18<strong>Energy</strong><strong>News</strong> 1|<strong>2013</strong>Wird der Strom knapp?Die Stromversorgungssicherheit inDeutschland ist hoch und soll es auchbleiben. (Foto: Rainer Sturm/pixelio.de)Deutschland verfügt über eine hohe Sicherheit bei der Stromversorgung.Um dieses Niveau auch künftig zu halten, werden verschiedene Ansätzeerörtert. Ein aktuelles Diskussionspapier zeigt Perspektiven.Sichere Stromversorgung ist ein hohesGut. Im internationalen Vergleich weistDeutschland ein außergewöhnlich hohesNiveau der Versorgungssicherheit auf.Allerdings ist umstritten, ob die gegenwärtigeGestaltung des Strommarkts dieseshohe Niveau auch künftig gewährleistenkann, zumal da der Anteil der erneuerbarenEnergien in den kommenden Jahrenerheblich steigen soll. Der bestehendeGroßhandelsmarkt ist ein sogenannter<strong>Energy</strong>-only-Market, an dem ausschließlichStrommengen gehandelt werden. Dasheißt, vergütet wird nur gelieferte Energie.Dass von diesem <strong>Energy</strong>-only-Marketausreichend Anreize ausgehen, neueKraftwerke zu errichten, bezweifeln viele.Die Diskussion dreht sich vor allem um dieIntegration von Kapazitätsmechanismen.Dabei handelt es sich um Instrumente,welche die Schaffung und Erhaltung vonKraftwerkskapazitäten zum Bereitstellenvon Strom honorieren und damit den BetreibernAnreize vermitteln, die Stromversorgungzu sichern.Ob ein solcher Kapazitätsmarkt sinnvoll istund wie er konkret zu gestalten ist, darüberherrscht noch weitgehend Uneinigkeit.Dabei geht es unter anderem darum, wiedie Kapazitätsmechanismen wirken sollen:umfassend, das heißt sämtliche Kraftwerkefördernd, oder aber selektiv, das heißtnur bestimmte Anlagen, meist Neubauten,bezuschussend. Als Beitrag zur aktuellenKapazitätsmarktdiskussion in Deutschlandhaben Wissenschaftler am Lehrstuhl fürEnergiewirtschaft des Instituts für Industriebetriebslehreund Industrielle Produktion(IIP) des KIT und am Fraunhofer-Institutfür System- und Innovationsforschung ISIKarlsruhe das Papier „Perspektiven für dielangfristige Entwicklung der Strommärkteund der Förderung Erneuerbarer Energienbei ambitionierten Ausbauzielen“vorgelegt.Wie die Autoren – Dogan Keles, Lea Renzund Wolf Fichtner vom KIT, Jenny Winklerund Frank Sensfuß vom Fraunhofer ISI –in dem Diskussionspapier darlegen, wirdgesicherte Leistung in Deutschland kurzfristignicht knapp werden. Denn durchdie Novelle des Energiewirtschaftsgesetzes(EnWG) lässt sich die Stilllegung vonsystemrelevanten Kraftwerken zumindestbis 2017 vermeiden. Dies kommt grundsätzlicheiner strategischen Reserve gleich.Was die Höhe der künftig benötigtenKapazitäten betrifft, speziell den Bedarfab 2020, kommen vorliegende Studienallerdings zu ganz unterschiedlichenErgebnissen.Die derzeitig niedrigen Großhandelspreisefür Strom, die geringere Deckungsbeiträgebedingen und Kraftwerksinvestitionenerschweren, lassen sich unter anderemdurch bestehende Überkapazitäten undniedrige CO 2-Preise erklären. Damitsind sie nicht unbedingt als Zeichen fürMarktversagen zu bewerten. Eine evolutionäreWeiterentwicklung des <strong>Energy</strong>-only-Markets zur Steigerung der Flexibilitäterscheint durch geeignete Maßnahmendurchaus möglich. Dazu gehören beispiels-
<strong>Energy</strong><strong>News</strong> 1|<strong>2013</strong>19weise ein späteres Gate Closure – Zeitpunkt,bis zu dem Strom gehandelt werdenkann – in den verschiedenen Märktenoder eine Ausweitung der Handelsvoluminaam Spot- und Intraday-Market.Zentrale Schwierigkeiten bei der Einführungvon Kapazitätsmechanismen liegen inder korrekten Abschätzung des zukünftigenKapazitätsbedarfs oder eines gegebenenfallsadministrativ bestimmten Preises.Besonders selektive Kapazitätsmechanismenbergen Gefahren: Durch den Eingriffin den bestehenden Markt könnte dessenSteuerungswirkung reduziert werden unddie Einkommen für nicht erfasste Kraftwerkekönnten sinken – eventuell auchbei Anlagen für erneuerbare Energien.Damit müsste der Mechanismus auf immermehr Kapazitäten ausgedehnt werden. Zubeachten ist außerdem, dass rein nationalgeplante Maßnahmen im Rahmen eineseuropäischen Strommarkts zu erheblichenIneffizienzen und somit Mehrkostenführen können. Zusätzlich ergibt sich dasProblem, dass umfassende Veränderungendes Strommarktdesigns Investoren verunsichernund zusätzlich Risikoaufschlägeund Transaktionskosten mit sich bringenkönnen.Angesichts der im Diskussionspapierdargestellten noch bestehenden Unsicherheiten,der Herausforderungen beimStrommarktdesign und dessen Umsetzungsowie der möglichen unerwünschtenNebenwirkungen gelangen die Autorenzu dem Schluss, dass die Einführung einesKapazitätsmechanismus zusätzlich zurjüngst beschlossenen EnWG-Novelle zumjetzigen Zeitpunkt verfrüht ist, zumal daFehlentscheidungen erhebliche Kosten verursachenkönnen. Die geschilderten Problemezeigen, dass weitere Forschungenzum Thema dringend erforderlich sind.Wolf FichtnerDogan KelesLea RenzPreisbildung am Strommarkt.Weitere Infos:Am Strommarkt wird derzeit nur gelieferte Energie vergütet.(Foto: Uwe Schlick/pixelio.de)Dogan KelesInstitut für Industriebetriebslehre undIndustrielle Produktion (IIP)Lehrstuhl für EnergiewirtschaftTelefon +49 721 608-44566E-Mail dogan.keles@kit.edu