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Grenzgänge 21 - Juli 2010 - Zentrum Ökumene der EKHN

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Fremdsprachige Gemeinden in <strong>der</strong> <strong>EKHN</strong>INTERVIEWPfarrer Fidèle Mushidi ist sozial-diakonischerMitarbeiter <strong>der</strong> Französisch-reformiertenGemeinde in Frankfurt am MainHerr Pfarrer Mushidi, die Französisch-reformierte Gemeindein Frankfurt am Main feiert traditionell Gottesdienstein französischer und deutscher Sprache. Wurdedie Frankfurter Gemeinde von Hugenotten gegründet?Was ist die Einwan<strong>der</strong>ungsgeschichte <strong>der</strong> Kirchengemeinde?Die Aufzeichnungen unserer Gemeinde belegen, dass sienicht von Hugenotten gegründet wurde, die erst um 1685kamen, son<strong>der</strong>n von protestantischen Wallonen, die bereitsum 1554 einwan<strong>der</strong>ten. Aber die Jahrzehnte später aufgenommenenHugenotten haben die Kirche stark durch ihreZahl und ihr Engagement geprägt. Vielleicht kann man hierschon von einer gelungenen Integration von Fremden in dieGemeinde sprechen.Die gegenwärtige Zusammensetzung <strong>der</strong> Gemeinde ist kaumnoch mit <strong>der</strong> <strong>der</strong> früheren Zeit vergleichbar, auch wenn dieTradition wichtig für uns ist. Die <strong>der</strong>zeitige Gemeinde ist eherdeutsch und franko-afrikanisch geprägt. Das Französischespielt eine wichtige Rolle in <strong>der</strong> Gemeinde und bringt sie zuihren Wurzeln zurück. Ich denke, das Französische ist einwertvolles Pfund bei <strong>der</strong> Suche von Frankophonen nach <strong>der</strong>„Heimat Kirche“ in diesem Land. Wir sind eine autonome„Personalgemeinde“ innerhalb <strong>der</strong> Evangelischen Kirche inHessen und Nassau (<strong>EKHN</strong>) und haben rund 350 Mitglie<strong>der</strong>.Können Sie uns die Gruppe <strong>der</strong> französischsprachigenAfrikaner näher beschreiben? Was sind ihre theologischenTraditionen, Herkunftslän<strong>der</strong> und ihre Lebenssituationin Deutschland?In <strong>der</strong> Gemeinde gibt es eine beachtliche Zahl von Mitglie<strong>der</strong>naus Afrika. Sie sind relativ jung. Manche sind anerkannteFlüchtlinge, an<strong>der</strong>e sind Asylbewerber. Es gibt Studenten,Ehepartner und Menschen, die zeitweise hier arbeiten. Essind Männer und Frauen und manchmal ganze Familien,die zu unserer Kirche gehören. Ein wenig so, wie es bei denGrün<strong>der</strong>n <strong>der</strong> Gemeinde war. Ich habe immer gedacht, dassdies eine Art Son<strong>der</strong>seelsorge ist, die den Menschen ausfrankophonen Gebieten ihren ersten Kontakt mit <strong>der</strong> christlichenGemeinde in Frankfurt ermöglicht. Die festen Mitglie<strong>der</strong>unserer Gemeinde sind aus <strong>der</strong> DR Kongo, Kamerun, Angolaund Togo. Ivorer, Gabuner, Ruan<strong>der</strong>, Burun<strong>der</strong>, Tscha<strong>der</strong>,Mauritianer kommen oft, um bei uns ihre Spiritualität aufzufrischenund die menschliche Wärme in afrikanischer Gestalt zugenießen.In einigen europäischen Nachbarlän<strong>der</strong>n sieht man bisweilen,dass Einwan<strong>der</strong>er plötzlich die Mehrheit in einerjahrhun<strong>der</strong>tealten Kirchengemeinde stellen.Da verän<strong>der</strong>t sich unter Umständen relativ plötzlich dieganze Prägung einer Gemeinde.Das führt einerseits zu neuem Leben, an<strong>der</strong>erseits aberauch zum Verlust von alten und liebgewordenen Dingen.Gibt es in <strong>der</strong> Französisch-reformierten Gemeinde auchmanchmal Reibungspunkte zwischen den verschiedenenKulturen und Traditionen?Es ist klar, dass die Französisch-reformierte Gemeindegewonnen und verloren hat. Sie hat in <strong>der</strong> Hinsicht gewonnen,dass sie Menschen verschiedener Kulturen und sogarverschiedener religiöser Traditionen zusammenbringt. DieFremden von einst haben an<strong>der</strong>e Einwan<strong>der</strong>er willkommengeheißen und sie integriert. Diese Herausfor<strong>der</strong>ung bleibteine dauerhafte in einer Stadt mit starker internationalerDimension wie Frankfurt. Die reformierte Tradition bleibtwohl erhalten, aber mit einer Öffnung in Gestalt des Dialogs<strong>der</strong> Kulturen. Die Mitglie<strong>der</strong> gehören zu einer Gemeinde miteinem Pastor. Aber die Feier <strong>der</strong> Gottesdienste berücksichtigtdie Herausfor<strong>der</strong>ungen <strong>der</strong> Integration. Wir haben einen gemeinsamenAbendmahlsgottesdienst, einen Gottesdienst mitGespräch und einen normalen Gottesdienst auf Deutsch. Amersten Sonntag im Monat haben wir einen französischen Gottesdienstmit einer Liturgie, in <strong>der</strong> sich eher die französischstämmigenund an<strong>der</strong>en europäischen Mitglie<strong>der</strong> wohlfühlen.Einmal im Monat gibt es einen Gottesdienst in reformierterTradition, aber mit afrikanischer Musik.Welche Bedeutung haben für die Gruppe <strong>der</strong> französischsprachigenAfrikaner in Ihrer Gemeinde Heilungen undExorzismen?Ich glaube, dass Glaubensfragen nicht immer auf rationaleWeise zu verstehen sind. Es ist nicht möglich, Gott all seineMacht zu nehmen und alles mit <strong>der</strong> Vernunft begreifen zuwollen. Gott hat uns in <strong>der</strong> Sprache <strong>der</strong> Menschen angeredetund indem er die Erfahrungen <strong>der</strong> Menschen in ihren jeweiligenZeiten und Umständen benutzt hat. Auch heute kannnoch je<strong>der</strong> von uns Erfahrungen machen, die an<strong>der</strong>e nichtmachen können. So kann man die Bibel durch seine eigenenErfahrungen verstehen. Da Gott nicht begrenzt ist, sollten wirihn nicht über die Maßen strukturieren. Ich habe persönlichmehrere Wun<strong>der</strong>heilungen erlebt. Das hat etwas in mir aufgeweckt.Die Lebensumstände in Afrika allein sind in sich selbstschon ein Grund, an Gottes Wun<strong>der</strong> zu glauben. Desgleichenwie wir an Gott glauben, glauben wir auch an die Existenz <strong>der</strong>Kräfte des Bösen. Das Schlechte daran ist, dass die Afrikanerhierauf zuviel Gewicht legen und die Europäer diese Realitätvollkommen ausschließen. Für mich kommt es darauf an,das Gleichgewicht zu wahren, so dass ich die Sache we<strong>der</strong>auf <strong>der</strong> völlig logischen noch auf <strong>der</strong> rein irrationalen Ebenebetrachte.Das Interview mit Pfarrer Fidèle Mushidi wurde auf Französisch geführt undübersetzt von Dr. Kai Funkschmidt.2 GRENZGÄNGE <strong>21</strong> │<strong>Juli</strong> <strong>2010</strong><strong>Zentrum</strong> <strong>Ökumene</strong> <strong>der</strong> <strong>EKHN</strong>

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