternenab« und das Dach haben eine giüne Falbe. Im Leuchtthunn selbstbefin<strong>den</strong> fich zwei Feu«, ein obnes und ein untnes, welche in vntilalerRichwng eines über dem andern angebracht find. Das obere Feuer, in einemlatadiopttischen Apparat zweiten Ranges, ist weiß, permanent mit einem gegen5 Sekun<strong>den</strong> anhalten<strong>den</strong> Aufblitzen nach je ein« halben Minute und «leuchtet<strong>den</strong> Horizont <strong>von</strong> SW. 40" übel W., N. und O. bis SW. 49° auf einemRäume <strong>von</strong> 11,6 ital. Meilen. Die Höhe dieses Lichtes <strong>von</strong> d« Bo<strong>den</strong>flächebetlägt 93, üb« dem Meensspiegel 103 englische Fuß. Das unteit Licht,in einem Apparat vierten Ranges, nach dem Fresnel'schen System, ist roth,gleichfalls permanent, blitzt ab« nicht auf. Es erleuchtet <strong>den</strong> Horizont <strong>von</strong>NW. 81" über N. bis NO. 4" auf ein« Ausdehnung <strong>von</strong> 5,2 ital. Meilen.Die Höhe dieses Lichtes <strong>von</strong> der Grundfläche beträgt 11, über dem Meeresspiegel21 engl. Fuß. Das obere Licht hat <strong>den</strong> Zweck, <strong>den</strong> ansegeln<strong>den</strong>Schiffen zur Nachtzeit die Mündung der Düna zu zeigen und die Einrichtungdes Aufblitze»« dient dazu, dieses Licht leichter unterscheidbar zu machen<strong>von</strong> <strong>den</strong> andern am Ufer befindlichen Lichtern. Das untere, rothfarbigeFeuer dagegen bezeichnet <strong>den</strong> Fahrzeugen, welche in der Nacht an die Flußbarrehnansegeln, die Rhede und bestimmt zugleich die Ausdehnung desbesten Ankerplatzes mit einer Waffertief« <strong>von</strong> 8 bis 9 Fa<strong>den</strong>.Der Bo<strong>den</strong>, <strong>aus</strong> dem sich der Leuchtthurm nach sein« geographischenLage unter 57" 3' 28" NB. und 24° 1' 18"ÖL. <strong>von</strong> Greenwich emporhebt, istdas äußerste Nor<strong>den</strong>de des sogenannten Fortlometbammes. Dies« Damm,welch« zu Ende des vorigen Jahrhunderts unter dci Regierung der Kai»serin Katharina 11. <strong>aus</strong> Quadersteinen erbaut wurde, begrenzt <strong>von</strong> derFestung Dünamünde ab bis hierher zum Leuchtthurm in ein« Ausdehnung<strong>von</strong> ungefähr einn Weift die Westseite des äußnen Hafens <strong>von</strong> Boldnaa,und bildet hier die sogenannte Bucht, indem er in einem Winkel zu der


93Landzunge steht, an deren äußerstem Ende die <strong>von</strong> der lurländischen Aaumflossene Festung Dünamünde liegt. Auf unserem Stahlstich findet fichdiese Bucht angedeutet durch die Maftenspitzcn, welche hinter <strong>den</strong> rechts amFuße des Leuchtthurmcs liegen<strong>den</strong> Gebäu<strong>den</strong> hervorragen.Der schmale Landftreifen, welcher auf unserem Bilde dem Forttometdammgegenüber das eben <strong>von</strong> einem Dampfschiff durchfurchte Fahrwasserund damit zugleich <strong>den</strong> Horizont begrenzt, deutet <strong>den</strong> an der Ostseitedes Noldnaaschen Hafens in <strong>den</strong> fünfziger Jahren aufgeführtenMagnusholmschen Damm an. Sein äußerstes, auf unser« Anficht nichtfichtbares Ende ttägt gleichfalls seit dem Jahn 1863 einen Neinen Leuchtthurm,um namentlich <strong>den</strong> Neinen Kabotage-Fahrzeugen zur Nachtzeit dieEinfahrt in die Düna zu kennzeichnen.Wen<strong>den</strong> wir nach dieser Abschweifung unseien Blick wieder znm Leuchtthurmzurück! Wie sämmtliche Leuchtthürme an unseren Küsten, wirb auchder Dünamündesche <strong>von</strong> der hohenKrone unterhalten. Zu seiner Bedienungist bei demselben ein besondere« Commando ftationirt, welches, dem HydrogiaphischenDepartement de« Secminifteriums untergeordnet, während derganzen Dauer der Navigation eine« Jahres für die Unterhaltung desFeuers zur Nachtzeit Sorge zu tragen hat. Der rechts gelegene Theil derBaulichkeiten am Fuß»^es LeuchtthurmeS wird <strong>von</strong> diesem Commando eingenommen;der links gelegene dagegen stellt das Lootsenh<strong>aus</strong> dar, inwelchem die Seelootsen mit ihrem Obnlootsen, d. h. diejenigen Lootsen,<strong>den</strong>en es obliegt, die ankommen<strong>den</strong> Schiffe <strong>von</strong> der Rhede in <strong>den</strong> Hafenbis nach Bolderaa zu bringen, ihre Dejour halten.Weifen wir nun noch, um unsere OrientirungSstizze abzuschließen, einenBlick auf <strong>den</strong> Hinteignind zur Rechten unsere« Stahlstichs, so treten uns<strong>aus</strong> feinen schwachen Umrissen die Speicher und Baulichkeiten entgegen,welche <strong>den</strong> gleichfalls seit Anfang der fünfziger Jahre an der Westseite desFortlometdammes <strong>von</strong> der <strong>Riga</strong>schcn Börsen-Kaufmannschaft angelegten


94Winterhafen umgeben, und unter ihnen namentlich auch der im 1. 1864 dorterbaute Patent-Slip. Auf demselben sehen wir gerade ein Schiff liegen,das durch die im Maschinenh<strong>aus</strong>e wirkende Dampftraft <strong>aus</strong> dem Wasserhinaufgezogen wor<strong>den</strong> ist, um, wie es scheint, seinen schadhaften Bo<strong>den</strong>einer Reparatur und Kalfatnung untnwexfcn zu lassen, wobei ihm die seiteinigen Jahren am Winterhafen in Thätigkeit gesetzte Maschincnwntftattdienöthigen Schmiedearbeiten liefein wird. Hat es dann seine Ncpalatul vollendetund ist vom Slip herab wieder in flottes Waffer gelassen wor<strong>den</strong>, sowird es buich <strong>den</strong> Kanal, welcher, <strong>den</strong> Forttometdamm durchschnei<strong>den</strong>d,<strong>den</strong> Winterhafen mit der „Bucht" verbindet, in diese zurückkehren, umentweder daselbst od« an einem andern Platze seine Ladung einzunehmenund dann, wir wollen es ihm wünschen, noch recht oft und recht lange inglücklichen FahNen <strong>den</strong> commerziellen Verkehr mit unserem Hafen vermittelnhelfen.

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